BAYERISCHE
BLÄTTER FÜR DAS
GYMNASIALSCHUL
WESEN
KP
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THE UNIVERSITY
OF ILLINOIS
LIBRARY
370.5
1 L
KAU
Blätter
für das
Bayerische Gymnasial-
und
Real - Schulwesen,
redigiert von
W. Bauer & Dr. A. Kurz.
Eilfter Band.
München, 1875.
J. Lind an er' sehe Bachhandlung.
(Schöpping.)
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•2. f *, '
Inhalte - Verzeichniss.
a) Abhnndluupen.
Seile.
Aus der Schulmappe, von A. Kur« . . .18 (vgl. 91). 12t. 269. 415
Aus der Turnschule, von Id. Miller 455
Bemerkungen zu dem Obm'schen Gesetze, von van Beb her . . 279
Bemerkungen zur Theorie des Keiles, von Hielmayr . . . . 153
Beziehung zwischen Bild • und Gegenstandsweite bei sphärischen
Linsen, von Bender • 421
Der deutsche Unterricht in der I. Lateinklasse, von Miller . . 74
Der Unterricht in den neueren Sprachen an den Gewerbschulen,
von E. Walther 263
Die bayerischen Gewerbschulen pro 1874,75, von L 71
Die Erhöhung der wöchentlichen Stundenzahl fQr's Deutsche in
der reorganisierten Gewerbschule, von Schricker . . . . 217
Die Hyksos, von Preu 295
Die nachteiligen Folgen der Verwechselung von Logik und Syntax
für die Lehre vom einfachen Satze, von Wirth . . . . . 347
Die schlechte Aussprache des Deutschen u. die nachteilige Wirkung
derselben auf den fremdsprachlichen Unterricht, v. Dreser . 59
Ein Beitrag zur Bestimmung von Approximationswerten der reellen
Wurzel etc., von A. Miller 350
Einige geometrische Satze, von Hügel 125 (vgl. 190)
Einiges über Kegelschnitte, von Greiner 461
EngUsh Schools, von Wallner . . . .' 332
Handschriftliche Nacbweisungen zu Cic. d. Oratore I. 3, II v. Thenn 201
Homerisches Allerlei, von Riedenauer 49. 97. 156
Horat. Od. I, 3 und Sat. I, 7, 9, von Hann wacker . . 410 u 414
Kleinigkeiten, von Stadel mann 211
Kritisches, von Hammer 198
Kritisches zu Phaedrus, von Zorn 1
Liier, von Zehetmay r 343
Lionis V, 26, 10, von Geist 207
„Mensa est rotunda", von Wirth 16
Neue Konstruktion der Kogelschnittslinien, von Bender . . 457
Ophir und Tbarschisch, von Preu 193
Optimus, von Zehetmayr 253
„Owe war sint verswunden", von Falch 440
Schriftliche Uebungen im Deutschen für Sexta, von L.Mayer 220 u 451
„ „ „ „ „ „ , von M. Mil ler . . 315
„ „ in der deutschen Grammatik für Sexta, von
L. Mayer 317
Severus, serenus und sermo, von Zehetmayr 164
Stilistische Aphorismen, v. Scbiessl u. Götz 227. 258. 324. 399. 443
Ueber den Hellespont, von G. Gebhardt 389
Ueber den Umfang des historischen Unterrichtes auf Schulen,
von Hang ' 1
Ueber die Aussprache des anlautenden sp und st in den Schulen,
von Falch 266 (vgl. 331)
Ueber die Gedankenarmut der Gewerbschuler , von Krallinger 275
Ueber Differeoztöne, von Bender 145
[Jeher Mamma, von Heel .450
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IV
Seite.
Vorschlag zur praciseren Fassung der Regeln über das Wesen
und den Gebrauch des französischen Subjonctif, von Dreser 165
Wer sind die „heimischen Fürsten" in dem Spruche Walthers von
der Vogelweide ,,«»e fr Agent mich vil dicke etc"., von Falch 214
Xenoph. Bell. II, 3, 48, von Geist 4°6
Zu apas, von Zehetmayr 306
Zu Caesar de bell. civ. II, 17, 2, von Soergel 311
Zu Ciceros Briefen an Atticus, von Fr. S chm idt 109
Zu Demosth. Ol. 3, 12, von M. Miller 174
Zu einigen Stellen im Dion und Chabrias des Com. Nepos,
von Rubner 243
Zu Lionis VII, 6, 2, von Geist 70
Zu Lysias und Demosthenes, von E Kurz 435
Zum Foucault'schen Pendelversuche, von 8 c h e l le 60 (vgl. 95 u. 143)
Zum Geometrieunterricht, von Rudel 120
Zum Lehrprogramm der Gewerbschule für Trigonometrie, v. Rudel 76
Zu §§. 1 und 2 der praefatio des Livius, von Soergel . . . . 307
Zur Aussprache des Lateinischen, von Meiser 225
Zu Theokrit, von Zettel 206
b) Literarische Anzeigen und Recensiouen.
(Die nicht mit * bezeichneten Werke sind unter den „Literarischen Notiien"
aufgeführt.)
Abbehusen, C. H., Tht First Story -Book 381
♦Abi cht - Dittmar, Die Weltgeschichte im Umrisse 179
•Adelmann, Prakt. Lehrbuch der franz. Sprache, angez. v. Zeiss 378
*Altum und Landois, Lehrbuch der Zoologie, ange/. von Dr.
Fleischmann 185
Am eis — Hentze, Homers Odyssee 43 u. 385
Arendt«, Dr. C, Spanien und Portugal. Schulwandkarte 479
Auras und Gu er lieh, Deutsches Lesebuch 291
•Bardey, Dr. E., Aufgabensammlung aus der Algebra, angez. von
Dr. van Bebber 281
Bartsch, K., Kndrnn. Schulausgabe 339
„ „, Walther von der Vogelweide. Schulausgabe .... 430
•Baum gart, Dr. G., Aelius Äristides, angez. von C Hannner. . 130
Baumstark, Dr. 0. , Erläuterung des allg. Teiles der Germania
des Tacitus 428
Beetz, Dr. M., Leitfaden der Physik 431
Benseler — Rieckher, Griechisch- deutsches Schulwörterbuch . . 477
Bertram, W., Grammatisches Uebungsbuch zum franz Unterricht . 384
Beule — Döhler, Titus und seine Dynastie 188
•Blume, Das Ideal des Helden und des Weibes bei Homer ... 137
Bock, Dr. K , Lateinische Metrik und Prosodik 478
Boehme, Dr. G., Uebersetzungsaufgaben ins Griechische .... 43
•Breitinger, H , Die französischen Klassiker, angez. v Jent . . 338
* „ „, Die Grundzüge der franz. Literaturgeschichte bis'
1870, angez. von Jent 235
Bielmayer, Grundlehren der Geometrie 341
•Brunner und Kraus, Deutsch-lat. Elemcntarb., angez. v E. Lange 371
Buchholz, Dr. E., Anthologie aus den Lyrikern der Griechen . . 188
♦Büchsenschütz, Dr., Xenophons Hellenica, bespr. v. Kurz 31 (s.S. 39 f.)
Buschmann, Dr. J., Deutsches Lesebuch 478
„ „ , Leasings Laokoon für den Schulgebrauch . . 141
Castres de — Klautzsch, L'art poetigue de Boileau- Desjireavx . 91
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Cholevius, Dispositionen und Materialien 479
Christ, A., Einfache nnd doppelte Buchführung 93
„ , Das Conto -corrente 291
C lassen, J., Thucydides 139
Cosack, W., 'Leasings Laokoon 141
Crapelen, C, Leitfaden für den botanischen Unterricht .... 431
Cron, Chr., Piatons Verteidigungsrede des Sokrates 187
Der Mentor, Notizkalender pro 1876 430
•Der Realnqterricht in Preussen und Bayern 286
Die Naturkräfte 141 u. 340
•Dietsch, P. - Richter G. , Grundriss der allg. Geschichte, angez.
von G. Kraus 281
Di hie, Dr. A-, Materialien zu griechischen Exercitien 386
•Draegcr A., Ueber Syntax u. Stil des Tacitns, angez. v Eussner 83
Düntzer, H, Erläuterungen zu den deutschen Klassikern .... 94
„ „ , Homers Odyssee. Schulausgabe 339 u . 428
Dziatzko, C-, Komödien des P. Terentius Afer 90
•Ebener -- Strome, Franz. Lesebuch, angoz. von Dr. Wallner . 427
Eichert, Dr. 0., Wörterbuch zu Caesars gall. Krieg 44
Enger — Gilbert, Aeschylos Agamemnon 43
Fick, Dr. A., Die griechischen Personennamen 291
•Fischer, Dr., Kleine deutsche Grammatik, angez. v. H Krallinger 424
Fraenkel — Brunnemann, franz. Lesebuch, angez. v. Dr. W^llner 383
Fritsche, A. Th. H., Des Qu. Horatius Elaccus Sermonen . . . 237
Frohberger, H., Reden des Lysias 187
Gallenkamp. Die Elemente der Mathematik 44
tSenthe, Dr. H., Aufgaben für freie lat. Aufsätze 42
Groebel — Götz, Uebersetzungsübungen a. d Deutschen in's Lat- 140
Grote fend — Ringe, Materialien zum deutsch -lat. Uebersetzen . 290
Grube, Dr. A W., Alpenwanderungen 140
Grundt, Dr. Fr. 1mm., Hebräische Elementargrammatik .... 142
•Günther, Dr. S, Lehrbuch der Determinanten- Theorie, angez. v.
Friedlein 185
Haacke, Dr. A, Deutsch -lat. Uebersetzungsaufgaben 290
„ , Lateinische Stilistik 477
Halm, K., Cicero's ausgewählte Reden 42. 89 u. 386
•Härtel, W., Homerische Studien I — III, angez. v. A. Riedenauer 375
Härtung, Dr. G-, Stichverse der lat Syntax 89
Helm, V., Culturpflanzen und Hausthiere 175
Heinichen, Fr. Ad., Griechisch - deutsches Schulwörterbuch . . . 477
Heinrich, A., Erster geographischer Unterricht 92
Ho ff mann, Dr. A., Sammlung planimetrischer Aufgaben . . . . 92
„ K., Sammlung von Musteraufsätzen 90
•Holstein, M. Tullii Ciceronis de fin. bon. et mal., angez- v. llubner 133
Hübner, J. G., Püanzenatlas 238
Hübschmann, Zur Casuslehre 42
•Hutzelmann, Dr. Chr., Hilfsbuch der Geschichte, angez. v. Hans 80
Jakob, Deutschlands spielende Jugend 94
Jan, Dr. K. v., Repetitionsübungen der lateinischen Sprache . . . 428
Jastram, J., Lebensbilder und Skizzen aus der Naturgeschichte . . 488
•Jartsch, Dr. H. , de Aristotele Ciceronis in rhetorica auetore
qnaestiones, angez. von C. Hammer .... 285
Jung, A., Schillers Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen 430
Kappes, K., Erzählungen ans der Geschichte 429
Keck — Kallsen — Sacb, Bilder aus der Weltgeschichte . . . 339
•Keller, L., Der zweite purische Krieg, angez von J. Pistner . . 138
Klaucke, P., Leitfaden zum Urbersetzen a. d. Deutschen ins Lat. . 428
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L I
VI
Seite.
•Kneiscl, B., Leitfaden der historischen Geographie, angez. v. Unger 132
Ko estler, H., Leitfaden für den Anfangsunterricht in der Geometrie 432
Kopp, Dr. W., Geschichte der römischen Literatur 140
Kramer, Dr. G., Karl Ritter, Ein Lebensbild 430
Kuenen, E., Die deutschen Klassiker . . . 386
Kurts, Fr., Geschichtstabellen 188
•Kurz A., Zum Bericht über die I.Generalversammlung des Vereines
der technischen Lehrer 293
•Kurz E. und Breiteubach L. , Xonophons Hellenica, angez. von
Hoeger 230 u. 232
Kurz, W., Transparente Tafeln aus dem Gebiete der Mikroskopie .. 430
Lattmann, Dr. J., Lateinisches Uebungsbuch 201
Lattraann - Müller, Kleine lat. Grammatik 290
„ „ , Griechisches Uebungsbuch 291
Lehmann, Dr. J. H., Handbuch der deutschen Literntur .... 90
Leuchtenberger, G.f Dispositionen über Themata zu deutschen
Arbeiten . . . .' 386
Liebe, Dr. 0, Methodische Grammatik der franz. Sprache ... 91
Linn ig, Fr, Der deutsche Aufsatz in Lehre und Beispiel .... 290
♦Linsmayer, A. , Der Triumphzug des Germanicus , angez. von
Markhauser 422
Lise, A., Angewnidte Elnuentarmatberoatik, angez. v. Dr. van Bcbber 183
•Mann, F., Ein Votum, betr. die Reorganisation unserer Gewerb-
schulen, angez- von A. Kurz 474
Martus, H. C-, Mathematische Aufgaben, II. Teil 341
•Meffert, Dr. Fr, Elementarbuch der englischen Sprache, angez- v.
Dr. Wallner 382
•Mehlis, Ür. Chr , Die Grundidee dps Hermes, angez v. Zehetmayr 384
Meier Hirsch — Bertram, Sammlung v. Beispielen etc. a. d. Algebra 238
Menge, Dr. G., Repetitorium der lat. Grammatik und Stilistik . . 236
•Miller, M., Praktische Uebungen zum deutschen Unterricht, angez.
von Brunner 88
Müller - Frey, Titi Livi ab urbe cond. Hb. I 385
•Müller, L., Q. Uorati carmina, angez. von Eussner .... 81
•Naegelsbach Baumann, Uebungen d. lat. Stiles, angez. v. Seholl 180
Nicolai, A-, Lykurgos Rede gegen Leokratos 139
Nohl, C., Mängel und Missstände im höher n Schulwesen .... 93
Osterwald, K. W., Erzählungen aus der allen deutschen Welt . . 339
, W., Q. Horatius Flaccus Lieder 187
Paralleltabcllen zur griechisch - römisch en Chronologie 42
•Perthes H. , Lateiniscles Lesebuch für Sexta, angez. v. L. Mayer 1H0
Peter, C, Römische Geschichte in kürzerer Fassung 429
Pfundbell er, E., Les poetes francais 292
•Piderit, Dr. K. W., Cicero Brutus de claris oratoribus, angez.
von Rubner 467 cf. 237
•Plattner, PI., Die Räteis von Simon Lemnius, angez. v. Heiss . 136
Priebatsch, Allgemeiner Lehrmittelkatalog 478
Protokoll der westfälischen Dircctorenversaminlung von 1*73 • • . 340
Rchdantz, C, Xenophons Anabnsis 89
Rcmacly, H. Jos., Deutsches Lesebuch 339
Rettig, G. F , Piatonis Symposium 427
•Riedenauer, Dr. A., Handwerk und Handwerker in der homerischen
Zeit, angez. von Chr. Adam 23
•Roth fuchs, Dr. Jul , Syntaris ortiata, angez. v. L. Mayer . . 338
•Sanneg, F., Gramm. Vorschule der lat. Sprache, angez. v. L. Mayer 284
Scherer und Schnorbusch, Griechische» Uebungsbuch .... 43
Schick, A. H., Hebräisches Uebungsbuch 237
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Schilling S., Grundrisa der Naturgeschichte 340 tu 431
Schneider, Dr. 0., Isokrates ausgewählt« Reden 237
Schuetz, Q Horatius Flaccus 41
Schultz, Dr. Ferd-, Kleine lat Sprachlehre 89
„ „ , üebungsbuch zur lat. Sprachlehre 43
Schumann — Gantzer, Lehrbuch der Planimetrie 44
Schuster, Lehrbuch der Poetik 91
Schuster — Hofmann, Rhetorik für höhere Schulen 140
•Sickenber ger, A., Loitfaden der Arithmetik, angez. v. Himmer . 136
Siebentes Jahresheft des Vereines Schweizerischer Gymnasiallehrer ■ 429
Sief er t — Blass, Plutarcbs ausgewählte Biographien 237
Soller, H., Der höhere Lehrstand in Preussen 93
Sommer, Fr., Leitfaden beim ersten Unterricht in der Algebra ■ - 92
*Sorof, Dr. G., M. Tullii Ciceronis de Oratore lib. tres, angez.
von Rubnei 465
•Spielraann, Dr. A., Die Echtheit des plat. Charmides, angez.
von Meiser 337
•Sprachwissenschaftliche Abhandlungen, angez. von Zehetmayr . . • 235
8tein, Dr. H., Die Geschichten des Herodot 429
Stengel, Dr. G., Chemische Erscheinungen 341
*Steup, Lectures instructives et amüsantes und Pleasing Tales 382 f.
St oll, H. W., Erzählungen aus der Geschichte 42
„ „ , Handbuch der Religion und Mythologie • . • • 386
Suhle und Schneidewin, Griechisch - deutsches Handwörterbuch . 238
Sfipfle — Gruber, Anleitung zum Lateinschreiben 88
Temme, Dr. A. J., Leitfaden der Algebra 237
Teuffei, W. S., Aeschylos Perser 187
Thilo, Öhr. A., Kurze pragmatische Geschichte der Philosophie . . 478
Till mann s, Dr. L, Kurze Regeln der griechischen Syntax ... 90
Trappe, A., Schul -Physik . . , 341
Traut, G., Englischer Wortschatz 342
Trauth, Dr. H. Tb., Englisches Lese- und üebungsbuch .... 342
•Treu, A., Die deutsche Sprachlehre, angez. von Brunner .... 87
*U st rieh, Dr. F., Lehrbuch der Arithmetik und Sammlung von arith-
metischen Aufgaben, besprochen von Schwager .... 239 cf. 293
•Vahlen, J., Aristotelis de arte poetica Uber, angez. v. Meiser • 85
Venn, Jos., Deutsche Aufsätze 479
Wagner, Carolus, Florea et fruetus latini 140
Wagner, Dr. K-, Lehren der Weisheit und Tugend 479
Warschauer, Dr. H., Deutsch -lat. Uebersetzungsbuch 477
•Weck lein, N., Ausgewählte Tragödien des Euripides, angez. von
Bergmann 361
Weissenborn, W., Titi Livi ab urbe condüa libri . . . . . 291
*Wenz, G., Die Reform des geographischen Unterrichtes . . . 40
Woelfflin, E , Titi Livi ab urbe condita lib. XXII 385
*Wohlrab, Dr. M., Gymnasium und Gegenwart, angez. v. Friedlein 83
Wolff, C, Historischer Atlas 479
„ , G-, Sophokles Ajas . . 187
Worpitzky, Dr., Elemente der Mathematik 45
Wuensche, Dr. 0., Die Kryptogamen Deutschlands 431
Wunder — Wecklein, Sophoclis tragoediae 38ö
•Zehetmayr S-, Lexicon etymologicum, angez. v. Autenrieth 470 cf. 89
•Ziegler, A., über seine Planimetrie, von A. Kurz 334
Ziegler, Chr., Illustrationen zur Topographie des allen Rom 188 cf. 428
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c) Verzeichnis* der noter der Rubrik „Statistisches" vorkommenden
Personennamen.
Seite.
292
342
190
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Kritisches zu Phädrus.
L
I. 2. 23: Inutilis quoniam esset qui fuerat datus.
So ist der Vers überliefert und so steht er bis jetzt in den Ausgaben,
obwohl quoniam aus metrischen Gründen bedenklich ist. Phädrus
hat nämlich (cf. Rhein. Museum XIII, p. 197 — 208 : Langen , über die
Metrik des Phädrus p. 203 und Luc. Müller, de re metrica poetarum
Latinorum p. 416 f.) sonst im zweiten, dritten und vierten Fuss den
Anapäst nur' in vier- oder fünfsilbigen Wörtern, niemals aber so
gebraucht, dass wie in quoniam esset die beiden Thesen ein Wort
für sich bilden; in den früheren Ausgaben finden sich allerdings da
und dort solche Anapäste; aber sie sind bis auf quoniam esset
sämmtlich aus Unkenntniss obiger Regel durch Conjectur in den Text
gekommen und in der bei Teabner erschienenen Luc. Müller'schen Aus-
gabe mit Recht wieder beseitigt. Von Müller aufgenommen ist lediglich
ein solcher Anapäst, das handschriftlich überlieferte quoniam esset.
ich möchte, obschon Langen (p. 205) meint, er könnte damit entschuldigt
werden, dass durch die Elision quoniam und esset näher mit
einander verbunden werden, auch den noch beseitigt wissen und schlage
de ss halb vor, quodjam statt quoniam zu lesen.
2.
I. 5. 10: Malo adficietur, siquis quartam tetigerit.
Auch hier bestimmt mich ein metrischer Grund zu einer Aenderung
der handschriftlichen Ueberlieferung. Ueber die Elision, die bekanntlich
von Phädrus mit grosser Sorgfalt angewendet ist, sagt nämlich Luc
Müller auf S. X der Vorrede zu seiner Textausgabe: non licet elidi
jambica sequente brevi nec magis copulari eadem cum acuta praeter
imperativos quosdam ut puta hos: veni ergo III. 7. 15, tace inquit
V. 9. 4, ave usque app. 21. 10. Diese letztere Erscheinung, das Vor-
kommen der Elision bei einigen Imperativen, hat Ritsehl, wie Müller
de re metr. p. 284 f. angibt, so erklärt, dass, da in der Umgangssprache
die jambischen auf einen Vocal auslautenden Verbalformen mit ver-
kürzter letzter Silbe gebraucht wurden, auch die jambischen Dichter
da und dort diese Freiheit sich gestattet haben. Andere jambische
Wörter werden also nicht so elidirt und aus diesem Grunde kann das
obige malo adficietur nicht recht sein; ich halte desshalb male für
Blitter L d. Uyer. GymnMiAlw. XL Jahrg. 1
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das Richtige, wenn ich aach im Augenblick für male afßcere aliquem
keine andere Belegstelle beibringen kann als Papin. in Pandect.
XXXVII.12.5: filius, quem pater male afflciebat (Scheller s. v. afficere).
3.
I. 16. 2: Non rem expedire, sed mala vidcre txpttit.
Da mala vi der e, wie die Handschriften haben, auf keinen Fall
richtig ist, so haben die Herausgeber durch Conjectur zu helfen gesucht.
G ruters malum dare expetit, das Bentley und Orelli gebilligt haben,
denen sich auch Eyssenhardt in seiner bei Weidmann in Berlin erschienenen
Phädrusausgabe anschliesst, ist (cf. Langen p. 203 u. 208) desshalb
unrichtig, weil Phädrus den Jambus im fünften Fuss überhaupt nur in
ganz bestimmten Fällen und, wenn ein Amphimacer den Vers sch Ii esst,
nüf so braucht, dass das vorletzte Wort auf einen Trochäus endet
Sehr ansprechend ist auf den ersten Blick mala vitare expetit,
wie Dressler bat. Allein Langen (p. 203) hat bewiesen, dass der Anapäst
des vierten Fusses, weil die beiden Thesen ein Wort für sich bildent
ein fehlerhafter ist, und Eckstein hätte in der von ihm besorgten
vierten*) Auflage der Schulausgabc von Job. Siebeiis Dressler'n
nicht folgen sollen. Metrisch richtig und dem Sinn angemessen ist
Langens Vorschlag malum abigere expedit, wo dann malum auf das
im vorhergehenden Vers stehende fraudator zu beziehen wäre; aber
für leicht, wie Langen meint, kann ich die Emendation nicht halten.
Luc. Müllers Conjectur malum augere steht zwar der Ueberlieferung
nahe genug, gibt aber, wie mir scheint, nicht den rechten Sinn ; denn der
Gegensatz von „rem expedire, ein Geschäft erledigen", ist ja doch wohl
nicht „den Schaden vermehren", sondern etwa „Schaden zufügen'4 oder
etwas ähnliches ; ich schlage desshalb vor zu lesen : non rem expedire, sed \
mala inferre expetit, was sich nicht allzuweit von der Ueberlieferung
entfernt und den vom Zusammenhang geforderten Sinn gibt.
*■ i
I. 22. 10 ff.: Hoc in sc dictum debent Uli agnoscere,
Quorum privata servit utilitas sibi \
Et meritum inane jactant imprudentibus.
Der Inhalt der Fabel, zu der diese Verse als Nutzanwendung ' i
gehören, ist kurz folgender: Das Wiesel, vom Menseben gefangen, bittet
ihn um Schonung, weil es ihm das Haus von den lästigen Mäusen
reinige. Dieser weist jede Verpflichtung zur Dankbarkeit zurück, weil
es ja die Mäuse nur tödte , um sie sammt den Speiseresten, die jene
*) Ob auch in der inzwischen erschienenen fünften Auflage mala vitar e
beibehalten ist, kann ich nicht sagen, da sie mir nicht vorliegt.
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3
benagen, zu verzehren, und tödtet das Wiesel. Dazu soll nun die
Nutzanwendung lauten: Das geht auf die, welche nur ihrem Eigennutze
dienen und Kurzsichtigen gegenüber (imprudent ibus) sich mit
eitlem Verdienste brüsten. Unmöglich; denn der Mensch ist ja hier
gerade nicht imprudens, sondern durchschaut das Wiesel. Luc. Müller
liest daher imprudentius; ich denke aber, das Wiesel ist mehr als
unklug, es ist unverschämt, und schlage also vor, impudentius
zu lesen. Dass der Jambus im fünften Fuss zulässig ist, wenn ein fünf»
silbiges Wort den Vers schlicsst, bedarf keines Beweises.
5.
IL 5. 16: Humum aestuantem, come officium jactitans.
So lesen die neueren Herausgeber mit Rigaltius , ein Beweis, dass
diese Emendation als die besste unter den vielen gilt, die gemacht
worden sind, um der gründlich verderbten Ueberlieferung jactans officium
come aufzuhelfen. Der Zusammenhang, in dem die Worte stehen, ist
folgender: ich brauche der Kürze halber die Worte des Phädrus mit
Weglassung der Verse, die zum Verständniss nicht nothwendig sind:
Caesar Tiberius cum petens Neapolim
In Misenensem rillam venisset suam,
Ex alticincti8 unus atriensibus
Perambulante laeta domino viridia
Älveolo coepit ligneo conspergere
Humum aestuantem, come officium jactitans.
An come nehme ich Anstoss, weil ich bezweifle, dass man die
geschäftige Dienstfertigkeit eines Sklaven seinem Herrn und vollends
dem Kaiser gegenüber come („artig" lautet die Uebersctzung in der
Ausgabe von Siebeiis — Eckstein) nennen kann; da es vielmehr dem
Sklaven vor allem darauf ankommen muss, sich mit seiner Geschäftigkeit
in recht auffallender Weise bemerklich zu machen, so lese ich coram
officium jactitans, sich offen (recht in die Augen fallend) mit seiner
Dienstfertigkeit brüstend.
&
II. 8. 11: Frondem bubulcus adfert nec ideo videt.
Nec ideo enthält einen bedenklichen Daktylus des vierten und
einen falschen Jambus des fünften Fusses; in den neueren Ausgaben
steht dafür nil ideo; das genügt nun wohl den Forderungen der
Metrik, hilft aber nicht gründlich; denn ideo passt, wie mir scheint
überhaupt nicht in den Zusammenhang. Der Stallknecht, welcher gegen
Abend Futter in den Stall bringt, in dem sich der Hirsch versteckt hat,
soll d css halb d. h. also, weil er Futter trägt, das Tbier nicht sehen.
Allein er wirft ja doch seine Bürde im Stall ab; warum soll er denn
1*
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4
dann den Eindringling nicht sehen können? Dazu kommt noch, dass
der Knecht, wenn er den Hirsch nicht sehen kann, somit ausser
Schuld ist, in die Fabel, deren Pointe die ist, dominum videre pluri-
mum in rebus suis , gar nicht passt. Dem Dichter komme es ja vor
allem darauf an, den Unterschied zwischen Miethling und Herr darzu-
thun; er kann also den bubulcus nicht entschuldigen wollen. Auf dem
rechten Weg, die Stelle zu heilen, scheint mir Langen gewesen zu
sein, der p. 208 sagt: „Ideo ist vielleicht aus dem folgenden videt
entstanden und hat das Richtige verdrängt. Ob sichs mit ideo nun
wirklich so verhält, wie Langen meint, oder ob das Wort etwa als
Glosse vom Rand in den Text gekommen, ist gleichgiltig; auf jeden
Fall halte ich mit Langen daran fest, dass ideo ursprünglich nicht im
Text stand und jetzt des Richtige verdrängt hat Dass es nec quic-
quam geheissen habe, wie Langen meint, bezweifle ich und zwar
desshalb, weil gleich weiter unten v. 14 nec ille quiequam sentit steht
und diese Wiederholung lästig wäre. Der Wortlaut der Paraphrasen
des Romulus (cumque foenum et frondes et omne genus pabuli bübulei
stdbulo reponerent, cervum non viderunt) scheint mir darauf hinzu-
weisen, dass der Vers ursprünglich frondem bubulcus adfert, nec
cervum videt gelautet habe; damit würde auch die Objectsellipse
y. 13 nemo animadvertit ihre Härte verlieren.
7.
II. ep. 12: 8% nostrum Studium pervenit ad aures tuas.
Die schlechte Auflösung der Arsis des vierten Fusses pervenit ad
kann unmöglich von Phädrus sein; man liest desshalb vielfach ad
aures pervenit tuas in den Texten, und Langen p. 208 meint, es liege
auf der Hand , dass diess das Richtige sei. Aber pervenit wäre dann
aus einem metrischen Grunde als Perfect zu fassen, was dem Zusammen-
hang nach nicht wohl angeht, wenigstens hart sein würde: si nostrum
Studium . . . pervenit ... et . . . animus sentit. Langen sieht das
zwar, scheint sich aber nicht daran zu stossen. Luc. Müller hat dess-
halb , um das Präsens zu retten , statt ad aures pervenit tuas seine
Conjectur ad aures cultas pervenit in seine Ausgabe aufgenommen,
was ohne Zweifel metrisch richtig ist und den vom Zusammenhang
geforderten Sinn gibt, mir aber eine etwas zu gewaltsame Aenderung
der Ueberlieferung zu sein scheint. Was Metrik und Zusammenhang
anlangt, ebensogut als cultas und dem bandschriftlich überlieferten
tuas näher stehend ist tritas, wesshalb ich ad aures tritas pervenit
zu lesen vorschlage.
8.
II. ep. 17: Nec quiequam possunt} nisi meliores carpere.
Die vier Kürzen mit dem Ictus auf der ersten Silbe nisi
meliores enthalten einen argen Verstoss gegen die Metrik und können
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ursprünglich nicht so gelautet haben; denn da schon Plautus und
Terenz vermieden haben, im Senaf einer aufgelösten Arsia eine aufge-
löste Thesis folgen zu lassen, kann Pbädrus unmöglich so geschrieben
haben, cf. Luc. Müller de re metr. p. 413: itaque LuciUi Varronisque
et Phaedri studia metrica ea fere lege evenere, ut vitaretur his
quidquid Plauto Terentioque displiceret, additis praeterea observantiis
pleri8que, quas Uli mediocri vel nulla habuissent cura. Mit Bentley
den ganzen Vers ohne Weiteres als unächt auszuwerfen, was die neueren
Herausgeber Luc. Müller und Eyssenhardt tban, halte ich mit Langen
für bedenklich, zumal sich durch eine leichte Aenderung, wie mich
dünkt, das Richtige herstellen lässt; ich lese: nee quicquam possunt
nisi majores carpere.
9.
IV. 6. 2 : Historia quorum in tabernis pingitur.
So steht, von anderen Ausgaben gar nicht zu reden, merkwürdiger
Weise auch in der von Orelli, obwohl schon in der Editio princeps
Pithoeana durch ein Sterneben zwischen quorum und in angedeutet
ist, dasB etwas fehlt; die neueren Herausgeber haben, so viel ich
sehen kann, Heinsius' Conjectur e t aufgenommen und schreiben historia
quorum e t in tabernis pingitur. Da aber nicht recht einzusehen ist,
wie hier et &o ganz spurlos ausfallen konnte, so vermuthe ich, es habe
ursprünglich zwischen quorum und in omni gestanden, das ebensowohl
bei der grossen Aehnlicbkeit der vorhergehenden und darauf folgenden
Buchstaben dem Auge des Abschreibers, als beim Vorlesen dem Ohre
des Nachschreibenden entgehen konnte; ich lese also historia quorum
omni in taberna pingitur.
10.
IV. 18. 19: Odore canibus anum, sed multo, replent.
So schreibt Luc. Müller in seiner Ausgabe in Uebereinstimmung
mit den Handschriften, obwohl die Herausgeber längst an sed multo
AnBtoss genommen haben; aber Orelli wird doch wohl Recht haben
mit seiner Anmerkung: Partie, sed impedit construetionem. Dass
Bothe's Conjectur sedulo replent, was Dressler und Orelli billigten,
zu verwerfen ist, weil sie einen falschen Jambus im fünften Fuss
enthält, hat schon Langen bemerkt; die von ihm vorgeschlagene Um-
stellung replent sedulo jedoch ist, obwohl er das bestreitet, wegen
der Positionslänge in replent bedenklich, da plf soviel mir bekannt
ist, beiPhädrus nirgends Position macht; nur in den fabulae Perottinae
steht einmal (14, 2; Orelli 15, 2) locüples. Sed spurco, wie Eyssen-
hardt mit Bentley liest, entfernt sich doch zu sehr von der üeber-
lieferung, als dass es für wahrscheinlich gelten könnte. Mir scheint
odore canibus anum tat multo replent, was bis jetzt meines Wissens
noch von Niemandem vorgeschlagen ist, das Richtige zu Bein.
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11
V. 3. 11 —13: Hoc argumento veniam dari docet,
Qui casu peccat, quam qui consilio est nocens;
Hl um esse qua (m) vi 8 dignum poena judico.
Der erste dieser Verse bat den Heraasgebern viel zu schaffen
gemacht; ich will einige von den gemachten Verbesserungsvorschlägen
hersetzen; es steht beiOrelli: hoc argumentum veniam ei dari docet;
bei Luc. Müller: hoc argumentum venia donari docet ;
bei Eyssenhardt: hoc argumentum veniam dandam
Uli docet;
alle diese fahren dann fort
qui casu peccant. Nam qui consilio est nocens,
illum esse qua(m)vis dignum poena judico.
Diese Emendationsversuche haben, wie man siebt, das miteinander
gemein, dass sie argumento, um docet zu halten, in argumentum und
im folgenden Verse des Sinnes halber das bandschrifsliche quam in
nam ändern. Ich vermuthe jedoch, dass gerade docet das ganze
Verderbniss verschuldet hat, indem es durch das nicht verstandene und
in hoc argumentum geänderte hoc argumento in den Text gekommen
ist und dann natürlich etwas anderes verdrängt hat; das quam des
folgenden Verses scheint mir anzudeuten, dass ein Comparativ ausge-
fallen ist; ich lese also:
Hoc argumento veniam ei potius dari,
Qui casu peccat, quam qui consilio est nocens ;
Blum esse quavis dignum poena judico.
12.
V. 7. (Or.8) 13—15: Ut spectatorum mos est et lepidum genus,
Desiderari coepit, cujus flatibus
Solebat excitari saltantis vigor.
Von den neueren Herausgebern hat meines Wissens nur Luc. Müller
die handschriftlich sicher überlieferten Worte
Ut spectatorum mos est et lepidum genus,
Desiderari coepit . . .
(Wie dies die Sitte deB schaulustigen Publicums und wie dies ein spass-
haftes Völkchen ist, Siebeiis — Eckstein) geändert, wohl der Härte der
Construction wegen und offenbar mit Recht. Was er aber dafür
gesetzt hat
Ut spectatorum mos est, id lepidum genus
Desiderare coepit . . .,
will mir nicht recht gefallen, weil das id, wie mir scheint, etwas
gesuchtes hat. Anderen geht es wohl ebenso; denn es i3t ihm bis
jetzt, so viel ich sehe, niemand gefolgt. Geändert muss aber, wie ich
glaube, an der Stelle werden; vielleicht ist zu lesen
S*ir\. . . • - Drittel by Google
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Ut spectat nr um come est et lepidum genus,
Desiderari coepit, cujus flatibus
Solebat excitari saltantis vigor.
Bayreuth. Zorn.
lieber den Umfang des historischen Unterrichtes anf Schulen.
Der historische Unterriebt hat heutzutage fast überall die gebührende
Würdigung gefunden. Es wird nicht leicht eine Schule geben, in deren
Lehrplan er fehlt; man weiss ihn als ein wichtiges Bildungsmittel für
Geist und Geraüth des Schülers zu schätzen. Aber darüber, welche
Theile des grossen von der Geschichtswissenschaft gesammelten Stoffes
für Schulen auszuwählen, welche Gebiete mit den Schülern zu durch-
laufenseien, herrscht immer noch grosse Verschiedenheit der Ansichten.
Insbesondere streitet man noch darüber, ob auf Schulen Universal-
geschichte zu lehren sei, ob man die Entwicklungsgeschichte des ganzen
menschlichen Geschlechtes an den Augen der Schüler vorüberführen
müsse, oder ob man sich auf die Geschichte einzelner Völker be-
schranken dürfe. Die berufensten Stimmen haben sich zwar für das
Letztere ausgesprochen; aber man stösst mit dieser Ansicht immer
noch auf Widerspruch.
Wenn man die Frage, ob auf Scholen Universalgeschichte zu lehren
sei oder nicht, erörtern will, so darf man, wie ich glaube, nicht von
abstracten Theorieen, von principiellen Forderungen über den Zweck
des Geschichtsunterrichtes und ähnlichen Dingen ausgehen, die man sich
vielleicht für den Bpecielleren Zweck selbst erst construirt hat, sondern
man muss auf die gegebenen Verhältnisse Rücksicht nehmen, man muss die
Sache vor allem vom praktischen Standpunkte aus ins Auge fassen.
Die Frage wird sich also zunächst nicht so stellen: 8 ollen wir auf
Schulen Universalgeschichte lehren, sondern: Können wir sie lehren?
Es wäre ja freilich ein sehr schönes Ziel, dem Schüler einen Ueber-
blick zu geben über den Entwicklungsgang des ganzen menschlichen
Geschlechtes oder ihm das Walten Gottes in der Geschichte der
Völker vor Augen zu führen, oder wie man sich sonst ausdrücken mag;
es wäre sehr schön, nachzuweisen, wie sich der menschliche Geist1 unter
verschiedenen Bedingungen verschieden entwickelt und zu verschiedenen
Völkerindividualitäten ausgestaltet habe; aber die Frage ist nur, ob wir
ein solches Ziel unter den gegebenen Umständen erreichen können.
Und darauf ist entschieden mit Nein zu antworten. Oder können wir
vielleicht mit Gymnasiasten — denn von diesen allein könnte doch wohl
die Rede sein — , also mit jungen Leuten von 14 — 20 Jahren in einem
4 — 5jährigen Kursus bei einer ziemlich beschränkten Stundenzahl zu
einer derartigen Kenntniss der Universalgeschichte gelangen, dass sich
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daraus wie von selbst nun vor ihrem Geiste das lebendige Bild eines
geordneten, planvollen Ganzen entwickelt, dass sie die leitenden Faden
erkennen, die sich nach allen Seiten hindurchziehen. Ich möchte
fragen, wie viele Lehrer es gibt, die eine solche Kenntnis- der Universal-
geschichte haben. Ich zweifle gar nicht daran, dass sich dieses Ziel
scheinbar erreichen lässt. Man kann sich ja leicht eine Philosophie
der Geschichte zurechtmachen, auch ohne die Geschichte gründlich zu
kennen, kann seine Ideen den Schülern vordociren und diese sie dann
gläubig nachsprechen lassen. Aber was ist damit erreicht? Wohl eben
so viel, als wenn ich den Schüler Urtheile über ein Buch nachsprechen
lasse, das er nicht gelesen, oder wenn ich Grammatik treibe ohne
Leetüre. Alle Erkenntnis*, die nicht im Geiste des Menschen selbst
geboren wird und aufwächst, die ihm nur von aussen so anfliegt, ist
ein todtes und unsicheres Besitzthum. Und es ist ein treffliches Wort
von Roth : „Welches noch so vornehm gewordene und selbstzufriedene
Scbulmeisterthum vermag die Natur unseres Geistes umzukehren, die vom
Besonderen zum Allgemeinen aufsteigen will, nicht im Allgemeinen das
Besondere aufzusuchen begehrt". Das gilt besonders von der Geschichte.
Will man hier lebendige Bilder geben, die das Interesse wecken, auf
Geist und Gemüth wirken sollen, so muss man weder mit leeren Ab-
stractionen noch mit todten Notizen kommen, sondern sich ins Einzelne
und Besondere vertiefen. Wie will man aber das erreichen, wenn man
Universalgeschichte lehren will? Denn das heisst nicht Universal-
geschichte lehren — wie es die meisten unserer Lehrbücher der allge-
meinen Geschichte für die mittlere und neuere Zeit machen — die
Geschichte eines Volkes in den Vordergrund stellen, daran einzelne
wichtigere Begebenheiten aus der Geschichte anderer Länder anknüpfen
und diese unter sich durch ein paar Notizen verbinden. Ich habe
an und für sich gegen dieses Verfahren nichts einzuwenden, wie ich
später zeigen werde; aber man muss sich darüber klar werden, dass
man damit nicht Universalgeschichte treibt, man muss die hohen Worte
fallen lassen und muss den Schüler nicht zu dem Glauben verleiten,
dass er wirklich das ganze Gebiet der Geschichte durchmessen habe
und nun über alles und jedes aburtheilen könne. Wenn ich Universal-
geschichte lehren will, dann muss ich von dem Principe ausgeben, das
in den Vordergrund zu stellen, was für den Entwicklungsgang des
ganzen Geschlechtes von Bedeutung gewesen ist, darein muss ich mich
vertiefen; von diesem Gesichtspunkte aus kann mir leicht die Geschichte
eines asiatischen Reiches wichtiger sein, als die Geschichte meiner
Heimath. Das ist aber kein Gesichtspunkt für Schulen. —
Universalgeschichte auf Schulen zu lehren, halte ich also zunächst
für unmöglich. Die Zeit reicht nicht dazu aus. Und der Schüler
des Gymnasiums ist vermöge seines Alters noch nicht fähig, ein so
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9
ausgedehntes Gebiet zu übersehen ; die Menge der ihm zufliegenden
Tbatsachen wird ihn nur verwirren nnd an der richtigen Erkenntniss
des Einzelnen hindern. Meint man aber, er gewinne auf diesem Wege
wenigstens die Kenntniss einer grossen Anzahl von Daten, an die sich,
was er später auf diesem Felde erwerbe, leicht anschließen könne,
gleichsam einen Krystallisationskern dafür abgebe, so halte ich diese
Hoffnung für sehr illusorisch. Man p'röfc einen Gymnasiasten ein Jahr
nach seinem Abgange von der Schule über seine Geschichtskenntnisse,
und man wird schwerlich über die Menge derselben erstaunt sein.
Und das ist leicht erklärlich Denn nur das deutlich Angeschaute oder
geistig Verstandene wird leicht und dauernd vom Gedächtniss bewahrt.
Man wird also auch in dieser Hinsicht nur durch Beschränkung sein
Ziel erreichen.
Universalgeschichte auf Schulen zu lehren, scheint mir aber auch
unnöthig. Denn wenn man durch den Geschichtsunterricht auf das
sittliche Gefühl des Schülers wirken, wenn man seine Urtheilskraft
stärken, wenn man ihn auch im geistigen Leben auf das Walten
gewisser Gesetze, auf den Zusammenhang zwischen Ursache und
Wirkung aufmerksam machen, wenn man Interesse für die Vergangenheit
nnd geschichtlichen Sinn bei ihm wecken will, so kann man dies alles
eben so gut, ja viel besser durch das Eingehen auf die Geschichte
einzelner Völker, als durch ein oberflächliches Hinblicken über die
Universalgeschichte. Weiter aber, bis zu einer Philosophie der Geschichte,
bis zur Nachweisung leitender Ideen, die zudem oft nur im Kopfe ihrer
Urheber existiren, soll die Schule nicht gehen, auch das Gymnasium
nicht. Das Gymnasium soll ja die Bildung des Menschen nicht ab-
schliessen, es soll nur einen tüchtigen Grund legen, Anregungen geben,
die durchs ganze Leben nachwirken, und es soll für die Universität
vorbereiten. Wenn man aber das Ziel des Geschichtsunterrichtes auf
Gymnasien so hoch stellt, wie manche wollen, dann ist nicht abzusehen,
was der Universität noch zn thun bleibt, und zu welchem Zw,eck auch
auf ihr noch allgemein bildende Fächer gelehrt werden. —
Wenn es nun feststeht, dass Universalgeschichte auf Schulen nicht
zu lehren ist, welche Theile derselben sollen dann ausgewählt und auf
den verschiedenen Unterrichtsstuffen gelehrt werden? — Ich werde bei
Beantwortung dieser Frage besonders die Volksschulen , die Gewerb-
schulen, die Lateinschulen und die Gymnasien ins Auge fassen.
In der Volksschule wird man sich in Bezug auf den historischen
Unterricht die möglichste Beschränkung auferlegen müssen. Man wird
auf eine zusammenhängende Darstellung des Geschichtsverlaufes gänzlich
verzichten müssen. Ja ich glaube, es werden überhaupt keine beson-
deren Lehrstunden für diesen Unterricht anzusetzen, und noch weniger
wird ein besonderer Leitfaden für denselben zu gebrauchen sein. Es
ist möglich, dass das in den Ohren mancher Volksschullehrer wie eine
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Ketzerei klingen und dass man es für einen Mangel an pädagogischem
Verständnisa oder an Eifer für die Hebung der Volksbildung erklären
wird , wenn man derartige Ansichten ausspreche. Denn man ist ja in
neuerer Zeit bemüht, die Volksschule möglichst hinaufzuschrauben und
hält es für ein Zeichen pädagogischer Weisheit, ihr möglichst unerreich-
bare Ziele zu stecken. Was sich in einzelnen, günstig situirtcn Stadt-
schulen mit Mühe erreichen lässt, will man zur Directive für die
Landschulen machen. Ich kenne eine Lehrordnung für Volksschulen,
in der ein Geschicbtspensum vorgeschrieben ist, dessen Bewältigung
jedem Gymnasiasten Ebre machen würde. Dabei kommt es aber leicht
vor , dass aus solchen Schulen Schüler hervorgehen , die weder lesen
noch schreiben können. In der Volksschule kann der Geschichts-
unterricht keinen andern Zweck haben, als auf das sittliche Gefühl
und den Patriotismus belebend zu wirken, Interesse für die Ver-
gangenheit und ein Gefühl dafür zu erwecken, dass die Zustände, in
denen wir leben, nach gewissen Gesetzen allmählich geworden sind.
Das kann aber durch Aufnahme passender Stücke ins Lesebuch und
durch gelegentliche Erzählungen des Lehrers, die sich an einen patrio-
tischen Jahrestag anschliessen oder die Einförmigkeit des gewohnten
Unterrichtsganges einmal wohlthätig unterbrechen, zur Genüge geschehen.
Deswegen braucht übrigens dieser Unterricht, wenn er sich auch nicht
an ein zusammenhängendes Lehrbuch anschliesst, doch nicht plan- und
systemlos zu sein Der Lehrer kann bei dem Lesen und Erzählen
eine gewisse Ordnung einhalten, und er kann auch, Boweit es möglich
ist, zwischen den einzelnen Stücken durch passende Bemerkungen
einigen Zusammenhang herstellen. Insbesondere aber wird er in der
Geschichte seiner Heimath bekannt sein, aus ihr werden seine Erzähl-
ungen vorzüglich entnommen sein müssen. Das wird ihnen Leben und
Interesse geben. Wenn er dann das Einzelne mit der Geschichte des
Ganzen so zu verknüpfen weiss, das?, die Schüler fühlen, dass auch
ihre klejnen und beschränkten Verhältnisse in einem grossen, viel
umfassenden Zusammenbange stehen, wenn sich das Einzelbild auf
einem grossen und bedeutungsvollen Hintergrunde klar und deutlich
abhebt, dann wird er seinen Zweck vollständig erreicht haben. —
An den Gcwerbschulen und verwandten Anstalten kann der Geschichts-
unterricht schon ein höheres Ziel erstreben. Aber es thut auch hier
Beschränkung noth. Wir müssen uns an diesen Schulen auf die
deutsche Geschichte beschränken. Aus der allgemeinen Geschichte
können nur einzelne ausgewählte Partieen zur Darstellung kommen.
Diese jedoch werden nicht zu entbehren sein. Es gibt ja eine Reihe
von Begebenheiten, die so tief auf den Entwicklungsgang der ganzen
Menschheit eingewirkt haben, dass wir sie bei der Geschichte keines
Volkes übergehen können. Es gibt andere, deren Besprechung für das
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Verstündniss der eigenen Volksgeschichte unumgänglich nothwendig ist.
Ich erinnere nur an die Stiftung des Islam, die Kreuzzüge, die Ent-
deckung Amerikas, die Kegierung Ludwigs XIV. Aber auf die Dar-
stellung der griechischen und römischen Geschichte werden wir an den
Gewerbeschulen verzichten müssen. Es wäre ja freilich sehr wünschens-
wert, wenn der Bildungsstoff, der in der alten Geschichte liegt, auch
diesen Schulen zu gute kommen könnte. Und ich kenne recht wohl
die Vorzüge, die der alten Geschichte gerade für den Jugendunterricht
der neueren gegenüber eigen sind. Aber die Erfahrung lehrt, dass
die griechische und römische Geschichte, wo sie nicht von der Leetüre
getragen und unterstützt wird, vollständig in der Luft schwebt, dass
es unmöglich ist, sie in solchem Falle zum Verständniss zu bringen,
oder auch nur ein. tieferes Interesse für sie zu erwecken. Man sieht
sich da auf eine anekdotenhafte Behandlung der Geschichte beschränkt,
bei der doch ungemein wenig gewonnen wird. Man kann freilich auch
geltend machen, es sei für die Anfänge der deutschen Geschichte und
so manches in der späteren Entwicklung unseres Volkes die Kenntniss
des römischen Reiches und der Art, wie dasselbe geworden, nicht leicht
zu entbehren. Aber, was zu diesem Zwecke wirklich nöthig ist, wird
sich doch auf wenige Grundzüge beschränken und in ein paar Stunden
an der Hand der Karte sich erklären lassen. —
Anders stellt sich die Sache natürlich bei der Lateinschule und
dem Gymnasium Dass hier griechische und römische Geschichte und
überhaupt alte Geschichte, soweit sie zu deren Erklärung nothwendig
ist, gelehrt werden muss, wird niemand bestreiten wollen. Das Gym-
nasium hat ja die Aufgabe, in das griechische und römische Alterthum
einzuführen, und zu diesem Zwecke ist es natürlich nothwendig, dass
die in der Leetüre zerstreut gewonnenen Kenntnisse in eigenen Geschichts-
stunden gesammelt, geordnet und erweitert werden. Ausserdem aber
dürfte auch hier die Beschränkung auf die deutsche Geschichte in dem
oben angedeuteten Masse geboten erscheinen. Nur in der Geschichte
der neuesten Zeit, von der französischen Revolution oder von 1815 an
würde ich von dieser Beschränkung abgeben. Denn ich glaube nicht,
was man zu sagen pflegt, dass diese Periode überhaupt vom Schul-
unterrichte auszuschließen sei, dass man mit dem Jahre 1815 aufhören
müsse, weil die folgenden Ereignisse noch nicht der Geschichte ange-
hörten und wir zu sehr noch in diesen Bewegungen drinnen ständen,
um uns ein unparteiisches Urtheil darüber bilden zu können. Was ist das
für eine willkürlich angenommene Gränze zwischen Geschichte und Gegen-
wart! Und wer wird behaupten wollen, dass wir den Bewegungen der
Reformationszeit unbefangener und kühler gegenüberständen, als etwa
dem Kriege von 1866. Es ist zum Verständnisse der Gegenwart ganz
unumgänglich nothwendig, auch die Zeit von 1815 bis auf den heutigen
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Tag in den Schulunterricht hereinzuziehen. Es ist doch auch ein ganz
unnatürliches Verfahren, bei einem bestimmten Jahre abzubrechen und
den Schaler über die unmittelbare Genesis gerade der Erscheinungen,
in deren Mitte er selber lebt, unaufgeklärt zu lassen. Er kann das
freilich nachholen, aber wie viele thun es! Und bei wie vielen fehlt
aus diesem Grunde ein tieferes Verständniss der die Zeit bewegenden
Fragen. Zudem böte gerade diese Behandlung der neuesten Geschiebte,
die besonders auch auf die Entstehung der gegenwärtigen territorialen
Verhältnisse Europas einzugehen hätte, die beste Gelegenheit, auch die
geographischen Kenntnisse im Gymnasium noch einmal aufzufrischen.
Ebenso könnten bei dieser Gelegenheit die wesentlichen Formen staat-
licher Einriebtungen dem Schüler einigermassen bekannt werden. Wir
pflegen darin von der Schule gar zu unwissend gelassen zu werden. —
Wenn nun für die mittlere und neuere Zeit auch auf dem Gymnasium
nur die deutsche Geschichte zur Darstellung kommt , aus der allge-
meinen aber nur eine gewisse Anzahl von Begebenheiten ausgewählt
werden soll, so fragt es sich, ob bei der Behandlung der deutschen
Geschichte nicht wieder die Geschichte des Landes und Volksstammes,
dem die Schüler angehören, also bei uns die bayerische Geschichte
eine besondere Berücksichtigung verdiene. Es kann darüber wohl kaum
ein Zweifel bestehen. Jeder Lehrer, dem es darum zu thun ist, das
Interesse seiner Schüler zu erwecken, wird sogar die Geschichte der
Provinz und der Stadt, in der er lebt, möglichst betonen, wird immer
zu zeigen suchen, wie die grossen Ereignisse der Weltgeschichte auch
in diesen kleinen Kreis ihre Wellen hineinwerfen. Und die Entstehungs-
geschichte des Landes, dem man angehört, sollte einem doch billig
nicht unbekannt sein. Aber vor einer Klippe wird man sich dabei
zu hüten haben. Bei der Behandlung einer speciellen Landesgeschichte
verliert man sich gar zu leicht in Einzelheiten ; man geht in Dinge ein,
die ohne Werth und Interesse sind, die nur gemerkt werden, um wieder
vergessen zu werden, und verleidet dadurch dem Schüler den ganzen
Unterricht. Diese Klippe ist auf unseren Gymnasien nicht immer ver-
mieden worden. Dadurch ist mancher Schaden entstanden und eine an
und für sich gute Sache vielfach in Misscredit gekommen. Grosse
Schuld daran trug vielleicht. die Vorschrift, die bayerische Geschichte
in einem besonderen Cursus, getrennt von der deutschen zu behandeln.
Dadurch wurde man unwillkürlich genöthigt, die vorgeschriebene Zeit
mit Lehrstoff auszufüllen, auch wenn es an wirklich wissenswerthem
fehlte. Glücklicherweise ist diese Bestimmung in der neuen Lehr-
ordnung weggefallen ; die bayerische Geschichte soll nur im Anschlnss
an die deutsche gelehrt werden. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass
man diu aus der bayerischen Geschichte beigezogenen Thatsachen zu-
weilen in besonderen Stunden bespreche und im Zusammenhang darstelle. —
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Eine weitere Frage ist nun, in welcher Weise der geschichtliche
Lehrstoff auf die verschiedenen Jahrescurse der Lateinschule und des
Gymnasiums vertheilt werden soll. In dieser Beziehung haben wir,
wie ich glaube, bisher schon die richtige Praxis beobachtet. Es ist die
Aufgabe der Lateinschule, dem Geschichtsunterrichte des Gymuasiums
einen planmässigen Vorbereitungsunterricht vorausgehen zu lassen, in
dem die Elemente bewältigt werden und in dem eine Summe von
Kenntnissen gewonnen wird, die beim spätem Aufbau des Geschichts-
zusammenhangs gleichsam schon als fertige Bausteine vorliegen und
nun sofort zur Verwendung kommen können. Es sind deshalb auf der
Lateinschule dieselben Völker und Zeiträume zu behandeln, wie auf
dem Gymnasium, was noch den Vortheil hat, dass dadurch auch die
von der Lateinschule ins praktische Leben übertretenden Schuler kein
Bruchstück, sondern ein Ganzes haben Ein derartiges wiederholtes
Durchlaufen des gesammten Lehrgebietes, doch unter verschiedenen
Gesichts- und mit verschiedenen Ruhepunkten ist von grossem Vortheil.
Denn es weiss jeder aus eigener Erfahrung, wie nothwendig es gerade
in der Geschichte ist, den Stoff, den man dem Gedächtnisse einprägen
will, wiederholt dem Geiste vorzuführen. Die Gefahr, die man dabei
vielleicht befürchten könnte, dass dann auf dem Gymnasium für den
schon bekannten Stoff nicht mehr das volle lebendige Interesse vor-
handen wäre, wie man es wünschen müsse, würde nur dann bestehen,
wenn man die Sache verkehrt anpacken würde. Wenn man freilich
auf beiden Unterrichtsstufen dasselbe Lehrbuch im Gebrauche hat,
oder was unter Umständen noch verkehrter sein dürfte, auf der untern
Stufe einen kürzern, auf der obern einen etwas ausführlicheren Leit-
faden, und wenn sich der Lehrer vielleicht darauf beschränkt, diesen
Leitfaden auswendig lernen zu lassen, dann ist es freilich nicht zu
verwundern, wenn der Schüler nach der einmaligen Durchwanderung
des Geschichtsgebietes vollständig genug hat und auf eine Wieder-
holung dieses Vergnügens seinerseits gerne Verzicht leisten würde.
Aber das liegt denn doch nur an der falschen Behandlungsweise der
Sache. Nicht so soll die Lateinschule das Geschichtspensum durch-
laufen, dass sie womöglich einen noch dürftigeren Auszug, ein noch
nackteres Gerippe vor das Auge des Schülers stellt, als es dann auf
dem Gymnasium geschieht; sie soll über ganze Abschnitte, in denen
nichts für sie zu holen ist, mit einem Schritte hinwegschreiten, durch
einige Jahreszahlen oder Daten sich gleichsam ein paar Merksteine
setzen, dann aber in anderen Gebieten, die fruchtbarer für sie sind,
um so ruhiger verweilen, um so behaglicher sich niederlassen, um so
schärfer nach allen Seiten sich umsehen. Kenntniss der Geschichte
gewinnt man nur durch eine derartige Vertiefung ins Einzelne und
Besondere. Fragen wir uns nur selber I Wer hat denn jemals durch
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das Richtige finden. — Mit diesen culturhistorischen Schilderungen
könnte man schon auf den unteren Unterrichtsstufen beginnen. Man
brauchte sie nur in die Form von Einzelerzählungen zu kleiden; statt
allgemeiner Erörterungen z. B. über das Städtewesen des Mittelalters,
die freilich für einen Knaben nicht passen mögen , müsste man eine
Episode aus dem Leben einer Stadt möglichst anschaulich erzählen.
Tiefer und umfassender aber würden sich natürlich diese Schilderungen
auf den oberen Unterrichtsstufen gestalten. Und ich bin überzeugt,
sie würden Geist und Oemüth der Schüler mehr anregen, dauernder
ihre Phantasie beschäftigen, sicherer die Lust zu weiterem Eindringen
in die Geschichte wecken, als es der dürftige Auszug von Feldzugs-
und Staatengeschichte zu thun vermag, der uns oft allein auf unsern
Schulen geboten wird. Es würde auf diesem Wege vielleicht auch
gewonnen werden, was mir eines der wichtigsten Resultate des histor-
ischen Unterrichtes scheint, Ehrfurcht vor der Vergangenheit, geschicht-
licher Sinn- Es fehlt uns daran so sehr. Die Vergangenheit erscheint
vielen nur als der dunkle Hintergrund, auf dem das Bild der Gegenwart
um so heller sich abhebt. Wir vergessen, dass wir auf den Schultern
unserer Vorfahren stehen, lachen ihrer Kleinheit und wundern uns
über unsere eigene Grösse. Könnten wir diesen selbstzufriedenen
Sinn in den Herzen der Jugend bannen, könnten wir ein Gefühl dafür
wecken, dass es viel angemessener ist, in dankbarer Pietät zu unsern
Vorfahren aufzuschauen, als in hochmüthigem Selbstdunkel auf sie
herabzusehen, könnten wir überhaupt das Gefühl der Pietät in der
Jugend stärken — wir würden keinen geringen Beitrag geleistet haben
zur Heranbildung eines besseren Geschlechtes.
Augsburg. J. Hans.
„Mensa est rotunda."
Bei der syntaktischen Erklärung von Sätzchen dieser Gattung
pflegen zwei üngenauigkeiten vorzukommen, auf welche hinzuweisen
der Zweck dieser Zeilen ist.
Die erste und hauptsächliche Ungenauigkeit ist die, dass man est
für die Copula (Satzband) erklärt. Englmann führt sogar ausser dem
Verbum «uro, welches als Satzband dient, noch gegen 20 Verba oder
mehr an, welche auch als Copula dienen, nämlich: /<>>, evado,
exsisto etc.; puturi, appellari, etc. Aber auch alle unsere anderen
für den Schulgebrauch genehmigten Grammatiken haben diese oder
eine ganz ähnliche Ansicht, und zwar die deutschen ebenso wie die
lateinischen.
Diese Ansicht ist von Logikern bereits seit vielen Jahren als un-
genau erkannt und nachgewiesen worden. So z. B. stellt Ueberweg in
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seinem vielfach benützten System der Logik die Sache völlig richtig
dar. Das est ist nicht ein inhaltsloses Satzband, sondern in ihm
stecken ausser der logischen Copula auch noch die Begriffe des Seins,
der Gegenwart und der Bestimmtheit. Es gibt überhaupt gar kein
Verbum, das Mos Copula wäre, sondern in jedem Verbum steckt viel
mehr als die Copula. Der grammatische Ausdruck für die logische
Copula sind lediglich die Flexionsformen des Verbums und Nomeng.
Jedes Verbum also, welches einer Flexion fähig ist, kann als Copula
dienen. Diese Flexionsformen genügten der Sprache für die Bezeichnung
der Copula in den einfachen nackten Sätzen, weshalb sie kein Verbum
und überhaupt kein Wort zu schaffen brauchte, das sich dem Beruf
eines Satzbundes ausschliesslich widmen müsste.
Die zweite Ungenauig eit, welche bei der Erklärung von Sätzchen
wie mensa est rotunda vorkommt, besteht darin, dass man sie als
einfache nackte Sätze bezeichnet, die blos aus Subjekt und Prädikat
bestehen
Wenn das Verbum est nicht blos Copuladiensft verrichtet, sondern
auch noch das Sein für die Gegenwart mit Bestimmtheit von mensa
aussagt, also offenbar Prädikatsfunktion verrichtet, warum sollen wir es
nicht auch als Prädikat anerkennen? Ich halte es daher für richtiger!
den Satz folgendermassen zu konstruieren: Subjekt? — mensa der Tisch !
— Prädikat ? — est er ist ! — Erweiterung des Prädikats ? — rotunda rund !
Diese Constructionsweise scheint mir nicht nur natürlich, sondern
auch nothwendig, weil man durch andere Fälle genöthigt ist, das
Prädikatsnomen als Satzerweiterung gelten zu lassen. Wer z. B. den
Satz Cicero consul creatua est als einen einfachen nackten erklären
wollte, müsste es sich gefallen lassen, wenn man den Satz equus celeriter
currit auch für einen nackten erklärt. In beiden Sätzen sind ja 3 Fragen
nöthig. Subjekt? — Cicero. — Prädikat? — er latus est. — Erweiterung
des Prädikats? — consul. Wollte Jemand auf die Frage: Prädikat?
antworten : consul creatus est, so müsste er beim zweiten Satze auf die
Frage: Prädikat? antworten: celeriter currit.
Wollen wir also nicht eine Begriffsverwirrung anrichten und den
Unterschied zwischen einem nackten und erweiterten Satz verwischen
oder doch dem Schüler unfassbar machen, so müssen wir das Prädikats-
nomen bei den Verbis appellari, dici, putari, judicari, cognosci, nasci,
fieri etc. als Satzerweiterung erklären und ebenso bei sunt.
Thun wir dies, so vereinfacht sich die Grundlehre vom Prädikat.
In Englinann's lat Grammatik 8. Aufl. §. 151 Abs. 2 lautet sie z. B.
jetzt folgendermassen: „Prädikat ist ein Verbum oder ein Nomen. Ist
ein Nomen Prädikat, so werden Subjekt und Prädikat durch die Copula
(Satzband) esse sein mit einander verbunden." Nach der richtigeren
Blätter t. d. b«yer. GynuuuUlw. XL Jahrg. 2
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Metbode lautet die Regel sehr einfach, nämlich: „Das Prädikat ist
immer ein Verbum".
Die Regel in §. 157 der lat. Grammatik E.'s müsste dann ungefähr
lauten: Folgende Yerba haben gewöhnlich ein Prädikatsnomen bei sich,
das mit dem Subjekt congruiert: 1) «um, ich bin, fio und evado u. 8. w.
2) die Yerba, welche bedeuten genannt werden, heissen etc
Durch diese Aenderung hätte die Regel jedenfalls keinen Schaden gelitten.
Vorher müsste man die Bemerkung anbringen : Die Verbindung zwischen
Subjekt und Prädikat (Copula) wird durch die congruierenden Flexions-
formen des Nomens und Verbums ausgedrückt.
Also den Satz mensa est rotunda möchte ich als erweiterten und
est als Prädikat betrachtet wissen. Hiegegen könnte nun Jemand
einwenden: „Die prädikative Bedeutung von est ist in solchen Sätzchen
für unser Gefühl bereits so abgeschwächt, dass wir sie erst künstlich
auffrischen müssten; dies ist aber nicht nöthig". Gegen diesen Einwurf-
wird gelten dürfen, dass es immer noch an der Zeit sein könnte, einen
angerichteten Schaden gut zu machen. Noch ist die Abschwächung
nicht so weit gegangen wie in der Benützung des Verbums sein als
Hilfszeitwort. Immer noch ist ein fühlbarer Unterschied zwischen „Er
ist gegangen" und „Er ist schlank". Es wird nicht lange dauern können,
bis in letzterem Satze das „istu wieder seine ursprüngliche Bedeutung
als selbstständiges Verbum erlangt hat. Wenigstens scheint es der
Mühe werth zu sein, hiezu anzuregen.
Wunsiedel. Wirth.
Ans der Schulmappe.
Miscellen von Dr. August Kurz.
Meine Freude am Gewinne dieses Vereinsorgans für die techn Lehr-
anstalten zu bethätigen, knüpfe ich diese Notizen an die math -phys.
Sektionssitzung der letzten Wanderversammlung, letzte Ostern in Augsburg,
an. Wenn ich dabei vorausschicke, dass jener Sitzung nur kurze Zeit
zugemessen und auch nur eine geringe Frequenz beschert war, so geschieht
es sowol um den Wunsch nach grösserer Berücksichtigung des Zweckes
und Nutzens solcher Sektionsvereinbarungen auszusprechen , als auch
um die ersten der folgenden Notizen als Ergänzung damaliger Trak-
tanden zu motiviren
1) Ueber das Rechnen mit unvollständigen Zahlen.
Dasselbe findet in neuerer Zeit mehr Berücksichtigung. Aber der
Einzelne vermag da dem Schlendrian und der Gedankenlosigkeit Vieler
gegenüber nur wenig auszurichten; ein einiges Zusammengeben, eine
Majorität sollte erzielt werden, die sich vielleicht auch auf manche
Aeusserlicbkeit oder Förmlichkeit zu erstrecken hätte, wenn diese auch
an und für sich gleichgültig, aber doch dazu nützlich befunden würden,
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dass eine Vielzahl ausser 1 ich er Menschen die Einheit und Notwendigkeit .
begriffen und sich fügten.
Ich wiederhole hier vor grösserem Publikum, dass die Schüler in
Ermittelung erster Annäherungen mehr geübt werden sollten. Als
Beispiel diene, dass eine seebsziffrige ganze Zahl mit einer zweiziffrigen
ein sieben- oder achtziffriges Produkt, oder welches zwischen 1 nnd
100 Millionen liegt, geben; der zweite Schritt ist dann das Einschränken
des Resultates etwa zwischen 60 und 70 Millionen, oder die Angabe
der Anzahl der ganzen Millionen, diese Angabe genau bis auf einen
Fehler von höchstens % Million auf- oder abwärts.
Dieses Abschätzen, so kann man's nennen gegenüber dem voll-
ständigen Ausrechnen, reicht hin beim Fehlerkalkul , welcher bei dem
Rechnen mit unvollständigen Zahlen angestellt werden kann und häufig
auch vor Beginn des Ausrechnens angestellt werden sollte. So ist z. B.
allgemein (a/? -f- b«) der grösstmögliche Fehler des Produktes ab aus
den beziehungsweise mit den Fehlern « und ß behafteten Zahlen a und b,
oder auch ab + welche Form ganz analog ist dem Fehler
(— + ^) des Quotienten der nämlichen zwei Zahlen. Es sei das
spezifische Gewicht * auszurechnen eines Körpers, welcher a = 24312
Milligramme in der Luft und 21916 im Wasser wiegt; diese beiden
Zahlen sind mit dem Fehler « = 0,5 behaftet; die Differenz beider
b = 2396 mit dem Fehler ß = 1 ; der Fehler von s = ~ beträgt dann
10. h^oä oder 0»°°4 (indem " hier gegenüber £ nicht in Betracht
kommt). Man sieht daraus, wie sinnlos es wäre, die Division weiter
als bis zur dritten Decimalstelle zu treiben. In üebereinstimmung
damit steht auch dio zu befolgende Methode des abgekürzten Dividirens.
Dass hiegegen auch noch in neueren und sonst guten Büchern oft
Verstössen wird, kann Jeder leicht finden; und dass das angedeutete
Verfahren ebenso unterhaltend und bildend als das gedankenlose oder
„mechanische" Rechnen langweilig und geisttödtend ist, brauche ich
t nicht auseinanderzusetzen.
Ebenso steht fest, dass Vereinbarungen unter den Mittelschulen
auch Fortschritte in den Volksschulen nach sich führen; wie ich mich
erinnere, manches Hiebergehörige erst als Gymnasialscbüler, und dann
kaum, erfahren zu haben, was man jetzt in den Primarschulen von Städten
methodisch betreibt.
2) Zum Unterrichte in der Planimetrie.
„Wenn man von der Spitze eines gleichschenkligen Dreieckes das
Perpendikel fällt u. s. w." — es käme eine den Schüler anziehende
2*
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Abwechslang in den Unterricht, wenn man das Verfahren bisweilen
umkehrte und sagte: Setzt man zwei kongruente rechtwinklige Dreiecke
mit den homologen Seiten zusammen, so erhält man entweder ein
Rechteck oder ein besonderes Deltoid oder zwei besondere Rhomboide
oder endlich zwei gleichschenklige Dreiecke. Auch erhält man, wenn man
die Seiten rechtwinkliger Dreiecke so aueinanderstösst, dass je zwei homo-
loge Winkel Scheitelwinkel werden, während die andern homologen Ecken
durch je zwei Gerade verbunden werden: einen Rhombus, drei besondere
Antiparallelogramme und zwei besondere Rhomboide (Vullst. Vierseit).
Statt diess Alles auf der Tafel erst zu zeichnen, manipulirt der
Lehrer mit zwei aus Carton ausgeschnittenen rechtwinkligen Dreiecken;
der Schüler macht das gerne nach und bildet dabei seinen Formensinn.
Hier drängt es mich, des uns leider so früh entrissenen Collegen
A Ziegler zu gedenken, der auf diesem Gebiete ebenso erfinderisch als
auch beflissen war, seine Ideen der Collegenschaft mitzuteilen. Möchten
die kleinen, aber doch so inhaltsreichen Büchlein, die er uns hinter-
lassen, sein Andenken lebendig erhalten !
3) Das mathematische Pendel.
Das Pendel, erinnere ich mich, war mir im ersten physikalischen
Unterrichte als die erste Schwierigkeit entgegengetreten und wirklich
gilt es auch ein gewisses Kunststück, wenn man die Formel
t = 2n ^/^— elementar entwickeln soll. Sparen wir darum das
Schwierige möglichst bis zuletzt, so können wir von der schiefen Ebene
her die Beschleunigung g sin a entnehmen, die im Verlaufe der Viertel-
schwingung bis zu Null abnimmt. Statt dessen werde als konstante
Beschleunigung der Mittelwert * g sin « benutzt und in die Formel
*= $ (2« (j)f= \*ina
eingesetzt. So erhält man t = 4 y- , worin statt der Constanten n
f 8
allerdings die unrichtige 4 steht. Aber die Formel reicht hin, um die
bekannten zwei oder vier Schwingungsgesetze (Unabhängigkeit von «
und vom Gewichte, beziehungsweise der Masse) abzuleiten.
L&sst man die Maximalgeschwindigkeit aus der Formel v == Vifgh
berechnen, wobei für h allerdings die nach den ersten zwei Gliedern
abgebrochene Binomialreihe hereinkömmt, so wird v — s V/p Man
kann dann für eine halbe (oder einfache) Schwingung statt der von
Null bis v variirenden Geschwindigkeiten die konstante Geschwindigkeit
^ einführen und erhält
L4* . :-.
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also wiederum die vorige Formel.
DieCon8tantenbe8timmung(7i) wird dann bekanntlich am schönsten
durch die Substitution des den Kreisumfang 2s» mit konstantem v
durchlaufenden Punktes ausgeführt (wozu die blosse Erwägung von
zwei ähnlichen Dreiecken berechtigt):
4) Das physikalische Pendel.
Noch schwieriger steht die Sache, könnte man glauben, mit dem
physikalischen Pendel, und ich will das Alter nicht verraten, das ich
erreicht, bis mir seine Formel bekannt geworden. Es ist auch wahr:
der Begriff des Trägheitsmomentes gehört dazu; dafür aber braucht
man vom Mathematiker keine konvergente Reihe (wie oben die Binomial -
oder die Cosinusreihe) zu entlehnen.
Nun zum Begiff des Trägheitsmomentes: Wer mit der Fallmaschine
experimentirt, kann (ich möchte sagen soll) zeigen, dass Atwood die
Fallbeschleunigung nicht bloss in dem Verhältnisse des Ueber gewichtes
zur Summe der an die (gewichtlos gedachte) Schnur gebängten Gewichte
verkleinerte — man müsste dazu auch die Rolle gewicbtlos denken —
sondern dass im Nenner jenes Verhältnisses auch ein Glied auftritt,
das von der Trägheit der Rolle herrührt und welches man das auf den
Rollenumfang reduzirte Gewicht der Rolle nennen muss. (Statt „Rollen-
nmfang" kann man hier auch „Rollenradius" sagen.)
Jetzt Substituten wir statt des physikalischen Pendels ein mathe-
matisches Pendel von derselben Schwingungsdauer, von der Länge 1,
und reduziren sowohl die treibende Kraft als auch die getriebene Masse
auf diesen Radius 1. Erstere ist, wie im Unterrichte schon länger
vorausgeschickt worden, das statische Moment und kann man sich das
' Pendel um 90° abgelenkt (horizontal) denken, damit der Schüler an
(G. Zo) erinnert werde (G Gewicht des Pendeis, z0 Abstand seines
Schwerpunktes vom Aufhängepunkt). Und die Masse am Radius 1
ist das Trägheitsmoment K und unterscheidet sich von dem vorher-
genannten reducirten Gewichte nur durch den Radius 1 und wie sich
die Masse überhaupt vom Gewichte unterscheidet, nämlich durch den
Divisor g, die Fallbeschleunigung. Nennt man endlich p die Beschleunigung
am Radius 1 (Winkelbeschleunigung), so ist
genauer im Kreisumfang vom Radius 1 (Beschleunigung gleich Kraft
durch Masse).
am Radius 1 oder
Digi
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Um als belehrende Probe aus der Formel des physikalischen Pendels
wiederum diejenige des mathematischen zu erhalten, nehme ich hier
die, nächstfolgende (5te) Notiz voraus, und setze zu diesem Zwecke
K — mV. Ferner wird dann z0 = 1 ut d t = 2n \^ ™^ j = 271 '
5) Das Trägheitsmoment noch einmal.
Ich knüpfte vorhin an die Fallmaschine an. Jetzt will ich diesen
Begriff aus dem Princip der Aequivalenz ven Arbeit und Wucht0) ab-
leiten, weil diese Ableitung, wie ich glaube, seltener verwendet wird
und doch für den Anfänger näher liegt als eine andere
Um eine Welle vom Radius r ist ein Seil geschlungen, an dessen
Ende das Gewicht 6 hängt; \ut dieses vom Zustande der Ruhe aus die
Falltiefe h zurückgelegt und die Geschwindigkeit v erlangt, so ist
G. h =i mv' + * l p e» w«,
wobei m die Masse des fallenden Gewichtes, p irgend ein Massenteilchen
des Cylinders vom Radius g und w die Winkelgeschwindigkeit vorstellt.
Also ist auch v = rw, und man kann schreiben
2 m g h — w* (m r* 1 p g)
Die eingeklammerte Summe stellt das gesammte Trägheitsmoment
vor; m r* ist das Trägheitsmoment der im Umfange vom Radius r
angebrachten Masse m, und nach derselben Idee ist die 2 p g* zu
begreifen. Fällt letztere fort, so erhält man wieder die Formel des
freien Falles v* = 2 g h.
Schliesslich erwähne ich noch, dass ich vor einigen Jahren in der
mechanischen Werkstätte der hiesigen Industrieschule einen Apparat zu
Schulversuchen über das Trägheitsmoment anfertigen liess, der sich auch
mit der Fallmaschine verbinden lässt und dessen Beschreibung in
Poggendorff s Annalen der Physik niedergelegt ist.
6) Ueber das Minimum der prismatischen Ablenkung
habe ich gleichfalls vor wenigen Jahren eine elementare Auseinander-
setzung in vorhingenannter Fachzeitschrift veröffentlicht Aber erst in
jüngstem Sommer ist mir ein graphischer Beweis eingefallen, dessen
erste Hälfte gewissermassen in Müllers Physik, (neueste Auflage) ent-
halten ist Construirt man nämlich für einmalige Brechung des
Lichtstrais nach der Formel 1 = eine Curve , deren Abscissen
m// I £
die r und Ordinaten die Ablenkungen (i - r) sind, so bemerkt man,
um gleich grosse Stücke der Abscissenaxe fortschreitend, dass die
Obiges kurze und deutsche Wort verdiente Verbreitung. Ausserdem
ist „Energie" noch besser als die zur Zeit noch geläufigste, aber schleppende
und wegen des letzten Wortes auch verfängliche „lebendige Kraft".
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Erhebungen (Differenzen) der Ordinaten nicht etwa auch gleich gross
(wie bei der geraden Linie) geschweige kleiner , sondern immer grösser
ausfallen. Die Curve erreicht ihr Ende und Maximum beim Winkel
der totalen Reflexion (für Luft und Glas ist r1 nahe 42°) und, wenn der
Prismenwinkel a kleiner als r1 , so braucht sie für unsern Zweck nur
bis r — a fortgesetzt zu werden. Man zeichne sie aber nochmal, auf
dasselbe AbscissenstQck , nur mit Vertauschung von links und rechts.
Dann schneiden sich beide Curven oberhalb des Mittelpunktes des
Abscissenstückes (in r = |-) und in dieser Abscisse ist offenbar der
tiefste Punkt oder das M i n i m u m der Ordinaten einer dritten Curve,
welche aus den je zwei zusammengehörigen Ordinaten durch Addition
derselben konstruirt ist und die Gesammtablenkungen vorstellt.
Denn es ist bekanntlich die Gesammtablenkung gleich (i — r -f i1 — r1),
wobei r r' = a sein muss. Dieser Beweis scheint mir, Rechnung
und Zeichnung wirklich vorausgeschickt, nichts mehr an Anschaulichkeit
zu wünschen übrig zu lassen.
Augsburg im November 1874
Handwerk und Handwerker in den homerischen Zeiten, dargestellt
von Dr Anton Riedenauer, k. Studienlebrer am hum. Gymnasium
in WQrzburg. Erlangen. Verlag von Andreas Deichert. 1873.
Die Fürstlich Jablonowski'sche Gesellschaft zu Leipzig stellte im
Jahre 1868 eine Preisaufgabe auf, welche „eine quellenraässige Zusammen-
stellung derjenigen Orte des klassischen Altertbums, wo gewisse Gewerbs-
zweige vorzugsweise geblüht haben", verlangte.
Von den eingegangenen Arbeiten wurden zwei mit dem Preis gekrönt.
Es sind diese die Schriften von Dr. Hugo Rlümner: „Die gewerbliche
Tbätigkeit der Völker des klassischen Alterthums" und von B. Büchsen-
sch ütz: „ Die Hauptstätten des Gewerbfleisses im klassischen Alterthum",
die nach dem der Behandlung des Stoffes zu Grunde gelegten Eintbeilungs-
principe gewisserroassen im umgekehrten Verhältnisse zu ihren Titeln
stehen, insoferoe die erstere der Reibe nach die verschiedenen Land-
schaften der drei Erdtbeile vorführt, wo gewerbliche Tbätigkeit geübt
wurde, während die andere, auf Grundlage der Rohstoffe und der daraus
verfertigten Fabrikate die gleichartigen Gewerbe zusammenstellt und
bei jedem die Orte nachweist, an denen dasselbe besonders vertreten
war. In demselben Jahre, in welchem eben genannte Preisschriften
veröffentlicht wurden, erschien von Bücbsenschütz ein zweites umfang-
reicheres Werk ähnlichen Inhalts: „Besitz und Erwerb im griechischen
Alterthum", welches mit den anderen zwei den Verfasser des oben
angezeigten Ruches während der Ueberarbeitung desselben überraschte.
Abgesehen aber davon, dass jene Schriften wegen def ungleich weiteren
Ausdehnung der zeitlichen und räumlichen Grenzen naturgeraäss dem
homerischen Zeitalter nicht die gewünschte Ausführlichkeit widmen
können, stellt sich unser Verfasser im Gegensatz zu Blümner und
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Büchsenschütz, welche die Geographie und das Material zum Leitfaden
ihrer Untersuchung nahmen , auf den Standpunkt der Chronologie,
indem er die allmählige Entwicklung des Gewerbes von den frühesten
Anfangen bis zur nachbomerischen Zeit unter gewissenhafter Benützung
der antiken Quellen und mit Beiziehung aller einschlägigen neueren
Werke vorführt, ohne sich jedoch seines eigenen Urtheiles zu begeben,
und dabei die rechtliche und soziale Stellung der Handwerksleute
besonders berücksichtigt
Uebrigens hat sich die Arbeit des Verfassers auch nur vorläufig
auf die homerische Zeit oder richtiger auf die Zeit jener Entwicklungs-
stufe, welche aus dem rohen Naturzustande in die volle Kultur über-
führt und ungefähr mit dem Ende des 7 Jahrhunderts abgeschlossen
wird, beschränkt und soll sich möglicher Weise zu einer vollständigen
„Geschichte des antiken Handwerkes" erweitern, wovon sie dann das
erste Glied bilden würde. i
Mittlerweile ist im Jahre 1871 von Dr. E. Buchholz* grossem auf
drei starke Bände berechneten Werke: „Die homerischen Realien"
der erste, die homerische Welt und Natur umfassende Band erschienen,
und wie Blümner und Bücbsenschütz das Thema wenigstens theilweise
Riedenauer gleichsam vorweggenommen haben, so war es diesem bescbieden,
einen guten Theil des zukünftigen zweiten Bandes von Bucbholz' Werk
früher zur Darstellung zu bringen, da dieser nuch der übersichtlichen
Disposition des Gesammtinhaltes in seiner ersten Abtheilung das öffent-
liche Leben (Staatsverfassung, Kriegswesen, Handel und Wandel, Gewerbe,
Künste und Industrie), in der zweiten das private Leben (Wohnung,
Nahrung, Kleidung, Gesundheitspflege, Todtenbestattung) bebandeln soll.
Darf man von dem vorliegenden Bande auf den folgenden scbliessen,
dann wird es an Ausführlichkeit und Gründlichkeit in der Behandlung
des Stoffes nicht fehlen, und dem eifrigen Leser nicht an Gelegenheit
zu verfolgen, in welchen Punkten sich die Ansichten der beiden Verfasser
begegnen und in welchen sie ihre Forschungen auseinanderführen.
Das Lob der Ausführlichkeit und Gründlichkeit kann der Arbeit
Riedenauers, die den Herren Professoren Karl von Halm und Wilhelm
Christ als ein Zeichen dankbarer Gesinnung gewidmet ist, ebenso wenig
vorenthalten werden. Das Material ist mit grossem Fleisse zusammen-
getragen und klar gesichtet, von den neueren Erscheinungen, insoweit
sie dem Verfasser zugänglich waren, gewissenhafter Gebrauch gemacht,
die Quelle, aus der geschöpft wurde, nebst sonstigen Anmerkungen, die
nicht selten die treffendsten Gedanken enthalten , grösserer Ueber-
sichtlichkeit wegen, und um von der Lektüre des Kontextes weniger
abzuziehen, an das Ende des Buches verwiesen. Und zwar verfuhr der
Verfasser, dessen überall zu Tage tretende Bescheidenheit ungemein
wohlthuend wirkt, bei Angabe der literarischen Hilfsmittel und aller
benützten Schriften mit einer solchen Akribie, dass er selbst fürchtet,
hierin eher zu viel als zu wenig getban zu haben. Bezüglich der mit-
unter sich widersprechenden oder wenigstens sich zu widersprechen
scheinenden Notizen war er redlich bemüht, unter Aufwand von viel
Scharfsinn und Gelehrsamkeit den Kern der Sache herauszuschälen.
Dabei konnte es nicht ausbleiben, dass er auf dem Wege der Forschung
und Vergleichung mitunter zu einem von Anderen abweichenden Resultate
gelangte. Wenn man ihm auch hierin nicht allewegs beipflichten kann,
so bleibt ihm doch sicherlich das Verdienst, manche herkömmliche
Anschauung berichtigt, manche dunkle Stelle aufgeklärt und zu weiterem
Forschen die Anregung gegeben zu haben. Die Darstellung selbst ist
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schlicht and fem von aller Sucht zu prunken, der Druck dentlich und
leicht leserlich; die da und dort unterlaufenden Schreibfehler nnd Un-
gleichheiten in der Wortschreibung hat der Verfasser selbst theilweise
berichtigt, tbeils durch orthographische Meinungsverschiedenheiten der
Korrektoren und seinen Aufenthalt im Auslande entschuldigt
In der Einleitung entwickelt der Verfasser nach dem Vorgange
von Roscher und Rau den Begriff Gewerksarbeit, die vom Haus-
fleiss zum Handwerke und von diesem zur Industrie fortschreitet.
W&hrend von letzterer in jener Kulturperiode nicht gesprochen werden
kann, trägt er kein Bedenken, die Frage, ob es damals ein Handwerk,
nämlich jene Gewerkthätigkeit gegeben habe, „welche wesentlich mit
individuellen, persönlichen Arbeitsmitteln zwar für fremde , aber nicht
für allgemeine, sondern für individuelle Bedürfnisse arbeitet," ent-
schieden zu bejahen und schliesst auf das Vorhandensein berufsmäs-
siger Gewerksarbeit schon aus den Handwerksbenennungen , besonders
aus den konkreten Namen mit dem Suffix*) et», sowie aus dem Um-
Stande, dass nach dem Vorbilde des Hephästos und der Athene, welche
den Göttern verschiedene Werke ihrer Hunde liefern, ebenso die Men-
schen nicht bloss für ihren eigenen Bedarf, sondern auch für andere
nnd zu deren Bequemlichkeit auf Bestellung gearbeitet haben.
Alle diese werden unter der Kategorie der StjutovQyoi, Gemeinde-
arbeiter, Tusammengefasst, ein Begriff, der sich übrigens nicht nur auf
die Handwerker in unserem Sinne, sondern auch auf andere noblere
Dienstleistungen, wie die der Seher, Aerzte, Sänger und Herolde er-
streckt. Wenn man bedenkt, wie nach homerischer Ansicht das Streben
nach Erwerb nichts weniger als etwas Entehrendes hatte, und dass man
— wofür Riedenauer freilich keinen bindenden Beleg beizubringen ver-
mag, da alle hieher bezüglichen Stellen einer anderen Deutung fähig
Bind, — geschickte Demiurgen aus der Ferne berief, so kann die Ab-
lohnung der Arbeit wohl keinem Zweifel unterliegen. Diese scheint,
wo es auf eigentliches Entgelt ankommt, unter dem Einfluss des phö-
nizischen Barren Verkehrs im Zuwägen von Metall, namentlich von Gold-
talenten, in dem letzten Theil unseres Zeitalters selbst in Bezahlung
gemünzten Geldes, sonst aber gewöhnlich in blosser Verköstigung, in
Verleihung von Haus und Hof oder eines Stückes Landes bestanden zu
haben, das naturgemäss das Haupt der Gemeinde verlieh, soferne der
Dieost der ganzen Gemeinde gegolten hatte. Wenn es nun aber auch
Handwerker und Handwerksthätigkeit gab, wie schon die zahlreichen
von dem Geschäfte selbst hergenommenen Eigennamen bei Homer be-
weisen, so darf doch auf der andern Seite nicht vergessen werden, dass
viele, selbst Fürsten, den berufsmässigen Gewerbsleuten gewissermassen
ins Handwerk pfuschend eigenhändig ihren Hansbedarf besorgten, und
dass von einer Durchführung der Arbeitstheilung keine Rede war, in-
dem mehreren später getrennten Gewerkstbätigkeiten eine und dieselbe
Werkstatt Raum bot.
Um den Stand der Demiurgen zu bestimmen, gibt der Verfasser
eine von Wachsmuth und 8chömann theilweise abgehende Gliederung
*) Ob sich der geistreiche und feine Unterschied der homerischen
Wörter auf evs und oc zur Bezeichnung einer zufälligen und dauernden
oder berufsmässigen Beschäftigung aufrecht erhalten lässt, scheint doch
als fraglich.
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der gesammten Staatsangehörigen in der ältesten Zeit und stellt den
den Fürsten untergeordneten, in Edle und Gemeinfreie geschiedenen
Staatsbürgern einerseits die Leibeigenen , anderseits die Fremden in
ihrer Eigenschaft ah Gäste oder Beisassen oder Theten (?) gegenüber.
Jeder der fünf Klassen konnten die eingebornen Demiurgen angehören,
wenn es gleich in der Natur der Sache liegt, dass mit Ausnahme der
Seher und Aerzte, von denen viele fürstlichen Geschlechtes waren, die
meisten Demiurgen zu den Gemeinfreien zählen mochten. Bezüglich
der aus der Fremde gekommenen Demiurgen nimmt Riedenauer an,
dass sie als Gäste, £eVot, unter dem Schutze des Gastrecbtes standen
und, wenn besonders brauchbar und beliebt, durch Grundbesitz belohnt
wurden, ja damit zugleich die übrigen Rechte eines Bürgers, Gemein -
oder Edelfreien, und nach der Analogie von Bellerophon, Pelops und
anderen durch Heirat den Eintritt in eine Familiengenossensehaft
erhielten Eine Bestätigung seiner Ansiebt von der persönlichen
Freiheit aller Demiurgen, die erst in der späteren homerischen Zeit
und zwar zunächst in Staaten mit aristokratischer Verfassung Einbusse
erlitten zu haben scheint, findet er in der Vergleichung mit der
altattischen Ständeeintheilung, der zufolge der Adelsklasse eine doppelte
gleichberechtigte Gemein-Bürgerklasse, die der Geomoren und Demiurgen,
Passivbürger ohne entscheidende Bedeutung in Staatsangelegenheiten,
gegenüberstand.
Bezüglich der Achtung, welche die Demiurgen, beziehungsweise
die eigentlichen Handwerker genossen, folgert der Verfasser mit Recht
schon aus der Tbeilnahme der Götter und Fürsten an gewerklichen
Hantirungen, dass sie im homerischen Zeitalter eine sehr ansehnliche
und unbestrittene war; später bis zur historischen Zeit sei in Folge
der Einwirkung aristokratischer Staatsformen und in dem Grade, als
man hei der Arbeit vorwiegend den Lohn und Gewinn in Anschlag
brachte, das Handwerk nicht nur in der Achtung gesunken, sondern
es habe sich auch in der Demiurgia allmählig eine Scheidung in
Demiurgen (öffentliche Diener, wie Herolde, Sänger, Seher) und Hand-
werker im eigentlichen Sinne (Banausen) vollzogen. Uehrigens dürfte
biebei das Arbeiten nach Lohn und Gewinn weniger zu betonen sein;
denn das Stteben nach Erwerb und Besitz hatte auch in der früheren
Zeit durchaus nichts Entehrendes und war ein stark ausgeprägter Zug
der homerischen Helden und Personen.
Der folgende Abschnitt handelt von den wirtschaftlichen
Bedingungen des Gewerbebetriebes, welche in der homerischen
Periode, deren entferntesten Grenzstein Minos bezeichnet, als noch
unvollständig entwickelt und mehr nur vorbereitet und angebahnt
erscheinen. Der Gewerbsbetrieb bestimmt sich aber durch das Absatz-
gebiet oder den Markt, dieser hinwiederum durch die Bevölkerungs- -
masse und die Bequemlichkeit und Sicherheit des Verkehrs. Für die
Uebervölkerung der griechischen Landschaften sprechen die zahlreichen
Wanderungen und die von den Kolonien sowohl als von dem Mutter-
lande ausgehenden Pflanzorte. Der Verkehr , zwar durch Räubereien
vielfach gefährdet, aber doch durch die Heiligkeit des Gastrechtes bis
zu einem gewissen Grade geschützt, wurde zu Lande, noch mehr aber
zur See vermittelt; und wenn für den Landbandel hesonders Korinth
den ältesten Stapelplatz abgab, so bildeten Jolkos und das an der
Wasserstrasse der Kopais gelegene Orchomenos den Mittelpunkt des
Verkehres zur See. Vollends über das europäische Festland hinaus
lassen sich nach Imbros, Lemnos und Thrazien, sowie nach anderen
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InBein des ägäischen Meeres lebhaft befahrene Seewege verfolgen.
Mochten auch von den Griechen im Gegensatze zu den industrielleren
Phöniziern als Tauschobjekte Torherrschend Bodenerzeugnisse und Roh-
stoffe in den Verkehr gebracht werden , so fanden doch auch schon
Gewerksprodukte, namentlich Töpferwaaren, von Böotien, Euböa, Aegina
und Korinth in sehr früher Zeit auf weitere Ferne Absatz. Dieser
aktive Handel, welcher fast das ganse hellenische Mittelalter hindurch
auf blossen „Eigenumsatz" beschränkt blieb, nahm, und mit ihm
Gewerbfleiss und Handwerk, einen mächtigen Aufschwung, als seit dem
achten Jahrhundert der Verfull der phönizischen Seemacht dem griech-
ischen Handel freiere Bahn schuf, entstandene Gasthäuser und ver-
besserte Verkehrsmittel in dem Reisenden das Gefühl grösserer
Beruhigung erweckten, das Ansehen der delphischen Amphiktyonie,
sowie schriftliche Gesetzgebungen eine zuverlässigere Rechtssicherheit
begründeten und in den damals erstehenden grossen Städten , dem
natürlichen Sitze technischer Produktion, sieb Tyrannen erhoben,
welche durch Prachtbauten Veranlassung zur Anregung und Blüthe
der mannigfaltigsten Gewprbe gaben.
Nach der hier in kurzem Auszug gegebenen Darstellung der
allgemeinen Verhältnisse gebt der Verfasser im 2. Theil auf die
homerische Gewerkthätigkeit im einzelnen über, welche
er nach einer Vorbemerkung darüber, was die Griechen etwa aus der
wenig fortgeschrittenen gemeinschaftlichen Kultur der Arier mitgebracht
haben, in Geschäfte mit unentwickelter Arbeitstheilung
und in entwickelte Gewerbe zerfällt.
Dorthin beziehen sich diejenigen Arbeiten, welche den notwendigsten
Lebensbedürfnissen dienen, die Gewinnung und Zubereitung von Wasser,
Holz, Fleisch, Brod, Kleidung, Beschäftigungen, welrhe, da sie sich
als Hau8fleiss darstellen und auf den Hausbedarf und eigenen Verbrauch
beschränken, verhälinissmässig kurz abgetban werden. Nur die Spinn -
und Webearbeit, das eigentliche Tagewerk der homerischen Frauen,
ist nach dem Gleichnisse der Spinnerin zu scbliessen , welche ihren
Kindern damit das Brod verdient, wie es scheint., schon in alt-
homerischer Zeit banausisch betrieben worden und läset so auch die
blühende Wollenmanufnktur Milets gegen Ende der Periode verstehen.
Das Färben feiner Wollenstoffe führt Riedenauer mit Curtius auf die
Phönizier als Lehrmeister der Griechen zurück.
Von den entwickelten Gewerben setzt er den Tekton wegen
seiner Vielseitigkeit voran, da er ebenso als Steinbauer wie als Zimmer-
mann, als Schiffbauer und Wagner, ah Drechsler und Schreiner, als
Elfenbein- und Silberarbeiter fignrirt. In späterer Zeit dehnte sich
die Bezeichnung vollends auf alle Handwerker überhaupt aus. Mir aber
scheint es, als habe rixrtov diesen allgemeinen Begriff schon in der
homerischen Periode gehabt; denn da, wo nicht schon der Zusammen-
hang unmittelbar ergibt, um welches Gewerbe es sich handelt, erscheint
das Wort in Begleitung eines stofflichen Genitivs ((fovgwv, vnmv) oder
Adjektivs (xepao$6of) , so dass man es mit unserem Meister" oder
„Mann" (Schreinermeister , Zimmermann) vergleichen könnte, gerade
wie auch Homer statt xixxwv das Wort ayfo in der Verbindung agfta-
Tonqyos avtjQ substituirt. Ferner vermag ich es nicht, mich gegen die
Auffassung der Scholien zu sträuben, welche den Tekton bei Homer
auch als Baumeister bezeichnen. Wenn Paris seinen Palast selbst mit
den besten Tektonen aufführt, so kann dieses wohl keinen anderen Sinn
haben, als dass er bei dem Bau die Rolle des „Bauherrn" gespielt hat,
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nach dessen Wünschen und Ideen der Architekt die Pläne erat entwirft
Und wie nahe berühren sich Architekt und Zimmermeister selbst in
unserem modernen Zeitalter! In letzterer Bedeutung und überhaupt als
Arbeiter in Holz tritt freilich der Tekton am häufigsten auf, ja selbst
als Bildschnitzer (xixtüiv &m#ä%%uv). Weiter unten bringt Riedenauer
selbst gewissermassen die Baukunst mit der Holzschnitzerei, also den
dqxirixTMv mit dem rixrujv in Verbindung, insoferne er beide Kunst-
gewerbe in den Dädaliden ihre Vertretung und älteste Bezeugung finden
lässt. Dass die griechische Baukunst unter orientalischem Einfluss
stand, der von Phönizien aus über Kleinasien den Weg nach Hellas
gefunden, ist ein oft ausgesprochener Gedanke Sonst spricht der Ver-
fasser den Tekton in seiner verschiedenen Berufstätigkeit von jeder
fremden wesentlichen Beeinflussung frei mit Ausnahme der Elfenbein-
arbeit, wozu der Orient schon den Stoff liefern musste. Wenn wir
aber mit diesem entschieden on Ausspruche das zusammenhalten , was
er nach dem Vorgange Brunn's Seite 124 bemerkt, dass nämlich in
dem griechischen Kunstgewerbe der Metallurgie zwischen Aegypten
via Phönizien und Assyrien einerseits und dem asiatischen und euro-
päischen Griechenland andrerseits ein Zusammenbang unverkennbar
sei, und damit den von Ikmalios aus Holz gedrechselten Stuhl, bei
welchem Elfenbein und Silber zur Verwendung kam, in Verbindung
bringen, so scheint es doch, als ob der Tixrtoy ebenso gut als der
xakxevg, wenn auch der Natur der Sache nach in geringerem Grade,
weil er verhältnissmässig weniger in das Kunstgebiet hinüberspielt,
vom orientalischen Geschmack beeinflusst war
In dem langen Kapitel, welches dem Metallarbeiter gewidmet
ist, gebt der Verfasser von der Ansicht aus, dass Bergbau auf Kupfer
oder Erz, dem ältesten und am meisten gebrauchten Metalle im
griechischen Lande, schon in vorhomerischer Zeit in Griechenland
wenn vielleicht auch nicht von den Griechen, so doch von den Phöniziern
betrieben worden sei. Von Kupfer sei der Name /«Axof zunächst auf
das spröde Erz (Bronze), dann auf das Eisen und jedes andere
Metall übergegangen, wie auch ^«Axft'« den Metallarbeiter Oberhaupt
bezeichne. Qieser mit Hammer, Zange, Blasbalg und Schmelzofen
nach dem Muster des Hephästos ausgestattet, tritt bald als Waffen-
schmied auf, indem er den Helden glänzende Rüstungen aus Erz ver-
fertigt und aus dem zu Stahl erhärteten Eisen Angriffswaffen schmiedet,
oder zum Zwecke des Schmuckes und für friedliche Beschäftigungen
Spangen, Arm - und Halsbänder, Haarnadeln, Messer, Beile, Sicheln
und anderes Hausgeräthe liefert, bald als Zinngiesser und Blechschmied,
bald als Gold- und Silberarbeiter, mag auch seine Fertigkeit in dieser
Eigenschaft nur in der Herstellung des einfachsten Frauenschmockes
und darin besteben, daas er zubereitetes Gold und Silber (Goldblech)
auf anderes Metall, Holz, Horn, Elfenbein aufnietet oder aus geschla-
genen dünnen Blättern Draht zu Troddeln, Helmbüschen und Netzen
schneidet. Alle feineren Artikel, welche der dekorativen, mit dem
Handwerk noch in enger Verbindung stehenden Kunst angehören und
die damals wegen der Seltenheit des Edelmetalls sich wohl nur im
Dienste der Fürsten fanden, verweist Riedenauer in ausländisches
Gebiet, wie ja nicht wenige von diesen gefeierten Arbeiten geradezu
als pbönizisebe oder ägyptische Produkte bezeichnet werden, und lässt
sie durch Schenkung oder noch öfter durch den phönizischen Handel
zu den Griechen gelangen.
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Nachdem er noch dem -/u/.xevs wegen Verarbeitung des nach Gold
geschätztesten Metalles, nämlich des Messings, für die hesiodeische
Hustung des Hercules die Holle eines Spänglers oder Gürtlers zuge-
wiesen und die am Eude des Zeitraumes auftauchenden, für das Metall -
gewerbe wichtigen Erfindungen des Metalllötbens und Erzgusses
gewürdigt hat, stellt er, um zu bestätigen , wie das metallurgische
Kunstgewerbe von Osten her gefördert wurde, alle diejeuigen Land-
schalten und Städte zusammen, in welchen nach den Überlieferten
Nachrichten die Metallurgik zu besonderer Bluthe kam.
Da, gelangen wir von Lydien und Phöntzien und besonders Karien
nach Rbodus und Kreta als einem der ältesten Betriebsorte von
Erzarbeitern , die dort sogar eine eigene Gemeinde, Cbalketorion,
bildeten Auf dem griechischen Festlaude treffen wir Erzarbeit , und
zwar überwiegend von den Phöniziern iKadmos) beeinflusst, in Böotien,
wo ein Sohn des Minyerkönigs Albamas zu Urchomenos geradezu
Cbalkos beisst, und auf der leicht zugänglichen Insel Euhöa, wo wir
dem Berge und der Stadt Cbalkos, der ältesten dieses Namens, begegnen.
Auf einem Theile der lns»*l wurde auch Kiseo gefunden und so trefflich
behaudelt, dass in späterer Zeit die Schwerter aus den Werkstätten
von Cbalkis und Aidepsos den besten Klang hatten. An Argos knüpfen
sich die metallbelegten Wände der Tbolen und die nach auswärts zum
Muster dienenden Waffen und Misebkrüge; an das durch Eisenberg-
werke und Eisenhämmer belebte Lakonien der mit Erz getäfelte Tempel
der Athene und die Sage der Erfindung von Helm, Speer und Schwert;
an Elis der Goldschmied Laerkes und ebeufalls der Name einer Stadt
Chalkis; Sikyon wird schon durch seinen älteren Namen Telchinia als
Heimat uralter Schmiedeinnungeu bezeichnet; Korintbs blübeude Industrie
aber, welche die Rohstoffe von auswärts bezog und diese namentlich
zu empästisebem Gerathe verarbeitet zu haben scheint, spricht die
durch Technik hervorragende Kypseloslade und die ebenso in späterer
Zeit bezeugte Fabrikation weithin berühmter Helme. Attika, besonders
Athen mit seinem uralten Volksfeste der Cbalkeen und seinem Hephä-
steion auf dem Kolonos der Agora stand in Bezug auf Erzbetrieb wahr-
scheinlich mit Euböa in Verbindung und lieferte nebst verschiedenen
Schmuckgegenständen, unter welchen die Zikadeunadeln und Kleider-
spangen die Hauptartikel ausmachten, gehämmerte und genietete Drei-
füsse, sowie andere eherne Weihgeschenke in den Handel. Von den
Inseln werden als Betriebsorte der Metallarbeit hervorgehoben Lemnos
mit der sagenhaften Pflege des Hephästos durch die Sintier, Lesbos mit
seinen später allgemein bekannten Krateren, Cbios, welches den Erfinder
des Löthens, Samos, das die Urheber des Erzgusses zu seinen Mit-
bürgern zählt. Das mit letzterer Insel stammverwandte Aegina beher-
bergte Pbeidons Münzstätte, welche zunächst Silber, bald auch Gold
prägte, und trieb später bekanntlich einen grossartigen Handel mit
Galanterie- Waaren, der auch für frühere Zeiten schon eine ausgedehnte
Industrie voraussetzt.
An den Metallarbeiter reiht der Verfasser noch den Leder er und
Töpfer. Wenn auch die homerischen Leute für ihre gewöhnlichen
Bedürfnisse das Leder selbst gerbten und verarbeiteten, gab es doch für
die Anfertigung besserer Arbeiten, wie für Schilde, Sturmbauben,
namentlich in dem durch Rinderzucht blühenden Böotien schon hand-
werksmässige Lederer und scheint sich im Laufe des Zeitraumes auch
die Schuhmacherei zu einem selbstständigen Gewerbe ausgebildet zu haben.
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Besonders interessant ist der die Töpferei behandelnde Abschnitt,
für welchen Conze an die auf Melos gefundenen Gefässe anknüpfend
äusserst schätzbares Material geliefert hat. Dieser lehrt uns, dass
die schon im 2. Jahrtausend vor Christus von den Griechen selbstständig
ausgebildete Kerameutik zur Zeit der Entstehung der homerischen
Gedichte bereits in eine zweite Phase eingetreten sei und Thongefässe
mit Malereien geliefert habe, welche an assyrische Produkte erinnern.
Diesen Eintluss assyrischer Zeichnungen denkt sich Riedenauer veran-
lasst durch Muster an Metallwaaren oder Webereien, welche phönizische
Händler verbreiteten, oder selbst durch Ausübung des Töpferhandwerks
und der Thonmalerei von Seiten der in Griechenland angesiedelten
Phönizier. Dieses Handelsvolk habe Tbongescbirr nie nach Griechenland
eingeführt, sondern imGegentheil aus verschiedenen griechischen Land-
schaften exportirt.
Bezüglich der bei Homer vorkommenden Gefässe unterscheidet
der Verfasser mit Recht zwischen den Herrenhäusern und geringeren
Leuten, indem er in jene vorzugsweise aus Metall gefertigte Gefässe
für die innere Einrichtung verlegt, während er diesen ausschliesslich
Thongeschirr einräumt, welches, wenn zum reinen Gebrauch dienend
unbemalt, zum Zweck der Zierde aber bemalt war. Besondere Betriebs-
orte für Töpferei vennutbet er von vornherein in denjenigen Land-
schaften Griechenlands, welche Wein erzeugten, da dieser in grossen
irdenen in die Erde halb eingegrabenen Krügen aufbewahrt wurde.
Weil nun aber der Weiubau, wie tbeils bei Homer ausdrücklich bezeugt
ist, theils aus den vielen Orts- und auch Personennamen mit dem Stammo
/w, sowie aus den mitDionysoR zusammenhängenden Sagen und Kulten
geschlossen werden muss, über viele Landschaften und Inseln Griechen-
lands verbreitet war, so wird man nicht fehl gehen, wenn man eine
ziemlich bedeutende Ausdehnung des Töpfergewerbes annimmt. Aehnliches
mag von der besonders auf Samos, Chios und in Attika blühenden
Oelbaumzucht gelten. An Stoff zur Verarbeitung fehlte es nicht; denn
auf Melos und Samos, in Euböa, Böotien, Attika, Aegina, Korinth und
anderen Orten gab und gibt es theilweise noch heute die herrlichsten
Thonlager, welche die Bewohner von selbst zum handwerksmässigen
Betriebe der Kerameutik einluden
Den Schluss der Gewerbe bilden die Beschäftigungen der Fischer
und Schiffer, welche wohl nie, sicher nicht anfänglich getrennt
waren, da das Wort dXttvg eigentlich nur den Bewohner der Meeres-
küste bezeichnete und in Gegensatz zum Binnenländer stellte. Gleich-
wohl hat es schon im homerischen Zeitalter gewerbsmässige Fischer
und Schiffer oder Fährer gegeben. Jene übten ihr Gewerbe mit Angel
und Netz, selbst mit der Harpune, holten durch Untertauchen Austern
und fischten zum Zweck der Färberei an verschiedenen Küsten und im
Euripus die Purpurschnecke. Für die Bedeutung der Fischerei schon
in früherer Zeit sprechen die alten Münzen mit dem Fiscbsymbol,
welches viele Inseln und an den Ufern des Pontus gelegene Städte
ihrem Wappen beigeprägt haben, ja Curtius nimmt sogar an, da9S
gerade durch die Gelegenheit reichlichen Fischfanges die griechische
Kolonisationsthätigkeit nach jenen Gegenden gezogen worden «sei.
Der Fischer ist aber nicht nur mit Fischer-, sondern auch mit
Scbiffergeräth ausgestattet; denn er übte am natürlichsten auch den
Beruf eines Seefahrers. Neben ihm bestand eine zweite Klasse gewerbs-
mässiger Schiffer, die Fährleute, welche zwischen näher gelegenen
Punkten den Verkehr vermittelten. Weiter gehende Seefahrten werden
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beglaubigt durch den zwischen Itbaka und den Sikelern betriebenen
Sklavenhandel, sowie durch die Unternehmungen der Minyer nach
Osten und der Phokäer nach Westen. In Folge der räumlich und
zeitlich immer mehr zunehmenden Seefahrten bildete sich ein besonderer
Schifferstand, der bis zum Schluss des hellenischen Mittelalters zu
einer zahlreichen Bürger- Klasse herangewachsen war.
Den Inhalt seiner Abhandlung resumirt der Verfasser in folgenden
Worten: „Am Anfang des Zeitraumes erscheint auch der Haudwerker
als etwas ausserordentliches; seine durch andauernd gleichmässige
Beschäftigung erworbene Geschicklichkeit gegenüber den anderen
berechtigte ihn dazu. Weiterbin steigerte sich diese, angeregt durch
asiatische Vorbilder und dieselben selbstständig benützend, zur Kunst;
da trat die einfache Handwerksleistung zurück, weil sie etwas gewöhn-
liches wurde; der höhere Respekt blieb nur an der Kunst und dem
Kunsthandwerk haften. Für das Handwerk als solches aber wurden
förderlich die Erweiterung der Absatzgebiete, welche das aufblühende
Seewesen bewirkte, und die Erleichterung von Kauf und Verkauf,
welche die Münzprägung gewährte, und so bildete sich der üebergang
zur Massenproduktion aus."
Indem wir hie mit von dem Buche Abschied nehmen, wünschen wir
dem Verfasser aus ganzem Herzen, es möge sich sein Gesundheits-
zustand dauernd bessern, damit die Fortsetzung seines Werkes, welches
allerdings eine volle Manneskraft in Anspruch nimmt / keine Störung
erleide. Denn von dem Marksteine der Entwicklung des Handwerks an,
wo er uns verlässt, dehnt sich im Gegensatz zu dem eben behandelten
in vielen Beziehungen mageren Zeitraum das Feld mit dem massen-
haften Stoff unendlich aus, und wenn Büchsenschutz und Andere gerade
in diesem Gebiete rüstig vorgearbeitet und Nachfolgern die Bahn geebnet
haben, so erschweren sie gewissermassen diesen ihr Werk dadurch,
dass sie die Mitwelt berechtigen, gesteigerte Anforderungen an dasselbe
zu stellen.
Landshut. Adam.
Zur grammatischen Erklärung von Xenophon's Hellenika mit Rück-
sieht auf die Ausgabe von Dr. Büchsenschütz.
Ehe ich die grammatische Erklärung, die Xenophon's Schrift durch
die Ausgabe von Dr. Bücbsenschütz gefunden hat, näher beleuchte,
will ich noch seine Erklärungen zu I, 3, 13; I, 4, 1 und 7 und seine
Antwort auf meine Erwiderung bezüglich seiner ganz unberechtigten
Kritik meiner Bemerkung zu I, 4, 7 besprechen, welche Stellen ein
eigentümliches Licht auf die chronologischen Kenntnisse des Verfassers
und das von ihm gegen mich eingeschlagene Verfahren werfen.
Während er I, 3, 13 in einer langen Anm. die im Ganzen gleich-
giltige Form des Namens des völlig unbekannten Philodikes behandelt,
erwähnt er kein Wort über Pasippidas, der nach seinem Text als lace-
dämoniseber Gesandte aufgeführt wird, obgleich I, 1 , 32 dessen Ver-
bannung aus Lacedämon berichtet ist Statt ferner aus der Erwähnung
des Hermokrates an dieser Stelle zu ersehen, dass, wie dies auch aus
andern Gründen ersichtlich ist, die von ihm (S. 9 der Einleitung) ange-
nommene Chronologie, nach der diese Vorgänge ins Jahr 408 fallen,
anrichtig sein mus9, wird die Beteiligung desselben an der Reise der
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— — — «
athenischen Gesandten gegen das ausdrückliche Zeugniss Xenophon's
unwahrscheinlich genannt- Kerner wird I, 4, 1 zu dem offenbar falschen,
gauz unerklärlichen Zusatz oi iiXXot uyytXot, die Vermutung ausgesprochen,
dass man dabei an Personen denken kann, die der König mit Aufträgen
nach Kloinasien schickte (also in Begleitung des Cyrus, der als Stell-
vertreter des Königs sich eben dahin begibt)! Zu I, 4, 7 ertenf», iviavtoi
XQeis tjoav aber wird bemerkt, dass die Schwierigkeit der Zeitrechnung,
da es drei Jahre später <im Herbst 40?») kein Heer der Athener mehr
gab, auf Verderbnis» der Stelle schlieSM-n lasse Auch diese >chwierigkeit
ist aber nur eine Folg« der falschen Zeitbestimmung des Hrn H., nach
welcher der Anfangspunkt der angegebenen Zeit in den Herbst 408
statt 409 lallen soll ich habe darum ausdrücklich in meiner Ausgabe
bemerkt, dass die Gesandten vom Herbst 409 jedenfalls bis zum
Winter 407,6 oder bis ins Jahr 400 bei Pbarnabazo* gewesen sind,
dass übrigens das dritte Jahr nicht als abgelaufen angenommen zu
werden braucht, obgleich, seihst wenn man drti volle Jahre, also bis
zum Herbst 406 annimmt, die von Hrn Dr. B. angegebene Schwierigkeit
bei meiner Zeitrechnung nicht vorhanden ist Und doch bemerkte Hr.
B. in seiner Keceusion iS. 282), dass von mir die chronologische
Schwierigkeit mit dem Bemerken abgetbau werde, das dritte Jahr
brauche nicht als abgelauleu angenommen zu werden. Als ich aber
Hrn. Dr B. erwiderte, dass nach der von mir angenommenen Chrono-
logie, nach der die Rückkehr des Alcibiades ins Jahr 406 (nicht 407)
zu setzen ist (die Gesandtschaftsreise also in den Herbst 409 fällt),
eine chronologische Schwierigkeit gar nicht vorbandet! ist, und in meiner
Bemerkung daher die Verschiedenheit der Annahme, die bezüglich der
Dauer der drei Jahre besteht, ausdrücklich als gleicbgiltig bezeichnet
wird, antwortete Hr. B. in unbegreiflicher Weise: „Die iu Abrede gestellte
Schwierigkeit ist doch da; denn am Anfange des Kapitels steht deutlich
a. 406 und die Begebnisse des Juhres 408 können uicbt 409 geschehen
sein; ausserdem bleiben drei Jahre doch drei Jahre". Hier weiss man
wirklich nicht, hat man an verstellte und absichtliche, oder an wirkliche
Unkenntnis der Sachlage zu denken. Hat Hr. Dr B. wirklich nicht
gesehen, oder nicht sehen wollen, dass der Ausdruck i < ">)// 61 ivmvxoi
TQcti ita«v nicht von dem Jahr 408, das am Anfange des 4. Kap. steht,
sondern notwendig von dem Zeitpunkt ausgehen muss, seit welchem die
Gesandten der Athener bei Pharnabazos verweilten, der im 3 Kap.
§ 13 angegeben ist und nach meiner Zeitrechnung mit dem Herbst
409 beginnt; und weiss Hr. B. wirklich nicht, oder stellt er sich nur,
als ob er es nicht wisse, dass der Grieche bei solcher Zeitrechnung die
Jahre, in die der Anfangs- und Endpunkt einer Handlung fällt, als
voll mitzuzahlen pflegt, so dass, wo er von drei Jahren spricht, die
wirklich verstrichene Zeit manchmal kaum anderthalb Jahre beträgt.
Wie er nach dieser Bemerkung davon wirklich keine Kenntnisa zu
haben scheint, so verwechselt er auch VII, 1, 1 offenbar den römischen
und griechischen Jahresanfang, indem er zu vOtfyf Ire* bemerkt:
„Es ist jedenfalls das Jahr 369 v.Chr., aus dem schon im vorigen Kapitel
Vorfälle mitgeteilt waren, so dass die Beziehung des Wortes vartQov
nicht klar ist". Da am Schlüsse des 6. Buches Ereignisse aus dem
Winter und Frühjahr 369, also aus dem dritten Jahre der 102 Olym-
piade erzählt sind, und das 7. Buch mit den Begebnissen des Sommers
(Juli), also des vierten Jahres derselben Olympiade beginnt, istXeno-
phon doch berechtigt, von einem neuen Jahre au sprechen, und wundern
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muss man sich nur, wie der Erklärer eines Werkes über griechische
Geschichte so lange Jahre (seit der ersten Auflage) sich mit einem so
leicht zu lösenden Zweifel tragen konnte.
Wer eine griechische Schrift für den Schulgebrauch zu erläutern
unternimmt, sollte vor Allem in den verschiedenen Gebieten der
griechischen Grammatik wol bewandert sein , um dem Schüler manch-
mal die nötige Anleitung zu geben, wie er die Gesetze der Sprache,
die er sich bereits angeeignet hat, zu einer richtigen Erklärung des
Schrifstellers verwerten kann. Dies gilt vor Allem von der in der
griechischen Sprache so fein ausgebildeten Lehre von den Zeiten , von
deren richtigem Verständniss so oft das richtige Verständniss eines
ganzen Satzes abhängt. Ueber die Kenntnisse nun, die Hr. Dr. Büchsen-
schütz von dem griech Sprachgebrauche in der Anwendung der Tempora
besitzt, gibt er selbst den besten Aufschluss in der Recension meiner
Ausgahe (Berliner Zeitschr. f. d. Gymn - Wesen 17. Jhrg. 1873), wo er
S 283 wörtlich sagt : „Sehr augenfällig ist das Bemühen, die Bedeutungen
des Imperfects und des Aoristes auseinanderzuhalten, ein Bemühen, das
bei unserer noch wenig befriedigenden Kenntnis* der
Grundsätze, nach welchen der griechische Sprachgebrauch in der An-
wendung dieser Tempora verfahrt, zwar recht dankenswert ist, aber
doch in der vorliegenden Ausgabe wenig genug geleistet hat." Wie
wenig befriedigend allerdings die Kenntniss der erwähnten Grundsätze
bei Hrn. Dr. B. noch ist, beweist er selbst alsbald in augenfälliger
Weise, indem er S. 284 in Abrede stellt, dass „das Imperfekt deswegen
gesetzt werden könne, weil mehrere dasselbe thaten" und durch die
Behauptung, „dass die längere oder kürzere Dauer doch nie auf die
Wahl des Tempus von Einfiuss ist". Dies leugnet Hr. B. angesichts
so klarer Fälle wie III, 1, 3, wo trotz seines Widerspruches an wieder-
holte Aufforderungen, die von verschiedenen Städten Kleinasiens an
Sparta ergiengen, gedacht werden muss und auch von allen Historikern
und Erklärern Xenophon's gedacht worden ist, oder II, 2, 17, wo vou
dem Berichte des einzelnen Theramcnes ttnqyyeiXs gebraucht ist, während
II, 2, 22 von mehrfacher Berichterstattung mehrerer Gesandten anny-
yeXXoy steht, oder IV, 1, 12, wo nach xuXiotopev avrov im Folgenden
ixäXei gebraucht ist, weil der Ruf nicht nur an Spithridates, sondern auch
an die andern zu ihm Gesendeten ergeht. Ich selbst habe allerdings
in meiner Ausgabe nichts Neues geleistet und auch nichts Neues leisten
wollen, da mich die in den Grammatiken aus den Schriften der attischen
Schriftsteller gezogenen Grundsätze vollständig befriedigen und verweise
der Kürze wegen nur auf die gute Zusammenstellung des bezüglichen
Gebrauchs des Imperfekts in dem Programme von Prof. n D. Müller
(Syntax der griech. Tempora, Göttingen 1874, S. 20 f.), wo derselbe mit
genügenden Beispielen belegt ist Wenn übrigens Hr. B. findet, dass
solche Bemerkungen für den Schüler unnötig sind, so rührt dies daher,
dass unsere Ansichten von dem, was für denselben nötig ist, auch sonst
himmelweit verschieden sind.
Nur eine Bemerkung zu I, 1, 19 muss ich gegen die schroffe Art,
mit der sie von Hrn. Dr. B. ohne Angabe eines Grundes verworfen
wird, in Schutz nehmen. Die Stelle lautet: ol dh Kv$ixrtvoi — id ixovxo
Tovs ' ASrivtilovs . 'AXxißuiifrjS cTi fAtlvas ttvxov i'ixoaiv rtutQitg xai
YQtjuarct noXXtl Xrtßtov ntiQtl rtSiv [KvZixtjt'oiv ovdbv uXXo xaxov
iQyaoa ptvog iv rjj noXet aninXevaev eis JlQOixopvtiaov. Unmittel-
bar darauf aber heisst es von Perinth und Selybria: IUq(v&i<h piv
BUUter f. <L Uyer. Gymnamlw. XI. Jahrg. 3
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eloed 4$avT o eis ro aoxv ro arQttronsdoy. IriXvßQiavoi dh idi-
Savro fii* ovy /(>>'tu<au de l&oaav. Hr. Dr. B. bemerkt zu dem doch
jedem Schüler auffallenden Unterschied in dem Gebrauche der Tempora
an diesen Stellen in seiner Ausgabe — nichts, Ober meine Bemerkung
aber sagt er in seiner Recension: Das Seltsamste finden wir I, 1, 19
„idifoyro > das Imperfekt scheint in Verbindung mit der folgenden
Angabe ovdky — iv xp noXei anzudeuten, dass Ale. die Stadt mit
Einquartierung verschonte, um die Bürger sich und seiner Vaterstadt
geneigt zu machen". Da Xenophon den allgemeinen Ausdruck avrov
gebraucht, der sich auch auf die Umgebung von Cyzikus beziehen kann,
und zu tQyaoafitvos mit Ergänzung des Objekts (avTovs) ausdrücklich
iv rp noXet hinzufügt, so übersetze ich den Satz: Alcibiades aber blieb
zwar 20 Tage daselbst und erhob hohe Kriegssteuern, fuhr aber darauf,
ohne ihnen eine weitere Belästigung in der Stadt (durch Einquartierung)
auferlegt zu haben, ab nach dem Prökonnese. Mit dieser Auffassung
stimmt, abgesehen davon, dass an eine Zerstörung oder Plünderung der
Stadt oder an eine Misshandlung ihrer Einwohner nicht leicht gedacht
werden kann, ganz und gar der folgende Satz üto(y&i»i de eiaede^ayro
eis t6 uatv ro axQttione&ov , wenn man den Gebrauch von &o~tv, wie
er mehrfach (vgl. IV, 5, 1 u. 3) in Xenophons Geschichte erscheint,
berücksichtigt, wo es stets die Stadt selbst im Gegensatze zu deren
Umgebung oder dem zu ihr gehörigen Gebiet bedeutet, und wenn man
ferner die Anwendung des Kompositums eiatdi^uyro im Aorist mit dem
Imperfekt in idtfoyTo vergleicht =. „die Perintbier aber mussten das
Heer in die Stadt selber zur Einquartierung aufnehmen" (vgl. über den
• Ausdruck arQaro.iedoy für Heer meine Bern, zu I, 3, 1 und 17). Ich
glaube nicht, dass meine Erklärung des Imperfekts idixovTo, nach der
die Einquartierung zwar angeboten, von Alcibiades aber, um die wichtige
Handelsstadt wieder für Athen günstig zu stimmen, nicht angenommen
wurde, einem Sachverständigen so seltsam erscheinen wird, wie sie
Hrn. Dr. It. erschienen ist. Leicht ist es fürwahr, während man
selbst über den Gebrauch der verschiedenen Tempora bei demselben
Verbnm in einer und derselben Stelle nichts beibringt, die von einem
andern nach den Gesetzen der griechischen Sprache gegebene Erklärung
aus ihrem notwendigen Zusammenhange herauszugreifen und ohne
alle und jede Begründung als seltsam zu bezeichnen. Viel selt-
samer sind manche Bemerkungen des Hm B. über den Gebrauch der
Tempora, wie die über das Particip des Präsens VII, 4, 5 lXe$ey öti —
ßotj&wy nttQeir, : „Das Particip Präsentis steht zuweilen in dem Sinne
der Absiebt, indem der Beginn der beabsichtigten Thätigkeit in leb-
hafter Darstellung in die Gegenwart gerückt wird." Das Richtige
ist, dass die Thätigkeit, die im Particip des Präsens ausgedrückt wird,
bereits begonnen haben muss, oder im Augenblicke wirklich schon
beginnt Dass die Nichtbeachtung der Tempuslehre öfters Hrn. Dr. B.
zu ganz falschen Erklärungen verleitete, habe ich schon früher (Bd. 10
S. 330) an zwei Beispielen dargetban ; das Unglaublichste und wirklich
Seltsamste aber findet sich in der Bern. I, 3, 19 zu dtdovm: „Präsens
bietorikum, welches auch in die indirekte Rede aufgenommen ist".
Jedermann wird hier doch bei der Verwandlung in die direkte Rede
in didoym daB Imperfekt edidov erkennen, nur Hr. Dr. B. lässt die
widersinnige Erklärung in drei Auflagen unverändert stehen. Dabei
findet sieb eine Verweisung auf I, 7, 5, wo zu uXioity gesagt ist: „der
Optativ Präs. in indirekter Rede, wo man ein Imperfekt der direkten
voraussetzt, findet sich auch II, 2, 17 und III. 3, b (es scheint darnach
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fast, als ob er sich sonst nirgends so fände 1). Man könnte vermuten,
als sei dies ein Herübernehmen des Präs. histor. in die indirekte Rede.
Vgl. zu 3, 19." Der Verfasser scheint in seinen Phantasien wirklich
von dem historischen Präsens förmlich verfolgt zu werden, dass es ihm
zu so absonderlichen Erklärungen der einfachsten, allbekannten Gesetze
der Tempuslehre dienen muss.
Wie über das historische Präsens muss Hr. B. auch von einer
Epexegese ganz eigene Ansichten haben, weil er 1,5, 9 TutaacpiQvovg
Xiyovxog , antg avxog inolsi neioSeig vrt1 AXxtßtadov, exoneiv, öncog xöiv
'EXXqvtov fit)#i oi'rwtg ia/i<Qoi toaiv (T. sagte ihm, or möge das im
Auge haben, was er selbst immer zu bewirken gesacht habe, nämlich
dass kein Volk in Griechenland zu grosse Macht beritze) den Finalsatz
mit 3 n OK-, den ich als Epexegese zu dem Relativ üneg erklärte, schlechter-
dings nicht als solche anerkennen will und merkwürdiger Weise in
seiner Antwort auf meine Erwiderung (S. 793) sagt: „Man mag den
betreffenden Satz drehen , wie man will, so wird nichts daraus, als ein
Finalsatz, där, sei es von inoiei, sei es von «xorr(»> abhängt;
ein solcher ist keine Epexegese, vorausgesetzt, dass Hr. K. nicht unter
Epexegese etwas anderes versteht, als andere, das aber kann ich doch
nicht wissen". Was ich darunter verstehe, konnte Hr. Dr. B. erfahren,
wenn er sich in griechischen Grammatiken iz. B. Kühner II §. 562, 2)
oder bei andern F>klärern (z. B Frohberger zu Lys. 30, 28) darnach
umgesehen hätte; ganz neu aber ist jedenfalls, dass der Finalsatz auch
von inoiei abhängen kann. Es macht sich eben Hr. Dr. B. über Sätze
mit o'jiwj überhaupt ganz eigene Gedanken So z. B. sagt er zu VII, 3, 11
xovxov £%oi xig ay i i:\ity ö.fwc ov dixaiov iattv ano9aveiv\ „Ein Satz
mit outug steht zuweilen statt eines Satzes mit ort nach einem
Verbum sentiendi oder declarandi." Es scheint nach dieser Fassung
seiner Anm. Hr. B. nicht gesehen zu haben, dass dieser Satz (wie die
andern in der Anm. aufgeführten) ein indirekter Fragesatz ist statt ;i«ic
ov iLxmot icn xovxov «noitttvtiv ; Ferner heisst es zu II, 3, 33 nuig ov
(<?$i) <fv'/M;r<ott(u} tag fÄfj xai i'uus xavxo tfvvaofH} noiijaai ; „nach Verbis
der Furcht selten statt des blossen /ur,, häufiger Öruag m] mit dem Futurum."
Die Worte enthalten eine seltsame Konfusion, da gpviUrrrM$a4 „sich in
Acht nehmen" nicht geradezu zu den verbis timendi gehört, aondern
ganz gewöhnlich die Konstr. mit wg (Ö.itog) u>'t und Konj. (oder Optativ)
oder Indikativ Futuri nach sieb zieht. Umgekehrt sollte III, 3, 3 zu
avXtt^aa9tti fxn bemerkt sein, dass hier der Begriff der Furcht, der in
dem Verbum liegen kann, hervorgehoben ist.
Auch als Verbesserer der Grammatik tritt Hr. Dr. B. an einer
Stelle auf, indem er zu IV, 8, 5 u. 6 xovxovg lays xov ixn$;/Xijx9ai auf
Grund einer unhaltbaren , von Dindorf aufgestellten Theorie gegen alle
Grammatiker und Handschriften des Xenophon, Thucydides, Plato,
Isokrates, Demosthenes n. a. die Negation beim Infinitiv mit rov
getilgt wissen will. Deshalb hat er wol auch 11,2,10 ivafiitov oy&eplav
etvai ataxfiqittv xov [irj rtafkety r" ov xiuiogovfAiyoi inoirjoav, aXXa did
rtjv vßQiy rlSixovv die entschieden falsche, weil unerklärliche Lesart
ei fi>j naSeiv aufgenommen, hütet sich aber wolweislich, dieselbe
auch nur mit einem Worte zu erläutern, und lässt so den Schüler rat-
los vor dem unlösbaren Rätsel stehen, dem Satze einen vernünftigen
Sinn abzulocken. Dr Breitenbach hat zwar in seiner ersten Ausgabe
(Gotha 1853) einen Versuch der Lösung gemacht, in der neuen Ausgabe
bei Weidmann aber denselben aufgegeben und gleichfalls rov tun
geschrieben. — In den Worten ö ov r i^uwo o v/x e vot ijiolrtc«y erkennt
3»
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Hr. B. merkwürdiger Weise, wie er sagt, noch immer nicht trotz des
Gegensatzes («') diu tijk vßqiv »/ii^tr und trotzdem dass das folgende
ixtfoots auf die Lacedämonier hinweist, die Anspielung auf die Tötung
der gefangenen Athener durch Lysander (II, 1 , 32), obgleich dort aus-
drücklich Rache als Motiv dafür angegeben wird , gegenüber der §. 3
geschilderten grausamen Behandlung verschiedener Städte und Inseln
von Seite der Athener, und macht es mir sogar zum Vorwarf, dass ich
nach Andern, die das längst erkannt, in meinen Bemerkungen zu der
Stelle darauf verwiesen habe, indem er S. 284 sagt: „Bedenklich ist
die Erläuterung zu II, 2, 10, da nicht von einerjeinzelnen That, sondern
von einem wiederholt beobachteten Verfahren die Rede ist". Mit dem
Aorist inoinauv wird eben auf die einzelne Tbat der Lacedämonier
angespielt, mit dem Imperfekt tjdixovy dagegen das wiederholt beobachtete
Verfahren der Athener bezeichnet
Nichts ist so widersinnig, dass es nicht doch Xenophon von Hrn. B.
zugemutet wird, wie z.B. I, 2, 8 ißotjfyany atpiaxv (wofür iß. *E<r»?<xfoic
zu setzen ist) gegen die Grammatik und den Sinn heissen soll „sie
halfen sich selbst1' , was dann so viel sein soll als „sie schickten sich
zur Verteidigung der Stadt an"; oder VII, 3, 10 t( 4/uoi noXefmarsqog
i,y f< vfiiy} wo xi heissen soll „um wie viel", während der Satz
bedeutet: warum sollte er für mich ein gefährlicherer Feind gewesen
Bein, als für euch? Das Aergste aber wird dem Xenophon dadurch
zugemutet, dass er wirklich V, 3, 13 in dem mit xal yao beginnenden
Hauptsatze statt avTip geschrieben haben soll: iavrw di (£iyoi rjoay)
öl üucf i UqoxXecc, wozu es in der Anm. heisst : „iavrß, weil der begründende
Satz aus dem Sinne des Agesilaus genommen und dieser dem Gedanken
nach Subjekt des Hauptsatzes ist", wozu als Beispiel der himmelweit
verschiedene Satz aus Anab. III, 5, 25 angeführt wird: oix «£<oV im
ßaoiXei (Kjuiui rovg i(p* iavroy trrQarsvouirovs 1 Da darf man sich
ireilich nicht wundern, dass Hr. Dr. B. kein Verständniss zeigt für die
frehtige Auflassung des Pronomens aJro?, wo es als Pronomen des
Gegensatzes an bevorzugter Stelle steht, und dass er mich darum tadelt,
weil ich in meinen Bemerkungen darauf aufmerksam mache, wie z. B.
II, 4, 33 ol db Anxcdaifioytoi, inei ttt'r t&p noXXoi iriTQtooxoiTO , priXa
nutofieyoi aiiextoQovy, nachdem unmittelbar vorher erzählt wurde, dass
Pausanias mit den Seinen mehrere Feinde getötet und die andern heftig
verfolgt hatte, wo aber trotzdem Hr. B (S. 247) den Gegensatz^ zu
avxtSv nicht erkennen will, oder wenn ich I, 4, 16 zu rot? <f avrov
f/ßgoig, wozu Hr. B. gar nichts bemerkt, auf die grammatische Regel
(z B. Krüger 47, 9, 12) verweise, nach der der Genitiv avrov unmittelbar
zwischen Artikel und Substantiv im Sinne von ipsius steht, so dass
damit nicht die politischen, sondern die persönlichen Gegner und
Neider des Alcibiades bezeichnet werden. Dass ich bei III, 4, 12 ini rov
avrov oixiay auf diese Parallelstelle (I, 4, 16) verweise, ist doch gewiss
nicht auffallend, wie es Hr. B. findet; auffallend ist nur, dass er bei dem
ganz verschiedenen Falle VII, 1 , 20 ol aXXot avr<öv avfiua/ot auf
III, 4, 12 zurückweist und demnach nicht weiss, dass diese Stellung
von avrov oder einem Personalpronomen statthaft ist und sich häutig
genug findet, wenn das Substantiv noch ein anderes Attribut bei sich
hat. So hat er auch, wie er es gewöhnlich macht, wenn er die Un-
gerechtigkeit eines Tadels zugeben muss, nicht seiner Unkenntniss der
Gesetze über die Wortstellung, sondern einer Unklarheit meines Aus-
druckes es zugeschrieben , dass er die Bemerkung zu III, 1, 11 6 ayijo
cot 6 ifxos nicht verstand, die doch verständlich und klar genug lautet:
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Die Stellung dos tonlosen Pronomens (aoi) zwischen die grammatisch
zusammengehörigen Worte betont diese im Gegensatze zum folgenden sy<6.
Eine grammatische Kegel muss klar ausgedrückt und vor Allem
richtig Bein. — Von dem Reitergefecbt vor Mantinea heisst es VII, 5, 1?
ovd'ty ovTüß ßQtt%v önXoy "/'"'» V ov%* i$i*vovvTo aXXyXtoy. Der Satz
schildert die Hitze der Reiter, die nicht aus der Ferne mit den Lanzen
kämpften, sondern so nahe aufeinander eindrangen, dass sie sich mit den
kürzesten Waffen wirklich erreichten; ebenso besagt die Parallelstelle
aus X. Komm. II, 2, 8 ovx ein« — ovdey 4qpy w ßtr^vt-'h,. dass seine
Mutter sich wirklich nie über ein von ihm gegen sie gesprochenes Wort
zu schämen hatte. Hr. Dr. B. aber bemerkt zu ^ ovx i^ixyovyro:
„Relativsätze an Stelle von Folgesätzen stehen, selbst wenn sie eine
angenommene Folge bezeichnen, zuweilen im Indikativ" Mit
dieser hegel weiss der Schüler nicht, was sonst nach der Ansicht des
Um. B. stehen könnte oder sollte, und wird zu dem falschen Glauben
verleitet, dass hier eine angenommene Folge bezeichnet ist. Dem näm-
lichen Ausdruck „zuweilen" begegnen wir VI, 1, 5 nag1 iftoi ovdeig
uia:t<,<f>(jn, öong fit} ixayog iany iuoi tau noyeiy „In Relativsätzen, die
eine notwendige Bestimmung enthalten, findet sich meistenteils die
Negation ov, zuweilen, wenn der Inhalt nur ein gedachter ist, /uif".
Hier ist nicht klar, was Hr B. unter einer „notwendigen Bestimmung"
sich denkt; versteht er aber darunter eine solche, wie sie in obigem
Relativsatze enthalten ist, die notwendig vorbanden sein muss, wenn
etwas anderes eintreten soll, so ist seine Regel falsch, denn in solchen
Relativsätzen steht immer tf. Zu dem dem vorigen ähnlichen Relativ-
satze II, 3, 12 öaoi avy^deaav iavroig [tri ovxeg roiovtoi, ovdiy »/jf^opro
lautet die alle Grammatik förmlich verhöhnende Bemerkung des Hrn.
Dr. B : „Das Particip nach ovvoida bat als Negation bald ov, bald p >?'".
Ebenso gut und sogar richtiger konnte Hr. Dr. B. sagen : In negativen
Sätzen setzt der Grieche bald ov\ bald pr,!
Nor in Kürze will ich so grobe Verstösse erwähnen, wie VII, 4, 8
die falsche Erklärung für das Fehlen des Artikels bei dem Prädikat
vfiiitQoi tpiXoi; die falsche Erklärung von i;i«yeX9nSy IV, 8, 35, in
welchem Verbum nicht d i(, sondern ttyd sich auf el$ rd Sq>j bezieht,
bii aber den feindlichen Zweck andeutet; die falsche Beziehung der
VI , 1 , 7 zu ri gesetzten und bei gadlms zur Betonung dieses Wortes
wiederholten Partikel dv zu dem hypothetischen oder kaussalen Particip
qpoßovficyos oder VI, 2, 28 zu dem Particip inurrgetpae , das einen
temporalen Satz enthält; die Verwechslung des Aktivs mit dem Medium
z. B. in xaxaouandy und xuraaiatnaoSkii V, 4, 7; die mehrfache falsche
Auffassung von wart oder tag mit Inf. als „unter der Bedingung dass"
(z.B. III, I, 10; VI, 3, 17), während an den Sellen, wo es wirklich die
Bedingung, unter welcher etwas gewährt wird, bezeichnet (V, 2, 38 u.
VII, 1, 42), dies nicht erkannt wird, — aber was soll man dazu sagen,
wenn dem Xenophon nur durch falsche grammatische Erklärungen
solche Eigentümlichkeiten aufgebürdet werden, die bei keinem attischen
Schriftsteller sich finden, ja geradezu gegen alle Gesetze der griechischen
Sprache Verstössen? Dabin gehört die)Uebersetzung der Stelle V, 4, 20
<poßov/ieyoi, ei pqdeyec «XXoi jj avroi noXe^oiey Toig Aaxedai/noyioif
„es möchte niemand anders als sie die Lacedämonier bekämpfen" , mit
der falschen Bemerkung: „Die Verba der Furcht haben zuweilen ei
und fi ur, statt pn und w ov> nacn Bich", während der Satz mit ei hier
ein einlacher Konditionalsatz ist, sonst aber ein solcher Satz, wo er
wirklich unmittelbar von einem Verbum der Furcht abhängt, nur ein
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indirekter Fragesatz sein kann; dahin gehört ferner VI, 3, 11 die
Uebersetzung von iog „wie sehr auch", was diese Konjunktion niemals
bedeuten kann, oder die ganz unglaubliche Verkehrtheit bei der Stelle
VII, 5, 26, wo o Seog ovxwg inoitjoev, olorc mit folgendem Indikativ
steht, auf VI, 5, 4 zu verweisen, wo uiare mit Infinitiv auf nouiv
folgt, wornach Hr. B. offenbar von der nach allen Gesetzen der Sprache
unmöglichen Annahme ausgeht, dass beide Folgesätze in gleicher Weise
von noietv abhängig sind, während der letztere ein transitiver, der
entere (im Indikativ) ein adverbialer Folgesatz ist, indem zu itoiqaev
das Objekt (avro) zu ergänzen ist. Das sind Verstösse, die nicht in
dritter Auflage noch in einer Ausgabe stehen sollten, die zum Gebrauche
in Schulen bestimmt ist!
Schliesslich will ich, weil Hr. B. selbst mich dazu herausgefordert
bat, noch das Urteil, das ich über seine Kenntnisse von der Lehre der
Partikeln gefällt habe, rechtfertigen, und zwar sowol aus dem, was er
darüber verschweigt, als aus dem, was er darüber sagt. Bei wirklich
seltenem Gebrauche einer Partikel, wie IV, 8, 36 bei (6g uhv iXeyero,
oder bei Partikelverbindungen wie <T ovr (z. B. VII, 4, 12), die der
Schüler gerne falsch anwendet und selten richtig versteht, schweigt Hr.
Dr. B , ja sogar in der Stelle V, 4, 55, wo er ovv in der Mitte einer
Periode am Anfange eines Nachsatzes in den Text seiner Ausgabe auf-
genommen hat, verliert er kein Wort über diesen dem Schüler gewiss
weder aus seiner Grammatik, noch aus der Lektüre bekannten Gebrauch
der Partikel; dagegen ist, wo er zu einer Partikel eine Bemerkung
macht, dieselbe fast durchweg schief und verkehrt. So glaubt er z. B.,
dass III, 1, 5 fiiv nach owtjyays wol zu tilgen sei, weil vor dem Gegen-
satz (yyana dt i der durch den erklärenden Satz unterbrochene Gedanke
in neuer und erweiterter Form aufgenommen ist. Aus gleichem Grunde,
weil der in anderer Form folgende Gegensatz von ihm nicht erkannt
wurde, r d V , 1 , 10 avrog pir irriger Weise verglichen mit iycS fiiv
IV, \ 7. Auch wo nach stehendem Brauche die Partikel (xiv statt zu
dem Gegensatze zu der diesem vorantretenden Konjunktion (ort) oder
Kopula (tiai) gesetzt ist, bat er diesen in der Regel nicht erkannt wie
V, 2, 30, VI, 3, 15. So ist ihm auch in xai ovrot VI, 4, 25 die deut-
liche Beziehung des xai nicht klar geworden (= sein Zweck war vielleicht,
dass diese beiden Staaten gleichfalls wie die nördlichen Staaten Griechen-
lands seiner bedürfen und dadurch von ihm abhängig werden sollten),
und VI, 4, 30 ist aus Verkennung der richtigen Beziehung des xai in
naQqyyetke de xai tig orQttrevaofAevoig in der Anm. eine falsche Satz-
konstruktion angegeben, da xai von atQaxevaotidvotg nicht getrennt und
vor QexxaXoig gesetzt werden durfte, ohne den Sinn zu zerstören.
Während er ferner meine Erklärung von xai — und zwar da, wo es
wirklich so übersetzt werden kann, nicht gelten lässt, übersetzt er es
selbst so an der Stelle II, 4, 2, wo es dies nicht heissen kann, weil es
hier, wie vor ndw, nur zur Steigerung von pdXa dient. Zu der Stelle
V, 3, 10 xai xtg av crrij SCxrj ehj\ wird zu xai auf die Stelle II, 3, 47
verwiesen, die mit jener gar nichts gemein hat, da in ihr xai in der
Mitte des Fragesatzes Stent. Zu II, 4, 6 wird bemerkt: „xeü — de'
aber auch, dagegen dt — xai und auch", während das Verhältniss
gerade um gekehrt ist, da immer auf der voranstehenden Partikel der
Hauptnachdruck ruht. Zu IV, 5, 9 dXX1 olda ut'v wird über die in
attischer Prosa ungebräuchliche Partikelverbindung dXXd utr gesprochen
und dieselbe mit dXXd fiyv verglichen, während aXXd die ganze Gegen-
rede einleitet und (xtv nur zu otda gehört Zu VII, 1, 24 wird anter
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den Verbindungen synonymer Partikeln auch o^utuj (Aivxoi aufgeführt
u. 8. w. Nach solchen Bemerkungen, sowie nach dem Abschnitt seiner
Recension, in dem er sich über meine Bemerkungen zu einigen Partikeln
äussert, wird jeder Kundige mein Urteil , dass Hr. B. offenbar für die
Partikeln kein Verständniss besitzt, vollkommen gerechtfertigt finden.
Nach solchen eigenen Leistungen auf dem Gebiete sachlicher,
sprachlicher und grammatischer Erklärung , wie sie sich aus der hier
und im letzten Hefte des vorigen Jahrganges mitgeteilten, nichts
weniger als vollständigen Auswahl aus einer Masse unrichtiger Bemerk-
ungen ergeben, kann ich von Hrn. Dr. B. kein sachkundiges, unbefangenes
Urteil über meine Arbeit erwarten, obwol niemand weiter, als ich,
davon entfernt ist, das „unbedingteste Lob" dafür zu beanspruchen, wie
dies Hr. B. mir in seiner Antwort S. 793 unterbreitet Wie wenig er dazu
berechtigt war, beweist der Umstand, dass ich ein Urteil über meine
Ausgabe im Lit. Ccntrbl- (1873, Nr 19) für ein anerkennendes erklärte
und noch immer dafür halte, über das Hr. B. sich triumphierend äussert,
dass er sehr befriedigt wäre, wenn noch mehr solche Urteile über mein
Buch gefällt werden sollten. Es lautet dasselbe: „Geben wir uns nun
Rechenschaft, ob die hier gebotene Erläuterung mässigen Ansprüchen
der Schule genügt. Dies mag gerne zugestanden werden. Schüler der
Klassenstufe, auf welcher sonst Xenopbons Anabasis gelesen zu werden
pflegt, werden das Nötige zum Verständniss des Schriftstellers in kurzer
Darstellung finden''. Wenn der vielleicht durch übermässiges Lob
verwöhnte Hr. Dr. B. dies Urteil für kein anerkennendes hält, so
erkläre ich, dass ich gerne mit der Anerkennung mich bescheide, dass
in meinem Buche wirklich geleistet ist, was ich zunächst damit leisten
wollte, was mir aber von Hrn. B. auf durchaus ohne Ausnahme
haltlose und durch nichts begründete Ausstellungen hin in der Schluss-
bemerkung seiner Recension völlig abgesprochen wird.
leb will mir nun zwar nicht anmassen, die Leistungsfähigkeit des
Hrn. Dr. B. zu kennen, wie er das bezüglich meiner thut, wenn er
sagt, ich habe jedenfalls in der Ausgabe das Beste geleistet, was ich
zu leisten vermochte, sondern ich will im Gegenteil annehmen, dass er
Besseres zu leisten im Stande ist, als er in dieser Ausgabe geleistet
hat; die Fähigkeit aber, über eine Ausgabe Xenopbons ein voll gütiges
Urteil abzugeben, muss ich ihm nach seiner eigenen Leistung auf diesem
Felde, wie sie in dritter Auflage hier vorliegt, absprechen; weshalb ich
ihm hiemit auch einen unbeschränkten Freibrief dafür ausstelle, über
meine Arbeiten auf diesem Gebiete sich in beliebigen Aeusserungen zu
ergehen, da ich dieselben fortan unerwidert lassen werde
München. Emil Kurz.
Erklärung.
„Auf S. 328 , 330, und 332 bat Herr Kurz bei Besprechung von
Xen. Hell. III, 1, 23; IV, 2, 5 und VII, 2, 15 Bemerkungen gemacht,
in denen jeder Leser, namentlich nach den Anfangsworten des Artikels
und der Tendenz desselben, die Beschuldigung erkennen wird, dass ich
Breitenbach's Anmerkungen zu Xen. Hell, ausgeschrieben habe. Ich
mache darauf aufmerksam, dass der Theil von Breitenbachs Ausgabe,
welcher jene Stellen enthält, im J 1863, meine Ausgabe bereits 1860
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erschienen ist. Von Herrn Kurz erwarte ich eine deutliche und
bestimmte Erklärung, welchen Sinn jene von ihm gemachten Andeutungen
haben sollen."
Berlin. B. Büchsenschütz.
Erwiderung.
Auf vorstehende Erklärung des Hrn. Dr. Büchsenschütz erwidere
ich, dass ich „fleissige Benützung" früherer Leistungen auf dem Gebiete
der Erklärung oder Textkritik eines Schriftstellers im Ernst als
„Verdienst" anerkenne, wenn dieselben selbständig verarbeitet sind, dass
ich aber Unselbständigkeit Hrn. Dr. Büchsenschütz nirgends zur
Last gelegt habe. S. 330 und 332 wollte ich nur erwähnen, dass Hr.
Dr B. bei seinen irrigen Erklärungen von IV, 2, h und VII, 2, 15
nichts als die gleiche Erklärungsweise des Dr l.reitenbach für sich hat,
ohne dass ich dabei die Priorität derselben betonte, die ich allerdings
bei diesen Stellen und auch bezüglich der Stelle III, 1, 13 irrtümlicher
Weise annahm, da der erste Teil von Breitenbachs Ausgabe schon
im J 1853 erschienen ist. Ich will Hrn. Dr Büchsenscbütz keinen Vor-
wurf machen, den ich selbst als ungerechtfertigt anerkennen niüsste, und
hätte als Bearbeiter einer ähnlichen Ausgabe seine Arbeit, wie seit den
vielen Jahren, in denen ich mich mitXenophons Hellenika beschäftige, so
auch jetzt ganz unbesprochen gelassen, wenn Hr. Dr. Büchseuschütz
mich nicht durch die Art der von ihm an meiner Ausgabe geübten
Kritik und durch seine Antwort auf meiue Erwiderung dazu
genötigt hätte.
Emil Kurz.
G. Wenz, die Reform des geographischen Unterrichts in Schulen,
Seminarien und anderen Unterrichtsanstalten. München, Theodor
Ackermann. 1874.
Mit dem Motto: „Ohne Kartenkenntniss kein Verständniss für die
Erd- und Völkerkunde", ist in der vorliegenden Schrift auf 28 Seiten
ein Vortrag veröffentlicht, welchen der Verfasser der Hauptsache nach
in einer der Sektionen der 21. allgemeinen deutschen Lehrerver-
sammlung zu Breslau gehalten hat. Der Zweck des Vortrags geht
dabin, zu erörtern, dass mit der bisher noch mehrfach üblichen Methode
des Geographie -Unterrichts nach Lehrbüchern ohne Karten und Karten-
kenntniss, oder unter geringer und irriger Benützung derselben ge-
brochen werden müsse, und dass, wenn anders die Geographie als
Bildungsmittel des jugendlichen Geistes in den Schulen Erfolg haben
soll, ihr die Kenntniss und Zugrundlegung guter und geeigneter Karten
vorangehen und zur Seite stehen muss.
Dass die Geographie eine Wissenschaft sei, stellt der Verfasser
an die Spitze seiner Erörterung. Wir können nur wünschen, dass
dieser Satz auch allgemeine Geltung erhalten möge. Es wird sodann
die wahrhaft stiefmütterliche Behandlung dieses Lehrgegenstandes in
allen Unterrichtsplänen von der Elementarschule an bis zur Universität
hinauf wegfallen. Wenn man die herrlichen WTorte Herders über den
Wert und die Stellung der Geographie unter den übrigen Wissen-
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schalten liest, so muss man in der That staunen aber die geringe
Beachtung, welche gerade in den manschenden Kreisen des Schul-
wesens die Geographie findet, wie aus den verschiedenen Schul - und
Studienordnungen klar hervorgeht. Wir stimmen darum mit dem Ver-
fasser vollständig darin Uberein, dass eine Reform des geographischen
Unterrichte« eintreten muss, und zwar nach Innen und Aussen. Nach
Innen besteht diese Reform darin, dass vor Allem diejenigen, welche
später Geographie zu lehren haben, also die Lehrer der Elementar-
schulen, die Realienlehrer an den technischen Schulen und die Studien-
lehrer auf eine andere Weise als bisher in das umfassende Gebiet der
Geographie eingeführt werden, damit durch sie dann der bisherige
Mechanismus in der Behandlung der Geographie in den verschiedenen
Schulen beseitigt nnd eine lebensfrische und wahrhaft bildende Unter-
richtsweise in diesem so ergiebigen Lehrgegen Stande an deren Stelle
gesetzt werde. Nach Aussen aber hat, und damit wird der Verfasser
uns sicherlich beistimmen, diese Reform darin zu bestehen, dass man
dem Unterrichte in der Geographie die gehörige Zeit und das dem
Alter und der Fassungskraft der Schüler entsprechende Material zu-
weist. Es wäre sehr sehr leicht, in dieser Beziehung eine bunte
Blumenlese der verschiedenartigsten, oft diametral entgegengesetzten
An- and Verordnungen zusammenzustellen.
Was nun speciell die Kartenkenntniss beim geographischen Unter-
richt betrifft, so hat der Verfasser gestützt auf eine Reihe von Aus-
sprüchen competenter Männer ganz recht, wenn er sie als Grundbedingung
eines gedeihlichen Unterrichtes erklärt. Die Art und Weise, wie er
diese seine Behauptung durchführt, indem er sieben Stufen des geo-
graphischen Unterrichtes annimmt, bat hauptsächlich Bezug auf die
Elementarschule, bietet aber auch für Real- und Lateinschulen eine
Reihe von guten Anhaltspunkten und Bemerkungen. Jeder Lehrer der
Geographie wird die Schrift mit Interesse lesen und, wenn er auch
nicht Alles geradezu als notwendig unterschreibt, doch manchen
nützlichen Wink darin finden, besonders bezüglich des mehr mathe-
matischen Teiles der kartographischen Darstellung, wozu die beige-
gebenen Tafeln die Anleitung geben. Wir empfehlen deshalb die
Schrift allen Fachgenossen zur Durchsicht und Beherzigung. L.
Literarische Notizen.
Q. Horatius Flaccus. Erklärt von Herrn. Schütz. Erster Teil:
Oden und Epoden. Berlin, Weidraann'sche Buchhandlung. 1874.
395 S. in 8. Preis 3 M. Die Ausgabe, die neben der Nauck'schen und
Düntzer'schen gewisB von vielen ersehnt wurde, führt sich auch als
Schulausgabe ein. Sie beginnt mit einer (leider sehr klein gedruckten)
Einleitung, das Notwendigste aus dem Lehen des Dichters und eine
gedrängte metrische Uebersicht enthaltend. Der Text beruht grössten-
teils auf der kritischen Ausgabe von Keller und Holder, die Ortho-
graphie fast durchweg auf den Grundsätzen Brambachs. In den
Erklärungen ist das Bestreben nach Klarheit ersichtlich; den Gedanken-
gang der Gedichte überall darzulegen, hielt der Verf. mit Recht für
unnötig; es ist das eine Arbeit, die der Herausgeber nicht für den
Schüler machen soll. Besondere Berücksichtigung hat die Feststellung
der Zeitverbältnisse gefunden. Wird man mit all dem sich gerne
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einverstanden erklären, so darf man doch wohl fragen, ob sich der
ausgedehnte Gebrauch, welcher von der Text- Kritik teils in den
Noten , teils in dem 82 Seiten umfassenden kritischen Anhang gemacht
wird, in einer Schulausgabc, und wenn sie auch ihrer Natur nach für
die obersten Klassen bestimmt ist, rechtfertigen lässt N&heres Ein-
gehen auf Einzelnes soll spaterer Gelegenheit vorbehalten bleiben.
Ciceros Reden für S. Roscius und über das imp des Cn. Pompejus.
Erklärt von Karl Halm. 7. verbesserte Auflage Berlin, Weidmann.
1874. Es wurden 7ur Rede für S. Roscius aus der fünften Aufl der
Orationes selectae von Mädvig und aus den Lectiones Tullianae von
. Alfr. Eberhard mehrere Berichtigungen und Zusätze entnommen, ausser-
dem für die Textrevision derselben Rede eine neue Vergleichung des
cod. Par. n. 6369 benützt.
Griechische Geschichte von Ernst Curtius Erster Band. Bis
zu den Perserkriegen. 4 verbesserte Auflage. 664 S. Pr. 7 Mk. —
Zweiter Band. Bis zum Ende des pcloponnesiscben Krieges. 4. Aufl.
841 S Pr. 9 M. — Dritter Band. Bis zum Ende der Selbständigkeit-
Griechenlands. 3. verbesserte Auflage. 816 S. Pr 9 M.
Aufgaben für freie lateinische Aufsätze und für Uebungen in
lateinischer Versification Aus Fr. Ellendts Nachlasse mit Vorwort
und Einleitung herausgegeben von Dr. Herrmann Genthe. Berlin.
Weidmann'. seht' Buchhandlung. 1874. 36 S. in 8. Die Themen sind
zahlreich (244 für Aufsätze, 127 für Uebungen im Versmachen) und gut
gewählt, aber es bat fast den Anschein, als ob die Einrichtung unseres
altsprachlichen Unterrichtes immer mehr von der Möglichkeit solcher
Uebungen abführte.
„Zur Casuslehre" von Dr. H. Hübsch mann München, Acker-
mann. 1874. — Das gelehrte Werk bespricht im ersten Teile die
Geschichte der CasuBlehre und zwar in der alten Grammatik; dann
die Casuslehre unter dem Einfluss Humboldt'scher Sprachwissenschaft,
drittens die Casuslehre in der modernen Grammatik. Im zweiten Teile
wird eben so gründlich und anziehend behandelt die Lehre von den
Casus in der Sprache des Avesta, dann die Lehre von den Casus im
Alt persischen , hierauf die Präpositionen im Zend und Altpersischen,
schliesslich die Casuslebre im Mittel- und Neupersischen. — Das Werk
wird sicherlich den verdienten Beifall des gelehrten Publikums finden.
Erzählungen aus der Geschichte für Schule und Haus. Von H.
W. Stoll. Erstes Bdchen: Vorderasien und Griechenland. 2. Aufl
Zweites Bdchen. Römische Geschichte. 2. Aufl Leipzig, Teubner.
1874. Pr. ä 1 Mk. 50 Pf. Was von der 1. Aufl. dieser Erzählungen
S. 227 des IX. Jhrg. dieser Blätter gesagt wurde, dass sie sich besonders
für Schulbibliotheken unterer und mittlerer Klassen eignen, gilt auch
von der neuen Auflage.
Drei Erzählungen aus dem griech. Altertume für reifere Schüler
der Gymnasien und Freunde klassischer Bildung von Dr. C. G. Wilisch.
Leipzig, Teubner. 1874. Pr. 1 Mk. 20 Pf. Entspricht dem auf dem
Titel ausgesprochenen Zwecke.
Paralleltabellen zur griech. -rumischen Chronologie. Leipzig, Teubner.
1874. 54 S. in 16. Pr 75 Pf. Sehr geeignet, um die Zahlen einer
Chronologie Bchnell in die der andern zu übersetzen.
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Uebungsbuch zur lateinischen Sprachlehre, zunächst für die untern
Klassen der Gymnasien bearbeitet von Dr Fried. Schultz Zehnte,
verbesserte Ausgabe. Paderborn, Ferd. Schöningh. 1874 . 294 S in 8.
Ohne wesentliche Aenderungen ist die neue Auflage lediglich im
Einzelnen berichtigt.
Uebungsbuch zur griechischen Sprachlehre für die Quarta und
Tertia der Gymnasien bearbeitet von Scher er und Scbnorbusch.
Paderborn, Ferd Schöningh 1875. 284 S. in 8. Pr. 20 Sgr. Das
Buch , welches sich an die griech. Grammatik derselben Verfasser an-
schliesst, dient zum Uebersetzen in das Griechische und aus dem
Griechischen. Begonnen wird mit ganzen Sätzen, die notwendigen
Vokabeln sind für die ersten 36 §§. aus einem am Ende des Buches
angebängten Vokabel nverzeichniss, des weiteren aus dem deutsch. -griech
oder griech. - deutschen Wörterverzeichniss zu erholen. Kurze An-
merkungen unter dem Texte sollen nicht bloss die Uebersetzung
erleichtern, sondern auch die wichtigsten syntaktischen Regeln allmählich
zum Bewußtsein bringen. Schon in den früheren Uebungsstücken sind
griech. Hexameter und Trimeter zur Einübung der Formen und zum
Memorieren mitgeteilt. Das eigentliche Uebungsbuch erstreckt sich nur
auf 148 S., gemischte (deutsch -griech.) Beispiele fehlen ganz. Die
andere Hälfte nehmen die verschiedenen Verzeichnisse ein, wobei wieder
das griech. -deutsche überwiegt In syntaktischer Hinsicht dürfte schon
früh den Schülern zu viel zugemutet sein.
Homers Odyssee. Für den Schulgebrauch erklärt von Dr. K. A meis.
Erster Band. Erstes Heft Gesang I — VI. Sechste berichtigte und
vermehrte Auflage, besorgt von Dr. C. Hentze. Leigzig, Teubner.
1874. Pr. 1 Mk. 30 Pf. In lexikalischer Hinsicht sind Kürzungen
eingetreten ; dagegen ist die Ausgabe erweitert in Folge einer grösseren
Berücksichtigung der neuen Untersuchungen über die Einheit der
Odyssee. — Zweiter Band. Zweites Heft. Gesang XIX — XXIV.
Fünfte, vielfach berichtigte Auflage, besorgt von Dr C. Hentze.
Pr 1 Mk. 30 Pf Die vorgenommenen Aenderungen betreffen, abgesehen
von Einzelheiten der Erklärung, besonders den Zusammenbang der
Erzählung, in dessen Auffassung Ameis durch das Bestreben die Einheit
der Darstellung möglichst festzuhalten zu mancher unhaltbaren Er-
klärung geführt wurde; ferner die Fragen wegen der Lokalitäten des
homerischen Hauses in X, in welcher Hinsicht sich der Verf. fast
durchweg an Gerlach (das Haus des Odysseus, Philol. XXX p. 603 ff.)
angeschlossen hat.
Herodotos. Für den Schulgebrauch erklärt von Dr. K. Abi cht.
Erster Band. Erstes Heft. Buch I Nebst Einleitung uuil Uebersicht
über den Dialekt. Dritte Auflage. Leipzig, Teubner. 1874.
Aufgaben zum Uebersetzen ins Griechische Für die obern Klassen
der Gymnasien. Von Dr. Gottfr. Böhme. Fünfte, verbesserte Auflage.
Leipzig, Teubner. 1874. 307 S. in 8. Die neue Aufl. bietet keine
weit gehenden Aenderungen, weder methodisch noch rücksichtlich des
Materials; doch zeigt sich überall die nachbessernde Hand. Ein paar
Nummern (213, 214) sind durch neue ersetzt worden
Aeschylos Agamemnon. Mit erläuternden Anmerkungen heraus-
gegeben von Robert Enger. 2. Aufl., umgearbeitet von Walther
Gilbert. Leipzig, Teubner. 1874. Der neue Herausgeber hat unter
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Einhaltung der von Enger aufgestellten Graodsätze namentlich dem
grammat. Verständnisse des Schülers etwas mehr nachgeholfen Auch
sonst sind die Abweichungen von der ersten Aufl. sehr beträchtlich,
da die grossen Fortschritte der Aeschyloskritik in den letzten 20 Jahren
nicht unberücksichtigt bleiben durften. Ausserdem bat die Ausgabe
einen kritischen Anbang und ein Verzeichniss der noch von Enger
für die nene Aufl. vorgenommenen Aenderungen als Beinahe erhalten.
Der langsame Absatz der ersten nicht ungünstig aufgenommenen Aus-
gabe zeigt schon, dass wenig« Lehrer sich entschliessen, Aescbylos mit
den Schülern zu lesen ; ob trotz der Erleichterungen, welche die neue
Ausgabe vielfach bietet, fortan ein häufigerer Gebrauch davon gemacht
wird, mu8s die Zukunft lehren.
Vollständiges Wörterbuch zu den Commentarien des Cajus Julius
Caesar vom Gallischen Kriege. Von Dr Otto Eicher t. Mit einer
Karte von Gallien zur Zeit Caesars. 4. revidierte Aufl. Breslau,
Kern's Verlag (Max Müller) 1874 478 S. in 16. Pr. 12 Sgr. Das
Büchlein ist bekannt; die neue Aufl hat keine nennenswerten Ver-
änderungen erfahren.
W. Gallenkamp, die Elemente der Mathematik, 4. Aufl.:
1 Tbeil (Arithmetik und Algebra, 1. Abthrilung Planimetrie), Iserlohn,
Verlag von J Baedeker 1874. — Logische Anordnung des Stoffes und
wissenschaftliche Strenge in dessen Behandlung sind von dem bekannten
Verfasser in erster Linie berücksichtigt. Dies gilt insbesondere von
der Planimetrie, in welcher die Kapitel der Kongruenz, der Grössen-
und Formenvergleichung geradliniger Figuren, dazu der Abschnitt vom
Kreise in durchsichtiger Darstellung besprochen werden, die eine
glückliche Gabe des Verf. zu sein scheint und das Verständniss
ungemein erleichtert. Wie bei K. Snell ist in lichtvoller Weise z. B.
die Frage erörtert, durch wie viele und welche Stücke ein Dreieck
vollständig bestimmt ist, von welchen Elementen die Grösse, von
welchen die Form eines geradlinigen ebenen Gebildes abhängig wird;
mit grösster Sorgfalt aber ist das Verbältniss der Kreisperipherie zum
Durchmesser eingeleitet und festgestellt. Der ganze Stoff, in dessen
Bereich auch die Aehnlichkeit, Polarität und Potenzialilät der Kreise
gezogen ist, wickelt sich auf 140 Seiten ab, und die Art, wie er verar-
beitet erscheint, ist für Lehrer beachtenswert.
Dr. H. Schumann, Lehrbuch der Planimetrie, 2. Aufl.
bearbeitet von Dr. R. Gantzer. Berlin, Weidmann'sche Buchhandlung.
1874. — Von dem vorigen weicht dieses Lehrbuch sehr wesentlich ab.
Es ist breiter gehalten, die Beweise sind fast sämmtlich ausführlich
gegeben, die Schüler auf das eigene Nachdenken und Nachschlagen
weniger angewiesen; den einzelnen Abschnitten ist zwar kein Uehungs-
material beigegeben, dafür jedesmal auf die Sammlung von Gandtner
und Junghans hingewiesen Den Schluss bildet eine Anleitung zur
Lösung geometrischer Aufgaben mit Hilfe algebraischer Analysis,
illustriert durch sechs Probleme. Zu dem sei die Bemerkung erlaubt,
a* -+- s*
dass sich x = — — — eleganter und einfacher konstruieren lässt, wenn
man auf AB = s die BC = a senkrecht errichtet, wodurch x =
AC
2 s
oders: AC= ^ AC : xwird. Zieht man jetzt durch
s
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die Mitte 0 der AC die OD I AC, so ist x — AD und A DBC das ver-
langte. Im übrigen empfiehlt sich das Buch durch eine naturgemässe
Anordnung des Lehrstoffes und durch präcise Form im Ausdruck. —
Dr. Worpitzky, Elemente der Mathematik, drittes und
viertes Heft (Planimetrie). Berlin, Weidmann'sche Buchhandlung.
1874. Diese Arbeit tritt als Versuch auf, der Mathematik die
Berechtigung zu ihrem sprüchwörtlich gewordenen Ruf wieder herzu-
stellen, nachdem die erziehlichen Wirkungen des mathematischen
Unterrichtes durch die Erkenntniss beeinträchtigt worden sind, dass
die Euclidischen Axiome keinen ausreichenden Unterbau der geo-
metrischen Wissenschaft bilden. Die Abweichungen von dem her-
gebrachten Wege sind daher mannigfach und betreffen nicht allein die
inführung der Bewegung in die geom. Betrachtungen, sondern
vornehmlich die der Ebene und den Begriff des Winkels (jede aus
zwei geraden Teilen bestehende Linie heisst Winkel), endlich die
Aufstellung von Axiomen (z. B. es gibt kein Dreieck, in welchem
jeder Winkel kleiner wäre als ein beliebiger klein gegebener Winkel);
die Parallelentheorie folgt dem Abschnitt über die Kongruenz der
Dreiecke, und es bedarf daher für die Winkelsumme des Dreieckes
fast sechs Seiten, um bis zur Erkenntniss durchzudringen, dass
dieselbe = 2R. — Auf jeden Fall ist des Verf. Versuch , die peinliche
Lücke in der Lehre von den Parallelen auszufüllen, der Beachtung
wert, sein Lehrbuch selbst aber bei den streng durchgeführten Beweisen
vor sehr vielen anderen geeignet, dem 8chaler das Lernen
zu erleichtern.
Auszüge.
Zeitschrift für die Österreich. Gymnasien. 6. 7.
L Grammatische Unsersuchungen von J. La Roche. - Behandelt
eine Reihe von Spracherscheinungen, über welche die griech. Grammatiken
entweder stillschweigend hinweggehen, oder doch nichts vollkommen
richtiges bieten. — Kritische Studien zu Eur. Helene. Von K. Sehen kl.
— Teilt die Abweichungen des Cod. abbatiae Florentinae 2664 von Cod.
Laurentianus mit. — Poseidon als Sternbild. Eine Erklärung der Stelle
llias XIII. 1 - 38. Von A- Kriechenbauer in Znaim.
8.
I. Ergänzungen zum lat. Lexicon. Von C. Paucker in Dorpat. —
Emendationes in Theodoro Prisciano. (Medici antiqui latini ed. Aldus.
Venet. 1547). Von demselben.
IV. Bericht über die Innsbrucker Philologenversararnlung.
9.
I. Die Rede des Anchises bei Vergil. (Aen. VI. 756 — 853). Von
Dr. Gebhardi in Posen. — Beiträge zur Erklärung de* Vergil. Von Dr.
Bentfeld in Salzburg. (Aen. I. 126 ist alto nicht Dativ; I. 181 ist
pelago Ablativ; II. 8 ist caelo Abi). — Zu Xen. An. I. 7. 12, 8. 22.
IV, 7. 3. V. 1. 1, 2. 2, 4, 10-20. Von Henrych ow ski.
Der „Jahresbericht des philolog. Vereins zu Berlin" behandelt
Xenophon I. Anabasis. (Referent Nitsche.)
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Zeitschrift für d. Gymnasialwesen. 9. 10.
I. Pädagogische Zankäpfel. Von Dr. Sanr in Darmstadt. Zur Frage
der Reform des höheren Schulwesens (Abgesehen von den Vorschlägen ist
die Begründung mitunter eine sonderbare). — Scbulgrammatik und Sprach-
wissenschaft. Von Dr. Wendt in Karlsruhe. Offener Brief an H. Dr. Jul.
Jolly in Würzburg (Verf. will in der Einführung der Sprachwissenschaft in
die Schulgrammatik nicht so weit gehen als Dr. Jolly). — Catulls Lesbia.
Von Dr. Schulze in Grünberg (Gegen die Aufstellungen von A. Riese in
Fleckeisens Jahrbb. 1872 S. 747 ff. gerichtet). - Zur Erklärung des Ver-
gilius von Dr Carl Nauck (Zu Aen. IV. 178. 193. 246). -
Statistisches.
Ernannt: Studl. Binder in Landau zum Subrektor in Ludwigs-
hafen; Ass. Osberger in Erlangen (Konk. 1873) zum Studl. in Fürth;
zu Assistenten: Lehramtskandidat Patin in Erlangen, Haupt in Würz-
burg, Hellmuth und Hellfritzsch in Bamberg, Barthel in Passau,
Georgii in Kaiserslautern, Heuberger in Amberg, Wilh. Meyer in
Eichstätt, Hailer in Regeosburg, Pöblmann und Simonsfeld am
Realgymn in München, Birklein und Deschaner am Realgymn. in
AugBburg, Degenhart am Realgymn. in Würzburg, Kettler am Real-
gymn. in Nürnberg; Grandauer zum Klassverweser in Weissenburg;
Schleussinger, bisher Lehrer am Kolleg in Diedenhofen (Konk. 1868),
zum Studl. in Ansbach; Putz, L. für Chemie und Naturg. , zum Rektor
der Gewerbschule in Passau; Lehramtsverw. Lehmann zum L. für neuere
Sprachen und Lehramtsverw. Götz zum L. für Realien an der Gewerbsch.
in Kaiserslautern; Lehramtsverw. Neu zum L. für Math und Phys. an der
Gewerbscbule in Landau; Lehramtsverw. Meyer zum L. für Chemie und
Naturg. an der Gewerbschule in Zweibrücken; Lehramtsverw. Knörzer
zum L für Realien an der Gewerbsch. in Amberg; Vikar Rosenhauer
zum L. für prot. Rel. an der Gewerbsch. Regensburg; Vikar Herold zum
L. für prot. Rel. an der Gewerbsch. in Fürth; die Lehramtsverw. : Ducrue
zum L für Math, und Phys an der Gewerbsch. Bayreuth, Schlumberger
für Zeichnen an der Gewerbsch. W ansiedel, Hartwig für Math, und
Phys. an der Gewerbsch. Nürnberg; Lehramtskand. Micheler als Verw.
für Realien an der Gewerbsch. Kaufbeuern; Gymn.-Prof. Dr. Hausmann
in Speier.. tum Lycealprofessor in Dillingen.
Versetzt: Ass. Emminger von Kempten nach Augsburg (St Steph.).
Enthoben: Rector der Gewerbschule Bamberg, Dr. Schneider;
Assistent der Industriesch. Nürnberg, Deibler.
Quiesciert: Subr. Dr. Stolz in Pirmasens; Studl. Hess in
Nördlingen.
Gedruckt bei J. Gotteawinter * Mossl in München, The*tineritraMe 18.
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Homerisches Allerlei.
(3. IX. Bd. SS. 163 ff. and Wi ff.).
III.
Vom Purpur.
1. Farben bei Homer überhaupt.
Farben werden in den homerischen Gedichten folgende erwähnt:
1) Aevxog vom bellen Lichtglanz (z. B. S 185; C 45), vom durch-
sichtigen Wasser (V 282), von der Hautfarbe (A 573 u. in XsvxojXeyos),
von der Milch (J 434), vom Mehle (2" 560), vom Schnee (K 437), vom
Staube (E503), von weisser Wolle (r 103), von Geweben (2: 353; /J426). —
2) Aeig loeis „lilienweiss" von der Hautfarbe des Aias (.V 830). —
3) Jftflaf, xeXaiyos als Gegensatz des ersten obigen in verschiedener
Verwendung: von der Farbe der Schafwolle (rl03; K215; x 527) und
des Peches (J 277), vom Blut ( J 149) und von geröteter Haut (T 246;
n 175), von Trauben (Z 502) und vom Wein (c 265), von der Asche
(Z 25; f 488), oft vom Schiffe, vom Wasser und der Meereswoge
(B 825; V 603), von der Erde (B 699; £ 97), von der Nacht (Z 486)
und vom Abend (« 423), vom Tode (Ii 834; p 92) und häufig von den
Keren, endlich von Schmerzen (J 117; 191). — 4) „Pechschwarz"
— J277. — 5) .-liSaXoe *.<;, eigentlich „russig" vom rauchgeschwärzten
Saal ufld vom Staub (I 23). — 6) floJUo? heisst das Haupthaar der
Greise (X 74; J2 516), der Wolf (K G34), das Meer {J 248; M 284;
T229; J580; * 410), das Eisen (l 366). - 7) Sftv&oi sind die Haare
verschiedener Personen und einmal der Rosse. — 8) Nach der Pflanze
xQoxof (S 348) sagt der Dichter xQoxo.ienXos von der Eos d. h. von
der Farbe des Morgenrotes (ft I ; T, 1 uud sonst). - 9) AfqXa>\p „apfel-
farbig" vom reifen Weizeu. — lOJ^-ß/pos ist die bleiche Farbe eines
Erschrockenen (r 35; X 529), ebenso - 11) /AupoV K 376 ; 0 4,
und daher von der „blassen" Furcht selbst gesagt (H 479); sonst:
„blassgrüu, grüngelb" (vgl. Düutzer in Kuhn's Ztscbr. f. vgl. Sprachf.
XIV, S. 183*): von der jungen Saat (n 47), vom Honig (A 631; x 234)
und darum vergleichsweise als Zeichen der Frische (t 320 ; 379). Hie-
ber ist auch etwa zu stellen — 12) otVwi/' vou der Farbe d^s unru i i^en
Meeres (¥> 316; « 183; ß 421) und gewisser Stiere (N 703; v 32).
13) H t q o 1 1 d i\ i von Punkten der Fernsicht (41 770 1, vom M^ere (ß 16 3)
von Grotten und Bergspitzen tu 80 , 233 und sonst). — 14) 'Yariv-
Sivov Sy&oc C 231 ; i// 158; vgl o v«xiy9oS S 348. - 15) 'lo\ is,
letA&nst iofyffpqc, das ist veilchenblau, veilchendunkel (s. Düntzer
in Kuhn's Zeitschr. a. O.XIV, S. 184), 8cbw»rzblau (vgl. Böckh, Explic.
Blätter f. d. b*yer. OymnMialw. XI. Jahrg. 4
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ad Pind. Ol. VI, 30) beisst das ruhige Meer (A 298; e 56) und das
stürmische Meer (* 107), das Eisen (<P 850) und Schafwolle in natür-
lichem Zustande (* 426 und darnach auch & 135). — 16) Kvavcos
von dichten Wolken- und Menschenhaufen (E345, <P188; </282, 1166),
von Kopf- und Barthaaren und Augenbrauen (H 176, X 402, n 176;
^528, 0 102 und in verschiedenen Zusammensetzungen,), dann von der
Erde (u 243, daz. Ameis Anhg.), ferner, mit f*4Xag erklärt, von dem
xdXvuua der The tis (£93) und von dem Bug der Schiffe (Ob93 u. 6.);
dabei gedenke ich der xvdveot dgaxorrts an Agamemnons kyprischer
Rüstung und der xvuvin xanerog auf dem Schilde des Achill mit Be-
wusstsein nicht, kann mir aber nicht versagen, auf die vortreffliche
akademische Abhandlung von Lepsius : „Ueber Metalle in den ägypt-
ischen Inschriften" (Berlin. 1871. Phil -bistor. Abt. S. 27 - 143)
aufmerksam zu machen, wem dieselbe etwa noch nicht zur Hand
gekommen sein sollte. Endlich, um alles zu übergehen, was blos den
Lichtglanz hervorhebt, ist zu nennen — 17) die Rosen färbe, welche
auffallender Weise nur an der (ioifo<faxTvXo( 'tfw'c erw&hnt ist, und —
18) anderes Rot.
Die meisten dieser Namen habe ich absichtlich nicht verdeutscht.
Denn was Göthc in seiner Geschichte der Farbenlehre von den Farben-
benennungen der Griechen und Römer im allgemeinen sagt, dass sie
nicht fix und genau, sondern beweglich und schwankend seien, das
gilt noch in ganz besonderem Grade von den Bezeichnungen in den
homerischen Gedichten. Ich weiss nicht, wie es anderen geht;; in mir
steht diese Ueberzeugung immer wieder fest, so oft ich die obigen
Farbebezeicbnungen für sich und im Vergleiche unter sich betrachte;
dieser Ansiebt kann ich mich nicht erwehren trotz A. Schusters Dar-
stellung in seinem zur Darlegung eines ästhetischen Stilgesetzes ausge-
führten Aufsatze: „Homers Auffassung und Gebrauch der Farben" (in
Berlin. Zeitschr. f. Gyran.-W. [1861] XV, S. 712 ff ). Ich finde mich
darin noch mehr bestärkt, nachdem V. Hehn (Culturpflanzen und Haus-
siere S. 164 f. ; 176 f.) uns wahrscheinlich gemacht hat, dass vielleicht wol
der Dichter, nicht aber auch seine griechischen Zeitgenossen einzelne dieser
Farben, wie die der Rose und der Lilie, des Veilchens und des Safrans
aus eigener Anschauung kannten. Indes ist es nicht meine Absicht,
diese sämmtlichen Farbennamen des näheren zu untersuchen; ich
bedarf des obigen Verzeichnisses nur beiläufig als einer Musterkarte,
woraus ich nur die letzte Nummer mit noch unbestimmt gelassenem Dessin
zu einer genaueren Prüfung ausgewählt habe.
Noch einer anderen Beobachtung wegen halte ich diese Zusammen-
stellung für notwendig. Alle die oben aufgeführten Farben ausser der
letzten Nummer sind (und das ist eben der Hauptgrund der schwan-
kenden Bezeichnung und kreuzweisen Verwendung) überall nur als
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natürliche Farbeerscheinungen (subjektive Farben) erwähnt; die Art
und die Menge des einfallenden Lichtes, dann der Standpunkt des
Beschauers ändern die Erscheinung nach der einen oder andern Seite
hin zum üebergange ins Dunklere oder Hellere, mit mannigfachem
Schüler. Dieses war schon Aristoteles und Theophrastus klar. So ist
hier besonders beachtenswert, dass Rot und Schwarz in einander
spielen und eines für das andere insoferne zu stehen kommt, als mit
beiden das Dunkle herhorgehoben wird. Beispiele dafür hat Döderlein
im „Homerischen Glossar" Nro. 2151 und 2464 besprochen, während
H. Düntzer (in Kuhn's Zeitschr. XIV. B, S. 183 ff.) unter dem gemein-
schaftlichen Begriff „dunkel" folgende homerische Wörter zusammen-
stellt: atäakeoi, (ti9otftj dyoq>SQogf ij«0o£t<fjjff jioeidijg, ioBigy xvttveog,
xeXaivof, fittag und auch noXiog. „Homer liebt es eben", sagt Düntzer,
„oft die Farbe nicht bestimmt zu bezeichnen, sondern nur ihre
Dunkelheit hervorzuheben, woneben der schimmernde Glanz wol
bestehen kann".
Unter den homerischen Farben macht hievon vielleicht eine, aber
nicht unbestrittene Ausnahme die xvavonet« rQuneta. (Vgl. Lepsius
a. a. 0. S. 56 ff., u. „Handwerk und Handwerker in den homerischen
Zeiten" S. 93 nebst Anm. 126 [S. 197] und 187 [S. 205 f.]). Ganz
gewiss wird das Kot nicht blos als Farbeerschein ung von den Gedichten
genannt, sondern auch als objektive Farbe, als Färbestoff und als
künstliche Färbung, nur auch da wieder nicht jedes Rot. Erstlich
fehlt das den Uebergang zum Blonden bezeichnende hvqqos noch
ganz, und nur sein Zwillingsbruder nvQoog bedeutet dort als Substantiv
den Feuerbrand. *Eqv&q6s ist mir nur von natürlicher Farbeer-
scheinung z. B. des Blutes, Weines, Nektars, Kupfers erinnerlich (* 21
= £484; (93, 165; T38; I 365 u. a.), wie das schon vorhin erwähnte
Rosenrot und das Blutrote: q>oiyiog , <poiy6gt tpotvqeig, datpoiyeog
und datpoivos (IJ 159; 2 538; a 97), auch von der Haut der Schakale
(A 474), Löwen und Schlangen, wobei es teils mit aioXog wechselt
{B 308 und M 202 ; 220 neben M 208) , .teils mit aX&uv zusammensteht
{K 23). In ausschliesslicher Verwendung als Färbestoff kommt der
fiiXrot vor und dieser, vielleicht nicht zufällig, nur oder erst in der
Odyssee (*, 125) und im Schiffskatalog (B 637). Endlich stossen wir
auf die Bezeichnungen yoiyixi, yotrixoeig und noQ<pi>Q sog.
Es ist wol rasch gesagt: Das ist der Purpur; und Commentare,
wie Lexika, soweit ich sie kenne, setzen das einfach ein. Aber es ist
meines Erachtens nicht ebenso leicht zu erweisen, vielmehr nur eine
Präsumption aus dem späteren Sprachgebrauch. Von wie vielen Wörtern
ist aber der Begriff ein anderer in der homerischen, ein anderer in der
späteren Zeit! Geht mau von der letzteren und ihren Schriftstellern
aus, wie Sam. Bochartus in seinem opus grandis eruditioni*,
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Hierozoicon sive Bipartitum opus de animalibus 8. Scripturae (Lon-
din. 1663. Francofurt. 1675) P. II, l. V, c X et XI thut, welcher,
für seinen Zweck genügend, sich fast ausschliesslich auf die Lexieo-
grapben stutzt; wie Pasc. Amati in seinem Libellus de restitutione
purpurarum (Lucae 1781), welcher zumeist an Aristoteles sich anlehnt
und nur 2 homerische Stellen nebenbei benützt; wie J. N Bischoff
in seinem „Versuch einer Geschichte der Färberkunst" (Stendal 1780),
welchem es um die Manipulation zu thun ist; so musste man entweder
die homerischen Stellen ignorieren oder den späteren Sinn kurzweg hinein»
tragen. Wir wissen ja aber, dass wir Homer zuvörderst aus sich selbst
erklären müssen. Diesen Grundsatz wird die übrige ebenso alte Litera-
tur, in dem sogleich zu nennenden Werke verzeichnet, aber mir bis
jetzt nicht zugänglich, auch nicht befolgt haben. Dem besten Buche
über Purpur, das wir haben, der musterhaften Schrift von W A Schmidt:
„Forschungen auf dem Gebiete des Alterthums. I " (Berlin. 1842.)
lag ihrem Zwecke nach das homerische Gebiet fern. Dazu kam seitdem,
was C. W. Lucas in seinen prächtig geschriebenen und inhaltlich von
Ddderlein schon belobten, in unserer Frage aber ungenügenden Quaes-
tionea lexilogicae (Bonn. 1835) p 153 sqq., Göbel in der Berliner
Zeitschr. f Gymnasialwesen (1855) IX Bd. 8. 532 ff und Döderlein
im Homerischen Glossar III S. 329 - 32 Ober die Materie sagen , und
das macht eine weitere Untersuchung nicht überflüssig.
2. rf-oivixi, tf ot v ix o 1 1 ( in sprachlicher E ntw ickel ung.
Für diese Ausdrücke ist es zu meinem Zwecke glücklicherweise
nicht notwendig, die strittige Frage der Etymologie von qpoiVtf end-
giltig zu entscheiden, ob also +oiWx<j das „Palmenland" benenne, wofür
sich Movers (Phönizier II, IS. 3 ff) entschieden hat, wobei aber freilich
gar nicht wahrscheinlich ist, dass die Griechen die Palme zuerst in
Pbönizien gesehen hätten*), oder ob Phönizien das „rote Land", „das
Land der Roten" bedeute, welche Ansicht Movers unter den ihm ent-
gegenstehenden für die wahrscheinlichste erklärt, und Schegg in seinem
„Gedenkbuche" II S 220 durch Vergleicbung des ägyptischen Namens
Ta-dsr ~ „das rote Land" wieder aufgenommen hat, oder ob 4>oiyixes
ägyptischer Parallelname mit kanaanitr-chem Ka dm onaim in dem Sinne
von „Alte, Urbcwohner" sei, wio P. Tarquiui in seinem Vortrage Deila
iscrisione — di S. Marco e della origine de1 Fenici (Roma. 1868)
wahrscheinlich zu machen sucht, oder welche der sonstigen Deutungen,
von Movers a 0. verzeichnet, den Vorzug verdiente. Nur das eine
ist uns hier von Bedeutung — und das steht fest — , dass die Bezeichnung
*) Döderlein (Glossar III Nro. 2213) leitet daher richtiger die griechische
Bezeichnung für Palmbaum von Phönizien her d. i. „phönizischer Baum";
s. jetzt auch V. Hehn, Cnlturpflanzen und Hansthiere S. 182.
■Htyixt) nach dem Zeugnisse Sanchuniatbon's bei Eusebius (Praep- ev.
I, 9t 10) älter ist als die Sage des trojanischen Krieges, und dasB in
jener Zeit, wo die Griechen auch noch nicht eine ungefähre Gemein-
schaft in Europa bildeten, jenem Schiffervolk Chanaans nicht wol durch
die Griechen und noch dazu an den verschiedenen Orten des griechischen
Landes, wo ihre frühzeitigen Spuren in Orts-, zumal Hafennamen
erhalten sind«), als Jonien, Karien, Lykien, Kreta, Jos, Kythera,
Korinth, Epirus, Böotien, Messenien und Sicilien, ebenso auch im
fernen Arabien, nicht gleichmässig derselbe Name beigelegt werden
konnte oder beigelegt worden wäre, wenn jenes Volk denselben nicht
schon mitbrachte. Dem steht auch der Umstand nicht entgegen, dass
die llias ausser zwei jüngeren Stellen die Phönizier gar nicht erwähnt,
sondern nur die Sidonier, während V t 743 und in der Odyssee (denn
J5f, 321 verdient als offenbares Einschiebsel gar keine Berücksichtigung)
Phönizier und Sidonier unbefangen als Gattung und Species neben-
einander aufgeführt werden. Genauer betrachtet ist eben die Sache so,
dass die Sidonier ••) genannt sind, wo er sich um die Urheberschaft
industrieller Kenntnisse und Produkte, die Phönizier *•*), wo es sich um
deren Vertrieb und Einfuhr, um Handel und Verkehr überhaupt handelt.
Zumeist erhellt dies aus ¥f, 743: (xp^r^a) JttfoVet nokvdaiduXot et
rjffxqoay, <£o«V»xf c d" ityov ttv$Qt$ in1 tjSQOnSäa novxov arijorty d' iv
Xifiivecai. Und die yvypj <Poiyi<xaa (o 417) in des Eumaios Vater-
haus sagt von sich (v. 425): ix phy £i<f<öyos noXvx*kxov sü/o^uat eZva*.
Also, wie es der Natur und der Geschichte der Verhältnisse gemäss ist:
Die Phönizier im allgemeinen waren und galten für Händler, aber
nicht alle für Handwerker und Kunstverständige; der letztere Ruf
haftete nur einem Teil der Phönizier, speciell den Sidoniern eigentümlich
an. Es ist aber vielleicht nicht ganz überflüssig, zu erinnern nicht nur
dass diese homerischen Erwähnungen, was bekannt ist, aus der Zeit
der sidonischen Vorortschaft (also von 1600 — 1100 v. Chr.) 'stammen
oder ein Nachklang daraus sind, sondern auch, was ich wenig oder
nicht beachtet finde, dass ebenso wie in den unmisverständlichen biblischen
•) Ich habe bier vor allem die Namen *<nvixovqy <f>oiyixtj (= Karien
and Jos), Gowixatoy, Gowixioy, 4>otytxig) 4>oivixuv im Auge.
••) Z 289 ff. f 743. cf 618. v 285 (i. e. Itdoyü} als Endziel der
Handelsreise), o 425.
[S 321.] V 743 f. v 272. { 288. * 415; 419; 425 coli. 417.
— <f, 83 f. erwähnt *otWxi? und £t<toytoi rein als geographische Begriffe
nebeneinander; ebenso steht y 291 4>tnyixri.
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54
Berichten*), so auch bei Homer „Sidonier" als Stammesbezeicbnung
zu betrachten ist, welche die Alt-Tyrier mit einschloss. Nun aber ist
beim Zusammen treffen eines naiven Volkes mit fremden Kaufleuten die
erste Frage naturgemäss nicht: Wer hat Eure Waaren fabriziert?,
sondern: Wer seid Ihr? Der Name Phönizier musste folglich den
Griechen eher bekannt werden und näher liegen als „Sidonier".
Also die Etymologie von 4-oiyixeg ist für meine Untersuchung irre-
levant Der Name selbst aber war den, Griechen früher als jede Phöni-
zisebe Stammesbenennung, somit vor Abfassung der Ilias bekannt, ja,
wir dürfen wol sagen, vor Niederlassung der Achaier, der ältesten im
Peloponnes, welche etwa um das 14. Jahrhundert geschehen sein mochte
(s Kouge in Rev. archeol. (1867) tom. XVI, p. 93) Nach dem Er-
örterten ist (poivixi f f/ei n 6g) in den homerischen Gedichten einfach die
„phönizische" Farbe, eine Lokalbezeichnung, wie deren im Handel zu
allen Zeiten vorkommen, z. H. Mokka, Kaschmir u dgl. (Aehnlich
Wolf ad J, 141; Lucas U. p. 211.) Nach einer andern Seite hat
dieselbe ihr Analogon in der Phoinix als einem musikalischen Instrument,
wovon Her. IV, 192 und Athen. XIV p. (537, b sprechen. Unwillkürlich
werden wir an das „türkische Garn" erinnert, womit ebenfalls nicht
der Stoff, sondern nur die Farbe qualifiziert zu werden pflegt. Diese
phönizische Farbe" ist nun, ausser dem einmal in der Odyssee
erwähnten Mennig, die einzige, welche in den homerischen Gedichten
und das zweifellos deutlich, als Färbestoff, als künstliche, als aufge-
tragene Farbe vorgeführt wird, wie auch Büchsenschütz (Hauptstätten
des Gewerbefleisses S 83, 2) in kurzer Andeutung hervorgehoben hat
Es ist ein roter Färbestoff in den Händen der Frauen von Karien
undMäonien, welche Elfenbein damit färben oder, wie der Dichter noch
es ausdrückt, „beflecken" ((foiyixi ptpvp J, 141) Das Beflecken ist ja
die ursprünglichste Färberei. Wir sind darum nicht nur berechtigt,
sondern genötigt, die gleiche Vorstellung von dem nämlichen Färbestoff
vorauszusetzen, wenn der Dichter Z 219 einen „phönizisch glänzenden"
Leibgurt dem Grossvater des Diomedes, H 305 dem Aias zuschreibt,
dann einen „phönizisch glänzenden" Hombusch dem Troer Dolops
(0 538*») beilegt, ferner einen derartigen Rindsledergurt am Ehebett
*) Ueber diese s. Movers, Phöniz. II, 1 S. 86 f.; 92 f.; man vgl. von
den dort gesammelten Stellen bes. 1 Mos. 10, 15; 49, 13. Jos. 13, 4; 6
Eicht 3, 8. 1 Kön. 5, 6 vgl. mit 2 Samuel 5, 11 Wenn Movere * 0
S. 93 dieses richtige Verhältnis in dem Schol. v 285: Zitfoyitjy, tijV rijg
Ii&iovog xajQttv, rrjv 4>oivixriy angedeutet findet, so mnsa ich sagen, dass
ich damit vielmehr die nämliche falsche Gleichstellung von Itforlq und
<f>oty(xrj in Homer hineingetragen sehe, wie ich die Noten bei Suid. und
Hesych. Sidoviog' *o*Vt£ für homerische Mis Verständnisse halte.
**) Von Aristarch wegen des viov tpoivixi <paetv6y mit der Diple
versehen.
55
des Odysseus (tp 201) anbringen lässt und dies jedesmal durch <po(ytxi
tpaeiyoy ausdrückt (an allen 4 Stellen am Verschluss, wie auch qpofrtxi
pipyp)- Drei Mal, gleichfalls zu Ende der Verse (A 133; f 500 und
<p 118) wird je eine ^A«»*'« q>otyix6eaocc vorgeführt, getragen von Nestor,
von dem Aitolerführer Thoas und von Telemach. Nur in dem Gesänge
von den Leichenspielen, welcher ganz oder doch grossenteils jüngeren
Datums ist, findet sich cpoiv^ und yoiyaoeig als blosse Farbeerscheinung,
jenes auch formell ein homerisches «n«S BlQufxivoy*) als Adjektivum
zur Schilderung eines Pferdes (lP 454 : (Vnnov) öq to fthy aXXo xocoy
qpotVtf tjy, iy dk fieTto7i(pXevx6y oijp' irdTvxTo), dieses zur Versinnbildung
blutunterlaufener Striemen der Faustkämpfer (<P 717: ayntopytc
«i'futrt cpoiytxoeaoai). Endlich an der ebenfalls jüngeren Stelle X 424
— \f. 271 bietet das Heiwort ffotytxonaQpoi von den Schiffen im Zusammen-
halt mit fjuXronaggot t, 125 eine Verwendung für Mennigrot.
Dies der homerische Sprachgebrauch in 8, beziehungsweise 12 Stellen.
Was ist daran zu beobachten , und was lehrt er über das Wesen der
phöniziscben Farbe? Und hiebei selbst wiederum haben wir wol aus-
einander zu halten die Fragen: Was dachten die Griechen sich unter
der „pbönizischen Farbe" und: Was erhielten sie thatsäcblich von den
Händlern unter jener Etiquette? Denn nur darnach, wie sich ein Volk
einen Begriff denkt, entwickelt sich dessen Sprachgebrauch, und lässt
sich umgekehrt aus dem letzteren nur schliessen auf die Volksvorstellung
von einer Sache. Mir fiel Viererlei auf: Diejenigen Stellen, welche,
man msg über den oder die Verfasser der Gedichte denken was man
will, als die ältesten unangezweifelt dastehen, enthalten die Bezeichnung
tpoivixh nur jüngere Stellen die Adjektivform (poiyixoeooa , zweitens
jene nämlichen ältesten Stellen und eine der Odyssee reden von
gefärbtem Elfenbein, Leder und Ko'shaar, nur die Odyssee und K von
gefärbter Cblaina; drittens wurde mit „pböniziscber Farbe" bereits
ausserhalb Pböniziens von Karern und Lydiern gefärbt, wenigstens
Elfenbein ; viertens alle diese Stellen in ihrem Zusammenhalt meinen
einen bestimmten Färbestoff, welcher aus der einen Stelle J141 als rot
erkennbar ist, und nur die zwei Stellen aus sowie die eine aus X
verwenden den Ausdruck für eine Farbeerscheinung, die letzte speciell
für die des Rötels. Dies kann nun aber die Grundbedeutung nicht
sein; denn Mennig ist keine eigentümlich phönizische Farbe. Als solche
kann auf Grund der biblischen Ueberlieferung, wovon später, nur
Scharlach oder Purpur in Frage stehen. Von Scharlach versteht es das
•) Auch sonsther habe ich nur Simon C frg 17 (Bergk*): (*n ßaXp
olvixaq ix ^eiguiy luaytag; Eur Hell. 181: <po(yixae ne'./Äovf, Uerc.
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56
geringwertige Schol. Villois. z. J 141 und Eust. ibid. (vol. 1, p. 456), dann
Schmidt a 0. S. 100 f. und Büchsenschütz (Hauptstätten S. 84, 8), beide
veranlasst durch die nur von der späteren Zeit geltende Glosse des
Hesych. v. xo'xxof i£ ov r6 opoiyixovy ßanrertu. Das Richtige wird
sein: Das Wesen der „pbönizischen" Farbe kannten die althomerischen
Griechen gar nicht; denn an der einzigen Stelle, wo er der „phöni-
zischen" Färbung als Handlung gedenkt (./ 141), lässt der Dichter
diese nicht durch phönizische und doch auch nicht durch griechische
Hände vollziehen. Die einzig zutreffende Uebersetzung im Sinne Homers
ist darum „phönizisch". Freilich dürften die homerischen Griechen,
wie wir am Schluss sehen werden, in den meisten Fällen nur
Scharlach von den schlauen Phöniziern eingetauscht haben, aber
gehalten haben sie die „phönizische" Farbe, als sie darüber zu
reflektieren anfingen, für Purpur. Gegen die Vorstellung von Scharlach
in den damaligen Griechenköpfen tritt entschieden der ältere und der
gesammte Sprachgebrauch auf, welcher, wie oben dargelegt ist, schon
in den homerischen Gedichten das Wort zu der Vorstellung „rot"
überhaupt verallgemeinerte. So einmal verallgemeinert hätte das Wort
nicht bald nachher einen neuen Spezialbegriff , den von „Purpurrot'«
an sich fixieren können, am allerwenigsten einen solchen, für welchen
in der nämlichen Zeit ein anderer Spezialausdruck aufkam. Wenn
also jenes diesen Begriff irgend einmal gehabt hat, wie aus der
späteren Zeit leicht zu erweisen ist, so muss dies der ursprüngliche
gewesen Bein.
Der naebbomerische Sprachgebrauch bestätigt zunächst die zu-
vor erst spurweise beobachtete Verallgemeinerung und Verflachung
des Begriffes. Lassen wir die ijV«a qoivixoevra Scut. Herc. 95 (von
Thiersch verdächtigt), die <poiyixox(t6xu £wV« Find. Ol. VI» 39, die
tpoivix6ß(t7iTu taS-tifuae. bei Aisch. Eum. 982 und den xi&üya <potvixeov
des Persers Massistios bei Her. IX, 22 und viele andere Stellen, wo
Purpur wahrscheinlich, aber nicht direkt erweishar ist, ausser Ansatz,
so sehen wir das Gesagte an der zu tfoivixi gebildeten Femininform
rpoivioat}-vjux«o't Sim. fr. 109, 2; (foiviaaa tpX6$ Pind. Pyth. I, 24,
<foivioaa SQrtixitüv (tyeXa rcrvpw Pyth. IV, 205, dann an ( * Aq^s) uiuutt
(füinxoe«; Scut. Herc. 194, an xoqv$uXX«s (f oivixeiuoyaq Kpicharm. bei Ath.
IX p. 398, d, an tpoiytxoneStt (jr^w'trjQ) Pind. Ol. VI, 94, wozu Böckh
nachzulesen, an (potyixooreQourjs Z$v( Ol. IX, t>, an dem </ <>trixür$i um-
riQ Pyth. IV, 64, an den tpoiyixiots qoöois Jsthm. III, 37, den <poivixo-
Qo(fot( Äc//iwVffffft frg. 95, 2, dann aus Aisch. ÜQofi. Xv6u. frg. b. Strab.
I p. 33: (potvixoneSov r* eQvfr(>äs Uqov ysvfia ^uXtcaa/jg. Von Späteren
sei nur noch erwähnt die bildliche Redensart Arist. Acharn 319 f.: ri
tfet&6fi€<x9a litjy Xi&wv — fit] ov xuxu^aivtiv roV Hv6qu tovtov ig (poiyi-
xiöa (vgl. dazu Schol.); Aristot. Hist An. VIII, 3: (poiyixoCy Xoyov
57
l/wv (aiy&aXog) und Polyb. XII, 2, 4: 6 <fi xaQrtog (xov Xuxov) —
av£ttv6fievoc ifh xtp f*ky YOtSfUtTt yiyyexai tfoivixovg. Uebereinstimmend
damit bedeutet IqpojWffao* i. e. (foiyixjw, welches in den homerischen
Gedichten ganz fehlt, später wo es sich findet, wie Her. VIII,, 77; Soph.
Ai. 110; frg. 462, b, 2 nur allgemein: „rot färben".
Und dorh sind wir wieder genötigt, wenn Her. I, 98 von (powixitp
el'fitcfi in gottesdienstlicher Verwendung bei den Aegyptern spricht,
dies speziell von Purpur zu verstehen, noch mehr Xen. An. I, 2, 20
den Ausdruck rpoiyixtaxijg von den Persern, welche ganze Purpurkleider
tragen durften, zumal wenn man Cyr. VII, 1, 2 xiT("°l <potyixotg von des
Kyros Umgebung und VIII, 3, 3 vergleicht: ovdey (peid6tueyog ovts
noQ<pvQt<fu)v ovxe oQtfvivtüv ovxe tfotvixititav ovxe xuQvxivtov luaxitjy (8.
dazu Weiske), vollends sind von Purpur zu verstehen in dem Berichte
des Chares bei Athen. XII p 538, d, welcher das Hochzeitsfest Ale-
xanders des Grossen beschreibt, die Worte: xaxeaxevaaxo cf* 6 oJxog
noXvxeXüig xui fieyaXongentSg luartotg re xai n&oviotg itoXvxeXioiy, vno
de tavttt TioQtpvQois xai <poiyixoig' xQvaovtfiot. Und wem das alles nicht
genügen sollte, der wird nimmermehr Aber die Worte des Ktesias (frg.
57 Müll, aus Phot. Bibl. und frg. 77 aus Ael. v. h. IV, 46 ) hinwegkommen.
Leider muss ich mir des Umfanges wegen versagen, die wichtige Stelle
im Wortlaut hieherzusetzen Ktesias spricht dort von dem indischen
Baume, welcher die Cochenille- Schildlaus trägt; dafür hat es Delaval
und Beckmann und Heeren genommen und nach ihnen Bäbr ad CteB.
p. 323. Davon gebrauchte, wie aus den verschiedenen Exzerpten
zweifellos hervorgebt, Ktesias die Ausdrücke ay$og (noQ<pvQovy) , i£
ov noQtpr'Qtt oder nootpvQÜ Ifxuxia ßänxexai. Die Inder zerreiben
nämlich jene Insekten xai ßaniovaty iuuxia tfQiyixii oder xdg cfoivixidug
xui xovg vu cviuig /huj> ag, Ferner nennt Ktesias jene Tierchen
iyv&Qa äaneg xtvydßugi, um einen anderen Passus: <poiyixovy iotiy,
igv&Qoy nayv, nicht zu betonen, und nennt den daraus bereiteten Stoff,
welcher selbst dem Perserkönig überreicht wurde, besser als den ein-
heimischen persischen, ovdiy yrtoy xyg 'EXXrtyix!}g (noQtpvQug) und xwv
(ctfoftiytay xvSy Zaqfutyixuiy o£vx£qu xai xyXavyeoxe\>a. So könnte die
Ausdrucksweise von Ktesias nicht gewählt sein, wenn ihm nicht <fotvt-
xovg als Purpurfarbe festgestanden hätte. Und so wurden alle die
persischen Scharlachgewänder von den Griechen als Purpur aufgefasst
und betrachtet. Wenn wir also hier jedes Verständnis für Verschieden-
heit von Scharlachfarbe als solcher und von Purpur fehlen, vielmehr
nooxfvou und tpotyixeog zur Bezeichnung des ersteren abwechselnd für
einander eintreten sehen, wie kömmt es ferner, dass Aristoteles, wo er
diese beiden Begriffe in der Farbenlehre als Gegensätze behandelt (8. nach-
her im 3 Abschnitt), zur Bezeichnung des hellen Rot statt yoiyixeog nicht
vielmehr geradezu xoxxtyog wählt, während doch sein Zeitgenosse, der
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58
Komiker Dromo bei Ath. VI p. 240, d mit den Worten iQvÖQoreQov
xoxxov das Scharlachrote im Sprichwort kennt, gleichzeitig der Komiker
Eubalos bei Ath. II p. 66, d den xCxxov Krtdiov hervorhebt, und Kalli-
xenos Rhodios ib. V p. 196, b (im 3 Jahrb.) von einem ovQavioxy
xoxxtvoßaq:Ei ncQiXsvxot spricht? Ks ist nur so erklärlich, dass qpotWxto;
noch Dicht mit xoxxivos identisch galt Noch von einer andern als der
oben geltend gemachten Seite her erbellt aus dieser Darstellung und
Ausdrucksweise des scharf beobachtenden und distinguiert nden Philo-
sophen, dass ffotvixoeis noch im 4. Jahrb. nicht schlechtweg gleich
xoxxivoc war. Aristoteles konnte diesen Ausdruck gar nicht gebraueben
wollen. Die Naturbeobachtung in dem beschriebenen Falle zeigt gar
keine Scharlachfarbe, sondern eine mildere Nuance, wofür absichtlich
tpoiytxoeis gewählt ist. Es ist also nicht nur an sieb wahrscheinlich,
dass „phönizisch - rot" die den Phöniziern eigentümliche d. h. von ihnen
zuerst auf dem ägäiscben Meere verbreitete Kunstfarbe, den Purpur in
seiner roten Nuance bezeichnete; der Sprachgebrauch lehrt die Ent-
wickelung des Begriffes qpoiVixi, tfotytxoeis vom Speziellen (Purpurrot)
zum Allgemeinen (Rötliches i , worin noch tpoiyixeog rieh anschliesst,
während für das zum Palmbaum gehörige nur tpoivixtios , und als
Topikon im geographischen Sinne <t>oivixix6e, #oiWxtos, 4>otvixeios} 4>ot-
vixijws in Gebrauch kamen. Endlich haben wir noch eine ganz
besonders lehrreiche Bemerkung von Theophrastus, welcher Hist. plant.
III, 16, 1 (ed. Schneid.) sagt: tptqei <fc (o jiquos) xai nagd ijjV fluXavov
xoxxov riva cfniiixuCy. Die Worte: „eine Art pbönizisebroten oder
Purpur - Scharlach4' sind eine direkte Spur, dass man anfieng, roten
Purpur und Scharlach im Sprachgebrauch in Parallele zu setzen, noch
später wurden wirklieb beide für identisch genommen (s W. A. Schmidt,
Forschungen auf dem Gebiete des Altertbums I. S. 101 coli. Hes. s v.
x6xxo{ <poLvixovv /pujjua und anderen) Die Vergleichung von „Phöni-
zisch-Rot" und Scharlach, die Prüfung des ersteren auf Scharlach
oder Purpursaft fiengeu die Griechen im täglichen Leben naturlich viel
früher an. Um jetzt nur auf dem Boden der Sprache zu bleiben,
haben wir dafür ein sehr hübsches Beispiel an Simon, fr. 54: tpotvixeov
laxiov (des Thetens) vygt^ 7t«fvgtueyoy npuo's ay$ei . . . iQ&aXXov
Wie man dieses Bruchstück auch übersetze , bestätigt es das oben
Dargelegte. „Scharlachsegel" gibt eine unerträgliche Tautologie, ist
also falsch „Purpurrotes" oder, was ich für das richtigere halte,
„phönizischrotes Segel mit der Scbarluchblüte gefärbt" beweist aber
nur: jenes, dass man im 5. Jabrh. Scharlach mit rotem Purpursaft
identifizierte oder confundierte, dieses, dass man das „phönizisch Rote"
nicht mehr leichtgläubig hinnahm und doch auch nicht ausschliesslich
Scharlach darin sah.
(Fortsetzung folgt )
59
Die schlechte Aussprache des Deutschen und die nacht heilige
Wirkung derselben auf den fremdsprachlichen Unterricht.
Mit wahrer Freude ist es zu begrüssen , dass nun endlich einmal
die technischen Anstalten so weit gekommen sind, ein Organ zu besitzen,
•
in welchem wir das Interesse unserer Schulen , die an Lehrer und
Schüler gestellten Anforderungen, die Vor- und Nachtheile der einen
oder der anderen Metbode, überhaupt das noch Wünschenswerte
besprechen, und das ßewährte gegenseitig austauschen können. Wollte
man dies früher thun, so musste man sich entweder an ein im engeren
Vaterlande erscheinendes politisches Blatt wenden, was nicht immer rath-
sam ist, da gewisse Dinge nicht für das grosse Publikum passen ; oder man
musste seine Zuflucht zu einer, in einem anderen Theile Deutschlands
herausgegebenen pädagogischen Zeitschrift uehmen. Im letzteren Falle
war anzunehmen, dass der Leserkreis in Bayern nur ein beschränkter
sei, dass unsere inneren Angelegenheiten den Betheiligten nicht zur
Eenntniss kommen, mithin der Zweck ein verfehlter seiu würde.
Auch ist es uns allen, die wir an technischen Anstalten thätig sind,
gewiss erwünscht, eingehendere Nachrichten von unseren Schwester-
anstalten, den Gymnasien und Lateinschulen, von den dort gepflogenen
wissenschaftlichen Bestrebungen und Forschungen zu vernehmen und
Nutzen daraus zu ziehen, so wie dann mancher Kollege jener Anstalten
bei uns einen Gegenstand finden wird, den er seiner Beachtung für
würdig hält
Wenn ich am Eingange der an Lehrer und Schüler gestellten
Anforderungen Erwähnung gethan, so hatte ich allerdings die zuweilen
etwas „hochgestellten" Anforderungen im Auge; jedoch soll in dieser,
von mir aufgestellten Behauptung, die allseits getbeilt wird, wie sie denn
auch schon zum Gesammtausdruck geworden ist, durchaus nichts
Gehässiges liegen. Lesen wir ja auch von Reformvorschlägen für Gym-
nasien und Realschulen von vielen norddeutschen Schulmännern in
Folge der Verbandlungen, die im preussischen Unterrichtsministerium
über die Reorganisation der Mittelschulen gepflogen wurden. Dass
überall, gleichviel in welcher Branche, Verbesserungen vorgenommen
werden können und müssen, da wir es nur annähernd zur Vollkommen-
heit bringen, ist eine anerkannte Wahrheit; dass durch öftere Besprech-
ungen und Vorschläge gar Manches geklärt und Verbesserungen
wesentlich gefördert werden, bedarf keiner näheren Beweisführung.
Nach diesen digressiones , die dem Rev. Lawrence Sterne, M.
A. gemäss, „unbestreitbar der Sonnenschein, das Leben, die Seele des
Lesens sind," komme ich zur Sache. Neben meinen Leidensgefährten,
den Lehrern der neueren Sprachen, ziehe ich die Realienlehrer noch
in Mitleidenschaft : je grösser das Kontigent, desto leichter die' Kriegs-
führung, unter der Bedingung natürlich, dass dasselbe gut einexerziert
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60
ist. Vorausschicken muss ich noch, dass die Aussprache des Franzö-
sischen in der Pfalz, nach früheren Aeusserungen zu scbliessen, von den
Herren im jenseitigen Bayern für excellent gehalten wird. Ganz falsche
Ansicht! Zur kleinen Genugthuung für unsere Pfälzer kann ich eben so
wenig verschweigen, dass man seiner Zeit hier eine Gesellschaft Herren
mit dem Beinamen „Mitglieder des französischen Casinos" bezeichnete
Erstaunt, neu- und wissbegierig zu gleicher Zeit, etwas derartiges in
Speyer zu finden, besuchte ich das öffentliche Lokal, in welchem die
Gesellschaft ihre Niederlassung hatte, um, wenn thunlich, mich als
Mitglied aufnehmen zu lassen. Eitel Täuschung! Ks waren Herren,
die den vollklingenden, alt -bayerischen Dialekt ausgeprägt sprachen.
Nun könnte wol der in Sterne's Tristram Shandy bewanderte
Leser, dem Lessing, Götheetc. hohe Anerkennung gezollt haben (Tristram
natürlich nicht, auch dem Leser nicht, sondern Sterne), denken, es
bestehe der ganze Artikel nur aus digressiones , ohne welche er sonst
nichts wäre, wie die Geschichte von Tristram, die in der That nicht
zu Ende geführt ist: dagegen müsste ich mich feierlich verwahren, da
ich jetzt wirklich „ad rem1'- komme, und zwar mit dem Wunsche, der
Leser möge ein wenig „moelle", wenn nicht scienttfique , so doch
„pratique" herausfinden, wie Rabelais, der lustige Pfarrer von
Meudon, seligen Angedenkens, ähnlich sagt. —
Die meisten Fehler werden bei der Aussprache der Vokale gemacht.
Bei sehr vielen Leuten ist das Aussprachegefübl, wenn ich mich so
ausdrücken darf, ausserordentlich schlecht ausgebildet. Das findet
sich nicht nur in den unteren Schichten der Bevölkerung bewährt,
wo es einiger massen zu entschuldigen wäre, sondern auch in den
Klassen der Gesellschaft, die eine gediegenere Schulbildung genossen,
bei vielen Lehrern sogar. Bei den letztern ist durchaus kein Ent-
schuldigungsgrund geltend zu machen. Wenn wir uns nicht Mühe
geben, uns einer reinen Aussprache zu befleissigen , wer soll es denn
eigentlich thun? — Viele Leute sind geneigt, eine gute, reine Aus-
sprache geradezu für affektirt zu erklären. So wird der Süddeutsche
oft den Norddeutschen der Ziererei schuldigen, der st, sp, etc. am An-
fange eines Wortes nicht wie seht, schp ausspricht. Welches das
richtigere ist, bleibt immerhin eine noch zu lösende Frage, obgleich
einige Grammatiker, Heyse unter andern, sich für einen leisen Anflug
von sch vor t und p entscheiden. Nun frage ich ganz einfach, was ist
denn der Gegensatz von einem leichten Anfluge von sch? Etwa wie das
französische j? Das letztere bringen die meisten Deutschen vor Vokalen
kaum richtig heraus, geschweige denn vor t oder p; es ist in der That
ganz unvereinbar. Wenn wir z. B. im Plattdeutschen anstatt waschen
(mit dem Zischlaute) was-chen (ch — k) aussprechen hören, so müssen
wir nicht vergessen, dass es im Altdeutschen toascan, im Altsächsischen
I
61
toaskan hiess, und dass sich diese Aussprache im Volksmunde fort-
gepflanzt hat
Ich komme auf die Vokale zurück. Wenn manche Leute kaum
einen hörbaren Unterschied zwischen a und o machen, (quod guidem
quäle sit, etiam in multis discipulis animadverti potest t , und dann
einen Laut mit dem andern verwechseln, so ist es wahrlich nicht zu
erstaunen , dass es den Meisten wie ein böhmisches Dorf vorkommt,
wenn ich behaupte, dass der Vokal a schon an und für sich zwei
Laute hat, eine Behauptung, die nicht vereinzelt dasteht. — „Jakobi
und später auch R. v. Baumer (Ges. sprachw. Sehr. p. 165) machen
darauf aufmerksam, dass bei den langen Vokalen häufig nicht blos die
Quantität, sondern auch die Qualität des Vokals eine andere sei, als
bei den entsprechenden Kürzen. Das a in Vater sei nicht blos ein
längeres, sondern aueb ein lautlich anderes als in Gevatter.'* (Das
natürliche System der Sprachlaute von Dr. H. B. Rumpelt.) Ebeuso
verhält es sich in Schwan und Satz; so wie sich denn derartige
Beispiele noch gar manche anführen Hessen. Das erste ist das tiefe,
das zweite das hohe a. Dasselbe ist im Französischen noch ausge-
prägter der Fall. Keinem, nur einigermassen gebildeten Franzosen
wird es einfallen, das a in vase, base, hasse f las, ohne der a mit accent
circonflexe zu gedenken (päte, äme, male, äne), so auszusprechen wie in
glacet datte, ami, lärme. — Um diesen Unterschied den Schülern bei-
zubringen, muss man sich unsägliche Mühe geben, selbst wenn sie nur
in wenig Fällen mit Erfolg gekrönt ist. -- In den französischen Nasen-
lauten klingt der a-laut etwas tiefer als in dem Deutschen. -
Das deutsche e bat wenigstens zwei verschiedene Laute, denn es
unterliegt keinem Zweifel, dass „ehe, wehe, stehen, Schnee, Thee,
kennen" etc anders ausgesprochen werden als „er, der, Lerche, Erbe,
wessen" etc. Das französische £ (mit accent aigit) , die Endungen er,
es und ed, sowie die Präfixen ef, es, ex haben wol alle den geschlossenen
c-Laut. In den Wörtern aller, allies , pied, the, de" klingt das franzö-
sische e wie in kennen, ehe. Was die Wörter anbelangt, die mit
ef, es, ex etc. anfangen, gibt freilich Prof. Sachs in seiner Aussprache-
bezeichnung einen etwas offeneren e- Laut für diese Präfixen an, während
Prof. Mätzner den des i (mit accent aigu) annimmt. Soviel ich mich
jedoch erinnere, habe ich während meines Aufenthaltes in Paris - die
französische Schweiz oder Belgien kann ich nicht wol als massgebend
anerkennen — eine Nuance nicht unterscheiden können. Ich glaube
demnach auch annehmen zu dürfen, dass es nicht falsch ist in
effarer , essai, exaucer etc. ef, es und ex mit demselben Laute auszu-
sprechen wie in den angeführten Endsilben. Das e in er, wer ent-
spricht im grossen Ganzen dem französischen offenen e (ohne accent
grave) mit darauf folgendem, zu derselben Silbe gehörigen Konsonant.
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62
Dieses e wird demgemäss in beffroi, bec, blessure, netteti etc. denselben
Ton haben wie in den Wörtern wer, er Das französische e am Ende
einsilbiger Wörter wie in le, me, te, se, que ist keinem deutschen
Laute analog.
Von dem deutschen t kann angenommen werden , dass es durch
das Hinzutreten von verschiedenen vokalischcn und konsonantischen
Lauten in seiner Aussprache keine Aenderung erleidet. Zwar glauben
auch hier Jakobi und R. von Räumer, dass ein lautlich qualitativer
Unterschied zwischen dem t in binnen und Bienen bestehe; meiner
Ansicht nach ist die scharfe Distinktion nicht nöthig, was auch von dem
französischen t geltend gemacht werden kann.
Von dem Vokale o lässt sich vielleicht ein kleiner, lautlich quali-
tativer Lautunterschied aufstellen , jedoch soll derselbe nicht mit den
Haaren herbeigezogen werden. Hat das o in Wohnung, loben,
wollen denselben Laut wie in morgen, Sorgen, offen? Immerhin
gehört ein feines Sprachgefühl dazu, um einen nur merklichen Unter-
schied hervortreten zu lassen. Was das Französische anbelangt, so ist
der Unterschied etwas merklicher: Das lange, geschlossene o in
doser, gros, mot klingt etwas anders als das sonore o in. corps,
8 ort, mot.
Das deutsche u hat keine zwei verschiedene Laute , ebenso wenig
das franzosische ou, das demselben entspricht.
Nun zu den Umlauten. Das deutsche ä wird in den einzelnen
Theilen der Pfalz „abscheulich" ausgesprochen, ganz plärrend,
während in andern Strichen die Leute kaum im Stande sind , es von e
zu unterscheiden. Einen zweifachen Laut hat ä ganz gewiss: in
plärren, Närrin, ist der offene ä-Laut deutlich zn erkennen;
in Läden, Mädchen, Gläschen, der halboffene. Im Französischen
bestehen auch die beiden Laute, die auf verschiedene Weise entstehen:
entweder durch e mit darauf folgendem, zu derselben Silbe gehörenden
Konsonant, durch e mit accent grave und circonflexe, oder durch ai,
aiey ay, aye, ey, (ai auch theils wie t mit accent aigu) Das offene e
wird dem deutschen ä ziemlich analog in personne, verger, acces, peche,
faire, eile, palette, verre gesprochen; das halboffene wie in peine,
baieine, etc. — Die entsprechenden französischen Nasenlaute sind
schärfer, halten desswegen keinen Vergleich aus.
Das deutsche ö hat zwei verschiedene Laute: öde, tödten, klingen
anders als Oerter, Förster, Mörder, Rösslein, öffnen. Das
erste ist das geschlossene, das zweite das offene ö. In meunier, vcut,
peut finden wir das geschlossene ö repräsentirt; in moeurs, fleur,
pleure das offene.
Der Umlaut n hat im Französischen denselben Laut wie im
Deutschen.
63
Ich gehe nun zu den einzelnen Lautverwechselungen des Schülers
bei der Aussprache der Vokale über; nur diejenigen Lautverwechsel-
ungen, die in den beiden Sprachen analog gemacht werden , werde ich
berühren und Beispiele anführen.
I. Verwechselung von e und ä.
Wie bei der Aussprache folgender deutschen Wörter oft schlecht
unterschieden wird zwischen * und d in gebe, gäbe; bete, bäte;
sehe, sähve; redlich, räthlich; Beeren, Bären; Ehre,
Aehre; Meere, Mähre; Rheder, Räder; Seele, Säle, so
werden vor allen Dingen von den Schülern die Verbalendungen im
Französischen ganz schrecklich verwechselt, dass einem manchmal die
Galle dabei überläuft. Die Endungen er, es, e werden wie die Endungen
ais, ait, aient gesprochen und umgekehrt. Das e mit accent grave und
circonflexe wie e mit aigu; die Substantiv- und Adjekiv- Endungen
eile , enne, erre, esse, ette wie e mit accent aigu gesprochen. In Folge
dessen werden verwechselt : fallumai mit j'allumais ; parli mit parlais ;
je serai, je serais-, ße, faxt; m&t, mais\ de (digitus), dais (vom deutsch.
Dach); hi, haie; ite", itait; piche (peccatum), pechi (piscatum); pe
(Anhaltestein), paix ; mailler (macula), maillet (malleus). —
II. Verwechselung von e und ö.
Deutsch: beschweren, beschwören; flehe, flöhe; hehre, höre; Lehne,
Löhne; lesen, lösen; Sehne, Söhne. — Französisch : ble, bleu; de, deux;
fee, feu; Uez, Heu; tief, neuf; nez, noeud; seiet, cieux; pet, peu. (Die
Verwechselung der beiden letzten Wörter ist wenig ästhetisch und wird,
sollte sie in einer Töchterschule vorkommen, eine allgemeine Entrüstung
hervorrufen). —
III. Verwechselung von * und ü.
Deutsch: Biene, Bühne; ßiebel, Bübel (Bübchen); Kiefer, Küfer;
Kissen, küssen; liegen, lügen; missen, müssen; riechen, rügen; viele,
fühle. — Französisch: cri, cru (credere)', giron (vom deutsch, ger),
juron (jurare); lit, lue (Hefe), Zu; mit (mied), mue (mutare); ni (nee),
nu (nudus); pie (pico), pu\ scie (secare), «u; qui, cul. —
Nun blieben noch einige Konsonanten zu erwähnen, die in beiden
Sprachen gleich schlecht ausgesprochen werden; es sind dies b und p,
d und t, s in seinen verschiedenen Nuancen und g und k (frz. c).
Die Erfahrung, dass b sehr häufig wie p gesprochen wird, auch
zuweilen umgekehrt, machen wir alle Tage; ebenso verhält es sich
mit d und t, und ähnlich mit g und k (c). i'ann kommt noch das
Widerliche mit der p- und t- Aussprache hinzu, dass, wenn die jungen
Leute den einen oder den andern Laut im Französischen gut aus-
sprechen wollen, man immer einen Holzhacker zu hören glaubt, der
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64
sich anschickt , ein knorriges Stück Holz mit Wucht zu spalten. — Vor
den flüssigen Lauten ist p und t am schwierigsten auszusprechen. „In
Norddeutschland finden wir diese Verwechselung nicht; in Mittel«
deutshiand (Sachsen, Thüringen, Franken) verschmelzen beide zu einem
Mittelpunkte.44 (Dr. Rumpelt, d. natürliche System etc p. 55) Aus
eigener Erfahrung kann ich dieser Aufstellung vollkommen beistimmen. —
Wörter, welche mit b und p anfangen und gleichklingend sind, wird
es nur wenige im Deutschen geben, während das Französische mehr
aufzuweisen hat.
I Verwechselung von b und p.
Es fallen mir von b und p nur die Verwechselungen zwischen
babbeln und Pappeln, Briefe uud prüfe ein; dagegen stehen
mir im Französischen mehr zu Gebote, die ich anführe: balai, palais ;
bain, pain; battt (battre), patte; beau, peau; belle, pelle (pala); biere,
pierre; beurre, peur; blanche , planche ; boeufs, peu; bon, pont;
bu, pu etc.
Einige Sätze, in welchen die Verwechselungen noch augenschein-
licher hervortreten, lasse ich folgen: j*ai achete un balai (palais);
tu as pris un bain (pain); il a bu un peu ipet) de biere (pierre) etc.
II. Verwechselung von d und t.
Im Deutschen erinnere ich als gleichklingend an Dose, tose,
Daal (Seeroannsausdruck) und Thal. — Französisch: da, in oui-da!
und tas; dard, tard; dam er , tancer {tentu;,; de, the; dalle, thalle
(Lagerstamm der Flechten); dent, tant; don, ton; d'oü, Thou (president
de); dos, tot; droit, trois.
III. Verwechselung von g und k, französisch c.
Wenn ich behaupte, dass g in Grieche, Greise und Gnade
beinahe gerade so gesprochen wird wie k in Kriege, Kreise und
Knabe, wird es schwierig sein, das Gegentheil, zwar zu behaupten,
aber nicht zu beweisen. Der Unterschied dieser zwei Laute wird erst
dann merklich werden, wenn der Aussprechende darauf aufmerksam
gemacht worden ist, und sich einige Male in der Aussprache der beiden
Wörter geübt hat (ohne einige Versuche ä la Holzhacker wird es für
manchen Schüler kaum gehen); — leichter wird es mit der Aussprache
von „im Lande Gosen kosen sie," sein. — Aus dem Französischen
führe ich einige Wörter an, die leicht in der Aussprache verwechselt werden :
gage, cage; gland, clan (schottisches Wort); glose, („schwer zu er-
klärendes Wort"), close; gout, coup ; grager (mit dem Maniok -Reib-
Eisen zerreiben), cracher; grain, crin [crinis); gris, cri (quiritare);
grosse, crasse (beide von crassus); ongle, oncle. — Einige Sätze zur
Illustration: II a deux oncles (ongles) qui <mt toujours mal ä la tete.
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65
II Im a dontU un bon coup (goöt) de bäton. Vagriculteur shme le
grain (crin). Cette annee il y avait beaucoup de glands (dam) dans
la foret. Que cette femme est grosse (crasse)!
Zum leidigen * als Schluss ! Sehr lehrreich ist, was Dr. Rumpelt
über den s- Laut 3agt, jedoch kann ich hier nicht Alles anführen, da
sonst mein Gegenstand noch einige weitere Seiten in Anspruch nehmen
würde, uud ich befürchte, dass der Andrang der Schreibenden ein
grosser sein wird. Beiläufig empfehle ich allen Kollegen den Artikel
über 8 (p. 69) nachzulesen. Ueberhaupt bietet das Buch, das in Halle,
im Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses erschienen ist, für
Linguisten vieles, sehr schätzenswertbes und die Sprach - Wissenschaft
wesentlich förderndes Material.
Dr. Kumpelt: „Hinsichtlich dieser jetzt üblichen Aussprache des
Buchstabens s in Deutschland sei Folgendes bemerkt: Anlautend
wird derselbe vor Vokalen in ganz Norddeutschland als f gesprochen
(d. h. weich, oder milde), also fand, ßlber, fonne, ßn (filius), fauer, fer
(valde)) ebenso in Holland, nur dass hier der Laut auch graphisch
fixirt wurde: zand, zilver, zon. In ganz Süddeutschland dagegen gilt s,
also wie bei den Engländern und den romanischen Völkern, so dass die
obigen Beispiele: sand, silber {s = scharfes s) lauten. — Was den
Inlaut betrifft, so gilt hier vor Vokalen in Norddeutschland durchweg
der milde Laut^), alsoi2o/e, leife, Haifa in Süddeutschland gilt vielfach
hier auch der harte Laut, doch vermag ich dabei keine landschaftliche
Grenze anzugeben1; in manchen Tbeilen Mitteldeutschlands tritt ein schwan-
kender Laut ein. Vor Konsonanten (p, t) wird inlautend im ganzen Norden
und auch im Südosten reines s gesprochen, also Last, Fest, ist, Kost.11
Nach meiner Erfahrung ist die Aussprache des s am Anfange der
Wörter vor Vokalen hier zu Lande und noch weiter südlich sehr
schwankend: bald hört man den scharfen, bald den milden Laut;
manchmal ein widerliches Zischen. Bei der Aussprache des Französischen
wird der Unterschied am merklichsten; nur sehr wenig Schüler sind
im Staude scharfes * am Anfange eines Wortes vor Vokalen richtig
auszusprechen, wodurch dann oft sehr ungereimte Begriffsverbindungen
entstehen. Ganz besonders ist dies bei der Bindung der Wörter der
Fall. — Nous avons, nous savons; vous avez , vous savez; ils ont,
ils sont; les arts, les Czars (cz — s habe ich in Frankreich t heil weise
aussprechen hören); les o, les eaux, les sots\ les Honneurs, les son-
neurs; les o», les sauces; les ondes, les sondes; les ours, les sources;
baiser, baisser ; poison, poisson.
Auf die sonstigen Fehler, die bei der Aussprache des Französischen
noch gemacht werden, gehe ich nicht näher ein, da das Deutsche keine Ana-
logie mehr bietet; was das Englische anbelangt, so hielt ich es für zweck-
mässiger, mit demselben und dem Deutschen keinen Vergleich anzustellen.
Blätter L d. b*yar. QymiMuialw. X. Jahrg. 5
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66
Nachdem ich nun auf die Hauptfehler bei der Aussprache des
Deutschen aufmerksam gemacht, und die sich daraus nothwendiger
Weise ergebenden Konsequenzen für den fremdsprachlichen Unterricht
nachgewiesen habe, gehe ich auf den Ursprung des Uebels zurück,
das in der Elementarschule seinen Sitz bat. Sie ist es, welche die
Grundlage zur richtigen Aussprache legen muss: dass dies jetzt noch
in geringem Massstabe geschieht, wird uns durch unsere Schüler am
deutlichsten bewiesen. So lange in der Elementarschule nicht mit
aller Macht der schlechten Aussprache des Deutschen entgegengetreten
wird, haben wir eine sehr schwierige Aufgabe; doch kann dem Uebel
einigermassen dadurch gesteuert werden, dass alle Kollegen an unsern
Anstalten, vor allem aber die Realicnlebrer, ihr Scherflein zur Hebung
einer erträglichen Aussprache im Deutschen beitragen, damit unsere
jungen Leute, in der Schule wenigstens, anderwärts mögen sie reden
wie ihnen der 8chnabel gewachsen ist, es dahin bringen, ein lautlich
reines Deutsch, wenn auch oft in unbeholfener Satzverbindung, sprechen.
Dass dann der Unterricht in den fremden Sprachen gefördert, uns
manche Stunde, die wir auf fortwährendes Korrijiren der vitiösen Aus-
sprache verwenden mQssen , erspart wird — dass in Folge dessen die
gewonnene Zeit, die wir so nötlüg haben, da unser Pensum, wie alle
andern, ein sehr grosses ist, besser verwerthet werden kann, brauche
ich kaum zu erwähnen. Schliessslich arbeiten wir ja doch nur für das
bessere Gedeihen unserer Schulen, wenn wir, Einer dem Andern, so
viel als möglich in die Hand arbeiten.
Speyer. Dr. Dreser.
Zum Foueaulfschen Pendelversuche.
Unter diesem Titel bringt Herr Collega Dr. Bielmayr in dem 8.
und 9. Hefte des 10. Bandes unserer Vereins - Blätter eineu Artikel,
in welchem behauptet und nachgewiesen wird, dass die in mehreren
Lehrbüchern aufgenommene elementare Ableitung des Ablenkungs-
winkels des Foucault'schen Pendels als auf unrichtigen Voraussetzungen
beruhend nicht den berechtigten Anforderungen entspräche, und gelangt
zu dem Urtheile, dass der elementare Beweis für die betreffende Formel
aus dem Unterrichte auszuschliessen sei- So gerne ich mich damit
einverstanden erkläre, dass überhaupt jeder unklare Beweis und jede
unhaltbare Theorie vom Unterrichte ferne gehalten werden solle, so
halte ich es in dem gegebenen Falle dennoch nicht für geboten, dass
das von Dr. B. gefällte Urtheil vollzogen werde, und ich befreunde
mich um so weniger mit dem Vollzuge, als ich vielmehr die Ueber-
zeugung trage, dass dann auch noch eine Reihe anderer Beweise und
Darstellungen, die wir in dem elementaren Unterrichte der Mathematik
und Physik nicht gerne vermissen würden, dasselbe Urtheil treffen
müsse. Ich erinnere in dieser Beziehung nur an die elementare Com-
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planation und Cnbatur der Kagel, an die Fall • und Wurfgesetze, an die
elementare Entwicklung der Schwingungsdauer des mathematischen
Pendels u a. Es lassen sich allerdings diese Aufgaben nicht in jeder
Beziehung mit dem Foucault'schen Pendelversuche vergleichen , aber
sie stimmen doch in dem einen Punkte damit überein, dass wir uns
bei denselben Voraussetzungen erlauben, die in der Wirklichkeit nicht
bestehen, so dass wir gegenüber den Ergebnissen der elementaren
Ableitungen kaum den Verdacht des Mangels an Genauigkeit und
mathematischer Strenge unterdrücken könnten , wenn uns nicht für die
bezügliche Richtigkeit derselben die höhere Mathematik die evidentesten
Beweise liefern würde.
Und nun zur Sache- Ich möchte in dem Folgenden gegenüber dem
Urtheile des Hrn. Dr. B. darlegen, dass die elementare Ableitung der
Gleichung /* = «nintp für das F. P. sich in demselben Grade evident und
streng führen lasse als diejenige bei den oben bezeichneten Aufgaben,
und bemerke vor allem nur, dass ich den jenseits beanstandeten Paralle-
lismus der Schwingungsebenen ebenfalls als gänzlich fehlerhaft verwerfe.
Gesetzt, es werde das Pendel aus der Ruhe -Lage gebracht, und
zwar so, dass die erste Schwingung die Richtung xy annimmt, so wird,
wenn der Aufhängepunkt während der ersten Schwingung von a nach b
bewegt wird, das Pendel resp die horizontale Tangente der Gegen-
schwingung die Richtung yz anneh.uen, und während der folgenden
Schwingung, indem der Aufhängepunkt von b nach c vorrückt, die
Richtung zu u. s. f., wobei vorausgesetzt wird, dass aom einen Theil der
auf die Horizontalebene von a abgewickelten Kegelfläche vorstellt,
welche die Verbindungslinie ao zwischen dem Aufhängepunkte a und
dem Durchschnitte des Horizontes mit der verlängerten Erdaxe während
einer vollständigen Umdrehung beschreibt Die Schwingungsrichtungen
des Pendels lassen sich also durch die Zickzacklinie xyzu .... dar-
die Geraden xy und zu.
Hiernach gestaltet sich die elementare Ableitung der Gleichung
für das F. P. etwa in der folgenden Fassung. Es seien ay || cu die
stellen , deren Schwer-
linien als senkrechte
Gerade zur Ebene der
abgewickelten Kegel-
fläche parallel sein
müssen. Hieraus folgt,
dass je zwei Schwing-
ungs - Richtungen nach
Ausschluss der Gegen-
schwingun ebenfalls pa-
rallel sind, in der Figur
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Richtungen der Tangenten zu zwei aufeinander folgenden Pendel-
schwingungen; dann gibt offenbar die Differenz der Winkel
ocu — oay — aoc ß.
die in der Ebene aom nachweisbare Ablenkung der Schwingungsrichtung.
Man erhält also durch Multiplikation mit der Anzahl der während einer
vollkommenen Umdrehung des AulhängepunkteR stattfindenden Pendel-
Schwingungen einerseits als Summe aller Bogen ac den abgewickelten
Parallelkreis, anderseits als Gesammtablenkung den Winkel der abge-
wickelten Kegelfläche. Bezeichnen wir den Halbmesser des Parallel-
kreises mit q und die übrigen Grössen mit Rücksicht auf die Figur,
so ergibt sich der Ablenkungs - Winkel des Pendels bei Annahme einer
24 stti ml igen Beobacbtungszeit aus der Gleichung:
ß _ 2 p 71 Q
Gleichung ß = 360° sin <p folgt Nach dieser Ableitung erweist sich
die Azimutbewegung des Foucault'schen Pendels als eine Summe von
kleinen Ablenkungen, die nicht etwa annäherungsweise, sondern voll-
kommen genau den Winkel der mehrfach erwähnten Kegelfläche bildet.
Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses, mittelbar also auch für die
Zolässigkeit des bei der Ableitung angewandten Verfahrens sprechen
merkwürdiger Weise auch die von Dr. B. erkannten aber nicht gelösten
Widersprüche zwischen dem von Hullmann ebenfalls ausgesprochenen
Satze bezüglich der Azimutgeschwindigkeit des F. P. und den Folger-
ungen aus der von demselben angegebenen Gleichung
sin rt sin q>
sin ß —
^Xl — *in* 2 <p sin ~
von welcher mir Hr. Rector Dr. Fricdleir. seine einfache Ableitung
gütigU mitgetbeilt hat. Schon bei oberflächlicher Discussion erweist
sich diese Gleichung als unbrauchbar, wenn man « == 180° setzt. Dies
gilt ohne Ausnahme für alle Orte zwischen Pol und Aequator, und nur
ausnahmsweise, ich möchte sagen, zufällig, nicht für den Pol selbst.
Zudem ist es klar, dass die Gleichung, wenn man darin nach und nach
a = 90°, 60° und 30° setzt, bei beispielsweise gleichbleibendem <p = 30°
verschiedene Ablenkungsgeschwindigkeiten geben muss, Geschwindig-
keiten, die sich jener aus der Gleichung ß — « sin y um so mehr
nähern, je kleiner « genommen wird. Unter obiger Voraussetzung
berechnet sich z. B. die 9tündliche Ablenkung bei a — 90° auf ß = 6° 32'
„ « = 6(1° /J=6°46'
„ « = 30« „ ß-V 17,'
während sich aus der einfachen Formel der Grenzwerth von 7° 301
berechnet. Es zeigt sich also, dass die Formel für sin ß bei unver-
änderlichem;©; verschiedene Ablenkungs - Geschwindigkeiten gibt, je nach-
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69
dem der Versuch auf kürzere oder längere Zeit ausgedehnt wird, was
doch gewiss als absurd erscheint; zugleich aber auch, dass die Grenze
der constanten Ablenkungsgeschwindigkeit uur unter der Bedingung aus
der Formel hervorgeht, dass der Winkel a verschwindend klein genom-
men wird. Ist dieses nicht der Fall, so erkennen wir zunächst aus
der Rechnung, dass sich der aus der Gleichung für sin ß ergebende
Winkel dem ebenen Winkel aoc nähert (ac als Sehne des Parallelkreis-
bogens genommen), und erst bei unendlicher Verkleinerung des Parallel-
kreisbogens ac dem Kegelflächenelemente über demselben Damit
dürften sich denn auch die von Dr. B. angedeuteten Widersprüche
gelöst haben, und es rechtfertigt sich die Vermuthung, dass die von
Hullmann ausgeführte mir zur Stunde nicht bekannte Ableitung der
Formel für «in ß, der die Bewegung des Aufbängepunktes des Pendels in
2 zu einander normale Drehungen zerlegt, an die Bedingung geknüpft
ist, dass der Ablenkungswinkel des Pendels dadurch entsteht, dass der
Aufhängepunkt in der Sehne und nicht in dem Bogen 06 sich bewegt.
Es erübrigt mir noch einigen Bedenken vorzubauen, zu welchen
meine Ableitung der einfachen Formel Anlass geben könnte, und die in
Dr. B.'s Artikel zum Theil bereits ausgesprochen sind. Die Ableituug
wurde vorgenommen unter der Voraussetzung der vollkommenen Kugel-
gestalt der Erde und der Unveränderlichkeit der Rotationsgeschwindig-
keit des in verschiedeuen Breiten schwingenden Pendels. Nachdem
Dr. B. nichts gegen die erste Voraussetzung einzuwenden scheint, so
erlaube ich mir nur die Zulässigkeit der zweiten Annahme besonders
zu betonen. Zunächst wird man annehmen dürfen, dass die Differenzen
der Rotationsgeschwindigkeiten des Pendels verschwindend klein sind,
weil man das Pendel so kurz annehmen kann, dass der während der
Schwingung durchlaufene Bogen ac beliebig klein ausfällt; denn die
bei dem Foucault'schen Versuche aussergewöhnliche Pendellänge bleibt
hier ausser Betracht, weil diese Länge nicht durch die Theorie bean-
sprucht wird, sondern nur wegen des praktischen Vortheiles, die unver-
meidlichen Widerstände bei den Schwingungen möglichst zu beseiügen.
Abgesehen davon wird man jene Differenzen vorzugsweise da in Betracht
zu ziehen haben, wo deren Einfluss auf die Richtung des schwingenden
Pendels am bedeutendsten ist. Dieses ist aber unstreitig am Pole der
Fall und zwar in der Art, dass, wie Dr. B. ganz richtig anführt, jene
Aenderungen bei hinreichender Länge des Pendels zuerst elliptische
und später sogar kreisförmige Centrifugalschwingungen erzeugen würden.
Da wir, um eine derartige Abweichung hervorzubringen, nicht mit dem
Meter, sondern nach Mondfernen zu messen hätten, so scheint Dr. B.
geneigt, auch von dieser Abweichung am Pole Umgang nehmen zu
wollen. Aber, warum soll man denn von derselben nicht auch Umgang
nehmen, wenn es sich um Orte handelt, die zwischen Pol und Aequator
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ocu — oay — aoc =: ß.
die in der Ebene aom nachweisbare Ablenkung der Schwingungsrid
Man erhält also durch Multiplikation mit der Anzahl der wahrend
vollkommenen Umdrehung des Authäogepunktes stattfindenden l»i
Schwingungen einerseits als Summe aller Bogen ac den abgewic
Parallelkreis, anderseits als Gesammtablenkung den Winkel der
wickelten Kegelflache. Bezeichnen wir den Halbmesser des Pa
kreises mit g und die übrigen Grössen mit Rücksicht auf die
so ergibt sich der Ablenkungs - Winkel des Pendels bei Annahme
24stündigen Beobachtungszeit aus der Gleichung:
ß 2 q n q
360 ~~ 2~ao n ~ ^ = 8in V» woraua die
Gleichung ß - 360° sin <p folgt Nach dieser Ableitung erweis
die Azimutbewegung des Foucault'schen Pendels als eine Summ
kleinen Ablenkungen, die nicht etwa annäherungsweise, sondern
kommen genau den Winkel der mehrfach erwähnten Kegelfläche
Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses, mittelbar alBo auch I
Zulässigkeit des bei der Ableitung angewandten Verfahrens ipi
merkwürdigerweise auch die von Dr. B. erkannten aber nicht p
Widersprüche zwischen dem von Hullmann ebenfalls auagespr
batze bezüglich der Azimutgeschwindigkeit des P, P. und de.,
ungen aus der von demselben angegebenen Gleichung
sin ß — **n a *»'» <P
\A - *in* 2 <p »in l4'
von welcher mir Hr. Rector Dr. Friedleir. seine einfach
gü.igU mitgetheilt hat. Schon bei oberflächlicher Disc
sich diese Gleichung als unbrauchbar, wenn man « = |S
gilt ohne Ausnahme für alle Orte zwischen Pol und A«
ausnahmsweise, ich möchte sagen, zufällig, nicht I
'Ü8,finS ? da8S ^ GI*ichu^ «»» n,an ,1
« = «1». 60" und :W setzt, bei beispielsweise gleic
versrh.edene Ablenkungsgeechwindigkeiten gebe,
koite,,, die sich jener aus der Gleichung \
nahem, Je kleiner « genommen wird, ünte —
berechnet sich z. B. die stündliche Ablenkung b-
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en Schulen und Kreise ist aus der
n zu ersehen.
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liegen, da dort deren Grösse und Einfluss doch mehr and mehr
abnimmt, je* mehr mau sich dem Aequator nähert?
Wenn Dr. B. mit den von ihm genannten Autoren behauptet, dass
die Entwicklung der Gleichung für die Ablenkung des F. P nur durch
die höhere Mathematik ausführbar sei, so hat derselbe vollkommen
recht, soferne er zugleich die Anforderung stellt, dass alle die oben
berührten Abweichungen in Folge secundärer Wirkungen in Rechnung
gezogen werden müssen, weil sie unter allen Verhältnissen einen
bemerkbaren Einfluss auf das Ergcbniss des Experimentes ausüben
würden. Sind aber diese Einflüsse von der Art, dass sie in allen uns
zugänglichen Verhältnissen durch die unvermeidlichen Fehler der
Instrumente und der Beobachtung selbst überwogen werden, so scheint
es mir durchaus nicht unzukömmlich , eine so interessante und für die
Wissenschaft so ruhmvolle Entdeckung, wie das Foucault'sche Pendel,
von dem Nimbus der höheren Mathematik entkleidet auch den
gelehrten Mittelschulen zugänglich zu machen.
Kempten. Schelle.
Zu LIt: VII, 5, 2.
Capit consilium rudis quidem atque agrestis animi et, quamquam
non civilis exempli, tarnen pietate laudabile, möchte ich at statt et
vorschlagen.
Um seinen Vater von der drohenden Gefahr zu befreien, geht der
junge Manlius, ohne dass es Jemaud weiss, in die Stadt, begibt sich
augenblicklich zu dem Hause des Tribunen, lässt sich anmelden, wird
zu ihm in sein Schlafzimmer geführt, zieht seinen Dolch und droht .
ihm, er werde ihn ermorden, wenn er ihm nicht schwöre, dass er
seinen Antrag zurückziehen wolle.
Vergleichen wir nun mit dieser Situation die citirte Stelle. Durch
et wäre offenbar rudis quidem atque agrestis animi und laudabile
verbunden. Da das Adjektiv eine Eigenschaft bezeichnet und der Qua-
litätscasus (Gen. oder Abi.) ebenso eine Eigenschaft ausdrückt, so können
sie natürlich mit einander verbunden sein. Also gegen die Verbindung
der beiden Begriffe kann man Nichts einwenden; nur können sie nicht
copulativ, sondern sie müssen unbedingt adversativ verbunden werden.
Dass zwischen beiden Begriffen ein direkter Gegensatz besteht, sagt nicht
blo8 der Gedanke, sondern auch das beigesetzte quidem. Der Gegensatz
ist also schon grammatisch durch die Sprache ausgedrückt. Laudabile
bildet offenbar einen doppelten Gegensatz: einmal zu rudis quidem
atque agrestis animi, angedeutet durch quidem — at; dann zu civilis
exempli, bezeichnet durch quamquam - tarnen. Et halte ich für unmöglich.
Geist.
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Die bayerischen Gewerbschulen pro 1874/75.
L Im Nachfolgenden geben wir eine übersichtliche Zusammen-
stellung des Standes der bayerischen Gewerbschulen bei Beginn des
Schuljahres 1874 75. Nach dieser Uebersicht , für welche uns die
Notizen durch die Freundlichkeit der k. Rektorate zugegangen sind,
zählt Mayoni im Ganzen 39 Gewerbschulen, nämlich
in Oberbayern 4 in Oberfranken 4
in Niederbayern 3 in Mittelfranken 7
in der Pfalz 5 in ünterfranken 5
in der Obperpfalz 4 in Schwaben 7.
Von diesen 39 Schulen sind 2, Neumarkt und Eichstätt, welche
erst mit dem laufenden Schuljahre in's Leben traten, und Kissingen
noch nicht vollständige dreikursige Anstalten.
Es wirken an den Gewerbschulen im Ganzen 357 ordentliche
Lehrer und Lehramtsverweser, sodann 193 Hilfslehrer und Assistenten,
so dass sich eine Gesammtzahl von 450 Lehrkräften ergiebt.
Neben der gewerblichen Abteilung haben
22 Schulen eine Handels- Abteilung,
2 Schulen eine landwirtschaftliche Abteilung,
2 Schulrn eine mechanische Abteilung,
1 Schule eine baugewerkliche Abteilung und
9 Schulen einen Vorbereitungskurs.
Ausserdem bestehen an mehreren Anstalten Fortbildungsschulen,
welche die Sonntagsschule vertreten.
Die Gesammtzahl der Schüler beträgt 5321; bievon kommen
2512 auf den gemeinschaftlichen I. Kurs der gewerblichen und
Handels - Abteilung,
1420 auf den II. und III. Kurs der gewerblichen Abteilung,
(952 — II. K. 468 — III K.)
725 auf den II. und III. Kurs der Handels - Abteilung,
(525-11 K. 200-111 K.)
28 auf die landwirtschaftliche Abteilung,
31 auf die mechanische Abteilung,
83 auf die baugewerkliche Abteilung,
136 auf Hospitanten der gewerblichen und Handels -Abteilung,
386 auf den Vorbereitungskurs.
Die Verteilung auf die einzelnen Schulen und Kreise ist aus der
nachstehenden Tabelle des Näheren zu ersehen.
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72
TS 11 m
me
2 a. 3.
Schalerzahl der abrigen
Abteilangen.
Vorschule 39
Vorschale 34
Landw. Abtlg. 9
Vorsch. 74, ldw. Abtlg.19
Vorschule 65
Vorschule 51
Vorschule 26
Vorschule 24
| 2. Schalerzahl.
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1. Lehrerzahl.
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74
Der deutsche Unterricht In der 1. Lateinklasse.
Zu den wichtigsten Neuerungen, welche die Schulordnung vom
20. Aug. d. Js. gebracht hat, gehört die Errichtung eines 5. Kurses an
der Lateinschule, in welchem Knaben vom neunten Jahre an regel-
mässigen Vorunterricht in den Fächern der Lateinschule erhalten solleu.
Dieser Unterricht hat sich enge an die Anforderungen der 4. Klasse
der Volksschule anzuscbliessen und in innigem Zusammenhange mit
den Anforderungen der nächsten Klasse der Lateinschule zu stehen
Es ist klar, dass durch diese Einrichtung die Knaben unter der Leitung
eines Fachmannes tüchtiger für die Studienlaufbahn vorbereitet werden,
als das bisher der Fall sein konnte, da diese Vorbereitung häufig durch
mangelhaften Privat- oder sogenannten Vorunterricht von Berufenen
und Unberufenen gegeben wurde Aber nicht minder klar ist es, dass
jene Lehrer, welchen der Unterricht und die Erziehung dieser jungen
Anfänger anvertraut ist, ein schweres Stück Arbeit zn bewältigen
bähen. Denn die Erfahrung aller Jahre hat bewiesen, dass die Knaben
von der Volksschule leider nur zu häufig mangelhaft vorbereitet
in die Lateinschule (auch in die Gewerbe- und Präparandenschulen)
eintreten, arm an Begriffen und Anschauungen, verlegen im Ausdrucke
und mit sehr wenig Sinn für Ordnung und Disciplin. Diese betrübende
Wahrnehmung macht sich natürlich jetzt im Vergleiche zu den früheren
Jahren, wo der Eintritt vor dem vollendeten 10. Lebensjahre nicht
zulässig war, noch fühlbarer.
Wenn nun schon bisher von einsichtsvollen Pädagogen auf die
Leitung des Unterrichts und die Handhabung der Schulzucht in der
1. Lateinschule, als der grundlegenden und für die Folgezeit einfluss-
reichsten, das grösste Gewicht gelegt wurde, so gilt dieses selbstver-
ständlich in noch höherem Grade von der nunmehrigen I. Klasse.
Diesem Umstände gegenüber haben sich schon von verschiedenen
Seiten — und zwar nicht von solchen, welche der Lateinschule abge-
neigt sind oder blos dem Scheine nach urteilen — laute Zweifel
erhoben, ob „Philologen" im Stande seien, Knaben dieser Altersstufe
zu unterrichten und zu erziehen Man berief sich hiebei auf „die oft
gemachte Wahrnehmung, dass die gelehrten jungen Philologen weder
Lust noch Geschick hätten, mit den Anfangsgründen sich herumzu-
schlagen; dass sich die gelehrten Herren nicht darein finden könnten,
von der Höhe ihres Wissens herabzusteigen, sondern meist zu doktrinär
und deshalb den Kindern meist unverständlich wären. Dies aber
komme vorzugsweise daher, weil die Philologen zwar viele Kennntnisse
sich zu erwerben gehalten wären, in Bezug auf die Praxis der Schule
aber beim Antritte eines Lehramtss keine Vorbildung hätten". Daran
wurde sogar dio direkte Forderung gereicht, den Unterricht im Deutschen
— denn darauf beziehen sich namentlich jene „oft gemachten Wahr*
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nehmungen und Erfahrungen" und wo möglich auch im Rechnen
einem „praktisch gebildeten" Manne, einem Volksschullehrer zu
übertragen.
Diesen Zweifeln und Behauptungen gegenüber müssen wir nun
zwar einräumen , dass sie allerdings hier und dort als gerechtfertigt
erscheinen dürften, und dass gerade im Bezug auf den deutschen
Unterricht hier und dort vieles zu wünschen übrig ist. Denn es ist
richtig, dass zwar in den alten Sprachen die Wege durch die Erfahr-
ungen mehrerer Jahrhunderte nach allen Seiten geebnet sind, so dass
. der junge Lehrer nur dem erprobten Wege mit sicherem Auge für die
praktischen Bedürfnisse im Einzelnen zu folgen braucht; dass es aber
anders ist mit dem Uuterrichte im Deutschen: hier muss der Lehrer,
blos das vorgesteckte Ziel vor Augen , den eigenen Weg einschlagen
und die Mittel selbst schaffen, wie er seine Schüler zu einem Ziele
führen und bringen soll Gleichwol liegt die Möglichkeit, auch in
diesem Unterichtszweige dem jungen Lehrer gewisser Massen den Weg
zu ebnen und somit ihn in den Stand zu setzen, auch in diesem
wichtigen Zweige des Unterrichtes schon gleich von vorneherein im
Besitze einer festen und sicheren Methode Erspriesliches zu leisten,
nicht so ferne. Man gebe nämlich nur den Candidaten der Philologie
Gelegenheit (oder vielmehr lege ihnen die Verpflichtung auf) sich neben
ihrer theoretischen Ausbildung auch praktisch für das Lehrfach vorzu-
bereiten. Dies aber würde durch Errichtung einer praktischen Uebungs-
6cbule am Sitze der Universität ermöglicht, wo die angehenden Lehrer,
gleichwie dies bei den Seminarscbulen des Volksscbulwesens der Fall
ist, in Bezug auf die Methodik des Unterrichtes praktische Anleitungen
erhalten. Der junge Lehrer würde sich dann ungemein leichter in
der Schule zurecLt finden können , namentlich beim deutschen Unter-
richte, und wäre nicht der Gefahr ausgesetzt, erst durch jahrelanges
Experimentiren sich bestimmte Grundsätze für seine Methode zu bilden.
Dass aber dadurch sowol die Sache des Unterrichtes gefördert
würde als auch die oben berührten Zweifel und Klagen über die
mangelhafte Erteilung des deutscher. Unterrichtes an Knaben von neun
und zehn Jahren gründlich beseitigt würden, ist wol nicht in Abrede
zu stellen. Und im Interesse des Ansehens der Lateinschule wäre das
sehr dringend zu wünschen. Denn die Substituirung eines Nicht-
philologen schiene ein Unding Denn warum sollte sich nicht ein
„Philolog" bei seine«- wissenschaftlichen Durchbildung auch jene Ge-
wandtheit im Unterrichten und Erziehen neun- und zehnjähriger
Knaben verschaffen können, wie ein methodisch gebildeter Lehrer der
Volksschule? Ja, ich gehe noch weiter, und behaupte, dass gerade der
„Philolog" einzig und allein im Staude sei, Knaben dieser Altersstuffe
in methodischer und pädagogischer Beziehung in einer für »eine weitere
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Ausbildung entsprechenden Weise in die Bahn der Studien einzuführen
— wenn er die nötige Begabung und Umsicht besitzt; dass dagegen
ein Nichtphilologe, so tüchtig er auch sonst in seinem Wirkungskreise
sein mag, auf diesem Felde zu wirken nicht berufen ist. Für diese
Behauptung sprechen schon jene oben angedeuteten Mängel der in die
Lateinschule Neueintretenden. Ferner möchte ich einen weiteren
Gedanken zu erwägen geben, der mir nicht minder dafür zu sprechen
scheint, und der die eben ausgesprochene Behauptung so zu sagen
ex consecutione beweist. Ich führe nämlich die Worte eines auf
dem Gebiete der Pädagogik sehr bekannten und geachteteu Mannes an,
der mir über diesen Punkt wörtlich folgendes schrieb: „Ich bilde mir
immer ein, dass der Satz: .An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen'
— auf unsere Schulen die beste Anwendung findet. Wenn wir einen
Vergleich anstellen könnten zwischen Schülern, welche nach einer
bestimmten Zahl von Jahren an die Lateinschule gegangen und ein
Jahr bei uns , gesessen* sind, und solchen, welche dieses Jahr noch
an der Elementarschule zugebracht; ich glaube man dürfte alles darauf
wetten, dass diejenigen, welche dieses Jahr bei uns zugebracht , die
andern im Deutschen um ein Gutes überflügelt haben. Zu dieser Probe
wäre ich jederzeit bereit; so sicher vertraue ich auf den wirksameren
Unterricht bei uns. Mögen auch die philologischen Lehrer teilweise
viel zu wünschen übrig lassen — wie denn in der That die Verwendung
unerfahrener Lehrer in der I. Klasse zu beklagen ist - so thut hier
schon die ganze Einrichtung des Unterrichtes, die Verbindung mit
einer fremden Sprache, das Systematische und Geordnete in Methode
und Zucht das Ihrige." Die Grundlagen und Ziele des Unterrichts und
der Erziehung an der Lateinschule sind eben andere als an der Volks-
schule, und wie für das gedeihliche Wirken an dieser durch besondere
Uebungsschulen vorbereitet wird, so sollten auch für das gedeihliche
Wirken an jenen durch eigene Uebungsschulen die Candidaten der
Philologie vorbereitet und eingeübt werden
Straubing. Miller.
Zorn Lelirprogranim der Gewerbschulc für Trigonometrie.
An der Gewerbscbule sind laut Programm die Elemente der
Trigonometrie zu lehren, demnach Aufgaben nur über des rechtwinkelige
Dreieck zu lösen; alle anders eingekleideten Aufgaben sollen stets
auf rechtwinkelige Dreiecke direkt zurückgeführt werden, ohne Benützung
irgend welcher Formeln lösbar sein und gelöst werden. Aus diesem
Grunde ist von der Entwicklung goniometrischer Sätze Umgang zu
nehmen , dafür aber die Bedeutung und den Gebrauch der Funktionen
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an thunlichst viel Beispielen zu zeigen. Sollen nun diese Beispiele das
Interesse für die Sache stets rege erhalten, so dürfen sie sich nicht
lediglich um die rein geometrische Figur des Dreiecks oder selbst des
Vielecks bewegen, sie müssen aus allen Gebieten der Anwendung
gewählt werden. Eine reiche Abwechslung zu finden, ist auch nicht
schwer. Wenn aber solche Aufgaben nicht immer die einfachsten
Lfigenverhältnisse von Strecken in ihren Bedingungen enthalten und
dadurch wieder eintönig werden Rollen, so liegt es im Wesen derselben,
sie meist auf verschiedenen Wegen lösen zu können. Die Endresultate
sind dann zuweilen in der Form verschieden und ihre Identität ist nur
durch goniometrische Gleichungen zu erweiRen.
Dieser Missstand trat mir zum ersten Male praktisch entgegen,
als ich den Schalern die bekannte Anfgabe zu lösen gab, die Höhe
einer Wolke zu bestimmen aus der Höhe h eines Hügels oder Tburmcs
über einem See, dem Elevationswinkcl a der Wolke und dem Depressions-
winkel ß des Spiegelbildes derselben. Die Aufgabe ist gerade im Sinne
obigen Lebrprogrammes sehr geeignet, zu zeigen, wie man auf ver-
schiedene Weise rechtwinkelige Dreiecke herstellen, trigonometrische
Funktionen einführen kann. Man gelangt nun beispielsweise hier auf
zwei Wegen zum Ausdrucke h. K - * auf einem dritten zu
tg ß — tg «'
h. + Die drei Lösungen sind gleich einfach, kurz, direct
sin (p — «) 6 6 '
zum angegebenen Ziele führend und sollten meiner ücberzeugung
gemäss, desshalb den Schülern nicht vorenthalten werden. Wird die
Aufgabe im Unterricht bearbeitet, so müssen doch die Schüler auf diese
verschiedenen Wege aufmerksam gemacht werden und damit nothwendig
auch auf die verschiedenen Resultate ; Ifisst man die Arbeit als Haus-
aufgabe oder Probearbeit fertigen, so ergibt sich bei einem Theil der
Schüler ohnehin von selbst eine andere Lösung als bei den übrigen;
jedenfalls muss dem Schüler gezeigt werden, wie die eine Lösung in
die andere übergeht, warum sie nur in der Form verschieden sind.
Dazu sind aber die goniometrischen Funktionen der Summe und Differenz
zweier Winkel nöthig, etwas ausserhalb des Programmes Liegendes,
hie und da eben dess wegen geradezu Verpöntes.
Es sei ferne von mir, etwa einer Erweiterung des Lehrstoffes das
Wort reden zu wollen ; bei der Uebcrfülle, dem Vielerlei, worunter wir
mit den Schülern leiden, wäre dies wahrlich unverantwortlich. Ich
möchte nur dem Lehrer das Recht gegen den Buchstaben gewahrt
wissen, als Excurs eine derartige Entwicklung durchführen zu dürfen,
ohne dass der Schüler die Resultate als solche sich zu merken hätte.
Bei der geringen Zeit, die auf Trigonometrie verwendet werden kann,
haben wir ja keine Gelegenheit, diese Gleichungen durch den Gebrauch
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einzuüben, sie worden als todter Formelkram dem Gedächtniss eingeprägt ;
dass dieses Schlimmste bei Aufnahme der Goniometrie in das Lehr-
programm heraufbeschworen worden wäre, das ist nicht zu verkennen.
Jedoch ergibt sich die Grundlage der Goniometrie, die im oben ange-
führten Falle genügt und aus welcher ertorderlichen Falles Ableitungen
als vorübergehende Uebungsbeispiele zu zeigen \>äreu, auch so einfach,
so naturgeraäss und zwingend Man darf nur mit Pfaff („Die ebene
Trigonometrie" Erlangen, Deichert; als Schulprogramm in Broschüren-
form nur wenige Seiten umfassend) die ganze trigonometrische Drei-
eckslehre als die algebraische Aufgabe auffassen, aus 3 Gleichungen
3 Unbekannte zu bestimmen. Zwischen den Seiten und Winkeln des
Dreiecks ergeben sich durch Projection je zweier Seiten auf die dritte
jene 3 Gleichungen. Hier muss nun die Frage auftauchen, wie sich
der scheinbare Widerspruch zwischen Algebra und Geometrie löst,
der entsteht, wenn die 3 Winkel gegeben, die 3 Seiten zu suchen sind.
Und damit ist dann die oben geforderte Grundlage gewonnen, ohne ein
neues Gebiet betreten zu müssen, gerade als notwendiger Abschluss
des betretenen.
Diese kurze Notiz soll andeuten, wie manchmal über das gegebene
Programm hinaus kurze Abschweifungen nötuig werden. Wenn aber
das Programm für den Lehrer absolut bindend sein soll, so kann dies
bei aller sonstigen innern Güte desselben auch im betreifenden Punkte
doch der Sache seihst Eintrag thun.
Augsburg. Rudel.
Bibliotheca philologica classica. Verzeichniss der auf dem Gebiete
der classischen Alterthumswissenschaft erschienenen Bücher, Zeitschriften.
Dissertationen, Programm -Abhandlungen, Aufsätze in Zeitschriften und
Hecensionen. Beiblatt zu dem Jahresberichte über die Fortschritte der
classischen Alterthumswissenschaft von Conr. Bursian. 1874 1. Semester,
gr. 8. (88 S .) Berlin 1874, Calvary & Co. Einzelpreis Mark 2.
Die bekannte Verlagshandlung von Calvary & Co. hat sich ent-
schlossen, der neuen von Bursian geleiteten Zeitschrift über die Fort-
schritte der classischen Alterthumswissenscbaft eine bibliotheca philo-
logica beizugeben, die, sonst der von W. Müldener bearbeiteten ähnelnd,
vor dieser den Vorteil voraus hat, dass sie die Recensionen über die
in ihr verzeichneten Bücher mitteilt. Begrüssen wir auch das neue
Unternehmen mit lebhafter Freude, so kann uns das natürlich nicht
abhalten, offen die vielfachen Mängel und Versehen des vorliegenden
Heftes etwas näher zu beleuchten, in der Hoffnung, dass in der Folge
der Bearbeiter auf die Zusammenstellung der künftigen Bändchen eine
grössere Sorgfalt und Akkuratesse verwenden werde.
Wir können zunächst der bibliotheca den Vorwurf bedeutender
lnconsequenzen nicht ersparen. Wurde einmal bei Angabe der Recen-
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sionen der Verfasser derselben genannt, weshalb geschah es nicht
durchweg? Es scheint, als habe der Verfasser hier seinem Belieben
völlig freien Lauf gelassen. Bekanntlich sind die Recensionen in der
Jenaer Literaturseitang regelmässig mit dem Namen des Recensenten
versehen; der Verfasser der bibliotheca aber nennt denselben bald,
bald nicht. Es fehlen z. B., um nur einige wenige Beispiele anzu-
führen, S. 12 die Namen von Joh. Oberdick (Aeschylus von Timm) nnd
Alfr. Eberhard (Apollodor von Hercher). Dasselbe findet bei anderen
Zeitschriften statt. Ab und zu sind auch die Angaben weder genau
noch vollständig. So hat E. Bährens nur Band 2 der madvig'schen
Adversaria recensiort. Celsus' wahres Wort von Keim ist ausser den
angeführten Recensionen noch besprochen von lloltzmann in Sybels
bistor. Zeitschrift XVI S 1 — 12 und von J. J. M(üllcr) im philolog.
Anzeiger VI 2. M. Hertz' Abhandlung über Ammianus Marcellinus
zeigte Wölfflin in der Jenaer Literaturzeitung n. 23 an. Nicht selten
sind noch Schriften des Jahres 1873, augenscheinlich der erst später
erschienenen Besprechungen halber (mehrfach freilich auch ohne jeden
ersichtlichen Grund), verzeichnet; nach welchem Principe aber dabei
verfahren wurde, ist uns unklar, wenigstens ist nur ein kleiner Bruch-
teil derselben registriert worden. Eine ähnliche Inconsequenz zeigt
sich auch bei den Sammelwerken. Bisweilen ist, wie bei Krügers
kritischen Analekten S. 7, der Inhalt genau notiert, bei anderen fehlt
diese wünschenswerte Angabe ganz: man vergleiche nur S. 7 (Lösch-
horn), S. 15 (Dissertationes), S. 80 (Baer) u. a.
Die eigentliche bibliographische Akribie fehlt dem Unternehmen
noch in hoiieni Grade. So werden S. 28 beide Abhandlungen über
Ammian Adolph Kiessling zugeschrieben, obwol die letztere von Gustav
Kiessling herrührt. S 11 lesen wir T (für F) K. Hertlein, S. 13 A.
(für R), S. 32 S (für Jul.) Arnoldt, S. 14 B (für Rud ) Schmidt, S. 16
J. (statt Otto) Carnuth, S. 21 A. Ludwig (für Ludwich ) und Dechert
(für Dechent), S. 23 C. (für Emil) Schnippel, S.33 E. (für Ad.) Eussner,
S. 36 C. (für Emil) Bährens und C. (statt Ed ) Wölfflin. Delbrücks
Recension des lexicon etymologicum von Zehetmayr ist in No.,15 nicht
21 der Jenaer Literaturzeitung abgedruckt, die von Hertz über Occioni's
literarische Dilettanten nicht in No 21 , sondern 30. Der Verfasser
von „Ein Missverständniss des» Tacitus;< heisst Kaufmann nicht Kau finan.
Den Lucrez zu edieren begann Bockemüller nicht Bockmüller. S. 50
ist Savelsberg nicht Savesberg zu lesen. S. 51 fehlt bei Schröter die
Bezeichnung des Druckortes, und ebenda ist Trnsta nicLt Trusta die
Chiffre eines Pseudonvmus. Menge's Programm de auetoribus cominen-
tariorum de bello civtli qui Caesaris nomine feruntur besprach nicht
Hertz, sondern Hartz. Sauppe's Abhandlung Ober die Lebenszeit des
Lucrez ist unseres Wissens bis jetzt noch nicht gedruckt Meiser (S 23)
schrieb nicht über den Gorgias, sondern über den Kriton Piatons.
Käsebier, de Callimacbo umfasst nur 18 Seiten, S. 19- 32 enthalten
eine mathematische Abhandlung von Hütt. S. 44 ist gedruckt L.Meyer,
zur Harmonie des Tacitus: es ist natürlich Germania zu substituieren,
und ebenda wird Hirschfeld's Elogium des M' (nicht M ) Valerius Maximus
ohne Weiteres unter Valerius Maximus gesetzt. S. 6 » steht E Döhle,
Caesar und seine Zeitgenossen. Mnn ahnt kaum, dass damit, „S. Delorme,
Caesar u. s. Z. Eine Betrachtung der römischen Sitten gegen das
Ende der Republik, deutsch bearbeitet von Ed. Döhler" gemeint sein
könne. Ja, S. 16 wird eineMiscelle Ungers zum Panegyriker Eumenius
dem griechischen Autor Eumenes unterstellt. Lorey's Programm über
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die Schwierigkeiten der Anwendung de» griechischen Metrums auf die
lateinische Spruche ist nicht in Hannover, sondern in Hameln erschienen.
Auch in Betreff der rein bucbl.ändbrischen Seite df*r neuen Biblio-
thtca müssen wir den Bearbeiter iiitten, sich einer genaueren Sorgfalt
zu befleissigen. Es ist im höchsten Grude unangenehm, dass eine
grosse Anzahl kleiner Gelegenb< iisschriften hier oft zu bedeutend
höheren Preisen angesetzt sind , als bei den eigentlichen Verlegern.
So die Schrift C. Jacob) 's über Dionysius von Halic, Rebdantz' (S.2I)
de Ttntlyfitt vocabclo apud oratores atticos, Dinse's Beitrage zu Plutarcb,
Pohle's und Vollbrecht's Schriften über Xenophon, Wacbsmuth's de Zetwne
citiensi, l'rocksch's consecutio tetnporum bei Caesar, Schüssler's de
codice Curtii oxoniensi, A. Kinke's über Horaz, Bursian's emendatioties
hyginianae u. a. m.
Gera, Mitte November 1874. R. Kluszmann.
Hülfsbuch der Geschichte für Mittelschulen von Dr. Chr. Hutzel-
mann, kgl. Lehrer an der Gewerbschule zu Fürth. 2. Thlr. Nürnberg.
Verlag der Friedr. Korn'schen Buchhandlung. 1874
An Lehr- und Hülfsbüchern der Geschichte haben wir keinen
Mangel Es scheint vielmehr die Produktion derselben sich von Jahr
zu Jahr zu steigern Und mit der Zeit wird jeder Lehrer sich selbst
seinen Leitfaden schreiben. Ich will auf die mancherlei Gründe dieser
Erscheinung nicht naher eingehen. Es kann sie jeder ohne Mühe selbst
finden. Nur darauf will ich hinweisen, das* diese massenhafte Leit-
fadenproduetion , neben den schlechten, doch auch manche gute und
berechtigte Gründe hat. Es ist nämlich auch der beste Leitfaden nur
für einen bestimmten Kreis von Schulen tauglich. Sobald man ihn in
einem anderen Kreise anwendet, wird er zwar nicht absolut schlecht,
verliert aber eine grosse Anzahl seiner Vorzüge. So glaube ich z. B.,
dass es einen vortrefflichen Leitfaden für Lateinschulen geben kann,
der für Gewerbschulen durchaus unpraktisch ist. Denn es hat eben
jede Art von Schulen ihre besonderen Bedürfnisse Und ich glaube,
dass ein Lehrbuch der Geschichte für norddeutsche Schulen unüber-
trefflich sein kann , dem doch wesentliche Mäugel anhaften, sobald wir
es in Süddeutachland gebrauchen. Denn die Auswahl der Ereignisse
darf in beiden Fällen keineswegs die gleiche sein. Ich kann es des-
halb durchaus nicht tadeln, wenn man in jedem einzelnen deutschen
Lande sich besondere Lehrbücher zu schaffen sucht. Und ich wünsche
nur, dass wir für Bayern ebenso vortreffliche Bücher besässen, wie
deren Norddcutschland schon mehrere besitzt. — Aus einem Gefühle
des Mangels in dieser Richtung mag auch das vorliegende Buch ent-
standen sein. Aber wenn es auch manche Vorzüge hat, so können wir
ihm doch nicht nachrühmen, die bestehende Lücke schon ausgefüllt zu
haben. Der Verfasser war offenbar von dem lobenswerthen Streben
beseelt, den Geschichtsunterricht möglichst anschaulich und lebendig
zu machen. Er hat zu diesem Zweck eine grosse Anzahl von Notizen
beigezogen, die man in den gewöhnlichen Lehrbüchern zu vermissen
pflegt. Und er hat damit dem Lehrer manchen dankenswertben Wink
für seine weiteren Ausführungen gegeben. Man könnte zwar sagen,
solche Notizen, wie z. B. die über die ägyptischen Bauten (1. Th S. 17)
81
seien vom Lehrer mündlich zu geben. Allein ich halte es doch für
St, menn man sich mit den mündlichen Ausführungen an den Leit-
ion anschliessen kann, und ich bin deshalb für solche Dinge stets
dankbar Nur möchte in der Herbeiziehung dieser Notizen Dicht überall
das rechte Mass gehalten sein ; etwas Beschränkung hätte der Verfasser
sich auferlegen sollen. Oder was soll, um nur eines zu erwähnen, in
einem Hülfsbuch für Mittelschulen die Bemerkung, dass Aristoteles
der Schöpfer der Logik sei? — Ueberhaupt scheint mir, dass in der
Auswahl des Stoffes eine grössere Beschränkung hätte stattfinden sollen.
Auch in den grossgedruckten Partieen des Buches, die doch das Wichtigste
enthalten sollen, was der Schüler sich merken muss, findet sich
manches, was füglich hätte wegbleiben können, wenigstens wenn man
sich das Buch für Gewerbscbulcn bestimmt denkt. —
Der Verfasser war ferner bestrebt, sich möglichst kurz zu fassen,
in möglichst wenig Worten möglichst viel zu sagen. Und es ist ihm
das in einzelnen Partieen recht gut gelungen. Aber zuweilen hat er
sich durch das Streben nach Kürze verleiten lassen, auf die Correctheit
und Klarheit des Ausdrucks zu verzichten. Das sollte in einem für
die Hand der Schüler bestimmten Buche nicht der Fall sein. Ueber-
haupt darf da die Rücksicht auf die Kürze nicht zu weit getrieben werden.
Man darf da nicht Sätze bilden, wie „Nun Arbeit" (11,36) oder „Durch
Einwanderer macht sich fremder Einfluss geltend; pbönizischer Einfluss
sicher, ägyptischer unsicher, oder erst später " (1, 49) Das macht den
Eindruck, dass man das Concept des Lehrers vor sich hat, der sich für
seine mündlichen Ausführungen einige Notizen gemacht hat. Aber ein
Leitfaden, den die Schüler in die Hand bekommen, muss sorgfältiger
stilisirt sein. Störend war es mir noch, dass der Verfassser in den
erzählenden Partieen mit dem Präsens und Imperfectum ganz principlos
wechselt Man lese nur folgenden Satz: „Karls Abwesenheit veran-
lasste wiederholt einen furchtbaren Aufstand. 779 und 780 schlägt
er ihn nieder; viele licssen sich taufen; Sachsen nnd Slaven
erkennen Karl als Schiedsrichter an". —
Weiter auf einzelnes einzugeben, verbietet mir der mir zugemessene
Raum. Ich glaube, dass das Buch recht brauchbar werden wird, wenn
es der Verfasser noch einmal gründlich umarbeitet und mit Sorgfalt
darauf achtet, die einzelnen Abschnitte sowohl in Bezog auf Auswahl
des Stoffes, wie auf Stilisirung gleichmässiger zu gestalten. — Die dem
Buche beigegebenen Kärtchen sind nicht sehr gelungen. Die Verlags-
handlong möge sich die Karten ansehen, die dem Grundriss der Welt-
geschichte von Andrä (Kreuznach, Voigtländer) oeigegeben sind, dann
wird sie ein Muster dafür haben, wie derartige Beilagen beschaffen
sein müssen. —
Augsburg. J. Hans.
Q Eorati Flacci cartnina. Lucianus Mueller recognovit. Lipsiae
in aedibus B. G. Teubneri. MDCCCLXX1V. 2 Bl. & 362 S. kl. 8.
In geschmackvoller Ausstattung liegt die niedliche Ausgabe des
Horaz von Lucian Müller vor, deren ganze Erscheinung an die bei
S. Hirzel in Leipzig verlegten Ausgaben des Catullus, Tibullus und
Propertius, des Vergilius und des Horatius von M. Haupt oder an die
zierliche Ausgabe der cartnina amatoria des Ovidius, die L. Müller bei
Blätter f. d. b»yer. GymnMialw. XI. Jahrg. 6
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82
Gärtner in Berlin besorgt bat, erinnert Das Titelblatt ist mit einem
Stiebe nacb einem in der Solitudc bei St. Petersburg aufbewahrten
Sardonyx geschmückt, den L. M. auf den Rath des Archäologen
L. Stephani gewählt hat. Dem sauber gedruckten Texte folgen als
willkommene Zugabe C Suetoni Tranquilli vita Q. Horati Flacci,
ein Index der horaziseben Diebtungen nach den Anfangs worteu , dann
auf vier Seiti.u Schemata der Metra Horatiana und eudlich nach eiuer
kurzen Bemerkung des Herausgebers ein Verzeichniss, welches Doctorum
ex arbitriis not ata enthält.
Der Text ist im Ganzen nach der von L. M. in der Bibliotheca
Teubneriana 1869 besorgten Recognition wiedergegeben. Ausser den
dort bezeichneten Interpolationen in den Oden finden sich in der neuen
Ausgabe noch zwei Strophen nach Peerlkamps Vorgang athetiert, aem-
lich I, 22, 13 — 16, wo auch Meineke ein Einschiebsel annimmt, und
II, 4, 9 — 12. Von den in der früheren Aasgabe stehenden Kreuzen
der Kritik sind die I, 2, 21 der Vermuthung von Bäbrens iaeuisse
ferro statt aeuisse ferrum-, I, 12, 31 der von den Itali S XV gebotenen
Lesart di sie voluere statt cum 8. v.: III, 4, 10 der Emendation von
Bährens limina pergulae statt Urnen Apuliae gewichen, mit welcher sich
die von Göttling, Madvig und W. Herbst gefundene Aendernog limina
villulae nahe berührt Die übrigen Discrepanzen der neuen Recognition
von der früheren sind: I 6, 2 aliti nach Passerat statt alite\ 20, 10
tu Uqucs nacb G.Krüger statt tum bibes; 31, 9 Calenam nach Bentley
statt Calena', II 8, 3 unco turpior ungut nach Horkel statt uno\ 19, 24
horribtlisque nach Bentley statt horribilique ; III 4, 46 umbras nach
Bentley statt urbes\ 9, 9 regit Chloe nacb Peorlkamp statt Chloe regit ]
10, 8 duro nach Bentley statt puro; 16, 7 risisset nach Bentley statt
risissent] 19, 12 miscentor nacb Rutgers statt miscentur; 24 , 39 polo
nach einem ungenannten Urheber statt solo; 27, 41 quam porta nach
Sanadon statt quae p.; IV 1, 16 militiae signa feret tuae nach Meineke
statt signa feret militiae tuae; 10, 2 bruma nach Bentley statt pluma.
Eigene Aenderungen hat Müller nur HF 29, 7 contempnatur statt
contempleris ; IV 1, 9 in domu statt in domum (domo) und II, 28 Bel-
lerophonten statt Belleropfiontem neu in den Text gesetzt. Diese
wenigen Mittheilungen über das von L. Müller in den Oden befolgte
kritische Verfahren mögen als Probe genügen, mit welchem Tacte die
Textkritik überhaupt in dieser elegantesten Taschenausgabe des elegan-
testen römischen Dichters geübt worden ist.
E u s.8 n e r.
Ueber Syntax und Jstil des Tacitus Von A. Dräger. Zweite,
verbesserte Auflage. Leipzig, Druck und Verlag von B. G. Teubner.
1874. XV & 120 S. 8
Seit dem Erscheinen des ersten Heftes der „Untersuchungen über
den Sprachgebrauch der römischen Historiker" (Güstrow 1860) ist Dräger
unermüdlich auf dem Gebiete der lateinischen Syntax thätig gewesen,
indem er einerseits seine Studien in concentrischen Kreisen bis zu dem
Umfange erweiterte, dass sieb daraus das kühne, noch unvollendete
Werk einer „Historischen Syntax der lateinischen Sprache" gestaltete,
andrerseits dieselben innerhalb eines enger umgrenzten Gebietes zum
Abschlüsse brachte. Als Programm des Pädagogiums zu Putbas wurde
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83
1866 „die Syntax des Tacitus" herausgegeben; vervollständigt und
ergänzt erschien diese Arbeit 1868 als selbstständiges Buch „Leber
Syntax und Stil des Tacitus". Indem Referent dem Wunsche der
Redaction dieser Blätter entsprechend Ober die vor Kurzem erschienene
zweite Auflage dieses Werkes berichtet, darf er sich eines allgemeinen
Urtbeils tut halten, da Drägers Leistung nicht nur beim ersten Erscheinen
von der Kritik mit Beifall aufgenommen wurde, sondern inzwischen
auch durch den Erfolg sich in selteucr Weise bewährt hat, so dass eine
neue Autlage schon nach verhältoissmässig kurzer Zeit nötbig geworden
ist. Wenn der Verfasser dieselbe als eine verbesserte bezeichnet hat,
so kann er dies sowohl im Hinblick auf die Umarbeitung einzelner
Paragraphen des syntaktischen Theiles, als auch auf die aberall einge-
fügten Nachträge " und Veränderungeu begründen, welche nach der
Angabe des Verfassers nach Tausenden zählen. Dadurch ist auch der
Umfang der neuen Ausgabe gegenüber der ersten hei gleicher Aus-
stattung um ein volles Neuntel gewachsen. In dem zweiten Theile des
Buches, welcher den Stil des Tacitus behandelt, beträgt die Zahl der
Abweichungen von der ersten Ausgabe etwa hundert, welche zumeist
in kleineren Zusätzen, namentlich in nachgetragenen Beispielen bestehen.
Hiebei sind übrigens Aenderungen untergeordneter Art z.B. der Ortho-
Sraphie bei cum statt quum (aber nicht S. 100) nicht mitgerechnet,
lanche Abweichung der neuen Auflage ist auch durch Weglassung
einzelner Bemerkungen oder durch bestimmtere und vorsichtigere
Fassung derselben (vgl. S. 84, 86, 102, 103, 104) entstanden. Selten
war es nothwendig, ein Citat zu berichtigen; ein Mal ist ein richtiges
durch Auslassung irrig geworden, nemlich S. 102 sind die Worte
formam ac figurata nicht aus Germ., sondern aus Agr 46 entnommen.
Von den neu aufgenommenen Stelleo ist die aus Gell. XVI 11 (nicht 10),
3 S 87 hinter „dann u. s. w." zu setzen Eigentliche Irrthumer zu
berichtigen ist der Verfasser nur ausnahmsweise veranlasst gewesen,
wie wenn nunmehr S. 88 von der Anastrophe der Präpositionen gelehrt
wird, dass sie „in den kleinen Schriften und den Historien noch selten"
sei, während die erste Auflage S. 77 diesen Gebrauch den kleinen
Schriften abgesprochen und erst den Historien zugewiesen hatte. Während
die erste Auflage unter den Wörtern, die zuerst bei Tacitus vorkommen,
S 96 auch intectus (unbedeckt) und guggredi aufgenommen hatte, gibt
die neue Ausgabe S. 108 richtig an, dass sich dieselben schon bei
Sallustiub finden. Während früher S. 98 die Phrase flumen transcendere
ann. 4, 44 als <r//a£ slQnpivov bezeichnet war, werden jetzt S. 110 noch
weitere Beispiele derselben aus test. 5, 24 und Liv. epit. 105 angeführt.
Manche Aenderung ist durch neue Erscheinungen der Tacitusliteratur
z. B. S. 85, 100 und besonders (durch Wölfflins ausgezeichnete Jahres-
berichte im Philologus XXV, XXVI und XXVII) S. 116 hervorgerufen
worden; doch scheint die betreffende Specialliteratur von dem durch
umfassendere Studien beanspruchten Verfasser nicht vollständig ausge-
beutet zu sein
Münnerstadt. Adam Kussner.
Gymnasium und Gegenwart. Von Dr Martin Woblrab. Separat-
abdruck aus der II. Abth. der N. Jahrbücher für Philologie 1874. -
Der Verfasser beabsichtigt mit diesem, im wärmsten Interesse für
die Sache veröffentlichten Schriftchen eine Revision der für das
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höhere Scbulw eaen giltigen Principien und betrachtet dazu
das Gymnasium im 1. Theil in seiner Beziehung zu den andern höhern
Schulen, im 2. für sich. Die Vertiefung der mathematischen und
naturwissenschaftlichen Kenntnisse und ihre Anwendung auf das Leben,
sowie der gesteigerte Verkehr der Culturvölker haben nach dem Verfasser
Fachschulen und Realschulen, letztere als Concurrenten mit den Gym-
nasien ins Leben gerufen Ohne näher auf die Fachschulen einzugehen,
stellt dann derselbe die Realschulen als die Schulen hin, in welchen
vorzüglich Mathematik und Naturwissenschaften betrieben werden, die
Gymnasien als die, in welchen dies von Latein und Griechisch gilt,
während die modernen Sprachen beiden gemeinsam seien *). Letzteren
vindiciert er eine allseitige Entwicklung der geistigen Kräfte, findet
aber, dass sie dem Leben gegenüber langsam ihrem Untergang sich
zuneigen, ersteren miest er einseitige Verstandesbildung und Schärfung
der Sinne bei und zweifelt nicht, dass ein mächtiger Aufschwung
ihnen beschieden ist. Darum ist es für ihn nur eine Frage der Zeit,
dass die Mediciner ihre Vorbildung in den Realschulen suchen, aber
er steht auch nicht an, den zunächst vorhandenen Realschulen eine
solche Leistung noch abzusprechen. Als sichere Besucher des Gymna-
siums betrachtet er die Theologen, Juristen, Philosophen, Historiker,
Philologen, und ein Jahr in Prima einer Realschule nach dem Maturi-
tätsexamen könne auch zur Mathematik, Naturwissenschaft und Medicin
führen •*). An dem — also doch wohl noch eine geraume Zeit fort-
dauernden? — Gymnasium sei der Hauptlehrer der Philologe, der
Verwalter des geistigen Erbes von Generation zu Generation, und
zwar der altclassischen, der an den einfachen, jugendfrischen
Verbältnissen der Alten am bessten die Jugend zum Verständniss der
menschlichen Dinge hinleite. Die hiebei gewonnene Bildung bestehe
in richtigem Sprechen, Schreiben, Lesen. Aber diese werde auch in
der Muttersprache nur durch den Betrieb einer fremden Sprache und
zwar am Bessten des Lateinischen mit Beiziehung des Griechischen
gewonnen. Es müsse aber Lateinisch und Griechisch geschrieben
und gesprochen werden. Das Vorwiegen der Lektüre sei die
Bresche der Neuzeit in das früher segensreicher wirkende Gymnasium,
von dessen Classikern freilich die Zeit immer mehr abfalle wegen
der Blütbe der eigenen deutschen Literatur und der bedeutenden Rolle
der französischen und englischen Literatur. Endlich gebe das Gym-
nasium nicht bloa im allgemeinen mehr brauchbare Durchschnitts-
menschen als es früher gegeben habe, sondern die gelehrte Bildung
•) Nicht uninteressant ist, dass für Bayern diese Charakteristik
nicht gilt. Bei uns bat das humanistische Gymnasium das Griechische
für sich, das Realgymnasium die Naturwissenschaften, Religion,
Latein (bis auf die Privatlektüre) , Deutsch , Geschichte , Geographie haben
beide gern ein, und endlich bat das Realgymnasium ein .1 ehr in Mathe-
matik, Französisch, Englisch, Zeichnen! Wir haben also bereits einen
mächtigen Aufschwung als Thatsache!
•*) In Bayern muthet man den humanistischen Absolventen doch nur
einen uro ein Jahr längeren Besuch des Polytechnikums zu. Aber ist nicht
auch damit ein Zurückbleiben — nm nicht zu sagen Herabsinken —
der Leistungsfähigkeit des einst zu allen Berufen in erster Reihe und in
kürzester Zeit vorbildenden Gymnasiums handgreiflich gegeben?
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sei besonders eine Anleitung zur Wahrhaftigkeit, Selbstverläugnung,
Uneigennützigkeit, den bessten Eigenschaften für Diener des Staates
wie der Kirche. — Es verdient Beachtung, was der Verfasser sagt und
man stosse sich nicht an den Sparen matter Hoffnungen» für das
Gymnasium. Möge vielmehr das Hebel in seinem wahren Grande bald
erkannt and das Gymnasium mit den frischen Quellen des Lebens zu
freudigem Hoffen verbunden werden!
Hof. Friedlein.
Arittotelis de arte voetica Uber. Iterum recensuit et adnotationt
crifc'ca oim* /oÄanne* FaAlen. BeroZin« aptid Fronct>ct*m 7aA-
lenwm MDCCCLXXIV. XV und 246 S. 8.
Mit Spannung wird jeder Freund des Aristoteles die neuerschienene
Ausgabe der Poetik von Vahleo in die Hand genommen haben. Von
diesem Gelehrten, der dieser schwierigen Schrift des Aristoteles ein
vieljäbriges Studium gewidmet, der in seinen „Beitragen" den Gedanken-
fang des Buches in klarer, nur allzu breiter Weise verfolgt und im
iinzelnen entwickelt und schon früher den Text durch eine ausgezeichnete
Emendation (c. 18 xQareio&ai Btatt xpore?<r£a*) bereichert hatte, war
eine gediegene Leistung zu erwarten. Und wer möchte nicht an der
Hand dieser hübschen, glänzend ausgestatteten Ausgabe dieses kurze
aber einzige Werk des grossen Philosophen mit doppeltem Eifer
studieren?
Vahlen ist von dem Plane seiner ersten Ausgabe (1867), der, wie
er selbst bekennt, auch bei wohlmeinenden M&nnern keinen Beifall
fand, abgegangen und bietet in dieser zweiten gänzlich veränderten
Auflage den Text nach der besten Handschrift, die Varianten, die für
die Erklärung nötigen wichtigsten Belegstellen und eine ausführliche
mantissa adnotationis grammaticae (S. 85 — 241 ) Dieser gramma-
tische Anhang hätte nichts an seinem Werte, wohl aber viel an seinem
unverhältnissmäs8igen Umfang verloren, wenn die fortgesetzte Polemik
gegen Spengel, die ja in einer solchen Ausgabe am wenigsten am
Platze war, unterblieben wäre. Es macht keinen angenehmen Eindruck,
wenn ein so besonnener Kritiker and Aristotelesforscher wie Spengel
bei jeder Gelegenheit geschulmeistert wird. Was soll es auf dem so
schwierigen Gebiete Aristotelischer Kritik heissen, wenn Vahlen sich
stolz in die Brust wirft und, als wäre er sich eigener Unwandelbarkeit
und Unfehlbarkeit bewusst, das instabile Judicium Spengeiii (S 232)
tadelt? Ist es nicht derselbe Vahlen, der heute anders urteilt, als er
früher arteilte? Hat er nicht, am nar ein Beispiel anzuführen, „zur
Kritik Aristotelischer Schriften" S. 6 über eine Stelle von Cap. 5
bemerkt: „Gleich irrig ist die Meinung derjenigen, welche die Worte
t*iXQl porov (a£tqov pcyaXov als Interpolationszuthat aas dem Texte
zu entfernen heissen, wie derjenigen, welche dieselben als keiner
Aenderung bedürftig in Schutz nehmen" und hat er nicht jetzt dennoch
diese Worte als keiner Aenderung bedürftig in Schutz genommen,
indem fiixQov /ueyaXov bedeuten soll spatium magnum sive fine* ampli ? 1
Vorher hatte er dafür jMttffi rot? piTQt? xa&6Xov und Beiträge
III, 326 auch noch f*exQi f*oyov u4qovs /xeyäXov vermutet! Und was
ihm früher unmöglich erschien (Beiträge IV, 393: „Es leuchtet
schon jetzt ein and wird aas der folgenden Erörterung noch deutlicher
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werden, dass mit Xiav drjXov ort — unmöglich der Nachsatz zu dem
vorangegangenen beginnen, sondern dass darin nur ein weiteres Glied
des Vordersatzes enthalten sein kann, daher ich, im Uebrigen der
Ueberlieferurg treulich folgend, ein <fi vor SiiXov eingesetzt habe"),
das scheint ihm jetzt in der neuen Ausgabe möglich. Es soll dabei
nicht verkannt werden, dass Vahlen eine hervorragende grammatische
Begabung zeigt, ein feines, überaus sorgfältiges sprachliches Beobachtungs-
talent, ein Hauptvorzug seiner Ausgabe, dessen er sich selbst gar wohl
bewusst ist (vgl. den Schluss seiner praefatio) Aber es ist zu bedauern,
dass ihn diese seine grammatische Richtung in der Kritik, wie in der
Erklärung auf eine falsche Bahn geführt hat. Er, der früher selbst
nicht wenig an dem überlieferten Texte gerüttelt, sucht nun jeden
Buchstaben der Ueberlieferung, als wäre er unmittelbar von Aristoteles
geschrieben, mit pedantischer Gewissenhaftigkeit und bis zum Absurden
festzuhalten, und sollte der gesunde Sinn des Lesers sich dagegen
sträuben, so überschüttet er ihn aus seinem grammatischen Füllhorn
mit einer Menge von Beispielen, dass sich derselbe im ersten Augen-
blicke genötigt sieht, der grammatischen Autorität sich blind zu unter-
werfen. Sieht man aber näher zu, so wird man gar bald finden, dass
die Beispiele oft trügen und was dort möglich ist, deshalb nicht auch
hier erlaubt ist. Der Beweis hiefür kann hier nicht in eingehender
Weise geführt werden , fast jede Seite fordert in der Kritik wie in der
Erklärung zum Widerspruche heraus
Mit dem allgemeinen Princip, das der Herausgeber in der Kritik
befolgte, uns ein möglichst getreues Abbild der besten Ueberlieferung
zu geben — quasi quoddam simulacrum (S. VIII) — kann man
sich völlig einverstanden erklären und es verdient dies unsere volle
Anerkennung, denn was soll aus den Klassikern werdeu, wenn es
erlaubt ist, sie so zu bebandeln, wie etwa G. Andresen den dialogus
de oratoribus des Tacitus, der in einer Schulausgabe in 42 Kap. seine
78 Emendationen, wenn ich recht gezählt habe, ohne weiteres in den
Text aufgenommen hat? Auch das ist im Interesse der Klarheit und
Durchsichtigkeit nur zu loben, das der Leser nicht mit einer Masse
wertloser Varianten geplagt wird, woran ja so viele kritische Ausgaben
leiden, wiewohl Vablens Behandlung der Apographa für den nicht
genügt, der sich über den Wert und das Verhältnis* der einzelnen
Handschriften näher unterrichten will. Aber wenn im Text nur die
handschriftliche Ueberlieferung gegeben werden soll — so genau, dass
z B. nach der Handschrift c. 14 arexytoregoy in den Text gesetzt
wird, c. 16 aber areyroregai — und von Textesverbesserungen nur
das aufgenommen werden soll, was absolut sicher ist (S XIV: „jpo*ut
autem in textu quae certa haberem") , so begreift der unbefangene
Leser nicht, wie einige mehr als zweifelhafte Vahlensche Conjecturen
ohne weiteres in dem Text erscheinen und mit der besten Ueberlieferung
auf gleiche Linie gesetzt werden sollen, wie die Ergänzung von Öoa
c. 11 und c 26 (S. 25 und 70) oder von Jjr«? dy c. 15 (S 32) u. a
Mag man dies als eine menschliche Schwäche des Herausgebers milder
beurteilen, so begreift man dagegen schlechthin nicht und kann sich
dieses Verfahren nur als eine Schrulle oder als Versehen erklären,
dass c. 26 (S. 75) x«i roiavr' airu not^ara in den Text gesetzt ist,
die allein richtige Lesart der Vulgata ober xniroi rttvxn ro noijuaxu,
die ja Vahlen selbst in seiner ersten Ausgabe in den Text aufnahm
und auch in seinen Beiträgen IV, 402 als richtig anerkannte, nicht
einmal unter dem Texte in den Noten erwähnt wirdl Die Vermutungen
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anderer Gelehrten werden nnr spärlich angeführt, so dass es nicht
consequent erscheint, wenn c 22 (S. 54) zu dem Aeschyleischen Verse:
<f>«yi6«ivtt JJ tuov oaQxas iaSiet nodos auf einmal drei Vermutungen (von
Böckb, Hermann und Nauck ) zur Ehre gelangen, mitgeteilt zu werden:
gerade un einer Stelle, wo jede Vermutung unsicher ist.
Von der Sucht des Herausgebers, alles zu halten und alles zu
erklären, nur ein Beispiel. Am Schlüsse des 6. Cap. ist überliefert:
i? 6*'e oxpig tf/v %aytoyix6v /UtV, tire^ytoraroy o*k xui tjxiartt otxeiov rrjs
noiijrtx/,?, tos yttQ jrjs TQuytpöius dvvufits xai ityev uytöyos *«* vuo-
xQirtov iaxty Hiezu macht Vahlen S. 115 — 118 eine lange An-
merkung und sucht uns zu beweisen, indem er nach seiner Art acht
Beispiele anführt, dass tos y«Q hier so viel sei wie das einfache causale
tos. Ich kann hier nicht auf die Betrachtung der einzelnen Beispiele
eingehen und bemerke nur so viel, dass mir diese Annahme durchaus
verkehrt scheint. Die Stelle ist sicher nicht richtig überliefert, tos war
aber nicht mit den Apographa in jj zu verbessern, sondern aus dem
vorangehenden Worte noupixys war zu tos die Silbe *<r zu ergänzen
und zu It-sen: tatos yttQ i*is TQttytpöins o*vyuf4is xai ayev uytavos xai
vnoxQirtöy teriv. — tatos y^Q steht in der Poetik selbst noch zweimal:
c 25 tatos yttg ovxt ßiXxtov (S. 65) und tatos y«Q ov xoi's tjfnoyovs
Xiyei (S. 67). Ebenso sagt Aristoteles Pol r 11, 1282a 33: opoltos dtj
TIS tty Xvoett xui xuvxqy xqy anoQtay' tatos y**Q *Z*1 xtti Tttvz1 OQ&toS-
Weitere Stellen finden sich bei Bonitz (index Aristotelicus), der über
diesen bekannten Gebrauch von tatos bemerkt: „sed saepe tatos tum
dubitantis est, sed cum modestia quadam asseverantis".
leb führe zum Schlüsse nur noch ein Beispiel an, um zu zeigen,
wie Vahlen in der Erklärung dem gesunden Menschenverstand ins
Gesicht schlägt, um ja über alle Schwierigkeit hinwegzukommen und
überall die schönste Uebereinstimmung in der aristotelischen Darlegung
zu entdecken. Aristoteles sagt gegen Ende des 25. Cap. ($.71): oXtos
<fi to advyaroy fihy tiqos xtjy noi^atv ij uqos to ßiXxtov jj -iQos rijV
äo£uv det äyayeiy. Er spricht daun der Reihe nach 1. von tiqos rtjy
iioiqaty, 2. von dem ßiXxtoy und 3. von >iqos « tpnaty (— tiqos rijV 66^uv).
Jedermann wird also hier drei Glieder erkennen, Vahlen aber besteht
hartnäckig darauf, es sei hier nur von einer Zwei gliederung die Rede.
Darüber lässt sich nun nicht mehr streiten; denn wenn die höhere
Kritik ex cathedra decretieren darf, 1 — |— 1 — |— 1 sei fortan nicht mehr 3,
sondern 2, dann hört alle Kritik und alle Discussion auf, dann beginnt
auch hier das Opfer des Verstandes —
' Der Druck des Buches ist musterhaft korrekt. Der Accentfehler
peTQlaCoy statt f*£TQidtoy steht nicht allein in den kritischen Noten
S. 57 und in der mantissa adnotationis gramm. S. 199, sondern findet
sich schon in den Beiträgen III, 328. -
München. Dr. C. M eis er.
Die deutsche Sprachlehre als Grundlage zur Stilistik, zugleich ein
Anfgabeoschatz zu Sprach- und Aufsatzübungen etc. von A. Treu.
2. Aufl. Tübingen 1874.
Ein Buch, dessen Anordnung unergründlich ist, empfiehlt sich
wenig; noch schlimmer aber steht es, wenn eine solche tudis indige-
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staque moles ein Schulbuch sein will. Leider trifft dies bei Treu's
Sprachlehre zu. Zur Begründung dieses harten Urteils mögen einige
Andeutungen hier stehen. Das Kapitel über die Deklination ist eine
lanx satura ohne gleichen; auf S. 12 ist die lledc von Befehl- und
Wunschsätzen, aber erst S. 13 wird die Definition des Satzes gegeben;
§. 7 folgen plötzlich stilistische Uebungen (meist Beschreibungen) und
die Analyse eines Gedichtes ; an die Fürwörter schliessen sich Briefe
an und — eine Kaufmannsrecbnung; bei den begründenden Binde-
wörtern wird der Stabreim erwähnt und dgl Auf S. 8 ist zu lesen,
dass die meisten Hauptwörter (männl. und sächl. Geschlechts) auf el,
er und en in der Mehrzahl meist unverändert bleiben ( Also Dat. PI.
den Stiefel?) — Der unparteiische Beurteiler darf übrigens nicht ver-
gessen zu erwähnen , dass die Beispiele meist sehr treffend sind und
die Analysen (cfr. §. 44) und stilistischen Kapitel (z. B. §. 7 A.) Lob
verdienen. In der Hand des Lehrers kann das Buch manches Gute
stiften ; es einem Schüler in die Hand zu geben, wäre bedenklich.
München. A. Brun nur.
Praktische Uebungen. Methodisches Hilfsbuch zum deutschen Unter-
richt an den unteren Klassen der Mittelschulen von Max Miller
(Straubing im Selbstverlag 1874. *)
Das Büchlein enthält zunächst 20 Kabeln von Lessing mit Anmer-
kungen, welche Fragen teils über den Inhalt der Lesestücke, teils über
grammatische Dinge enthalten; ob mit den Fragen letzterer Art alle
Lehrer einverstanden sind, steht dahin. An die Lesestücke schliesst
Bich ein mit grossem Fleiss bearbeitetes Wörterverzeichniss an, welches
sehr verwendbare Erklärungen der in den Fabeln vorgekommenen Wörter
bietet. Ein Anhang gibt „Beiträge zur Behandlung der Redeteile".
Der zweite Teil des Werkebens enthält eine „Anleitung zum deutseben
Aufsatz". Schon in ihrer jetzigen Gestalt werden sich die „Praktischen
Uebungen" dem Lehrer als brauchbar erweisen; die Bedeutung des
Scbriftchens liegt übrigens darin, dass es den Keim zu einem brauch-
baren Lesebuch für die unterste Klasse unserer Lateinschule enthält
Möge der Verfasser, der mit so richtigem Blicke den für unsere jüngsten
Schüler passendsten Lehrstoff herausgefunden hat, diesen Gedanken
nicht aus dem Auge verlieren I
A. Brunner.
Literarische Notizen.
Praktische Anleitung zum Lateinschreiben. In zwei Abteilungen
bearbeitet von Karl Friedr. Siipfle. Zweite Auflage bearbeitet von
Professor von G ruber. Erste Abteilung Karlsruhe. Ch. Th. Groos.
1874. 229 S. in 8. Die vorliegende erste Abtbeilung umfasst die Lehre
vom einfachen Satz. Die neue Auflage ist keine durchgreifende Um-
arbeitung, vielmehr bat der nunmehrige Herausgeber unter Festhaltung
des bisherigen Planes sich darauf beschränkt, die zum Teil etwas
weitläufig gehaltenen Auseinandersetzungen zweckmässig zu verkürzen,
immmerhin ein Fortschritt.
*) Mittlererweise unter die gebilligten Lehrbücher aufgenommen-
Kleine lateinische Sprachlehre, zunächst fOr die untern und
m itt 1 e r n Klassen der Gymnasien bearbeitet von Dr. Ferd. Schultz.
14. verbesserte Ausgabe. Paderborn, Schöningb. 1874 274 S. in 8.
Pr. 1 Mk- 75 Pf. Die neue Auflage hat einzelne Berichtigungen uud
Zusätze, teilweise auch eine grössere Uebersichtlichkeit in der An-
ordnung erhalten.
Stichverse der lateinischen Syntax aus klassischen Dichtern gesam-
melt von Dr. Gustav Härtung. Leipzig, Teubner. 1874. 64 8. in kl 8.
Pr. 75 Pf. Eine hübsche Beispielsammlung, von der wohl ein Teil
beim Unterrichte mit Auswahl verwendet werden kann; ein anderer
Teil freilich bedürfte m viel Erklärung, um auf der Unterricbtsstufe,
auf welcher die lateinische Syntax gelehrt wird, und aus dem Zusammen-
hang gerissen, verstanden zu werden
Lateinische Grammatik für Gymnasien und Realschulen von
Dr. Johannes von Gruber. Erster Teil. Formenlehre. 5. Aufl.
Leipzig. Teubner, 1874.
Zebettuayr's Lexieon etym. (Wien, Holder) ist im Nro. 41
des „literarischen Centraiblattes" besprochen. Dasselbe hebt namentlich
den „grossen Flciss" hervor, mit dem der Verfasser seiner Aufgabe,
nach Wurzel und Suffix die Wörter etymologisch zu erklären , gerecht
zu werden gesucht hat und , seine Arbeit", wird dann noch angefügt,
„ist ohne Zweifel dankenswert". Als „Fachmann" führt Hr. Recensent
als wenigstens zweifelhaft Zehetmayr's Erklärung von Severus , sere-
nus an*). Ein Zusammenhang von ä-pcm mit pü wird dann namentlich
in Abrede gestellt. Die Analogien seien in „geradezu verwirrender
Menge beigebracht". „Die Verfolgung der einzelnen Wortstämme bis
herab in die neueren Sprachen und Dialekte füllten das Buch mit
zwar interessantem, aber überladendem Stoffe' Nach seinen Ausstell-
ungen schliesst der Recensent: Gleichwol ist das Buch, zumal da es
mit sorgfältigen Indices ausgestattet ist, recht brauchbar. Niemand,
der den Forschungen auf indogermanischem Sprach-
gebiete ferner steht, wird in ihm nachschlagen, ohne
reiche Belohnung aus ihm zu schöpfen.
Cicero's ausgewählte Reden erklärt von Karl Halm. V. Bdcben.
Die Rede für T. Annius Milo, für <^u. Ligarios und für den König
DejotaruB. Siebente, verbesserte Auflage. Berlin, Weidmann. 1874
Wie jede Auflage, so weist auch diese neue Verbesserungen im Ein-
zelnen auf.
Xenophons Anabasis. Erklärt von C. Rehdantz Zweiter Band.
Buch IV — VII. Dritte, verbesserte Auflage. Berlin, Weidmann.
1874. Die methodische Einrichtung dieser Ausgabe darf als bekannt
vorausgesetzt werden. Die Verbesserungen beziehen sieb auf Einzel-
heiten. Nicht unerwähnt kann bleiben, dass der Notendruck in den
neuen Ausgaben der Weidmonn'schen Sammlung fast bedenklich für die
Augen ist.
Herodotos erklärt von Heinrich Stein. Dritter Band. Buch V
und VI. Dritte, verbesserte Auflage. Berlin, Weidmann. 1874.
*) Der Verfasser des „Lexieon" wird uns vielleicht eine kurze Be-
gründung seiner Erklärung zugehen lassen D Red.
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Ausgewählte Komödien des P. Terentius Afer. Zur Einführung in
die Leetüre der altlateiniscben Lustspiele erklärt von Carl Dziatzko.
Erstes Bändeben. Phormio Leipzig, Teubner. 1874. Die Ausgabe
scbliesst sieb nach Zweck und Einrichtung an die anderen zu dieser
Sammlung gehörigen an. Eine Einleitung gibt das Notwendigste
über die Vorgeschichte der alt klassischen Komödie, über das Lehen
und die literarische Tbätigkeit und Bedeutung des Terentius. über die
Aufführung der Stücke, endlich die Prosodie. Angefügt ist eine Ueber-
sicht der Metra und ein kritisch -exegetischer Anhang. Möge die Aus-
gabe dazu beitragen, dass ein auf den Gymnasien einst viel gelesener,
seit längerer Zeit aber ganz ausser Kurs gesetzter Autor wieder reak-
tiviert werde, der dem Schüler nicht bloss das antike Leben näher
rückt, sondern auch das historische Verständniss der lateinischen
Sprache vermittelt.
Kurze Regeln der griechischen Syntax, zum Gebrauche in oberen Gym-
nasialklassen, zusammengestellt von Dr. Ludwig Till mann s. Teubner
1874 8. 56 S. „Die Ueberzeugung, dass die griechische Syntax von Schülern
des Gymnasiums aus kurzen Regel Sammlungen besser gelernt wird, als aus
ausführlichen Grammatiken", die sich nach dem Vorworte des Verfassers
immer mehr zu verbreiten scheint, dürfte kaum jemals die Mehrheit der
Lehrenden für sich gewinnen Wie schwierig es ist, mit der in solchen
Regelsammlungen notwendigen Kürze auch die nötige Verständlichkeit
und Richtigkeit zu verbinden, beweist auch dies Büchlein des in allen
Gebieten der griechischen Syntax wolbewanderten Verfassers; denn
neben manchen treffenden Bemerkungen finden sich darin doch auch
viele Regeln, die nur zu halbem Verständniss und damit zu verkehrter
Auffassung führen müssen, z. B §31: Genitivus qualitatit wie im
Lateinischen, §81, 86, 121, 134 Die wichtige Präpositionslehre ist
auf nicht ganz zwei Seiten doch etwas gar zu kurz abgefertigt. Aufge-
fallen ist die auch § 114 wiederholte Regel in § 13<\ dass Nebeusätze
nach Nebcntemporibus aueb Optative mit «V in den blossen Optativ
(ohne«»') verwandeln können, und die Aufnahme der rein dichterischen
Ausdrücke oiingreiy und fuvecttvtw in §§ 36 und 38. Die Beispiele
sind meist gut gewählt; ganz ungeeignet scheint nur das zweite Beispiel
in § 121. Der Druck ist ziemlich rein ; nur findet sich ötterB ov statt
ov und in § 127 dreimal tag statt a»c — Für Schüler, welche die
griechische Syntax schon kennen gelernt haben, dürfte sich das Büchlein
zur Wiederholung der wichtigsten Regeln trefflich eignen
Sammlung von Musteraufsätzen für die mittleren Klassen der
Gymnasien, Keal- und höheren Bürgerschulen herausgegeben von Dr.
K. Hoffmann. Berlin, 1874. Verlag von Wilb. Schultze 230 S. in 8.
Die „Musterstücke" sind unverändert aus verschiedenen Werken von
ungleichem Werte herübergenommen und nach den Gebieten, aus
denen sie entlehnt wurden, geordnet. Unter der grossen Anzahl befinden
sich immerhin viele, die sich zur Reproduktion eignen; andere dürften
besser in einem Lesebuch Platz finden.
Handbuch der deutschen Literatur. Eine Sammlung ausgewählter
deutscher Dichter und Prosaiker, von der ältesten Zeit bis auf die
Gegenwart, nebst literargesebichtlichen und biographischen Notizen für
höhere Unterricbtsanstalten und Freunde der deutschen Literatur
herausgegegen von Prof. Dr. J A. Lehmann Zweite, unveränderte
Auflage. Zwei Teile in einem Bande. Leipzig, T. 0. Weigel 1874.
91
Preis 1 Tblr 15 Sgr. Der erste Teil enthält die Poesie (577 S ), der
zweite Teil die Prosa (512 S) Das Ganze ist geeignet, die Entwicklung
der deutschen Literatur durch Probestücke von der ältesten bis auf
die neueste Zeit zur Anschauung zu bringen und das Interesse an
der deutschen Literatur und dem deutschen Vaterlande zu fördern.
Der Inhalt ist sehr reich , der Preis im Verhältniss dazu sehr mässig.
Kurze literarhistorische Notizen vermitteln gleichsam den Zusammen-
hang zwischen den verschiedenen Perioden, die einzelnen Autoreu sind
mit den wesentlichsten biographischen Daten eingeführt. Wenig Wert
haben in solchen Sammlungen die aus Dramen mitgeteilten Bruchstücke.
Lehrbuch der Poetik für höhere Lehranstalten. Von Dr. Chr. Fr.
Alb. Schuster. Clausthal. Grosse'scbe Buchhandlung. 1874. 83 S.
in 8. Das Büchlein schliesst sich eng an die in demselben Verlage
erschienenen trefflichen Hoffmann'schen Lehrbücher für den deutschen
Unterricht an. Der Verfasser stellt sich auf den Standpunkt, den auch
unsere neueste Schulordnung einnimmt, dass die Belehrung über Fragen
der Poetik auf unseren Schulen nicht systematisch, kursusmässig zu
behandeln, sondern zunächst und vorzugsweise aphoristisch, gelegent-
lich, an die Lektüre der klassischen Dichter geknüpft sein soll. Er
verlangt aber, und das gewiss mit Hecht, dass das gelegentlich
Erörterte zu einem Ganzen znsammengefasst werde, in welchem der
wissenschaftliche Zusammenbang des Einzelnen dem Schüler zum klaren
Bewusstbein gelange; er verlangt eine abschliessende Belehrung über
gewisse Begriffe und Gesetze, auf denen der Unterschied der verschie-
denen Dichtungsarten beruht. Lassen wir die Frage dahingestellt, ob
die Poetik besser auf aphoristischem oder systematischem Wege
bebandelt wird: das Büchlein ist im einen wie im andern Falle mit
Nutzen zu gebrauchen. Es beschränkt sich auf das Wesentliche,
berücksichtigt stets das praktische Bedürfniss des Schulunterrichts und
empfiehlt sich durch gedrängte Form der Darstellung, übersichtliche
Zusammenstellung des Lehrstoffes, Hinweis auf die Quellen und
Betonung des ästhetischen Momentes.
L'art poetique de Boileau-Despriattx, avec des notes explicatives,
littiraires et philologiques par G. H. F. de Castres. Nouvelle
edition soigneusement revue et corriqee par A. Klautzsch. Leipzig,
C. A. Koch. 1874 . 63 S. in 8 Preis 10 Ngr. Die Noten (unter dem
Text) sind französisch geschrieben, ziemlich reichlich, durchaus sach-
licher, nicht sprachlicher Natur.
Methodische Grammatik der französischen Sprache. Elementar-
kursus. Mit Zugrundelegung des Lateinischen bearbeitet und mit
Uebnngsaufgaben versehen von Dr Otto Liebe, Oberlehrer am k. Gym-
nasium zu Chemnitz. Leipzig, Druck und Verlag von B G. Teubner.
1874. Das Büchlein ist für solche Anstalten bestimmt, an welchen das
Lateinische einen Hauptgegenstand des Unterrichtes bildet. Es enthält
auf 103 Seiten die Formenlehre des Nomens und des regelmässigen
Verbums, wobei die Beziehungen zur lateinischen Grammatik soweit
berücksichtigt sind, als sich ein praktischer Nutzen daraus ergibt.
Der Wortschatz aller zu lernenden Vokabeln — Noten stehen nemlich
unter dem Text der Aufgaben nicht - ist auf etwa 700 beschränkt,
über welche am Ende des Werkchens ein Register mit Angabe der §§.,
in welchen sie sich finden, angehängt ist.
Collection of British and American Standard Authors, XII.
A Stlection from Thackeray's „English Humorist*", „Miscellanies and
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Roundabout — Papers". 1874. 131/, Ngr. Die Einrichtung wie bei
übrigen Stacken dieser von Dr. Ahn herausgegebenen, bei E. Fleischer
in Leipzig verlegten Sammlung
Dr. Franz Sommer, Leitfaden beim ersten Unterricht in der
Algebra. Leipzig, Druck und Verlag von B. G. Teubner 1874. —
Begreiflich ist es bei dem ersten Unterricht in der Mathematik
vornehmlich der algebraische Lehrstoff, welcher dem Anfänger Schwierig-
keiten bietet. Die Gesetze nun der 7 Operationen ausführlicher zu
besprechen, als dies der enge Rahmen eines Lehrbuches gestattet, ist
der Zweck dieser Schrift. Mit Recht hebt dabei der Verfasser zwei
Punkte hervor, dass nemlich der Schaler bei den Beweisen methodisch
verfahre und dass er eine algebraische Formel abersetzen lerne
Er unterscheidet bei jeder einen algebraischen Satz aussprechenden
analytischen Gleichung das formelle und das wirkliche Resultat der
Rechnung; wie die Richtigkeit des letzteren jedesmal festgestellt wird,
den Einblick in das zu beobachtende Verfahren legt er in so aber-
zeugender Weise blos, dass dieses selbst auch minder Begabten ein-
leuchten muss. Dieser Leitfaden wird daher aberall, wo er zur Ein-
fahrung gelangt, nicht verfehlen Nutzen zu stiften.
Dr. August Hoffmann, Sammlung planimetrischer Aufgaben,
2. Auflage, Paderborn, Druck und Verlag von Ferdinand Schöning h.
I87;>. — Sammlungen dieser Art kennt die mathematische Literatur
mehrere, darunter vorzügliche, wie jene von Gandtner und Junghans.
Meist jedoch entbehren sie einer durchgreifenden Methode, durch
deren Eenntniss der Schüler befähigt wird, an die Lösung geo-
metrischer Aufgaben mit Aussicht auf Erfolg heranzutreten. Die
stets gleiche, leicht zu fassende allgemeine Methode, welche der
Konstruktion der hier aufgenommenen Aufgaben zu Grunde liegt,
bildet einen Vorzug dieser Sammlung, der nicht hoch genug ange-
schlagen werden kann und noch durch das besondere Gewicht erhöht
wird, das der Verfasser auf die Determination legt, für welche
allgemein giltige Regeln aufgestellt sind. Referent benützt gerade
dieses Buch mit Vorliebe, und ist der Ueberzeugung , dass es auch
seine Col legen befriedigen werde; es ist eine Frucht mehrjähriger
Erfahrung und reicher Sachkenntniss.
Erster geographischer Unterricht. In Fragen und Antworten. Für
die erste Klasse der Mittelschulen und für die oberen der Volks- und
Bürgerschulen. Von Anton Heinrich, k. k. Professor am Ober-
gvmnasinm in Laibach. Mit 68 in den Text gedruckten Figuren, Karten
und Bildern. Wien 1874, Verlag von A. Pichler's Witwe und Sohn.
142 8. in 8. Den Schaler in der untersten Klasse der Mittelschule über die
Gestalt der Erde und ihr Verbältniss zum Weltall in allgemeiner, aber
klarer Weise zu unterrichten, ist gewiss keine leichte Autgabe. Daher
verdient jedes Lehrmittel, das sich als Ziel setzt, den ersten Unter-
richt in der Geographie in fasslicher Form zu bieten, Beachtung.
Der Verfasser, der eine reiche Erfahrung im Lehrfacbe und eine
richtige Erkenntniss für die Bedürfnisse und die Leistungsfähigkeit
der Schüler besitzt, wendet in seiner kurz gefassten Darstellung über
die Erdgestalt und die Erdoberfläche die katechetische Lehr-
methode, wie es dem Referenten erscheint, mit Erfolg an. Im
1. Abschnitt handelt er über die Vorkenntnisse aus der physischen
Geographie, im 2. Abschnitt über die mathematische Geographie, im
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3. Abschnitt über die Erdoberfläche und im 4. Abschnitt aber die
topische Geographie. Beim ersten geographischen Unterricht erleichtern
Abbildungen in der Hand des Schülers das Verst&ndniss ungemein.
Die 68 in den Text gedruckten Figuren, Karten und Bilder dienen
zum grössten Teil dazu, die Kenntnisse zu erweitern und zu befestigen,
nicht aber die blosse Schaulust zu befriedigen. Die Genauigkeit in
den statistischen Angaben — dem ausgezeichneten „Lehrbuche der
Geographie von Dr. H. Gutbe, 2 Aufl., Hannover 1872" entnommen —
und die schöne, zweckentsprechende Ausstattung dienen dem Büchlein
zur Empfehlung
A. Christ, din einfache Buchführung theoretisch und praktisch —
mit wesentlichen Verbesserungen und Control -Einrichtungen 5. ver-
mehrte Auflage. Elberfeld, Sam. Lucas, und
A. Christ, die doppelte Buchführung theoretisch und praktisch etc.,
unter besonderer Berücksichtigung der Actiengesellscbaften. Elberfeld,
Sam. Lucas. Unmittelbar aus der Praxis hervorgegangen, geben diese
Lehrbücher die einfache Buchführung in vervollkommneter Gestalt, sowie
auch die Grundzüge der doppelten Buchhaltung, logisch geordnet, in sehr
klarer, verständlicher Weise. Da sie den Stoff für sämmtliche Sparten
des Geschäftsbetriebes eingehend behandeln, dürften sie sich sowol zur
Einführung an Lehranstalten als auch zum Selbstunterricht bestens
empfehlen.
L. Baum blatt, Buchführung für Gewerbe, Handel und Landwirt-
schaft Zur Benützung beim Unterricht in Gewerbe - , Handels -, Industrie
und Fortbildungsschulen. Mannheim L Schneider. 1874.
L. Baumblatt, Handelskunde für Handels-, Gewerbe- und Fort-
bildungsschulen, sowie für Industrieschulen. 2. Auflage. Mannheim
L. Schneider. 1874.
Der höhere Lehrerstand in Preussen. Culturhistorische Skizze
von Herbert S oller. Berlin, Robert Oppenheim. 1876. 34 S. in 8.
Preis 75 Pf. Die Darstellung macht zwar den Eindruck, dass die
Farben etwas stark aufgetragen sind; aber wenn man auch einiges in
Abzug bringt, bleibt immer noch so viel übrig, dass wir in Bayern
mit Befriedigung auf die einschlägigen Verhältnisse bei uns blicken
können. Denn manches von dem, was der Verfasser drückend empfin-
det und darum bitter tadelt, haben wir nie gehabt, anderes längst
überwunden. Man möchte fast glauben, dass man im Norden doch
auch einiges von uns lernen könnte. Das Schriftchen wird namentlich
solchen empfohlen, welche in dem Wahne leben, dass dort alles vor-
trefflich sei.
Mängel und Missstände im höheren Schulwesen. Von Cl. Kohl.
Neuried und Leipzig. Heuser'sche Buchhandlung 1874. Der Ver-
fasser sucht den Grund der Uebelstände zunächst und zumeist in dem
Mangel an tüchtigen Lehrern, den er hinwiederum damit erklärt, „dass
l) unsere Philologen auf der Universität zu wenig das studieren, was
sie als Lehrer dereinst lehren müssen, und 2) dass sie auf der Univer-
sität nicht lernen, wie man lehrt und erzieht". Er verlangt daher,
dass der Staat Gelegenheit biete, an der Universität auch Pädagogik
und Methodik, und nicht bloss theoretische zu erlernen, und macht
Vorschläge für die Einrichtung eines pädagogischen Seminars. Man
kann nicht läugnen, dass das Schriftchen, das mit den Lehrern streng
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in's Gericht geht, viel beherzigenswertes enthält, wenn auch anderes,
x. B was es über den ersten fremdsprachlichen Unterricht sagt, wenig
Anklang finden wird.
Erläuterungen zu den deutschen Klassikern. Leipzig. Verlag von
Eduard Wartig, 1874. Preis p^r Bandeben 75 Pf. 24. B&udchen.
Klopstorks Oden 1. Von Heinrich Düntier. Zweite, neu durch-
gesehene Auflage. Der Erklärung der Odeu geht eine längere Ab-
handlung (82 Seiten) „Klopstock als lyrischer Dichter" voraus. Ausser
diesem sind noch weitere 5 Händchen zur Erläuterung Klopstock'scher
Oden bestimmt.
Deutschlands spielende Jugend. Eine Sammlung von mehr als 430
Kinderspielen, auszuführen im Ereien und im Zimmer. Herausgegeben
von F. A. L Jakob. 2. vermehrte und sehr verbesserte Auflage.
Leipzig, Eduard Kummer- 1875 4.10 S. in 8. Der Verfasser, ein
alter Turner aus der L. Jahn'scben Zelt, hat sein reiches, wolgeordnetes
Material teils aus andern älteren Schriften ähnlichen Inhalts, teils aus
dem Volke geschöpft. Der Begriff „Kinderspiel" ist im weitern Sinne
aufgefasst, so dass auch für Erwachsene etwas abfällt. Eltern, Lehrer
und Erzieher können für alle Zeiten und Verhältnisse Passendes
daraus schöpfen; in die Hände der Kinder gehört es schon deshalb
nicht, weil diese sonst versucht sein könnten, das nur der Erholung
dienende Spiel zur Hauptbeschäftigung zu machen.
Statistisc Los.
Enthoben: Der Lehramtsverweser für neuere Sprachen an der Gewerb-
schule Landau, Eber lein.
Quiesciert: Auf ein weiteres Jahr Prof. Maurer an der Industrie-
schule München; ständig der zeitlich quiescierte Rektor der Gewerbschule
Zweibrücken, Marz all; Prof. Dr. Zaun er in Eichstätt.
Ernannt: Lcbramtskand. Friedr. Mayer (Konk. 1872) zum Studl.
in Ansbach; Lehramtskand. Kühnlein (Konk. 1873) zum Studl. in Neu-
stadt a H. ; Wolpcrt als Lehrer für neuere Sprachen an der Ge werb-
schule Landau; Pfarrexp. Zeit ler als Lehrer für katholische Religion
an der Gewcrbschule Wunsitdel; \ Lehraiutsverw. Lehert zum Lehrer
für neuere Sprachen an der Gewerbschule Weiden; Studienlehrer Ferdi-
nand Schöntag in Regensburg zum Gymn -Professor in Speierl;
Ass. Krebs in Bamberg (Konkurs 1871) zum Studienlehrer in Regensburg;
Ass. 6 eher er in Speier (Konk. 1871) zam Studienlehrer in Edenkoben;
die Lebramtsverw. Schneider zum Lehrer für Chemie und Naturgeschichte
an der Gewerbschule Traunstein, Bö h Inländer zum Lehrer für Zeichnen
und Modellieren an der Gewer bscbule Kissingen; Lehramtskand. Schmidt
zum Lehrer für Zeichnen an der Gewerbschule Landshut.
Versetzt: Der Lehrer für Mathematik und Physik an der Gewerb-
schule Lindau, Rietz, an die Handelsschule in München; Prof. Britzl-
mayr von Speier nach Eichstätt.
Gestorben: qu. Professor Borscbt in Speier; Studienlehrer Heinrich
Cron in Ansbach.
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B erich tigungeo.
Seite 20 Zeile 10 v. u. lies t = 2. 4 l/i statt
-•Vi"
Seite 22 Zeile 17 v. o. lies Ipf statt 2>p.
Die in meinem Artikel über das Foucault'sche Pendel angegebenen
Wertbe von ß ergeben sieb aus der in dem 8. nnd 9. Hefte des X. Jahr-
ganges fehlerhaft angegebenen Gleichung für ritt ß, die ich nicht vertrete.
Nachdem dieselbe berichtigt ist, ergeben sich natürlieh auch andere
Zahlenwerthe für ß. Dieselben berechnen sich
bei a = 90° auf ß = b° 37',
„ « = 60° „ ß — 6° 35',
„ « ~ 30° „ ß = 7° 15*.
Im Uebrigen besteht keine Veranlassung zu einer weiteren Ver-
änderung. Schelle.
Was Seite 45 unter 9 steht, gehört als 11 zur „Zeitschrift für das
Gymnasialwesen", Seite 46.
Der Sterbkasse- Verein für die Lehrer an den technischen Unter-
ricbtsanstalten in Bayern.
Der Sterbekasse - Verein für die Lehrer an den technischen Unter-
richts - Anstalten iu Bayern zählte am Schlüsse des Jahres 1873 in 39
Obmannscbaften 377 Mitglieder. Zu diesen kamen im Jahre 1874 noch
23 neue Mitglieder dazu, während 7, und zwar 4 durch Tod, 3 durch
freiwilligen Austritt, abgingen, so dass der Verein das Jahr 1874 mit
393 Mitgliedern schliesst. Mit Ausnahme der Gewerbschule Mem-
mingen sind sämmtliche Realgymnasien, Industrieschulen, Gewerb-
schulen und Landwirthschaftsschulen , wenn auch oft nur durch einige
Kollegen, im Verein vertreten.
Die Einnahmen betrugen im Jahre 1874 fl. 3099. 3 kr , die
Ausgaben fl. 2425. 14 kr. Der Vermögensstand entziffert fl. 2578.
12 kr. Hieven sind fl. 617 45 kr. für den nächsten Todesfall
reserviert, das Uebrige bildet den Reservefond, welcher nach Abzug
von 78 fl. 12!kr Baarbestand der Kasse mit i960 fl 27 kr. verzinslich
angelegt ist. Während seines nunmehr 9jährigen Bestehens zahlte der
Verein für 42 Todesfälle die Summe von 37752 M. an die Hinter-
bliebenen aus. L.
Gedruckt bat J. Gotte*winlM * MömI in München, ThcatiuerstraMe 18.
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Einladung
zur I. Generalversammlung des Vereins der Lehrer an
den technischen Unterrichtsanstalten Bayerns.
Nach dem Beschlüsse der VI. Wanderversammlung der Lehrer an
den technischen Unterrichtsanstalten Bayerns soll die I. Generalver-
sammlung unseres Vereines in München abgehalten werden.
Da sich nun die Mehrzahl der VereinBmitglieder für die Abhaltung
dieser Versammlung während der diesjährigen Osterferien ausgesprochen
hat, so wird dieselbe von dem geschfiftsführenden Ausscbuss auf
Dienstag den 30. nnd Mittwoch den 31. März 1. J.
festgesetzt.
Die Vorversammluog findet am Dienstag, den 30. Marz Abends
8 Uhr statt.
Da unter anderem besonders auch die Berathung und Besch luss*
fassung über die Vereinsstatuten einen wichtigen Gegenstand unserer
Verhandlungen bilden werden, so legen wir ein Exemplar des von
der letzten Versammlung provisorisch angenommenen Entwurfes bei.
Abänderungsvorschläge, sowie anderweitige Aufträge, die auf der
Generalversammlung oder in den SectionsMtzungen zur Besprechung
kommen sollen, erbitten wir uns spätestens bis 26. Februar.
Anmeldungen, sowie etwaige Aufträge hinsichtlich der Wohnungen
wollen längstens bis 20. März an den Realienlehrer der Krei9gewerbschule
München, Herrn J. Wollinger, Blumenstrasse 17, gerichtet werden.
Weitere Aufschlüsse über das Versammlucgslocal und dgl. werden
in unserem Vereinsorgane bekannt gegeben, sowie sie auch Dienstag,
den 30. März im Gebäude der Ereisgewerbscbule München, Damen-
stiftsgasse 2/z bereitwillig ertbeilt werden.
Im Interesse der Sache hofft man auf möglichst zahlreiche Be-
theiligung der geehrten Herren Kollegen.
Augsburg, den 26. Januar 1875.
Der geschäftsführende Ausschuss:
Pfeiffer.
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Homerisches Allerlei.
III Vom Purpur.
(Fortsetzung.)
3. noQtpvqeoq sprachlich betrachtet.
Schwieriger liegt die Frage bei noQ<pvQeog, dessen Etymologie
ebenfalls nicht über allen Zweifel erhaben, aber für eine entscheidende
Antwort unterzulegen ist. Dieser Stamm ist bei Homer 34, bezw. 30mal
verwendet, in 15 Fällen von Stoffen, in 15 von anderen Verhaltnissen.
Vergleichen wir zuerst die letzteren 15 Stellen der homerischen
Gedichte, so fällt auf, dasB die nämlichen Gegenstände bald schwarz, ptXas,
xeÄaivo'f, bald noQyvQeos heissen, so das frisch fliessende Blut xtXat-
ve<pes (J 140) und piX** (ib. 149; vgl. auch A 303; n 441); die damit
befleckten Gegenstände werden dann v 141 ff. dem phönizisch gefärbten
Elfenbein verglichen, und die Erde wird davon (P 361) münzt nog-
(fv^tio benetzt. Der Tod heisst II 834 und u 92 piXuc (s. Ameis z. d.
St.), aber E 83; JZ 334; Y 477 ganz in demselben Zusammenbang
7ioQ<pvQios. Wird ferner P 551 von einer .logtpvQiQ yeg>^Xfj geredet,
so £ 22 von einer ptXaiya. Und wenn ebendurt P 547 die Wolke
der noQtpvqii} im; im Gleichnis gegenüber steht , so wird auch diese
verführerische Epithesis paralysiert durch A 26 f.. wo an den Xqicow
die xvayeot Squxoyrtq veranschaulicht werden sollen; dass dies der
Farbe gilt, ist wenigstens die wahrscheinlichste Erklärung. Dem päXay
xvfitt (daXdaanO V 693 (cf. n 64; 16) steht gegenüber xv/ut ;,og-
<pvQtov SaXctootje (A 482 =^ ß 428; X 243; v 85), äXu noQtpvQiw {II
391), nupyrotov — xifxa — ziotafioto (* 326). Darunter Bind doch
Verhältnisse, wie der Tod, die Wolke, das Meer, bei welchen an eine
wirklich rote Farbe gar nicht gedacht werden kann ; es muss sich
zunächst nur um das „Dunkle" bandeln. Düntzer's oben erwähnte
Beobachtung war also auch auf das Wort noQfpvQw auszudehnen, und
dieses ist in den obigen Stellen Ausdruck einer subjektiven Farbe.
Das Gefundeue stimmt sodann mit der wahrscheinlichsten Etymologie
des Wortes. — Nämlich: „Dunkel" als Grundbedeutung hatDöderlein im
Homer. Glossar III S. 331 ebenfalls schon angenommen, wenn auch seine
Ableitung von yoQvvsty unhaltbar ist. (Verwandtschaft besteht natürlich.)
A. Fick im „Vergleichenden Wörterbuch der indogermanischen Sprachen"
(Göttingen. 1870 S. 140), welchem G. Curtius (Grunds, der gr. Et.
8. 2843) zustimmt, erkannte das Wort richtiger als Intensivform ent-
sprechend dem Skr. jarbhur, zurückzuführen auf die W. bhur mit der
Bedeutung: „sich heftig bewegen". In der That gebraucht Homer das
Verbum /io^upc"' »»r von der unruhigen, aufgeregten Beweguni? des
Meeres (S 16) und vergleichsweise des Herzens, der Gedanken (* 551 ;
BUtier L d. b»yer. GymnuUlw. XL J«hr». 7
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i 427 = 572; * 309). Das war auch Aristarch's Anschauung laut
Schol. Villois z. S, 16: etta&ey öxtty «e/'i»' xiyqfiaxos ij
Xaooa, ur).( i tlfiv cfto ftexaipigei irxi xov( xaxd i/>»/jjV fiegifxyüyxaf xai
TaQaoeofityovg*). Ebenso spricht sich Lobeck in Path. Elena. I p 160
aus; am ausführlichsten hat diesen Begriffsübergang, wenn auch von
einem unrichtigen Etymon aus, erörtert und begründet C. W Lucas
in seinen nach ihrem Princip so wenig beachteten quaestioms lexilogicae,
wovon §§. 115 sqq. hieher gehören. Man vgl. noch A- Fulda, Unter-
suchungen über die Sprache der homerischen Gedichte I S. 40 f. An
eine Färbung dabei zu denken, ist nicht der geringste Anlass. Aber
aus der unruhigen Meeresbewegung erklärt sich, wie noQ<pvQeoe zur
Farbebezeichnung werden konnte. Die aufgeregten Meereswellen sind
trübe und dunkel (s. oben Aristarch); werden die Wellen von Sonnen-
strahlen getroffen , so gibt ihnen die Brechung des Lichtes, besonders
der am Morgen oder Abend schwach einfallenden Sonnenstrahlen einen
rötlichen Schimmer; das Dunkle schillert ins Rote. Zum Ueberflüss
hat Aristot. d. color. c. 2 diese Beobachtung, welche man natürlich
längst vor ihm gemacht hat , und welche die Reiseaden der Neuzeit
wiederholt haben, bezeugt: <paivtrai ök xai i} »dXaxxa rropyrpoewfijf,
oxav xd xvuaxu pex e ta g ifo' fxe v a x«r« rijV syxXiaiy axtuc&p »pof ydq
xov xavxiji xXioudv aa&eveit al xov rtXiov uvyai TigoaßdXXovaat noiova
<t an Fad et t6 /peu^« (tXovQyiq (über den letzten Ausdruck = noQqjvgeov
gleich nachher ein mehreres) Ist das nicht dasselbe, was 200 Jahre
früher Simonides mit poetischer Kürze angedeutet in den Worten
noQyvQiag dX6( dfiyixagaoaofjt'vas (frg. 51)? (Vgl. Ameis £. ß 428.
Oöthe, Farbenlehre §. 57. Lucas 1 1. p. 190 mit anderer Argumentation
§§. 133 sqq). Das aufgeregte Meerwasser, xvpa nogtpvQeoy ist also, je-
nachdem, beides: dunkel und rotschillernd
Aus dem Bisherigen ist soviel klar, dass noQ<pv(>$os zuerst und
noch bei Homer keine bestimmte Farbe, und dass es, entgegen Fried -
reich's Annahme (Realien S. 332*), keinen Färbestoff bezeichnete, sondern
nur einr Farbeerscbeinung, nämlich die des unruhigen Meeres, welches
bald ganz dunkel, bald rötlich schimmernd erscheint. Dieser Gebrauch
bleibt bei den Dichtern, soweit die uns erhaltenen Reste ein Urteil
gestatten , vorherrschend bis auf Aischylos , wie folgende Zusammen-
stellung gegenüber den wenigen später vorzuführenden Stellen ausweiset.
Man beliebe zu beachten: Allem, frg. 53: iiogyvgiag dX6s Theogn. v.
•) In gleichem Sinne Schol. E z ß, 428 und Schol. B, E, Q, Vulg z. <f,
427, desgleichen Eust. z. d St. und z. ß, 428, wo zu lesen ist xo de
noQfpVQtoy yxeiwxiu xjj SaXdaafl, o$ey dXtnogopvga nagd xoig naXtuoig,
aXixkvaxtt, aXovgyd, nog<pvgä (nicht nog<pvgd, b. Schweigh. z. Athen. XII
p. 525, d.)
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1035: noQ(pvQirjq — Xipvqq. v. 828: noQtpvoiovz ategxtvovs zum Kopf-
schmuck bei Festgelagen, also von Rosen zu verstehen. Simon, frg. 51
(8. oben); frg. 72: nootpvQiov dJ dno axofjuttoi leiaa tpioyäy naQ$4vos.
Pbrynich. b. Ath. XIII p. 604: Xa/unsi cP ini noQtpvQiutq nttQ^ai (pug
iQtaros von der Schamröte. Anakr. frg. 2, 3: noQtpvQfy 'j(pQodiin
gegenüber den .Vt/>gp«i uwummttt. Find. Pyth. IV, 183: nregoioiy
noQ<pvQ60K, Nem. XI, 28: noQtpvQiois igveoiy, Ol VI, 55: u»y gay&ttoi
xrti 7itt(jmoQ<fv<}<n$ ttxxiot. [Atsch. Suppl. 629: Xiina noQ<pvQoetdei.]
Immerhin zeigen diese Stellen auch schon eine Verschiedenheit von
dem erkennbaren homerischen Gebrauch ; die Verwendung von noQtpv-
otoi verbreitet sich von dem dunkelroten Schiller der Meereswellen
bis zur sanften Röte eines feinen menschlichen Antlitzes und dem
Schiller der hellfarbigen Violen (vgl. über diese V. Hehn, Cultur-
pflanzen und Haustiere S. 173). Den Zeitgenossen des Sophokles war
dann die ursprüngliche Vorstellung von nogyroeos bereits entschwunden,
und sie verstanden solche dichterische Stellen, wie die aufgeführten,
lediglich als Vergleiche mit dem wirklichen Purpur. Darüber sind
wir direkt belehrt durch die schlechten Witze, welche Athenaeus
(XIII p. 604, a und b) aus den 'r.mdijfiiai des Dichters Jon aufbewahrt hat.
Wenn wir also den homerischen Gebrauch allein beachten, oder
auch wenn wir jenen der ältesten Lyriker, wie wir ihn überwiegen
sehen , danebenstellen und bedenken, dass in der Dias ausser einer
einzigen Stelle alle Farbebezeichnungen nur subjektive sind, so recht-
fertigt nichts, die spezielle Bedeutung: „Purpur" vorauszusetzen; keine
einzige der 17 genannten Stellen hat diesen Begriff zur notwendigen
Voraussetzung, im Gegenteil es wäre unnatürlich, wenn die Griechen,
welche zweifelsohne das Meer früher kennen lernten als den Purpur,
von diesem eine Eigenschaft auf's Meer übertragen hätten, und es
wäre unerklärlich, wie aus dem Grundbegriff Purpur heraus das Wallen
des Meeres hätte noQtpvgeiy genannt werden sollen. Wol aber ist in
dem erörterten homerischen Gebrauch der Ursprung der späteren
gewöhnlichen Bedeutung von nogyvQa ersichtlich und erklärlich; denn
wol ist es natürlich, dass die Griechen, den Schiller des Purpurs
kennen lernend, diesen mit dem längst gekannten Schiller der Meeres-
wellen verglichen. Wie passend sogar zu einer solchen Begriffsent-
wickelung dieser Stamm verwendbar war, kann nicht verkennen, wer
sich gegenwärtig hält, was schon Bocchart 1.1. II p. 733 1. 30 ange-
deutet, dann 1. 51 wieder aufgehoben, Schmidt (a.O. 8. 149 f., 127 und
besonders 157) schärfer durchgeführt hat*), daas zum Wesen des Purpurs
das Rote nicht gehört, sondern „das glänzende schillernde Farbenspiel"
*) Amati 1 1 c XXVH p 36 sq. erkennt in dem Schiller wenigstens
einen Hauptvorzug des Purpurs.
7*
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t 427 = 672; x 309). Das war auch Aristarch's Anschauung laut
Schol. Villois z. S, 16: eitadey öxay «'p*'?*' XapßuvQ xiyrjfAaxog >} $ß-
Xttooa , (AzXnyifciv' dto fAixatpiQBi ini xovg xaxii if/v^tjy (AtQifuvüvxttg *°*
raQaaoo^iivovg*). Ebenso spricht sich Lobeck in Path. Elem. I p 160
aus; am ausführlichsten hat diesen BegrifFsübergang, wenn auch von
einem unrichtigen Etymon aus , erörtert und begründet C. W Lucas
in seinen nach ihrem Principso wenig beachteten quaestiones lexilogicae,
wovon §§. 115 sqq. hieher gehören. Man vgl. noch A. Fulda, Unter-
suchungen über die Sprache der homerischen Gedichte I S. 40 f. An
eine Färbung dabei zu denken , ist nicht der geringste Anlass. Aber
aus der unruhigen Meeresbewegung erklärt sich , wie nogipvgeog zur
Farbebezeicbnung werden konnte. Die aufgeregten Meereswellen sind
trübe und dunkel (s. oben Aristarch); werden die Wellen von Sonnen-
strahlen getroffen , so gibt ihnen die Brechung des Lichtes, besonders
der am Morgen oder Abend schwach einfallenden Sonnenstrahlen einen
rötlichen Schimmer; das Dunkle schillert ins Rote. Zum Ueberflnss
hat Aristot. d. color. c. 2 diese Beobachtung, welche man natürlich
längst vor ihm gemacht bat , und welche die Reisenden der Neuzeit
wiederholt haben, bezeugt: tpaivexai Sk xai i? &äXaxxa nogqivQoeiSijg,
oxav Ter xvfiaxu fi er e <a g i ( 6 u e v « xaxri x*jy eyxXiaiy axiua&fj ngog yog
tov xavxyg xmouov no&evetg al xov rtXiov avyai ngoaßaXXovoai notovai
(faireaOat To xgaifja aXovgyig (über den letzten Ausdruck = noQtpvQSO?
gleich nachher ein mehreres) Ist das nicht dasselbe, was 200 Jahre
früher Simonides mit poetischer Kürze angedeutet in den Worten
vogcpvgittg nXog d^rfixugaaao^iyng (frg. 51)? (Vgl. Ameis z- ß 428.
Oöthe, Farbenlehre §.57. Lucas 11. p. 190 mit anderer Argumentation
§§. 133 sqq). Das aufgeregte Meerwasser, xvua nogrfvgeoy ist also, je-
nachdem, beides: dunkel uud rotschillernd
Aus dem Bisherigen ist soviel klar, dass nogyvgeog zuerst und
noch bei Homer keine bestimmte Furbe, und dass es, entgegen Fried-
reich's Annahme (Realien S. 332*), keinen Färbestoff bezeichnete, sondern
nur eine Farheerscbeinung, nämlich die des unruhigen Meeres, welches
bald ganz dunkel, bald rötlich schimmernd erscheint. Dieser Gebrauch
bleibt bei diu Dichtern, soweit die uns erhaltenen Reste ein Urtfil
gestatten, vorherrschend bis auf Aischylos , wie folgende Zusa:
Stellung gegenüber den wenigen spater vorzufahrend» ; Stellen ausweiset
Man beliebe zu beachten: Alkm. frg. 53: nogy vgt'ug tiXog Theogn v
•) In gleichem Sinne Schol. E z ß, 428 und Schol.
427, desgleichen Enst. z. d St. und z. ß, 428
7iog<pvgtoi> ojxeimrftt Tfj daXtiaafl, o$ey ttAuf
aXixivox€<1 uXovgydj nogavga (nicht nogtr.
p. 525, d.)
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1035: noQtpvQin — Xifirn. v. 828: nootpvoiovs <ne<pavov< zum Kopf-
scbmack bei Festgelagen, also von Rosen zu verstehen. Simon, frg. 5t
(s. oben); frg. 72: noQyvoeov <P cm« oro>oro£ Uiaa pcoraV 7rap£<V<*.
Phrynich. b. Ath. XIII p. 604: kirnst <P 6ü noQtpvQiuig n^tl
SotoTog von der Schamröte. Anakr. frg. 2, 3: nootfvq^ '^oWi'r,
gegenüber den tft^o?«» xw«#nuW*s. p»nd. PyfÄ. IV, 183: nreoofrtr
nopojvpfotf, iVew XI, 28: 7ioQ<pvoiois Ipv6<ni/, 0J VI, 05; fer |«vS«J*«
x«i nupnoQfpvQoig axviai. [Atsch. Suppl. 629: Up*, nop^ep^jii
Immerhin zeigen diese Stellen auch schon eine Verschiedenheit von
dem erkennbaren homerischen Gebrauch ; die Verwendung von nop«»-
pco4 verbreitet sich von dem dunkelroten Schiller der Meereswellen
bis zur sanften Röte eines feinen menschlichen Antlitzes und dem
Schiller der hellfarbigen Violen (vgl. über diese V. Hehn Colfur-
pflanzen und Haustiere S. 173). Den Zeitgenossen des Sophokles war
danu die ursprüngliche Vorstellung von nopp/p* bereits entschwunden
und sie verstanden solche dichterische Stellen, wie die aufgeführten'
lediglich als Vergleiche mit dem wirklichen Porpur. Darüber sind
wir direkt belehrt durch die schlechten Wit«, welche Athenäen*
(XIII p. 604, a und b) aus den ' llntJ^ut«, des Dichters Job aufbewahrt hat
Wenn wir also den homerischen Gebrauch allein beachten, oder
auch wenn wir jenen der ältesten Lyriker, wie wir ihn fiberwiegen
sehen, danebenstcllen und bedenken, dass in der Was anaer eiaer
einzigen Stelle alle Farbebezeichnungen nur subjektive «üd, *> recht
fertigt nichts, die spezielle Bedeutung: „Parpur" raranaaeiat* ; keine
einzige der 17 genannten Stellen bat diesen BegrÜ aar im m jw,
Voraussetzung, in. Gegenteil es wäre unnatdrüdi, wen dir ßiiedkM
welche zweifelsohne das Meer früher kennen kram ah
von diesem eine Eigenschaft auf's Meer fikraq
wäre unerklärlich, wie aus dem Grundbegriff»*
des Meeres hätte noQopvQety genannt werdet «te
dem erörterten homerischen Gebraocn
gewöhnlichen Bedeutung von nop^vft en
wol ist es natürlich, dass die Gritthaa.
kennen lernend, diesen mit dem Jitpr,
Heu \t i L-lichen Wie passend m
Wickelung di»-s< r Stamm verwendbar
nulf, m
100
und dass man nur iu Folge des geschichtlichen Ganges der Parpar-
färberei an die irrtümliche Vermengung von Rot und jeglicher Purpur-
sorte sich gewöhnte, statt dies auf den tyrischen Purpur xor* ifo/ijV
richtig zu beschränken. Nun halte man noch daneben, wie Plin. IX,
38, 62 die Erscheinung des tyrischen Purpurs schildert, je nachdem
man ihn von vorne oder von der Seite, zumal gegen die Sonne
gehalten, besah.
Aus Homer heraus können wir hienach auch Stoffe und Kleidungsstücke,
wenn ihnen das Prädikat togy vgeog beigelegt wird, für nichts anderes
erklären, keine andere Eigenschaft daran erkennen als eine subjektive
Farbe, die des Dunklen und ins Rote Schillernden oder einen Schiller
überhaupt. Lucas 11. p 199 hat darum seine im wesentlichen gleiche
Ansicht durch eine Zusammenstellung der sonstigen homerischen
Bezeichnungen von „Glanz" an den Stoffen gestützt (Z 289; o 105.
E 315; Z 295 = o 108. C 38; X 189; x 337. K 156: cf. Lucas §• 144).
Die betreffenden Stellen sind r 126: dinXaxa nog<pvg£nv am Webstuhl
der Helena in Troie; & 221: nog<pvgeov (*£yn rpdgog des Agamemnon;
& 84 des Ody8$eus; I 200* xdnrt<si nogtpvgioiai über den xltopoi in
AchiH'8Zelt; &796; ninXot zum Umhüllen des Aschenschreines; £644:
tfyea nogyvgea bei Achill in die Bettstellen gelegt und mit ranijrff
und *W<u überdeckt, ebenso & 297 f im Palast des Menelaoe; x350
über den #(>oVoi der Kirke; 115 (u. 154): x^alvttV nogyvgirjy des
Telemacb, und t225: x*-aiv(tv nogtpvgfyy ovXyy äinXijy desOdysseus;
vgl. v. 241 f.: dinXaxa xaXtjy iiogyvgsqy. S- 372: <S(patg«y nog<pvg£qy
der Phäaken ; v 151 : xdnqxas nogfpvgiovg über die Thronoi im Palast
zu Ithaka gebreitet. Vergleichen wir also diese 14, eigentl. 13 mit den
obigen 17, bezw. 15 Stellen, so kommen wir mit unseren Schlüssen immer
noch um keinen Schritt weiter als vorhin ; :togtpvgtog könnte wol an jenen
13 Stellen „purpuren" von wirklicher Färbung heissen; aber an den
andern Stellen heisst es das entschieden nicht. Und da wir sonst
keinen Anhaltspunkt haben, dass nog<pvgeog bei Homer einen doppelten
Gebrauch habe, müssen wir diejenige Bedeutung als die alleinige
annehmen, welche zweifellos ist Ja es wäre ein wunderlicher Zufall,
dass das Substantiv 7i<>g<fvga, wenn es existiert hätte, bei Homer nicht
zu lesen ist. Man wird, denke ich, nicht entgegenhalten die Namen J/on-
<pvgovaaa und JIog<pvgig fürKythera und Nisyros. Denn wenn es heisst
Steph. Byz. S.v. Kv&ygtf vrt<iog duo Kvdrjgov xov <f>oivixog' ixaXttxo cf*
Jlogtpvgovaaa Sid 16 xdXXog ro nagd xtoy nogtpvguiv (1. xüv nag* avxft
nog<pvg<Zy), <og * AgioxoxiX*ig, und S. v. Niovgog' — ixaXsixo xai Uogtpvgig
dno xiZv iv aJrjj nogtpvgwv, so folgt schon aus dieser Ausdrucksweise
gar nicht, dass dies die älteren und jenes die jüngeren Namen
gewesen seien. Im Gegenteil, wie Kythera zuerst eine phönizische
Niederlassung war (s. Her. I, 105), so musste es auch zuerst einen
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pbönizischen Nainen haben, wofür Kythera so gewiss zu gelten hat
als der Name des nahen Kothon (—„Klein", vgl. Movers, Pböniz. II, 2
S. 270 A. 32), uud Nisyros ist mit diesem Namen wenigstens B 676
schon genannt, also doch vor dem 8. Jahrb., in welches nach den sorg-
faltigen Untersuchungen Niese's Uber den Schiffskatalog die Abfassung
dieses homerischen Stückes fällt. Die Bezeichnung „Purpurinsel" wird
darum gar nicht eine geographische gewesen sein, sondern nur ein
Zuname, welcher für Kythera vielleicht gerade erst von Aristoteles
herrührt. Indes kehren" wir zurück. Döderlein a. a 0. (III S. 331)
hat daher mit Recht erklärt, dass, nach den homerischen Stollen für
sich zu urteilen, es unentschieden bleiben muss, ob Homer's noQtpvqea
ei'fiaxa, tpagea, rrm^ref, Qtjyt«, /Ä«**'«t schon gerade purpurrot oder
überhaupt dunkel gefärbt waren". Nicht einmal d»s (iefärbtsein
ist gewiss, geschweige eine decidierte Farbe. „Dunkel" waren sie, wie
das aufgeregte Meer, sei es durch die natürliche Farbe der Wolle
(wovon sogleich nachher), sei es durch einen dunklen Schiller, ähnlich
dem Meere, sei es durch die Färbung in phönizischer Tuuke. Für
Letzteres lässt sich anführen die parallele Ausdruckweise K 133 f.:
xXaivav — (poivixoeooay dmXijv, ixiaii^ otXq <P inevij*o$e hi^vn und
r 225: x^u'yay noQtpvQi'riv ovlriv — dmX!}»>, noch mehr aber die Be-
zeichnung des Blutes als nogcpvQeov (P 361) und seine Yergleicbung
mit dem phönizUcben Rot (J 141).
Der Gebrauch des Wortes noqtpvQeos ist durch alle Teile der Iii as
und Odyssee verbreitet. Das gilt nicht von dem Ausdruck aXinoQtpvQot,
welcher schon als Compositum für jünger gelten muss und auch nur
zweimal in der Odyssee vorkömmt, einmal vom Gespinnste (^Xaxccra
f 53 = 306) und einmal vom Gewebe (<paQea v 108) ausgesagt. Eine
Veranlassung zu dieser Neubildung musste also vorliegen, and das war,
soviel die Zusammensetzung selbst vermuten lässt, eine Verwischung
des Grundbegriffes, welcher durch die Zusammensetzung wieder aufge-
frischt wurde. (Zusammensetzungen mit «At — hat Homer auch sonst
einige). Aber auch diese Zusammensetzung bewahrte den Grundbegriff
so wenig als etwa eine Fixierung der Bezeichnung des Purpurs darin
nachweisbar wäre. Denn einerseits stehen die ^Xaxartt dXinoQfpvqa
C53 gleich der r,Xaxuxq io$*>i(pts elgos l/owa« & 135 und diese wiederum
den oteg — <faevtuaXXoi ioöveykg elgog ixoyJB^ (* f., man vgl. ot*
fjittaivav, nafAfiiXava K 21. , x 527; 525), daher ich oben annahm, dass
unter nog<pvQeog auch die natürliche dunkle Farbe der Wolle verstanden
sein konnte; andererseits treffen wir bei den ältesten Lyrikern wieder
die Wendungen wie aXtn6(>q>vQog etctQog ogvtg Alkm. frg. 21 , 4 und
ouffitt ttXinoQtpvQov Xifiyyg Arion. frg. v. 18, und erst bei Anakr. frg
138 ist uns abermals ein «XutoQipvQov qiyog überliefert, zu welchem sich
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dann wol auch unter den Anacreontea Nro 35, 2: dXi:toQtf>vQo^ td/itjaty
▼ergleichen lässt.
In dem Compositum nXmoQtpvQos liegt also einerseits selbst wieder
eine Bestätigung dessen, dass noQtpvQcoe nicht von anfang an die wirkliche
Purpurfarbe als solche benannte, weil man an uXi nicht zu erinnern
brauchte, wenn man die Purpurschnecke zuvor kannte, und sie dem
Stamm noQtptQ - den Namen statt umgekehrt gegeben hätte, andererseits
allerdings auch eine gewisse Specialisierung des Wortes oder ein
erster Ansatz dazu, insofern es eine Farbe, die nicht dem Meere
gleicht oder nicht vom Meere stammt, als Gegensatz durchblicken lässt.
Eine weitere Combination lässt sich leider daran nicht knüpfen; denn
nun verschwindet das Wort so zu sagen ganz aus unseren Literatur-
zeugnissen und daher wol auch so ziemlich aus dem Gebrauch, bis die
Lexicographen und Scholiasten darauf wieder zu sprechen kommen,
was natürlich gar kein Beweis eines fortgesetzten Lebens ist Wir
können darum auch deren Deutungen keinen grossen Wert beilegen,
auch wenn Poll VII, 58 von der persischen Kleidung sagt: 6 <fe xuv&vq
6 fihv ßaalXetof tlXinoqtpvQos , 6 <f 'e rtSy «XXtov /lOQyvQovs, welche Stelle
vielmehr wie ein MisverBtändnis von Xen. Cyr. VIII, 3, 13 sich aus-
nimmt. Gerade in dieser zeugnislosen Zeit aber geschah die Begriffs-
wandlung des Wortes, seine erste bestimmte Verwendung für Purpur.
Denn anstatt dXinogfpvgos erscheint vom 6. Jahrhundert an das, wie mir
scheint, aus ihm abgekürzte dXovQytjs und dessen Sippe zur Bezeichnung
des Purpurnen. Die Composition alt - egyo konnte doch diesen Begriff
so wenig unmittelbar entwickeln, als ihn »aXaaaovgyo - <■ entwickelt hat;
dieses hat immer vom 5. Jahrh. an, wo es zuerst bei Charon hist. frg
10: reif — 9-uXnaaovQyuiv riytts (gleich ol tiXteif nachher) begegnet,
bedeutet, was seine Bestandteile aussagen : die Arbeit des Fischers
oder des Grosshändlers; so bei Ephor. fr. 60: iwy dy&pajnwv ^aXarxovp-
yovvrtov i/xnogutwg, bei Xenophon, Polybius, Lucian. ' JXovQyqs dagegen
finden wir zuerst im 6. Jahrh. bei Xenophanes frg. 3 (Bergk): nava-
XovQyia g>agea von den tausend Aristokraten der Kolophonier (vgl.
Theopomp. b. Athen. XII p. 626, c), bei Ätsch. Ag. 920 und zwar
sogleich mit der Bedeutung: „purpuren", und so ist es doch nicht
wol anders denkbar, als dass mittels des Durchgangs durch die Form
aXtnoQ(pvgo( erst dem Worte tiXovoyijs und gleichzeitig dem Stamm
noQtpvQ- die specielle Bedeutung „Purpur" gesichert wurde in noQ-
tpvga, noQ(pvQeog und noQtpvQevat.
BoQ<pvQa in dieser Form und zur zweifellosen Benennung des
Purpurs mittels dieses Stammes erscheint für uns zuerst bei Alkman,
welcher von Geburt ein Asiatc war, im frg. 65: ov yuQ nog(pvga(
xoeoq xooos, äar' afdvyaa^ai (ob man hier dpvyao&at in seiner genauen
Bedeutung: „von 6ich abwehren" oder nach dem Grammatiker Aristophanes
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im Schal e. H. E 266 gleich dem einfachen atisfyaoSai zu verstehen
habe, macht hier keinen Unterschied.) IIog<pvg« kann hier ebensogut
die Purpurschnecke, als metonymisch die Purpurfarbe oder der Purpur-
zeug sein, just wie die Römer mit purpura und wir im Deutschen mit
„Purpur" uns gewöhnt haben Wie aher das auch zu verstehen sei,
so steht fest, dass die Purpurschnecke ihren griechischen Namen
spätestens im 7. Jahrb erhalten; denn nogtpvga ist gleich xdyxn noQ~
(pvQu, und eine andere Ellipse kaum denkbar. Wie zufällig und mangel-
haft aber unsere Ueberlieferung ist, sehen wir daraus, dass die nächste
evidente Spur der Purpur Schnecke erst durch eine Stelle des
Aischylos (Ag. 959) und dann ein Fragment des Sophokles (Past. frg.
b. Sc?wl. Ar. Equ. 1147): xrjfiolot nXexzoig nogq)vgct( eibalten ist.
Doch lehrt uns noch aus der Zwischenzeit des 6. Jahrhunderts ein Zeugnis,
dass noQyvQevetv vom Färben mit Purpur gesagt worden. 'AxovaiXaos
cFc iy negi yeveaXoyiwv 7iog<pvgev9qyal (pqow vno tfc !h(Xda<ftjs (sc
ro <tiga6 sive roV paXXdy): Schol. Apoll Rh. IV, 1147. Denn diese
ungewöhnliche Ausdrucksweise soll nichts anderes bedeuten als wenn
Schol Eur. Med. 5 sagt: Udyxgvaov (fegag' — xai £ift<uyiJt]( dk iv
loi etf xov flooEid'ioya i in u> (frg. 21 , Bergk.) dno xiCy iy rfj &aXda<jß
nogtpvQüiy xf j>n<üu,'+ai avr6 Xiytt. (nogg>vgioy ist hier doch wol statt
nog<pvg<ov zu lesen) Eine Bestätigung dessen liefert uns der Inhalt
des sybaritischen Gesetzes (aus dem 6. Jahrh., worüber nachher mehr)
bei Athen XII p. 521, d (Phylarch. frg 45), wodurch sie rot/V tijV nog-
tfvgav xijy SuXaxxiav ßdnxoyxag xai xot>g sladyovxas dxeXets inoirioay,
in welchen Worten wahrscheinlich der Gesetzestext verwendet ist. In
diesen Worten Alkmans, des AkuBilaos, des sybaritischen Rechtes und
des Sopkokles kann der Begriff nogtpvga nichts anderes als Purpur im
eigentlichen Sinn, den Färbestoff oder damit Gefärbtes bedeuten.
Dazu kömmt nun das Fragment Sappho's b- Ath. IX p. 410, e (Nro 44
b. Bergk), aus welchem, so schwierig die Stelle im ganzen ist, doch
soviel hervorgeht, dass von /etpo'^ßxrp« nogtpvga oder nogtpvgas als
Kopfschmuck asiatischer Frauen die Rede war, welche aller Wahr-
scheinlichkeit nach als Geschenke aus Phokaia (anv 4>aixdac) der Aphrodite
geschickt waren. Danach dürfen wir unbedenklich frg. 64 ebenfalls
hieher ziehen, welches nogtpvgiav x^duvy dem Eros zuschreibt, ferner
der Zusammenstellung wegen Bakchyl. fr. 28: ovxe /ptxrof otJre koq-
tpvgeot xdnrtxe$ , Simon, frg. 37, 12: iy aogtpvgiq /AaWcf* des Kindes
Perseus; und Pind. Pyth. IV, 114: anagydvoig iy nogtpvgiois von einem
forstlichen Kinde. Endlich ist überaus deutlich und wichtig Atsch Ag.
910: nogtpvgoaxgmxog ndgos, 957: nogtpvgas naxeSy und 959: (SvXctoaa)
xgitpovoa noXX^g nogtpvgaq iadgyvgoy xtjxiffa nayxaivittxov sl/Lidxtoy
ßatpds. Beachten wir an dieser Stelle zugleich das iadgyvgoy , welches
v.949 in den Worten dgyvgtoytjzovf vtpds betont ist, und die nur schwer
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überwundene Ängstliche Scheu des Königs vor der göttergleichen Ehre,
Ober Purpur zu schreiten |v. 946 ff : xai toitrde iußaiyovr* oXovq-
yt'otv &$d>y fiij Tif npöott&ey . ««reu»' ftdXot <p»6yoq- noXXrj yup aidatf
tlftarotp&opeiy nooiv tp^eiqovia nXovxoy aQyvgtoyijrovs & v<pns): so
drängt sich unwillkürlich eine Ahnung auf, welch' kostbares Gut noch
Aiscbylos und seine Mitbürger um die Mitte des 5. Jahrhunderts (Auf-
führung des Agamemnon Ol 80, 2) in dem echten Purpur erkannten.
Denn ein andermal \Eum. 982) sieht derselbe nur etwas Herkömm-
liches in den tpoiyixoßanra io&r^ttta an den Teilnehmern der Eume-
nidenprozession.
Indes kehren wir vorläufig zur Geschichte des Begriffes toptpvpeos
zurück. Nachdem wir dessen Identifizierung mit dXovpye'f soeben bei
Aischylos (v. 946) gesehen haben, welche auch Aristoph. Equ. 967,
Plat d. rep. IV p.429, d wegen der Zusammenstellung mit devoonotds,
wozu Harpocratio s. h. v. zu vergleichen , und Bonst ersichtlich ist,
erübrigt die Untersuchung, welche specielle Farbe jetzt noptpvpeos und
dXovpyijg bezeichneten. Hinreichende Lelehrung gibt darüber Aristoteles
d. color. C. 2: Kard ftky ro (jmXkov xai »jrror (^Qtoudrtay tpayraoiai\,
äonep ro tfoiyixovy xai ro dXovpyiq' — 616 ro /ue'Xay xai axiegoy rw
tputi fttyvv/jsvov tpoiyixovy. ro ytip fiiXay fiiyyvfxeyov ry re rov tjXiov
xai rtp rino rov nvpot (ptori 9eu>pov/*ey dei yiyvopevov tpoivixovv. — ro
o*' dXovpykf ev«y9is pkv yiverat xtti Xafjinpov, orav r$ ftcrpiy Xevxijt xai
oxifQtp XQa»tZaiy do$eyeis al rov qXiov avyai. d"to xtti nepi dvatoXdg xtti
dvatti 6 drtQ noptpvgoeidtjg loriv ore tpatverai, [nepi dvaroXijy xai dvaty
ovtoq xov ijXtov] *). dodereis ydp ovaat rare futXiQra npdq axiegoy ovxa
rov atga ngooßdXXovaiy. tpaiverai di xai »; 3«A«rr« nogtpvgoetdtjs, öray
ro xvfiura fitreutgiZofieyu x. r. X. (wie oben s 98). Und etwas später:
fjttXatyofiiytay (r<uV ßorgvuty) ro tpoiyixovy eis ro tuavgyes fteraßdXXei. Ueber-
einstimmend hiemit ist die Beschreibung der Regenbogenfarben meteorol.
III c. 4, woraus ich mich auf folgenden Satz beschränken will: ro de
rov Xv%yov tpiZf ov Xevxov, uXXd nogtpvgovv tpaiverai xvxXm xai iguodeg,
tpoiyixovy d' ov cor» ydg fj re btyis oXiyn j dvaxXoifxeyt) , xai uiXay ro
ivonrpo*. Es lässt sich also mit Bestimmtheit sagen , dass tpoiyixoeis
und uopipvpeos den roten Schimmer bezeichnen, aber jenes das Hellrote
(o'fv, wie ffoirtxtd" o$eiay ndyv Arist. Pac. 1173), dieses ebenso wie
dXovpytjf das Dunkelrote. Soweit es sich also um wirklichen Purpur
bandelt, ist tpoiyixoetf, die rote, dem Scharlach ähnliche, aber mildere
Nuance, nogtpvgeos die Sorte, in welcher das Dunkle das Rote überwiegt,
oder mit Ktesias (s. 2. Abschnitt) zu reden, jenes ist igv&goy ndyv, äonep
xiyydßaQt, o'ftf xai wXavyt's, dieses nogtpvga ßiAeiu (frg. 72 Müll., aus
Ael. H. A. IV, 36).
•) Sind die eingeklammerten Worte nicht einer Glosse entstammt?
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J05
Bis jetzt haben wir den Begriff nootpvoeoe in der Art sich ent-
wickeln sehen , d.iss er vom Allgemeinen zum Besonderen übergieng
(also umgekehrt wie bei q>oinx6eis), dass das Unbestimmte sich in einem
engeren Kreise fixierte und präcisierte. Aus der Bedeutung: dunkel
(wie das bewegte Meer), ergab sich: rötlich schillernd wie die beleuchtete
Meereswelle, und diese Vorstellung wurde auf die ähnliche Erscheinung
des Purpurs übertragen, keinesfalls später als im 7. Jahrhundert v.Chr.,
wol aber froher, v i e 1 1 ei c h t in der Zeit, da die Odyssee und Ilias K
entstanden. Hier aber geschah diese Vergleichung und Uebertragung,
wenn sie geschah, noch mehr unbestimmt und andeutungsweise, doch
entstand daraus allmählich eine Benennung von Farbe und Färbestoff,
welche bei Alknian und Sappho vollzogen und stehend erscheint sowol
von der Purpurschnecke als von Purpurzeug: I. Phase der Begriffsent-
wickelung; die Farbe dieses Purpurs, haben wir ferner erkannt, war ein
dunkler Schiller, worin das Dunkle das Rote Oberbot. In einer II. Phase
erhielt dieser Farbename eine Anwendung in verschiedenem Sinne,
speciell nnd generell Soweit nämlich die Betrachtung eben geführt
hat. haben wir aus dem anfangs ganz vagen Wort bis zum 7. Jahrh.
v Chr. einen sehr speciellen Namen herauswachsen sehen, welcher
einen Gegensatz zu <poivtx6eis, dem Hellroten, bildete. Um die Belege
hiefflr nochmals in Erinnerung zu bringen, beliebe man ausser Alkman
und Sappbo besonders Aisch Ag. 957 neben 946, und Arist. d. color.
c. 2 zu vergleichen. Nun nehmen wir noch hinzu aus dem 5. oder
4. Jabrh Diokles com. b. Ath III p. 86, c. und Speusippos ebenda»
welche beide ebenso wie Aristoteles selbst und viel später Strabo
(III p. 145) die noQtpvoai als Sorte neben den xqovxes, den Spendern
der hellroten, scharlacbäbnlichen Buccinfarbe, erwähnen; in gleichem
Sinne stellten gleichzeitig der Komiker Plato und der Geschichtschreiber
Chores noQtpvoovs und tpoivixovs zusammen, jener in dm Versen bei Ath
II p. 48, b. : x«r' 4r xXivaig iXeq?ayr6noaiv xai ffrorifAitoi nootpvQoßanr<nc
xtty y ot vir im attotiiavixaioiv xoo/jr^uuevoi xaraxeivrai , dieser in dem
Fragment bei Ath. XII p. 538, d : xftreaxexaato 6 oixog {roxi AXeJ-avÖQov)
- IfittTioig *e xai Ö9oviot<; v.oXvTtXioiv , vno de xavta HOQ (f i (jo xat
qwtrunOe /ptHrot>eVi. Ebenfalls nur der echteste, dunkle Purpur kann
verstanden werden, wenn Ephippos b Ath XII p 537, c erzählt, dass
Alexander bisweilen rijV rotl "AfxfAuyog nooqtvoida angelegt und fast
täglich xfapvö« re rruQtpvQtff xai /irtuy« (ieaoXevxov getragen habe.
Der aisehyleiseben Zusammenstellung begegnen wir ganz wieder im
3. Jahrh. bei Phylarchos in Ath. XII p. 539, f.: iyompe de xai rote
AXi^avdoog rais iv Itt>y(q noXeai xai nodHrots Xtois, fmwf avrip noo-
rpvoay anoareiXiooiv %&eXe ydo tov( itaioovq ariayrag dXovoyd c
ivdvcat, aroXas, ebenso bei TJieopompos im 15 Buch seiner Historien
(Ath. XII p 526, c): /tAfot* tp^aiv aydoas (rtuy KoXo(p(oyi<oy) dXovoyeit
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tpoQovvrae axoXag a<rr%<noX$tv' öye xai ßaoiXevoi aixnviov tot1 tjv (nämlich
im 6. Jahrh. ungefähr) xai neQurnovdaoxoy' iaoaxaoiog ya(t rjy q
71 o Q,op V Q€t 71QOS aQyvgoy i£ex afou«V»j. Und nicht anders erwähnt
KUarchoa b. Ath. VI p. 25;'), e von einem Kinde noorpvQovv uutpixanoy
auoQyivy (so fein nämlich, s. Schweighäuser ad h. 1.) xaXvpfiaxi ntQi-
EtXqfAuivoy TtQoaxetfäXaitt d" c?/e tqiu f**y — ßvaaiya naQaXovoyij.
Ein Teil dieser Zeugnisse von Alkman bis Aristoteles lehrt aber
zugleich, dass noQopvga schon in dieser Zeit nicht mehr blos eine
Species des Purpurs, die dunkle Sorte, benannte; es war daneben auch
Gattungsname geworden. Ein Erklärungsgrund dafür mag sein, dass
der dunkle Purpur nur von der Schnecke zu gewinnen war, also —
Schneckenpurpur, andere Schnecken aber auch hellen Saft geben.
Dazu war qpoiyi^ t die ursprüngliche Benennung des hellen Purpurs,
ein gar unhandliches Substantiv , welches man gerne durch vuQtpvQu
ersetzen mochte. Und es ist vielleicht nur Zufall, aber es ist doch so,
dass wir bis Ktesias nur uoQtfVQu, nicht auch nooyvQeog vom hellen
Purpur, sohin generell gebraucht finden. Der Gattungsbegriff, wie
ihn, rückwärts verfolgt, die Wendungen bei Diodor. XVII, 70: noXv-
i f'/.fti ia&^res — S « X « a a i « i c noQtfVQaiq — h exoixilue'yai, bei Strabo
XVI p. 757 : naoaiv q Tvgia xu XX io x y n o\q q> v q u, oder 1 Makk. 4, 23 :
vaxivboy xai noQtpvnav &aXaottiav voraussetzen, tritt auch zu
Tage in dem Fragment von Duris b Ath XII p. 535, f.: iftßan,g (xov
.ItipijTQiov) niXqpa XufApävtoy xt\g noXvreXc<rr€tr*]g noQxpvQag und
dem von Phylarchos (8. oben S . 103) : xovg r *o 4 $ay r $v 9aXax-
Tiav ßduTovraq. Nun gehört aber dieses sybaritisebe Gesetz seinem Inhalte
nach ins 6. Jahrh. r. Chr.; und dass Pbylarchos davon auch den Wort-
laut bewahrt, ist wenigstens nicht um dieses Ausdrucks willen bedenklich,
nachdem im b. Jahrhundert h'esias iv '\vSixoig (frg. 72) von nooqpvQq rp
ßa&vTUTfl sprechen, ferner opotvtxovs, wie oben im 2. Abschnitt S. 57 zuer-
kennen, als eine Art der jioQfpvqa behandeln, und (fr. 57, 21 aus Phot. Bibl.
LXXII) schreiben konnte: nuqd 6h Tag n^ytig xovtov xov uora^ov (seil.
tov 'Yndoxov) l<rr* uctpvxog av9og noQrfVQovy, i£ ov noorpvoa ßdnxtxui,
ovfhv jjrrov rrjg 'EAAfjvtxijc, aXXd xai noXv evay9e<rxe'()u liier lesen wir
nicht nur nopopvQa, sondern auch noQfpvoeog als Gattungsbegriff in
so weitem Umfang verwendet, dass es nicht bloss das Coccin der
Trompetenschnecke einschlicsst, sondern geradezu den indischen Kermes
für sich bezeichnet. Wir dürfen uns also nicht wundern, wenn anderswo
die Conchylienaorten ebenso benannt werden, aber das ist beachtenswert,
dass das Wort eine dieser Sorten, eine rötliche den andern, und
ferner wieder die dunkelrote andern dunkeln Sorten gegenüber stellt,
also in neuem und doch zugleich altem Sinn als Speciesname auftritt.
Demokritoa von Ephesos lehrt uns das. Weil die Stelle für die Purpur-
. frage überhaupt sehr wichtig und zugleich schwierig ist, möge sie ganz
, >r.^j|j|jgitized by Google
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hier Platz finden *Ev itQorsQut neol tov it> 'Eytoip vaov bei Athen.
XII p. 525, c. erzählt Demokrit: r« de xmv 'ituvcov (t/tax ut) toßa<pij xai
noQffVQÜ xai xooxiva gofAßoig vtpavtä — xai oaQtinets firjXtvoi xai nop-
(pvooi xai Xevxoi, \ol <fi dXovgyeli]. xai xaXaaiqeie xoQiv9iovQysis' eiai de
al [Akv ,ioQ<pvQui xovxtov, eil de ioßayets, al de vaxivSwai' Xdßot d1 av
xai (pXoyivaq xai 9aXa<r<roeidete. Später: ol de xiy/Qoi y,i,uari nop-
(f*'i>'i> Httvres eis f,V eioto uoiqav ap/Aar* i/ovaiv dvd tiiaov. Alle hier
genannten gefärbten Stoffe, ausser vielleicht dem safrangelbenj, sind
Purpur, worüber nach W. A Schmidt a. a. 0., diesen in einem Punkte
berichtigend, H. Barth, de Coritithiorum commereio et mercatura (Dies.
Berol 1844) p. 23 sqq. des näheren gehandelt hat Es kann nnn nach
der Zusammenstellung der Farben im allgemeinen als sicher ange-
nommen werden, dass das dreimal wiederkehrende noQtpvQovs jedesmal
eine rote Purpursorte meine. Welche an erster Stelle, muss ich
dahingestellt sein lassen. An zweiter Stelle ist zuerst Xevxoi mit den
zwei andern Farben zusammen im Sinne von ueooXevxoi zu fassen; denn
nach Ktesias d. r. Pers. fr. 43 (6. Hesych 8. v.) ist adQants tl ixos
/iro/V tieodXevxos, und nach Poll. Onom p. 730: 6 de odgamg Mqdtav ti
tpoQqfia, .loQtpvQovs ueaoXevxoq /ira>V. Es sind also bei Demokrit nicht
dreierlei, sondern einerlei caodneis gemeint, an welchen je ein weisser
mit einem gelben und roten Streifen wechselte. Was für Rot? Ist ol
de dXov^yeis echt, so wäre schon durch diesen Gegensatz des tyrischen,
dunkelroten Purpurs das noQyvooi als Hellrot fixiert Ich halte nun
freilich die eingeklammerten Worte für Glosse zu dem misvertandenen
noo(pvQoi; so zusammenhangslos stehen sie im Text, ja so widerspruchs-
voll. Denn hätte der Autor selbst ihnen diese Stelle angewiesen, so
könnten sie doch nicht das noQtpvoot allein variieren), sondern würden
eine weitere Art ganz dunkelroter oaQanets aufführen, und das wider-
spricht dem Begriff dieses Kleidungsstückes. Aber auch dann, nach ans-
stossung der 3 Wörter, kann nog<pvQoi neben der hellen Conchylienfarbe
Gelb an demselben Stoffe schwerlich etwas anderes als die rote Con-
chylienfarbe bezeichnen d. i nach Schmidt: Blaurot'). Am sichersten
fühlen wir uns an der dritten Stelle Derookrits. Denn Janthin und
Hyakintb sind nach Schmidt- Barth zwei der 3 üblichen Blattapurpur-
sorten. Was liegt also näher als dass nogqivQoi hier die dritte dieser
Sorten, den blutroten = tyrischen — lakonischen Porpur andeute,
dass sohin, was uns sehr interessant ist, in Korinth gerade diese drei
feinsten und gesuchtesten Sorten vorzüglich fabriziert wurden.
*) Die gleiche Zusammenstellt: ng der Farben erscheint bei Hippiaa von
Erythrä, welcher (b. Äth. VI p. 259, c) den Tyrannen von Erythrä in des
Ortygea Gesellschaft dtadt'^axa tu',Xiva xai noQtpvoä zuschreibt.
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Doch es ist notwendig und erlaubt abzubrechen mit der Bemerkung,
dass, weil noQ<pvQeog zugleich Gattungsbegriff wurde, yotWxeof natürlich
von da an seltener erscheint und zuletzt, aber kaum vor dem 3. Jahrb.
wegen der Aebnlichkeit der Farben mit Scharlach identifiziert wurde.
(S. Schmidt a. 0. S. 101 und oben 2. Abscbn. S.58) Dadurch mochte es auch
veranlasst sein, dass no{i(f i\> < »j endlich sogar die hellrote Species echten
Purpurs bezeichnete. Diese spätere Entwickelung ist von W A. Schmidt
in der belobten Schrift dargestellt, welcher sozusagen mit ängstlicher
Gewissenhaftigkeit den verwickelten Knäuel der vielerlei Unterschiede
von Purpursorten , wie sie im Laufe der Zeit aufkamen, nicht durch-
gehauen, souderu glücklich gelöst hat. Den vorausgegangenen Sprach-
gebrauch hat Schmidt nicht genau beobachtet (es kam für ihn nicht
darauf an), und wenn er daher (S. 100) sagt, „das Altertum hielt Coccin-
und Purpurfarbe stets auseinander; mit der ersteren ist die sogenannte
Punische oder phönizische Farbe identisch", so ist, wie wir gesehen
haben, das Gegenteil richtig und Schmidts Behauptung nur vom römischen
Altertum giltig. Nichts weiter hat Amati 1.1. c. XVI sq. bewiesen
Nach diesem späteren Gebrauch allerdings, sagt Schmidt richtig
(S. 118), bezeichnet „noftyvQa zwar im weitereu Sinne jede Art von
Purpur, und im weitesten selbst das Buccin (die Farbe der Trompeten-
schnecke); im engeren Sinne aber die aus reinem Purpursaft bereiteten
und daher dunkeln Farben, im Gegensatz zu den aus verdünntem Saft
entstehenden und daher hellen ; im engsten endlich die mit Buccin
präparierten im Gegensatz zu den buccinlosen. In den beiden letzten
Fällen ist also noQcpvQtt der Gegensatz von conehylium, und überdies
in dem engsten zugleich synonym mit blatta und äXovQyos, so dass nicht
nur blatta und akovQyoc, sondern auch purpura, im Gegensatz zu
conehylium, die beiden" (richtiger drei) „buccinierten künstlichen Haupt-
purpurfarben , den tyriseben, den Amethyst oder Janthin- und (nach
ßarth's Berichtigung) den Ilyakinthpurpur bezeichnet". Wie weit sich
diese Unterschiede rückwärtB verfolgen lassen , habe ich , da es ander-
wärts, auch im Thesaurus des H Stephanus nach der neueren Ausgabe
noch nicht geschehen ist, nachzuweisen gesucht, und daraus eine
Bestätigung dafür gewonnen, dass der Begriff tpoivixi sich nach und
nach verallgemeinert und verflüchtigt, noQyvQeos aber sich verdichtet
und specialisiert hat. Dieser Entwicklungsgang bezeugt sobin, dass es
richtig ist in den homerischen Gedicbten einen engen Begriff von
<po(vixi und einen unbestimmten von noQ<pv^eos anzuerkennen.
(Schluss folgt.)
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Zu Cicero's Briefen an Atticus.
Wenn irgend welche Schrift aus dem classischen Alterthum, so sind
uns Cicero's Briefe, besonders die an Atticus, mangelhaft überliefert.
Alt sind die Klagen darüber und alt die Versuche der Gelehrten , den
Mängeln des Textes durch Herbeiziehung neuer Handschriften, oder
wo auch diese den Dienst versagten , durch eigene Conjecturen abzu-
helfen. Für uns scheint nicht blos die glückliche Zeit des Findens
vorüber zu sein , aueh die von den Philologen früherer Jahrhunderte
benützten Handschriften sind tbeilweise wieder verloren gegangen.
Von summt liehen auf uns gekommenen Handschriften ist es so viel
wie ausgemacht, dasB sie aus einer gemeinsamen Quelle geflossen sind,
als deren älteste Abschrift uns der Codex Mediceus erhalten ist; denn
Stellen, die uns in einer Handschrift fehlerhaft überliefert sind, finden
sich in ähnlicher fehlerhafter üeber lieferung in allen andern Hand-
schriften. Von dieser gemeinsamen Quelle der Briefe an Atticus scheint
mir dies festzustehen, dass sie nicht von einem vorliegenden Exemplare
abgeschrieben, sondern dictirt worden sei. Denn der uns überlieferte
Text enthält viele Fehler, die nur dnrch's Dictiren entstanden sein
können. Wer vor sich Liegendes falsch liest, wird eben so häufig
Vocale wie Consonauten falsch lesen ; wer Vorgesagtes nachzuschreiben
hat, wird die Vocale, den laut klingenden Theil der Rede, nicht so
leicht missverstehen als die Consonanten, den stummeren Theil. Wenn
also häufig in irgend einer Schrift die Vocale richtig wiedergegeben
sind und die Fehler in der Setzung von falschen Consonanten liegen,
mithin statt der richtigen gleich oder ähnlich lautende Wörter gesetzt
sind, dann werden wir schliessen dürfen, dass diese Schrift irgend wem
in die Feder dictirt worden sei. Man beachte folgende Stellen.
IV, 6, 3: Sed ille non miser, nos vero ferri. Orelli
begnügt sich mit der Conjectur von manus 2 des Mediceus: ferrei.
Dies könnte nur: hartherzig bedeuten, was nicht in den Zusammenhang
passt. Boot hat richtig vermuthet: miseri: Er, der verstorbene
Lentulus, ist nicht schlimm daran, aber wir sind's. Statt miseri hat
der Schreiber, dem nur noch die Endung des dictirten Wortes im Ohre
nachklang, vielleicht auch vom v. rangehenden vero etwas beeinflusst,
das sinnlose ferri geschrieben.
V, 11, 5: Sed ego harte, ut singuli dicunt, aV«£tav von
Gronov richtig geändert in: ut Siculi dicunt
V,14,l: Antequam aliquo loco consedero, neque longas
a nie neque Semper mea manu Hieras exspectabis; quum
autem erit spatium, utrumque est dabo. Die sinnlosen Worte :
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est dabo sind sicher ein missverstaudenes : pr aestabo, wie Victorius
corrigirt hat.
V, 21, 11: H<n tat us sunt; detivi etiam ist die ursprüngliche
Lesart des M.; corrigirt ist: decium etiam; jüngere Handschriften
haben: demum etiam. So ist der Fehler immer grosser geworden.
Der gedankenlose Schreiber verstand and schrieb so statt: petivi.
VI, 1, 3: Quem ego omni studio de auetore s um com -
plexus, quem etiam amare coeperam; sed dico revoeavi
me. Dass dico fehlerhaft sei, kann Niemand bestreiten. Die alten
Herausgeber Hessen es weg. Dass es aus dem von Wesenberg in den
Text aufgenommenen illico oder vielleicht noch wahrscheinlicher aus
dem von Orelli vermutheten cito entstanden ist, wieder durch ein
Mis8vcrständniss des Schreibers, ist klar.
VI, 1,3: Noli enim putare me quidquam maluisse
quam ut mandatis facerem. Ernesti und Schütz lesen :\quam ut
mandarat is facere Doch was soll hier is'l Viel wahrscheinlicher
ist Wesenberg's Vermuthuog: quam ut mandatis satisfacer em
Wie leicht konnte der Schreiber nach mandatis das satis überhören
oder glauben, der Dictirende wiederhole nur die Endung?
VIII, 12, 2: Nam certe neque tum peceavi, cum impa.
ratam Capuam, non solum ignaviae delectus, sed etiam
perfidiae suspicionum fugiens aeeipert nolui. Dass igna-
viae delectus suspicionem recht schworfällig und unverständlich
wäre für: negligentiae in delectu habendo suspicionem,
ist längst erkannt ; man liest entweder: ignaviae delictum oder:
ignaviae dedecus; letzteres verdient den Vorzug; denn das band-
schriftlich überlieferte delectus ist weiter nichts als ein missver-
standenes dedecus
IX, 15, 4: Mandata C aesaris quae rogas nulla habeo;
et descripta attulit illa e via, misi ad te. Die editio Romana
prineeps gibt für et descripta — quae descripta. Beide Les-
arten sind nicht zu erklären. Wir vermissen ein Subjekt zu attulit;
dieses steckt im verderbten descripta. Das richtige fand Turnebus:
quae Aegypta attulit illa, e via misi ad te. Dass Aegypta
ein tabellarius des Cicero war, beweist VIII, 15: Epistolas mihi
tuas Aegypta reddidit. Auch hierist et oder quae descripta
ein falsch verstandenes: quae Aegypta.
X, 4, 8: Ejus int eritum finem Uli fore. Dass für Uli der
Zusammenhang belli verlange: Curio's Ansicht geht dahin, dass der
Bürgerkrieg blos mit dem Untergange des Pompejus enden könne und
werde, hat schon Manutius erkannt. Da Uli leicht ein missverstandenes
Iii
belli Bein kann, verdient des Manutius Conjectur den Vorzug vor
Orelli's Vermuthang: mali.
X, 10, 5: Ego vero vellunt ridiculo, oder: velo ridiculo,
sinavis non erit, eripiam me ex istorum parricidiis. Für
das dictirte: vel lintriculo hat der Schreiber: vel ridiculo
verstanden und velo und vellunt sind bereit« Verbesserungsversuche
der sinnlosen handschriftlichen Lesart.
XI, 7, 7: Utinam Uli, qui prius illum vi debunt,
me apud illum velint ad tu tum oder: actutum, letzteres
natürlich ein Missverständniss für: adjutum.
XI, 14, 3: Ad Minucium parentum acribam. Das
fehlerhafte parentum wurde bereits von Gronov in Tarentum
verbessert.
XI, 24, 1: Quae du dum ad me et quae etiamadme
visat T ulli am de me scripsisti. Richtig Victorius: et
quae etiam ante bis ad Tulliam de me scripsisti
Wer eine vor sich liegende Handschrift entziffert, kann schwerlich auf
das sinnlose: ad me visat kommen, wohl aber ein gedankenloser
Schreiber das dictirte : ante bis ad so verstehen und schreiben.
XIII, 20, 4: Quidquamne me putas curare in toto
nisi ut ei ne desim Für das fehlerhafte: in toto liest Lambin :
in vita; indessen ist kaum begreiflich, wie aus in vita die falsche
Lesart: in toto hätte entstehen können. Hingegen vermuthet Orelli
mit gröaster Wahrscheinlichkeit: in foro. Das folgende : id ago
scilicet, ut judicia videar tenere, lässt vermuthen, dass
Cicero auch hier von seiner Wirksamkeit als Redner gesprochen habe.
Zudem konnte sehr leicht ein missverstandenes foro zu toto werden.
Es Hessen sich noch manche Stellen anfahren, an welchen der
ursprüngliche Text dadurch hergestellt wurde, dass man an die Stelle
der falsch überlieferten Worte ähnlich klingende, so ziemlich aus den näm-
lichen Vocalen bestehende setzte ; indessen erachte ich durch die bereits
angeführten den Beweis für erbracht, dass sich in der handschriftlichen
Ueberlieferung der Briefe an Atticus Fehler finden, welche durch 's
Dictiren entstanden sein müssen , und theile nur noch einige Stellen
mit, welche ich selbst durch Anwendung des nämlichen Verfahrens zu
verbessern suchte; mit wie viel Glück, mögen Gelehrtere entscheiden.
II, 4, 2. Clodius ergo, ut ais, ad Tigranem?
vel im Syrpiae conditione. Syrpiae hat den gelehrten
Herausgebern viel zu schaffen gemacht. Ein Syrpias ist uns nicht
bekannt. Gronov vermutbete: Scepsii conditione und dachte
an einen gewissen Metrodorus, natione Scepsius, den Mithridates der
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Grosse wegen einer Treulosigkeit, die er als Gesandter begangen hatte,
hinrichten liess. Wenn es auch nicht dem mindesten Zweifel unterliegt,
dass Cicero für seinen Todfeind Olodius den frommen Wunsch hegte,
es möge ihm bei dieser Gesandtschaft eben so ergehen wie dem Metro Jörns,
und wenn auch dieser eine so bekannte Persönlichkeit war, dass Cicero
ihn mit Scepsius bezeichnen konnte, wie kann Cicero nach diesem
Wunsche fortfahren: sed facile patior? „leb wünsche ihm den
Tod; aber ich gebe es gerne zu"? Wo wäre der Gegensatz, den sed
voraussetzt? Das nämliche Bedenken steht auch der von Wesenberg
aufgenommeneu Lesart: Zopyri entgegeu. Metzger folgt Popma's
Conjectur : l e lim surripi e a conditione, und übersetzt : ,,Es
wäre mir lieb, in solcher Weise heimlich von daunen zu kommen ; doch
ich lasse mir's gefallen" Was lässt sich Cicero gefallen? Was soll
eaconditione? In gleicher Weise wie Clodius? Müsste dies nicht
vielmehr cadem conditione heissen? So sind also auch durch
diese Äenderung die Schwierigkeiten nicht gehoben.
Wie ist das sinnlose Syrpiae entstanden? ich denke, der scriba
oscitans habe so geschrieben statt: acire quae, so dass also zu
verbessern wäre : v e lim s cire quae conditio neu; denn con-
ditione s, nicht conditione ist die älteste Lesart des Mediceus.
Mit Annahme dieser Lesart sind alle Schwierigkeiten gehoben: Ich
möchte gerne wissen, welches die Bedingungen seien , unter denen
Clodius die Missiou an den Tigranes übernommen hat. Aber, obgleich
ich dies nicht weiss, lass ich ihn doch gerne seines Weges ziehen;
denn wenn er geht, brauche ich mich für jetzt uicht zu entfernen und
mir ist es gelegner den Antritt der libera legatio für einige Zeit
hinauszuschieben. Die Auslassung des 8 int oder fuerint wird
niemand im Briefstile beanstanden dürfen; und dass Cicero ein Interesse
haben musste, diese Bedingungen zu wissen, liegt auf platter Hand;
denn sie konnten ja ihn selbst betreffen.
III, 12,3. Licet tibi, ut scribis, 8 i g ni f i c ar im, ut
ad m e v enir es , s i do na tarn ut intelligo de r e i s ti c
prodejse, hic ne verbo quidem lev ar e m e po s 8 e. So
die sinnlose Lesart des Mediceus, welche jüngere Codices und die
Herauageber in verschiedener Weise .zu verbessern suchten: ut ad
me venire s Sidona, oder Dodona, tarnen intelligo . . .
Zu Sidona bemerkt Schütz ganz mit Recht: nihili est; denn
wie sollte Cicero, der jetzt seiner baldigen Zurückberufung aus dem
Exil gewiss ist, an eine Reise nach Sidon denken? Und wenn Atticus
ihn in Sidon besuchen sollte, musste doch vor allem er selbst in Sidon
Bein. Ebensowenig beabsichtigte weder Cicero noch Atticus eine Reise
nach Dodona; nirgends ist in den Briefen aus dieser Zeit davon die
Rede. — Popma's Conjectur: in Macedoniam und Tunstall's: id
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o mit tarn tarnen weichen so weit von dem überlieferten Texte ab,
dass sie schon desswegen unwahrscheinlich sind Der scriba oscitans
hat hier wieder ein grobes Versehen begangen; es wurde ihm dictirt:
ut ad me Roma venire s: tarn en . . dafür bat er geschrieben :
ut ad mc Dona venires; tarnen... So soll wirklich im
Codex decurtatus des Bosius gestanden haben Sämmtliche Abweichungen
der Handschriften erklären sich als Kmendationsversncbe des ihnen
vorliegenden Dona. Zudem verlangt der Zusammenhang geradezu
Roma : „Wenn ich in meinem vorigen Briefe Dir auch angedeutet habe,
Du möchtest aus Rom zu mir kommen, so sehe ich doch ein, dass Du
dorten mir thatsächlicb von Nutzen sein kannst, während Du hier ganz
überflüssig wärest". Wo anders konnte Atticus dem Cicero nützlich
sein als zu Horn, wo eben jetzt Cicero's Schicksal, seine Zurückberufung,
sich entscheiden musste?
III, 20, I. Ego huic spei et exspectationi quae
nob i 8 proponitur m a x i m a e, tarne n v olui pr aestolari
apud te in Epiro Was soll hier tarnen? „Die Ansichten,
die sich mir eröffneten, wollte ich dennoch bei Dir abwarten". Trotz
welcher Umstände? Nirgends werden uns diese genannt. Dass eine
significatio impatientiae , quo reditum exapectabatt in tarnen liegen
sollte, halte ich mit Boot für unmöglich Diese significatio könnte nur
in t andern enthalten sein. Und so ist eben für tarnen zu lesen:
huic spei et exspectationi quae nobis proponitur
maximae t andern, volui . . „Gern wollte ich die Aussichten,
die sich mir endlich einmal mit grösster Bestimmtheit eröffnen, bei Dir
in Epirus abwarten, aber ich kann jetzt meinen Aufenthalt nicht ver-
ändern". Auch IV, 2, 4 ist von Hofmann das unpassende tarnen in
tan dem verändert worden. Die Verwechslung der beiden Wörter
war jedenfalls sehr leicht möglich.
IV, 1,7. Qui si sustulerint religionem, aream
praeclaram habe bim u s; superficiem consules ex
8 e na tu 8 consulto aestim abunt; sin aliter. demo-
lientur, suo nomine l o c abunt; rem tot am aestima-
bunt. Eins von beiden ist möglich: entweder das von Clodius an
der Stelle des eingerissenen Ciceronianischen Hauses erbaute Heilig-
thum wird mit Genehmigung des Priestercollegiums eingerissen, der
Platz an Cicero zurückgegeben und demselben eine Entschädigungs-
summe für sein zerstörtes Haus stipulirt, oder wenn die Entscheidung
des Collegium8 anders ausfällt, wenn das von Clodius errichtete
Heiligthum nicht entfernt werden darf, muss area und superficies
zusammen in Accord gegeben, eine Schätzungssumme im Ganzen
festgestellt, Cicero für beides entschädigt werden. Dieser einzig
möglichen Auffassung der Sachlage widerstrebt vor allem demolientur.
Blätter f. d. b»7er. OymnMialwr. XI. J*hr«. g
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Wenn die Entscheidung des Collegiums anders ausfallt, dann werden
sie eben das von Clodius errichtete Heiligthum nicht einreissen. Wenn
wir demolientur stehen lassen, sind wir geradezu genöthigt, vor dem-
selben ein non in den Text zu setzen, was allerdings auch an noch
andern Stellen ausgefallen ist. Ich glaube indessen, d&ss demolientur
Oberhaupt zu streichen ist; es scheint mir aus dem an den Band
gesetzten Citat aus dem folgenden Briefe: porticum Catult restüuendam
locarunt ; illam porticum redemptores statim sunt demoliti, an falscher
Stelle in den Text gerathen zu sein. Wir werden deshalb wohl ein
Recht haben, das demolientur wieder zu entfernen. Suo nomine
ist ein missverstandenes: uno nomine Nicht in ihrem Namen
werden die Consuln die Veraccordirung bewerkstelligen, sondern beides,
area und superficies, werden sie uno nomine als einen Posten, unter
einem Titel aufwerfen und für das Ganze eine Summe festsetzen. Wenn
Metzger glaubt, man könne bei demolientur und loc abunt als
Objekt sich den durch Clodius Bau nicht in Anspruch genommenen
Theil des Bauplatzns denken, so ist dagegen einzuwenden, dass Cicero
sich nicht mit der Zurückgabe eines T heiles vom Bauplatze begnügt
haben würde und dass für demoliri die Bedeutung: „aufräumen lassen"
wohl nicht nachzuweisen sein wird: dass aber ein Einreissen, denn
dies ist die einzige Bedeutung des demoliri, von irgend welchen Theilen
des Cicerouianischen Hauses nicht mehr nöthig war, denn dies hatte
Clodius gründlich besorgt. — Mit der vorgeschlagenen Lesart: sin
ali t er, uno nomine l o c abunt, rem t o tarn a c s t i m a b u n t,
sind alle Schwierigkeiten gehoben.
IV , 18 , S : quae (epistolae ) tan tum habent my s teri-
o r um, ut eas ne librariisquidemferecommittamus.
Lepidum quo excidat: consules flagrant infamia.
Lepidum quo excidat betrachtet Metzger mit andern als eine
Art Einleiturg zum folgenden und übersetzt: „Das mag eine artige
Geschieht e werden: den Consuln . . ." Das ist indessen aus zwei
Gründen nicht möglich. Für's erste vermissen wir ein Futurum, da
ja von dem Verlaufe, den die Sache nehmen wird, die Rede sein müsste;
zweitens hat excidere nicht die Bedeutung vou evenire, sondern heisst
eben nur: entfallen. Audere haben diese Worte zum vorangehenden
gezogen und sie als verderbt zu verbessern gesucht: ne dictum
quod excidat, oder : ne lepidum quid excidat. Indessen
ist nicht ersichtlich, wie daraus die falsche Lesart entstanden sein
kann. Viel wahrscheinlicher ist zu schreibeu: trepidi num quo
ex ci d ant. Daraus konnte durch ein Missverständniss des Schreibers
sehr leicht die falsche Lesart entstehen. Zudem geben sie den vom
Zusammenhang verlangten Sinn: „Nicht einmal einem Schreiber vor-
"5
traue ich in der Regel meine Briefe an, ängstlich, sie möchten irgend
wohin, in unrechte B&nde gurathen".
Auch an einer andern Stelle scheint mir lepide statt trepide
geschrieben zu sein: VIII, 14, 3: De Domitio varia au4imus,
modo esse in Tiburti hau d lepidt, quo cum Ltpidus
acces si s 8 e ad urbem. Stürenburg ändert: modo esqe in
Tiburti, haud lepide; modo j am lepidiua, accessisae.
Aber dem Cicero, der sich in seiner Verlegenheit, ob er sich dem Caesar
in Rom stellen solle oder nii bt, den Domitius zum Vorbild nehmen will,
kommt es nicht darauf an, ob Domitius mehr oder weniger artig handle,
sondern darauf, ob derselbe Muth genug besitze, dem Caesar ferne zu
bleiben; denn dann ist er gesonnen, es auch so zu machen. Ks ist
auch hier zn lesen : modo esse in Tiburti haud trepide,
modo cum tr ep i di 8 ad urb em accessisse: „Bald höre ich,
er halte sich furchtlos auf seinem Landgute auf, bald, er habe sich
mit andern ängstlichen Seelen der Stadt genähert".
VII ,7,1. Illud putato non ad 8 er ib i s. Das sinnlose
putato ist sicher aus profecto entstanden: illud proiecto
non adscribis
VII, 11, 1. Unam mehercule tecum apricationem \n
illo lucrativo tuo sole mal im quam omnia istius
modi regna. Das unpassende lucrativo, wofür man auch
Luc retin o schrieb, ist jedenfalls in matutino zu ändern, woraus
es entstanden sein wird.
VIII, 2, -V Si qua erunt, doce me, quomodo esse
ef fug er e possim. Das sinnlose esse ist jedenfalls durch ein
Mißverständnis* des Schreibers aus dextre entstanden: wie ich
geschickt loskommen kann.
VIII, 15, 1. Aut h e mo ni 8 fug am tendis, jedenfalls ent-
standen uns : AI cm ae oni 8 f u g am t e n d i 8
IX, 5,3 Eo igitur si quid apud Homer um, ist zu
ändern in : Ego igitur quid, si apud Ho me r u m . „Ich also,
was soll ich tbun, wenn bei Homer Achilles, dem sein sicherer Tod
für diesen Fall vorausgesagt war, doch keinen Augenblick zweifelt, den
gefallenen Gefährten zu rächen?"
IX, 10, 6. Quod quaeris a me fugamne fidam an moram
defendam utiliorem putem. Dnss defendam verderbt ist, wird
niemand in Abrede stellen; aber auch fidam ist unrichtig. Für Cicero
gibt es in dieser Sache nur ütilitätsrücksichten : utiliorem putem;
an einen Abfall von Pomp ejus denkt er nicht; er ist Pompejaner,
mag er in Italien bleiben oder nicht; desshalb ist nicht einzusehen,
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wie sich in der Flucht eine besondere fides zeigen könnte. Fi dam
ist sieber ein missverstandenes citam und dtfendam ein missver-
standenes lentam; fugamne citam an moram lentam utili-
orem putem. Die Antwort des Atticus im folgenden: Ego vero in
praesentia subitum discessum et praeci pitem profecti'
onem . . bestätigt die vermuthete Lesart.
XIV, 16, 4. Puto si quid in ho m ine pudoris est, prae-
staturum eum, ne spero quodam modo despendatur. Spero
ist schon in der editio Romano in sero corrigirt. Das unpassende
quodam modo ändert Wesenberg in: cum damno. Indessen sollen
ja nicht Rücksichten auf einen etwaigen Verlust den Flaminius
bestimmen, sondern, ai quid in homine pudoris est, sein Ehr*
gefühl. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass quodam modo
durch ein Missverständniss des Schreibers aus Montano entstanden
sei: ne sero Montano dep endatur. Im vorausgehenden ist er-
wähnt, dass es sich um eine Angelegenheit des Montanus bandle;
an diesen musste also die Zahlung geleistet werden.
XV, 20, 2 Oenus illud interitus, quo casurus esU
foedum duces et quasi d enuntiatum ab Antonio ex hac
nassa exire constitui. Da es sich nicht um ein Motiv des
Atticus, sondern des Cicero handelt, ist Boot's Aenderung von duces
in ducens zu billigen. Die unverständlichen Worte: quo casurus
est, wurden von Popma geändert in: quo causae cursus est,
wie mir scheint, nicht richtig. Die Art von Untergang, welche Cicero
vermeiden will, kann nicht durch seine causa selbst bedingt sein,
sonst müastc er ja die causa verlassen, um diesem zu entgehen; quo
casurus est ist nichts weiter als ein missverstandenes: quod pas~
surus est: „Die Art von politischen Tod, wie sie Antonius gestatten
will, halte ich für schimpflich und uns gleichsam von ihm angedroht".
Gestatten und androhen schliessen sieb ja nicht aus; was Antonius als
eine Concession an die Gegenpartei auffasst, ist dem Cicero bereits ein
angedroltps Uebel. Antonius würde die Gegenpartei wohl nicht
bekriegt haben, wenn sie dadurch, dass sie ihn in allen Stücken
hätte gewähren lassen, freiwillig auf ihre Existenz verzichtet hätte.
Daa ist wohl illud genus interitus, quod passurus est.
Nürnberg. Friedrich Schmidt
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Conjnicirte DnrchmegHcr eine» Kegelschnittes.
Haben zwei Durchmesser eines Kegelschnittes die Eigenschaft,
dass der Pol des einen Durchmessers dem andern angehört, so heissen
dieselben conjugirt. Da aber die Pole der Kegelschnittsdurchmesser
unendlich ferne Punkte sind, so folgt schon aus der Definition für die
conjugirten Durchmesser, dass die Kegelschnittstangenten in den End-
punkten eines Durchmessers parallel seinem conjugirten Durchmesser
sind und dass alle einem Durchmesser parallele Sehuen durch den
conjugirten Durchmesser halbirt werden.
Obige Definition der conjugirten Durchmesser gibt nun ein einfaches
Mittel, aus der Gleichung eines beliebigen Kegelschnittsdurclimessers
sich sofort die seines conjugirten Durchmessers abzuleiten
Sei nämlich die Gleichung eines Kegelschnittes in homogenen
Coordinaten ;
f (x, y, z) - a«, x« + an y* + a„ z« + 2 a,, x y + 2 a0, x z +
2 alt y z = o
und differentiirt man dieselbe partiell nach den Variablen x, y, z, so
erhält man die Gleichungen:
f1 W = 2 (aoo x + a* y + a« z) = o
f1 (J) - 2 (a10 x -f an y + alf z) = o
f1 (z) = 2 (a,0 x + a,, y -+• a„ z) = o.
Löst man die Gleichungen V (x) — o und f1 (y) — o nach den
Grössen - und 1 auf; so erhält man bekanntlich die Coordinaten des
z z
Kegelschnittamittelpunktes und demzufolge müssen die beiden letzten
Gleichungen Durchmesser den Kegelschnittes darstellen.
Folglich stellt die Gleichung: P (x) - X P (y) = o bei veränder-
lichem Werthe der Grösse X alle möglichen Kegelschnittsdurchmesser dar.
Seien nun x0, y0, o die homogonen Coordinaten des unendlich
fernen Punktes irgend eines Kegelschuittsdurchmessers, dessen Gleichung
nach Obigem : (a«, x + a01 y + a* z) - X (a01 x -f- au y + alt z) = o
ist, so hat man die Gleichung: (a^ x,, a01 y0) — X (a«, ,x0 -f- »,i y0) — o
oder: ^ (a«, - X a«,,) + y0 (a,, - X an) = o.
Die Gleichung der Polaren des unendlich fernen Punktes ist aber:
*o f1 (*) + yo f1 (y) = o
oder: P (x) (a01 - X a,,) — V (y) (a«, — X a©,) = o, nachdem man
aus den beiden letzten Gleichungen die Grössen undy0 eliminirt hat.
Somit stellen die Gleichungen :
I» (x) - X P (j) = o und P (x) - ^ P (y) = o (1)
»oi — * an
zwei conjugirte Durchmesser des Kegelschnittes dar.
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Die zweite Gleichung kann man auch auf die Form
[(a'o, - »oo »n) 7 - (»oo »» - »o, ao,}] + X [(a«01 - a^ au) x —
(»11 »ot ~ »Ol = 0
»no »
»00 »ll »*oi
und
i»
Ol
bringen und da die Ausdrücke — — 12 —
»00 »II
bekanntlich die Coordinaten <r und ß des Kegelschnittsmittelpunktes
sind, so geht obige Gleichung aber in:
(y - ß) + X(x - «) = o;
80 dass also auch die Gleichungen :
P (x) — * P (y) = 0 und (y - ß) -f X (x — «) = o . . . . (2)
für jedem Werthe von / ein paar conjugirter Durchmesser repräsentiren.
Setzt man für die Grösse X insbesondere die Werthe o und ©Ö, so
ergeben sich die Gleichungen :
P (x) — o und j — ß ~ o
P (y) = o und x — « — o
Es entsprechen also den Durchmessern, welche durch die Gleich-
ungen P (x) = o und P ty) = o dargestellt werden, als conjugirte
Durchmesser die zu den Coordinatcnaxen parallelen Durchmesser des
Kegelschnittes; folglich sind also auch die in den Endpunkten der
Durchmesserp (x) = o und P fyj o an den Kegelschnitt gezogenen
Tangenten parallel den Coordinatenaxen
Sind nun durch die Gleichungen:
P (x) - X, P (y) = o P (X) — A, P (y) = o P (x) - X3 P (y) = o
P (x) -
»00
^1 »Ol
P(y) -o P (x)
a~_Z_^»o,fMy)_0
»Ol *» »u
»Ol — ^| »11
°0| "~ A3 "ll
drei beliebige Paare conjugirter Durchmesser gegeben und bildet man
die Determinante :
X »
1 *1
»oo ^i »o
»Ol "~ »11 *i
a00 A» ~0l *f
*1 +
-i- X
•oi
'11
so wird:
kD
»00 *3 »Ol ^3*
»oi »ii X3
*3 +
»00
»Ol *1
»01
-- »ii V
»oo
»Ol *t
»Ol
- ».i V
»00
- »Ol ^
»Ol
- »,i V
, 1
, 1
'OH
*1 »Ol *» i »00 »11 »l'l »ll Xl
»00 At »Ol »00 — »M »Ol — »11 K
»00 *3 "~ »Ol X3?» »00 " »ll V» »Ol *'l *3
wobei der Faktor k == (a01 - an Xt) (a01 — a„ Xt) (a*, — a„ X3) ist.
Subtrahirt man nun die atlfachen Elemente der ersten Vertikal-
reihe von den a01fachen der zweiten Vertikalreihe, so ergeben sich
Diqit
Googl
119
gerade die anfachen der letzten Reihe and somit ist die Determinante
D identisch gleich Null, woraus der Satz folgt:
Die Paare conjugirter Durchmesser eines Kegelschnittes sind in
Involution. £liminirt man aus den Gleichungen zweier conjugirter
Durchmesser die willkürliche Grösse A, so erhält man bekanntlich die
Gleichung des Doppelstrahlenpaars der Involution, welches offenbar
nichts anders, als das Asymptotenpaar des Kegelschnittes ist.
So ergibt sich denn durch Elimination der Grösse i aus den
Gleichungen (I) die Gleichung des Asymptotenpaares :
an P (x)« - 2 a* P (x) f» (y) + a* P (y)* = u
oder in Determinantenform :
»OOI »o,, V (x)
»,0, ffr) =o (3)
P (x), P (y) o
Ebenso folgt aus den Gleichungen (2) für das Asymptotenpaar
die Gleichung:
(z - «) P <x) + (y - ß) P (y) s o 4).
Unter den sämmtlichen conjugirten Durch messerpaaren gibt es .
aber insbesonders ein Paar Durchmesser, die zu einander senkrecht
stehen and welche die üauptaxen des Kegelschnittes genannt «werden.
Ihre Gleichungen werden also erhalten, wenn man die Gröase X so
bestimmt, dass die Durchmesser, deren Gleichungen:
P (x) - X P (y) = o und P (x) - *°° ' * P (y) - o
»oi — * »11
sind, auf einander senkrecht stehen, so dass also:
»oo * »oi 1
aoj — A a,, A
ist, oder:
A, _ »oo ~ hfx-i=0 . . . (5).
»•i
Sind x, und A, die Wurzeln dieser quadratischen Gleichung, so
sind die Gleichungen der Hauptaxen:
P (x) - P (y) = o und f (x) - X, P (y) = o.
Demnach ist die Gleichung des Hauptaxenpaares :
P (x)' -<*, + *,) f. (x) P (y) + A, A, f» (y)« = o
oder:
a., P (x)« + (a,, - aj f» (x) P (y) - a», P (y)« = o (6).
Diese Gleichung laset sich auch noch auf die Form bringen:
P (X) [a01 P (x) - ^ P (y)] - P (y) [a,, P (y) - alt P (x)] = o
er:
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Die zweite Gleichung kann man auch auf die Form
[(»'o, ~ »oo »n> 7 - (»oo »« - »oi »ot)l + * [(»'oi
(»II »0! ~ »01 «i»)] = 0
»01 »lt »
M
»ll) * -
bringen und da die Ausdrücke
i^oj and »oi »ot r *™ hi
»00 a
11
Ol
»00 aii — * Ol
bekanntlich die Coordinaten « und ß des Kegelschnittsmittelpunktes
sind, so geht obige Gleichung Qber in:
(y - ß) + X (x - «) = o;
so dass also auch die Gleichungen:
f» (x) — X f (y) = o und (y - ß) -f X (x - «) =s o . . . . (2)
für jedem Werthe von X ein paar conjugirter Durchmesser rep rasen tiren.
Setzt man für die Grösse X insbesondere die Werthe o und °S so
ergeben sich die Gleichungen :
P (x) = o und y — ß — o
P (y) = o und x — a — o
£s entsprechen also den Durchmessern, welche durch die Gleich-
ungen P (x) ss o und f1 (y) ™ o dargestellt werden, als conjugirte
Durchmesser die zu den Coordinatcnaxen parallelen Durchmesser des
Kegelschnittes ; folglich sind also auch die in den Endpunkten der
Durchmesser P (x) = o und f1 (y) — o an den Kegelschnitt gezogenen
Tangenten parallel den Coordinatenaxen
Sind nun durch die Gleichungen:
P (x) - X, P (y) = o P (x) - Xt P (y) = o P (x) - A, P (y) = «
P (x) -
t**—1^ P(y)^o P (x) - ^
K »oi
»Ol ^| »11
»Ol A» »11
b£ P (y) = o
A3 »11
P (X) - "°°
»o,
drei beliebige Paare conjugirter Durchmesser gegeben und bildet man
die Determinante:
D
so wird:
»00 ^| »Ol *V
»oi »n "l
»00 »Ol V
L.2L 1
°01
»OU ^3
»,i K
»Ol V
»Ol »11 ^3
X3 + 3
»01
»oo
»Ol *1
»01
»11 *i
»00
— »oi K
»0,
— a,,
»oo
»Ol *s
aM A3
, 1
, 1
, 1
aoo ^1 »Ol ^l"' »00 »11 ^i*» »II
kD — aon A, a0, A.,', a^, atJ A,*, a()l
»oo »oi Aj*> »00 " »ll ^j*> n"|
wobei der P'aktor k = (a01 - an A,) (a0l — a„
Subtrahirt man nun die a„fachen Klei
reihe von den a0lfachen der zweiten
»„ K
Serade * -ÜL
^a^S""« -
<«> ia
»»ckBit^ r J/. & *******
1
"«•he» and S£* ?» P«r iiarchnfe»«! *
Änf einander 8eilkrechf v
trecbt stehen, »o
*H oder: ^4^ =
(2> Är da, Atl
rl — _
4)
^
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120
oder :
Sind wieder « und ß die Coordinaten des Kegelschnittsmittelpunktes,
so folgt für die Gleichung des Hauptaxenpaares :
f* (x) ly - ß) ~ P (y) (* - «) = o
x - a y — ß
V (x) f* (y)
Aus den Formen der Gleichungen (4) und (7) geht direkt hervor,
dass das Hauptaxenpaar die Winkel des Asymptotenpaars halbirt und
von letzterem harmonisch getrennt wird. Den Gesetzen der Involution
zufolge wird aber auch jedes beliebige Paar conjugirter Durchmesser
von dem Asymtotenpaare harmonisch getrennt.
RegenBburg. Max Greiner.
Zum Georaetrieunterriclit.
Erweitert man den planimetrischen Satz: „Die Mitten der Seiten
und Diagonalen eines Vierecks sind Eckpunkte dreier Parallelogramme
(Par.) mit einem gemeinsamen Mittelpunkt", für die räumliche Geometrie
so kommt man zur Form: „Die Mitten der 6 Kanten eines windschiefen
' Vierecks Tetraeders (Tetr) — sind die Ecken eines Octaeders mit
paarweise parallelen Seitenflächen, also mit sich im Schwerpunkt des
Tetr. hafbirenden Achsen". Untersucht man nun im weitern Verlaufe
überhaupt die Schnittfiguren, welche parallel zu zwei Gegenkanten
sind, ihren Umfang, Iuhalt, die Bedingungen ihres Auftretens als Raute,
Rechteck, Quadrat, so kann das zuerst sich ergebende Resultat auch
so ausgesprochen werden: „Beschreibt ein Par , welches parallel mit
seiner ersten Ebene verschoben wird , mit dreien seiner Eckpunkte
3 Seiten von 2 Paar Gegenkanten eines windschiefen Vierecks —
Tetr. — , 80 beschreibt sein vierter Eckpunkt die vierte Seite jener
beiden Paare, während das dritte Paar Gegenkanten die Seitenrichtungen
des Par. hat". Projicirt man ferner durch Parallelstrahlen auf eine dem
Par. parallele Ebene, so ergibt sich der planiraetrische Satz: „Heschreiben
3 Eckpunkte eines Par 3 der Seiten von 2 Paar Gegenseiten eines
Vierecks (dessen Diagonalen auch als Gegenseitenpaar betrachtet), so
beschreibt der vierte Eckpunkt des Par die vierte Seite der beiden Paare;
das dritte Paar Gegenseiten ist den Seiten des Par. parallel". Dieser Satz
lässt sich dann zur Lösung der Aufgabe beuützen, einem beliebigen Viereck
ein Par. einzubeschreiben, dessen 2 Seitenrichtun^en gegeben sind.
Dies zur Anregung, um Lehrer mit grösserer Erfahrung im Unter-
richt zur Mittheilung weiterer Beispiele zu veranlassen, in welchen
sich Sätze der ebenen und räumlichen Geometrie durch Proj ectionen,
(Methode der darstellenden Geometrio, wie der Geometrie der Lage)
in Verbindung bringen, aus einander ableiten lassen. Es ist dies für
den Unterricht doch so fruchtbringend.
Bamberg. K. Rudel.
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121
Aus der Schulmappe.
Fortsetzung der Miscellen von A. Kurz*).
Wenn ich diese Notizen fortsetze, so will ich nicht vergessen, dass
die Mitteilung einer jeden nur durch einen wenn auch kleinen Oedanken,
der auf eigenem Felde gewachsen sein soll, berechtigt wird Dieser
Kleinheit soll auch der in diesen Blattern beanspruchte Platz entsprechen.
Dann braucht der nichtinteressirte Leser nicht viel zu überschlagen
und der Eklektiker findet unter den kleinen Absätzen leichter seine
Ilaltpunkte. Die Sprachv*eise wag einem kurzen Briefstil oder dem
Gespräche von ( ollegen nahekommen, die sich in kurzbemessener Zeit
über mehrere vorgelegte Punkte verständigen wollen.
7. Vom Stosse.
Wenn die beiden ganz unelastisch gedachten Körper M und m mit
den Geschwindigkeiten C und c auf einander stossen, so geht bekanntlich
an Wucht verloren die Grösse * . (C - c)*. Beim Ein-
rammen eines Pfahles m ist c — o und das Verhältniss der verlornen
zur anfänglichen Wucht wird ™ — . ( Die verlorne Wucht kommt in
M -f- m
Erzitterungen, in Zersplitterungen und in Erwärmung, das sind nach neuerer
Anschauung auch Vibrationen der Körpermoleküle, zum Vorschein)
Autenheimer benützt diesen Ausdruck in seiner sehr empfehlenswerten
Sammlung von ,. Aufgaben über mech Arbeit", Stuttgart Cotta 1871,
zur Bestimmung des dem Einrammen sich widersetzenden Erddruckes W.
Verbinde ich die Nummern «0 und 109 dortselbst, so wird die Arbeit
des von der Höhe h herabfallenden Rammklotzes, für welchen P ^ Mg,
während q := mg das Gewicht des Pfahles:
p.h = (p + «)t+ wt +4 •M5^m„1 c'-
wobei t die (geringe) Eindringungstiefe des Pfahles vorstellt.
A. vernachlässigt (P f q) t stillschweigend gegen Wt, und mit
Benützung von C* — 2g h wird
P. h = W. t + £± hi
Als numerisches Beispiel wird P =z 500 Kilogramm, q = 333
(3 Pfähle auf 1000), h — 3 Meter, und t = 0,02 gesetzt, woraus W 5=
45000 Kilogramm resultirt
m
Dagegen ist nun einzuwenden, dass obiger Ausdruck y£~_£ m vor"
aussetzt, die Masse m könne frei, ohne Widerstand, dem erhaltenen
*) 88. 18 - 28.
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122
Stowe Folge leisten, was nahezu beim ersten Stoss des Rtanamklotzes
gelten mag, aber bei den folgenden Stössen immer unrichtiger wird
Dann kann man für den ersten Stoss nicht (P -|— q) t gegen W t
fortlassen, indem letzteres auch fortfallen möchte; und fnr die weiteren
Stösse verwächst der Pfahl gleichsam mehr uud mehr mit dem Erdboden,
und man müsate sich in der letzteren Gleichung ein wachsendes q denken.
Wirklich sieht mau auch die Molekulararbeit zunehmen — jedoch ich
kann um so eher abbrechen, als auch die Elastizität herzu kömmt, die
Erscheinung verwickelt zu macheu. Der Erdwiderstand oder die
Tragkraft W ist einfacher und für die Praxis genügend auf statischem
statt auf dem dynamischen Wege zu ermitteln.
8. Weisbach's Momentenfiäche.
So nenne ich letztere, da ich sie nur in der bekannten „Mechanik"
von Weisbach gefunden zu haben mich erinnere und geneigt bin, ihm
die erste Conception derselben zuzuschreiben. Wenn nämlich ein gewicht-
loser Balken gedacht wird, der horizontal, von der Länge 1, an einem
Ende eingemauert, am andern frei #und mit dem Gewichte P belastet
ist, so nennt man P. 1 das Bruch moment (an der Einmauerungsstelle):
P. i ist das Biegungsmoment in der Mitte u s w. Alle diese Werte,
als Ordinaten auf den zugehörigen Punkten der Abscisse (von der Total-
länge 1) aufgetragen, bilden die „Moment entfache" . die im gegebenen
Falle als rechtwinkliges Dreieck mit den Katheten 1 und PI erscheint
Wenn aber der Balken durch eine auf seine Länge 1 gleichmäßig
verteilte Belastung G angestrengt ist, so ergiebt sich als Bruchmoment
1 G 1 und als Biegungsmoment am mittleren Querschnitte ^ Gl u. 8. w.
Man sieht leicht ein, dass statt der vorigen Hypotenuse nunmehr ein
Parabelbogen die Momcntenfläcbe deckt und -zwar welcher seinen
Scheitel am freien Ende des Balkens hat, während die Parabelaxe
vertikal steht.
Während also die Momentenfläche von aussen gesehen konkav
erscheint, ist nun aber bei Weisbach eine verkehrte, konvexe Curve
gezeichnet; er versäumte wol die Curve um ihren Heimatschein zu
befragen. Irre ich nicht, so hat sich das Versehen auch in der seit
dem Tode W. erscheinenden (vielleicht schon ganz erschienenen) Neu-
Auflage und Bearbeitung des mit Recht geachteten Werkes erhalten,
von welchem ich vor einiger Zeit unaufgesebnittene Lieferungen kurz
besehen habe.
9. Hydrostatisches und Allgemeines.
Damit der Schüler der spezifischen Vorteile, welche der Unterricht
in den exakten Wissenschaften zu bieten vermag, teilhaftig werde, und
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123
zwar auch dchon bei der ersten ünterricbtsstufe, dazu bedient sieb der
Lehrer erstens der Beschränkung auf das Wichtigste, was dann um so
gründlicher nach allen 8eiten durchgenommen werden kann, und zweitens
einer scharfen Gränzmarkirung, welche die entweder nach der gewählten
Betrachtungsweise (oder überhaupt noch nach dem Standpunkte der
Wissenschaft) unlösbaren (oder ungelösten) Probleme zu nennen nicht
- unterlägst, so weit sie wenigstens dem Bebandelten und der Fassungs-
kraft des Schülers genug nahe liegen. Als Beispiel diene der Seiten-
druck des Wassers. Das vertikale Rechteck b h, b die Niveaulinie, kann
da erschöpfend behandelt werden: es ist die Richtung des Druckes
horizontal; die Grösse des Druckes -5-1 weil u. s.w.; und der Angriffs-
b
punkt oder auch Mittelpunkt des Druckes ist in der Abscisse -^und
2
der Ordinate (Tiefe) ^ h, welch letztere bekanntlich aus dem Schwer-
punkte des Dreieckes abgeleitet wird, das ähnlich wie die Momenten-
fläche in Nr. 8 konstruirt wird (aber jetzt „Drnckfläche" genannt
werden müsste). Andere ebene Figuren, oder auch nur, wenn das
Rechteck die obere Seite b nicht mehr im Niveau aber noch diesem
parallel hätte, fallen in ein besonderes collegium mechanictB, woselbst
sie noch grossenteils auch auf sogenanntem elementaren Wege erledigt
werden können; soweit diess nämlich mit den Triigbeits- und statischen
Momenten der Fall ist. (Analogie mit der reducirten Länge des
physikalischen Pendels). Reifere Schüler mögen etwa auch im ersten
Physik - Unterrichte noch die Entwicklung der Formel vertragen
z0 2 b z. J r. — 2 b z.» J z. (z die variable Tiefe, z0 die Tiefe des
Schwerpunkt« der vertikalen Wandfigur)
Um das stabile und labile Gleichgewicht eines schwimmenden
Körpers zu zeigen, beschränkt man sich auch ausdrücklich auf das
Rechteck. Am Schwerpunkte des Rechteckes und am Schwerpunkte
des eingetauchten Teiles desselben wirken dann die beiden entgegen-
gesetzt gleichen Kräfte (vertikal), welche nach eingetretener Störung
des Gleichgewichtes ein Kräftepaar bilden. Dieses strebt beziehungs-
weise das Rechteck wieder in die frühere Gleichgewichtslage zurück-
zuführen oder noch weiter von derselben zu entfernen. (Für den Fall
des indifferenten Gleichgewichtes ein schwimmender Baumstamm.) Das
„Metacentrum" hat sich bekanntlich den allgemeinen strengen Anforder-
ungen nicht stichhaltend erwiesen und ist auch im vorigen einfachen
Falle mindestens überflüssig; seine Einführung kämi da schon gegen-
über dem wichtigen Grundbegriff des Kritftepaars als Künstelei
erscheinen.
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124
10. Zur Erklärung vou Foucault's Pendelversuch.
Gestern las ich im neuesten Hefte der in gedeihlichem Wachstum
begriffenen Zeitschrift für math. und naturw. Unterricht von Hoffmann,
Hand 6 Seite 46 — 48, Ausstellungen über den gewöhnlichen kurzen
Beweis der Formel v =s w sin <jp, in welcher v und w die Rotations-
gesch windigkeiten der Pendelebene und der Erde und <jp die geogr.
Breite des Beob. Ortes ist. Indem nämlich der Bogen des betreffenden
Parallelkreises, den man sich so klein als man will vorstellen darf,
sowol als Mass von v als von w mit den bezüglichen Radien r cot y
und reo 19 betrachtet wird : begehe man einen kleinen Fehler, welcher
beim Uebergange von der unendlich kleinen auf eine endliche Zeit
unendlich oft wiederkehre ; daher Bedenken und Aufforderung an die
Leser um Mitteilung eines von solcher Bedenklichkeit freien Beweises.
Dieses Bedenken schwindet nun gleich vor der Formel n (a -|- «)
= na-f-n«, in welcher n die Anzahl jener Wiederkehr, a das fragliche
Linienelement, « der bei der Wahl des letzteren begangene Fehler ist;
denn wer zugibt, dass « gegen a verschwindet, sieht ohne Weiteres,
dass ebenso auch n« gegen na verschwindet. Das Uebersehen dieses
Schlusses könnte durch (a -{- n«) fonnulirt werden.
Bei dieser Gelegenheit habe ich den a. a 0. citirten Aufsatz von
Crahay in Popp. Ann. Bd. 88 Seite 477 - 4*1 durchgesehen; es ist
da dasselbe Beweiaverfabren, dargelegt, aber sehr umständlich, was schon
daraus erhellt, dass auf den vier Seiten von wesentlich Weiterem nicht
die Rede ist.
11. Messende Schul versuche aus der Wärmelehre.
In dem gerade vorbin citirten Journalhefte sagt J.Müller Seite 26:
„Wenn auch nicht die Rede davon sein kann, wirkliche Bestimmungen
der spezifischen Wärme beim Unterrichte auszuführen -". Diesem
Ausspruche gegenüber finde ich in meiner Schulmappe den Versuch
vom Jahre 1872 notirt: 10 Gramm Messing (ein Stück aus dem Gewicht-
satze) wurden aus siedendem Wasser (99° Celsius) in das Wasserqnantum
von 20 gr. verbracht, dessen Temperatur hiedurch von 18 auf 21°
stieg. Also
10 x (99 - 21) = 20. 1. (21 18) oder x = 0,08.
Richtiger wäre 0,09; aber einen Fehler von 12 "0 darf man 'ich wol bei
einem solchen Schulversuche gerne gefallen lassen (er kann sogar zur
weiteren Belehrung der Schüler verwendet werden).
Auch ein doppelt so grosser Fehler, von 25%, darf noch nicht
abschrecken , bei einem Apparate z. B. wie Lavoisier's Eiskalorimeter.
Hierüber habe ich mir im Nov. 1874 notirt:
eö by Google
125
Ein Stück Blei, 332 gr. 98° Celsius, gab 21 cub.cent m. Schmelz-
wasser; also
392 x. 98 = 21. 80, woraus x .= 0,04 statt 0,03
sich berechnet.
In der Naturforschung, an der Gränze der Wissenschaft, gibt es
Fälle, in denen man sich mit noch viel geringeren Annäherungsgraden
wenigstens einstweilen begnügen niuss.
x
12. Das Exponentialgesetz y = a. b ,
welches im math. Schulunterrichte insbesondere unter dem Namen
der Logarithmen einen grossen Bruchteil der Zeit in Anspruch nimmt,
ist auch im Unterrichte der Mechanik und Physik nicht selten anzu-
rufen. Zur Betonung seiner Wichtigkeit rekapitulirte ich öfters mit
den Schülern die Fälle seines Vorkommens und fanden wir, mit
dem Vorbehalte noch von Auslassungen, in der Mechanik: die Ketten-
linie; Spannungen eines um einen testen Cy linder gewundenen Seiles,
bei Berücksichtigung der Reibung; Querschnitte eines auf absolute oder
rückwirkende Festigkeit angestrengten Trägers, bei Berücksichtigung
des Eigengewichtes und gleicher Beanspruchung aller Querschnitte.
In der Physik findet. mau: die Abnahme des Luftdruckes beim Er-
steigen der Himmelsleiter; wie auch bei der Kvakuationspumpe (confer
Compressionspumpe) ; die Tonleiter der gleichschwebenden Temperatur;
Absorption überhaupt und z. B. des Lichtes; Leitung der Wärme ;
angenähert und innerhalb gewisser Temperaturgräuzen auch die Spannung
des Wasserdampfes; Intensitätskurve (Biot) bei einem Magnetstabe;
Zerstreuung der Elektrizität.
Stoff genug dazu, dass sich der math. und physik. Unterricht
einander in die Hände arbeiten. Auch erinnere ich mich biebei einer
schönen Stelle aus der Vorrede zur „Theorio der Elastizität fester
Körper" von Clebsch, in welcher dieser erfahrene Mathematiker es
ausspricht, wie math. Fragen, unmittelhar angegriffen, oft fremdartig
und dunkel erscheinen , aber uns befreundet entgegenkommen, wenn
wir sie in dem farbenreichen Gewände physik. Anwendung kennen
• gelernt haben.
Einige geometrische Bitze.
Bei Verfolgung eines bestimmten Zieles gelangt man häufig neben-
her zu ganz besonderen Beziehungen, welche vorher unsere Aufmerk-
samkeit entweder nicht weiter beanspruchten , oder sich derselben
vollständig entzogen hatten. Dieserart gelangte ich zu einigen
geometrischen Beziehungen, welche vielleicht Manchem meiner Herren
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126
Collegen des Lesens werth erscheinen und dessbalb hier Platz
finden mögen.
1) Bekanntlich tbeilen sieb die drei Mittellinien eines Dreiecks
in dem Verbältnisa 2:1; weniger bekannt durfte sein, dass sich auch
die drei Winkelhalbirungslinien , und ebenso die drei Höhen unter
ziemlich einfachen Verhältnissen schneiden
a) Es seien AB = c, BC = a, CA = b die Seiten, AA', BB1, CC
die Winkelhalbirungslinien eines Dreiecks, S ihr — bekanntlich
gemeinsamer — Schnittpunkt, so ergibt sich unter Anwendung des
Satzes: „Die Winkelbalbirungslinie eines Dreiecks theilt die
dem Winkel gegenüberliegende Seite in zwei Abschnitte, die sich
wie die anliegenden Seiten zu einander verhalten"
aus A CCA: 1) CS: SC1 = a : BC«
aus A CC»B: 2) CS: SC = b: AC -
3) CS: SC» = a: BC1 — b:AC und hieraus nach der
Proportionslehre
4) CS: SC (a -f- b) : (BC1 + AC) d. h.
C3 : SC1 — (a + b) : c
Analog erhielte man BS : SB1 = (a + c) : b
und AS : SA» = (b + c) : a
mit Worten: Jede W i u k el h a 1 b ir u ngsli n i e eines Drei-
ecks wird von den beiden andern so getheilt, dass
ihr vom Scheitel des Winkels ausgehender Abschnitt
zum andern sich verhält, wie die Summe der ein-
schließenden Seiten zur gegenüberliegenden Seite.
Es ist hier vorausgesetzt, dass sich die drei Winkelhalbirungs-
linien in einem Punkte schneiden; ohne diese Voraussetzung könnte
man folgenden Weg einschlagen:
CC & BB« sollen sich in S schneiden; daun wäre wegen CC
1) a; b = BC1 : AC woraus
2) (a + b) : (BC f AC) =: a : BC1 = b : AC1 oder
2) (a -f b) : c = a : BC — b : AC ; aus A CCB ist aber wegen BS
3) CS: SC — a:BC somit aus 2) & 3)
4) CS : SC = (a +b ) : c.
Hieraus Hesse sieb nun weiter beweisen , dass sich die drei
Winkelhalbirungslinien in einem Punkte schneiden; denn ange-
nommen, die Winkelhalbirungslinic AA' schnitte die CC1 in S> , so
erhielte man analog CS1 : S'C ^ (a -fr- b) : c, welche Proportion mit
der vorigen nothwendig CS — CS', SC =: S'C1 zur Folge hätte.
b) Die drei Höhen eine|s Dreiecks theilen sich gegenseitig
in Abschnitte, deren Rechtecke oder Producte ein-
ander gleich sind.
127
Sind wieder AB — c, BC — a, CA = b die Seiten, AA1, BB»,
C( 1 die sich in S schneidenden Höhen eines Dreiecks, so folgt ans
der Aehnlichkeit der Dreiecke BC'S und CB'S:
BS : CS — - SC1 : SB1 oder BS. SB1 — CS. SC1 ; analog erhielte man
AS. SA1 — CS. SC1;
der Werth dieses Productes ergibt sich
__ a' + b'- c' a'-b' + c* - a' + o' + c' JL
2 2 ' 2 ' Ai"
Für d ab Ycrhaltniss der Abschnitte fände sich
AS: SA» — b. AB1 : A B. A'C = c. AC : A'C. A'B
BS : SB1 — c. BC1 : B'C. B'A = a. BA' : B'A. B'C
CS : SC1 — a. CA» : CA. C'B — b. Cü' : C'B CA.
„Während somit die Aufgabe, zwei Rechtecke von gegebenen
Umfängen und gleichem Inhalte aber jeweils zu zeichnen, ver-
schiedene Auflösungen bieten wird, gibt die Aufgabe: „drei Recht-
ecke zu zeichneo, welche bei gleichem Inhalt gegebene Umfänge haben41
nur eine Auflösung, wenn die hier enthaltene Bedingung hinzutritt".
2) Fällt man aus irgend einem Punkte (der Einfachheit halber
innerhalb) eines Dreiecks ABC Lothe auf die Seiten, so ist die Summe
der Producte aus je einer Seite und ihrem ersten Abschnitt gleich der
Summe der Producte aus je einer Seite und ihrem zweiten Abschnitt;
diese Summe ist ausserdem constant, d h. sie ist gleich der halben
Summe der Quadrate der drei Seiten. Sind C, A1, B1 resp. die auf
den Seiten, AB, BC, CA liegenden Fusspunkte der Lothe, so hat
man also:
AB . C'B BC . A'C -f- CA . B'A = AB . CA + BC . A'B CA . B'C
AB« -|- BC* -fr CA«
2
Für ein gleichseitiges Dreieck wird demnach die Summe der der
3
Reihe nach geraden oder ungeraden Abschuitte — ^ a.
Die vorher genannte Summe ist demnach auch gleich der Summe
der Producte aus je einer Seite und ihrem ersten oder resp. zweiten
durch die zugekörige Höhe erzeugten Segment.
3) Legt man durch zwei Eckpunkte, etwa B & C, eines Dreiecks
ABC Parallele, welche den umschriebenen Kreis resp. in D & E
schneiden, und verbindet diese Schittpunkte mit den andern Eckpunkten
des Dreiecks, wobei AD & BE sich in F schneiden sollen, so ist Dreieck
AFE oc Dreieck BFD oo Dreieck ABC. Der Satz wird insbesondere
einfach und hat eine bekannte Beziehung zwischen CD, AD & BD zur
Folge, sobald Dreieck ABC gleichseitig ist.
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128
4) Wenn man aus den Endpunkten eines Durchmessers AB Lothe
auf eine Sehne CD fällt, so schneiden diese Lothe nach entgegen-
gesetzten Richtungen gleiche Stücke von der Sehne ah.
Man gelangt zu diesem Satze durch Aufstellung eines Sehnen-
vierecks ACBD, dessen eine Diagonale ein Durchmesser, dessen andere
Diagonale diese Sehne ist; stellt man nach Fällung der Lothe alle
Proportionen auf, welche sich aus je zwei ähnlichen Dreiecken ergeben,
vereinigt je zwei derselben und bildet aus diesen Vereinigungen wieder
eine einzige, so lautet dieselbe, wenn wir mit BE und AF die Lothe
bezeichnen, CE:ED — DF : CF, woraus sich ohne Schwierigkeit
CE = DF und DE - - CF ergibt.
5) Wenn man zwei Gegenseiten eines Sehnenvierecks AßCD, etwa
AD & BC, bis zu ihrem Schnittpunkt E verlängert, entsteht ein dem
Dreieck ABE ähnliches Dreieck CDE, so dass sich mit Hülfe dieser
Aehnlichkeit sowohl die Verlängerungen CE und DE, wie auch die
Inhalte dieser Dreiecke und damit der Inhalt des Sehnenvierecks selbst
aus seinen vier Seiten verhältnissmässig bequem berechnen lässt. Gilt
za gleicher Zeit für dieses Viereck die Bedingung, dass sich demselben
auch ein Kreis einbeschreiben lasst, so 4cann dieser ein beschriebene
Kreis kein anderer als der dem Dreieck ABE zugleich einbeschriebene
sein. Erwähnenswert i scheinen mir folgende Werthe für den Fall, dass
das Viereck ein Sehnen- und Tangenten- Viereck zugleich ist. Sind
nämlich a, b, c, d seine Seiten, so findet sich i 1/abcd ; r —
l/(ab -f- cdM ac-hbd) (ad -|-bc) j Kabcd
4i : f — a~+b + c + d '» U (Aaü"
gentenabschnitt der Seite AB gegen A gelegen) — a . b ^_ d; tb — b .
a b . c
r+;5 fc = e r+-d5 to = d r+7
Als Abstand der Fusspunkte der aus den beiden Mittelpunkten
auf eine Seite gefällten Lothe erhält man das Product der halben
Soite mit dem Quotienten aus Differenz durch Summe der an-
liegenden Seiten.
6) In einem mir zufällig zu Händen gekommenen Schrifteben
(Taschenbuch der Geometrie von Hauptmann Bienenfeld, Stahel'sche
Buchhandlung, Würzburg, 1869) ist die Aufgabe gelöst, ein gleich-
schenkliges A in ein gleichseitiges zu verwandeln Die Lösung ist
interessant; in der Beweisführung fehlt die Correctur. Diese Aufgabe
und ihre Lösung lässt aber eine nicht zu unterschätzende Verallge-
meinerung zu, die sich unter bestimmten Rücksichten selbst auf Vier-
und Vielecke erstrecken wird. Nach dieser Verallgemeinerung lautet
••) hier also H=
a + c
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129
die Aufgabe: Ein Dreieck I in ein einem Dreieck II ähnliches Drei-
eck III zu verwandeln. Die Auflösung wird lauten:
Zeichne Qber einer Seite des Dreiecks I als Grundlinie ein dem
Dreieck II ähnliches Dreieck IV, ziehe in beiden die Höhe für diese
Grundlinie, errichte über der grösseren dieser Höhen einen Halbkreis,
welcher von der durch die Spitze des niedrigeren Dreiecks zur Grund-
linie gezogenen Parallelen in E geschnitten werden soll, so ist die Ver-
bindungslinie dieses Punktes E mit dem Fusspuokt der grösseren Höhe
die homologe Höhe des gesuchten Dreiecks, d h. trage diese Verbindungs-
linie auf der einen oder andern Höbe von ihrem Fusspunkte aus ab,
wodurch C1 entstehen soll, und ziehe durch C1 Parallele zu den
Seiten des Dreiecks IV, welche die gemeinsame Grundlinie in A' & B1
schneiden sollen, so ist A1 B1 C das gesuchte Dreieck.
Zum Beweise wende man die Sätze an: „Aehnliche Dreiecke
verhalten sich etc." und „Wenn man aus einem Punkte der halben
Peripherie ein Loth auf den Durchmesser fällt, so ist dieses Loth etc.".
7) Als ich mir vor einiger Zeit die Aufgabe stellte, die Grösse
der Centrailinie des einem Dreieck um- und einbeßchriebenen Kreises
zu bestimmen, fand ich die Bestätigung meiner Vermuthung, dass die
Grösse der Radien die Länge der Centrailinie allein schon bestimme;
es ergab sich nämlich für diese Centrailinie JIM1' — r« — 2r r» Die
hier ermöglichte Elimination der Dreiecksseiten weist einerseits darauf
hin, dass diese beiden Kreise bei derselben Centrallinie zugleich
mehreren (eigentlich unendlich vielen) Dreiecken gleichzeitig genügen, an
denen jedoch je 3 einander congruent sind, andererseits wieder darauf,
dass durch Angabe je zweier der Grössen MM1, r, r1 die dritte nicht
mehr in unserem Belieben steht, dass also z. B. bei gegebenen Radien
die Centrale eine bestimmte Grösse hat etc. Die obige Relation bietet
Anlass zu mancherlei Schlüssen, z. B. für MM1 = o wird
r1 =: rr, d h. das Dreieck muss regulär sein ; für MM1 — - V n (n-2)
i n
wird r1 - . r ; für MM» = r gibt es kein Dreieck, da dann r1 — o
n
ist; je kleiner r1 gegen r ist, um so grösser wird mm1, d. h. der ein-
beschriebene Kreis rückt um so näher an die Peripherie des um-
schriebenen Kreises, je kleiner sein Radius ist etc.
Zieht man die Seiten in die Betrachtung herein, so wird ihre
mögliche Grösse durch die beiden Sehnen des umschriebenen Kreises
begrenzt sein, für welche das Apothem r* ± MM1 ist; im Grenzfalle
selbst erhält man je ein gleichschenkliges Dreieck. Von einer dieser
Grenzen ausgehend lässt sich die Zu- oder Abnahme der Grundlinie
bei ihrer Wanderung um den innern Kreis leicht aus dem durch ihre
Blätter f. d. bayer, Oymn.- u. Real - Schul w. XL Jahrg. 9
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130
vorige und neue Lage eingeschlossenen Bogen des umschriebenen
Kreises feststellen.
In nahezu analoger Weise bestimmt sich der Werth für die Centrale
des einem Viereck um - und einbeschriebenen Kreises durch die Gleichung
MM1' = r' + 2r>8 - ^-f, unter e & f die Diagonalen des Vierecks
verstanden. Es müssen demnach auch dieselben zwei Kreise für
verschiedene Vierecke gleichzeitig gelten; die Bedingung für diese
Vierecke ist aber, dass das Product oder Rechteck aus ihren Diago-
nalen einen constanten Werth hat, und dass — zur Vermeidung einer
Drehung der Centrallinie um den Mittelpunkt des umschriebenen
Kreises — die Schnittpunkte der Diagonalen in einen Punkt zusammen
fallen. Eines dieser Vierecke ist ein Antiparallelogramm und kann
somit den Ausgangspunkt zur Bestimmung der anderen Vierecke bilden.
Die Frage aber, ob und warum diese Vierecke ein und denselben
Diagonalen — Schnittpunkt haben, musste ich bei der mir kurz zuge-
messenen Zeit vorerst noch offen lassen.
Neustadt a./H. Dr. Hügel.
Baumgart, Hermann Dr., Aelius Aristides als Repräsentant der
sophistischen Rhetorik des zweiten Jahrhunderts der Kaiserzeit.
Leipzig. Teubner. 1874.
In dieser Schrift behandelt der Verfasser in eingehender und
trefflicher Weise den berühmten Rhetor Aelius Aristides. In der Ein-
leitung kritisirt er seine Vorgänger und weist im Gegensatz zu Bern-
hardy's glänzender Schilderung von der sophistischen Beredsamkeit
des zweiten Jahrhunderts n. Chr. und insbesondere von Aristides dem-
selben die richtige Stelle zu, indem er zeigt, wie hinter der gesuchten
Form Mattheit und innere Hohlheit sich verberge. Wenn aber der
Verfasser die Lehrer des Aristides erwähnt, so wäre es wohl nicht
unpassend gewesen, auch seine Schüler namhaft zu machen. Zu diesen
gehörte z. B. Apsines , der ihn öfters in seiner rix^n anführt: Speng.
p. 343. 10 bei Erwähnung von heiligen Reden, eine Notiz, die offenbar
aus den Reden des Aristides herrührt; dann p. 348. 21. ola nokka 7taQy
'j4Qt<rie(dfi't p. 353. 1. w'c iv t<Z Iooxyuiei 'jyioreiäov u. s. w.
Im ersten Kapitel wird die Stellung des Aristides zur alt-
griechischen Literatur und sein feindseliges Verhältniss zur Philosophie
seiner Zeit besprochen. Indem nemlich Aristides annahm, dass Philosoph
und Sophist im Grunde dasselbe sei, identirlcirte er die alten Sophisten
mit den neuen und wendete seine Polemik an die Adresse der gesammten,
eigentlichen Philosophie, namentlich der Platoniker. Gegen Plato selbst
leitet er vielfache Verdächtigungen aus dessen Verkehr mit Diou her,
wie er auch die Briefe überall mit Vorliebe als echt citirt und gegen
Plato verwendet.
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131
In einem zweiten Kapitel behandelt der Verfasser das Wesen der
sophistischen Rhetorik. Das Urtheil aber, dass die Sophistik als solche
in feindlichem Gegensatze zu allen wissenschaftlichen Bestrebungen
gestanden sei, ist zu strenge, wenn nicht ungerecht. Dasa bei der Ab-
nahme des politischen und socialen Lebens im 2. Jahrhundert der
Kaiserzeit ein solcher BlQtenkranz von geistigen Produkten wie in der
klassischen Zeit nicht mehr möglich war, versteht sich von selbst.
Aber sind denn die r^/*»/ eines Hermogenes , die ixQoyv^vuanata eines
Theon, Aphthonios , die ausgezeichneten Schriften eines Tiberius,
Demetrius, Menander gegen wissenschaftliche Bestrebungen gerichtet?
Conseqoent mü^ste man dann auch die gleichzeitige römische Literatur
verurtheilen. Ebenso hat der Verfasser Richtung der Zeit und Charakter
der Person verwechselt, wenn er den Aristides als einen Menschen
bezeichnet,* dessen Grundzug es sei, den Schein statt des Wesens zu
verehren, und dessen Consequenz und Kraft darin bestehe, die Kunst,
Irrthum statt Wahrheit zu verbreiten, auf die Höhe zu bringen.
Richtiger ist des Verfassers Urtheil im dritten Kapitel, indem er den
Aristides als einen in der Weise seiner Zeit gläubigen Asklepiosdiener
auffasst, der aus der Religion ein Feld für seine Rhetorik macht, woraus
dann natürlich wie immer wunderliche Dinge entstehen. Man wollte
eben damals auf den Boden des alten Götterglaubens zurückgeben;
dieser genügte aber dem verwöhnten Gaumen nicht mehr, desseu
Neigungen der Asklepios« und Serapisdienst in besonderem Grade
zusagte. Dieser Pietismus entstand bei Aristides durch seini- lange
Krankheit, in der er sich nach der Vorschrift der Orakel und Träume
des Asklepios behandeln Hess. Auch bierin steht der Rhetor nicht
vereinzelt, was der damals herrschende Neuplatonismus mit seinen
Extasen beweist — Im vierten Kapitel werden dei Aristidea Götter-
reden behandelt, im fünften seine Krankheit und die heiligen Reden,
die gleichsam eine Geschichte seiner Krankheit bilden Denn er stellt
diese als Eingebungen des Gottes hin; den grössten Theil liefert ihm
der Traumverkebr. Eine richtige Ansicht des Verfassers ist aurh die,
dass Menander seine xixvn huftutturiSv nach des Aristidea Reden
verfasst habe. Nur wäre zu wünschen gewesen , dass dieses weiter
ausgeführt worden wäre. — Im sechsten Kapitel endlich bespricht der
Verfasser die äussere Form der Krunkheitsgeschichte in den heiligen
Reden und findet den Schlüssel zum Verständniss der Geschichte des
Rhetors in der Ergründung seines inneren Seelcnzustandes. In dem-
selben Athcm freilich sucht der Verfasser den Schwerpunkt seines
Charakters in dem beispiellosen Grade von Selbstbespiegclung und
ausschweifender Ruhmsucht Es ist eben Aristides ein Kind seiner
Zeit, und es ist ihm gur nicht zum Vorwurfe anzurechnen, wenn er bei
der damals herrschenden Schwärmerei, die hei ihm sich durch seine
lange Krankheit noch steigerte, Dinge zum Vorschein brachte, über
die wir uns wundern bei der jetzt herrschenden Nüchternheit.
In der zweiten Abtheilung untersucht der Verfasser die Frage der
rirrttt QrjToQixnC des Aristides, die er gegen Spengel u. a. diesem
Rhetor zutheilt, indem er die ganze Schrift für einen Entwurf hält.
Sehr scharfsinnig und richtig benutzt er dazn die Stelle p. 461 luvra
f*ey ow iy jois Jwxovovm als eine Bemerkung, die der Verfasser zu
seinem eigenen Gebrauche hinzugefügt habe d h. dies für die Zuhörer
oder hierüber mündlich Näheres Damit stimmt auch vortrefflich der
fragmentarische Charakter dieser Schrift.
9*
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132
Wenn nun über das Ganze ein ürtheil gefällt werden soll, so stehe
ich nicht an, abgesehen von einigen Mängeln, die Schrift als eine sehr
gute Arbeit zu begrüssen und den Wunsch beizufügen, der Verfasser
möge ähnliche dunkle Stellen, deren es besonders in der Literatur
der Rhetorik der Kaiserzeit so viele gibt, mit demselben Geschicke
und demselben Scharfsinne aufhellen. Denn dass das Studium der
Technik der Rhetoren noch sehr wenig betrieben wird, sieht man schon
daraus, dass der sonst so verdiente Rehdantz negi (xe&6^ov deivortiroe
„von der Gewalt der Methode" übersetzt*) statt von der Methode der
JeivoTqs: eine sonderbare Illustration für den Herausgeber des £ff«if
dWoVffroff.
Günzburg. C. Hammer.
Leitfaden der historischen Geographie von B. Kneisel. I. Zur
alten Geschichte. Berlin, Weidmannsche Buchhandlung. 1874. gr. 8.
IV, 128 Seiten.
Mit vorliegender Schrift will Verfasser den Schülern der Secuuda
einen auch ohne Lehrer brauchbaren Abriss in die Hand geben,
welcher dem Lehrer verstattet, in der Klasse sich auf Repetition
zu beschränken , dem Schüler aber anstatt einer statistischen Nomen-
clatur ein territoriales Bild der alten Welt liefert, das die Oertlichkeiten
durch Beschreibung der Lage und der Ueberreste seinem Interesse
näher bringt.
Der praktische Werth dieses Planes ist nicht zu verkennen und
vermissen wir in dieser Beziehung nur die Beigabe der modernen
Namen; was die Ausführung des Planes anlangt, so darf die wichtigste
Partie, der eigentlich geographische und beschreibende Theil, im Ganzen
und Grossen als wohlgelungen angesehen werden. Die geschichtlichen
Erläuterungen fordern hie und da zum Widerspruch heraus, z. B. (wir
beschränken uns des Raumes wegen auf Griechenland) die Bemerkungen,
dass der Achelous die Grenze zwischen Aetolern und Akarnanen bildete
und dass Amphissa sich des lokrischen Namens schämte, sind bloss für
die nachclassische Zeit richtig; Pydna war keine eigentlich hellenische
Stadt, daher auch nicht mit Methone auf gleiche Linie zu stellen;
bei Thessalien hätte schärfer hervorgehoben und einheitlicher zusammen-
Sefasst werden sollen, welchen Theil die Thessaler bewohnten und wie
ie Perioekenvölker sich zu ihnen verhielten. Die Ableitung der feind-
seligen Stellung von Orchomenos und Plataiai zu Theben aus der Ver-
schiedenheit der Abstammung ist von zweifelhaftem Werth und enthält
jedenfalls nicht den Hauptgrund; noch problematischer und daher für
ein Schulbuch abzuweisen ist der Zweifel an der nationalen Identität
der Thesproter älterer Zeit mit den späteren.
In formeller Beziehung, was die Schreibung der alten Namen
betrifft, wäre strengere Consequenz, und überhaupt der Darstellung
schärfere Durcharbeitung zu wünschen gewesen; man vgl. z. B. was
über das geographische Verhältniss von Herakleia zum Oeta und den
Thermopylen (S. 12), über Taphos und die Taphier (S. 13), über die
*) In der neuen Ausgabe berichtigt. D. Red.
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133
Frage, ob Megaris zu Mittelgriechenland oder zum Peloponnes zn rechnen
(S. 27), gesagt wird; Lamia liegt nicht westlich vom Winkel des ma-
lischen Busens (S. 12); das Citat S. 33 liefert einen hinkenden Ver-
gleich zwischen Tegea und Uri.
Hof. Unger.
M. Tullii Cictronis de. ßnibus bon. et mal. I. V für den Schul-
gebrauch erklärt von Dr. H. Holstein. Leipzig, Teubner 1873
(XI und 284 S. 8).#)
Die vorliegende Bearbeitung von Ciceros Werk über die Grundlage
der Ethik will vorzugsweise dem Bedürfnisse der Schule dienen. Die
Frage, ob sich diese Schrift überhaupt zur Schullektüre eigne, bei
Seite lassend, wollen wir zusehen, was unsere Ausgabe insbesondere
für die Schule leistet und in wie ferne etwa Aenderongcn wünschens-
wert!) wären.
Die nur 9 Seiten umfassende Einleitung enthält in lichtvoller,
der Fassungskraft des Schülers angepasster Darstellung so ziemlich
alles , was zur Einführung in die Schrift zu wissen nöthig ist. Die
Grundlage für den Text bildet die Zürcher Ausgabe von Baiter (1861)
mit Beiziehuug des bei Tauchnitz (1863) erschienenen Textes. Die
Abweichungen vom erstgenannten Text sind -im Anhange mitgetheilt
mit Angabe derjenigen Autoritäten, auf welche sich die bezüglichen
Aenderungen stützen.
Tritt schon bei einem Blick auf dieses Verzeichniss die überwiegende
Autorität Madvigs (I. Ausg. 1839, II. 1869) vor Augen, so ist dies
noch mehr in den Anmerkungen unter dem Texte der Fall. Es sind
nicht nur sehr häufig die kritischen und erklärenden Bemerkungen
aus Madvigs meisterhafter Bearbeitung entweder w.örtlich oder im
Auszug wiedergegeben, sondern es ist auch viel häufiger Madvigs Auf-
fassung vertheidigt gegen fremde Ansicht als ein Wort dagegen gesagt.
Im allgemeinen kann ich mich mit diesem Standpunkt, den man den
conservativen nennen kann, zumal in einer Schulausgabe einverstanden
erklären; indessen scheinen mir da und dort die Beobachtungen anderer
Gelehrter doch zu wenig berücksichtigt zu sein. So scheint mir H.
ohne Notb I, 63 von dem hdschr. viam abgegangen, III, 7 inanem
hinter vulgi dem Zusammenhang nicht angemessen und III, 11 quodni
statt quod H geschrieben werden zu müssen, worüber Müllers observ.
p. I. und II. nachzulesen Bind. Ferner dürfte I, 64 Bockel (Thurgauer
Frogr. 1863) die handschriftliche Lesart ab eadem illa gegen Madvig's
ab eodem Mo richtig vertheidigt haben.
Ebenau scheint mir Unger (Piniol XX) ganz recht zu haben, wenn
er II, 27 quin rede cup. in qui rede cup. verwandelt, wenn er ferner
II, 37 statt quam quaerimus schreibt quod quaerimus und II, 45 ratio
hinter eademque streicht und natura als Subject ergänzt. Doch sind
diess Punkte, die mehr in das Gebiet subjektiven Ermessens gehören.
Wichtiger scheint mir ein anderer Punkt, den kürzlich Meusel (Z. f.
G. W. XXVIII, Juli) anschaulich dargelegt hat. H. hat nämlich
*) Durch nicht zu beseitigende Hindernisse verspätet.
■
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*
134
sämmtliche kritische Bemerkungen, soweit sie nicht in das besprochene
Verzeichniss Her discrep. scriptur. fallen, unter die fortlaufenden
Anmerkungen eingereiht und damit, wie mich dünkt, der Brauchbarkeit
des sonst mit vieler Sachkenntniss und klarem Urtheil geschriebenen
Commentars einigen Eintrag gethan. Die meisten der Schüler freilich
■werden solche Bemerkungen unbeachtet lassen, mancher aber wird
auch verführt werden, die Ansicht des Verfassers für ganz unanfechtbar
zu halten und sich selbst in Besitz derselben besonders klug zu dünken,
während der Lehrer gar manchmal sich versucht fühlen wird, die
fragliche Ansicht zu verwerfen. Derartige Bemerkungen, namentlich
wenn sie polemisirender Art sind, scheinen mir in einen besonderen
Anhang verwiesen und für das Bedürfniss des Lehrers, der nicht
immer die verschiedenen Zeitschriften, Programme u. dgl. zur Hand
haben kann, eingerichtet werden zu müssen. Dann wird allerdings,
wie M. bemerkt, am besten für die Schüler eine besondere Ausgabe
ohne diesen Anhang veranstaltet werden. Ebenfalls im Interesse der
Schule hätte II. vielleicht besser die häufigen Notizen über Personen,
Oertlichkeiten u. s. w. in den index nominum aufgenommen, der bloss
ein Verzeichniss der erklärten Personen- und Ortsnamen enthält.
Nicht nur die Uebersicht über den betreffenden Artikel, sondern auch
die Controle über den Fleiss der Schüler wäre dadurch erleichtert.
Sehr einverstanden dagegen hin ich damit, dass H. die Inhaltsangabe
einem jeden Abschnitte eines Buches unter dem Texte vorgesetzt und
auf dieselbe besonderen Fleiss verwendet hat Es bleibt wohl dem
Schüler immer noch genug zu thun übrig, wenn er an der Hand dieser
vereinzelten Angaben sich den Zusammenhang eines ganzen Buches oder
grösseren Theiles desselben zurechtlegen und präsent erhalten will.
Sachlich finde ich den Commentar, wie schon oben angedeutet,
mit grosser Sorgfalt und Sachkenntniss ausgearbeitet. Im Umfange
der Anmerkungen ist durchschnittlich weise Maass gehalten, und
besonders wird es der Lehrer dem Verfasser Dank wissen, dass er
nicht leicht die Gelegenheit zu einer feinen sprachlichen Bemerkung
sich hat entgehen lassen. Eigene Conjecturen hat II. nur wenige auf-
genommen, worüber Liter. Centraiblatt 1874, Nr. 25 zu vergleichen ist,
so wie namentlich in Bezug auf Sprachliches Z. f. G. W. XXVIII,
September und October.
Wenn ich hier noch einige Bemerkungen mittheile, so geschieht
diess in dem Bestreben, ein ganz kleines Scherflein zur Vervoll-
kommnung des tüchtigen Buches beizutragen.
I, 8 muss wohl das auf Brutus bezügliche Citat (Acad. I, 12)
Graeca desideres statt Graecia desideret lauten. I, 19 ist die zu
cum — sitt tum — efficit gemachte Bemerkung nach Madvigs Gramm,
nicht recht klar, und im folgenden § wäre eine Bemerkung über die
mangelhafte Kritik in Bezug auf Epicurs Ansicht über die Atomen -
Bewegung am Platz gewesen. I, 38 muss wohl statt careret entweder
carerent oder mit J. Müller careremus geschrieben und das cum II, 5
beigezogen werden. I, 50 ist nach den besten Handschriften turbul.
est\ 8% geschrieben, während unten ein (nicht ganz genaues) Citat zu
der verworfenen Lesart non potest non fieri gegeben und von derselben
Stelle (III, 29) auf unsere verwiesen wird. In der Inhaltsangabe zu
I, c. XIX steht in der ersten Zeile „zu Theil" statt „theilhaftig".
II, 5 scheint mir der Sinn nunc item statt nunc idem zu verlangen j
denn Torquatus soll gleichermassen (— auch noch) den Begriff" seiner
voluptas definiren {Handy Turs. III, p. 514.)
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135
Die Bemerkung zu quasi (qttasi vero) II, 70 wäre wohl schon zu
II, 7 und 17 am Platze gewesen. 11,24 hatte man eine Bemerkung zu
ut ne, auf das gleich ut non folgt, erwartet Ut non und <ut) ne sind
selbst zu Ciceros Zeit noch nicht streng geschieden, wie Madvig Gramm. 456,
A. 3 und 4 richtig andeutet; mit der Bemerkung zu ne noceret § 64 (vgl.
auch de orat. I, 132) ist der betreffende Punkt, den Hand (Turs. III, 32 ff)
unrichtig zu beurtheilen scheint, nicht erledigt. § 76 steht, wohl gegen
den Willen H.'s, in der Anm. autem hinter profiteri, das im Texte mit
den besten Handschriften fehlt. §. 81 ist die Erklärung zu optimum
quidque doch wohl uunöthig. §. 87 ist die Erklärung zu neque enim
in a. p. etc. ganz aus Madvig ausgeschrieben, der hinter omnino vita
ein „beata1 einsetzt, wahrend es H. weglässt, so dass die Erklärung
nicht vollständig zum Texte stimmt. Mir scheint Unger ganz recht zu
haben, wenn er die Worte nemo igitur — absoluta für ein Einschiebsel
erklärt. 111,51 lässt sich wohl das Anakoluth in der angezogenen
Stelle (de off. II, 88) viel leichter erklären als die Genitive a. u. St.,
wie auch earum rerum für eae res, (V, 37) weniger Anstoss erregen
kann. Heine dürfte hier richtiger gesehen haben als Madvig, der gar
zu gerne zu einem lapsus memoriae seine Zuflucht nimmt. Zu IV, 6
(nam quidquid quaeritur etc.) hätte gerade die Stelle deor. I, 138 nicht
angezogen werden sollen, da dieselbe der gang und gäben Darlegung
der Sache widerspricht (vgl. mein Gymn.-Progr , Hof 1874, S. 9 ff.).
IV, 30 ist si autem jedenfalls auffällig, obwohl es durch die Handschriften
beglaubigt scheint. IV, 73 ist wohl kein Grund, zur Ellipse von
respondere und dicere Beispiele zu geben. V, 28 war eine Bemerkung
zu der sonderbar geformten Periode : Neque enim — quaerant, aut, ut
illa etc. nothwendig. Madvig streicht bekanntlich ut vor ille. Die
Erklärung zu der schwierigen Stelle V , 43 (aanoscit ille quidem —
incohata) ist ungenügend, da mit der blossen nonderung von tarnen in
tantum (nach Madvig) die Worte per se s. t. *'. aus ihrer traurigen
Stellung nicht erlöst sind. Scharfsinnig fasst Heine diese Worte als
Erklärung eines Lesers oder Abschreibers zu vis naturac cemitur.
Wenn ich übrigens recht sehe, so ist jener, der zur vollen Anschauung
der Naturkraft kommt, nicht der animus , sondern der Philosoph, der
vermittelst seiner ratio die Entwicklung derselben zu fördern hat, vgl.
§. 55. In der Uebersicht der discrep. scriptur. heisst es zu II, 119:
elicerem Baiter in d. T. A. 1863 ; indessen steht dort exigerem, während
in der Zürcher Ausgabe elicerem vermuthet ist
Störende Druckfehler, abgesehen von der nicht ganz seltenen
falschen Angabe des Textes in den Anm. (z. B. honesta statt honesta*
natura S. 121), finde ich S. 4, wo es Z. 2 in den A. wohl müssten statt
müssen beissen soll; S. 135, wo die Z. 5 — 7 in d. A. in einander
verschoben sind, und S. 172, wo im Texte Academisque und in den A.
Academicosque statt Academicisque steht. S. 122 steht am Schluss des
II Buches cidat statt dicta. — Möge diese tüchtige Arbeit, die ich
besonders angehenden Philologen zum Studium empfehle, volle Aner-
kennung und durch fleissige Nachbesserung eine immer vollkommenere
Gestalt gewinnen!
Hof. Ruhne r.
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136
Sickenberger, Adolf. Leitfaden der Arithmetik nebst Uebungs-
Beispielen. München, Theodor Ackermann, 1875.
Vorliegender Leitfaden behandelt in kurzgefassten Sätzen das
Nothwendigste aus der Aritbroetik und zwar in 5. Kap. die Lehre von
den unbenannten und benannten Zahlen, die Dezimal- und gemeinen
Brüche, sowie die Verhältnisse und Proportionen und in einem Anhange
die Reichsgoldwährung verglichen mit dem französischen Münzsystem.
Trotzdem der Herr Verfasser die Zweckmässigkeit der vorgeschriebenen
Bezeichnung der metrischen Masse und Gewichte anerkennt, hat er doch
mehrere derselben anders bezeichnet, was für Schüler in diesem Alter,
die an die vorgeschriebene Bezeichnung gewöhnt sind, nachteilig ist,
wie überhaupt die neue Nomenclatur wie z. B. in §§. 78 & 34 Serie,
multiplicativ und divisiv, Mischungsmoment etc. die Schüler nur ver-
wirrt. Ebenso ist in §. 15 die Einteilung in Teilungsdivision, wenn
eine benannte Zahl durch eine unbenannte , und Verhältnissdivision,
wenn eine benannte Zahl durch eine gleich benannte Zahl dividirt
wird, überflüssig. Die Formeln zur Flächen- und Körper - Berechnung
sehr. Im §.17 folgen auf die ganzen Zahlen sofort die Dezimalbrüche,
wenn nun, wie hier geschieht, das Wort Bruch benützt wird, so wäre
es doch wohl besser gewesen, die Lehre von den Brüchen vorauszu-
schicken, da mit Hilfe derselben z. B. die Division der Dezimalbrüche ;
leicht begründet werden kann, was hier §. 20 h nicht geschieht Welchen
Vorzug der vertikale Strich vor dem horizontalen bei den Serien aus
dem Producta der multiplicativen und divisiven Elemente haben soll,
ist nicht recht klar. Durch die zahlreichen Uebungen, welche den ein-
zelnen §§. beigegeben sind, bietet dieses Buch den Schülern Gelegenheit,
sich mit dem Stoffe vollständig vertraut zu machen und wären dieselben
wohl noch fruchtbringender, wenn die Resultate immer angegeben wären,
da der Schüler dann von der richtigen Lösung sich sofort überzeugen
könnte; warum diess den Schülern entschieden schädlich wäre, wie der
Herr Verfasser annimmt, ist Referenten nicht einleuchtend.
Landshut. Himmer.
Die Räteis von Simon Lemnius, Epos in IX Gesängen, herausgegeben
mit Vorwort und Commentar von Placidus Plattner. Chur 1874,
Officin von Sprecher und Plattner.
Unsere Zeit ist vielfach thätig und nicht selten glücklich, wie in
Ausgrabungen verschütteter Städte und Denkmale alter Jahrhunderte,
so auch in Auffindung und Verbreitung von bisher nur handschriftlich
vorhandenen Geschichtsquellen und Werken der Literatur. Ein solches
Werk liegt hier vor uns. Der Verfasser, Simon Lemnius Emporicus
— wie er seine beiden Zu:- amen Lemm und Margadant *) = merca-
dante, mercator humanisirte — ein schweizerischer Humanist der t, Hälfte
*) Die meisten Encyclopädien , auch Oettingers Moniteur des dates
geben als Geburtsjahr 1510 und bezeichnen Margadant fälschlich als
Geborte ort.
in §§. 16 & 22
gewinnen durch
deutlichen Figuren
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I
137
des XVI Jahrhunderts, -f 1550inChur als Lehrer an der etwa 10 Jahre,
vorher gegründeten Schale, früher gebildet in München 1532*), dann in
Ingolstadt und Wittenberg studierend bis 1538, war bisher fast nur
bekannt durch seine Flucht aus dem letzteren Ort vor dem dräuenden
Zorne Luthers, über den Lessing Werke II. Teil, Briefe, berichtet,
durch seine Rachegedichte, Eklogen und Elegien, dann durch eine im
XVI. Jahrhundert in 2 Auflagen erschienene Uebertragung der Odyssee
in lateinischen Hexametern Jetzt wird uns der bisher fast übel berufene
Mann, um dessen Ruf Lessing durch eine seiner Rettungen sich verdient
machte, als Epiker bekannt durch seine Räteis, ein Epos in der Art
des Vergilius oder besser des Lucanus, Sil ins Italicus, Statius, in
welchem der Krieg des Kaisers Max I. und des Reichs gegen die Schweizer
im Jahre 1499, der die Lostrennung der Schweizer vom Reich besiegelte,
vom Standpunkt der Graubüudner und Eidgenossen episch behandelt
wird. Schade, dass die überlieferten Handscbrifteu alle einer, vielfach
unrichtigen und lückenhaften entstammt, die Herstellung eines correcten
Textes fast unmöglich machten ; doch hat der Herausgeber durch eine
sorgfältige Einleitung über Leben, Schicksale und Werke des Dichters,
dann besonders durch die grosse Schwierigkeiten bietende Erläuterung
der geographischen und historischen Eigennamen um das Verständniss
und die Würdigung des Gedichts sich entschiedene Verdienste erworben,
die nur einem mit der Geschichte und Topographie von Granbündten
und der Nachbarlandschaften ganz vertrauten Manne erreichbar waren.
Es wird wohl Niemand sich wundern, der andere alte und neue Epen
in lateinischer Sprache kennt, hier dem alten mythologischen Apparat
zu begegnen, der Juno als Beschützerin der Venosten, während Venus
wie bei Virgil die den Tuskern, Römern, Trojanern entstammten Rhäter
beschirmt, den Scenen in der Unterwelt mit den Furien, den Schilder-
ungen von Schilden und Rüstungen der Haupthelden mit ihren Kunst-
werken, hat doch der Dichter anderseits ein offenes Auge für die
Schönheit und Erhabenheit der Alpennatur, für die Kriegsscenen, Belager-
ungen und Schlachten, und versteht er es, an geeigneter Stelle ans
dem Munde von alten Helden, den Nestoren dieser Zeit, den Ursprung
und Ruhm der Geschlechter mitzuteilen und den trefflichen Sängern die
Sagen von Teil, Melchtal, Baumgart, den Heldenkämpfen gegen Habs-
burg, Frankreich und die Burgunder in den Mund zu legen.
Straubing. Heisi.
Das Ideal dos Helden und des Weibes bei Homer mit Rücksicht
auf das deutsche Alterthum von Ludwig Blume, Prof. am k. k. aka-
demischen Gymnasium in Wien. Wien, Alfred Hölder 1874.
Eine interessante Schrift. Dem germanischen Helden ist Leben und
Kämpfen identisch. Im Gegensatz zum Germanen steht die Werth-
schätzung des Lebeus im Mittelpunkt der griechischen Lebensauffassung ;
im Ganzen kommt die Kampfesfreude bei Homer selten zum Ausdruck,
und der Kampf bleibt für den Griechen mehr eine unangenehme
Notwendigkeit. —
*) Wahrscheinlich unter Wolfgang Winthanser, Änemoecius.
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138
Nicht minder auffallend ist der Gegensatz in der germanischen
und hellenischen Auffassung des Weibes. „Man ist beinahe versucht
zu sagen, das Grundprincip der griechischen Lebensanschauung sei im
Weibe, das der germanischen im Manne repräsentirt; und das griechische
Heldenideal sei von den vornehmlich durch das Weib vertretenen Motiven
in ähnlicher Weise beeinflusst, wie das weibliche Ideal der Germanen
etwas Heldenmässiges an sieb hat." — „Es ist charakteristisch , dass
das deutsche Weib den in die Schlacht ziehenden Helden waffnet,
während die Griechin nur den aus der Schlacht zurückkehrenden
Krieger entwaffnet."
Wenn auch der Schreiber dieser Zeilen mit dem Schlusswort des
Herrn Verfassers nicht völlig übereinzustimmen vermag, so kann er
doch nicht umhin, obiges Buch zu empfehlen, da es des Lehrreichen
so Vieles bietet und besonders den Lehrern an humanistischen Gym-
nasien Gelegenheit gibt, die beiden wichtigsten Völker der Geschichte
— Griechen und Germanen — nach ihrer ethischen Auffassung des
Lebens, rücksichtlich des Helden und des Weibes, bei der Lektüre des
Homer mit einander zu vergleichen.
N.
Der zweite punische Krieg und seine Quellen. Eine historische
Untersuchung von Ludwig Keller, Dr. phil . Marburg 1875.
Schon in seiner Inauguraldissertation hat Hr. Dr. Keller nachge-
wiesen, dass von Appian und Cassius Dio die römische Geschichte des
Köuigs Juba II. von Mauretanien als Quelle benützt wurde. Ist dem
Verfasser dieser Nachweis gelungen, und man darf und muss ihn wohl
für gelungen halten, so hat er das Verdienst, den bisher fast gänzlich
unbeachtet gebliebenen Quellen dritten Ranges die gehörige Geltung
verschafft zu haben und es ist der historischen Kritik ein neuer Mass-
stab an die Hand gegeben, den sie an diejenigen Autoren, die mit den
obigen gleichen Stoff behandele, anlegen wird.
In der oben genannten Schrift nun behandelt der Verf. die für die
Weltgeschichte höchst wichtige Epoche des zweiten punischen Krieges.
Durch Vergleichung wesentlicher Berichte des Appian und Cassius Dio
über diesen Krieg mit Polybius und Livius weist der Verf. in sehr
treffenden Stellen die numidische Quelle jener beiden Schriftsteller,
die 'Ptopaixu loroQiu des Königs Juba, nach.
Von diesem Standpunkte aus ist es dem Verf. möglich, die römische
Relation über die Vorgänge in dieser Zeit, die wir im Polybius und
Livius haben, einer eingehenden Kritik zu unterstellen.
Sich stützend auf die bereits früher gewonnenen Resultate der
wissenschaftlichen Forschung konstatirt er die Verwertung einer
gemeinsamen Quelle durch Polybius und Livius. Aus der sich hieraus
ergebenden Folgerung, dass die Tradition über den punischen Krieg im
Wesentlichen schon vor Polybius abgeschlossen war, entsteht für den
Verf. die Frage, welche Autoren auf die Tradition wesentlichen Einfluss
ausübten und durch welchen Compilator oder Combinator die Tradition
festgestellt wurde.
Durch die höchst wichtige Eruirung einer Doublette der Schlacht
bei Baecula gelingt es Hrn. K. die Compilation von zwei Relationen
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139
nachzuweisen, die von entgegengesetzten Parteistandpunkten aus ver-
tagst waren. Die Compilation, die sich durch die ganze Polybianiscb-
Livianische Beschreibung des II. punischen Krieges hindurchzieht, zeigt,
dass die eine Quelle das Scipioniscbe Parteiinteresse vertrat und Hr Dr E.
glaubt, den Autor derselben in P. Scipio, dem gelehrten Sohne des
Africanus major zu finden, während die andere Quelle auf einen anti-
seipionischen Gewährsmann hinweist, wofür der Verf. den Fabius Pictor
annimmt. In der Untersuchung, wer der Compilator der beiden Relationen
gewesen sei, kommt K auf L. Calpuruius Piso Frugi, dewen Leben und
Methode in der Geschichtschreibung er aus den noch vorhandenen
Notizen im weiteren Verlauf seiner Abhandlung darzulegen sucht.
Mag man nun immerhin gegen die Feststellung der Namen für die
Abfasser der beiden Partoirelationen und für den Compilator derselben
einiges Bedenken haben, es bleibt dem Verf. der oben genannten Schrift
das hohe Verdienst, Tbatsachen, die dem Philologen und dem Historiker
gleich wichtig sind, eruirt und die Möglichkeit gegeben zu haben, den
Kampf Koms und Karthagos um die Weltherrschaft richtiger und wahr-
heitsgetreuer als bbber darzustellen.
München. J. Pistner.
Literarische Notizen.
Lykurgos' Rede gegen Leokrates erklärt von Prof Adolf Nicolai,
Director des herzogl. Gymnasiums in Göthen. Berlin, Weidmann'sche
Buchhandlung. 1875. Die Ausgabe, welche für Schüler bestimmt ist,
zeigt das Bestreben, möglichst auch die ethischen Gesichtspunkte her-
vorzuheben. Der Kommentar ist kurz gehalten, notwendige Parallel-
stellen meist Schriften entnommnn, die den Sekundanern bekannt sind,
darunter auch lateinische. Der Verfasser empfiehlt, die Lektüre
derselben mit der Rede de imperio Cn. Pompeji oder pro Mose. Am. zu
verbinden. Zu Grunde gelegt ist der Text von Scheibe, doch sind an
fehlerhaften Stellen auch Konjekturen aufgenommen worden. Voraus-
geschickt ist ein „Leben des Lykurgos" mit den nötigsten Vorbemerk-
ungen für dio Rede.
Thucvdides erklärt von J. Classen. Fünfter Band, 5tes Buch.
Berlin, Weidmann'sche Buchhandlung. 1875. 1 M. 80 Pf. In gram-
matischer und kritischer Beziehung in gleicher Weise wie die voraus-
gehenden vier Bücher bearbeitet. Die Beschaffenheit und der
Zusammenhang dieses Buches werden in den vorausgeschickten
„Vorbemerkungen" (auf 28 Seiten) eingehend erörtert.
Sophokles erklärt von Schneidewin-Nauck. 3. B&ndchen.
Oedipus auf Kolonos. 6. Auflage. Berlin, Weidmann'sche Buch-
handlung. 1875. 1 M 80 Pf.
Cornelius Tacitus erklärt von Karl Nipperde y. Erster Band.
Ab exce8m divi kugusti I— VI. 6. verbesserte Auflage. Berlin,
Weidmann'sche Buchhandlung. 1875. 3 M.
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140
FU>re8 et fructus latini. Puerorum in usum legit et obtulit
Carolua Wagner. Editio tertia, attctior et emendatior. Lipsiae.
Fleischer 1875. 227 S. in 8. Das Buch bringt in ziemlich buntem
Wechsel vor Memorierverse, Sentenzen, poetische und prosaische Lese-
stücke nebst Wörterverzeicbniss. Mag man auch an dem ausgewählten
Stoff Gefallen finden, so fragt man sich doch unwillkürlich: für welche
Klasse soll das Büchlein dienen? Für die untern enthält es zu wenig
Material, für mittlere greift man lieber zur nahrhaften Kost eines
Klassikers, als zu solchen tutti frutti
Geschichte der römischen Literatur. Für höhere Lehranstalten
und für weitere Kreise bearbeitet von Dr. W. Kopp. 3. gänzlich
umgearbeitete Auflage. Berlin, Julius Springer. 1875. 120 S. in kl. 8.
Enthält für Schüler das Notwendigste. Die eingeflochtenen Uebertrag-
ungen aus Dichtern wären entbehrlich und könnte der Raum wohl
besser verwendet werden .
Neue praktische Anleitung zum Uebersetzen aus dem Deutschen
ins Lateinische, von Dr. Chr. £. A. Gröbel. Revidiert und erweitert
von Prof. Dr. L. F. Götz, Konrektor an der Kreuzschule zu Dresden.
20. Aufl. Halle, Eduard Anton. 1874. 348 S. in 8. Pr. 2 M. Das
Buch erstreckt sich bekanntlich auf die Formen - und Kasuslehre nebst
dem Notwendigsten aus der Moduslehrc, wofür es den grammatischen
Lehrstoff und die Uebungsbeispiele bietet. Die neue Aufl. unterscheidet
sich nicht wesentlich von den früheren. Die Fassung der Regeln lässt
trotz einiger Fortschritte noch viel zu wünschen übrig.
Dichtungen von Karl Zettel 2 Aufl. Mit einem Vorworte zur
1. Aufl. von Dr. Herrn. Lingg. Eichstätt und Stuttgart. Verlag der
Krüirschen Buchhandlung (IL Hugendubel). 1874.
Rhetorik für höhere Schulen. Von K. A. J. Hoffmann. 2. Abteilung.
Vierte Aufl , besorgt von Dr. Alb. Schuster. Clausthal. Grosse'sche
Buchhandlung 1875. Die neue Aufl. dieses schon einmal (Bd. VII
S. 102) empfohlenen Werkchens ist ein unveränderter Abdruck der
vorhergehenden. Nur der im vierten Buche befindliche Abschnitt über
die Rede (§. 48) hat mit Benützung von W. Wackernagels Rhetorik in
einzelnen Fällen eine Umarbeitung erfahren, wodurch das Buch von
186 auf 188 SS. angewachsen ist.
Alpenwanderungen. Fahrten anf hohe und höchste Alpenspitzen.
Nach den Originalberichten ausgewählt, bearbeitet und gruppiert für
junge und alte Freunde der Alpenwelt, von Dr. A.W. Grube. Leipzig.
Verlag von Ed. Kun.mer 1875. 9 Lieferungen ä 10 Sgr. Der durch
viele geistvolle Sammelwerke bekannte Verf. hat mit dem vorliegenden
Werke die Zahl jener Bücher, die das Angenehme mit dem Nützlichen
verbinden, vermehrt. Die glückliche Auswahl und Gruppierung, wo es
not that, die eigene Bearbeitung, der an sich anziehende Stoff, durch
zahlreiche Abbildungen in Farbendruck illustriert , ferner die brillante
Ausstattung empfehlen es zur Anschaffung für Schülerlesebibliotheken.
Friedr. Wilh. Jos. Sendling. Gedäcbtnissrede zur Feier seines
Säkular- Jubiläums am 27. Jan. 1875 im akademischen Rosensaal zu
Jena gehalten vom derzeitigen Prorektor Dr. Otto PI ei derer.
Stuttgart. Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1875. 68 S. in 8.
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141
Die Naturkräfte. Eine naturwissenschaftliche Volksbibliothek. Anf
das Erscheinen dieser, von einer Anzahl hervorragender Gelehrten
im Verlage von Oldenbourg in München herausgegebenen Sammlung
wurde schon S. 373 f. des VII. Bandes dieser Blätter empfehlend
aufmerksam gemacht. Wir nehmen gerne Anlass, den erfreulichen
Fortgang derselben zu konstatieren. Die ursprünglich in Aussicht
genommene Serie von 10 Banden ist bereits fertig und erwähnen wir
im Ansoh luss an obige Anzeige Band 7: Die vulkanischen Erschein-
ungen von Dr Friedr. Pf äff; Band 10: Wind und Wetter von Dr.
Lonimel Band 8 und 9 kämm uns nicht zu. Nach Vollendung der
ersten Serie hat bereits eine zweite begonnen Band 11: Vorgeschichte
des europäischen Menschen von Dr. Friedr. Ratzel (mit 92 Holz-
schnitten); Band 12: Bau und Leben der Pflanzen von Dr 0. W. Thome
(mit 72 Holzschnitten); Band 13: Mechanik des menschlichen Körpers
(mit 69 Holzschnitten). Sammtliche Arbeiten entsprechen den seiner-
zeit im Prospekt aufgestellten Grundsätzen und werden hiemit wieder-
holt, wenigstens« mit Auswahl, zur Anschaffung für Schülerbibliotheken
oberer Gymnasial - Klassen empfohlen. Die Ausstattung ist vortrefflich,
der Preis 1 fl 24 kr. per Band der ersten, 3 M. per Band der zweiten
Serie, ein massiger.
Lessings Laokoon. Für den weiteren Kreis der Gebildeten und die
oberste Stufe höherer Lehranstalten bearbeitet und erläutert von Dr.
W. Cosack Mit einer Abbildung der Marmorgruppe, Einleitung und
Namenregister. Zweite Aufl. Berlin, 1876. Haude- u. Spener'sche
Buchhandlung. 200 S in kl. 8. Der Verf. hat die gelehrten Anmerk-
ungen und Excurse zum allergrössten Teile weggelassen, weil sie für
die Hauptsache unwesentlich sind; er hat ferner mit Rücksicht auf das
Publikum, für das er gearbeitet, alle in fremder Sprache angeführten
Citate, Dichtungen etc in deutscher Sprache wiedergegeben. Die Ein-
leitung belehrt in Kürze über die Entstehung der Laokoongruppe und
ihre Geschichte, ferner über Zweck und Veranlassung der Lessing'schen
Schrift, diese selbst durch sachliche Noten von mässigem Umfange
erläutert. Das Büchlein, das in der gegenwärtigen Aufl. sorgfältig
revidiert und vielfach verbessert ist, empfiehlt sich daher für die auf
dem Titel genannten Leserkreise.
Lessings Laokoon für den Schulgebrauch bearbeitet und mit Er-
läuterungen versehen von Dr. J. Buschmann. Paderborn, Ferd.
Schöningh. 1874. 162 S. in Taschenformat. Pr. 1 M. 20 Pf. Auch
diese Ausgabe eignet sich für die Schule. Sie enthält die Laokoon-
Sruppe in Holzschnitt, eine einführende Einleitung (20 SS.) und unter
em Texte die notwendigsten sachlichen Erläuterungen. Der sprachliche
Ausdruck ist, soweit er veraltet schien, modernisiert worden.
Zeittafel und Register zu Curtius' griechischer Geschichte. (I — IH).
Berlin, Weidmann'sche Buchhandlung. 1874. 107 S. in 8.
Laurin. Ein tirolisches Heldenmärchen ans dem Anfange des
XIII. Jahrhunderts. Herausgegeben von Karl Möllenhoff. Berlin,
Weidmann'sche Buchhandlung. 1874. 78 S. in kl. 8. Eine hübsche
korrekte Textausgabe.
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142
Rechenbuch für die Vorschule. Von Chr. Harms. 2 Aufl. Olden-
burg, bei G. Stalling. 1875. Erstes Heft: Da' Rechnen im Zahlenkreise
von 1 — 10; 1 — 20; 1 —100 42 S. in kl. 8. Zweites Heft: Das
Rechnen im Zahlenkrcise von 1 — JOOO; l - 10000; 1 — 1000000 etc.;
1-0,001. 84 S. in kl. 8.
Hebräische Elementargrammatik. Eine zur Einführung in das
Studium der grammatischen Werke Ewald's und Böttcher's bestimmte
Vorschule Mit vollständigen Verbal- und Nominaltabellen, syste-
matisch geordneten Uebersetzungs- und Punktierübungen, sowie einem
Wörterbuch von Dr. Kr. Imm. Grundt. Leipzig Hirt & Sohn, 1875.
256 S. in gr. 8. Praktisch angelegt und sehr schön ausgestattet.
Elementare Grammatik der englischen Sprache. Mit Bezeichnung
der Aussprache und Accentuation für die Vokabeln. Von Dr. H. Th.
Traut. 3. Köllig umgearbeitete Auflage. Leipzig, Verlag von Gustav
Körner. 1875. 148 S. in kl. 8.
Auszüge.
Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien.
9. 10.
I- Miscellen ans der alten Geographie. Von Wilh. Toraasche k —
Die Militärverhältnisse der sogenannten provinciae inermes des römischen
Reiches. Von J. Jung.
11.
I. Kritische Betrachtungen über den philokrateischen Frieden. Von
Jos. Rohrmo8er in Feldkirch. Die hier festgestellten Resultate weichen
vielfach von den bisher ans Demosthenes gewonnenen ab. -•
Kleinigkeiten zu Tacitns ab exc. d. A III und IV. Von H. Cron.
Behandelt werden vou unserem leider inzwischen zu früh verstorbenen
Kollegen 3 Stellen, III. 44 (altitudine animi „das Bewnsstsein seines über
den Pöbel erhobenen Ranges, das gesteigerte Selbstgefühl des Tiberius");
IV, 49 f. (C. nimmt sich der Schlossworte dieses Kap. an); IV, 57 (der
Satz et Mhodi etc. wird nach locis occidtanlem gestellt). —
HL Enthält die Besprechung mehrerer Schriften über das Realgym-
nasium, namentlich das österreichische. —
1875. 1.
L Beiträge znrKenntniss des attischen Theaters. Von 0. Benndorf.
Interessant ist besonders die Erörterung der Ordnung, in welcher die
Zuschauer sassen.
III. Schriften zur Gymnasialreforra (Forts.). Besprochen von K.
Tomaschek.
143
2.
I. Beitrage zur Kenntniss des attischen Theaters IV. (Forts.). Von
0. Benndorf. — Za Cic. ad att. I. 16, 3. Von A. Goldbacher.
III. Die k. bair Schulordnung für die Studienanstalten, I. Von K.
Werner, Landesschulinspektor in Salzburg. Mit der österreichischen ver-
glichen und dieser teils vorgezogen, teils nachgestellt. W. tadelt die Auf-
nahme des französischen und Kalligraphie - Unterrichtes unter die obligaten
Fächer, die Weglassung der Naturgeschichte, bei einzelnen Gegenständen
die Verteilung des Lehrstoffes.
Zeitschrift für d Gymnasialwesen. 12.
I. Ueber griechische Schreibungen. Von Direktor Dr. H. Schiller
in Constan/.. Sie werden empfohlen , im Anschluss und zur Förderung Jer
Lektüre. Auch das Scriptum bei dt-r Maturitätsprüfung sei beizubehalten. —
Das negative Resultat der Ausgrabungen Schlieroanns auf Hissarlik und
Beweis, dass der Sänger der llias Troja auf Baalih- dag erbaut angenommen
habe. Von Dir. Dr. Hasper in Glogau.
IL Scblura des Jahresberichtes über Xenophon von Dr. Nitsche.
1875. 1.
I. Zehn Thesen zum Oberlehrerprüfungsreglement. Von Dr. H. G u h r -
au er. — Der Unterricht im Altdeutschen auf den höheren Schulen. Von
Dr. O. Vogel und Dr. W. Wilmanns. Jener plädiert für, dieser gegen
das Altdeutsche (im weiteren Sinne) an den Gymnasien.
III Bericht über die Innsbrucker Philologen Versammlung. — Jahres-
bericht des philologischen Vereins zu Berlin: Tacitus von Dr. Andresen.
Statistisches.
Ernannt: Studl M. Meyer in Bayreuth zum Sekretär an der
Staatsbibliothek; Studl. Sbmid in Grünstadt znm Subrektor in Pirmasens;
Ass. Driendl in Neuburg (Eonk 1873) zum Studl. in Dinkelsbühl ; Ass.
Düll (Konk 1871) zum Studl. in Nördlingen; Ass. Widder am Wilh.-G.
in München (Konk. 1871) zum Studl. daselbst.
Versetzt: Studl. Raab von Pirmasens nach Landau; Studl. Spalter
von Hersbruck nach Bayreuth; Ass. Rummelsberger von Bayreuth nach
München (Realgymnasium); Ass. Renn von Schweinfurt nach Bamberg.
Erklärung.
Um irriger Auffassung vorzubeugen, bemerke ich gegen den Auf-
satz des Herrn Collega Schelle im 2. Hefte dieser Blätter, dass ich
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mich durch denselben nicht veranlasst finde, meinen von ihm erwähnten
Artikel irgendwie zu modificiren. Besser dürfte es gewesen sein, wenn
Herr Schelle einen Fehler in der Ableitung der Gleichung
sin ß =z «*» « *L*
Y 1 - sin 2 sin £
nachgewiesen, oder wenigstens Hullmann's kleine Brochüre gelesen hätte.
Aschaffenburg. Dr. Bielmayr.
Berichtigungen.
Seite 75 letzte Zeile ist statt seine zu lesen ihre.
„ 76 Zeile 28 von oben aber statt und
„ „ „ 30 „ „ jener statt jenen.
In meinem „Lehrbuch der Determinantentheorie" sind ausser den
im Drucke angegebenen Unrichtigkeiten noch folgende zu verbessern:
von oben nach Zahler ergänze: und Nenner.
„ „ statt § 2 1. 3.
„ unten 1. permutirt.
„ „ statt abcd 1. abdc.
„ „ Btatt Weyrauch 1. Weihrauch.
„ „ ist Faktor (na — p) zu streichen.
„ „ statt Axen 1. Axen e= Ebenen.
„ oben muss es heissen: für sich m1, diezweite
m11, die dritte etc.
„ unten statt X 1.
z z
„ oben statt A„ x, L Af) x,.
„ „ statt An — n xn 1. An — n x,.
„ „ fehlt vor b die Klammer.
Seite
7
Zeile
4
»
8
»i
11
M
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12
»
17
»
11
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196
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6
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210
»
3
II
214
8
II
II
„ statt h'-r-q'-l- 1 i. (p? + q«-hl)2.
„ statt df 1. d'f.
Durch diese Verbesserungen wird hoffentlich annähernde Korrektheit
hergestellt sein.
S. Günther.
a
Oedruckt Ui J. Qotteswinter * MömI In München, The*Uneratr»*ieT8T
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üeber Differenzttfne.
Die Kombinationstöne waren in letzterer Zeit nur selten Gegen-
stand der Bearbeitung. Seit den umfassenden Arbeiten von Heimholte
ist mir keine Publikation hierüber bekannt geworden. Man konnte in
der That auch hiermit mehr als zufrieden Bein und es würde schwer
fallen, den Helmholtz'schen Arbeiten etwas absolut Neues hinzuzufügen.
Dieses soll mit vorliegender Abhandlung auch keineswegs bezweckt
werden. Das Motiv zu derselben ist in einer Notiz zu suchen, welche
E. Külp in seinem „Lehrbuche der Physik1' (Darmstadt. 1858. Verlag
von Johann Philipp Dichl) über die Bildung der Kombinationstöne gibt.
Von dem Gedanken ausgehend, dass gerade die Lehrbücher einer
Wissenschaft, soferne sie nur irgendwie mangelhaft constatirte That-
sachen enthalten, dem Studium dieser Wissenschaft am gefährlichsten
sind, erschien mir die Aufnahme des Gegenstandes um so mehr geboten,
als seither sich weder eine Stimme für, noch gegen Külp erhob. Der
Autor wird bei Erklärung der Kombinationstöne (a. a. 0. Bd. II p. 129)
von folgendem Ideengang geleitet.
Sind m und n die relativen Primzahlen zweier zusammenklingender
Töne und A und B ihre respectiven Schwingungszahlen, so findet jeden-
falls die Gleichung statt:
m A , A B
— -TJ oder - = -
n B m n
A B
Der Verfasser nimmt nun an — oder — repräsentiredie Schwing-
m n
ungszahl deä durch Zusammenklang der beiden Töne A und B ent-
stehenden Kombinationstones. Wir sehen hier ein Anschmiegen an die
Ansicht Seebecks, welche in der Einleitung zu der Helmholtz'schen
Arbeit über Kombinationstöne (Pogg. Ann. XCIX p. 528) besprochen ist.
Auch ist dieser Satz nur eine Reproduction des von Vincent*)
citirten Tartin i' sehen Satzes: „Wenn zwei Töne mit den Schwing-
ungszahlen u und «' gleichzeitig angegeben werden, so hört man
ausser ihnen noch einen resultirenden Ton, dessen Schwingungszahl
dem gemeinschaftlichen Masse von p und gleichkommt". Külp
glaubte sich durch folgenden Versuch zu seiner Ansicht, welche nicht
frei von Willkür ist, berechtigt
Bei dem Zusammenklingen zweier Töne, welche in dem Verhältniss
5 : 8 stehen, wird nach ihm ein Ton gehört , dessen Schwingungsanzahl
•) Ann.chem.ph*js.(3)XKVl,37. Jahresbericht der Chemie. 1849. p. 79.
Blittor t. d. b»y«r. Gymii.- n. Beal-Schulw. XL J»lwg. 10
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14G
dadurch berechnet wird, dass man mit 5 in die Schwingungszahl des
tieferen Grundtons dividirt So entstünde bei
5:8 c : as 128 : 204,8
nicht etwa der Ton Et — 76,8 Schwing., sondern der Ton As = 25,6
Schwingungen.
Die Schwingungszahl des Tones As erscheint hierbei als Quotient
von 5 in 128.
Wer mit dem Helmholtz'schen Werke „die Lehre von den Ton-
empfindungen" und speciell mit dem Kapitel von den Combinationstönen
(a. a. 0. p. 227) nur irgendwie vertraut ist, wird leicht finden, dass
dieser Quotiententon, wenn man ihn so nennen darf, mit dem Differenz-
tone übereinstimmt, wenn die beiden relativen Primzahlen um die Zahl
1 von einander abstehen. Ist aber dieser Abstand ein anderer t so
erscheint die Schwingungszahl des Differenztones als Product des
Quotiententones mit der Differenz der relativen Primzahlen und, wie
hier gleich bemerkt werden mag, erscheint der Helmholtz'sche Sum-
mntionston als Product des Quotiententones mit der Summe der beiden
relativen Primzahlen.
Diese interessanten Verhältnisse schliessen Übrigens keinen neuen
Satz ein, wie aus Späterem hervorgehen wird.
Um auf den beschriebenen Versuch zurückzukommen, welcher mit
einer Violine angestellt wurde, möchte ich bemerken, dass der Differenz-
ton , welcher jedenfalls vorhanden war , von Külp einfach übersehen
wurde. Diess ist sehr leicht möglich, und wer nur irgendwie sich mit
akustischen Versuchen beschäftigte, weiss, in welch hohem Grade ein
sonst geübtes Ohr bezüglich bestimmter Töne mangelhaft erscheinen
kann. So untersuchte ich beispielsweise eine Stimmgabel auf ihre
Obertöne und konnte leicht ohne Hülfe einer Resonanz den 1. Oberton
wahrnehmen, während einem mit mir experimentirenden ausgebildeten
Musiker dieses selbst bei Anwendung des betreffenden Resonators nicht
gelang. Ueberhaupt ist das Nichthören eines Tones nicht immer ein
Beweis für dessen Abwesenheit. Es können Fälle von Uebermüdung
eintreten, welche vollständig das klare Unheil stören, wesshalb auch
als erste Regel bei akustischen Versuchen aufzustellen ist, dieselben
öfter abzubrechen und mehrere Personen daran Theil nehmen zu lassen.
Külp gibt übrigens noch einen Versuch an, bei welchem er den
Differenzton nicht hören konnte. Beim Zusammenklingen von
4:9 c : d1 128 : 288
128
hörte er ebenfalls nur den Quotiententon C = 32 = — . Es unterliegt
4
keinem Zweifel, dass die Differenztöne bei so weit auseinander
liegenden Verhältnissen oft nur sehr schwierig gehört werden, aber
vorhanden sind sie immer.
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147
Um zur Erklärung der von Külp beobachteten Quotiententöne zu
gelangen, begnügte ich mich nicht mit den angeführten Beispielen.
Mit Hülfe eines Appun'achen Obertöneapparates, dessen
tiefster Ton C 32 Schwingungen in der Sekunde ausführt und welcher
alle Obertöne dieses Grundtones bis zum 32ten einzeln enthält, suchte
ich bei den verschiedensten Verhältnissen der relativen Primzahlen zu
experimentiren. Einem solchen Obertöneapparat sind genau abgestimmte
Resonatoren beigegeben und zwar besitzen diese mit den Tönen des
Obertöneapparates correspondirende Nummern. Der Grundton ist mit
No. 1, der erste Oberton, also derjenige, welcher doppelt so viel
Schwingungen ausführt als der Grundton, mit No. 2 etc. versehen.
Den einzelnen Nummern entsprechen also bei diesem Apparate
folgende Töne.
C C G c e g b c~ d 7 f g ä ~b h ~c des d es 77
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Ii 12 13 14 15 16 . 17 18 19 20 21
f + /»* ■+* g gis a a b ais h h 0.
22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32
Einige der angegebenen Bezeichnungen stimmen nicht genau mit
denen, welche die sogenannte natürliche Tonleiter vorschreibt, jedoch
finden in einem solchen Falle sehr angenäherte Verhältnisse statt Für
unseren Zweck ist eine Bezeichnung durch Buchstaben meistens gleich-
gültig, da wir hauptsächlich auf die Schwingungsverhältnisse unsere
Aufmerksamkeit zu lenken haben.
Bei meinen nunmehr näher zu beschreibenden Versuchen habe ich
die Einrichtung getroffen, dass jederzeit der zu beobachtende Quotienten-
ton durch denselben Resonator gehört wurde. Ich wählte hierzu den
Resonator No. 4.
Beim Zusammenklingen von
No. 8 und No. 20 No. 8 und No. 28
„ 12 „ „ 20 „ 12 „ „ 28
„ 16 „ „ 28 „ 20 „ „ 28
No. 20 und No. 32
wurde immer der sogenannte Quotiententon deutlich gehört.
Beim Gebrauche der Resonatoren sind manche Verhältnisse zu
berücksichtigen, deren Erwähnung hier nicht überflüssig sein dürfte,
um so mehr, als in der Unterlassung bestimmter Vorsichtsmassregeln
oftmals die Quelle negativer Resultate zu suchen ist. Man muss bei
dem Experimentiren den Resonator schief nach oben halten und im
Zimmer diejenige Stelle aufsuchen, an welcher der zu beobachtende
Ton am kräftigsten resonirt Zugleich ist es nöthig den Resonator
öfter von dem Ohre abzusetzen, einmal um den Unterschied der Klang-
stärke zu beobachten, dann auch um das Ohr nicht zu übermüden.
10*
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£s ist vielfach beobachtet worden, dass das linke Ohr schärfer höre,
als das rechte. Ich kann diese Beobachtung nicht bestätigen, denn ich
hörte' manchmal mit dem linken, manchmal mit dem rechten Ohre
besser. Weiter muss man bei dem Experimentiren sich überzeugen,
ob nicht durch Geräusche, welche zum Beispiel durch Treten des Blase-
balges entstehen, der eigne Ton des Resonators besonders deutlich
auftritt. Endlich ist es nöthig, den Resonator schon an das Ohr zu
bringen, wenn nur einer der beiden Töne angeblasen wird, da es
möglich sein kann, dass bei anderweitigen Versuchen dem Resonator
nahezu entsprechende Obertöne schon von vorneherein resoniren, in
welchem Falle die Zunahme der Intensität des Eigentons des Reso-
nators beim Zusammenklingen der beiden Grundklänge ein sicheres
Merkmal für das Vorhandensein des gesuchten Tones ist. Selbstver-
ständlich ist hierbei zu berücksichtigen, dass nicht etwa der zweite
Grundklang denselben, dem Eigentone des Resonators nahe liegenden,
Obertön besitzt, wie der erste. Das eben Gesagte gilt besonders für
die Resonatoren höherer Töne, denn da die Länge eines solchen
Resonators gleich ein viertel Wellenlänge desjenigen Tones ist, auf
welchen er am stärksten resonirt und die Unterschiede der Wellen-
längen aufeinander folgender Töne mit der Höhe immer kleiner
werden, so werden sich die angeführten Unbequemlichkeiten besonders
leicht bei den höheren Tönen zeigen. Bei dem Experimentiren mit
grösseren Resonatoren kommt jedoch ein andrer Umstand in Betracht,
welcher leicht zu bedeutenden Irrthümern Veranlassung geben kann.
Hält man z. B. den Resonator 4 an's Ohr und bläst 8 an, so glaubt ein
nicht geübtes Ohr den Ton 4 zu hören. Diese Täuschung hat ihren
Grund in der Wirkung grosser Resonatoren als Hörrohr. Mitunter
kann man aber auch No. 4 wirklich hören, wenn nämlich dieser Ton
bei einem früheren Experiment nicht vollständig abgeschoben wurde.
Ich erwähne dieses Umstandes besonders dessbalb, weil bei dem Ex-
perimentiren mit einem Harmonium solche Verbältnisse nicht selten
das klare Urtheil stören.
Nachdem ich mich mit den angegebenen Hülfsmitteln von der
Existenz wirklich kräftiger Quotiententöne überzeugt hatte, suchte ich
die Erklärung ihrer Entstehung auf die Obertöne zurückzuführen.
Diese Idee ist keineswegs neu, denn schon Helmholtz bemerkt, dass
die Differenztöne höherer und niederer Ordnung, bei irgend welchem
Klangverhältniss die arithmetische Zahlenreihe nach 1 hin ergänzen,
so dass, wenn beispielsweise 4 und 5 die relativen Primzahlen zweier
Grundklänge vorstellen, auch noch Töne gehört werden, welchen die
relativen Zahlen 12 3 zukommen, so dass man nicht blos 4 und 5,
sondern auch
1 2 3 4 5
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149
sogar noch eine weitere Reibe von Tönen unter Umstanden hören
kann. Um nun wirklich etwas beweisen zu können, massten möglichst
einfache Tone zu Grunde gelegt werden. Ich bezog daher von Appunn
in Hanau acht Stimmgabeln, welche die diatonische Tonleiter von
c — 256 Schwingungen bis c = 512 Schwingungen gaben. Es bedarf
kaum der Bemerkung, dass diese Stimmgabeln sehr rein gestimmt und
mit Resonanzkästchen versehen waren. Sie gaben alle nur den ersten
Oberton , aber mit sehr geringer Intensität. Diese acht Stimmgabeln
erlaubten die mannigfachste Kombination, aber niemals konnte ein
Eombinationston gehört werden, welcher mit Recht den
Namen Quotiententon verdient Auch Heluiholtz hatte schon
Versuche mit einfachen Tönen angestellt, aber bei der Schwierigkeit
der Umschau in der Gesammtliteratur eines Gegenstandes, welchen die
Abwesenheit einer Bibliothek mit sich bringt, habe ich davon erst jetzt
Kenntniss erhalten *).
Bezeichnen wir nun weitergehend mit a und 6 die relativen Prim.
zahlen zweier zusammenklingender Töne, und mit na und nb deren
Schwingungszahlen, wobei wir bemerken wollen, dass nb > na, so hat
die Frage einiges Interesse, welche Obertöne einen Differenzton geben,
dessen Schwingungsanzahl = n ist. Diese Frage findet ihren Ausdruck
in der unbestimmten Gleichung:
x(na) — y (nb) — + n
oder
l)xa-y6 = + 1
Bei gegebenem a und b wird diese Gleichung näher dadurch bestimmt,
dass x und y ganze positive Zahlen sein müssen. Wählen wir
a — 2 mit 6 = 5,
so liefert Gleichung 1) Werthe für x und y, deren niedrigste sind:
x — 3 y — 1
oder
x — 2 y = i.
Wir sehen daraus, dass schon der erste Oberton des tieferen Grundtones
und der höhere Grundton bei dem vorgelegten Verhältniss einen
Differenzton ergeben, dessen Schwingungsanzahl gleich ist der Schwing-
ungsanzahl desjenigen Tones, welchen wir oben mit dem Namen
Quotiententon belegt haben. Dieser Ton kann bei dem Verhältniss
der Schwingungszahlen 2 : 5 also sehr leicht gehört werden. Schwieriger
gelingt diess bei anderen Verhältnissen der Schwingungszahlen der
zusammenklingenden Töne. Setzen wir beispielsweise noch
a = 6; 6 = 8,
*) Jahresbericht für Chemie 1856 p. 109.
150
so bedarf man schon nach Gleichung 1) des zweiten Obertons des
tieferen Grundtons und des ersten Obertones des höheren Grundtones.
Von besonderem Interesse sind die sogenannten Quoti e nte ntöne
dadurch , dass sie zugleich diejenigen Kombinationstöne vorstellen,
welche unter allen denkbaren Kombinationen der Grund - und Obertöne
eines gegebenen Verhältnisses die kleinste Schwingungsanzahl enthalten;
denn die Frage nach derjenigen Differenz, welche die Schwingungsanzahl
n liefert, stimmt mit der Frage vollständig überein: „welches ist die
kleinste Differenz zwischen allen nur denkbaren Kombinationen der
Grund- und Obertöne".
Bilden wir die Differenz
x (n a) — y (n 6) — d,
so finden wir, dass der kleinste Werth, welchen d annehmen kann,
jedenfalls — n ist, denn schreiben wir diesen Ausdruck :
x a — yb ss -
so muss der kleinste Werth von — nothwendig = 1 werden, also d = n.
n
Kombiniren wir weiter irgend einen schon gebildeten Differenzton
mit einem beliebigen Oberton .: (na) und setzen wir:
(x (na) — y (nb)) — s (na) = d,
so lässt Bich ebenso zeigen, dass nur dann d seinen kleinsten Zahlen-
werth erhält, wenn
d, = n ist.
Aus diesem Grunde würde es vielleicht auch practisch sein , den
Namen Quotiententon beizubehalten, oder besser gesagt einzuführen,
denn alle Kombinationstöne niederer oder höherer
Ordnung sind ganze Multipla des sogenannten Quo-
tiententones. Im Wesentlichen ist dieses jedoch nur eine andere
Ausdrucksweise für den schon oben ausgesprochenen Helmholtz'schen
Satz*), dass die Differenztöno der Grund- und Obertöne die arithme-
tische Zahlenreihe nach 1 hin ergänzen.
Als ich meine oben angedeuteten Versuche mit den Stimmgabeln
anstellte, versuchte ich auch unter Gebrauch der erwähnten Resonatoren
die von Helmholtz entdeckten Summationstöne**) zu hören, aber
es war mir und auch anderen Personen, welche ein scharfes Ohr
besitzen, unmöglich, nur die geringste Spur eines Summationstones
wahrzunehmen. Mir war diess um so auffallender, als Helmholtz
a. a. 0. p. 619 3 mit Stimmgabeln ausgeführte Versuche angibt, in
*) Helmholtz, Lehre von den Tonempfindangen, p. 232.
*j Pogg. Ann. XCIX, 497.
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151
welchen er die Summationstöne, wenn anch nur schwach, hörte. Ich
mus8 hier bemerken, dass die Differenztöne erster Ordnung hierbei
noch bis zum Verklingen der Stimmgabeln gehört werden konnten.
Heimholte gibt in seiner interessanten mathematischen Ableitung über
"die Theorie der Kombinationstöne bei dem Erklingen des Grundtons
und der Quinte das Verhältniss der Amplitude des Differenztons zu
derjenigen des Summationstons wie
"(2 + 3)1 : (3 - 2)» = 25 . 1 an
bei der Quarte wie 49 : 1
„ „ Terz „ 81 : 1 und erwähnt damit übereinstimmend die
geringe Intensität des Summationstones im Vergleich zum Differenzton
a a. 0. p. 535. Andererseits erwähnt jedoch Helmholtz auch a. a. 0.
p. 519, „dass es bei Orgelpfeifen und namentlich mit der Dvel'schen
mehrstimmigen Sirene leicht gelingt, die Summationstöne ebenso stark
oder stärker zu erhalten, als die ersten und stärksten Obertöne, so
dass sie jedenfalls viel stärker werden, als die Differenztöne dieser
letzteren". Aehnlichem begegnet man bei dem Experimentiren mit dem
Appun'schen Obertöneapparat; so hörte ich beim Ziehen der Tasten
8 und 15 gut den Summationston 23, dagegen nicht so gut den Dif-
ferenzton 7. Eine Verwechselung des Tones 23 mit dem Obertone
24 fand jedoch nicht statt. Bei dem Anziehen der Tasten 8 und 20
hörte ich jedoch den Summationton 28 nicht, den Differenzton 12 nur
sehr schwach, dagegen kräftig den Ton 4. Bei dem Anziehen der
Tasten 12 und 20 wurde wieder der Summationston 32 gut, der Differenz-
ton 8 sehr gut und auch der Ton 4 gut gehört. Die erwähnten
eigenthümlichen Verhältnisse, welche einmal den Summationston stärker,
in einem anderen Falle denselben schwächer oder, gar nicht liefern,
und dann das absolute Nichthören eines Summationstones bei meinen
Stimmgabelvcrsuchen lassen es nicht ganz unwahrscheinlich erscheinen»
dass die Summationstöne mit den Differenztönen höherer Ordnung
doch in Beziehung stehen. In diesem Falle müsste jedoch die Theorie
der Differenztönc eine Aenderung erleiden und zwar wieder auf die
Schwebungen und sogenannten Kombinationsstösse zurückgeführt werden.
Wenn es auch Thatsache ist, dass Schwebungon und Töne ausser-
ordentlich Verschiedenes Bind, so schliesst doch dieses die Annahme
nicht aus, dass in Folge der Schwebungen neue Tonwellen gebildet
werden, wodurch Differenztöne entstehen, welche bei dieser Zulassung
die Grundlage complicirter Tonbildungen sein würden- Bekanntlich
geht die Helmholtz'sche Theorie der Kombinationstöne von der Annahme
aus, dass die repulsiven Kräfte, welche einen aus der Gleichgewichts-
lage gebrachten Massenpunkt in seine Gleichgewichtslage zurücktreiben,
nicht mehr proportional der Entfernung von der Gleichgewichtslage
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sind, sondern, dass hierzu noch die Quadrate der Elongationen kommen.
Heimholte drückt dieses aus durch die Differentialgleichung:
-« ?£=:az + ba? + frin (pt) + 9 sin (qt + c)
in welcher m die Masse des beweglichen Punktes, und x seine Ent"
fernung von der Gleichgewichtslage zur Zeit t bedeuten, a und b
stellen Constante und f sin (pt), sowie g sin (qt + c) zwei periodisch
veränderliche Druckkräfte dar, welche in Folge zweier Schallwellen-
zQge auf den beweglichen Massenpunkt wirken.
Die Voraussetzung, unter welcher Helmholtz die Differenztöne
entstehen lässt, braucht nicht immer erfüllt zu sein, denn wie ich oben
hervorgehoben habe, werden Differenztöne bei Stimmgabeln noch bis
zum letzten Aufklingen derselben gehört. Nehmen wir nun die Differenz*
töne als das Grundphänomen an und betrachten die Summationstöne
als Differenztöne höherer Ordnung, so kommen wir zwar in Wider-
spruch mit den von Helmholtz bei Stimmgabeln angestellten Versuchen,
aber nicht in Widerspruch mit meinen Versuchen. Helmholtz experi-
mentirte bei seinen Stimmgabelversuchen mit den Tönen b und fu
fx undft,, b undd, deren Schwingungsverhältnisse sind respective 2:3,
3 : 4, 4 : 5. Es kann nun bei dem Verhältniss 2:3 der zweite Oberton
des höheren Grundtones nnd der erste Oberton des tieferen Grundtones
einen Differenzton höherer Ordnung geben, dessen Schwingungszahl
dem Summationston gleichkommt, bei dem Verhältniss 3:4 hat man
hierzu den 2ten Oberton des tieferen und den 3ten Oberton des höheren
Grundtons und bei dem Verhältniss 4 : 5 den 3ten Oberton des tieferen
und den 4ten Oberton des höheren Grundtones nöthig. Es ist nicht
ganz unmöglich, dass die angewandten Stimmgabeln diese Obertöne
besassen. Meine Stimmgabeln lassen nur den ersten Oberton hören.
Es ist auch nach den Versuchen von Helmholtz eine bemerkenswerthe
Thatsache, dass Klänge, welche besonders reich an Obertönen sind,
vorzüglich hörbare Summationstöne liefern, und auch kann, wie meine
Versuche zeigen, ein und derselbe Apparat einigermassen wider-
sprechende Resultate geben. Es mag diess in den Intensitätsverhältnissen
der einzelnen Obertöne liegen. Legen wir z. B. zwei Töne zu Grunde,
deren Schwingungsverhältniss wie 3:5 ist, so wird der Summationston
nach unserer Ansicht besonders stark hervortreten, wenn jedesmal der
dritte Oberton des Grundtones von besonderer Intensität ist. Eine
Bestätigung dieser Ansicht könnte durch Intensitätsbestimmung der
einzelnen Obertöne erfolgen, aber hierzu fehlt es in der Akustik an
geeigneten Apparaten.
Helmholtz hat auch noch einen Summationston zweiter Ordnung
bei Sirenentönen gehört, deren Schwingungszahl gleich ist 2p -\-q oder
ff + 2p, wenn p und q die Schwingungszahlen der primären Töne
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bedeuten. Offenbar lassen sich diese Töne auch als Differenatöne
höherer Ordnung auffassen, wenn wir einmal annehmen, dass die
Differenztöne überhaupt allein die Grundlage bilden eines weitergehenden
Tonphänomens.
Nennen wir wie früher allgemein a und b die relativen Primaahlen
eines Klangverhältnisses, so werden die Obertöne, welche den Differenz-
ton ergeben, ausgedrückt durch die unbestimmte Gleichung:
a . x — b . y — dz (a — 6),
diejenigen, welche die Summationstöne erster Ordnung liefern:
a . x — b y — zb (<*+&)
und die Obertöne für die Summationstöne zweiter Ordnung werden
gefunden durch:
a . x — b . y = ± (2a b)
oder: ^
a . x — b . y — ±(a-f 26).
Wenn wir die Resultate unserer Untersuchungen noch einmal
überblicken, so sehen wir, dass die im Eingange erwähnten eigen-
thumlichen Ansichten über die Bildung der Kombinationstöne sich
zurückführen lassen auf Differenztöne höherer und niederer Ordnung.
Speier. C. Bender.
Bemerkung zur Theorie des Keiles.
Der Verfasser des unter der vorstehenden Aufschrift (S. 231 des
VIII. Jahrgangs dieser Blätter) erschienenen Artikels hat zwar mit dem
Titel eines intellektuellen Urhebers desselben nicht mich bezeichnet,
dennoch aber muss ich mich als den ersten Anstifter bekennen und
fühle mich desshalb auch verpflichtet, dasjenige mitzutheilen , was ich
seitdem zur Lösung des dort erwähnten scheinbaren Widerspruches
gefunden habe.
Ich kann nicht zugeben, dass dasjenige, was im erwähnten Artikel
ausgeführt ist, den Widerspruch löse, und zwar schon desswegen nicht,
weil Ringe , Stifte, Hacken etc. nach meiner Ansicht in das Gebiet der
angewandten, nicht aber der reinen Mechanik, gehören.
Der erste Irrthum ist nach meiner Meinung in dem Satze enthalten :
„Wenn zwei gleiche Gegenkräfte P und Q einen frei beweglichen Keil
auf zwei Seiten in A und B angreifen, so dass APQB eine Gerade ist,
und man verlegt in Gedanken den einen Angriffspunkt in den andern,
so halten sich beide Kräfte Gleichgewicht, und es würde demnach die
geringste dritte Kraft den Keil nothwendig in Bewegung setzen'4.
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• ■ , ■ Ml
Dieser Irrthum besteht darin, dass hier von dem Satze Gebrauch
gemacht wird: „Jede Kraft bringt dieselbe Wirkung hervor, wenn ihr
Angriffspunkt an eine andere Stelle ihrer Richtung verlegt wird". Dieser
Satz gilt nämlich nur für den Fall von zwei fest verbundenen Punkten
(starres System), wird aber hier auf Punkte angewendet, welche diese
Bedingung nicht erfüllen.
Es unterscheidet sich die Betrachtung des Keiles, wie jene der
schiefen Ebeno, von welcher der Keil eine Anwendung ist, von den
Betrachtungen der vorhergehenden Maschinen (Hebel, Rolle etc.)
wesentlich dadurch, dass es bei den letzteren immer möglich ist, die
Betrachtung der Maschine auf wenige starr verbundene Punkte zu
reduciren, während diess bei jenen nicht der Fall ist, weil hier gerade
der Umstand von Wichtigkeit ist, dass es sich nicht um die Wirkung
auf einen isolirt gedachten Punkt handelt, sondern um die Wirkung
auf einen Punkt, der von unzähligen mit ihm in einer gemeinsamen
Ebene liegenden Punkten umgeben ist, und in Folge dessen nicht in
jeder Richtung unter gleichen Bedingungen eine Bewegung ausführen
kann. Es muss also (wie es auch durchweg bald ausführlicher, bald
mehr andeutungsweise geschieht) vor allem festgestellt werden, wie sich
eine Ebene gegen einen auf dieselbe wirkenden Druck verhält Es soll
an dieser Stelle hierüber keine weitläufige Untersuchung angestellt,
sondern die unbestrittene Thatsache festgehalten werden, dass jede
Ebene nur einen Druck aufnehmen kann, welcher senkrecht auf
dieselbe wirkt. Daraus folgt dann nothwendig, dass von jedem Drucke,
welcher in einer anderen Richtung erfolgt, nur die senkrechte Com-
ponente eine Wirkung auf die Ebene äussern kann, während der übrige
Theil für die Ebene selbst verloren geht. Die Beantwortung der
Frage, wohin dieser Theil komme, scheint mir nicht zur vorliegenden
Untersuchung zu gehören, doch möchte ich erinnern, dass Weisbach,
der den Druck als durch einen Stab ausgeübt annimmt , diesem Theile
der Kraft das Bestreben zuschreibt, das Ende des Stabes in einer
Richtung, welche auf jener des Stabes selbst senkrecht steht, zu
verschieben, welchem Streben durch geeignete Vorrichtung das Gleich-
gewicht gehalten werden soll. Statt einer Verlegung des Angriffs-
punktes, welche nur bei einem starren System erlaubt sein würde,
haben wir es also in Folge der hier vorhandenen Umstände mit einer
Zerlegung der Kräfte zu thun.
Die von Weisbach entwickelte Gleichung
p - 2 Q sin ■
~ sin ß
gibt für unsern Fall, in welchem ß = 90° -f- «
P = 2 Q tang «,
s
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welche (entgegengesetzt der auf S. 236 des erwähnten Artikels ausge-
sprochenen üeberzeugung) richtig ist, wogegen die (auf S. 234 und 235
abgeleitete) Gleichung
R = P sin 2a*)
unrichtig ist.
Die Gleichung, welche Weisbach für einen beliebigen Winkel ß
gibt, lässt sich i'ür unsern speciellen Fall auch auf die folgende Weise
ableiten, wozu ich die auf S. 234 des mehr erwähnten Artikels
stehende Figur benütze, und die dort gewählten Bezeichnungen
beibehalte.
Denkt man sich die in der Richtung FO wirkende Kraft Ii in
zwei gleiche auf CD und CE senkrechte Kräfte, welche unter sich
einen Winkel AOB — 180° — 2a bilden, zerlegt, und bezeichnet man
jede derselben mit D, so ergibt sich nach dem Kräfteparallelogramm
B1 — 2D* (l — cos 2a) = 2D* X 2 sin «», also (1) B = 2D sina.
Biese Kräfte D aber dürfen, weil 0, A und B fest verbunden sind,
beziehungsweise nach A und B verlegt werden. Dort sollen sie Kräften
das Gleichgewicht halten, welche parallel DB in der Geraden AB
wirken. Um das Gesetz für dieses Gleichgewicht au finden, muss
man jede Kraft D in (zwei) Componenten zerlegen, von welchen die
eine (X) den von aussenber auf den Keil wirkenden Kräften (Pund Q)
Gleichgewicht halten soll, also den Richtungen derselben direkt ent-
gegengesetzt sein muss. Die andere Componente darf dann auf dieses
Gleichgewicht keinen Einfluss üben, was nur dann der Fall ist, wenn
ihre Richtung auf jener der im Gleichgewicht stehenden Kräfte senk-
recht steht, in, welchem Falle sie dann durch die Einrichtung des
Apparates (bei Weisbach durch die Führung des Stabes, welcher den
Druck vermittelt) aufgehoben wird. In Folge dieser Zerlegung erhält
man die Gleichung (2) X = P = D cos a.
Die Elimination von D aus den beiden Gleichungen (1) und (2) ergibt
R = 2P tang a.
Diese Gleichung ist es aber, von welcher wir oben gesehen haben,
dasa sie aus der Weisbach'schen sich für unsern speciellen Fall ergibt,
und welche ich auch an anderen Orten gefunden habe. Freilich wird
sie gewöhnlich dadurch abgeleitet, dass man einfach die Formel für
die schiefe Ebene und zwar für jenen Fall benützt, in welchem die
Kraft parallel zur Basis wirkt. Die Formel ist , wie wir jetzt gesehen
haben, richtig, die Art ihrer Einführung aber entschieden unklar, was
wohl daraus allein schon hervorgeht, dass ausserdem, weder der
*) Es scheint kaum notwendig zu bemerken, dass B in dieser letzteren
Gleichung dem P in der vorhergehenden, sowie P dem Q entspricht
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mebrerwähnte Artikel , noch der vorliegende in diese Blätter Eingang
gefunden haben würde. Dass man statt von B auszugehen, um
schliesslich auf P zu kommen, ebenso gut den umgekehrten Weg
einschlagen kann, ist wohl selbstverständlich.
Aschaffenburg. Dr. Bielmayr.
Homerisches Allerlei.
III. Vom Purpur.
(Schluss.)
4. Ergebnisse für die Geschichte des Purpurs.
üeber Alter und Ursprung des Purpurs ist, soweit meine Kennt-
nisse reichen , noch immer die einzige Besprechung, welche wir haben,
die durch Movers gegebene in Ersen und Gruber's Encyklopädie III.
Sect, 24. Th. S. 367 —76 unter d. Art.: „Phönizier, Industrie". Und
diese ist in ihrem etymologisierenden Teile unsicher, in ihrer Bezug-
nahme auf die Griecben wegen Verwechselung des Quellen - Wortlautes
zum Teil unrichtig. Ursprung und Alter des Purpurs sind uns also
noch immer in sagenhaftes Dunkel gehüllt. Vor des- Moses Zeugnis ist
der Purpur bis jetzt niebt nachweisbar; von Moses' Zeit an ist er bei
mehreren Völkern zu finden als den Babyloniern, Madianiten, Hebräern,
Aegyptern. Jünger wieder sind die Zeugnisse für Perser und Lyder,
Etrusker und Römer, wie sie Amati 1.1. c. LH p. 65 Bqq. zusammen-
gestellt hat. Scbliessen wir daran die Ergebnisse unserer obigen Unter-
suchungen an.
Die althomerischen Griechen kannten (von Mennig abgesehen) nur
eine objektive rote Farbe einigermassen und bezeichneten diese als
„Phönizisches" , folglich erhielten sie dieselbe oder kannten damit
Gefärbtes nur durch Vermittelung des phönizischen Handels. Es war
entweder vor dem 15. Jahrhundert vor Chr. in einer Zeit, wo von den
Phöniziern noch ausschliesslich mit Scharlach und rotem Purpur gefärbt
wurde, oder es war sei es vor sei es wahrscheinlicher nach dem 15. Jahr-
hundert unter Verhältnissen, da nur Scharlach und roter Purpur allein
nach Norden exportiert wurden.
Im 15. Jahrhundert ist nämlich nachweislich nicht Mos roter, sondern
auch blauer Purpur phönizischer Handelsartikel gewesen. Phönizischer
Verkehr mit Aegypten war schon während der 18. und 19. Dynastie,
also jedenfalls im 2. Jahrtausend v. Chr. im Gange; derselbe bewegte
sich auf dem See- und auf dem Landwege, hier von Gaza nach Memphis.
(Movers, Phöniz. II, 2 S. 179 ff. ; 184). Auch war im 15. Jahrhundert
v. Chr. schon den Hebräern durch ihr Gesetz der Gebrauch des Purpurs in
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verschiedener Verwendung vorgeschrieben, als sie noch auf der Wanderung
waren (2 Mos. 25, 4; 26, 1 nnd 31; 28, 5 und sonst) und zwar schon
zwei Hauptsorten : der rote (argaman) und der blaue (th1 cheltt), ebenso
wie der Scharlach {schaut), dessen Gebrauch noch weiter zurttck erkennbar
ist (1 Mos. 38, 28 und 30; vgl. Bochart 1.1. II p. 628; Beckmann, Bei-
trage zur Geschichte der Erfindungen III S. 35). Aegypten selbst hat
aber keinen Purpur in den Handel gebracht, nicht einmal in der späteren
Zeit, also noch weniger in der früheren; denn „mit der Industrie der
Aegypter sind auch ihre Ausfuhrartikel stets dieselben geblieben"
j Movers a. 0. II, 3 S. 316 f.). Die Israeliten konnten also, wie sie die
feine Leinwand zu den Priesterkleidern und zum Privatgebrauch allezeit
von Aegypten durch den Handel bezogen, so im 15. Jahrhundert den be-
nötigten Purpur, fertig oder als gefärbte Robwolle, nur durch den Handel,
durch phönizische Kaufleute (aber Aegypten?) bekommen haben. Denn
auch hier erscheint der Rohstoff schon gefärbt, ehe er von den Frauen
gesponnen und von Männern gewebt wurde (2 Mos. 35 , 25 und 35;
Sprücbwört. 31, 19). •) „Und jede Frau weisen Sinnes spann mit ihren
Händen, und sie brachten als Gespinst die purpurblaue und die purpur-
rote Wolle, die karmesinfarbige Wolle und den Byssus".
Damit haben wir festen Boden soweit gewonnen, dass roter und
blauer oder sagen wir heller und dunkler Purpur schon im 15. Jahr-
hundert v. Chr. im phönizischen Handel vorkamen.
Wohin damit gehandelt wurde, das hieng einfach von den Tauseh-
mitteln ab, welche die Käufer entgegen zu bieten hatten. Der Purpur,
der echte, war teuer, sehr teuer. Im 7. Jahrhundert singt Alkman (s. oben
S. 102) von demselben: wer solchen besitze, dem sei er nicht feil.
Echter Purpur war also sehr rar. Noch im 6. Jahrhundert stand er auf
der asiatischen Seite des Archipels (gemäss Theopompos, s. oben S. 106),
im 5. Jahrh. auf der europäischen Seite (gemäss Aischylos s. oben S. 103)
dem Silber an Wert gleich, wurde mit Silber aufgewogen. Und im
letzteren Falle ist wahrscheinlich vom roten Purpur die Rede, dessen
Saft allein in dem nahen „Meere" am Euripus und der lakonischen
Küste sich fand (vgl. Arist. H. A. V c. 13 [15]), oder, wollen wir ea
selbst allgemeiner fassen, so doch immer von einfacher natürlicher
Purpurfarbe. Noch teurer (s. Schmidt a. 0. S, 113 f.; 125) musste der
von der Bibel genannte dunkle Purpur sein, welchen die Interpreten
*) Wenn Amäti de restit. purp. p. 64 diesen Purpurvorrat der
Israeliten auf Aegypten zurückführt, so ist das nur mittelbar denkbar.
Seine Berufung auf 2 Mos. 12, 35 ist ganz gewiss ungerechtfertigt. Denn
nach 2 Mos. 3, 22, worauf unter andern dankenswerten Aufschlüssen Herr
Prof. Schegg mich freundlichst aufmerksam gemacht hat, ist dort nur an
Gewänder, nicht an Stoffe oder Zeuee überhauDt zu denken.
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durchweg fflr „glänzen dbl au , wie der Himmel and das Meer", sohin
für violetten oder Hyakinthpurpur nehmen. Denn solcher existierte
gar nicht als Färbestoff, sondern nnr als Zeugfarbe oder als Parparzeug
(8. Schmidt a. 0. 8. 114 f. and 126 f.), weil er durch eine Mischung
von reifem Schwarzpurpur und Buccin (dem [roten] Saft der Trompeten-
schnecke) hergestellt wurde. Wenn und weil aber das, so ist auch unter
dem „roten Purpur" der Bibel nicht mehr die einfache natürliche Farbe,
sondern der tyrische Purpur verstanden, wie auch die Erklärer an-
nehmen, und dieser war ebenfalls nur ein Präparat, das Produkt einer
doppelten Färbung, erstens in unreifem Schwarzpurpur und zweitens in
Buccin. Also — die Phönizier hatten schon im 15. Jahrhundert v. Chr. die
zweite Stufe der Purpurfärberei erreicht; sie arbeiteten mit doppelter Färb-
ung oder mit Mischungen und erzeugten dadurch dauerhaftere Farben, womit
die Färbung in einfachem natürlichen Saft von selbst bei ihnen aufhörte.
Wir dürfen also, glaube ich, folgendos als Thatsachen annehmen.
Am frühesten ist bezeugt die Scharlachfarbe; ihr gleicht zumeist und
musste am ehesten das Auge bestechen das (für sich allein nicht halt-
bare) Buccin und der rote Purpursaft. Mit diesen Farben überhaupt
und insbesondere mit der roten haben die Phönizier bereits längere oder
kürzere Zeit vor dem lö. Jahrhundert v. Chr. gefärbt. Auch W. A. Schmidt
hält an dieser unleugbaren früheren Verwendung des roten Saftes aus
andern Gesichtspunkten fest. „Zuerst", sagt er S. 148 f., „wurde offen-
bar, was auch durch die bekannte Tradition vom Hunde sanetioniert
ist, der rotfärbende Saft der kleinen Purpurschnecke entdeckt und
angewendet; deshalb blieb die rötliche Farbe, weil sie die ursprüng-
liche und auch später noch vielfach massgebend war, durch alle Zeiten
hindurch mit der Vorstellung der Purpurfarbe wesentlich verknüpft".
Ueberlegen wir nun die Tauschmittel der damaligen Völker am
östlichen Mittelmeer. Die Hebräer hatten ein Geldsystem mit Edel-
metall, die Aegypter desgleichen oder doch annähernd. Die Tausch-
mittel der Griechen nennt ans Homer: Eisen, Erz, Häute, Rinder und
Sklaven. Gegenstände von Edelmetall und zugewogene Goldstückchen
erwähnt er zum Handelszweck, jene nur vereinzelt, diese gar nicht.
Die Folgerung ist daher, wie mir scheint, natürlich: Der echte Purpur
wurde nur gegen Silber d. i. Edelmetall verkauft, dessen die Phönizier
zu ihren Metallarbeiten dringend bedurften, ohne es im eigenen Lande
zu finden. Die althomerischen Griechen besassen Edelmetall nur in
geringer, zum Handel ungenügender Menge. Darum wurde der kost-
bare echte Purpur bei denselben nicht abgesetzt, und weil der Absatz
den Import bedingt, gar nicht zu ihnen eingeführt und verbracht. Der
billigere Scharlach war es, was die althomerischen Griechen von den
Phöniziern eintauschten und „Phönizisches" nannten, wie ja auch die
Phönizier selbst kokkusfarbige Tuniken trugen and dadurch besonders
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auffielen (s. Movers, Fhöniz. II, 1 S. 3). Dass die Griechen diesen
nachher für Purpnr hielten, zum Purpur rechneten, habe ich oben
nachgewiesen. ,Wie sie dazu kamen, darüber sei eine Vermutung
mir erlaubt. Es ist diese: Homer selbst bezeugt, dass die lydischen
und karischen Frauen „phönizisch" färbten, ohne dass die phöni-
zischen Händler den Griechen einen Namen dieser Farbe gelehrt,
oder gar über das Wesen der Farbe ihn aufgeklärt hatten. Bei
Karien aber, dessen Bewohner frühzeitig gewandte Techniker waren,
hatte man Gelegenheit mit dem echten Purpur bekannt zu werden,
aber mit dem roten; dort gab es die kleinen Purpurschnecken
mit rotem Saft (Arist. H. A. II c. 13 [15]). Geschah dies wirklich,
ehe man das Wesen des Scharlachs erkannt hatte, so masste man
versucht sein, diese Farbe, welche man bislang nur als Farbeer-
scheinung gekannt, und jene für die gleichen zu nehmen. Ob dies
zur Zeit der Ilias schon geschehen? Mag sein bei den Karern; denn
die Ausdrucks weise der Ilias (J 141) verrät deutlich genng, dasB die-
selben in der F&rbekunst den Joniern voraus waren, diese Kunst aber
ihrerseits wieder vor den Joniern geheim hielten, wie die Phönizier
gethan. Hätten die Karer den Färbestoff roh von den Phöniziern
bezogen, so wäre er den Joniern ebenso zugänglich gewesen. Dazu
schloss die Karische Bevölkerung phönizische Elemente in sich. (Vgl.
Höck, Kreta II S. 238. Movers, Phöniz. II, 2 S. 264. Schumann , griech.
Alterth. I» S. 2, 2; 89). Die Griechen, auch die Jonier, scheinen
damals in ihrer Farbenkunde entschieden nicht so weit gewesen zu
sein. Denn nicht nur gab es noch keinen concreten griechischen Namen
für Purpur, sondern so viel und so gerne die Ilias und Odyssee Bilder
und Gleichnisse vom Fischfang entlehnen, keines derselben deutet auf
Kenntnis oder Kunde vom Fang der Purpurschnecke. Aber was den
höchsten Grad der Wahrscheinlichkeit für sich hat, ist, dass die alt-
homerischen Griechen durch heimkehrende Schiffer oder redselige Händler
oder angesiedelte und auch wol in die Verwandtschaft gezogene Phö-
nizier oder Karer erzählen hörten, wie von Bosen und Veilchen als
Wunderblumen (s. V. Hehn, a. 0. S. 164), so von Stoffen, noch prächtiger
als die bei ihnen üblichen, von Wolle mit einer Farbe gleich dem
dunklen Schiller des Meeres, kostbar über alles. Das musste eine
doppelte Wirkung hervorbringen: auf den jonischen Dichter, dass er
seinen Helden solche dunkelschillernde Prachtgew&nder beilegte und
so eine neue Wendung des Wortes nog<pvQ6os im Sprachgebrauch an*
bahnte; so diente noqtpvqeog als Quasi -Uebersetzung von W ekelet, in
soferne dieses „blau—", jenes „dunkel wie das Meer44, (das Hebräische
auch „wie der Himmel14) besagen. Der regsame, prachtliebende nnd
gewinnsüchtige jonische Geist aber musste sich, wenn vollends noch
etwa eine Andeutung dazu kam, dass jene Farbe aus dem Meere
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160
gewonnen werde, kräftig gereizt und veranlasst fahlen, der gerühmten
Farbe nachzuspüren. Entdeckte er nun — und entdecken musste er
es selbst, weil die phönizischen Kauffahrer, noXvnalnaXoi rpc5xz«<, dncc-
rnXta el&oTes wie sie waren, die Sache selbst gewiss nicht verraten
haben, — entdeckte er nicht nur den roten Purpursaft, welchen er
nach dem ersten Kindruck der „phönizischen Farbe" verglich und
darum ebenfalls noch „phönizisch" nannte, wie ja ganz gut zwar nicht
überliefert, aber denkbar ist zu sagen cpoivixoeoaa xoyxit ~ sondern
auch die dunkle Purp ursch necke mit schwarzem Saft bei Sigeion und
Lekton (vgl. Aristot. H. A. V. c. 13 [15]), wo frühzeitig eine jonische
Handelsstrassc, wie wir im I. Artikel gesehen, vorbeiführte, so lag
ihnen doch nichts näher, als diese die „dunkelschillernde oder meer-
dunkle" Schnecke zu nennen.
Und wirklich lehrt uns der homerische Sprachgebrauch, wie wir
ihn beobachtet haben, dass noQ<pvQsost dessen entsprechendes Substantiv
nicht vorkommt, im Gründe eine allgemeine, unbestimmte, zwischen
Schwarz und Rot schwankende Farbeerscheinung bezeichnete, dass aber
diese auch von Wollenzengen, wo der Dichter Prachtstoffe: Gewänder
oder Decken schildert, und nicht von Rohwolle ausgesagt wurde,
doch ohne irgend einen Anhalt, ob der Dichter eine objektive Farbe
und welche, darunter verstanden habe. Nur die jüngere Odyssee
scheint zweimal (gegenüber achtmaliger Verwendung des Simplex
noQtpvQsoe) eine concretere Beziehung oder Farbebestimmung hervor-
heben zu wollen durch das neu gebildete Wort aXmoQyvQos , dessen
(genau genommen) pleonastische Composition selbst wieder beweist,
sowol dass daa Wort ein jüngeres, späteres, als auch dass das Simplex
ein allgemeiner Begriff war. Also Purpurfarbe, zumal speziell dunkler
oder blauer Purpur war für die Griechen zuerst und für die alt-
homerischen Griechen jedenfalls nur eine ganz unbestimmte, wenn ich
so sagen darf, märchenhafte Vorstellung, weshalb wir im homerischen
Geiste noQfpvQBog nicht „purpurn", sondern „dunkelschillernd, mit
dunklem Meeresachiller" oder dgl. übersetzen müssen. Wäre das
nicht so, sondern dunkler Purpur den Griechen sogleich als bestimmtes,
concretes Handelsobjekt entgegengetreten, so wäre in einer Zeit, wo
der Handel zwischen Phöniziern und Griechen schon länger im Gang
war (und nur in einer solchen war der Fall möglich, wie wir gesehen)
eine oder die semitische Bezeichnung dafür in Gebrauch gekommen,
wovon wir auch keine Spur entdecken können. Aber nehmen wir
selbst einmal an, ohne dies freilich einzuräumen, dass durch das
homerische noQtfvQBog bereits mit Bewusstsein und objektiv das
„Purpurene" benannt werde, so steht doch nach allem Obigen das
Resultat unerschütterlich fest, dass es in der althomerischen Zeit
keine griechische Purpurarbeit gegeben hat. Pierson in
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161
seiner schönen, nur etwas kühnen Abhandlung: „Schifffahrt und
Handel in der homerischen Zeit", welche ich erst nach Veröffentlichung
meiner früheren Artikel aus dem Neuen Rheinischen Museum (1861)
XVI. Jahrgang, S. 104 ff. kenneu lernte, geht darum viel zu weit mit
seiner Behauptung: „die Kunst der Purpurfärberei sei den homerischen
Griechen bekannt, wenn gleich natürlich auch hier Eenntniss und
Uebung ungleich verteilt gewesen"; und: „gewiss sei, dass sie Purpur-
arbeiten zum Teil einführten, zum Teil selbst machten".
Aber wann denn ging jene märchenhafte Kuude der Griechen in
eine sichere Kenntnis über? Ja, das ist eine derjenigen Fragen, welche
leichter zu stellen als zu beantworten sind. Der fragliche Uebergang
geschah einfach in dem Zeitraum, aus welchem kein Wässerlein in die
späteren Quellen unserer Geschichtskunde hinüberrieselt Gab es keine
oder sind sie versiegt, gleichviel: Wir können höchstens von dem
Worte ctXinoQtpvQoe ausgehen und gewinnen da nicht viel. . Das Wort
ist gewiss nicht früher, sondern später als die dorische Wanderung,
weil nicht älter als die Odyssee. Ja es ist nach Ausweis der Ver-
gleichung des homerischen Wortgebrauches der jüngsten eines, sohin
aus den jüngsten Stellen des Gedichtes, vielleicht aus der Zeit von
Ilias K. Es steht wenigstens in keiner Rhapsodie, in welcher auch
noQfpvgeog vorkäme, sondern nur in £ und v. Das Wort dürfte also
aus dem 9., höchstens 10. Jahrhundert v. Chr. stammen. — Suchen wir
nun auch eine Zeitgrenze nach der anderen Seite.
In Karien trieb man nach homerischem Zeugnisse frühzeitig
Färberei, eher als die Griechen hiezu kamen. Wir haben auch als
wahrscheinlich annehmen müssen, dass sie den Färbestoff dazu selbst
gewannen , und sie konnten an ihrer Küste roten Purpursaft gewinnen.
Von Karien aber führt eine wichtige Spur, welche ich im „Homerischen
Handwerk" nicht hatte übersehen sollen, nach Argolis. Aristoteles
b. Strabo VIII p. 374 hat uns die Nachricht bewahrt, dass Epidauros
und das dryopische Hcrraione (Herod. VIII, 73) von Karern kolonisiert
wurden (xaraa^eiy uvir]y (Em'd'avQov) Kaytte wontQ xai 'Eqptova), zu
welchen in Folge der dorischen Wanderung sich Jonier aus Attika
ansiedelten. Waren die Karer oder ihre Frauen in der Heimat geübte
Färber, wie die Ilias sie kennt, so blieben sie das gewiss an dem
purpurreichen lakonisch- argolischen Golf, ja sie werden kaum eine
andere Veranlassung zur Kolonisierung gehabt haben. Hermione ist
nachweisbar und bekanntermassen eine alte Färberstadt, deren Fabrikat
im G. Jahrhundert v. Chr. sehr gesucht und sehr solid und prächtig
war. Indes werden auch andere Orte dieser Gegend allmählich die
Naturgabe ihres Landes ausgebeutet und der Färberei sich zugewendet
haben. Der phönizischen Arbeit im alten Korinth nicht zu gedenken,
wird den Trözeniern ein besonderer Eifer in der Benützung des Kokkus,
Blittar f. d. bayer. Oymn. - u. Real -ßchulw. XL Jahrg. H
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162
anbestimmt in welcher Zeit, zugeschrieben. Eustathios nämlich
(ad J, 141) erläutert: *o(vixa de Xiyei ro tpoifixovv /^a>/i« ro ix 1
xaonov (faoi ixqIvov, o /juXictu noXv Xiyoprai avXXeyeiv TgoiCnym.
Ist dies Zeugnis auch schwach, und Eustathios ohne eigenes Ver- j
ständnis, darum unsicher über die Art der Farbe (für Homer selbst I
ganz wertlos), so darf es doch nicht ganz ausser Acht gelassen werden 1
Denn ein Wink von Aristoteles (Polit. V, 2, 10) mahnt uns an Bezieh-
ungen zwischen Trözen und Sybaris. TgoiCnytotg, sagt er, 'j^atoi ew- I
tpxfjoay IvßagiVy (eha nXelovt ol J/aioi yevofievot i^ißuXov rovf \\
TQotfyvfovg) In Sybaris haben wir ganz festen Boden. Der Purpur- |
verbrauch war hier gross. Atbenaeus (XII p. 518, e) berichtet, Ter- 1
mutlich nach Timaios: iSog de nag* ttvroig xui rovs naidag
Tiii Ttot> i<pfjß(oy tjXixiag aXovgyidag rfi tpogelv x. t. X. Daher (IvßaQitm)
xal tovs rqy nogtpvgay tijV daXarxlay ßunxovxag xai rovg eitrttyontf
«reXete inolnoay. (Phylarch b. Ath. XII p. 521, d) Dieses GeseU
stammt spätestens aus dem 6. Jahrhundert, worüber der Kürze halber
auf Dunker Gesch. des Altt. IV. B. 8. 548 f. verwiesen sei. E. Curtias 1
(griech. Gesch. I S. 239*) setzt die Blüte der Stadt, also auch das hier
einschlägige Gesetz sogar schon ins 7. Jahrhundert Die Sybariten 11
hatten daher in dieser Zeit nicht nur zollfreie Purpureinfuhr, sondern I
auch steuerfreie einheimische Färbereien, welche echten Purpur produ- I
zierten. Die ausdrückliche und gesetzliche Unterscheidung echten und 1
unechten Purpurs ist der evidenteste Beweis selbstständiger griechischer
Färberei. Nun war aber der vorzüglichste Handelsfreund von Sybaris
— Milet, wie Herodot VI, 21 berichtet: noXieq yag alrai paHera dj
rdy tjpeig idpev aXXijXpat igeiytoStjoav man vgl. auch Timaios b. Atben.
XII p. 519, b. Milet, dessen Ruhm in der Wollenmanufaktur ohnehin
bekannt ist, hatte also vermutlich noch früher, jedenfalls im 7., viel-
leicht im 8. Jahrhundert, bei sich die gleiche Arbeit der Färberei. Wir
haben wenigstens keinen Anhaltspunkt, dass diese Arbeitssparte in Sybaris
selbstständig sich sollte entwickelt haben oder gar entstanden sein.
Pnrpurschneckcn gab es im tarentinischen Meerbusen (s. Blümner, die
gewerbliche Thätigkeit S.123, 12). Diese zu einem blühenden Gewerbs-
zweig zu benützen, in diesem Bestreben, das gelungen ist, wird nach dem
Obigen das Wirken trözenischen oder milesischen Einflusses oder auch
die beiden nicht zu verkennen sein. Steigen wir aber in Milet ans
Land, so befinden wir uns wieder auf karischem Boden, von welchem
wir ausgiengen, und finden uns abermals gemahnt, dass Karien in der
Entwickelung der griechischen Purpurarbeit eine Vermittlerrolle und
In der Geschichte des Purpurs überhaupt eine wesentliche Stelle
eingeräumt werden müsse. Und die vorhin aus dem milesisch - sybari-
tischen Verkehr schlussweise angenommene Purpurfärberei Milets hat
nun kaum für das 8. Jahrhundert etwas, für das 7. aber gar nichts
»
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163
in Unwahrscheinliches mehr. Möglich ist, dass nach dem oben erwähnten
Zeugnisse Sappho's (fr. 44) auch Phokaia schon im 7. Jahrhundert
Purpur färbte. Und unbedenklich ist nun zu behaupten, dass die
«fr Purpurstoffe, welche in Ezechiels Zeit von Elisa's Inseln d. i. aus den
.-: r westlichen griechischen Gegenden auf den Markt von Tyrus kamen
r und nach dem Zeugnis des Propheten (27. 7) damals die besten waren,
/a| karisch - hellenische oder noch wahrscheinlicher ganz hellenische
u>\ Arbeit waren. Ei ne bedeutende Lacke in dieser Darstellung entgeht
ftj mir selbst nicht; das purpurreiche Kytbera, die alte phönizische Nieder-
lassung, hat darin keinen Platz gefunden; ich sehe bis jetzt kein
e;, Mittel, ihm seine gebührende Stellung in dem obigen Rahmen anzu-
weisen. Wenn Movers (Encyklopädie a. 0. S. 374) gerade von Kytbera
die Übrigen Purpurfärbereien des Peloponneses ausgehen lässt, so muss
ich gestehen, nicht zu wissen, auf Grund welcher Nachrichten er
dieses thut.
Sehen wir von diesem noch dunkeln Punkte ab, so werden wir
jetxt die Anfänge selbstständiger griechischer Purpurfärberei
in der Zeit des 9. oder 8. Jahrhunderts v. Chr. zu suchen haben, somit
auch dies in der Zeit, in welcher das phönizische üebergewicht auf
dem ägäischen Meere durch die Griechen gebrochen und verdrängt
wurde, was meine ganze Hypothese gewiss nur zu stützen geeignet ist.
Die Annahme des Beginnes einer griechischen Purpurindustrie in
damaliger Zeit steht nicht in Widerspruch mit meinen früheren
Bemerkungen über den enormen Preis des Purpurs und die relative
Armut der Griechen. Denn das Absatzgebiet für die griechische Pur-
purarbeit war, wie für die phönizische, frühzeitig ein überseeisches
überhaupt und nach dem reichen Syrien und den Euphratländern insbe-
sondere; das ist aus den Quellen bemerklich. Die Griechen werden,
so lange ihre Mittel nicht weiter reichten, mit Stoffen sich begnügt
haben, welche nur zum Teil purpuren waren, sei es gestreift oder
purpurumsäumt. Solche Stoffe blieben nicht nur in allen Zeiten neben
den anderen im Gebrauch (vgl. z.B. Klearchos b. Athen. VI p. 255, e:
nQt)9xe<pak€<ta (f'f^e rgia u'n- — ßvaoiva naguXovQyij von einem vor-
nehmen Ruhebette, und XII p. 521, b: iadrirag lOQCfvgüg fyot/ff«? naQvyas,
welche den syrakusischen Frauen ausser den Hetären verboten waren).
Vielmehr wenn Xenophanes b. Athen. XII p. 526, b von den Colo-
pboniern, da sie die Ueppigkeit der Lyder angenommen hatten, her-
vorhebt: fieoay eis ayo^v :iayaXovQyea tpaqs* t/wrec, SO drückt sich,
seine Verwunderung in dem navuXovQyta aus und lehrt, dass im
6. Jahrhundert v. Chr. ganz purpurene Kleider etwas Ausserordentliches,
ja ein Zeichen der Ueppigkeit, also nur purpurverbrämte Gewände
verhältnismässig üblich oder herkömmlich waren.
Ii*
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1G4
Nachdem wir das Alter der griechischen Purpnrfärberei annähernd
bestimmen konnten, sei im Anhang noch zweier Farben gedacht, mit
welchen am Schluss der homerischen Zeit gearbeitet wurde, ohne dass
wir wissen, seit wann. Das eine ist der Thapsus. Wenn Sappho
(frg. 167) diese Pflanze kurzweg als Zxv9tx6v £vXov erwähnt, so setzt
. dies voraus, dass sie nach Griechenland eingeführt wurde, ehe eine
Bolche metonymische Bezeichnung aufkommen konnte, Photius erklärt
aber Sat/zo?, £vXov ^ lavSt'Cot'fft r« egtu xai rdg rgi%(ts.
Sicherer steht die andere Farbe. Wie Alkman (frg. 85) die
Musen als xgoxonsnXoi begrüsst, so trugen wirklich die sy baritisch tm
Ritter im 6. Jahrhundert Safrangewande (Tim. frg. 60 b. Athen.
XII p. 519, b). Dass diese beliebt wurden, deutet Aischylos an,
welcher dreimal (Pers 660, Ag. 239 und 1002) die xgoxov ßayug benützt.
Würzburg. A. Riedenauer.
Severus, serenus und sefmo.
Im „literarischen Centraiblatt" ist mein Lexicon besprochen. Der
Recensent schliesst mit einer warmen Empfehlung des Buches, wofür
ich meinen Dank ausspreche. In demselben sind aus meinem Buche
als zweifelhafte Etymologien aufgeführt:
1) Das Severus, das ich in se- und verus, a, um auflöste. Dass
aber die Herren Recensenten gar so kurz abfertigen 1 Wie dankbar
wäre ihnen die gelehrte Welt nur für einen Wink, der auf die rechte
Spur führte! Was mich anlangt, so kann ich für meine Zerlegung des
Wortes Severus in se- verus mich auf sepelio berufen, das wenigstens
Grimm (Wort. -B. S. 1253) auch in se-pelio zerlegen zu dürfen glaubt
und dabei an so-luo i. e. soho, so-lutus f. se-lutus erinnert. Ueber
das präfixe se- (aus se-) habe ich in meinem Artikel sepulcrum
(Gymn.-Bl. 1868 von S. 297 — 305), ausführlich gesprochen. Benfey
freilich (Kuhn, Zt. -Sehr. 8, 89), theilt in sev-erus, gibt aber über
dieses „sevlt nicht die leiseste Andeutung. Walter (Zt-Schr. XI S. 429)
stellt 8ev-eruß zu oiß-optu aus segv-erus =z gescheut, gefürchtet.
Ich gehe gerne auf diese Deutung ein, nur ziehe ich segv - = aeß-
ofxai zu skr. sag- — hängen, sich anheften, hängen bleiben, woher
segverus = skr. sakta, vjäsakta r= addictus, occupatus, also auch
Severus, eigentlich festhängend an . ., zäh, perseverans, gravis bedeutet.
Ueber ß aus g wie sag = oeß- ist zu vergleichen Z-geßog- —
skr. rag'as (goth. riqis); ferveo, aus fergveo — skr. bhrdg-.
Weiteres steht über dieses g = gv v in meinem Artikel „vivo",
i. Digitized by Google
165
(Gymn.-Bl. 1867 S. 71). Vorläufig kann ich mich nicht der Ansicht
anschliessen , nach der ot->>uin zu skr. stv- — colere , Honorare
gezogen wird, selbst wenn diess Bopp in seinem Glossar S. 382 thut
nnd Hintner („Kl. W. B " S. 212) beistimmt. Christ („griechische
Lautlehre" S. 46) spricht entscheidend: In otßouai steht e nicht zu skr. c,
denn siv- ist selbst eine spätere Entartung des ursprünglichen sap-,
2) Serenus und sermo habe ich als verwandt bezeichnet
Fick thut das nicht. S. f>03 scheidet er 1. zwischen sver — serere,
woher sermo und 2. sver = leuchten, wohin serenus gestellt wird.
Curtius (S. 485) stellt natürlich serenus auch zu svar- der Himmel . .
Mit svar wird nun aber anderswo unser Wort sermo zusammen-
gehalten. So z. B. sagt Leo Meyer: Sermo das Gespräch gehört zu
svar- (s. Zt - Sehr. 6, 152). Und Bopp in seiner „Vergl. Gramm.*'
§ 901 S. 350 spricht sich wörtlich so aus: Auf svar stützt sich das
lateinische $61, aus suol f. sudr; dann ceCQ, aus svez, ZaQijv,
welches zum lateinischen sermo, zur Wurzel svar — tönen gehört,
wovon das vedisebe siirja, die Rede als gesprochene oder zu sprechende
stammt. — Ferners Benfey (Wurzel -Lex. II S. 7) sagt so: Sermo
steht für svermo und gehört zur skr. svri, svar tönen. Benfey ver-
weist auf p. 460, wo daff mit sermo verwandte „svarana" = serenus
aufgeführt ist. Ich stehe also mit meiner Etymologie nicht allein.
Diese paar Gegenbemerkungen mögen genügen, um darzuthun, dass
der vieljäbrige Mitarbeiter dieser „Blätter" sich's so ziemlich bewusst
ist, was er niederschreibt, will aber damit nicht gesagt haben, dass
er die Gegenbemerkungen des Herrn Kecensenten nicht dankbar
anerkennt.
Zohetmay r.
Vorschlag zur präciseren Fassung der Regeln Uber das Wesen
uud den Gebrauch des französischen Subjonctif.
In seiner correspondance generale, I. lettre 134 sagt Voltaire: „Si
tnon ouvrage nyest pas aussi clair qü'une fable de la Fontaine, il faut
le jeter au feu". — Diesen Ausspruch scheinen entweder manche
Grammatiker nicht zu kennen, oder wenn sie ihn kennen, so beherzigen
sie ihn nicht genügend. Auch würde die Anzahl der neu- sprachlichen
Lehrbücher wahrlich nicht so gross sein, wenn sich diese Herren den
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166
Dichter Francois Malberbe zum Vorbilde nehmen würden, der während
der 11 fruchtbarsten Jahre seines poetischen Wirkens, wie uns Demogeot
berichtet, drei und dreissig Verse im Durchschnitte per annum machte.
Schliesslich wäre der Horaz'scbe Ausspruch „nonumque prematur in
annum" auch anzuempfehlen. —
Wie gross aber die Anzahl der stets neu erscheinenden Lehr-
bücher auf dem neu -sprachlichen Gebiete ist, wissen wir Alle recht
gut; eben so gut wissen wir auch, dass gar manchem dieser Produkte
die Ehre nicht zu Theil wird, eine zweite Auflage zu erleben: theils
ist das Produkt dieser Ehre nicht würdig, theils ist es für Manchen
etwas unbequem, sich von dem alten Schlendrian, der süssen Gewohn-
heit, der er Jahre lang gefröhnt bat , loszureissen, oder — man hat in
der That ein gutes Buch eingeführt und will, da kein triftiger Grund
vorhanden ist, nicht wechseln. So kommt es dann auch zuweilen,
dass das neue und gediegenere Produkt dasselbe Schicksal erlebt, wie
sein mittelmässiger Verwandter, oder es findet seine Anerkennung
erst nach Jahren.
1867 schreibt schon Dr. Gaspey, der Verfasser der englischen
Konversations -Grammatik, die in ihrer Art und für |ewisse Zwecke gar
kein übles Buch ist, das auch viele Auflagen erlebt bat, folgende wahren
und desshalb von mir angeführten Worte: „Feto persona are awarc of
the rast number of English Grammars that make their appearance in
Girmany (French ones as well!). Although some dozens already exist,
or rather do not exist, having been for the most part consigntd to
oblivion, dozens of „New Theoretieal - Practical Grammars" incessantly
issue from the press to suppig the places of those which have fallen,
the majority being doomed to the same fate as their predecessors , or,
at best, confined to some very limited circle, wearivg out existente in
obscurity, and rardy venturing beyond the First Edition. They „come
like shadoics, so depart".
Nun sollte man doch eigentlich glauben, dass die Verfasser der-
jenigen Lehrbücher, die man zu den gediegeneren zählen kann, sich
Mühe geben würden, alles das zu streichen und alles das zu ver-
bessern, was eine Verbesserung erheischt. Aber nein! das geschieht
auch nur in wenig Fällen. Zwar werden in der Vorrede die Herren
Kollegen gebeten, Meinungen und Ansichten über Aenderungen mitzu-
theilen, die jedoch, wie so manches Andere, ad acta gelegt werden.
Und nun zum Subjonctif!
Vor allen Dingen muss ich meine Herren Fachgenossen bitten,
nicht zu erschrecken, wenn ich Ihnen sage, dass ich 27 verschiedene
französischen Grammatiken um mich liegen habe. Dass starke Nerven
dazu gehören, um sich behaglich in der Gesellschaft dieser Weisheits-
quellen zu fühlen, brauche ich kaum zu erwähnen.
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167
Der Reigen werde nun mit Plötz, Schulgrammatik eröffnet, da ich
wol annehmen darf, dass sie an vielen unserer Anstalten eingeführt ist.
Lection 50.
„Der Subjonctif ist der Modus der Ungewissheit (incertitude).
Nach que dass haben den Subjonctif im abhängigen Satze:
A. Die Verben des W o 1 1 e n s (verbes exprimant la volonte).
B. Die Verben des Sagens und Denkens, wenn sie ver-
neinend oder fragend gebraucht werden {verbes exprimant la parole
ou la pensee, quand ils sont employes nigativement ou interro-
gativetnent).
C. Die Verben der Gemüthsbewegung (Verbes exprimant un
mouvement de Vätne).
D. Die unpersönlichen Verben (Verbes impersonnels), die nicht
eine Gewissheit oder eine Wahrscheinlichkeit ausdrücken (gut
n'expriment pas une certitude ou une vraisemblance)u.
Folgen dann die Verben und verschiedenen Redensarten. — In
seiner Syntax ist der Conjunctiv der Modus der Möglichkeit.
Ilirzel drückt sich ähnlich über die Ungewissheit und Möglich-
keit des Subjonctif aus.
Bettinger: Ungewissheit.
Otto: Das Mögliche, das Ungewisse. Die mangelnde Wirklichkeit
kann sich aber sowol auf etwas Seiendes, d. h. auf Handlungen
und Ereignisse, als auch auf etwas Inneres, d. h. auf blosse
Vorstellungen und Empfindungen beziehen.
Zandt: Der Subjonctif, die Aussage der Möglichkeit, der
Ungewissheit oder des Wunsches, d. b. die Aussageform, welche ein
Ereigniss als möglich, als zweifelhaft oder als wünschenswert angibt.
NoßletChapsal: Le subjonctif prisente Vaffirmation d'une
maniere subordonnee et dipendante. i
Borel gibt keine Definition; er hat jedoch das Verdienst über
den Indicatif zu sagen: Nous employons Vindicatif avec que, et non,
comme en allemand le subjonctif, apris tous les verbes gui indiquent
un acte de la pensie ou Vexpression de la parole, comme croire,
penser, etc. Die weitere Ausführung breit, aber gut.
Booch-Arkossy: Der Subjonctif, die unbestimmte Art, stellt
eine Handlung, ein Thun oder Lassen, ein Geschehenwerden als
möglich, wahrscheinlich, aber noch nicht entschieden, also
zweifelhaft, dann aber auch als wünschenswert dar.
Ahn: Das blos Gedachte, Mögliche, Wünschenswerte.
Boltz definirt nicht
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1G8
Mehrwald: Wenn etwas nicht als wirklich, sondern nur als
möglich oder als blosse Vorstellung oder als Wunsch
ausgedrückt wird.
Eisenmann: Daa Mögliche, das nicht wirklich Gedachte.
(Beim Indicatif ähnlich wie Borel.)
Magnin und Dillmann: Nicht wirkliche, sondern mög-
liche oder ungewisse Aussage.
Hölder: Der Conjunktiv ist der Modus der Nichtwirklich. -
keit. Weitere Aasführung sehr reichhaltig und vorzüglich.
B. Schmitz: Der Modus des Denkens, durch welchen der Inhalt
der Aussage vom selbstbewussten Denken abhängig gemacht oder mit
ihm „verbunden" wird.
A. Benecke: Der Conjunctiv gibt eine Aussage als Vorstell -
ung oder Annahme, so dass der Redende das Ausgesagte nicht
zugleich für wirklich erklärt.
Girault-Duvivier: Le subjonetif exprimc Vaffirmation d'une
moniere subordonnee et comme dependante cTun autre verbe, auquel le
verbe au subjonetif est toujours lie par le moyen d'une conjonetion.
Voilä pourquoi le subjonetif exprime toujours guelque ctose
d'ineertain.
Und nun zu unsern Altmeistern 1
Staedler: Dem Indicativ gegenüber bezeichnet der Conjunctiv
nicht die Wirklichkeit der Handlung, sondern das Gegentheil davon.
Dies Gegenteil der Wirklichkeit pflegt schlechthin mit dem Worte
Möglichkeit bezeichnet zu werden. Man hüte sich aber vor dem
sehr gewöhnlichen Missverständnisse, als ob eine mögliche Handlung eben
desshalb notwendig eine nicht wirkliche sein müsste; vielmehr kann
sie gerade darum, weil sie eine mögliche ist, gar wol eben so sehr
auch eine wirkliche sein. Wenn wir eine Handlung eine wirkliche
nennen, so meinen wir damit, dass sie der äusserlichen , uns um-
gebenden Welt, dass sie dem Boden des demonstrativen, indi-
cativ en Daseins angehöre. Das Gegenteil davon ist eine Handlung»
welche sich in uns, in unserer inneren Anschauung und als Inhalt
unsers Bewusstseins verhält. Der Indicativ weist demnach die
Handlung als eine seiende auf, der Conjunctiv dagegen gibt sie als
eine gewusste, als eine reflectirte zurück.
Und in einer Anmerkung: Der Indicativ verhält sich zu dem Con-
junctiv wie ein mit dem Artikel gesetztes Substantiv zu einem
ohne Artikel gesetzten".
Dietz: Der Conjunctiv, die Modusform der Möglichkeit.
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169
Endlich Mätzner als Urquell; ich werde nur das von ihm in
seiner französischen Grammatik Gesagte anführen:
„Der Konjunktiv gibt der Aussage die Form der reflektirten
Vorstellung; der Redende spricht den Inhalt der Vorstellung nicht
unmittelbar als solchen, sondern mit dem Bewusstsein der Unter-
scheidung seiner Vorstellung von dem Gehalte derselben aus. Der
Gehalt der Vorstellung wird als Gegenstand der Betrachtung dar-
gestellt. Insofern der Redende den Inhalt zum Gegenstand der Reflexion
herabsetzt, tritt er aus der Gewährleistung derselben zurück, aber er
spricht ihn darum weder als etwas blos Mögliches, oder
Ungewisses, noch als etwas Unwirkliches aus, wenngleich das
Unwirkliche, insoferne es vom Redenden vorgestellt wird, leicht (wenn
auch nicht notwendig) die Form des Konjunktivs erhält. Der zum
Gegenstand der Reflexion gewordene Inhalt kann ebenso in der
Seele des Redenden, als durch die Vorstellung eines dritten entstehen.
II tne semble que ce aoit wie crise (Mme. de Sevigni). Perfectum
officium rectum, opinor, vocemus (Cic. Off. 1, 3. 8.). On pensait, ä
Vitre, que ce fussent des Bohemes (Mme. de Sivigni)- Mi ... .
quaerebant, per quem quisque eorum aditum commendationis habere*
ad Caesarem (B. C. I. 74), oder der Inhalt kann durch die Natur der
Sache gesetzt erscheinen: IShomme est le seul animal qui sache quHl
doit mourir (B. de St. Pierre). Medio montium et palludum porrige-
batur planities, quae tenuem aciem pateretur (Tac. A. 1, 6, 4). Der
Träger des Konjunktivs jedoch ist stets der Redende, welcher
dadurch dem Inhalte das Gepräge bewusster Reflexion aufdrückt".
Hätte ich von vornherein behauptet, dass der Subjonctif weder
etwas Mögliches, noch etwas Ungewisses, noch etwas
Unwirkliches ausdrücke, wie es zuerst meine Absicht war, so
würde man sich ob dieser Kühnheit sehr gewundert, wol gar entsetzt
haben. Schiebe icb aber unsern Grammatiker - König Mätzner vor mit
seinem mächtigen Geschütz, das ich mit dem grössten, welches je aus
der Krupp'schen Fabrik hervorging, vergleiche, und komme ich dann,
etwa mit einem 12Ffündner nachgerückt, so wird man vor den Alles
niederschmetternden Kanonen Mätzner's respektvoll den Hut abziehen,
von meinem 12Pfündner vielleicht denken, dass er neben das Ziel schiesse.
Damit dies jedoch nicht geschehe, werde ich suchen gut abzukommen.
Dass in das Wesen des Subjonctif ohne eingehende Erklärung des
Indicatif nicht eingedrungen werden kann, liegt sehr nahe; ich werde
desshalb, wo der Vergleich der Deutlichkeit förderlich ist, beide
nebeneinander bringen.
Der Subjonctif oder die abhängige Redeweise im eigentlichen
Sinne setzt das tiefere Nachdenken, das reiflichere
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170
Ueberlegcn, die eingehendere Erwägung derjenigen Aussage,
welche in dieser Redeweise enthalten ist, voraus, während durch den
Indicatif, wenn er als abhängige Redeweise im Substantivsatze ange-
wendet wird, einfach nur eine Bemerkung, eine Beobachtung, eine
Anzeige ausgedrückt wird.
Die Bemerkung, Beobachtung oder Anzeige, die ich durch den
Indicatif im Nebensatze ausdrücke, kann sowol von mir selbst her-
rühren, als auch von einem Andern: geht sie von einem Andern aus,
so wiederhole ich dann ganz einfach nur oder führe das an, was der
Andere ausgesagt hat (Indirekte Rede). Ich frage nicht weiter dar-
nach, ob seine Aussage wahr oder unwahr ist, ob sie richtig oder
falsch ist Auch verbürge ich die Richtigkeit meiner eigenen Aussage
nicht, eben so wenig die eines Andern. Wenn ich sage: ich glaube,
dass er ein ehrlicher Mann ist , je crois qu'il est honnete komme, oder :
mein Freund sagte mir, er glaube, dass sein Nachbar ein ehrlicher
Mann sei, mon ami me disait qu'il croyait que son voisin etait
honnete komme, verbürge ich nicht die Richtigkeit der einen oder der
andern Aussage, leiste ich weder Gewähr für die Wahrheit meiner
eigenen Aussage, noch viel weniger aber für die meines Freundes.
Der Subjonctif ist nur abhängige Redeweise, d. h. er kommt nur
in untergeordneten Sätzen vor; in Heischesätzen (Befehlssätzen), in
welchen er, dem Anscheine nach, von keinem andern überge-
ordneten Satze abhängt, hegt der Sprechende stillschweigend
einen Wunsch, verleiht diesem Wunsche jedoch durch Worte keinen
Ausdruck. — Es lebe der König, vive le roi! = je desire, je souhaite
que le roi vive (longtemps, heureux, etc.). Plut au ciel — je voudraia
qu'il pliU au ciel. Die Formel ,Jc ne sacke pas" hängt wol auch von
einem unausgesprochenen Vordersätze ab.
Anders dagegen ist das Yerhältniss des Indicatif im Hauptsatze:
Der Sprechende verbürgt in demselben seine Aussage durch den
Indicatif. Je pense, donc je suis. Dieu est hon.
Ob die Aufstellung, die Behauptung für einen Andern stichhaltig
ist, ist ganz gleichgültig: ob sie wahr ist als solche, darauf kommt es
gar nicht an, da Jeder für seine Behauptung eintritt, sollte er sogar
von dem Gegenteil dessen überzeugt sein, was er behauptet : Je le vois
bien, mais je ne le crois pas. —
Die Bürgschaft oder Gewähr der aufgestellten Behauptung wird
im Hauptsatze freilich abgeschwächt, wenn diese Behauptung in einem,
gewisserraassen abgekürzten Nebensatze enthalten ist: ich
halte ihn für einen ehrlichen Mann, je le crois honnete komme = je le
crois etre honnete komme =z qu'il est honnete komme.
Nachdem nun aufgestellt worden ist, dass der Subjonctif der
Modus der Reflexion par exctllence ist, wirft sich die weitere
171
Frage auf, nach welchen Wendungen und Redensarten der Subjonctif
auf ganz natürliche Weise eintreten muss. Der Schüler, welcher nur
einigermas8en im Stande ist, zu denken, wird leicht darauf kommen;
jedoch wird auch der weniger begabte Schüler ohne grosse Schwierig-
keit darauf bingeleitet werden können. Aus diesem Grunde werde
ich , im Gegensatze zu den meisten Grammatikern , mit den Verben
und Redensarten beginnen, die eine Möglichkeit, einen Zweifel, eine
Ungewissbeit ausdrücken. Denn sobald ich mich im Zweifel, in einer
Ungewis8heit befinde, sobald ich mich nicht leicht entschliessen kann,
eine Behauptung einfach nur hinzuwerfen, bin ich notgedrungen zum
tieferen Nachdenken, zum reiflicheren Ueberlegen, zur ein-
gehenderen Erwägung über das Objekt meiner Aussage gezwungen.
Wenn ich sage, ich glaube nicht, ich zweifle dass Pierron Recht hat,
wenn er sagt itPlaton, le plus beau parleur de Vantiquite, est aussi
le plus grand des utopistes. Je ne crois pas, je doute que Pierron
ait raison en disatU , muss ich notgedrungen über die Behauptung,
über die Aufstellung Pierron's eingehend nachgedacht haben. Nehmen
wir einen einfacheren Satz! Ich denke nicht, ich behaupte nicht, dass
sich diese Farbe gut halten wird, werde. (Es ist ein grüner Kleider-
stoff.) Je ne crois pas , je ne präends pas que cette couleur se
conserve bien. Ganz anders dagegen: je pense, je pritends que
cette couleur {grise) se conservera bien. In dem ersten Satze kann
ich nicht umhin, in Erwägung zu ziehen, dass die Sonnenstrahlen»
der Regen etc. einen ungünstigen Einfluss auf einen grün gefärbten
Stoff ausüben muss, während ich im zweiten Satze schlechthin eine
Bemerkung mache, eine Behauptung aufstelle, die zwar das Nach-
denken nicht ausschliesst, jedoch in viel geringerem
Grade hervortreten lässt. Die Gedankenlosigkeit wird noch mehr
hervortreten, wenn ich sage: Je soutiens que la couleur verte se
conservera bien
Der Subjonctif als Modus des tieferen Nachdenkens, des
reiflicheren Ueberlegens, der eingehenderen Erwägung
wird demgemäss angewendet:
1) Nach den Verben und Redensarten, die eine Möglichkeit»
einen Zweifel , eine Üngewissheit ausdrücken : douter, niert desesperer,
supposer annehmen, den Fall setzen; dann nach ne pas dire, ne pas
assurer, ne pas af firmer; ne pas pretendre, ne pas soutenir, ne pas
avouer, ne pas declarer, ne pas penser, ne pas croire, ne <pas
s'imaginer , ne pas se douter , ne pas espirer, ne pas voir, ne pas
savoir; nicht nnr nach den eben genannten, in verneinter Form vor-
kommenden Verben, sondern auch dann, wann dieselben Verben in der
fragenden Form vorkommen, d. h. nach allen Verben und Redensarten,
in welchen der Sprechende eine üngewissheit, einen Zweifel
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172
vermittelst seiner Frage ausdrückt, und wenn er eine Antwort
auf diese Frage erwartet, in welcher die entsprechende
Auskunft enthalten ist (Jedoch muss sie es nicht sein). Inqui-
rirende Frage im Gegensätze zur rhetorischen Frage; Mätzner nennt
die erstere „die unbefangene Frage". — Glauben Sie, dass er es
thun werde (wird)? Croyez- vous qu'il le fasse? Ich weiss es nicht.
Dagegen: Croya - vous qu'il le fera? Ich weiss, dass er es nicht thun
wird. Ich gebe damit zu verstehen, dass, wenn der Andere es glaubt,
er einen zu guten Glauben, zu viel Vertrauen auf die Ausführung hat
Oder: si vous le croyez, vous vous trompez joliment. Ich selbst bin
nicht im Zweifel darüber. — Ebenso verhalt es sich mit der fragend -
verneinenden Form : ne croyez - vous pas qu'il le fasse? Ne croyez -vous
pas qu'il le fera? Der letzte Satz bedeutet: ich weiss ganz gewiss,
dass er es thun wird: tont pis pour vous, si vous ne le croyez pas.
„Der Fragende kann auch die Antwort unter seine Gewähr nehmen."
In dem Konditionalsatze kann auch ein Zweifel, eine Unge-
wissheit enthalten sein. Dieser Zweifel, diese Ungewissheit hängt
lediglich vom Sprechenden ab- Zur Illustration bringe ich einen Satz
aus Moliere's Tartuffe, acte V, sehne III: Si j'avais su qu'en main il
a de telles armes , je n'aurais pas donni mattere d tant d'alannes-
(Elmire en parlant de Tartuffe). Elmire ist überzeugt, weiss,
dass der Betrüger jene Waffen in der Hand hat ; Orgon hat ihr Alles
mitgetheilt; sie kann also diese Thatsachen nicht mehr bezweifeln:
der Indikatif muss stehen. —
Hätte Elmire dagegen, ohne die Mitteilung ihres Gatten,
nur nach dem allgemeinen Tun und Treiben des letzteren und Tartuffe
geschlossen, wäre nur die Vermutung in ihr aufgetaucht, dass ihr
Gatte solche kolossale Dummheiten hätte begehen können, so würde sie
zum tieferen Nachdenken gezwungen worden sein und sie hätte sagen
müssen: Si j'avais cru qu'en main il eilt (eüt eu) de telles armes.
Zu den Redensarten nun, die eine Möglichkeit, einen Zweifel,
eine Ungewissheit ausdrücken, würden auch konsequenter Weise
folgende unpersönlichen Verben gehören: il semble, il se peut, ü est
possible, il ne se peut pas , il est impossible , il est rare, il est facile,
il est difficile, il n'est pas vrai, il n'est pas vraisemblable , il n'est
pas sür. etc. . est-il vrai, est-il vraisemblable, sür etc. . ., die ich
nicht weiter anführen will.
Nun wird man vielleicht erstaunen, warum ich nicht von den
verbis dicendi und sentiendi oder mit andern Worten von den verbes
exprimant la parole et la pensee spreche, die zwar, bejahend ange-
wendet, auch ein Nachdenken, jedoch in viel geringerem Grade vor-
aussetzen. Ich habe einen sehr gewichtigen Grund dafür: denn diese,
von beinahe allen Schulgrammatikern aufgestellte Kegel, dass der
<
■
173
Sobjonctif nach den verbes exprimant la parole et la pensie steht,
wenn sie verneinend oder fragend angewendet werden, trägt ganz
besonders dazu bei und ist vorzüglich geeignet, die Schaler zu
verwirren — es bleibt eben nur der erste Theil der Regel am
Gedächtnisse hängen, während der zweite verschwindet.
— Wundern sollte es mich, wenn meine Herrn Fachgenossen andere
Erfahrungen gemacht hätten.
Seltsam ist es freilich, dass nach der Auffassung des Franzosen
die Ueberlegung, das Nachdenken erst durch einen Zweifel,
ein Schwanken, eine Ungewissheit hervorgerufen wird,
während er, im entgegengesetzten Falle, oberflächlich, seiner Natur-
anläge gemäss, eine Bemerkung nur hinwirft, eine Behauptung
schlechthin aufstellt, ohne sich weiter über die Konsequenzen dieser
Bemerkung, dieser Behauptung zu kümmern oder sich Rechenschaft
darüber abzulegen: Je crois que vous avez raison.
Man darf daher noch weniger erstaunen, dass der Franzose in
der indirekten Rede auch den Indicatif anwendet, unter der
Bedingung natürlich, dass in der direkten Rede derselbe Modus
gebraucht wurde. Städler nennt den Gebrauch des Indicatif in den
beiden Fällen den Ausdruck „einer gewissen Anmassung oder
Voreiligkeit".
Ebenso wenig ist die Folge der Zeiten in der indirekten Rede
eine logisch richtige: sie beruht auf blosser Konvenienz.
Z. B. Er sagte mir, er glaube nicht, dass Amyot mehr Verdienst
habe als Montaigne, il me disaü quHl ne croyait pas qu' Amyot
eüt plus de merite que Montaigne. Wird dagegen einer allgemeinen
Wahrheit (einem Grundsatze) Ausdruck verliehen, so steht nach einer
Vergangenheit das present: Louis XVIII disait que Vexactitude est
2a politesse des rois. — Ich muss offen gestehen, dass ich nur eine
Willkür in dieser verschiedenen Anwendung der Folge der Zeiten
erblicken kann — eine Begründung aber, trotz aller Anstrengung,
nicht ausfindig zu machen im Stande bin.
Auf gleiche Weise wird das tiefere Nachdenken, das
reiflichere üeberlegen, die eingehendere Erwägung
hervorgerufen : *
2) Nach den Verben und Redensarten, die eine „affirmative
oder negative Willensäusser ung, Billigung oder Miss-
billigung" (Mätzner, 388) ausdrücken. Die verschiedenen Verben
und Redensarten anzuführen, wäre unnötig, da die Grammatiker dies
entsprechend thun.
3) Ebenso, wenn in dem übergeordneten Satze eine Gemüts-
bewegung enthalten ist, als: Freude, Trauer, Schmerz, Scham, Schande,
Klage, Furcht, Erstaunen, Erbitterung, Unwillen etc.
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176
Zwar haben auch schon Aristoteles und Theophrast solche Verbreitungs-
gesetze vorausgeahnt und fragmentarisch ausgesprochen; aber erst der
weite Horizont der Gegenwart, welcher über alle klimatischen Zonen
reicht, hat auf diesem Gebiete den Vergleich und damit eine Wissen-
schaft ermöglicht. A. y. Humboldt steht auch hier an den Grenzen
einer neuen Epoche. In seiner überaus gedankenreichen Schrift „Ideen
zu einer Geographie der Pflanzen" (Stuttg. 1807) und in seiner späteren
Abhandlung „de distributione geographica plantarum" (Paris 1817) hat
er die Fundamente und Grundlinien des zukünftigen Baues gegeben,
welcher dann von dem Franzosen De C ando Ue (Geographie bota-
nique raisonrUe Paria 1855) und neuestens von dem Deutschen
Grisebach (Die Vegetation der Erde Leipzig 1872) in meisterhafter
Weise ausgeführt worden ist. Indess erstrecken sich diese Forschungen
mehr anf den physikalischen Theil unserer Wissenschaft. Karl
Ritter war es, welcher, wie überall in den Erdformen, «o auch in der
Thier- und Pflanzenwelt die Beziehungen zum Menschen und seiner
Geschichte wahrgenommen und erforscht hat. In einer Reihe von
Abhandlungen, die seiner grossen Erdkunde von Asien einverleibt sind,
benützte er zuerst historische Denkmäler, um die geschichtliche Ver-
breitung von Gulturgewächsen und Hausthieren zu documentiren, und
sprach zugleich die tiefsinnigsten Gedanken über deren culturgeschicht-
licbe Bedeutung aus. Uebrigens haben diese Arbeiten Ritters eine
Schwäche, und diese liegt in ihrem linguistischen Theile, in der
Deutung und Verwerthung der Thier- und Pflauzennamen, wofür dem
grossen Geographen die genügende sprachliche Vorbildung mangelte.
Nun ist in jüngster Zeit auf diesem Gebiete ein Forscher aufgestanden,
dessen Blick Natur und Geschichte gleichmässig umspannt und der
zugleich mit seltenen linguistischen Kenntnissen, besonders in den
slavischen Sprachen, ausgestattet ist. Wir meinen den Deutschrussen
Victor Hehn, den Verfasser des oben genannten Buches, das
unstreitig zu den bedeutendsten Erscheinungen der neuesten Literatur
gehört*). Es werden hier in der Form von Monographieen die
Namen verschiedener Thiere und Pflanzen als historische Urkunden
benützt, um die Zeit und den Weg ihrer Verbreitung nachzuweisen, nach
dem gewiss berechtigten Grundsatze, dass Name und Sache zusammen
gewandert sind. Die linguistischen Resultate aber werden, gleich als
hätte der Verfasser gefühlt, dass die Etymologie mit ihren Proteus-
künsten nicht als vollgiltiger historischer Zeuge auftreten könne,
durchgehends, soweit es überhaupt möglich war, durch anderweitige
geschichtliche Zeugnisse gestutzt und erläutert. Die frappantesten
Ergebnisse werden auf diese Weise gewonnen und man kann in der
Tbat sagen, dass der Verfasser neue Perspectiven in die Welt-
geschichte eröffnet hat. Wir versuchen es, in Folgendem eine nach
allgemeinen Gesichtspuncten geordnete Uebersicht über den reichen
Inhalt dieser historisch -linguistischen Skizzen zu geben.
*) Diess beweist schon der Umstand, dass das Bnch innerhalb drei
Jahre die zweite Auflage erlebte. Die Naturforschung hat viel Notiz von
ihm genommen, thcils um es stillschweigend auszuschreiben, theils um es
zu widerlegen. Sie wurde in der Vorrede vom Verfasser in kaustischer
Weise abgefertigt.
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*
\77
Zur Zeit da die Graecoitaler als halbwilde Indogermanen auf ihren
Wanderungen aus dem Innern Asiens in die Donauebene hereinkamen,
waren sie noch von wenigen der späteren Culturpflanzen und Haus-
thiere begleitet. Nur diejenigen, deren Name auch im Sanskrit über-
einstimmend ist, dürfen als Culturbesitz vor der Wanderung, gelten —
aber auch diese nur zum J 'heil, da spätere Einwanderungen aus Indien
hinlänglich bezeugt sind. Nach den Erörterungen Hehns über das
Pferd (8. 20 — 54) ist es kaum anzunehmen, dass diese Horden auf
kleinen flinken Rossen nach Europa hereinstürmten , wie nachmals die
Hunnen; vielleicht aber waren bereits die Ziege und die Gans ihre
zahmen Begleiter, und wo sie flüchtig sich niederliessen , streuten sie
in die mit dem Pfahle aufgerissene Ackerfurche das schnellreifende
Hirsekorn, ein Cereale, das später bei den classischen Völkern zurück-
trat und nur von rooservativen Stämmen beibehalten wurde; so gelten
die Lacedämonier als Hirsebreiesser.
Griechenland und Italien, das Ziel dieser Wanderungen, gehörten
in jener Urzeit einem anderen Vegetationsgebiete au als heute. Dichte
Eichen - und Fichtenwälder bedeckten die griechischen Bergzüge und
Hänge des Apennin; ja Italien war zum grossen Tbeile noch in den
ersten Zeiten Korns von undurchdringlichen Waldungen beschattet,
wofür (S. 371) eine Fülle historischer Zeugnisse beigebracht wird.
Cultivirte Gewächse gab es damals noch wenig Der Verfasser macht
es (S. 212) sehr wahrscheinlich, dass in den Gärten der älteiten
Griechen weder die Lilie glänzte noch die Rose glühte. Hesiod kennt
diese Blumen gar nicht und auch bei Homer deutet nichts auf eine
unmittelbare Bekanntschaft mit der Rose, denn sie wird nur in Gleich-
nissen erwähnt, es werden Phantasiegärten damit ausgestattet in einer
Weise, als hätte man von ihr nur wie von einem Wundergewächse des
fernen Ostens gehört — Fast alle Vegetationsformen, welche gegen-
wärtig die Landschaften des Mittelmeeres charakterisiren , sind aus
dem Orient iroportirt worden. Nur den Erdbeerbaum (arbutut unedo)
mit seinen lorbeerartigen Blättern fanden wahrscheinlich die ersten
Einwanderer schon vor; aber die Cy presse, als deren Heimath
Karl Ritter die Gegend von Kabul an der Westgrenze Indiens nach-
gewiesen bat, wanderte über Persien, wo sie als religiöses Flammen-
symbol eine Rolle spielt und über Phönizien nach Cypern und von da
mit ihrem jetzigen Namen nach Griechenland ; dann erreichte sie Sicilien
und erst nach der Eroberung Tarents, wo hellenischer Geschmack das
römische Leben zu beeinflussen begann, fing auch dieser Baum an, mit
seinem düsteren Grün die römischen Villen und Gräber zu beschatten.
Nicht minder sind Lorbeer und Myrthe erst mit dem Dienste des
Apollo und der Aphrodite aus dem Osten eingewandert. Den K astanien-
baum, diese wichtige Nahrungsquelle des heutigen Italiens, kannte Cato
noch nicht; zum erstenmal wird er in einer Ecloge Virgils (2, 52) erwähnt.
Die Pinie war zu Ovids und Virgils Zeit noch ein Gartenbaum und
der berühmte Pinienwald Ravennas ist jungen Datums (S. 260).
Limonenbäume und Orangenwälder trug Italien erst seit den
Kreuzzügen, und die Aloe mit ihrem hohen Blüthenschaft sowie der
Opuntiencactus, welcher mit seinen blaugrünen, fleischigen Blättern
die Felsenküsten des Südens umsäumt, sind beide Kinder Amerikas
und also erst in der Neuzeit ans Mittelmeer gelangt.
Abgesehen von der durch Hehns Forschungen constatirten cultur-
geographischen Thatsache, dass die heutige Flora Südeuropas ein
Resultat der geschichtlichen Bewegung , nicht der physikalischen
Blauer l d. b»yer. Ojmn.- V. Real Schul w XL Jahi-. J2
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178
Verhältnisse ist, wird es den Leser seines Buches auch intereasiren,
die Wege kennen zu lernen, auf denen jene Einwanderungen statt-
fanden, gleichsam das Adergeflecht, innerhalb dessen sich der Kreislauf
der Culturströmung im europäischen Völkerleibe vollzog.
Der normale Weg war es, dass die Griechen vom Orient beschenkt
wurden, die Italier von den Griechen; von Italien drang der Cultur-
strom zu den Kelten, von da zu den Germanen und endlich zu den
Slaven. Die Strömung aus dem Orient war eine doppelte, entweder
semitisch - syrisch oder persisch- pontisch. Die erstere brachte weitaus
die meisten und wichtigsten Culturobjekte z. B. den Wein, und in
diesem Sinne ist der Occident „semitisirt". Doch gibt es Ausnahmen
von diesem historischen Verbreitungsgesetz. Der Haushahn z. B. kam
nicht Ober Italien, sondern über Russland oder den europäischen
Südosten nach Mitteldeutschland (S. 277 — 291). Bei ein paar
Pflanzen- und Thierindividuen, welche aus dem Orient eingewandert,
aber dort irgendwie verkümmert sind, rinden wir sogar einen rück-
läufigen Weg von Westen nach Osten. Dahin gehört unter andern
die Apricose. Als die Römer des ersten christlichen Jahrhunderts
diese Früchte in ihren Gärten pflückten, hiessen sie von ihrer Beimat
persische oder armenische Aepfel, bei den Gärtnern wegen ihrer Früh-
reife auch praecocia, praecoquet Davon kam die Benennung der
spätem Griechen ngaixoxia auch tiqoxxoxhi, deQixuxa. Dieser Name
klingt wieder im arabischen al-barqüq, und die Araber brachten
Name und Frucht nach Sicilien und Spanien, daher albercocco. albari-
coque, franz. abricot, deutsch Apricose
Die Erörterungen des Verfassers sind aber auch für die Cultur-
geschichte überhaupt von grosser Bedeutung Insbesondere begrüssen
wir sein Buch als Symptom einer gesunden Reaction gegen das krank-
hafte Herüberwuchern der Naturwissenschaften auf das historische
Gebiet. Wir wissen, mit welchen Fbantasiegemälden moderne
Naturforscher, darwinische Farben benützend, die leeren Blätter der
menschlichen Urgeschichte auszufüllen bemüht sind. Hehn ist kein
Freund dieser historischen Luftgebilde und hat unsere Pfahlbauten -
Historiker mit sehr treffenden Bemerkungen (S. 487 — 490) aus ihren
Träumen aufzurütteln versucht. — Auch sonst wird der Leser durch
mancherlei Ausblicke in die allgemeine Culturgeschichte erfreut Das
Alterthum besonders erhält nach vielen Seiten hin eine neue Beleuchtung.
So findet der Verf. in einer trefflichen Betrachtung über deu Unter-
gang der alten Welt (S. 419 ff.) den eigentlich schadhaften Punkt der
antiken Cultur in „der unwirthschaftlicheu Construction des Staates
und der Gesellschaft". In Bezug auf den jetzt so verwahrlosten Boden
Griechenlands und Kleinasiens ist er übrigens keineswegs der herkömm-
lichen Ansicht, dass diese Gegenden für immer ausgenützt seien, ein
Urtheil, welchem „keine wittbschattliche oder naturwissenschaftliche Be-
obachtung, vielmehr eine falsche geschichtsphilosophische Theorie zu
Grunde liegt" (S. Ii — 10) Die römische Kaiserzeit, die wir als eine
Zeit des Verfalles zu betrachten pflegen, erscheint in diesen Skizzen
vom volkswirtschaftlichen Standpuucte aus vielfach als eine Epoche
des Aufschwungs. Für das Verständniss der alten Schriftsteller
werden sehr schätzenswertbe Beiträge geliefert. Besonders sind es die
homerischen Gesänge, die der Verfasser mit Vorliebe beleuchtet und
für deren Compositionsart er manche neue Gesichtspuncte bietet.
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179
Schliesslich müssen wir auch noch der Darstellungsgabe Hehns
rflhmend gedenken. Seine Diction ist durchaus sorgfältig und elegant;
die farbenreichen Landscbaftsbilder, die lebendigen Naturbeschreib-
ungen, die grossartigen historischen Umrisse machen manches Blatt
dieses Buchen zu einem Kunstwerk. Wir möchten dasselbe überhaupt
mit einer duftigen frischen Blume vergleichen im Gegensatze zu jenen
dürren Herbariumspflanzen, die uns zuweilen von deutschen Kathedern
herab gereicht werden •).
München. J. Wimmer.
Die Weltgeschichte im Umrisse von Dr. Heinrich Dittmar. Elfte
Auflage von Dr. K. Abi cht. Heidelberg, Winter, 1874.
Hr. Dr. Abicht (jetzt Director des Gymnasiums in Oels), welcher
nach Dittmars Tode die zehnte Auflage dieses Buches zu bearbeiten
übernahm , hatte damals die Geschichte der neueren Zeit bis zum
Jahre 1869 , die deutsche bis zur Gründung des Norddeutschen
Hundes fortgeführt. Unsere Blätter haben im VII. Bande, p. 31 eine
Anzeige des Buches von Herrn Prof. Butters gebracht; nun ist (im
Sept v. J.) die eilte Auflage ausgegeben worden, in welcher die
Geschichte der europäischen Staaten in den letzten Jahren neu hinzu-
gekommen, das Ganze nach Versicherung des Herausgebers in Form
und Inhalt einer gründlichen Revision unterzogen ist. Die Kapitel
93 bis 95 geben eine lebendige und übersichtliche Darstellung des
französisch - deutschen Krieges. Dass diese (mit einigen Kürzungen)
wörtlich aus der VII. Auflage der deutschen Geschichte von Dittmar-
Abicht wiederholt ist, wird Niemand dem {Verfasser zum Vorwurf
machen, zumal da die Geschichte der neuesten Zeit in keinem Fall so
wie die frühere in der Schule bebandelt werden kann. Die Geschichte
der nordamerikani6chen Union ist unverändert bei der Erwählung
Grauts zum Präsidenten stehen geblieben: man vermisst hier bestimmte
Angaben darüber, welchen Erfolg der Krieg für die Emancipation und
die politische Stellung der Neger gehabt hat.
Das Lehrbuch von Dittmar ist zu bekannt, als dass es nöthig wäre,
es hier nach seiner Eigenthümlichkeit ausführlicher zu cbarakterisiren.
Der doppelte Zweck, welchen der Verfasser verfolgte (dass es ,,auch
ausserhalb der Schule andern Bildungsbegierigen als belehrendes und
unterhaltendes Lesebuch diene"), und der auch durch den Titel „für
den Schul- und Selbstunterricht" bezeichnet ist, hat nicht ohne Eintrag
für den ersteren bleiben können. Aber wir dürfen mit dem oben
genannten Collegen uns freuen, dass dem vielverbreiteten Buche durch
ie zweimalige, im ursprünglichen Geiste fortgeführte Bearbeitung des
neuen Herausgebers das Glück zu Theil geworden ist, auch nach dem
Tode des ersten Verfassers seine Lebensfähigkeit zu bewahren.
S.
*) Als solches Gegenstück auf gleichem Gebiete liease sich z. B. die
gründliche und gelehrte aber ganz gewürzlose Schrift von Prof. Brandes
bezeichnen : „ Ueber die antiken Namen und die geogr. Verbreitung der
Baumwolle im Alterthura. " Leipzig 1866. .
12*
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■
180
Lateinisches Lesebuch für die Sexta der Gymnasien und Real-
schulen von Hermann Perthes. Berlin. Weidmann'sche Buch-
handlung. 1874.
Das Urteil, welches hier Ober vorstehende Arbeit ausgesprochen
wird, erstreckt sich nicht zugleich auf die ohnehin erst im Werden
begriffene Perthes'sche Methode. Was aber genanntes Buch betrifft,
so OURS man wirklich staunen, wieviel da neunjährigen Knaben zuge-
mutet wird. Die längsten und schwierigsten Yokabeln
(z B. agrieola, bevor der Schaler nur ager, luxuriosus, bevor er luxus
oder luxuria, consociare, bevor er socius kennen gelernt hat), sodann
verwickelte Regeln der Syntax (z. B. schon im zweiten Kapitel
TJebersetzung des deutschen „haben" mit esse, dann fernerbin Parti-
cipialkonstruktionen , Infinitive mit dem Äccusativ, Sätze wie: Igno-
miniosum est ignavum fuisse, et in der Bedeutung „auch", suus und
ejus, praesens und absens und dergl mehr), endlich Sätze, deren
sachlicher Inhalt weit über den Ideenkreis eines Sex-
taners hinausgebt, sind da in rasender Eile aufgespeichert. Die
zusammenhängenden Stücke, z B. No 11, sind geradezu monströs.
Einer nüchternen Pädagogik ist in dem ganzen Buche des „dem Schüler
Bewussten" viel — zu wenig, dagegen des „ihm Unbewussteu" ein
wenig — zu viel entfaltet, und ihr muss der Gebrauch eines solchen
Lehrmittels nicht nur nicht instruktiv, sondern destruktiv in hohem
Grade erscheinen. Gäbe es keine anderen Sätze? Liesse sich nicht
mit dem Einfachen, dem Regelmässigen, dem häutig Vorkommenden
beginnen? Kurzum! Wenn sich die Perthes'sche Methode einen Boden
erkämpfen will, dann muss so ein Lesebuch ganz anders eingerichtet
werden. Es sei mithin dem Herrn Perthes ein freundschaftlich Festina
hnte zugerufen!
München. L. Mayer.
Uebungen dea lateinischen Stils, bearbeitet von Carl Friedr. N ä g e 1 1 -
bach. III. Heft. 5. verbesserte Auflage. Leipzig, Brandstetter, 1874.
Nägelsbacb's Stilübungen verdanken bekanntlich ihre Entstehung
demselben Principe, welches derselbe seinem systematischen Handbuche,
der lateinischen Stilistik, als einem sprachvergleichenden Versuche zu
Grunde gelegt hat. Nägelsbach will, dass die Kräfte der lateinischen Sprache
dadurch zur Kenntnisss gebracht werden, dass man dieselben an denen
der deutschen misst. Daher sind seine Stoffe deutsche Originale —
nicht Stoß* mit deutschem nach lateinischen Originalen oder nach latei-
nischer Anschauung bearbeiteten Sprachgewande- In dieser principiellen
Originalität liegt einerseits der Vorzug der Nägelsbach'schen Arbeit vor
andern verwandten, anderseits der Hauptgewinn für die Geistestbätigkeit,
mit welchor die Schüler zu operiren haben. Wir erinnern abgesehen
von den grammatikalischen Winken und der klassischen Phraseologie
besonders an die Periodologie, welche an schwierigen deutschen
Musterstoffen sicherlich besser zur Darstellung gelangt , als an
Materialien mit lateinisch -deutscher Sprachform. —
181
College Baumann hat bereits Auflagen der beiden ersten Bändchen
besorgt und verpflichtet sich neuerdings durch vorliegende 5. Auflage
des 3 Bändchens Lehrer und Lernende zu grossem Danke. Die neue
Auflage ist zunächst ein unveränderter Abdruck der vierten, jedoch
unterscheidet sich dieselbe formell hauptsächlich in 2 Punkten von
derselben Der Hauptunterschied besteht darin, dass die citirten
Stellen fast alle ausgeschrieben sind College Baumann hat dies
bereite bekanntlich in der letzten* Auflage des I. Bändebens gethan,
damals zunächst auf den ausdrücklichen Wunsch vieler Schulmänner.
Nägelsbach würde allerdings schwerlich von dieser „nützlichen Metbode,
oft die Schriftsteller nur zu citiren , (statt die Redensarten aus ihuen
auszuschreiben", abgegangen seiu; gleichwohl erscheint uns indess
Baumann's Aenderung nach dieser Seite sachlich gerechtfertigt und
zeitgemäss. Wer aus eigener Erfahrung weiss, wie diese Praeparationen
meist gemacht werden, dem kann vielfach der aus dem Nachschlagen
der Stellen gehoffte Nutzen nur illusorisch erscheinen. Dazu sind
faktisch nur die wenigsten Schüler z. B. im Besitze eines ganzen
Livius und gerade oft solche glückliche Besitzer eines completen
Schriftstellers nicht auch immer diejenigen, die ihn gewissenhaft
ausbeuten Geschieht dies aber von dem einen oder andern fleissigen
Schüler doch, so steht am Ende doch der Gewinn, den die Schüler aus
dem Selbstaufsuchen der Stellen gezogen, in keinem rechten Ver-
bältniss zu dem Quantum der darauf gewendeten Zeit. Da wir ohne-
dem in einer Zeit leben, in der mehr als je mit der Zeit der Schüler
hauszuhalten ist, so dürfte schon aus diesem wichtigen Grunde in dem
Herausschreiben der von Nägelsbach nur citirten Stellen eine noth-
wendige Zeitersparnis» zu erblicken sein.
Der 2. Unterschied der vorliegenden Auflage von der vorigen liegt
darin, dass die alte Orthographie anfgegeben ist. Ob dies im Nägels-
bach'schen Sinne geschehen ist, muss allerdings gleichfalls bezweifelt
werden. Gleichwohl sind es äussere und innere triftige Gründe, die
zu dieser Aenderung den Impuls gegeben zu haben scheinen — ;
obgleich an den meisten unserer Gymnasien noch die alte Schreibweise
herrscht, können wir daher Baumann's Vorgehen nach dieser Seite nur
billigen. Englmann hat in seiner Grammatik die neuere Orthographie
mit Mass durchgeführt; es ist nicht zu erwarten, dass man epistula,
sttius , 8U8pitioy solacium statt epistola, secius, suspitio, solatium auf-
genommen findet, wohl aber dürften Worter, wie autumnus, cena,
comminus, conditio, conecto, conitor, contio (nicht concio), intellego,
neglego , mercennarius , oboedio (nicht öbedio) in dieser evident
beglaubigten besseren Schreibweise auch Elementarscbülern frühzeitig
eingeprägt werden. Ueberhaupt ist in allen Anzeigen von neueren
Schulbüchern in den letzten Jahren die Beibehaltung der alten Ortho-
graphie fast durchgängig als Mangel bezeichnet. Der einzige, der
für Beibehaltung der bisherigen Schreibweise plädirt hat, ist unseres
Wissens Lattmann in der Berliner Zeitschrift. Aber seine Gründe
scheinen nur für die in den untersten Klassen eingeführten Lehr-
bücher Geltung zu haben, so lange in den Schulgrammatiken noch die
alte Orthographie herrscht. Ganz anders stellt sich die Sache in den
obersten Klassen , wo die Ausgaben der Schriftsteller, die die Schüler
in den Händen haben, sämmtlich die neue Schreibung aufweisen.
Bedenken wir endlich, dass Nägelsbach's Stilübungen an den nord-
deutschen Gymnasien, an denen die neue Orthographie fast überall
schon eingeführt ist, mit Vorliebe benutzt werden, so lässt sich wohl
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begreifen, wie College Baumaua zur Aufnahme der neueren Schreib-
weise sich entschlossen hat.
Was den Commentar und die Uebersetzungsproben anlangt, 60 sei
noch einiger vorgenommenen Aenderungen gedacht, die sich beim Durch-
lesen der neueu Auflage aufgedrängt haben. Sorgfältig hat College
Baumann erwogen, was Kratz im Württemberger Corruspondenzblatt
(1862) besprochen und Neues hinzugefügt hat, so Agit und Cleomenetf
6, X, wo zu den Worten: „Soll ich aber, während mein Vater König
in Sparta ist, fortleben in solchem Jammer u. s. w." statt egone — ut
— nach Ter. Heaut., 4, 4, 36 zur Verwendung vorgeschlagen wird : Ov.
Heroid. 13, 37: scilicet ipsa geram etc. Was von diesem trefflichen
Kenner des lateinischen Stiles herrührt, ist im Commentare selbst
angegeben. Uebersetzungsprobe VII, t am Schlüsse lesen wir nunmehr
statt: et ad futurum tempus quum spem Lutum, tum nova afferant
consilia, novam voluntatem industriae — et cum spem laetam tum
nova consilia, novam voluntatem industriae afferant ad futura;
ferner Vj, 6, e: „reitet er durch sein kurzes Gesicht verführt zu nahe
an die feindliche Linie vor" statt provehi nach Liv 23, 46, 13 obequitare.
Eine glückliche Aenderung ist wohl auch ebendaselbst (sein ledig
fliehendes Ross) die von (cquus) vagus errans in vaeuus errans (nach
Weissenborn); ferner schlägt Collega Baumann No. 4 c statt proinde
vor ergo. —
Wir können diese und andere vorgenommene Aenderungen gewiss
aeeeptiren, ohne die Originalität des sei- Verfassers selbst dadurch nur
im Mindesten zu beeinträchtigen; lediglich als Interesse für die
Sache selbst möge es daher gedeutet werden, wenn Anzeiger dieses
Büchleins sich selbst noch einige Zusätze erlaubt, die wir hiemit einer
freundlichen Beurtheilung empfehlen. I, 1, 2: „hatte er die Höfe der
Patrizier niederbrennen lassen" Hst für „Höfe" praedia angegeben ;
Hesse sich hiefür nicht „villae" verwenden, was unserm „Meierhof,
Meierei" so nahe kommt? I, 2, t: „bat das hundertste Lebensjahr
erreicht" dürfte neben dem citirten Cic sen. 17, 6U: vitam perducere
ad annum — auch das pervenit ad — gleich gut zu gebrauchen sein.
IV, 8 (Tod Conradins von Schwaben): „der König rechnete sieb aus
dem Einziehen der Güter der Ermordeten einen grösseren Gewinn
heraus" möchte ich statt subduetis calculis videt — rationibus
substituiren. V, 10 ist für „Reiterei des linken Flügels" sinistrae
partis eques angegeben; warum nicht ala benützt? VII, 9: „im
kommenden und in den folgenden Schuljahren" bietet sieb Gelegenheit,
den Schüler an den Gebrauch von proximus zu erinnern. III, 3, g:
„hat verschwinden lassen" schlagen wir statt sublatum est aliquid e
vita vor: de medio. II, 12: „nur noch die Wahl zwischen Selbstmord
und martervoller Hinrichtung — finden wir angegeben: Liv. 8, 33: optio
datur; sehr nahe dürfte für diese Alternative der Gebrauch eines aut —
out liegen, welcher der Redensart optio datur ents< hie den vorzuziehen ist
Möge unsere Gjmnasialjugend auch fernerhin aus dem Bucbe den
geistigen Gewinn ziehen, den zu erzielen gerade Nägelsbach's Stil-
übungen in ganz besonderem Masse geeignet sind.
Regensburg.
F. Scholl.
183
Angewandte Elementarmathematik von A. Lise. Berlin bei
Wilhelm Schulze.
Das Werkeheu ist bearbeitet „für die Zwecke der Volksschule",
allein es ist geradezu zum Lachen, wenn Einer im Ernst behauptet,
dass die Lehre von den Potenzen, Wurzeln und Logarithmen, die
Gleich imgcn ersten und zweiten Grades mit einer und mehreren
Unbekannten, die Progressionen der Volksschule angehören. Bei dieser
Gelegenheit sei bemerkt, dass die bei den Aufnahmsprüfungen in eine
höhere Schule stets laut werdenden Klagen , dass der Rechenunterricht
in den Volksschulen nicht gründlich betrieben werde, insoferne wenigstens
begründet sind, als auf die ersten Elemente des Rechnens nicht die
gehörige Sorgfalt verwendet und zu rasch zu Aufgaben über-
gegangen wird, die dem Entwicklungsstadium des Schülers durchaus
nicht angepasst sind - Das Werkchen gliedert sich in einen theore-
tischen und in einen praktischen Theil Im ersten Theil finden wir
eine Zusammenstellung von Lehrsätzen und Regeln zu allermeist ohne
jegliche Begründung, jedesmal durch ein Beispiel in bestimmten und
in allgemeinen Zahlen illustrirt Die Brüche erscheinen plötzlich wie
ein deus ex inachina bei der Division und vier Regeln mit ihren
Umkebrungen , natürlich ohne jegliche Erläuterung, vollenden die vier
Species der Bruchrechnung Von einigen ungenauen Definitionen sehen
wir ganz ab. Die Behandlung der negativen Zahlen bietet manches
Originelle und Erbauliche. So heisst es z B. unter Anderem: „Wenn
man z. B. 5 Schritt zurückgegangen und soll diesen Weg wieder
dreimal zurückgehen, so muss man (- 5) (— 3) = -f- 15 Schritte
voran thun". Und bei der Division werden wir belehrt warum
g = 2 ist. „Denn ist z B ein Thermometer 8 Grad unter Null
gefallen, so muss es zweimal 4 Grad unter Null steigen, um auf Null
— 16
zu kommen, also , 2". Bei den Logarithmen finden wir
— o
durchgangig folgende Gleichungen, die man bei den Schülern nicht
t
dick genug unterstreichen kann: |/ 45 = = log 45 = . .; (52)*=:8 log 5 . .
Obgleich der Verfasser der Algebra für das praktische Rechnen
wenig Bedeutung beilegt, so sucht er doch im 2. Theile die gewonnenen
Resultate zu verwertben. Er behandelt im zweiten Theile die Decimal-
brüche, die Quadrat- und Kubikwurzeln, die Zinseszinsrechnung und
führt dann noch einige Tabellen an (Zinstabellen, Sparkassent , Mor-
talitfttst., Rentent , Lebensversicherungst etc ) , mit einigen Beispielen
erläutert. Die Beziehungen des zweiten Tbeils zum ersten sind unklar,
namentlich weiss man nicht, wo die Rechnungen mit Deciraalbrüchen,
das Ausziehen der Quadrat- und Kubikwurzel im ersten Theil ihre
Begründungen oder besser ihre Regeln finden Obgleich die Lehre von
den Deciraalbrüchen sehr breit geschlagen ist, entbehrt die Behandlung
doch der notwendigen Gründlichkeit und Vollständigkeit Den Gleich-
ungen ist schon im ersten Theil die praktische Seite abgestreift worden.
Kaiserslautern. Dr. van Bebber.
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Löhrbach der Zoologfe von Dr. B. AI tum und Dr. H. Landois.
Freiburg im Breisgau, Herder'ache Verlagsband lung 1875. Preis
4,5 Reichsmark.
Dieses soeben in 3. Auflage erschienene, sehr hübsch ausgestattete
Buch kann in jeder Beziehung mit bestem Gewissen empfohlen werden.
Der naturgeschichtliche Unterricht gewinnt, abgesehen von seinem
Werthe für Bildung und Erziehung, dadurch eine besondere Bedeutung,
dass er in der Regel die Jugend iu die Naturwissenschaften zuerst
einzuführen hat. Dabei ist es nicht leicht , die richtige Mitte zu
halten zwischen zu weit gehender Popularisirung und zwischen der
nötbigen Berücksichtigung der Systematik, sowie der wissenschaftlichen
Seite des Gegenstandes. Das vorliegende Lehrbuch zeichnet sich nach
meiner Meinung eben dadurch in sehr vorteilhafter Weise aus, dass
es mit gutem Takt und richtigem Mass den passenden Mittelweg
durchgehends einhält. Die Charakteristik der einzelnen Thierkreise
und Thierklassen bis herunter zu den Familien ist kurz, scharf und
klar, auch ist mit sicherem Griff überall das Wesentliche gut hervor-
gehoben. Wenn es richtig ist, dass nur derjenige ein gutes Lehrbuch
zu verfassen vermag, der den Gegenstand , über den er schreibt, völlig
beherrscht und sich dem Studium desselben mit Liebe zugewendet bat,
so muss man sagen, dass die beiden Verfasser der Aufgabe, die sie
sich stellten, in dieser Beziehung -völlig gewachsen waren In vielen
der hübschen, dem Texte eingefügten Holzschnitten manifestirt. sich
eben so sehr ein gründliches Studium des Lebens der Thierwelt, als
eine freudige Hingabe an den Gegenstand. Die Auswahl des Stoffes
darf ebenfalls als eine glücklich gelungene bezeichnet werden, indem
alle die Gebiete, welche einem sp&teren eingehenden Studium der
Zoologie vorbehalten bleiben müssen , umgangen sind. Das Eingreifen
der Thierwelt in den Haushalt der Natur und die vielfachen
Beziehungen derselben zur Thätigkcit und dem Leben des Menschen
haben überall die gehörige Berücksichtigung gefunden und zwar in
der, wie mir scheint, sehr richtigen Weise, dass das Nöthige kurz
angedeutet und die nähere Ausführung der Erklärung des Lehrers
überlassen wurde.
Darüber, ob die getroffene Anordnung de9 Stoffes, d. h. die
Beschreibung des Thierreiches in aufsteigender Ordnung für alle
Fälle gleich zweckmässig ist, lässt sich streiten Die Verfasser
behaupten auf Grund ihrer Lehrerfahrungen, dass auch jüngere
Schüler viel leichter ein tieferes Verständniss der niedersten Thier-
formen, als das der höheren Thiere erringen. Auf der andern Seite
kann man dagegen sagen, dass sich, wenn der Unterricht mit der
Betrachtung der höheren Thierformen begonnen wird, viel leichter
Anknüpfungspunkte an selbst Gesehenes und Bekanntes finden lassen,
und dass es aus diesem Grunde viel für sich hat, einen Lehrgang
einzuhalten, welcher dem von den Verfassern gewählten, gerade
entgegengesetzt ist. Uebrigens verbietet sich für keinen Lehrer, der
die Ansichten der Verfasser bezüglich dieser Punkte nicht theilt,
die Benützung des Buches; ja er findet in demselben sogar eine
seiner Anschauung Rechnung tragende systematische Uebersicht über
das Thierreich in absteigender Ordnung.
Die Sprache ist durchweg einfach und kbr Fremdwörter sind
thunlichst vermieden und die technischen Ausdrücke alle deutlich
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185
erklärt. Die tbeitweise schematisch gehaltenen Abbildungen sind fast
alle sehr instructiv entworfen und gut ausgeführt, nur haben einzelne
Holzschnittstücke in Folge der vielfachen Benützung leider schon
merklich an Schärfe verloren
Ich empfehle dieses wirklich gute, für Lehrer and Schüler
gleich brauchbare Buch der Beachtung der Berufsgenoasen hiemit
angelegentlich.
>
Lindau. Dr. Fleischmann.
Lehrbuch der Determinanten- Theorie für Studirende von Dr.
Siegmund Günther. Erlangen 1875.
Müsste in diesen Blättern ein Urtheil über den wissenschaftlichen
Gehalt des vorstehend genannten Werkes abgegeben werden, dann
würde der Unterzeichnete die Anzeige einem dazu mehr Berufenen
überlassen haben; dieselbe könnte aber auch dann hier nicht Platz
finden , sondern gehörte in eiue Fachzeitschrift, da das Lehrbuch nicht
für Gymnasien, sondern für polytechnische (und humanistische ?) Hoch-
schulen bestimmt ist. Was hier geschehen kann, glaubt auch der
Unterzeichnete leisten zu können, nämlich die Herren Collegen auf-
merksam zu machen auf ein Werk, das nicht nur von dem immer
' mehr sich verbreitenden vortrefflichen Hülfsmittel der Mathematik,
eine möglichst klare Theorie bieten will , sondern auch die
historische Entwicklung desselben in einer bisher noch nicht
gebotenen Darlegung enthält. Der Verfasser verfügt dazu über eine
Belesenheit in der deutschen und ausserdeutschen mathematischen
Literatur, wie sie kaum ein Zweitor in der Gegenwart besitzt, uud
man wird zunächst von ihm lernen müssen, bis man ihn zu verbessern
im Stande ist. Möglich, dass die S. 3 - 4 erwähnten Andeutungen
und allgemeinen Bemerkungen von Leibnitz (vgl. S. 122 und 141)
eine ähnliche eingehendere Behauptung verdient hätten, wie die von
Laplace S. 16 — 18, und dass auch jetzt schon von Gauss und
Jacob i mehr zu sagen war, als die kurze Erwähnung des Letzteren
S. 18 und die zwar etwas längere Mittheilung über Gauss auf S. 24,
die eben in keinem Verhältniss steht zu den Auseinandersetzungen,
welche Bezout, Vandermonde, Laplace und Lagrange
gewidmet sind Zunächst muss man mit Dank die übersichtliche
Darstellung annehmen, wie für ein zum Bedürfniss gewordenes Hülfs-
mittel der Grundgedanke in dem idealer angelegten Leibnitz
erwacht und die zuversichtliche Freude der geahnten künftigen
Bedeutung in ihm erweckt, aber erst die Wiederfindung desselben
durch den mehr der praktischen Ausnützung zugewendeten Gramer
die rechte Lebensfähigkeit demselben gibt, wie dann immer noch
längere Zeit die symbolische Bezeichnung fehlte, mit der Vandermonde
einen anerkennenswerthen Anfang machte, bis sie nach neuen schöpfe-
rischen Einwirkungen von Gauss durch Cauchy handlich wurde.
Der Verfasser fügt sorgfältig die von ihm benützten Quellen bei und
ebnet damit selbst der Kritik den Weg.
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18G
Die an die historische Skizze sich anreihende Theorie ist hier
nur in ihrem Anfange zu besprechen. Der Verfasser will in den
ersten 4 — 5 Capiteln für Studenten des ersten Semesters schreiben
und setzt als Norm der mitzubringenden Kenntnisse die bayerische
Maturitätsprüfung voraus , wobei er freilich noch sogleich den
Zusatz anfügt „wozu nur noch der so leicht zu erwerbende Begriff
des partiellen Differenzialqnotienten hinzuzutreten hätte". Was fordert
nun der Verfasser schon auf der ersten Seite der Theorie (S. 32)?
Die Bildung sämmtlicher Produkte zu »Faktoren aus einem System
von n* Elementen. Welches humanistische Gymnasium entlässt
seine Schüler mit dieser Kenntniss? Man sage nicht, dass jeder nur
halbweg mathematisch Gebildete Produkte aus »»Faktoren müsse
bilden können; die Hauptsache ist, dass er wissen muss, wie er
sämmtlicbe Produkte erhält, und wie kann er dies, wenn nicht die
Determinantenlebre in ihren Elementen ihm mitgetheilt
wurde? Die Combinationslehre mit dem binomischen Lehrsatz nnd den
einfachsten Anwendungen, wie sie der bayrische Schulplan im § 14
nennt, reicht dazu nicht aus. Ausreichend ist katim die Erfüllung
des im § 10 der Ordnung für Realgymnasien Geforderten und
diesen Umstand hätte der Verfasser nicht unerwähnt lassen sollen.
Absolventen der Realgymnasien können wobl sein Buoh verstehen und
diesen mag es auch leicht sein, den schon auf S. 48 nöthigen
partiellen Differenzialqnotienten zu erfassen; Absolventen der huma-
nistischen Gymnasien müssen erst noch in die Schule gehen , und froh
sein, wenn sie einen Lthrer, sei es auf der Universität oder der
polytechnischen Hochschule finden In den meisten Fällen werden
Bücher die Notbhelfer sein Eb wäre thöriebt, wenn wir Lehrer
der Mathematik an den humanistischen Anstalten diesen Mangel
verschweigen wollten Sagen wir lieher den Schülern, die einem
technischen Beruf sich widmen wollen, wieviel sie nachholen müssen,
wenn sie nur einigermassen ihren Coätanen vom Realgymnasium
gleichkommen wollen. Wenn aber nun ein Mal der Verfasser soviel
voraussetzt, so begreife ich nicht, warum er „von den an sich ungleich
eleganteren Methoden der Combinationslehre völlig abseben" musste.
Er scheint mir auch gar nicht so „völlig" abgesehen zu haben. Nur
die Beispiele auf S. 33, 34, 37 u a und etwa Induktionen, wie sie
S. 53 — 55 angewendet erinnern daran, dass er Anfängern unter
die Arme greifen will. Er würde auch schwerlich für die Erklärung
der Inversionen auf die doch keinen Falls vom Anfänger zuerst zu
lesende historische Skizze verwiesen und den Beweis auf S. 34 — 35
80 kurz gefasst haben, wenn er nicht an solche Leser gedacht hätte,
denen die Termini der Determinantenlehre nicht ganz unbekannt sind.
Doch damit käme ich in eine Beurtheilung der Theorie seihst , die
nicht hieher gehört. Ich habe nur noch anzugehen, dass das 2. Capitel
die allgemeinen Eigenschaften der Determinanten behandelt, das 3. die
Determinanten von besonderer Form, das 4 die eubischen, daa 5. die
Eliminationsprobleme*), das 6. die Kettenbrucbdeterminanten , das 7.
die geometrischen Anwendungen, das 8. die Functionaldeterminanten,
•) Referent will nicht unterlassen zu bemerken, dass die verdienstlichen
Leistungen des Herrn Professor Nägelsbach dabei die gebührende
Beachtung gefunden haben.
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187
das 9. die linearen Substitutionen. Die benützten Quellen sind am
Ende von jedem Capitel angegeben.
Möge das Werk in der eigenen Praxis des Verfassers und iu der
vieler anderer Lehrer bald erprobt werden und es ihm in einer
2. Auflage gefallen, auch die Elemente der Determinantenlehre in
einen Wcurs aufzunehmen, und dadurch zwei Vortheile zu erreichen,
namlieb auch den von humanistischen Anstalten kommenden Absol-
venten sein Buch zugänglich und die höher gehende Theorie von den
e ementaren Beispielen frei zu machen Schon jetzt aber sei dasselbe
allen Herren Collegen aufs Besste empfohlen.
Hof.
Friedlein.
Literarische Notizen.
Quintus Horatius Flaccus Lieder. Nach dem Texte der Ausgabe
von Monz Haupt. Deutsch von Wilh. Osterwald. Halle, Verlag
der Buchhandlung des Waisenhau.es. 1875. 2 M. Hübsch ausgestattet
und auch im Ganzen nicht übel gelungen; aber die fremden Metra
schauen uns eben doch immer fremd an.
Aescbylos Perser. Erklärt von W. 8. Teuf fei. 2 verbesserte
und vermehrte Auflage. Leipzig, Teubner 1875. Pr. 1 M. 20 Pf Der
Flan der Ausgabe ist in der neuen Aufl. unverändert geblieben, doch
ist im Einzelnen auf Grund der inzwischen erwachsenen Literatur
und eigener Wahrnehmung des Verfassers nachgetragen und nach-
gebessert worden.
Sophokles Ajas. Für den Schulgebrauch erklärt von Gustav
vvoltf. 3 Aufl. Leipzig, Teubner 1874 Pr. 1 M. 20 Pf. Nach
dem frühen Tode WolfPs bat L. Bellermann die Herausgabe dieser
Auflage besorgt, wofür übrigens von Wölfl das Manuskript druckfertig
hinterlassen worden war.
Piatons Verteidigungsrede des Sokrates und Kriton. Für den
Schulgebrauch erklärt von Dr. Chr. Cron 6 Aufl Leipzig, Teubner
h • « 1 Text un^ Anmerkungen sind sorgfältig revidiert,
benützt f wnrSf0*'*11 Er8cneinun8Pn der einschlägigen Literatur tieissig
Ausgewählte Reden des Lvsias. Für den Schul gebrauch erklärt
JJB «Ml. F? oh berger. Kleinere Ausgabe. Leipzig, Teubner.
1WD. 411 8. Pr. 3 M. In einem Bande enthält diese kleinere
Ausgabe die in die grössere aufgenommeneu Reden mit Ausnahme
der ersten (über die Tötung des Eratosthenes), dazu die siebente (über
den Oelbaum) und die zweiundzwanzigste (gegen die Kornbändler).
W esentlich für den Gebrauch der Schüler bestimmt, wiederholt sie
aus der grösseren Ausgabe die Einleitungen, jedoch mit thunlichster
Uescbränkung der Polemik, und den dem Standpunkte der Schüler
angepassten Kommentar, unter vermehrter Bezugnahme auf das
Lateinische. Der Text ist unter sorgfältiger Vergleichung der neueren
einschlägigen Literatur festgestellt, die Kritik aus dem Kommentar bis
auf wenige Andeutungen entfernt
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188
Anthologie aas den Lyrikern der Griechen. Für den Schal • und
Privatgebrauch erklärt und mit literaturbistoriscben Einleitungen ver-
Beben von Dr E Bucbbolz, Prof. am Joachimsthal'scben Gymn. zu
Berlin. Zweites Baodcben, die melischen und choriscben Dichter und
die Bukoliker enthaltend 2 grossenteils umgearbeitete Aurlage.
Leipzig, Teubner. 1875 Pr. 1 M. 80 Pf Das Werk erscheint viel-
fach berichtigt, in Hinsicht auf grammatische und Sinne6erklärung
vervollständigt; die einschlägige neuere Literatur ist sorgfältig benutzt,
die Zahl der Parallelstellen aus andern Dichtem, namentlich aus
Horatius, vermehrt.
Ge8cbicbtstabellen. Uebersicht der politischen und Culturgeschichte
mit Beigaben der wichtigsten Genealogien in synchronistischer Zusammen-
stellung. Für Schulen und den Selbstunterricht bearbeitet von Friedr.
Kurts, Rektor in Brieg. Zweite, vermehrte, bis auf die Gegenwart
ergänzte Auflage. Leipzig, T. 0. Weigel , 1875. Die alte Geschichte
erscheint auf 7 Tabellen, darunter eine mit Genealogien, die mittlere
auf 6, wovon zwei Genealogien enthalten, die neue Geschichte auf
8 Tabellen, recht übersichtlich dargestellt Daran reiht sich eine
Tabelle mit einer Gesammtflbersicht des Geschichtsfeldes und weiteren
5 Tabellen mit Genealogien grösstenteils noch jetzt regierender Häuser.
In erfreulicher Uebersichtlichkeit ist ein sehr reiches Material gegeben,
das freilich zu einem etwas kleinen Drucke nötigte. Jndes ist die
Ausstattung sehr lobenswert.
Titus und seine Dynastie. Von M. Beule. Deutsch bearbeitet
von Dr. Ed. Döbler. Halle, Buchhandlung des Waisenhauses.
1875, 147 S. in 8. Pr. 2 M. Der Verfasser behandelt zuerst in
einer „Einleitung" die „Abenteurer" Galba, Otho und Vitellius und
schildert dann die Kaiser des flavischen Hauses. So ist das Werk mit
den vorausgegangenen Schriften. Beule's in Verbindung gebracht und
in derselben Weise wie jene durchgeführt Nur hat der Uebersetzer
hier soviel wie möglich die Quellen aufgesucht und unter dem
Texte citiert.
Das Zeitalter des Perikles. Nach Filleul deutsch bearbeitet von
Dr. Ed. Döhler. Zweiter Band. Leipzig, Teubner. 1875. 381 S.
Pr. 6 M. S. S. 336 des X. Bl. dieser Bl.
Lebensbilder und Skizzen aus der Kulturgeschichte. Gesammelt
und bearbeitet von J. Jastram. Leipzig, Teubner 1875. 443 S. in 8.
Pr. 5 M. Das Buch dient den Lehrern zur Präparation, den Schülern
als belehrende Lektüre. Die meisten Aufsätze sind aus Gescbicbts-
werken oder Zeitschriften, wenige aus anderen ähnlichen Sammlungen
entnommen. Der Verfasser bat stellenweise gekürzt oder einzelne
Stücke aus mehreren Schriftstellern zusammengearbeitet. Der kon-
fessionelle Standpunkt, soweit er hervortritt, ist ein protestantischer.
Illustrationen zur Topographie des alten Rom. Mit erläuterndem
Texte für Schulen herausgegeben von Chr. Zie gier. Stuttgart, Verlag
von Paul Neff. Das 1. Heft (Pr. 2 M.) enthält 3 Tafeln, das 2. Heft
in seiner ersten (4 M.) und zweiten Abteilung (6 M.) je 4 Tafeln;
dazu kommen 2 Heftchen Text. Die Reicblicbkeit des Inhaltes , die
Anschaulichkeit der Ausführung , sowie die allgemeine Nützlichkeit
solcher das Verständniss des Altertums unterstützenden Hilfsmittel,
empfehlen das Werk zur Anschaffung für die Schule, wo es die Mittel
erlauben, auch für das Haus.
189
Auszüge.
Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien.
8.
I. Fortsetzung der „Ergänzungen zum lateinischen Lezicon" von
Paucker. — Wörterregister zu diesen Ergänzungen nebst den Nachträgen-
— Beiträge eur lateinischen Lezicographie. Von J. W r o b e 1. (Die Samm-
lung int ans Chalcidius, dem Interpret und Commentator des platonischen
Timaeus). — Lyoner Terenzhandschrift. Von W. Poerster in Prag.
(7 Blätter Pergament, v. 522 — 909 des Heautontimorumenos enthaltend,
der älteste Repräsentant der durch PCB (EF) vertretenen Gruppe).
Zeitschrift für d Gy m nasialwesen.
2.
I. Die Stellung der römischen Elegiker, vorzugsweise Ovid's, auf
unseren Gymnasien Von Dr. Gebhard i. Der Verfasser will durch
Beschränkung der übrigen Dichterlektüre Raum für die Elegiker schaffen.
In der zu treffenden Auswahl müssen vor allem Catull, in zweiter Beihe
Tibull, weniger Properz vertreten sein. In Sekunda seien Stücke aus
Ovid's exilischen Gedichten und den Fasten, in Prima aus dem ersten
Teile der Ovid'schen Dichtungen zu lesen. Die Sammlungen von Volz und
Seyffert genügen nicht. Schliesslich nimmt sich der Verfasser des sittlichen
Charakters obiger Dichter an. — Zur Erklärung des Vergilius. II. Von
Dr. Nauck in Königsberg. (Aen. IV. 381 416. III. 392. V. 289 f.
IV. 328. — Zur Gymnasialreform. Von Dr. Hollenberg (aus einem
Vortrage von Prof. Baumann in Göttingen: „Ueber den wahren Grund des
Wertes klassischer Bildung für die Jugend").
III. Jahresberichte des Philologischen Vereins zu Berlin: Cornelius
Nepos von Dr. Gemss; Sallust von Mensel.
8.
I. Ueber die Prüfung pro facultate docendi. — Drei ungedruckte
Briefe von Joh. Heinr. Voss. Von Dr. Kohl mann.
III. Jahresberichte des philologischen Vereins in Berlin : Livius. Von
Dr. H. J. Müller. (Madvig-Ussing [lib. I-V]; Wölfflin [lib. XXI];
Weissenborn [XXV - XXVIII. 2. Aufl.] ; einzelne kritische Beiträge).
Statistisches.
Ernannt: Ass. Obermeier in Regensburg (Konk. 1873) zumStudl.
in Wei8senburg a/S-; Ass. Welzbofer am Realgyrn. in Regensburg
(Konk 1873) zum Studl. in Schwabacb; Bei. -Lehrer Köhler in Würzburg
zum Rel. -Prof. in Speier; Studl. Haubenstricker in Günzenhausen
zum Subrektor in Kulmbach; die Lehramtskand. : Wehrle zum Lehramts-
verw. für neuere Sprachen an der Gewerbschule Lindau, Gummi zum
Lebramtsverw. für Mathematik und Physik an der Kreisgewerbschule
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190
Kaiserslautern; zum Lehrer der kath. Religion an der Kreisgewerbschule
Augsburg Vikar Kästner; Assis. Schönlanb für Zeichnen von der
Kreisgewerbschule München als Lehrer an der Latein- und Realschale
Kahnbach ; Lehramt sverw. Fischer von der Gewerbecbule Kaufbeuern als
Lehrer für Hundelswissenscbafteu an der Gewerbschale Kitzingen; der
Lehrer für Mathematik nnd PLjsik Rudel von der Kreisgewerbschule
Augsburg als Lehrer für Physik und Rektor an der Gewerbschule Bamberg ;
die Lehramts kund. Düll und Weinberger zu Lehramt sverw. für
Mathematik und Physik an den Gewerbschulen Lindau, bozw. Passau; die
Lehramtsverw. Renz zum Lehrer für Mathematik und Physik an der
Gewerbschule Ingolstadt, huber zum Lehrer für Chemie und Natur-
wissenschaften an der Gewerbschule zu Rothenburg a/T. ; der Lehrer für
Mathematik und Physik an der Gewerbschule Schweinfurt, Botz als Lehrer
derselben Fächer und Rektor an der Gewerbschule Landshut ; der Studien-
lehrer Priester Wagner als Lehrer für kath. Religion an der Gewerb-
schule Dinkelsbühl.
Versetzt: Der Rektor und Lehrer für Mathematik und Physik
Sperl von der Gewerbschnle Landshut in gleicher Eigenschaft an die
Kreislandwirtschaftsschule Lichten huf; der Lehrer für Mathematik und
Physik , Neu von der Gewerbschule Landau in gleicher Eigenschaft an die
Kreisgewerbschule Augsburg; der Lehrer für Mathematik und Physik an der
Gewerbschule Straubing, Geyer iu gleicher Eigenschaft an die Gewerbschule
Amberg; der Lehrer für Chemie und Naturwissenschaften an der Gewerb-
schule Neostadt a. II , List in gleicher Eigenschaft an die Gewerbschule
Würzburg; der Handelsleiter Czeschner als Lehramtsverw. für Handels-
wissenschaft an die Gewerbschule Kaufbeuern; der Ass. für Chemie und
Mineralogie, Bachmeyer, als Ass. für Chemie an die Kreisgewerbschule
Nürnberg.
Quiesciert: Der Lehrer für Physik an der Gewerbschule Bamberg,
Herzogenrath auf 1 Jahr
Gestorben: Der Prof. für Zeichnen am Realgymnasium Nürnberg,
Wolff; Prof. Gross in Passau; Studl. Dyrmeier in Hassfurt.
Berichtigung.
Seite 127 Zeile 7 von oben lies: -Vr statt -r4^
„ „ „ 13 „ „ „Umfangen, aber jeweils gleichem
Inhalte zu zeichnen'' statt „Umfangen und gleichem Inhalte aber jeweils
zu zeichnen".
Oedrackt bei J. Ootteiwinler 4 MömI in München, The*Üner§tr»M« 18.
Ophlr and Tharschisch.
Ueber die Lage dea Goldlandes Ophir besteht schon seit langer
Zeit grosse Meinungsverschiedenheit; weniger Ober die von Tharschisch.
Da nun Ophir auch in den Geschichtswerken häufig erwähnt wird, so
lohnt es sich immerhin der Mühe, darüber noch nähere Nach-
forschungen anzustellen.
Die Hauptquellen hierüber sind die Bücher der Könige und der
Chronik, sowie überhaupt das alte Testament, dann Flavias Josephus.
Daraus geht nun Folgendes hervor: Javan ('/awaVvf), ein Sohn
Japhets, von dem die Joner und alle Hellenen stammen (sollen), hatte
als Söhne: Elisa ('EXiaag), wovon die Elisäer (Aeoler), Tharschisch
(SaQooe), wovon die TharBcr (Cilicier), Chittim (X^t/4of), wovon Chetim
(Cypern, Ktxiov) kommen soll (I. Mos. 10, 4; Jos. Arch. I, 6, 1). —
Wir haben nun in Cilicien auch eine Stadt Tarsos, eine Colonie
der Phönizier; dessgleichen finden wir im südwestlichen Spanien das
Land Tarsis (Tarschisch) mit Tartcssus , das ebenfalls von "den Phöni-
ziern kolonisirt wurde. Eben dieses Tarschisch in Spanien ist nun
das in der Bibel so häufig genannte; denn ein anderes Tarschisch lässt
sich nicht nachweisen. Die Fahrt ging von der syrischen Küste, z. B.
von Joppe (Jon. 1, 3), aber auch von Ezjon- Geber, also vom
rothen Meere aus, dahin (2 Chron. 20, 35 — 37). —
Die Lage Ophir's ist, wie gesagt, schwieriger zu bestimmen. Doch
wir gehen in den Quellen weiter. Cham's Abkömmlinge verbreiteten
sich zuerst von Noe's Nachkommen in südwestlicher Richtung, nämlich
über Syrien, Arabien, Aegypten, Aethiopien und Libyen (Jos. Arch. •
I, 6, 2). Diesen rückten nach Abkömmlinge Sem's. Sem's Urenkel,
Arphaxad's Enkel, ist Eber (Jos. Arch. I, 6, 4). Dieser hat zwei
Söhne: Phaleg, von welchem im öten Gliede Abram stammt, und Joktan
(iovxras). Des letzteren Söhne, darunter Ophir COtpstgrjs), wohnen
nach I. Mos. 10, 29 und 30 von Mesa bis nach Sephar, einem Gebirge
gegen Osten , also etwa vom südlichen Arabien bis zum Pasitigris.
Josephus dagegen lässt sie wohnen vom Kophen, einem von Westen
kommenden Nebenflusse des Jndus, und dem ihm anliegenden Arien
an (nach Westen) — ano Kcoyijvos noxttpov xns 'ivdixfc xai xije tiqos
«wry 'Jqias xivä xuroixovot. — Allein da Arphaxad, wie Josephus
seihst vorher sagt, über die Arphuxadäer (Chaldäer) herrschte, so hat
I. Mos. fO, 29 und 30 ohne Zweifel das Richtige.
Wohl wegen dieser Stelle bei Moses suchen Einige Ophir in
Arabien Aber da die Könige Arabiens und die Statthalter überall
Blätter f. d. b»j«r. Ojinn.- u. Real - Schul w. XI. Jahrg. 13
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1<U
neben Ophir und Thargcbisch erwähnt werden (1. Kön. 10, 15; 2 Chron.
ßaotteis eneft ioy ftvru dtoQetSy), so wird diese Annahme wohl nicht
richtig sein.
Die Meisten dagegen verlegen es nach Indien. So schon die
Siebzig, welche ZtoyiQ, SuiyeiQa, 2<6tptQtt übersetzen, d. i. nach
koptischen Glossographen Indien. Man denkt dann an die alte Stadt
lovnaQtt, OvnnuQtt (d. i. superior) in der Gegend von Goa auf der
heutigen Malabarküste (Gesenius- Dietrich , liebr. und chald. Hand-
wörterbuch, Leipzig, 1868, bei dem Worte Ophir). — Dessgleichen thut
natürlich auch Josephus (Arch. VIII, 6, 4: eis r/> unXui [üv Zi6tpet(>«v
vvv äe XQvaijv y^v xftkovuiyriv (ryg h'Jtxrjs eariy avrq) %Qva6v tevioi
xopiaui). — Diesen folgen dann Bochart und Ileland, ebenso Ritter,
Erdkunde VIII, 2, 348 ff, und Lassen, Indische Alterthümer I, 538 f,
welche letztere auf Abhtra, einen Küstenstrich östlich von den Münd-
ungen des Indus, verweisen.
Dass aber auch Indien nicht das Land ist, in welchem Ophir lag
dürfte schon aus dem Nächstfolgenden hervorgehen. Bei Ezechiel
27, 12 - 26 wird nämlich der Handel von Tyrus mit denjenigen
Völkern geschildert, mit denen es in Verkehr stand, dabei aber Indiens
keine Erwähnung gethan ; dagegen werden genannt : a) Tarschiscb
brachte Silber, Eisen, Zinn und Blei (12). — b) Javan (die Jonier,
Griechen), Thubal (Tibarener, ein Volk in Pontus in Kleinasien, nach
Josephus die Thobeler [Iberer]), Meschech (die Moscher zwischen
Iberien, Armenien und Kolcbis, nach Josephus die Kappadoker, Stadt
Mazaka) gaben Menschen, Kupfergeschirre für Tyrus Waaren (13). —
c) Aus dem Hause Thogarma's (Armenien?, nach Josephus die Tbor-
gamäer [Pbrygier]) brachte man Pferde und Maulthiere auf Tyrus'
Märkte (14). — d) Die Sohne Dedan's (Insel Daden im persischen
Meerbusen, oder Volk in Arabien oder Aetbiopien) und viele Inseln
brachten Horn , Elfenbein und Ebenholz (15). — e) Syrien, Juda und
Damaskus handelten mit dir (16 — 18). — f) Wedan (in Arabien) und
Javan? brachten von Usal (Jemen) verarbeitetes Eisen und gaben
Kasia und Kalmus für deine Waaren (19). — g) Dedan (wohl ein
anderes als das obige, s. Gesenius- Dietrich, hebr. Lexikon) bandelte
mit dir mit Decken zum Reiten (20) — h) Arabien und alle Fürsten
von Kedar (in Arabien) trieben Handel mit dir (21). — i) Die Kauf-
leute von Saba (Sabäer in Arabien und Aethiopien) und Raöma
(Kuschiten) brachten Balsam, Edelsteine und Gold (22). — k) Haran
(in Mesopotamien) , Kanne (Ktesiphon?) und Eden (in Mesopotamien
oder Assyrien?), die Kaufleute aus Saba, Assur und Kilmad (wahr-
scheinlich bei Assur) handelten mit dir mit köstlichen Kleidern, blauen
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und gestickten Tüchern, etc. (23). -- Die Schiffe von Taracbisch
beförderten hauptsächlich deinen Handel (25). —
Sind auch für uns manche der angeführten Orte oder Länder nicht
ganz bestimmt, so geht doch so viel mit Gewissheit daraus hervor
dass sich der Handel von Tyrus, also wohl von Phönizien überhaupt*
im erythräischen Meer* nach Osten hin nicht Ober den n»Nioni, ' '
Meerbusen hinaus, erstreckte.
Aber Ophir ist gar nicht erwähnt! Nun ich spreche hier einst
weilen die Vermutung aus, dass es unter (25) mit einbegriffen ist
dass es also auf der Fahrt nach Tarscbisch lag, und ich werde dieses
im Folgenden zu beweisen suchen.
Wir haben vorher Joktan's Söhne, darunter auch Ophir, in Arabi
wohnend getroffen. Es drängten aber weiter nach Süden, resp Arabien*
hin Ismael, der zweite Stammvater der Araber, und seine Nachkommen'
Kndlich breiteten sich die Söhne der Chetura ebenfalls nach dieser
Richtung hin aus; Abraham selbst betreibt ihre Anaiedlung (anoixt^
atoXovs /u^«v«r«t Jos. Arch I, 15), und Bie nehmen Troglodytis und
das glückliche Arabien bis zum erythräischen Meere hin ein- iÄ •
Enkel der Chetura, der Sohn des Madianes, Opbren, erobert /»ari
Josephus) Libyen und seine Enkel nennen es nach ihm Afrika N h
einer andern Angabe wird Libyen sogar- Schoo von Söhnen derCbetn
von Aphera und Japhra, Afrika genannt. Jedenfalls zeigt sich n
viel deutlich, wie damals die Völker vom Norden, vom Euphrat 7
nach Südwesten bis nach ^rabien hin und an die Ostküste von Afrikü'
vordrängten Da ist es nun zum wenigen nicht unwahrscheinlich
dass auch Opb.r oder se.ne KwhkoB.ee nach Afrika hinüber« ten
und das Land nach ihm so benannt wurde, «««fizieg
Wie dem aber auch sei, so viel geht aus unsern Quellen un-
zweifelhaft hervor, ass d,o Phönizier unter König Hiram von Tr",
rLtr W " d°S1König3 »» ^jon- Geber aus Z
rbarechisch fuhren , also um dag Vorgebirge der guten Ho««
herum, 1000 Jahre vor Christus: £, hJm /Ute" Ef%
„Denn d* Schiffe de, Königs (Salome) fuhren nach i^Zl
kn«|taU3irams; einmal in drei Jahren kamen die Tbar*.
• MKd dachte, Gold ond Silber, und Flfe.*-
Ij^ieselbe Fihrt ist gemeint I. Kön. JO. *
^ (S']om» *«tte ein TharschiK*-*
*i einmal iQ drei Jahre.. ktK
'Silber, und Elfenbein nW i
fȆet aber auch Jose/h*
»eiche der König i»
M Mch innen ;iefcea*e '
^^Hpf deren £r.df ^
Schiffe
C
Silber gebracht wurde und viel Elfenbein und aethiopische Affen. Die
Hin- und Rückfahrt vollendeten sie in drei Jahren". (noXXai y«g $<snv
vavs, ä( 6 ßaoiXevi iv xg Tagaixfj XeyopivR »aXurxfl xaxaax^aag anuyav
ti{ xd ivdoxiQU} xiov i&ytZy nuvxoiav iunoQtay nqoaixa^v atv i^Sfino-
Xovfit'ytov tiyyvQOf xrti xqvoos ixofAtCeto xw , UcatXei xai noXvg iXeyas
Al&iones xai nidijxoi. roV de nXovy amoioai xe xai £/iav£Qx6fieyin
TQiciv execiy ijvvoy).
Dass in den angeführten Stellen die Fahrt von Ezjon- Geber an
beginnt, geht deutlich daraus hervor, dass ja in allen Stellen der Bibel
und bei Josephus, so viele nämlich hieber sich beziehen, nur von der
Schifffahrt von Ezjon -Geber die Rede ist. — Mit ausdrücklichen
Worten aber wird diese Fahrt (vou Ezjou- Geber nach Tharschisch)
erwähnt in der schon citirten Stelle 2 Chron, 20, 3j — 37, wo es
heisst: „Und Josaphat, König von Juda (reg 1)14 — 891 v. Chr.) ver-
band sich mit Ahasja, dem Könige von Israel, Schiffe zu bauen und
nach Tharschisch zu fahren ; und sie bauetcn Schiffe zu Ezjon - Geber.
Und es weissagte Elieser , der Sohn Dedava's , von Marescha wider
Josaphat, indem er sprach: „Weil du dich verbunden hast mit Ahasja,
so hat Jchova deine Werke zerrissen. Und die Schiffe wurden zer-
trümmert und vermochten nicht nach Tharschisch zu fahren". —
Dies geschah zwischen 897 und 895 v. Chr. , da Ahasja in diesen
Jahren regierte.
Nach Josephus Arch. IX , 1 , 4 hätten Josaphat und Ahasja wohl
im Verein Schiffe gebaut, sie wären aber nach dem Pontus und nach
den Häfen von Thrazien gesegelt. Allein da Ezjon -Geber noch an
einer andern Stelle genannt wird, worauf ich zurückkommen werde, so
berichtet Josephus hier ohne Zweifel irrthümlich.
Die Phönizier scheinen aber schon vorher die Fahrt von Spanien
aus in der Richtung nach Ezjon -Geber gemacht zu haben. Das deutet
an 2 Chron. 8, 17 und 18, wo es heisst: „Darnach ging Salomo nach
Ezjon -Geber, und nach Eloth am Ufer des Meeres im Lande Edonr
Und Hiram sandte ihm durch seine Knechte Schiffe und Knechte,
kundig des Meeres, etc.". Vergl Jos. Arch. VIII, 6, 4. Sie (die Phönizier)
haben also schon vorher das Meer um Afrika herum gekannt, und
Hiram scheint mit Salomo desswegen in Handelsverbindung getreten
zu sein, um im Osten von Afrika in dem tüchtigen Hafenplatz Ezjon -
Geber einen festen Stützpunkt für seinen Handel zu gewinnen. Das
dortige Land gehörte nämlich damals den Juden (S. Jos. Arch. VIII,
6, 4: uvxtj yitQ ij Xt"dti T(y' nQiy lovd'aiiay qyi.
Diese Fahrt wurde aber, als die Handelsverbindung der Juden mit
den Phöniziern aufhörte, unterbrochen, denn schon Josaphat konnte sie
100 Jahre nachher nicht mehr bewerkstelligen. Erst im Auftrage des
Königs Necho von Aegypten wurde sie 600 v. Chr. von den Phöniziern
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neuerdings ausgeführt. Herodot beschreibt sie uus näher IV, 42: Die
Phönizier brechen im rothcn Meere (ix rijs iQv9(>r^ »aXunaqs) auf,
segeln nach Süden und halten im Herbste an, wo sie gerade sind, und
besäen das Land ; nach der Aernte fahren sie weiter, so dass die Hin-
fahrt zwei Jahre dauert. Im dritten kommen sie auf der Fahrt durch
die Seulen des Herkules nach Aegypten zurück.
Ks ist nun noch zu zeigen, dass die Fahrt nachOphirin derselben
Richtung ging und mit denselben Schiffen wie nach Tharschisch
gemacht wurde: a) Schon der Zusammenbang von 1. Kön. 9 27 und 28
mit 10, 1 zeigt, dass diese Fahrt (nach Ophir) in der Richtung nach
Afrika (Aethiopien) hinging. Denn vorzüglich durch Scbifffahrts- und
Handclsverbindung konnte die Königin von Saba das Gerücht von
Salomo hören Nun geht aber aus der von Josephus beschriebenen
Fahrt ausdrücklich hervor, dass man an verschiedenen Punkten anhielt.
— b) Bei allen Stellen, die von Tharschisch -Schiffen sprechen, ist es
das natürlichste, unter diesen nichts anderes zu verstehen, als Schiffe,
die von Tarsis kamen und dahin gingen, besonders im sogenannten
tarsischen Meere. Es heisst nun 1 Kön. 22, 49: „Josaphat machte
Tharschisch -SchifTe, um nach Ophir zu fahren des Goldes wegen;
aber man fuhr nicht, denn die Schiffe wurden zertrümmert zu Ezjon-
Gebcr". Vergl. damit 1 Kön. 10, 22. c) Den deutlichsten Beweis
aber für die aufgestellte Behauptung erhalten wir, wenn wir die zwei
Stellen : 2 Chron. 20, 35 - 37 und 1 Könige 22, 49 mit einander ver-
gleichen. In beiden Stellen wird offenbar dasselbe Factum berichtet,
es ist von dersslben Unternehmung die Rede Die eine Stelle lautet
aber: ,, Josaphat und Ahasja bauten aber zu Ezjon- Geber Schiffe, um
nach Tharschisch zu fahren etc.", die andere: „Josaphat machte
Tharschisch- Schiffe, um nach Ophir zu fahren etc.". Demnach war
die Fahrt nach Ophir und Tharschisch (der Richtung nach) dieselbe.
Von den neueren gelehrten Forschern gelangten zwei zu dem fast
gleichen Resultate. Movers nämlich (Phöniziscbe Altertbümer) und
Roscher (Ptolemäus und die Handelsstrassen in Centraiafrika) suchen
das Goldland des Alterthums in Westafrika; weil sie aber nicht zu
der Annahme gelangten, dass die Phönizier damals schon Afrika
umschifften, so nahmen sie einen Handelsplatz Ophir an der Ostküste
Afrika's an, von wo aus man die indischen Artikel eintauschte.
Indessen scheint dieses nicht nöthig , denn die genannten Artikel, als
Gold, Silber, Edelsteine, Elfenbein, Algummi oder Ebenholz, Affen,
lieferte Afrika insgesamrat, es müssten denn keine Pfauen dort ein-
heimisch gewesen sein. - Nach meiner Ansicht ist Ophir entweder Afrika
überhaupt (südlich von Aegypten, Aethiopien und der Sandwüste), oder
speziell eben das Land im Westen, die jetzige Goldküste, die wahr-
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Bcheinlich noch jetzt daher den Namen trägt und wovon noch jetzt
Gold und Elfenhein die vorzüglichsten Ausfuhrartikel sind.
Dass die Phönizier diese Fahrten nach dem Goldlande, besonders
vor den Griechen zu verheimlichen suchten, ist wohl ganz natürlich.
Fassen wir nun das Resultat dieser Untersuchung zusammen, so
dürfte sich ergeben:
1) dnss die Phönizier schon 1000 Jahre vor Christus Afrika
umschifften ;
2) dnss Ophir oder das Goldland der Alten die jetzige Gold-
küste (in Westafrika) ist, oder wenigstens dass man es jedenfalls
in Afrika zu suchen hat;
3) daas Tharschisch- Schiffe solche Schiffe wnren, die von
Tharechisch kamen oder dahin fuhren, namentlich im sogenannten
Tarsischen Meere, das Afrika im Osten, Süden und Westen umgab.
Wenn endlich Diodor (Lib. V, capp. 19 und 20) erzählt, dass die
Phönizier nach einer grossen Tnsel, mehrere Tagreisen von Libyen aus
gegen Westen liegend und von schiffbaren Strömen durchschnitten,
gekommen seien, so dürfte man kaum von der Wahrheit abirren, wenn
man annimmt, dass sie auch nach Amerika gefahren sind. Wer sollte
sonst die orientalische (Phönizische?) Cultur, wovon die in neuerer
Zeit dort aufgefundenen Alterthümer zeugen, hingebracht haben?
Speyer. Prof. Preu.
Kritisches.
Bei der Lektüre von Autoren, die ich kürzlich vornahm, sind mir
verschiedene Stellen aufgestossen , die mir einer Heilung bedürftig
erschienen. Meine Versuche will ich im Folgenden dem Urteile
geneigter Leser vorführen. Lysiaa or. 7. § 22. y,KaUoi el ynattg pHösiv
Trjy uootuf dff c<yi{oyrv zovg ivvitt ayfoyTttg intjyayeg rj < Xlovg rivdg
rtuy 4t 1 AqbIov iittyov, ovx av kri^ioy tifei ooi ^ictqrvQ<üyil. So Steht in
den gewöhnlichen Ausgaben, während cod. Heidelberg „et (pyg ideiy"
bietet. Da aber (ptjoag kaum eine attische Form ist, überdies hier ein
bezeichnender Ansdruck mit Rücksicht auf die Anklage der <puoig ver-
langt wird, so schlug Meutzner vor: <pnvag fSitieiv. Richtig bemerkte
aber Kayser, dass dy? Construktion gpijV«? mit dem Infinitiv hier unzu-
lässig sei, so dass Rauchenstein in der 4 Auflage seiner Ausgabe sich
bewogen fand, nun auch idetv zu verwandeln in Mr. Dass dies keine
methodische Kritik ist, dürfte wohl klar sein. Legen wir die Lesart
der Heidelberger Handschrift <pf,s zu Grunde, so lässt sich wohl tfrtg
als Sigel betrachtet, ebensowohl gsjaag als tpr^ag auflösen, welch7
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letzteres Wort unbedingt hier stehen muss, einmal als Anspielung auf
den Namen der Klage (yuoig), und dann zur Bezeichnung, dass Siko-
machus den Beklagten den neuu Archonten hätte zeigen sollen , wie er
den Baumstamm herausriss. Mit dieser Erklärung habe ich auch
zugleieh meine Vermutung gegeben: „qpjjV«? f*e ri?V fiogiav dipavlCorta
xrk. Denn i&eiy ist ein Glossem, das ein Leser oder Lehrer — deun
dass Lysias in den Schulen traktirt wurde, ist bekannt - hinzu schrieb,
um das dem Schüler oder ihm selbst fremdartige (ptjvag zu erklären.
Solche Zusätze finden sich in allen Handschriften teils schon im Texte,
teils noch am Rande. Ueberhaupt lassen sich bei Lysias solche und
noch grössere Interpolationen in Masse nachweisen. Die Uebersetzung
lautet also ungefähr: „Ja, wenn du die neun Archonten oder einige
beliebige Mitglieder des Areopags hingeführt hättest, indem du auf
mich wiesest, wie ich den Oclbaum vernichtete, so hättest du keine
weiteren Zeugen nötig gehabt". Diese Bedeutung des Particips Aorist
erscheint vielleicht bedenklich; aber wenn einem Aorist ein Particip
des Aorist's angefugt wird, so bezeichnet dasselbe insofern jenem
Gleichzeitiges, als es ausdrückt, wodurch, worin eben die Handlung
des Aorist's sich äussert. Vergl. Krüger, gr. Spr. 53, 6. 8 und 56. 8.
Tac dial. c. 3 Halm: „Tum ille. Leges, inquit, quid Maternus
sibi debuerit, et agnosces quae audisti"- Für diese so oft versuchte
Stelle, von der ich wol diu vielen guten und schlechten Vermutungen
nicht anzuführen brauche, glaube ich eine einfache Lösung empfehlen
zu können. Kurz vorher nemlich bespricht Secundus eine Tragödie
des Maternus, Cato betitelt, mit der jener so sehr Anstoss erregt habe;
er spricht dabei den Rat aus - denn dieses liegt offenbar in der
Frage — , Maternus möge bei einer Umarbeitung dieses Stückes seinem
Helden einen ruhigeren and nicht so verletzenden Standpunkt anweisen,
dem er vorher mit Vorbedacht die gefährlichsten Acusserungen in den
Mund gelegt habe (cf. c. 2 und 10). Darauf entgegnet Maternus: „Du
wirst lesen, was er (der Held der Tragödie, Cato, nach seinem Charakter
und seiner Vergangenheit) sich schuldig gewesen ist". Dass aber in
diesem Satze und überhanpt an dieser Stelle nur von Cato die Rede
sein kann, ersieht man schon aus dem Folgenden: „quod si quae
otnisit Cato, sequenti recitatione Thyestes dicet". Eine Glosse ist also
Maternus, sei es zu inquit, damit ebenso der Sprechende bezeichnet
werde wie vorher Secundus, nachher inquit Aper, oder weil man
fälschlich Maternus als Subjekt des Satzes quid sibi debuerit annahm.
Denn soweit ich mich erinnere, gebraucht in diesem Dialog der
Sprechende von sich die erste Person und setzt nicht dafür seinen
Namen. Debere ferner in der Bedeutuug „sich schuldig sein, zu etwas
verpflichtet sein" brauche ich wohl nicht nachzuweisen; es lehren das
ja genug die Lexika. Dass endlich Maternus in solch' stolzem Tone von
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Beinern Helden sprechen durfte, erlaubte der bekannte Charakter dieses
starren Republikaners, den Maternus sich zum Ideal genommen hatte. —
Dass aber nicht blos Eigennamen leicht interpolirt wurden, sondern
auch ganze Sätze, hat besonders schön Kayser zu seinem Cornificius
gezeigt. Alle diese Zusätze haben aber das gemeinsam, dass sie für
eines Knaben Yerständniss förderlich und angemessen, für einen Mann
überflüssig sind. Etwas Aehnliches glaube ich in den Topica des
Cicero gefunden zu haben §. 17. Dort heisst es, dass auch vom
Gegenteil ein Beweis erbracht werden könne, was man an dem
Beispiele sehe: „non debet ea mutier, cui vir bonorum suorum usum
fruetum legavit, cell in vinariis et oleariis plenis relictis , putare id ad
se pertinere : usu* enim, non abusus legatus es?*. Damit dürfte wohl
das Beispiel, als genug erklärt, abgeschlossen sein; denn es ist ja
durch den Beisatz: „usus enim, non abusus legatus est" gesagt, warum
die Frau nicht alles beanspruchen darf. Aber in den Ausgaben folgt
noch nach: „ea sunt inter se contraria11, was gewiss nicht von Cicero
geschrieben sein kann. Dagegen spricht auch nicht blos der ganze
mehr aphoristische Charakter der Schrift, sondern auch die Art und
Weise, wie die übrigen Beispiele eingeführt werden.
Fhaedr. I. 5. 10. Malo adficietur, si quis qnartam tetigerit.
Zu dieser Stelle hat erst kürzlich in diesen Blättern (1. Heft p. 1)
Zorn aus metrischen Gründen vermutet: „male adficietur'1. Aber
schlecht steht es jedenfalls mit dieser Conjektur, wenn er nur aus den
Pandekten ein noch dazu dem Sinne nach verschiedenes Beispiel bei-
bringen kann. Wenn wir nun bedenken, dass Phaedrus seine Fabeln
meist aus dem Griechischen genommen hat, so dürfte wohl nicht
unpassend sein mala patietur {x«x<5s neiaerm) ; und das scheint mir
auch dem Charakter des Löwen zu entsprechen, wie er ganz kategorisch
und ohne seine Würde in Mitleidenschaft zu ziehen, sagt: „Hebel
wird es dem gehen, der den vierten Teil anrührt". Er spricht dabei
nicht aus von wem?, noch wie? und das ist gerade recht bezeichnend
für sein stolzes Selbstbewusstsein, während das bei malo adficietur
nicht der Fall ist. Nach der Schreibweise und den Abkürzungen in
den Handschriften dürfte das wohl keine Aenderung sein; für den
Sprachgebrauch vergl. u. a. Plaut. Asin. 2. 2. 58 fortiter malum qui
patitur, idem post patitur bonum.
Phaedr. I. 16.
Fraudator hominem cum vocat sponsum improbum,
Non rem expedire, sed malum videre expetit.
Die vielen Conjekturen zu dieser Stelle will ich nicht erwähnen,
da sie von Zorn erst hier angeführt wurden ; aber auch an seine eigene
„mala inferre expetit11 wird Herr Zorn nicht mehr glauben, denn sie
ist sowol allzuweit von der üeberlieferung entfernt, als auch gibt sie
201
keineswegs den vom Zusammenhang geforderten Sinn. Dieser ist
offenbar dieser. Wenn ein BetrQger einen schlechten Menschen als
Bürgen stellt, so trachtet er darnach, nicht die Sache ins Reine zn
bringen, sondern dem andern ein Uebel zuzufügen. Denn fraudator
deutet schon durch seine Stellung an, dass es auch im folgenden
Hauptsatze Subjekt ist, weshalb die Vermutung von Dressler „mala
vitare" unmöglich ist, da sie eine Aenderung des Subjektes bedingt
Aber was hat man gegen den Vorschlag einzuwenden: „mala indere
expetit?" Diese unbedeutende Aenderung entspricht dem metrischen
Branche des Phaedrus und schliesst sich genau an die Ueberlieferung
an; denn war einmal in nach der Schreibweise des Mittelalters durch
Undentliebkeit als ui = vi gelesen, so ergab sich die Aenderung des
Abschreibers in videre von selbst. Einen ähnlichen Sinn haben wir
Phaedr. L 19: Habtnt insidias hominis blanditiae malt und IV. 9:
Homo in periculum simul ac venit callidus.
Reperire effugium quaerit alterius maJo. Für den Sprachgebrauch
findet sich bei Curtius, dem Zeitgenossen des Dichters: faciem quam
natura locis indidtrit, und bei Tacitus: pavorem, odium indere.
Günzburg. C. Hammer.
Handschriftliche Nachweigungen zu Cic d Oratore I, 3 § II.*)
Bei meinem letzten Ferienaufenthalte in München wollte ich nicht
die Gelegenheit versäumen, den einzigen Codex ms er., welchen die
dortige Bibliothek von Cic. de Oratore besitzt, persönlich in Augen-
schein zu nehmen.
Vielleicht darf ich hoffen, dass es den Ciceronianern unter meinen
geehrten Herren Collegen nicht ganz uninteressant sein werde, zu
erfahren, dass gerade an 'der oben bezeichneten Stelle, welche im
vorigen Sommer einen kleinen Meinungsaustausch zwischen Herrn Bub n er
und mir veranlasst hat, der Münchener Codex zwei bis jetzt noch
gänzlich unbekannte Varianten bietet.
Der ganze Satz lautet nemlich nach dem Codex Monacensis :
Atque vero in hoc ipso numero in quo perraro exoritur aliquis excellens
si diligenter et ex nostrorum et ex Graecorum copia comparare voles,
multo et tarn paucidres oratores quam poütae boni reperientur.
Was nun zuerst das atque vero anlangt, so ist es mir absolut
unbegreiflich, wie Ellendt, der den Müncbener Codex vollständig
durchgearbeitet haben will, diese Variante übersehen konnte, da er es
doch für wichtig genug gehalten hat, anzumerken, dass in dem unmittel-
*) Durch Umstände verzögert.
202
bar vorhergehenden Satz der MQnchener Codex vor satt anstatt ver-
sati liest! Dieses Ueberaehen von Seiten Ellend t's ist um so ver-
wunderlicher, weil die Lesart des Codex Victorinus , so zu sagen,
Wasser auf seine Mühle gewesen wäre. In seinen „Explicationes11
bemerkt nemlich Ellend t zu unserer Stelle: „Atque etsi non
cohaeret cum insequente tarnen, ut Muellero visum, maiorem tarnen
8olita vim habet, pro atque etiam, atque adeo dictum« — Die
zweite Variante, das etiam anstatt des gewöhnlichen tarnen, wird
nun freilich gerade Herrn Buhn er keine allzugrosse Freude machen.
Denn er hat ja gesagt (Bd. IX p. 162 d. Bl.): „Die Anleitung zur
richtigen Emendation gibt uns hier das tarnen im Nachsatze.'' Wie
nun, wenn etiam die echte, ursprüngliche Lesart sein sollte?
Inzwischen bin ich unparteiisch und objectiv genug, um einzu-
räumen, dass das etiam des Codex Victorinus möglicherweise
von einem Kritiker herrühren kann, der zu dem überlieferten tarnen
kein passendes „obgleich" herauszufinden vermochte; ganz abgesehen
davon, dass es ja auch durch ein blosses Versehen entstanden sein kann.
Uebrigens muss ich mir bei dieser Gelegenheit erlauben, das gering-
schätzige und wegwerfende Urteil Ellend t's über diesen Münchener
Codex einigermassen zu rectificiren. In der praefatio zu seiner
Ausgabe von Cic. d. Or. sagt nemlich dieser Gelehrte: „Ipse enim
contuli codicem, qui cum olim P. Victorii fuisset, nunc
Mo nach i i as serv atur , sed ex recen tioribus est, ut lacunis
quidem careat, sed vario corruptelarum genere infesta-
tus sit
Was nun das Alter dieses Codex betrifft, so hat Sch melier ihn
dem 14. Jahrhundert vindicirt. Dass er durch einzelne Schreibfehler
verunziert ist, vermag ich leider nicht in Abrede zu stellen; so steht
z. B. §. 9 quot vixi anstatt quot viri. Allein gerade wenn der
Schreiber des Codex Victorinus nicht lateinisch verstand, so
gewinnen hiedurch selbstverständlich seine wirklichen Varianten nur
um 90 mehr an Bedeutung, weil nemlich alsdann dieselben offenbar
schon in jenem, doch wol weit älteren, Codex gestanden haben müssen,
welcher dem Schreiber -des Codex Victorinus als Original bei Her-
stellung seiner Copie diente.
Im übrigen jedoch jst dieser Codex ein wahres xeif*tjkios> : auf dem
zartesten Pergament so schön und gleich mässig geschrieben, dass man
auf den ersten Blick ein mit Lettern gedrucktes Buch vor sich zu sehen
glaubt, um ganz zu schweigen von der Malerei und Vergoldung. —
Ich habe mich ober nicht etwa damit begnügt, nur den Codex
Victorinus einzusehen, sondern ich habe so ziemlich alle in der
Münchener Bibliothek vorhandenen Ausgaben, sowol von Ciceronis
Opera, als auch die Separatausgaben von Cic. de Oratore, be-
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ginnend mit den urältesten Incunabeldrucken, wegen der vorwürfigen
Stelle durchgesehen. Ein Incunabeldruck von Cic. d Or. vom Jahre
1470 ist leider am Anfang verstümmelt, so dass er erst mit den Worten
vmaiore delectatione" (cap. IV. init.) beginnt; ein anderer,
noch um ein Jahr älter (1469), ist zwar gleichfalls vorn defect, beginnt
aber doch schon mit „consiliorum meorum" {cap. I. §. bietet
übrigens keinerlei Abweichung vom textus receptus
Zu meinem Schmerz muss ich nun an dieser Stelle das Bekenntnis
niederlegen, dass von all' den mancherlei Commentaren, welche ich
in gedruckten Huchem fand, auch nicht einer mir den Nagel auf den
Kopf zu treffen schien. Die allerältesten Exegeten scheinen mir anzu-
deuten, dass Cicero, streng genommen, sich hier einer kleinen Confun-
dirung der beiden Begriffe poeta und orator schuldig gemacht habe;
und mit einer auffallenden, offenbar auf eine sehr alte Tradition hin-
weisenden Einstimmigkeit führen sie nun alle §• 70, gleichsam ah
Parallelstelle, an: „Est enim finitimus oratori poeta, nu-
merus astrictior paullo, verborum autetn Ucentia libe-
rior, multis vero ornandi generibus socius ac paene par;
in hoc quidem certe prope idein, nullis ut terminis cir-
cumscribat aut de f in tat ius suum, quo minus ei liceat
eadem illa facultate et copia vagari qua velit."
Dagegen verdient eine früher noch nirgends abgedruckte Erklärung,
selbst wenn sie vielleicht nicht eigentlich richtig sein sollte, jedenfalls,
in Anbetracht ihrer Scharfsinnigkeit und Originalität, eine ehrende
Erwähnung.
Die Münchener Bibliothek besitzt nemlich ein sehr altes, von einem
weiland Ingolstädter Studenten nachgeschriebenes Collegienheft, dessen
Titel unverkürzt lautet:
Brevis Commentarius in libros de Oratore Ciceronis,
sive, ut ita dicam, pulcherrimarum rerum Thesauros,
a Reverendo et doctissimo Patre Reinero Fabricio So-
cietatis Jhesu, Rhetoric es professore in alma Ingol-
$tadi cns i Academia traditus et a me eiusdem Auditore
conscriptus. 1590.
Für den ziemlich dunklen und verworrenen Charakter dieses oben-
drein auch in kalligraphischer Hinsicht äusserst unangenehmen Collegien-
heftes will ich in dubio lieber den, bescheidener Weise anonym ge-
bliebenen Nachschreiber, als den Rev. et doctissimum Patrem
verantwortlich machen. Soweit ich trotzdem daraus klug zu werden
vermochte, so hätte Cicero an der Stelle „minimam copiam poe-
tarum egregiorum sxstitisse" das Wort poetarum in einem
ganz eigentümlichen prägnanten Sinne gebraucht. Es hätte ihm nem-
lich hiebei die literarhistorische Thatsache vorgeschwebt, dass die ersten
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und ältesten Meister der sprachlichen Darstellung nicht etwa Prosaiker,
sondern Dichter waren; und somit hätte er die po et as zugleich als
Repräsentanten der Stylkünstlcr überhaupt aufführen können; mit
einem Wort: es wäre aus dem poctarum egregiorum herauszu-
nehmen: egregxt dicentium vel scrib entium, und dieser Ge-
nitiv wäre alsdann zu dem nachfolgenden in hoc ipso numero hin-
zuzudenken.
Der Wortlaut des mehrerwähnten Collegienhcftes z. u. St. ist folgender :
„Primi apud Graecos eruditionis nomine celebres exstitcrunt
poetae, quorum alii Musicae, alii medicinae, quidnm et Astrotiomiae
erant periiissimit inter quos Homerus et Hesiodus omnium longe ccle-
berrimi diu ante U. C. habebantur. Hinc fortasse posteriores solum
poetam sapientem vocabant, et Cicero 1» Tusculana antiquissimum
apud Graecos e doctis genus fuisse poetarum, et 4* Tusc. Cicero poe-
ticam vocat praeclaram vitae emendatricem , et Thenphrastus , ut est
apud Fabium} poetarum lectionem vehementer esse utilem probat. Iii
primi teste Aristotele (3° d. Rhct) autores fuerunt orationis confor-
mandae, et teste Strabone et Eustathio po etae primi elocutionem
c onf ormarunt et scribere coeperunt."
Das mühsame Ringen des Geistes nach einer auch nur annähernd
haltbaren Erklärung steht in meinen Augen unerreichbar hoch über
dem rein willkürlichen Streichen und Aendern.
Anhang.
Der grosse Florentiner Humanist Pietro Vcttori, gewöhnlich
latinisirt Petrus Victor ins (1499 1585) hat eine Ausgabe von
Cicero's sämtlichen Werken veranstaltet, deren Titel vollständig lautet:
„M . Tullii Ciceronis opera , omnium quae hactenus
excusa sunt castigatissima nunc primum in lue cm
edita. Venetiis in officina Lucaeantonii Juntac.
1.557." (In fine: „Mense August o 1536.") In dieser Ausgabe
finden sich nun aber die beiden oben von mir aus dem Codex Victo-
rinus mitgeteilten Varianten nicht. Dessenungeachtet würde es ober-
flächlich und voreilig sein, hieraus sofort ein Verwerfungsurteil von
Seiten des P. Victor ins folgern zu wollen. Man musa nemlich
wissen, dass der jetzt in München befindliche Codex Victorin us
auf der Rückseite seines Einbandes ein zweizeiliges Notat trägt, wovon
die erste Zeile lautet : Questo Lib r o he di Francesco di
Serafino Zeffe." Die zweite Zeile ist leider nicht etwa bloss
für meine Wenigkeit, sondern sogar für Autoritäten, wie S c h m e 1 1 e r
und G. M. Thomas, absolut undechiffrirbar geblieben. Doch ist
am Ende dieser zweiten Zeile mit vollkommener Deutlichkeit die Jahr-
zahl 1583 zu lesen. Ilöchst wahrscheinlich war also dieser Codex dem
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205
P. Victoriu8 damals, als er den Cicero herausgab (1536 —37), noch
gar nicht bekannt geworden; denn sonst hätte er doch wol die beiden
in Rede stehenden Varianten, wo nicht in den Text aufgenommen, so
doch wenigstens am Rande notirt
Ich habe mir nun sogar die Mühe genommen, eine Biographie des
P. Victorius (Bandini: P. Victorii vita. Florentiae 1759)
eigens daraufhin durchzusehen, um vielleicht hier Aufschluss zu erhalten
über die im Besitze dieses Humanisten gewesenen Codices, speciell
über denjenigen, nach welchem er in seiner Gesammtausgabe des Cicero
de Oratore abgedruckt hat, sowie endlich über den in München von
mir eingesehenen Codex Victorinus. Leider aber fand ich in
dieser Vita nur die ziemlich allgemein gehaltene Notiz (p. 21): „Victo-
rius igitur Tullii maculas, quibus inquinab atur , nec
non fuliginem illam, qua ipsum longa dies adsperserat,
ingenio suo ab ster gere molitus est, incredibili cura
veteres Codices inquir endo , sine quorum ope nihil fere
huic r ei utilitatis adf erri potest." - Der bereits vorhin von
mir citirte#) Jos. ülivetus sagt lediglich: ifPetrus Victorius,
qui Ciceronem e Florentinis codieibus ita expressit, cet.(t
Wenn nun der Münchener Codex Victorinus wirklich aus der
Bibliothek des P. Victorius herstammt, so könnte er, da er noch
a<> 1583 einen anderen Besitzer gehabt zu haben scheint, und da ander-
seits P. Victorius bereits a° 1585 gestorben ist, offenbar nur noch
ganz kurz vor des P. Victorius Tode in dessen Besitz überge-
gangen sein. —
Von ;i us serdeutschen Uebersetzungen der Schrift Cicero's de Ora-
tore habe ich in der Münchener Bibliothek nur eine einzige, und zwar
eine ziemlich alte italienische, vorgefunden: dialogo de IV ora-
tore di Cicerone. Tradotto per M. Lodovico Dolce. In
Vinegia Appresso Gabriel Giolito de Ferrari 1547".
Unsere Stelle (1, 3, 11) lautet in dieser üebersetzung folgendermassen :
„Certo a me pare poter dire con ueritä; che di quanti hanno
giamai indrizzata la mente ä queste dottrine dt diseipline liberali,
pochissima quantitä de Poeti nobili u'e sempre stata: <& fra questo
numero, nel quäle si rare uolte ne risorge alcuno degno di lode\ se
uorrai & i nostri dt quei, c'hanno i Greci, ridurre insieme : minor copia
inner o ritroueremo di boni Oratori, che di Poet »." —
Einem Cicero , durch Beseitigung des „egregiorum" die Be-
hauptung aufzubürden: innerhalb der Sphäre der Geistesarbeiter über-
haupt füllen die Dichter den allerkleinsten Raum aus, dazu wären die
älteren Generationen von Philologen zu pietätvoll gewesen. Vollkommen
*) Das betr. Citat ist von der Redaction, aus Courtoisie gegen die
H.H. Conjectural- Kritiker (?), gestrichen worden. A. Th.
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richtig betonen vielmehr Str ebaeus und Proust, welche beide
Separatausgaben von Cic. d. 0 r. geliefert haben (Parisiis 1552
und Patavii 1751), die Vielheit der bereits dem Cicero bekannt
gewesenen Dichter.
Strebaeus: Paucos in raultU laude f-erunt Graeci
(sc- poetas).
Proast: Ante Ciceronis tempora multi quidem poetae,
8 e d pauci fnerant excellentes.
Annweiler i d Pfalz, Weihnachten 1874. Aug. Thenn.
Zu Tueokrit.
In der XXII Idylle, welche von mehrfacher Seite für eine schüler-
hafte Jugendarbeit Tbeokrits erklärt oder irgend einem unbedeutenden
alexandrinischen Rhapsoden zugeschrieben wird , ist vorwiegend der
Charakter der Ilymne durchgeführt. Zuerst werden die hochherrlichen
Dioskuren im allgemeinen gepriesen als Heilgötter, Rossebändiger,
Faustkämpfer und göttliche Schutzherren für bedrängte Seefahrer.
Alsdann führt uns der Dichter eine farbenfrische Episode aus dem
Leben des Polydeukes vor, welche durch teilweise Dialogisierung an
Anschaulichkeit und dramatischer Kraft unstreitig gewinnt
Hierauf beginnt die eingehende Erzählung einer heldenhaften
Einzeltbat des Kastor, die in einem siegreichen Kampfe mit Ly accus,
dem hochgewaltigen Apbaretiden, bestand. Zum Schlussse ruft der
Dichter auch für sich und seine Sänger den freundlichen Schutz der
liederschirmenden Tyndariden an. — Wenn nun Notter nach dem
Vorgange von Ahrens, Eichstätt, Reinhold etc. in seinen
Anmerkungen die Mischung des Dialoges mit der Erzählung eine
auffällige Eigentümlichkeit heisst, wenn er die einzelnen Partien dieses
Hymnos nur in ganz losem Zusammenhange glaubt, so wird ihm hierin
wohl kaum ein Leser des Theokrit beipflichten. Im Gegenteile ist
gerade in dieser Dichtung mehr wie in andern stramme Koncinnität
ersichtlich, und die Abwechselung zwischen Dialogform und Erzählung
ist doch wahrlich bei unserm Dichter nichts Aussergewöhnliches. Ein
besonderes Gewicht lege ich auf die in reicher Fülle von Fritzsche
angezogenen Stellen aus andern Idyllen unsers Bukolikers, welche zur
Genüge die gleiche Autorschaft für besagten Hymnus erhärten.
Ein Umstand aber ist meines Wissens noch nirgends erwähnt
worden, ich meine die trotzige Derbheit im Zwiegespräche des
Amykos und Polydeukes, welche namentlich in der IV. und V. Idylle
eine geradezu frappierende Analogie findet- — Und nunmehr zu
einigen S teilen 1
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207
Die Verse 34, 35, 36 lauten :
Kttartap <P aioXontoXos ö r' oivtanog üoXvdevxnS
Spcpu) iQripateoxoy ttnonXay /Serres irtUQtov,
nttvroit\v kv oqet &nev(*evoi uyQioy vXtjP.
Das Epitheton oiv<ono$ ist verschiedenartig erklärt worden; die
einen glauben, es sei soviel wie evtQntptjc, andere übersetzen es mit
roseus , wieder andere mit fuscus; Fritzscbe: „Color adustior
faciei notatur, qualis est athUtae multum sub divo versati". Warum
man nicht bei der ursprünglichen Bedeutung „wie Wein anzu-
sehen, weinfarbig" bleiben will, ist nicht wohl abzusehen. Die
Haut der Kämpfer ist nämlich in Folge der körperlichen Anstrengung
weinfarbig d. i. gerötet. — In den weiteren drei Versen:
evQoy Ptiivaov xQtjvtjv vno Xiaaadt nir^y
vSari nsiiXri&vinv uxtiqutui. al <T vniyeg&ev
XaXXta XQvoniXXbi ijiF' tigyvQio ivddXXovro
ix ßv&ov. etc.
ist XttXXui eine für den ersten Moment allerdings blendende Konjektur
für uXXatf wie in den Handschriften und früheren Ausgaben steht.
Aber so ganz unfehlbar scheint sie mir doch nicht. Ich bin nämlich
von jeher der Anschauung gewesen, dass man von der Autorität der
überkommenen Handschriften nur in unabweisbaren Fällen lassen solle,
und so kann ich mich auch an unserer Stelle von der Dringlichkeit
einer Konjektur nicht überzeugen. Ich erkläre nämlich diese Verse also:
Und so fanden sie denn eine immerfliessende
Quelle unter dem glatten Gestein voll lauteren Wassers;
die übrigen (Quellen) aber, die unten aus dem Boden
sprudelten, glichen, wie sie von'der Tiefe aufblitzten,
dem Kristall und dem Silber. Fritzsche setzt allerdings bei:
jyEmendationem Ruhnkenii probat glossa codicis r. tyntpoi, X&ot fttxQoi",
allein was man auf Glossatoren nicht selten zu geben habe, ist ja all-
bekannt. Schliesslich gebe ich gerne zu, dass diese meine Erklärung
gegenüber der „emendatio palmaris" vielleicht etwas dürftig und
gesucht erscheinen wird; aber möglich ist sie und dabei dio
handschriftliche Uebe rli e fer u n g gewahrt.
Regensburg. Karl Zettel.
LIvius V, 26, 10.
Videbatur aeque diuturnus futurus labor ac Vejis fuisset, ni for-
tuna imperatori Romano simul et cognitae rebus belltet* virtutis speeimen
et maturatn victoriam dedisset.
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208
Die Erklärung der angeführten Stelle hat von jeher viele Anstände
gefanden und ist, wie mir scheint, noch nicht im Reinen. Die beste
Erklärung gibt bis jetzt immer noch Weissenborn, welche an der
angegebenen Stelle des Näheren nachgesehen werden kann. Er nimmt
nämlich specimen als Subject, durch simul et coordinirt mit for-
tuna, wobei das e t bei maturam natürlich im Sinne von s o g a r genommen
werden muss. Die Uebersetzung würde dann ungefähr lauten: „Die
Arbeit schien eben so langwierig werden zu wollen, als sie zu Yeji
gewesen war (wäre?), wenn nicht dem römischen Feldherrn das
Glück und zugleich eine Probe seiner in kriegerischen Verhält-
nissen erprobten Tüchtigkeit sogar einen frühzeitigen Sieg gegeben hätte.
Allein die Sache hat auch so immer noch ihre Schwierigkeit Dass
im Vordersatze futurus mit Ergänzung von esse abhängig von videbatur
— futurus erat steht, kann wohl nicht beanstandet werden, da es auch
sonst bei Livius vorkommt. Sehr auffallend aber ist der Conjunctiv in
dem vergleichenden Nebensatze ac Vejis fuisset. Als Meinung
eines Anderen wird er sich nicht wohl erklären lassen. Eher liesse
er sich vielleicht noch erklären, wenn man bei futurus „fu i s s e" aus-
gelassen denken und dieses als Conditionalis — fuisset fassen wollte.
Dann liese sich der Conjunctiv als eine Art Gräcismus im Anschluss
an den Conditionalis vielleicht erklären.
Nach dem ganzen Zusammenhange erscheint die glückliche Been-
digung des Krieges als das Resultat der Ehrenhaftigkeit des
Gamillus. Man müsste also nach Weissenborns Erklärung die fortuna
darin suchen, dass Camillus Gelegenheit bekam, seine Ehrenhaftig-
keit zu zeigen. Ferner läset sich in das cognitae rebus bellicis virtutis
specimen allerdings hinein legen, dass Camillus seine Tüchtigkeit,
die er seither im Kriege gezeigt hat, nun auch in anderen Ver-
hältnissen zu zeigen Gelegenheit bekam. Es wäre also dann for-
tuna simul et specimen eine Art fV <f*a dvoiy eine durch das Glück
gebotene Probe seiner seither nur im Kriege erprobten Tüchtigkeit.
Allein ich muss offen gestehen, dass mir die Sache etwas gesucht
erscheint
Der Fehler scheint mir bei allen seitherigen Erklärungen darin
zu liegen, dass man, durch dedisset verleitet, das Ganze als 4. Fall
nahm. Dürfte sich die Sache nicht besser machen , wenn man die
Periode als zweiten Fall und dedisset also als Conj. Fut.
exaeti nehmen würde? Dann wären, glaube ich, alle Schwierigkeiten
gehoben und die Uebersetzung würde etwa lauten: Es hatte den An-
schein (es sah aus, man glaubte), dass die Arbeit eben so lange dauern
werde , als sie in Veji gedauert habe , wenn nicht das Glück dem
römischen Feldherrn eine Probe seiner in kriegerischen Verhältnissen
erprobten Tüchtigkeit und einen frühzeitigen Sieg verleihen würde.
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209
Wir hätten dann eine einfache indirekte Rede abhängig von vide-
batur, der Infinitiv futurus (esse), sowie der Conjunctiv fuisset ständen
ganz in gewöhnlicher Weise und auch alle Wörter ständen in ihrer
gewöhnlichen Bedeutung. Freilich würde man dann einen Uebergaug
zu der Erzählung in cap. 27 vermissen. Man vergleiche Liv. V, 41, 9.
Liviua V, 28, 1.
Camülus meliore multo laude , quam cum triumphantem albi per
urbem vexerant equi, insignis justitia fideque hostibus victis cum in
urbem redisset tacite ejus verecundiam non tulit senatus , quin
sine mora voti liberaretur.
Die Herausgeber setzen nun ein Komma nach redisset und be-
zieben tacite zum Hauptsatze. Weissenborn macht noch speciell
die Bemerkung: Tacite tulit enthält einen negativen Begriff: ohne sich
zu äussern, nnthätig ertragen, mit Schweigen übergehen und nichts
thun; da dieser durch non aufgehoben wird, konnte wie nach non
omittere, non sustinere u. ä. quin folgen.
.Da nun nach Weissenborn der negative Begriff durch non auf-
gehoben wird, so wird er offenbar positiv. Nun liegt aber meines
Wissens der Charakter des quin gerade darin, dass der über-
geordnete Satz einen verneinenden Sinn haben muss.
Quin ist nur dann möglich, wenn die Negation des übergeord-
neten Satzes und die in quin liegende Negation eine Be-
jahung geben. Facere non possum, quin ich muss. Daher kommt
es auch, dass „dass nicht" nach non dubitare nicht zweifeln
quin non heisst, weil in diesem Falle der ganze Gedanke ver-
neinend ist. Ich zweifle nicht, dass er nicht kommt = er kommt
sicherlich nicht. Es scheint mir also quin in dem von Weissenborn
angenommenen Falle nicht an seiner Stelle.
Und was soll verecundiam hier sagen ? Weissenborn fügt freilich
in Parenthese bei „in Bezug auf das Votum1'. Allein gerade in Bezug
auf das votum möchte ich sein Benehmen nicht mit verecundia
bezeichnen. Setzt er doch caput 25 alles mögliche in Bewegung, damit
das rot um in der ausgiebigsten Weise gelöst wird, so dass er
sich sogar den bittersten Hass der Plebejer zuzieht.
Ich meine, es wäre am Ende besser, wenn man tacite zu re-
disset nehmen und also das Komma nach tacite setzen würde. Tacite
stände dann allerdings recht auffallend am Ende, hinter dem
Verbum, um den Contrast von Heiner Rückkehr aus dem Kriege
mit den Faliskern mit seinem Triumphe nach der
Eroberung von Veji recht hervorzuheben. Er kehrte ohne alles
Gepränge, ohne irgend eine Auszeichnung zu verlangen, zurück. Dann
erklärt sich verecundia ganz natürlich. Weil er trofz seines grossen
Blätter f. <L bayer. Gymn.- u. Real-8chulw. XI. JaUr^. 14
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210
t
Verdienstes keinerlei Auszeichnung in Anspruch nahm, so konnte es
der Senat nicht über das Herz bringen , ihn nicht sogleich von seinem
-> Gelübde frei zu machen. Man vergleiche Liv. V, 42, 7 und VII, 22, 10.
Verg. Aen. VIII, 65.
Hie mihi magna domus, celsis caput urbibus exit.
Unter Anführung des Turnus hat sich eine Menge von Völker-
schaften zum gemeinschaftlichen Kampfe gegen den Aeneas verbanden
and dieser ist desswegen in grosser Noth. Da erscheint ihm im Schlafe
Tiberinus, weissagt ihm das Auffinden des Schweines mit den dreissig
Jungen und sagt ihm , er solle sich an den Arkader Evander um Hilfe
wanden. Am Ende nennt er dem Aeneas seinen Namen und schliesst
mit den oben angeführten Worten.
Mihi wird wohl, analog dem Homer, auch hier im Sinne von mea
stehen, wie ich dieses bereits für tibi statt tua Aen, V, 796 liceat dare
tuta per undas vela tibi B. V H. 7 S. 227 der ph. Bl. nachzuweisen
versucht habe und wie es auch sonst hautig vorkommt.
Besondere Schwierigkeit macht die zweite Hälfte des Verses. Da
der Flussgott von sich, von seinem Laufe und seinem Bette spricht,
80 muss man offenbar nach dem ganzen Zusammenhange bei Caput zu-
nächst an Quelle denken. Exire kann dann nur im Sinne von ent-
springen stehen, wie es auch in dem unserer Stelle entsprechenden
V. 75 gebraucht ist und wie sonst auch das gleichbedeutende excurrere
z. B. Curt. III, 1 gesetzt wird. Cefous kommt bei Vergilius nur in
der Bedeutung hochgelegen vor. So würde sich also der Gedanke er-
geben, meine Quelle entspringt aus hohen Städten. Allein dieser Ge-
danke scheint mir unmöglich zu sein.
Zur Zeit des Aeneas lagen sicherlich keine hoben, hochgelegenen
Städte an der Quelle des Tiber, da auch heutzutage noch keine dort
liegen und nie solche dort liegen können, weil der Tiber auf dem hohen
Apennin entspringt. Auch ist der ganze Ausdruck „ein Fluss kommt
aus hohen Städten" mindestens ungewöhnlich und auffallend.
Desswegen nehmen Andero exire im Sinne von praeterie, prae-
terlabi. Allein einmal hat exire diese Bedeutung gar nicht und dann lagen
damals sicherlich auch an seinen Ufern keine Städte. Wenn man aber
auch an Antemnae, Fidenae, Crustumerium, Horta denken wollte, so
ist das immer noch zu wenig , um celsae urbes als besondere Aus-
zeichnung anzuführen. Auch widerspricht hier unbedingt caput.
Alles das scheint auch Heyne gefühlt zu haben, indem er caput
im Sinne von Hauptstadt (Rom), exit im Sinne von exibit nimmt. Allein
abgesehen davon, dass mir hier an dieser Stelle eine Prophezeiung
nicht recht am Platze zu sein scheint, so ist dies schon desswegen un-
möglich, weil es in dem unserer Stelle entsprechenden V. 75 ausdrück-
tized by OooQie
211
lieh heisst: quocunque solo pulcherrimus exis, und weil ja hier von
einer Stelle an der Mündung des Tiber die Rede ist, nicht aber von
dem Platze, wo später Rom erbaut wurde.
Aus diesen Gründen glaube ich, dass man hier eine Verderbniss
des Textes annehmen muss. Dies haben auch Andere gefühlt, und
der Medic. hat desswegen die Bemerkung caesis statt celsis. Alltin
ich glaube, dass man die Verderbniss in urbibus suchen muss. Alles
andere passt, nur urbibus nicht Desswegen möchte ich areibua
statt urbibus vorschlagen.
Arx kommt bekanntlich überhaupt nicht selten in der Bedeutung
Berg und insbesondere bei Verg. selbst neunmal (G. I, 240; II,
635; IV, 461. Aen. III, 291; III, 553; VI, 784; VI, 831; VII,
696; IX, 86) so vor. Der Begriff Berge würde aber dem Zusammen-
hange nach allen Richtungen entsprechen und areibus kann paläo-
graphisch leicht in urbibus übergehen.
Dillingen. * . Geist.
Kleinigkeiten.
XVI.
Epigramme
in's Lateinische übersetzt.
0 Von Kästner.
Des Trauerspieles Zweck, den weiss er zu erreichen:
Das Mitleid mit dem Stück und Furcht vor mehr dergleichen.
Carminis, en, tragici fitietn bene novit Ofellus:
Qui special, miseret, talia, plura timet.
Von W. Wackernagel.
1.
Auf Müllner und Raupach.
Aristoteles' Gesetze will ich nimmermehr vermeiden:
Erst erreg' ich Furcht und Grauen und entlass' euch voll Mitleiden.
Grandis Aristotelis ne laedam dogmata, primum
Horrorem moveo deindeque vos miseret.
2.
Auf J. H Voss.
Dass es die Nachwelt wisse, wie man jetzt Kaffe gemahlen ,
Wie Kartoffeln gekocht, macht er Idyllen darauf.
Quomodo olus trunces, Arabum faba rite coquatur,
Nostri8 versiculis aeeipe, posteritas!
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212
Idem aliter.
XJt fdba, quam mittun t Ar ab es, nunc rite coquatur
Utque paretur olus, discito posteritas!
Italienisches Sprücbwort.
Mit Geduld and Zeit
Wird ein Maulbeerblatt ein Kleid.
Exspectare diem patienter discito: facta
Ex mori folio commoda vesiis erü.
Grabschrift
auf einen Mineralogen.
Er suchte Steine durch das ganze Leben,
Er suchte nie sich satt;
Hier hat man Einen ihm gegeben,
An dem genug er hat.
Nocturna lapides, lapides versare diurna
Suerat Cotta manu nec tarnen hoc sat erat.
Jam scctattri lapidum lapis est datus unus,
Qui pro nulle aliis, crede mihi, sat erit
Von David Strauss.
1.
Galba.
Wie dir so schwer aus der Hand sich die blanken SeBtertien
lösten,
Zeugt um den grämlichen Mund, Galba, die Falte noch heut.
Quam tarde dederis nummos, o Galba, morosum
Indicat os tristis quae tibi ruga secat.
2.
Vitellius.
Sei mir gegrüsst, Feinschmecker, du Glücklicher! Wie dir die
Austern
Mundeten einst, man sieht's noch an den Lippen dir an.
Fortunate mihi salve tenerique palati!
Ostrea quam juverint nunc quoque labra docent.
3.
Venus von Knidos.
Hieher kommt und empfangt die heilige Weihe der Schönheit,
Die ihr euch lauteren Sinns wisset und reinen Gemüthsl
Wehrt auch Profanen nicht ab: sie sehn liebreizende Glieder;
Aber die Göttin entzieht sich dem besudelten Blick.
213
Quanta venustatis sit vis hic discite sacrae,
Mens quibus in puro pectore pura viget!
Turba profana simul veniat: videt aurea membra;
Ipsa tarnen refugü lumina spurca Dea.
Am Eingang
des Schlossgartens zu Baden-Baden.
Wir bauen hier so feste,
Und sind doch fremde Gaste;
Wo wir sollten ewig sein,
Bauen wir so wenig ein.
Fidcnter hic fundamus,
Ceti nunquam discedamus\
Qua sempiterna sedes,
Cur non fundamus aedez?
Von A. Brandstettner.
Auf dem Malchen.
Hoch ob dem muhvollen Treiben der Menschen im niedrigen
Thale
Voller schlagt mir der Puls hier auf den grünenden Höh'n.
Leben trink' ich und Lust; doch im Fluge verrauschen die
Stunden ;
Schatten wechseln mit Licht; also der Sterblichen Loos.
Schwül ist mir worden der Tag und mühsam bestieg ich den
Malchen:
Sieh da, ein reizendes Bild zeigt sich dem staunenden Blick.
Soll mich doch nimmer gereuen die Arbeit und Schwüle des
Tages !
Denn was erhaben und schön, wird nur errungen im Schweiss.
Hic hominutn supra strepitus convalle relicta
Quam mihi cor totum monte virentc viget!
Laetus ego laetos fontes bibo: sed fugit hora;
Lux abit, umbra subit; sie, homo, vita tua est.
Cdldus erat Phoebus; misere scandi MeUbocum -,
At mihi miranti dulcis imago venit.
Nunquam poeniteat me operae calidique diei: ,
Nonnisi per salebras tangere pulchra datur.
Speyer a./Rh.
Heinrich Stadelmann.
214
Wer sind die „heimgehen FUrsten" in dem Spruche Waith er s
von der Vogelweide „sie frägent mich vil dicke et«."!
Unleugbar hat der Spruch Walthers von der Vogelweide „sie frägent
mich vil dicke etc." (No. 161 in der Ausgabe von Frz. Pfeiffer) im
Zusammenhalt mit dem Schwanenlied „owe war sint verschwunden etc."
No. 188, eine grosse Bedeutung bei der Frage nach der Heimat
Walthers, weil in beiden Sprüchen von heimischen Dingen die Rede
ist Die Aasleger des Spruches gehen bei der Bestimmung der
rheinischen fürsten" auseinander, je nachdem sie mit einer mehr oder
minder ausgebildeten Meinung von der mutmasslichen Heimat Walthers
an seine Auslegung herantreten. Da in neuester Zeit wieder eifrig
nach der Heimat Walthers gesucht worden ist, da man mit einer
Sicherheit, die jede andere Meinung als irrtümlich und ketzerisch
ausschliesst , im Hof zur inneren Vogelweide bei Waidbruck in Tirol
die wahre Heimat Walthers gefunden haben will, und zur Unter-
stützung dieser Meinung die „heimschen fürsten" in unserem Spruche
beizieht, will ich versuchen, die Meinung in Schutz zu nehmen, nach
welcher unter den „heimschen fürsten" die fränkischen Herrn zu
verstehen sind.
Es ist vorerst klar zu legen, in welche Zeit die Abfassung unseres
Spruches fällt. Von der Hagen, Minnesänger, IV, 160, fixiert die
Abfassung des Spruches auf den 1. Januar 1225, Wackernagel und
Rieger, Giessen 1862, 60, 95 nach dem Juli 1224, Fr. Pfeiffer zu
No. 161 und in Germania, V, 13, und M. Rieger (das Leben
Walthers von derfVogelweide) pag. 31, auf den Hoftag am 23. Juni 1224;
Uhland (Walther von der Vogelweide, ein altdeutscher Dichter 1822)
pag. 88 ist schwankend, Lachmann (die Gedichte Walthers von der
Vogelweide, Berlin 1827) 19.">, 84, 20 aber findet, dass der Spruch
gedichtet sei auf den Hoftag im November 1225. R. Menzel (das
Leben Walthers von der Vogelwcide, Leipzig 1865) pag. 298 setzt die
Abfassung des Spruches zu Ende Juli oder Anfang August 1224,
während sie Joh. Schrott (Walther von der Vogelweide in seiner
Bedeutung für die Gegenwart, München, 1875, und Allgemeine Zeitung,
No. 186, 1874) in den November 1219 verlegt.
Alle Germanisten also, welche sich mit dem Studium Waltbers
beschäftigten, sind mit Ausnahme von Uhland, der schwankt, und
von Schrott, einig in der Annahme, dass der Spruch nicht vor dem
Jahre 1224 gedichtet worden sein kann, eine Annahme, die schon
durch die Form des Spruches zweifellos gemacht wird. Er ist nämlich
im sogenannten Engelbertston geschrieben. Nachweislich kommt aber
dieser Ton nicht vor 1220 vor.
215
Die Gründe, welche Schrott a. a. 0. zur Unterstützung seiner
abweichenden Meinung beibringt, sind nicht stichhaltig. Er versteht
unter den „heimschen fürsten" die Herzöge Ludwig von Bayern, Bern-
hard von Kärnthen uud Otto von Mcranien, den Bruder Bertholds von
Andechs, Patriarchen von Aquilea; Lachmann zu 124, 7 die „öster-
reichischen" Fürsten. R. Menzel (pag. 20 — 39) weist den Irrtum
Lachmanns schlagend nach, so dass ich nur auf die citierte Stelle
verweisen darf, um sofort zur Würdigung der Gründe Schrotts über-
gehen zu können.
Es wird behauptet, unter den „heimschen fürsten" könne schon
desswegen nicht der fränkische Adel gemeint sein , weil „Fürst ein
staatsrechtlicher Titel ist und kleinen Herrn nicht zukam". Diese
Behauptung ist irrtümlich. Zoepfl belehrt uns in seiner Rechts-
gescbichte (Braunschweig 1871) pag. 87, dass auch für kleinere Fürsten
der Gebrauch des Titels „Fürst" zur Zeit Walthers staatsrechtlich
giltig war. In der angezogenen Stelle heisst es nämlich: „ . . . hieraus
erklärt sich zugleich, wie bald in der Bezeichnung ,Herrenstand* der
Fürstenstand mitbegriffen (11) und umgekehrt auch, ohne den Begriff
von Fürsten im eigentlichen (engeren) Sinne aufzugeben, in einem
weiteren Sinne die Bezeichnung ,Fürstenstand' für den gesammten
Herrenstand gehraucht werden konnte (12)".
11) „Deutlich zeigt dies der Schwabenspiegel (Lassb.) Vorrede, h,
,daz eint die vrien Herren, als fursten, und die ander vrien zu man
haben?. Hier sind die Fürsten namentlich als ein Teil des Herren -
Standes aufgeführt".
12) „Schon der Schwabenspiegel gebraucht oft den Ausdruck Fürsten
für reichsständische Herrn überhaupt, da dieser gerade in den wichtigsten
politischen Beziehungen Fürstongenoss (fürstenmässig) war, d. h. den
fürstlichen Familien gleich stand. Glosse z. Sachsenspiegel III, 58:
,wenn brüdere teilen, wie (d. h. welcher von ihnen) dit forstendum
beholt, die wert des rikes forste, und die andere ein slieht forste,
den heiten (heissen) wir forste- genot.1
Der Ausspruch des Schwaben- und Sachsenspiegels scheint mir
in dieser Frage, die allein staatsrechtlicher Natur ist, ausschlaggebend.
Aber wenn dies auch nicht für alle und in gleichem Masse der Fall
wäre, wie für mich, so sind doch von einem andern Gesichtspunkte aus
unter den „heimschen fürsten" die fränkischen zu verstehen. Mit Un-
recht wird in unserra Spruche der Nachdruck auf den Gast Leopold
gelegt im Gegensatz zu den „heimschen fürsten". Schon der Sprach-
gebrauch spricht dagegen. Der Gegensatz von gast ist wirt, aber
nicht heimisch. Von heimisch (noster) ist der Gegensatz ellente (ahd.
alilanti), in oder aus einem andern Lande, fremd (Schade, Wörterbuch
pag. 8). Die „heimschen fürsten" sind im Spruche den fahrenden
%+, MX . f.**>pMd nur gast. Hierin liegt der Gegensatz.
-M»*Rtfft itahwn die begehrlichen Fahrenden, auf der andern
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217
ein Erklärungsversuch, der etwas bestechendes hätte, wenn man nicht
glauben dürfte, dass, wie viele Minnelieder Walthers, so auch Lieder
aus der Zeit von 1204 — 1208 verloren gegangen sind. Ob übrigens
nicht Walther, der jede Gewalttat verdammte, den Mut gehabt hätte,
die seiner heimischen Fürsten zu brandmarken, mag dahingestellt
bleiben. Entscheidend indess für die Bestimmung der „heimschen
fürsten" kann das bis jetzt unerklärte Schweigen der Walther'schen
Muse beim Tode Philipps nicht sein.
Nunmehr kann ich zusammenfassen. Die Zeit der Abfassung des
Spruches und sein Inhalt lassen unter den „heimschen fürsten" nur
die fränkischen Herrn verstehen Ueber die Heimat Walthers sagt uns
der Spruch nichts, wol aber über seinen Aufenthalt auf seinem Lehen
im Frankenlande.
Ob und inwieweit der Spruch: „owe tear sint verschwunden all in
miniu jär" (No. 188) auf seine Heimat, die er bei der Reise nach
Italien zum Kreuzzug des Jahres 1228 berührt haben soll, bezogen
werden darf, will ich ein anderes Mal zur Sprache bringen. Vorläufig
bemerke ich nur, dass mir die Teilnahme Walthers an einem Kreuz-
zuge eine „Sage" zu sein scheint, wie die „von dem Walther, der in
der Welt herumgezogen und ein berühmter Mann geworden ist".
(Korrespondent v. u. f. Deutschland, No. 17, 1875 )
Landau (Rheinpfalz). Falch.
Die Erhöhung der wöchentlichen Stundenzahl fUr's Deutsche In der
reorganisirten Gewerhschnle. •)
Der Zweck des Unterrichts in der Muttersprache wird in der Regel
so bestimmt, derselbe habe den Schüler in den Stand zu setzen, seine
Gedanken richtig und gut darstellen zu können; Sprachfertigkeit ist
es also, was vor allem erstrebt werden soll. Diese Auffassung ist inso-
fern einseitig, als sie an einer zu starken Betonung der formellen Auf-
gabe, des praktischen Erfolgs leidet Sie geht, wie mir scheint, von
der Voraussetzung aus, dass der Grad, in dem jemand seine Mutter-
sprache beherrscht, auch den Grad seiner allgemeinen Bildung anzeige.
Es ist dies jedoch ein pädagogisches Dogma , das gar sehr der Ein-
schränkung bedarf. Man vergesse nur nicht, dass Reichthum und
Tiefe der Gedanken nicht selten mit einer gewissen Unbeholfenheit
des Ausdrucks, mit einem Mangel an Gestaltungskraft und Formensinn
verbunden ist, dass es hingegen eine Zungen- und Federfertigkeit gibt,
die unter einer Flut von schönen Worten und schillernden Phrasen
*) Da dieser Antrag der Gewerbschule Passau in München wegen
Mangels an Zeit nicht zur Verhandlung kommen konnte, so dürfte es nicht
überflüssig sein, die Begrünbung desselben in diesem Blatte mitzuteilen.
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gegenüber der wirt, Leopold nur gast. Hierin liegt der Gegensatz.
Auf der einen Seite stehen die begehrlichen Fahrenden, auf der andern
die „heimschcn fürsten" und der gast. Als Gast aber ist Leopold
von dem Wirte abhängig. ,Denn', sagt Walther, , Leopold ist so
freigebig (liberalis), dass er gewiss gegeben haben würde, wenn
ihm die hövische Sitte gestattet hätte, die Initiative beim Geben zu
ergreifen*. Dies aber war hövische Sitte, wie R. Menzel, pag. 25
sagt: „Das Geben lag, wenn auch nicht ausschliesslich, so doch in
erster Linie den Wirten ob, und die Gäste konnten sich denselben
wohl in untergeordneter Weise oder wenigstens erst in 2ter Linie als
Gabenspender anschliessen , niemals aber die Initiative ergreifen und
anstatt der Wirte die Pflicht der Milde übernehmen". In dem Ver-
haltnisse eines Gastes aber zu den „heimschen fürsten" steht Leopold
auch in dem Fall , wenn er auch als Heicbsfürst bei jeder curia so-
lemnis zu erscheinen die Pflicht hatte.
Eine weitere Unterstützung der Meinung, nach welcher die
„heimschen fürsten" die fränkischen sind, finde ich in der 2. Verszeile
des Spruches
„«trenn ich von Hove rite".
Schon „swenn (mhd. gr. Hahn, §. 351) = sxcenne, so oft als, deutet
an, dass Waltber öfter an den Hof kommt. So oft er vom Hofe kommt,
ist der Sinn der Stelle, fragen ihn die lästigen Neugierigen. M. Rieger,
pag. 31, scheint mir das Richtige zu haben: „Die Worte ,swenn ich
ect1 lauten vielmehr so, als ob er dem Hofe nicht angehöre, sondern
gelegentlich Orte, wo derselbe gehalten wird, aufsuche".
Ist es nun möglich, die Zeit zu bestimmen, in der Walther nicht
am Hofe Friedrich II. lebte , sondern an einem Orte und in einer
Stellung, so dass er leicht die königlichen Hoftage besuchen konnte,
so können wir mit voller Bestimmtheit die Zeit angeben, in welche
die Abfassung unseres Spruches fällt, und damit auch, wer diu
„heimschen fürsten" sind. Das können wir!
Nach dem Jahr 1223 war Walther nicht mehr am königlichen Hof,
am allerwenigsten mit der Erziehung Heinrich VII. beschäftigt, wenn
er überhaupt sein Miterzieher war (Vilmar, pag. 412, G. von Karajan,
über 2 Gedichte Walthers von der Vogelweide, ein akademischer Vor-
trag, Wien, 1851), sondern so situiert, dass er von Zeit zu Zeit ab-
kommen konnte. Er befand sich auf seinem Lehen, das in Franken
lag, worin alle Ausleger übereinstimmen. Noch keiner hat Walthers
Lehen anderswo, als in Franken gesucht.
Will man endlich aus dem Umstände, dass kein Spruch Walthers
auf den Tod Philipps vorhanden ist, schliessen , Walther habe zu
dieser Greuelthat geschwiegen „aus zarter Schonung und schuldiger
Rücksicht auf seine heimischen Fürsten" (Schrott, a. a 0.), so ist dies
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ein Erklärungsversuch, der etwas bestechendes hätte, wenn man nicht
glauben dürfte, dass, wie viele Minnelieder Walthers, so auch Lieder
aus der Zeit von 1204 — 1208 verloren gegangen sind. Ob übrigens
nicht Walther, der jede Gewaltthat verdammte, den Mut gehabt hätte,
die seiner heimischen Fürsten zu brandmarken, mag dahingestellt
bleiben. Entscheidend indess für die Bestimmung der „heitnschen
ßrsten11 kann das bis jetzt unerklärte Schweigen der Walther'schen
Muse beim Tode Philipps nicht sein.
Nunmehr kann ich zusammenfassen. Die Zeit der Abfassung des
Spruches und sein Inhalt lassen unter den „heimschen fürsten" nur
die fränkischen Herrn verstehon üeber die Heimat Walthers sagt uns
der Spruch nichts, wol aber über seinen Aufenthalt auf seinem Lehen
im Frankenlande.
Ob und inwieweit der Spruch: „owe war sint verschwunden alliu
miniu jar" (No. 188) auf seine Heimat, die er bei der Reise nach
Italien zum Kreuzzug des Jahres 1228 berührt haben soll, bezogen
werden darf, will ich ein anders Mal zur Sprache bringen. Vorläufig
bemerke ich nur, dass mir die Teilnahme Walthers an einem Kreuz-
zuge eine „Sage" zu sein scheint, wie die „von dem Walther, der in
der Welt herumgezogen und ein berühmter Mann geworden ist".
(Korrespondent v. u. f. Deutschland, No 17, 1875 )
Landau (Rheinpfalz). Falch.
Die Erhöhung der wöchentlichen Stundenzahl fflr's Deutsche in der
reonranisirten Gewerbschule. •)
Der Zweck des Unterrichts in der Muttersprache wird in der Regel
so bestimmt, derselbe habe den Schüler in den Stand zu setzen, seine
Gedanken richtig und gut darstellen zu können; Sprachfertigkeit ist
es also, was vor allem erstrebt werden soll. Diese Auffassung ist inso-
fern einseitig, als sie an einer zu starken Betonung der formellen Auf-
gabe, des praktischen Erfolgs leidet Sie geht, wie mir scheint, von
der Voraussetzung aus, dass der Grad, in dem jemand seine Mutter-
sprache beherrscht, auch den Grad seiner allgemeinen Bildung anzeige.
Es ist dies jedoch ein pädagogisches Dogma, das gar sehr der Ein-
schränkung bedarf. Man vergesse nur nicht, dass Reichthum und
Tiefe der Gedanken nicht selten mit einer gewissen Unbeholfenheit
des Ausdrucks, mit einem Mangel an Gestaltungskraft und Formensinn
verbunden ist, dass es hingegen eine Zungen- und Federfertigkeit gibt,
die unter einer Flut von schonen Worten und schillernden Phrasen
*) Da dieser Antrag der Gewerbschule Passau in München wegen
Mangels an Zeit nicht zur Verhandlung kommen konnte, so dürfte es nicht
überflüssig sein, die Begrünbung desselben in diesem Blatte mitzuteilen.
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die geistige Hohlheit verbirgt. Ich unterschätze die formelle, praktische
Seite des deutschen Sprachunterrichts durchaus nicht; ich meine nur,
man soll nicht die triviale Wahrheit übersehen , dass man erst Ge-
danken haben muss, ehe man sie zum Ausdruck bringen kann. Dem
Schüler Gedanken zu vermitteln, seinen geistigen Horizont zu klären
und zu erweitern, dies scheint mir die wichtigere Aufgabe des deutschen
Unterrichts zu sein. Freilich ist dies das Ziel überhaupt jedes Unter-
richts, der nicht auf eine blosse mechanische Fertigkeit sein Absehen
hat; aber das vorzüglichste Mittel allgemeiner Geistescultur ist für die
Schüler der Gewerbschule doch wohl der Schatz vaterländischer Bildung,
der aus den Meisterwerken unserer Literatur quillt. Die daraus zu
treffende Auswahl soll einerseits dazu dienen, das Wissen der Schüler
in Geschichte, Geographie und Naturkunde zu ergänzen und zu be-
leben, andererseits aber auch geeignet sein, die Jugend in das deutsche
Geistesleben einzuführen, nationale Gesinnung zu pflegen und sie zu
erfüllen mit Liebe zum Land, zur Sitte und zur Geschichte ihrer Väter.
Es wäre sehr nützlich , wenn der neue Lehrplan diese Auswahl
nicht ganz dem Ermessen des Lehrers überliesse, sondern für den 3.
und 4. Ours ein Minimum der zu behandelnden Stücke namhaft machte.
Die Lehrer der alten Sprachen empfinden es ja auch nicht als un-
pädagogische Beschränkung ihrer Freiheit, dass ihnen die Lektüre der
alten Klassiker spezialisirt vorgeschrieben ist. Nach meiner Meinung
sollen im 3. Curs der reorganisirten Gewerbschule an der Hand eines
guten Lesebuchs die besten Balladen von Uhland, Göthe und Schiller
erklärt werden; im 4. Curs dagegen wäre den Schülern das Verständ-
niss einiger grosserer Dichtungen zu eröffnen. Rudolf v. Ra u m e r
schlägt für das Gymnasium deren 12 vor, worunter allerdings einige Ueber-
setzungen sind. Es ist gewiss nicht zu viel, wenn man von einem
Realschüler, der im 17. Jahr die Schule verlässt, die Vertrautheit mit
mindestens sechs derselben verlangt. Für die geeignetsten halte ich :
Minna von Barnhelm von Lessing, den Cid von Herder, Teil und Wallen-
stein von Schiller, Hermann und Dorothea und Götz von Berlichingen
von Göthe. Davon könnten Hermann und Dorothea und Teil der stata-
rischen, die vier übrigen der cursorischen und häuslichen Lektüre zu-
getheilt werden.
Wer in dieser Auswahl mit mir einig ist, der wird mir nun auch
darin zustimmen, dass 3 Stunden wöchentlich für's Deutsche nicht hin-
reichen. Jeder Rcalicnlehrer weiss, wie schwer es ist, bis zum Abso-
1 uteri um die Schüler so weit zu fördern, dass sie über ein etwas ab-
straktes Thema einen halbwegs leidlichen Aufsatz liefern; besonders
erfährt dies, wer in einer Gegend wirkt, wo in Folge der starken Ab-
weichung des Dialekts vom Neuhochdeutschen die Knaben mit ziemlich
unentwickeltem Sprachgefühl und mangelhafter Sprachbildung in die
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Gewerbschule eintreten. Kommt es ja doch häufig vor, dass man im
3. Ours noch mit groben orthographischen Fehlern zu kämpfen hat.
Die 5 Stunden des jetzigen 2. Curs sind auch nicht viel mehr als 4 ;
denn das leidige Anhängsel der gewerblichen Buchführung und Wechsel-
lehre hat für die Ausbildung im Deutschen nur geringen Werth. Ich
würde für den neuen Lehrplan für den ersten Curs 6, für den zweiten 5,
für den dritten und vierten je 4 Stunden vorschlagen. In den beiden
oberen Cursen könnten dann eine Stunde dem Aufsatz, zwei der stata-
rischen nnd eine der cursorischen Lektüre zugewendet werden , ohne
damit sagen zu wollen, dass diese scharfe Scheidung in jeder einzelnen
Woche stattfinden soll. Es ist dies durchaus nicht zu viel. Ich bin
kein Freund jenes Zerfaserns und Zerpflückens deutscher Dichtungen,
wie es seit Hiecke vielfach in den Schulen geübt wurde; aber ich
habe die Erfahrung gemacht, dass man vollauf zu tbun hat, wenn
man bei zwei wöchentlichen Stunden mit Hermann und Dorothea
fertig werden will.
Es fragt sich schliesslich , woher die neuen Stunden genommen
werden sollen. Der Antrag der Gewerbschulo Passau wollte durchaus
nicht eine Vermehrung der gesammten wöchentlichen Stundenzahl vor-
schlagen ; thut ja unsern Schulen viel mehr eine Verminderung als
eine Vermehrung noth. Wenn die angestrebte Erhöhung der Stunden-
zahl für's Deutsche eine Erhöhung der Unterrichtszeit überhaupt zur
Folge hätte, so wünschte ich im Interesse der körperlichen Ent-
wicklung ( der Schüler, dass es lieber beim Alten bliebe Von den
Lehrobjekten der Gewerbschule verträgt nach meinem Dafürhalten am
ehesten die Mathematik in den obern Cursen eine Einschränkung.
Mir ist keine Schule bekannt, in der, wenn sie nicht vorwiegend
Fachschule ist, die Mathematik einen so breiten Raum einnimmt, wie
dies in unsern Gewerbschulen der Fall. Auf Arithmetik und Mathematik
werden jetzt im zweiten Curs 8, in der gewerblichen Abteilung des
dritten Curs ebenfalls 8 Stunden verwendet, also reichlich ein Viertel
der gesammten wöchentlichen Unterrichtszeit. 8 Stunden Mathematik
und 3 Stunden Deutsch, — das ist in der That eiu Missverbältniss.
Ich schätze den Bildungswert der Mathematik als beste praktische Logik,
als unübertreffliche Geistesgymnastik sehr hoch; aber im Interesse
einer mehr abgeschlossenen, allgemeinen Bildung der aus unsern
Anstalten unmittelbar ins Leben eintretenden Schüler halte ich es für
besser, wenn die Mathematik dem Deutschen eine Stunde abtritt. Bis
jetzt ist durch jede Reorganisation der bayrischen Gewerbschulen ihr
Charakter, Anstalten einer tüchtigen allgemeinen Bürgerbildung zu
sein, mehr in den Vordergrund gestellt worden ; möge dies auch durch
die bevorstehende geschehen !
Passau. Schricker.
I
220
Schriftliche Ucbangen im Deutschen für 8exta.
•
Die schriftlichen Uebungen im Deutschen für die unterste Klasse der
Lateinschule bildeten einen der Gegenstände, welche die IX- General-
versammlung der Lehrer an bayrischen Studienanstalten (am 31. März
im Saale des kgl. Wilhelinsgymnasiums zu München) beschäftigten.
Es wurden bei dieser Gelegenheit die sehr brauchbaren, nur für
Sexta zum Teil etwas zu weitgehenden Ratschläge des Kollega Miller
von Kollega Kraus und insbesondere von Kollega Brunner dahin
beschieden, dass ausser den orthographischen Uebungen in Sexta höchstens
noch Nacherzählungen, zunächst von Fabeln verlangt, Beschreibungen
aber kaum mehr gewagt werden dürften.
Es erscheint diese Feststellung auf den ersten Blick so einleuchtend
und so ausreichend, dass der Verfasser dieser Zeilen, selbst Lehrer in
Sexta, vor der Versammlung keinerlei Einspruch dagegen erheben
wollte, aus dem Grunde, weil seine Ausführungen zu sehr ins Einzelne
hätten gehen müssen und weil subtile Deduktionen überhaupt sich
mehr für schriftliche Behandlung eignen; dagegen fasste er sogleich
den Entschluss, seine Ideen über das wichtige Thema in diesen Blättern
der genaueren Prüfung seiner Amtsgenossen zu übergeben. Vielleicht,
dass auch damit etwas gewonnen wird. —
Wenn es überhaupt ein richtiger Satz ist, dass aller Unterricht
mit dem Leichteren begonnen werden müsse, woran sich erst das
Schwerere reihen kann, ein Satz, der auch in der heuen Schulordnung
gebührend hervorgehoben ist, so dürfte nach meiner Ansicht die Frage
nahe liegen, ob man nicht schon zu weit gehe, wenn man von Anfängern
sogleich die freie Wiedergabe zusammenhängender Stücke fordert.
Wenn das Kind zu sprechen anfangt, lallt es zuerst einzelne Wörter
hervor; wenn ein Knabe zu denken anfängt, vermag er noch nicht eine
Kette von Vorstellungen zu überschauen, sondern es stellen sich bei
ihm zuerst einzelne Sätze ein; die Aufeinanderfolge und der natur-
notwendige Zusammenhang der Verhältnisse liegt ihm noch ferne.
Wenn man ihn also zwingt, Zusammenhängendes nachzuerzählen,
ist es zu verwundern, wenn er sich in seiner Verlegenheit erfahrungs-
gemass mechanisch an den Wortlaut des Vorgelesenen oder Vor-
gesagten anklammert?. Dabei aber arbeitet er offenbar mehr mit dem
Gedächtniss als mit dem Verstände und versäumt somit nicht nur die
Gelegenheit denken zu lernen, sondern verlernt sogar das richtige
freie Denken überhaupt. Das Gedächtniss ist nur zu oft ein Feind
des Verstandes 1
So handelt es sich im innersten Interesse der Jugend darum, ob
es nicht eine noch tiefere Stufe, eine erste Stufe bei diesem Unter-
richt gebe, die den Kräften eineB Sextaners entspricht und zugleich
221
die passendsten Fundamente für die weitere Ausbildung bietet. Eine
solche Stufe ist allerdings vorhanden.
Sie besteht darin, dass man den Schülern eine Erzählung vorliest
oder vorsagt und zwar mit lebhafter Demonstration und dann den
einen und andern auffordert, einen einzelnen Punkt oder Satz
davon anzugeben. An den vom Schüler gegebenen Punkt knüpft sodann
der Lehrer geeignete Fragen, die wieder vom Schüler beantwortet
werden, bis zuletzt die Hauptsachen der Erzählung aus dem Knaben
herausexaminiert sind. Ein solches Verfahren ist für die Schüler an-
gemessen, sie werden wirklich nachdenken, dieses oder jenes
glücklich auffinden und kundgeben.
Es sei verstattet, die Sache durch ein Beispiel zu erklären. Man
erzählt etwa die Fabel vom Fuchs und der Weintraube in folgender
Weise: „Ein Fuchs sah an einem Weinstock eine schöne 'blaue Traube
hängen; er hätte sie gar zu gerne verzehrt; allein wie sehr er sich
auch anstrengte und fort uud fort nach ihr emporsprang, sie hing zu
hoch für ihn, er konnte sie nicht erreichen. Endlich gab er seine
Versuche auf und ging mit den Worten weiter: „Sie wäre mir doch zu
sauer!" — Sodann ruft man einen Schüler und fordert ihn aut, aus
dieser Fabel nur einen Satz zu sagen; er antwortet vielleicht in
kindlich - naiver Weise; das verschlägt nichts, wenn er nur einen
relativ selbständigen Gedanken produziert, z. B.: „Der Fuchs hätte
gern eine Weintraube verzehrt". Man spendet dem Schüler Beifall
für diese Antwort und wendet sich sodann an einen zweiten mit der
Frage: „Der Fuchs hätte gerne eine Weintraube verzehrt; aber
warum hat er sie nicht verzehrt?" — Antwort des Schülers: Die Traube
hing zu hoch droben". — So hat der Schüler wieder selbständig
gedacht, man lobt ihn und fragt einen dritten: „Suchte er sie denn
auch zu erreichen?" — Antwort: „Ja! Er sprang oft dazu hinauf". —
Frage: „Was that der Fuchs dann?" — Antwort: „Er ging fort". —
Frage; „Gutl Und was sagte er dabei?" — Antwort: „Er sagte, dass
die Weintraube doch sauer wäre". —
Oder aber der erstgerufene Schüler gibt die Antwort: „Der Fuchs
sagte, die Traube wäre ihm doch zu sauer." — Auch das kann man
annehmen; man fragt dann einen zweiten: „Warum nämlich sagte
der Fuchs so?" — Antwort: „Die Weintraube hing ihm nämlich zu
hoch droben4*. — Frage an einen dritten: „Und doch wie hatte er
versucht, sie zu erreichen?" — Antwort: „Und doch war er oft hinauf
gesprungen". — Frage: „Was that er zuletzt?" — Antwort: „Zuletzt
ging er weiter." —
Das alles wird freilich bloss mündlich verhandelt, wenn auch
gleichzeitig sämmtliche Schüler die Feder in der Hand haben sollten,
um die gegebenen und vom Lehrer richtig gestellten Antworten sofort
222
ins lieft einzutragen. Nun könnte man aber die Fabel auch schriftlich
bearbeiten lassen , indem man nämlich nach der Vorlesung derselben
etwa folgende Fragen zur schriftlichen Beantwortung gibt (einzelne zur
Gedankenverbindung dienende Wörtchen müssen, wie oben betont, so hier
in der Frage unterstrichen werden, damit sie die Schüler in die Antwort
mit hinübernehmen):
1) Welchen Gegenstand erblickte der Fuchs in der Höhe? (Antwort
in einem ordentlichen Satze zu geben!) — 2) Was wollte er damit
anfangen? — 3) Wie suchte er also seinen Zweck zu erreichen? —
4) Aber kam er wirklich damit zu Stande? — 5) Was tbat er
zuletzt? — 6) Was sagte er? —
So wird der Schüler von Frage zu Frage nachdenken und
etwa schreibe^: „Der Fuchs erblickte in der Höhe eine schöne Wein-
traube; er hätte sie gerne verzehrt; er sprang also oft hinauf dazu;
aber er konnte sie nicht erreichen; zuletzt ging er fort und sagte:
Sie ist mir noch zu sauer/' —
Freilich wickelt sich die Erzählung in lauter kurzen Hauptsätzen
ab; allein sie sind folgerichtig an einander gereiht und vom Schüler
selbst gefunden; damit er aber auch an den Gebrauch der Nebensätze
und an Satzgliederung sich allmählich gewöhne (ein Ding, das
sich nicht im Handumdrehen oder von selbst macht), so diktiert man
nachträglich, nachdem die Arbeiten der Schüler korrigiert und durch-
gegangen sind, die Fabel in der vorgelesenen Fassung.
Wenn meine Kollegen diese Vorstufe als gerechtfertigt anerkennen,
so dürften sie mit mir es erst gegen Ende des Schuljahres einmal
versuchen, von den Schülern eine einfache Fabel im Zusammenhang
nacherzählen zu lassen. Kompliziertere Stücke sind aber jedenfalls in
höhere Klassen zu verweisen. —
Es wurde ferner in jener Sitzung als schriftliche Uebung in Sexta
die Beschreibung von einer Seite (Kollega Miller) als empfehlens-
wert, von einer zweiten (Kollega Kraus) als zulässig, endlich von einer
dritten (Kollega Brunner) als gewagt erklärt.
Wenn man die in diesem Artikel bisher entwickelten Grundsätze
auch auf die Beschreibung überträgt, so ist die zusammenhängende
Beschreibung in Sexta ebenso zu vermeiden, wie die zusammenhängende
Nacherzählung.
Die Sinne eines Knaben sind noch nicht so scharf, dass er sich
einen Gegenstand in seine Teile zerdenken und zwischen den vielerlei
Eigenschaften unterscheiden könnte; vollends wäre er aber nicht im
Stande, seine etwaigen Einfälle in angemessener Ordnung vorzubringen.
Man müS8te ihm bei jedem Gegenstand Satz für Satz vorsagen, wobei
er leider das Gesagte weit weniger mit dem Verstände, als mit dem
Gedächtniss aufnimmt und dann reproduziert ungefähr wie ein Papagei.
223
Eine solche Methode will mir wenigstens nicht recht einleuchten!
Dagegen ist aber auch der mitunter laut werdende Satz, als hätten
Sextaner gar keine eigenen Gedanken, falsch. Man muss nur die
Kunst verstehen, "ihnen die Gedanken zu erwecken und zu entlocken.
Und so meine ich denn , es gebe auch für die Beschreibung eine
Vorstufe, die für Sexta allein geeignet ist und etwa in Folgendem
besteht:
Man ruft einen Schüler und fordert ihn auf, einmal Qber einen
ihm voraussichtlich wohlbekannten (konkreten) Gegenstand, z. B. vom
Schmetterling irgend etwas zu sagen, jedoch mit Ausschluss der Sätze
mit „ist" und „hat" So antwortet er vielleicht einfach : „Der Schmetterling
fliegt umher". — Er hat hierait offenbar einen eigenen Gedanken aus-
gesprochen. Nun setzt man das Gespräch weiter. Lehrer: Wo fliegt
der Schmetterling umher? — Schüler: Der Schmetterling fliegt auf der
Wiese (oder: im Garten etc.) umher. — Lehrer: Setze nun zu dem
Worte Schmetterling ein passendes Eigenschaftswort! — Schüler: Der
schOne (kleine, nette, bunte) Schmetterling fliegt etc. — Lehrer:
Setze desgleichen zu dem Worte Wiese ein Eigenschaftswort! —
Schüler: Der bunte Schmetterling fliegt auf der grünen (blumigen)
Wiese umher. — Lehrer: Setze den Satz in den Plural! — Schüler:
Die bunten Schmetterlinge fliegen etc. — Lehrer: Nun lass den Artikel
bei Schmetterling weg und stelle den Satzteil „Auf der blumigen Wiese"
an den Anfang! — Antwort: Auf der blumigen Wiese fliegen
bunte Schmetterlinge umher.
Ist das nicht schon eine kleine Beschreibung? Und doch hat der
Schüler dazu eigentlich nichts erhalten, als nur den Titel Schmetterling.
Das andere hat er selbst erdacht, ohne dass es ihm vorgesagt wurde.
Solche Uebungen sollten positiv nicht umgangen werden; abgesehen
davon, dass sie für die Schüler sehr erspriesslicb sind, gewähren sie
auch dem Lehrer sowohl wie den Schülern eine Quelle der Unter-
haltung durch das Vielerlei und Mancherlei, das dabei auf die Bahn
gebracht wird.
Der so gefundene Satz wird alsbald zu schriftlicher Uebung von
der ganzen Klasse ins Heft notiert.
Will man aber ja eine zusammenhängende Beschreibung verlangen
und zwar geschrieben verlangen, so ist kein anderer Weg dafür offen
als dass man dem Schüler eine Reihe von Fragen zur Beantwortung
diktiert, z. B. der Fisch. 1) Wo lebt der Fisch? — 2) Womit ist er
bekleidet? — 3) Das Pferd läuft, der Vogel fliegt, der
Wurm kriecht; aber wie bewegt sich der Fisch? — 4) Und
zwar vermittelst welcher Werkzeuge (oder Organe) bewegt er sich? —
5) Wovon nährt sich der Fisch? — 6) Womit fängt man den Fisch? —
7) Wodurch nützt uns der Fisch? - 8) Doch wovor müssen wir
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uns beim Genüsse desselben hüten? — NB! Es sollen zu
diesem oder jenem der vorkommenden Substantiva passende Adjektiva
gesetzt werden!
So wird der Schüler vielleicht durch eigene Kraft jxtit folgendem Ela-
borat zu Stande kommen: Der Fisch lebt im Wasser (der Flüsse und
Seen) ; er ist mit glänzenden Schuppen bekleidet. Das Pferd läuft, der
Vogel fliegt, der Wurm kriecht, der Fisch aber schwimmt, und zwar bewegt
er sich vermittelst der breiten Flossen. Er nährt sich von Würmern,
Fliegen und Wasserpflanzen. Man fängt ihn mit dem Netz oder der
Angel; er nützt uns durch sein schmackhaftes Fleisch; doch müssen
wir uns beim Genüsse desselben vor den spitzigen Gräten hüten.
Sollte hiebei auch die eine oder andere Aeusserung kindlicher
Naivetät zu Tage treten, so halte ich es doch noch für besser, die
Jugend selbst arbeiten zu lassen, als ihr Alles und Jegliches vorzu-
kauen. Freilich, wenn die Aufgaben der Schüler korrigiert und durch-
besprochen sind , dann kann man ihnen über das Thema etwas
Mustergiltiges diktieren oder wenigstens vorlesen. —
Es sei diesen Betrachtungen ein Wort über den deutschen Unter-
richt überhaupt beigefügt. Wenn man verlangt, es soll dieser im
engen Anschluss ans Lateinische erteilt werden, so ist damit (wenigstens
in den untern Klassen, wo die Lektüre lateinischer Autoren gleich
Null ist) offenbar nur der Unterricht in der deutschen Grammatik
gemeint. Was sollte die Nacherzählung einer Fabel oder gar eine
Beschreibung mit dem Lateinischen zu schaffen haben?
Es wird aber beim deutschen Unterricht noch ein anderes Ziel
verfolgt, das seltener gehörig hervorgehoben wird, nämlich die Ver-
standesbildung, die Gedankenübung, mit anderen Worten, der deutsche
Unterricht ist zum grossen Teil auch ein logischer Unterricht. Da der
Schüler nur in der Muttersprache denken und vermittelst derselben
seine Gedanken äussern kann, so fällt allerdings die Gedankenübung
mit der Sprachübung zusammen; wir wollen den Schüler aber gewiss
nicht bloss sprechen, sondern auch denken lehren, ja wir sollen und
wollen ihn vor allem denken lehren. Von diesem Standpunkte aus
dürften sich meine obigen Ausführungen mehr empfehlen. —
Zum Schlüsse noch die Bemerkung, dass in Sexta die deutsche
Grammatik allein schon Gelegenheit zu so reichen, schönen und erspriess-
lichen schriftlichen Uebungen bietet, dass man, vollauf beschäftigt,
kaum nötig hätte, sich nach etwas anderem umzusehen, wenn es nicht
aus andern Gründen wünschenswert wäre. Deren soll vielleicht in
einem weiteren Artikel gedacht werden!
München. Ludwig Mayer.
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Zar Aussprache des Lateluischcn.
A. Spengel hat uns in einer akademischen Abhandlang: „Deutsche
Unarten in der Aussprache des Lateinischen'1 (Sitzung vom 5 Dez. 1874)
unsere Fehler in der Aussprache des Lateinischen vorgehalten. Es
durfte nicht uninteressant sein daran zu erinnern, wie vor nahezu
300 Jahren — 1586 — der berühmte Lipsius in seinem Dialoge de recta
pronuntiatione Latinae . linguae das gleiche Ziel verfolgte: — mit
welchem Erfolge freilich , hat die Zeit gelehrt. Die Gewohnheit und
der Einfluss der modernen Sprachen ist hier stärker als alle ratio
und es ist nicht daran zu denken , dass man je allgemein von einem
Kikero und Kaesar, von eiuem römischen Konkil, von einer Kelebrität
oder Kapakität, von Keremonien oder von den Kedern des Libanon
reden oder in Zukunft einen kitieren, etwas explikieren oder multipli-
kieren wird! Aber innerhalb der Schule, bei Erlernung des
Lateinischen, lässt sich immerhin bei ernstem Willen etwas erreichen
und desshalb sei hier auf die Ausführung der zwei wichtigsten Punkte,
auf welche es zunächst ankommt — die Aussprache des C und der
Silbe ti — in dem Dialoge des Lipsius hingewiesen. Im 13. Kapitel
kommt er auf die Buchstaben C, K, Q, G zu sprechen und sagt:
Jungo quadrigam alt er am, quam trahent mihi equi non concolores
avium, sed gemelli, imo iidem. C K. Q. G iis nomitia. quos a vi aut
soni indole qui discrimines? aegre possis ex meute veterum, qui adeo
easdem censuerunt ut una vice omnium diu sint usi. C sola iis
locum munusque aliarum trium tenuit: donec natae invectaeque Mae,
vix ob neces8itatem sed ornatum. Videbo tarnen singulas et si quid
in aliqua eximium, dicam. C prima et vetustissima est. quam in locum
Kappa Graecanici venisse non est dubium: in locum sed et in sonum.
Plane pleneque ut K elata semper. Nec assertione res egebat. quis
enim Grammaticorum aliter umquam tradidit? nisi qw>d hodie pranus
et pertinax in eo error inolevit. Duplicem ei sonum dedimus, alterum
ut debuimus, alterum ut voluimus. Et cum a vocalibus quidem A. 0 U
• ....
aut diphthongo Au excipitur, suum et relmqutmus et priscum sonum;
efferimus enim Caput, Corpus , Cubitum, Caudam, cum ab E. I. Y.
Ae, Oe, nnrum ei damus et anteaevo inauditum. enuntiamus enim cum
crasso et molesto quodam {nec ambige, quin isti sibili a barbaris sint)
sibilo, Ceram, Cippum, Cyrum, Caenam, Coenum. effatu, quem littera
nulla habet, nulla hui mit. ad Z aut S accedere videtur , non attingit.
Quae haec perversitas? quis auetor? apex non est in veterum scriptis,
qui stabiliat, et mos ille taut um a mala quadam Ubidine peccandi.
Omitto Grammaticos omnes, qui C cum Kappa aequiparant clare; ratio
ipsa quam repugnat? Capio recte e/fers; Cepi ab eo, cur aliter?
cur Incipio? Eccum et Eccam audio: Ecce producis in alia soni
Blätter f. d. bayer. Qymn.- u. Kcal - Sobalw. XL Jahrg.
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22G
veste. A Casto Incestum formari qui vox tua me doceat? et tntdta
alia, quae labern- et ambiguitatum agmen invexere in Latinam linguam.
Silicem aut Cilicem ex enuntiatu nostro aures non discertuwt:
non Cyrum aut Syrum; Sepio aut Caepio; Cell am aut
Seil am; Cervum aut Servum; Dissere aut Diacere et quae
millena. Pudet non tarn erroris quam pertinaciae, quiq corripi pati-
untur at non corrigi, et tenent omnes quod defendat nemo. Itali,
Hispani, Germuni, Galli, Britanni in hoc peccato; a qua gente initium
emendandi? Audeat enim mihi una aliqua et omnes audient. Sed
de C satis.
Und er schliesst das Kapitel mit dem drastischen Ausruf:
Mutemus aut vapulemus!
im folgenden Kapitel spricht er über D und T. Er erwähnt die
Vertauschung dieser Buchstaben in Handschriften und Inschriften und
fährt dann fort:
Effertur hodie utraque rede (nec praeitione mea ad sonum opus)
excipio, quod peccant in T, quoties ea vocalem I. anteit et haec aliam
Q. Papirius quispiam auetor et tutor huic culpac advocari potest ; cuius
haec legiverba. ..Just it in cum scribitur, tertia syllaba sie sonat, quasi
constet ex tribus litteris T. Z et I, cum habeat duas, T et J Sed
notandum, quia in his syllabis sonus iste litterae Z inveniri tantum
potest, quae constant T et I et eas sequitur vocalis quaelibet : ut Tatius,
Otia, Justitia et talia. Excipiuntur quaedam nomina propriaf quae
peregrina sunt. Sed ab his syllabis excluditur sonus Z litterae, quas
sequitur littera I, ut Otii , Iustitii. Item non sonat Z, cum syllabatn
ti antecedit littera S: ut Justins, Castiusu. O nugator! vere enim sie
appello nebulam Grammatici, non Grammaticum et quem mihi certum
nec esse quidem a pri-co aevo. Unicum hoc fragmentum hominis exstat
nec aliud : cui ipsi utinam lumbi et renes diu fracti / At enim, Murete,
inquam, etiam Ciceronis jocus in Art i um quendam id stabiliat; <?mi
allusione nomitu's subjecit ~A$tos. Ergo ut Graecorum illud £ pronunh-
atum T. In fronte, inquit, aliquid est; in re et inspectione nihil
Allusio fuit, sed in propinquo sono non eodem. Et age, si ea pro-
nuntiatio, cur nemo veterum de littera T tale aliquid prodidit? out
quae causa cur sonum ante I magis quam vocalem aliam mutet? non
di.i t ns et sperno audacter hasce ineptias vel uno argumento, quod
nulli Consonantium (aliter quam in Vocalibus) sonus duplex.
Am Schlüsse des ganzen Dialoges, im 23. Kapitel, wendet er sich
noch an die, welche die Sache zunächst angeht, an die Schulmeister,
mit den Worten :
nec habeo quod addam, praeter monita aut verius vota. Utinam
mens iis, qui instituunt iuventutem, haec docendi! non deesset r<*tt°
aut via inducendi. In Graeca pronuntiatione id tarn pervieimu*1
227
quidni Latina haec et cottidiana pariter nitescat ? Cuius usus cum
latissimus [sit: imo cum necessarius ad commercia coniunctionemque
tot gentium: de germana facie eius tarn exiguam nobis curam ease,
iure mirer. In pronuntiatione autem illa est atque ut hominis fonnae
vestis cultusque non parum addit aut detrahit: sie sermoni effatus.
Communio quidem sermonum linguarumque et derivatio vocum non
alia re magis illucescet, quam germano isto enuntiatu. ad quem legi-
titnam viam tibi praeivi , Lipsi: tu eam meliorem mollioremque cal-
cando reddes Dura enim pleraque initia videntur, conßteor: usus est
qui mollit et consuetudo.
München. C. Meiser.
Stilistische Aphorismen«
1. Krankheitszustände der modernen Stilistik.
Wenn wir in diesen Blättern mit stilistischen Aphorismen hervor-
treten, so sahen wir uns hiezu veranlasst durch die eigentümlichen
Verhältnisse, in welchen wir die Stillehre vorfinden. Durchforschen
wir nämlich die vorliegende stilistische Literatur und halten wir Um-
frage nach der in unsern Mittelschulen üblichen Praxis, so stossen wir
auf vieles , was uns zu dem Urteile führt , dass in der Stilistik so
Manches faul sei.
Unseres Erachtens nämlich leidet dieselbe an drei chronischen
Uebeln , die ihre Lebenskraft und Entwicklungsfähigkeit schwer beein-
trächtigen : sie krankt an Empirismus, Dogmatismus und Stagnation.
Zunächst vom Empirismus! Die ganze moderne Stillehre ist
grösstenteils ein Conglomerat von Regeln, welche eines beherrschenden
Princips und der wissenschaftlichen Basis entbehren. Dieses können
wir aus einer grossen Anzahl gerade der verbreitetsten stilistischen
Handbücher, Leitfäden und Sammlungen leicht ersehen. Um nur ein
Beispiel anzuführen: Was lehrt die Stilistik über die in der Einleitung
verwendbaren Gedanken? Sie sagt uns: a) man geht von einem dem
Thema entsprechenden allgemeinen Gedanken aus und geht zum Spe-
cicllen über; b) man geht oft von einem Nebengedanken aus, von
welchem man auf den Hauptgedanken übergeht c) man geht vom Gegen-
teile des Themas aus d) man beginnt mit Erläuterungen des Themas,
mit Worterklärungen und Begriffsbestimmungen , Aussprüchen grosser
Männer, Sprüchwörtern, Bildern, Vergleichungen , Erzählungen, Anek-
doten, Sitten, Erfahrungen aus dem Leben etc." Warum sagt man
nicht lieber einfach: „Beginne ad libitum mit dem Gedanken, der dich
J5*
228
gerade anfliegt 1" Wer vermöchte in diesen Regeln ein Princip zu
erkennen? Sind sie nicht rein empirisch zusammengewürfelt? Und wer
hemerkt nicht die handgreifliche contradictio in adjecto? Regeln für
die Einleitung will man angeben; aber heben denn nicht gerade diese
Regeln jede Regel auf? Das ist doch wirklich Empirismus 1
Doch es gibt noch drastischere Beispiele. Wie naiv empirisch ist
folgende Anleitung! Wenn du eine Abhandlung schreiben willst, lehrt
die Stilistik, so schreibe dir zuerst alles auf, was dir über den betr.
Gegenstand einfällt; dann ordne die Gedanken und schreite zur Aus-
führung. Dies heisst mit andern Worten: Schreibe dir zuerst alles
Mögliche auf; streiche dann alles Mögliche aus und nachdem du durch
diese Operation allmählich eine dunkle Vorstellung von dem bekommen
haben wirst, um was es sich eigentlich handelt, — dann fange von
neuem an, die Gedanken zusammenzusuchen und zusammenzustellen,
die du brauchen kannst. Wie kann man so tändelnd und planlos zu
Werke gehen! Heisst das nicht, bei derjenigen Uebung, die am aller-
meisten geistige Zucht erfordert und erzielen will, den Geist zum
Irrlichteliren anhalten? Wissenschaftlich kann ein solches Verfahren
jedenfalls nicht genannt werden.
Mit dem Empirismus hängt ein anderes Merkmal, welches die
bisherige Stillehre kennzeichnet, zusammen: es ist der Dogmatismus.
Bona ßde schreibt auf unserm Gebiete ein Schriftsteller dem andern
die althergebrachten Regeln, ja vielfach auch die zu denselben ge-
bräuchlichen Beispiele nach, ohne dass es ihm einfällt, dieselben
ernstlich kritisch zu sichten! Es wäre freilich auch gar nicht voraus- '
zusehen, ob nicht bei einer solchen Sichtung am Ende die-- ganze
Stilistik in Trümmer ginge ! ! Dieser Gefahr geht ja selbst die Rinne'scho
Dispositionslehre aus dem Weg, die sich noch am meisten vom allge-
meinen dogmatischen Schlummer losgerissen hat. Auch Rinne unterlässt
es, die Kabinetsfrage der Stilistik zu stellen, sie einmal darauf anzu-
sehen, ob sie überhaupt einer wissenschaftlichen Begründung und
Behandlung fähig sei? Auch er stellt sein Princip dogmatisch auf, d.h.
ohne es zu begründen, riskirend, dass ein Windstoss das ganze immer-
hin schöne Gebäude wieder zusammenwerfe. — Wie sehr überhaupt in
der Stilistik noch alles schlummert, zeigt namentlich der Umstand, dass
es viele Stillebron gibt, die ihren besonderen Werth darin zu suchen
scheinen, dass sie fast die ganze Logik ausschreiben, während andere
die Rhetorik exrerpiren. Aber, müssen wir fragen, ist für die
Stillehre mit der blossen Applikation jener Disciplinen etwas Wesent-
liches gewonnen? Was helfen dem Schüler die logischen Abstraktionen ?
Was hilft ihm eine ausführliche Lehre vom Urteil, vom Schluss etc.?
Helfen ihm diese Gedanken finden? Oder ist die Logik Pispositionslehre ?
Wozu ferner dieser Schwärm von rhetorischen Regeln? Geht es da dem
229
Schüler nicht häufig, wie dem Esel Buridans? Wenn z. B. die oben
citirten Vorschriften sämmtlich Regeln für die Einleitung sind, was ist
denn dann eigentlich die Regel?? Natürlich fällt es uns gar nicht ein,
logische und rhetorische Erörterungen aus der Stillehre zu verbannen»
aber wir tadeln das massenhafte und für die Praxis ziemlich wertlose
Excerpiren und das Vermengen von Disciplinen, die, wenn sie sich
auch in mancher Beziehung verwandt sind, doch eigne Gebiete repräsen-
tiren. Nur eine Folge dieser kritiklosen Vermengung ist es daher, dass
die Stillehre sich über Zweck und Ziel sowie über die Mittel, den Zweck
zu erreichen, noch vielfach unklar ist, dass sie noch gleichsam ein
traumhaftes Dasein führt.
Wir glauben nicht, dass sie aus diesem Traumleben bald erwachen
wird, denn wir verkennen nicht das dritte charakteristische Merkmal
der gegenwärtigen Stillehre, nämlich die sichtliche Stagnation, in
welche sie seit langer Zeit gerathen ist. Sie hat sich bekanntlich aus
der Rhetorik entwickelt; aber sie ist in derselben auch glücklich stecken
geblieben. Kaum hatte sie sich als etwas, das zu selbständigem
Leben bestimmt war, constituirt, so begann auch schon die Versumpfung,
und die moderne Stilistik kommt fast nirgends über die Rhetorik hinaus.
So finden wir die alte Rhetorik mit der Stagnation, in der sie selbst
sich mehr oder minder befindet, in der Stilistik natürlich wieder. Die
alte Topik, mit der man nicht zum Thema kommt, das herrliche
Verslein Quia? quid? ubi? etc. prangt fast in allen Stillehren, und
die Chrie, die kranke Frau in der Rhetorik, vegetirt auch in der
Stilistik weiter und findet selbst heutzutage noch Verehrer und Lob-
reduer. üeber l1/, tausend Jahre spukt diese arme Gestalt in den
Lehrbüchern und Schulzimmern und nicht lässt man sie in die ewige
Ruhe eingehen! Und warum wohl? Weil anderthalb Jahrtausende nicht
im Stande waren, etwas zu finden, was die Chrie unbedingt entbehrlich
gemacht hätte! Ist das nicht gründliche Stagnation?
Wenn wir diesen Stand der Dinge*) überschauen, so müssen wir
erklären: die Stilistik ist noch ziemlich weit davon entfernt,
*) Natürlich partieipiren an den Krankheiten der Stillehre auch die
stilistischen Materialiensammlungen. Wir stossen daher in solchen Büchern
auf die unhaltbarsten Dispositionen und auf Ausführungen, die zwar unter
dem Namen „Musterbeispiele" figuriren, aber in der Tuat oft uur Master
von Willkür und Regellosigkeit sind. Dass ferner bei Herstellung solcher
Sammelwerke dogmatische Behandlung des vorliegenden Stoffes und Bequem-
lichkeit sich gegenseitig unterstützen, zeigt der Umstand, dass viele soge-
nannte neue Materialiensammlungen zur Enttäuschung des Käufers grossentheils
nur Excerpte der vorhandenen bieten. Aber dio neuen Auflagen des Alten
werden doch die groben Fehler verbessern? Keineswegs I Um eine kritische
Sichtung des Vorhan «lenen ist es den Sammlern gemeinhin gar nicht zu thun.
Pietätsvoll überliefern sie das Althergebrachte so, wie sie es vorfanden.
Eine gewisse Krystallisation des Vorhandenen tritt also auch hier klar zu Tage, —
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230
eine Wissenschaft zu sein. Ja es ist überhaupt eine Frage,
ob dieselbe jemals eine Wissenschaft werden könne. Denn es wäre bei
einer eingehenden kritischen Beleuchtung der bisherigen Grundlagen
und Regeln gar nicht unwahrscheinlich, dass man zu dem Satz käme:
die stilistische Darstellung richtet sich überhaupt nicht nach Regeln
oder Gesetzen, eine Stilwissenschaft gibt es daher nie und nimmermehr.
Wir lassen dies dahingestellt, glauben aber, dass derartige Betracht-
ungen vielleicht geeignet wären, die Stilistik aus ihrem Schlummer
aufzurütteln. Und in der That .hat auch bereits vor einer Reihe von
Jahren Rinne den Tagreveil geblasen; aber leider scheint sein Trom-
petenstosB „Heuristisch - dispositionale Compositionslehre" an den Ohren
der meisten StilistiK er wirkungslos verhallt zu sein. Krumen wir ihm
auch in gar mancher Hinsicht nicht beistimmen, so begrüssen wir doch
sein Werk als die Morgenröthe eines neuen Tages der Stilistik.
Hiemit schliessen wir für diesmal. Unser nächster Artikel wird den
Begriff Stil und seine Definitionen einer kritischen Analyse unterziehen.
Kaiserslautern 1. März 1875.
1) Xenophon's griechische Geschichte zum Schulgebrauche mit
erklärenden Anmerkungen versehen von Emil Kurz, k. Professor am
Ludwigsgymnasium. Heft II. Buch IV - VII Schluss München 1874,
J. Lindauer'sche Buchhandlung (Scböpping)
Dem 2. Heft ist auch eine Einleitung in das ganze Werk beige-
geben, die ungeachtet ihres verhältnissmassig geringen Umfanges viel-
mehr für Lehrer als für Schüler bestimmt zu sein scheint. Inderselben
führt der Herr Verfasser aus, wie sich die von Xenophon erzählten
Ereignisse (hauptsächlich V) um 2 bedeutende Persönlichkeiten gruppiren,
in den ersten 3 Büchern (im 3. nur zum Teil?) um Lysander, in den
letzten 4 Büchern um den (auch namentlich zu erwähnenden) Lieblings-
beiden Xenophons. Sodann wird der Standpunkt entwickelt, auf welchem
einzig und allein ein richtiges Verstand niss des Xenophontischen Geschichts-
werkes möglich sei, dass nämlich Xenophon nur in der Hegemonie
Sparta's das Heil seines Vaterlandes erkannt und von dieser Idee so-
wie der Bewunderung für seinen Helden Agesilaus durchdrungen,
Griechenlands Geschicke gezeichnet habe Der Herr Verfasser sucht
diess sodann praktisch an einem Beispiele, der Schilderung der Schlacht
bei Koronea nachzuweisen, die in ihrer Art ein Meisterstück und
wahres Kunstwerk genannt wird. Von der Richtigkeit der Erklärung
der Stelle im 3. Cap. des 4. Buches i§ 17) konnte ich mich auch nach
den Ausführungen des Herrn Verfassers nicht überzeugeu. Gerade die
Parallele im Agesilaus II. §. 11 dürfte es als wahrscheinlich annehmen
lassen, dass tug (wie im Vorausgehenden oaov) zum Zahlbegriffe gehört,
wie diess auch die Stellung von ayte^'ifgauoy zu bestätigen scheint;
indess wird vielleicht richtiger mit xai nttyref olroi ein neuer Satz
f
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231
angefangen (cf. Ages. I. c), wodurch wohl auch Breitenbach's Annahme,
die Worte xrä nHrrts nvroi — iyivavto xai seien eine in den T«xt
geratliene Handbemerkung, überflüssig werden dürfte. Schliesslich
bringt der Herr Verfasser nochmals seine Ueberzcugung zum Ausdruck,
„dass wir d.is wirkliche, im Wesentlichen unverfälschte Werk aus
Xenophon's Hand vor uns haben, das bei seinem reichen und mannig-
fachen Inhalt uns alle Schönheiten und die ganze Anmut Xenophon-
tischer Sprache zeigt".
Lie im vorliegenden 2. Heft enthaltenen Bücher sind mit derselben
Umsicht und Sorgfalt, Lust und Liebe bearbeitet, wie die früheren, so
dass wir uns im Wesentlichen auf das über jene ausgesprochene Urteil
beziehen können Bei der Begeisterung für seinen Autor lässt der
Herr Verfasser insbesondere auf dem Gebiete der Erklärung in künftigen
Auflagen uns noch manche schöne Frucht seiner literarischen Thätig-
keit erwarten.
Von dem Wenigen, worüber man abweichender Ansicht sein kann,
sei Einiges hier erwähnt. IV. 1,3 ist zu y/Sey die Ergänzung von
nc Xoyovg wol nicht nötig, natürlicher die einfache Erklärung. §. 5
befremdet: er begann eine Unterredung; es kann offenbar nur heissen :
es eröffnete das Gespräch etc §. 19 fehlt im Texte nach xarsßaXoy «Je,
das die Handschriften bieten, ohne dass die Auslassung irgendwo begründet
wäre. § 21 dürfte aXXovg am einfachsten durch „eben" zu übersetzen
sein. § 22 ist die Frage, welchen Nebensatz vertritt etc durch das
hinzugefügte pera ro oeinvov wol überflüssig §. 24 konnte auf das
Anacoluth aufmerksam gemacht werden; ibid. wäre die Bemerkung zu
uXla dV xtitftata besser in deutscher Fassung gegeben worden (vergl.
Breitenbach z. d. St.); ibid. Bemerkungen wie zu nqog de rovtois —
7io '/Mi scheinen unnötig; die Erfahrung lehrt, dass gerade solche
Abweichungen die Schüler selbst leicht finden §. 26 dürfte die ver-
suchte Erklärung des Chiasmus Schülern schwer fassbar sein. §. 29
scheint die Erklärung zu avrtS vv gesucht; zu i,xovaey vermisst man
eine Erklärung, wie etwa Breitenbach sie bietet. §. 30 ist auf 11.4,39
verwiesen, ohne dass dort Aufklärung zu finden; übrigens dürfte es
sich empfehlen, vor iv&« Komma zu setzen, wodurch der folgende
Gegensatz lebhafter hervortritt. §. 32 wäre, statt auf II. 3. 42 einfacher
der Verweis auf die Grammatik, weil der Fall doch etwas anders steht,
besonders wegen näyreg. §. 33 mit der Bemerkung zu itftste d1* werden
Schüler wenig anzufangen wissen; zu tooneQra &r,Qta dürfte eine kurze
Anmerkung am Platze sein; dagegen ist § 34 die Bemerkung zu ndyra
r« ixe Ivnv wohl entbehrlich. §. 37 ist es fraglich, ob mit üXhw axqaxi\y6v
auf Conon hingedeutet wird ; cf. Breitenbach z. d. St. ; die Bemerkung
zu mtövrov ti dürfte für Schüler ebenfalls etwas klarer gehalten sein.
§ 40 scheint das Particip denn doch natürlicher als ein kausales
gefasst zu werden und damit wäre zugleich die Frage, ob es sich um
einen Kampf des grossen Knaben mit den Männern oder den Knaben
handelt, entschieden. Widersinnig, wie der Herr Verfasser meint, ist
erstere Annahme bei der Unbestimmtheit, wie weit der Umfang des
v(cis gilt, durchaus nicht. Zu 'j&qyaiov, welches Breitenbach als
Personennamen fasst, wäre zumal bei der Stellung des Wortes eine
kleine Bemerkung angezeigt. *
Cap. II § 3 ist die Bemerkung zu xai o'tcjy für Schüler nicht wol
verständlich. §. 4 die Bemerkung zu i^rtq>i<tayro und xaXdSs yivouo
unnötig, jene zu Xaßoyreg zu wenig sagend. §. 5 die Erklärung von
ajQUTiutttüy nicht deutlich genug; die Bemerkung zu iya dvyairo wol
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232
ganz entbehrlich. §.6 ist die i Ergänzung von ol xQirni auch hart;
sollte nicht vielleicht o,rt ifei evxQweiv zu lesen sein? §. 7 konnte die
Bemerkung zu roaovrtoy viel bestimmter gefasst werden vgl. Breitenbach,
wo die erstere Erklärung gewiss die richtige. § 8 ist die Bemerkung
zu Aaxttiaifioviwv zu modifizieren ; cf. Breitenbach §. 13 hat die Ver-
mutung Breitenbach's sehr viel Ansprechendes. § 18 ist roig richtig
als Mascnl. , wol fälschlich bei Breitenbach als Neutrum gefasst %. 21
die Erklärung zu uui&uvoy ttviuy ist zu unbestimmt. §. 23 liegt die
Annahme Breitenbach's, dass man die Flüchtigen wirklich in die Mauern
aufnahm, wol nicht im Zusammmenhange
Cap. III §. 2 das x«i in waneQ xai ist uns doch auch nicht über-
flüssig? ibid. wird zu nugeytyov richtig rp vixy , weniger genau von
Breiten nach rß uaxD ergänzt. § 7 ist die handschriftliche Ueberlieferung
doch kaum richtig; durch die Beschränkung noXvx«Q(Aog pivroi wird
wol das vorausgehende ol d" dviaroty/ttv unmöglich gemacht; übrigens
setzte sich Polychai mos nicht allein, sondern mit den Seinen 'zur Wehr,
wie die folgenden Worte zeigen. §^8 möchte iTuittQxü*' doch kaum
kausale Erklärung zulassen; war er denn der einzige Befehlshaber?
Zu der Partikel ovy wird (interessant!) auf 1, 38 verwiesen; dortselbst
wieder auf III, 5, 19 und daselbst — — auf die Grammatik. §. 10 ist
die AnmerkuDg zu f*rjyoeio*tjg sachlich zu mager §. 13 jene zu ovx
Eivai nicht klar; zu (AtittjluXuiv vergl. Breitenbach, dessen Erklärung wol
den Vorzug verdient; §. 23 wird zu dem zweiten ol &i eine kleine
Bemerkung notwendig sein, cf. Breitenbach.
Cap IV § 1 ist die Note zu envitSy pi» ungenügend, teilweise
falsch (Druckversehen!?) s. Breitenbach z. d. St. Nur dürfte rwa?,
dessen Ausfall Breitenbach vermutet, doch zu schwach sein; ich vermute,
dass vor dno&yijaxoyrug oder hinter eyyvg B&ttt ■ . ovx oXiyovg oder
rovg tivdoctg oder dergleichen ausgefallen.
Da ich den einer blossen Anzeige verstatteten Kaum bereits über-
schritten zu haben fürchte, so schliesse ich mit dem aufrichtigen
Wunsche, dass die Ausgabe des Herrn Kurz, die allen Anforderungen
an eine Schulausgabe bestens entspricht und auch hinsichtlich der
äussern Ausstattung durchaus nichts zu wünschen übrig lässt, die ver-
diente Anerkennung und möglichste Verbreitung in unseren Schulen
finden möge.
2) Xenophon's Hellenika, erklärt von Ludwig Breitenbach.
Zweiter Band. Buch III und IV. Berlin, Weidmann'sche Buch-
handlung. 1874.
Dem Bande ist eine 91 S. umfassende Einleitung vorausgeschickt,
deren Inhalt sich übrigens auch auf die noch in Aussicht stehenden
Bücher erstreckt. Aus Inhalt und Form wird darzulegen versucht,
welchen Plan der Schriftsteller verfolgte und wie er ihn ausführte.
Insbesondere soll auch hier wieder nachgewiesen werden, dass der erste
(Buch I und II) und zweite Teil (Buch III — VII) als besondere Werke
anzusehen sind, wodurch häufig ein Rückblick und Vergleich mit jenem
notwendig wird. Zuerst handelt der Herr Verfasser von der äussern
Darstellung; „sie fliesst zusammenhängend wie in der Anabasis. Ausser
• 22 meist ganz direkt gehaltenen Reden und zahlreichen gelegentlich w
die Erzählung eingeflochtenen Gesprächen belebt die Darstellung der von
Xenophon mit besonderer Kunst verwendete Dialog. Die Erzählung is*
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durchweg lebhaft, anschaulich, oft energisch, voll regen Interesses für
die Ereignisse, Zustände, Personen". Als Belege werden zahlreiche
der interessantesten Partien zusammengestellt.
„Das Interesse des Schriftstellers kömmt bald in der Form des
Lobes bald in der des Tadels, nicht selten durch Betrachtungen ethischer
oder praktischer Art zum Ausdruck; selbst ein gewisser Humor, bald
heiterer, bald ernster Färbung ist bisweilen nicht zu verkennen".
Der Besprechung der äussern Darstellung folgt die Betrachtung
des Inhalts, die mit grosser Sorgfalt und genauer Sachkenntniss aus-
geführt, den pragmatischen Zusammenhang der erzählten Ereignisse
anschaulich macht. „Das Ganze zerfällt in zwei Abschnitte, deren
erster so ziemlich in der Mitte der Bücher III — VII endet; V. 4. 1
beginnt der zweite Abschnitt Aus dieser Inhaltsangabo wird ersichtlich,
dass uns hier nicht eine allgemeine Geschichte Griechenlands (anter
gleichmässiger Berücksichtigung von Sparta, Athen, Theben) geboten wird,
sondern eine Darstellung, deren Hauptfaden die Geschiebte Sparta's
bildet, was zur Evidenz im ersten Abschnitt hervortritt, weniger im
zweiten. Dass Xcnophon Sparta handelnd und leidend mit Bewusstsein
und planmässig, zum Mittelpunkt seiner Geschichtsdarstellung der Jahre
399 — 362 gemacht hat, lässt sich auch aus deren Einkleidung und
Begrenzung, sowie vom Inhalte abgesehen, auch aus Xenopbon's poli-
tischen Ansichten und besonderen Lebensverhältnissen ersehen. Jene
bringt er in drei der bedeutendsten Reden zum Ausdruck. In der
paritätischen ungeschwächten Machtstellung Sparta's und Athen's sieht
er das Heil von ganz HellaB. Die Spitze der vereinigten Kraft Griechen-
lands unter der Führung dieser beiden Staaten möchte er gegen die
Barbaren gerichtet sehen Uebrigens haben so manche Begebenheiten
in seinem Gescbichtswerke keine Erwähnung gefunden, weil an ihnen
die Lacedämonier nicht unmittelbar betheiligt waren; dazukommt, dass
ihn vorzugsweise die praktisch - moralische Seite der Geschichte inter-
essirt, was der streng pragmatischen Entwickelung der Begebenheiten
bedeutend Eintrag thut. Lebhaft und anschaulich wird die Darstellung
überall, wo Xenophon sich für den Gegenstand interessirt, auch wenn
er nicht Augenzeuge gewesen, so besonders als Soldat für Kämpfe
und Schlachten. Diese sind daher auch mit besonderer Ausführlich-
keit geschildert".
Von §. 55 an handelt der Verfasser von der Chronologie des
II. Teiles, „die nicht in gleicher Weise wie jene des I. Teiles, mangel-
haft erscheint. Seine Erfahrung, seine Beobachtungen und Lebens-
anschauungen dienen ihm für die Schilderung der Zeitbegebenheiten
als Anhaltspunkt " — Nachdem der Herr Verfasser den Vorwurf der Un-
vollständigkcit und Ungleichmässigkeit auf Grund genauer Prüfung des
Inhalts und der bei der Ausführung leitenden Gesichtspunkte von dem
zweiten Teile abgewiesen, folgt von §. 68 an eine interessante Be-
sprechung der Anordnung und Verknüpfung der einzelnen Partien des
Erzäblungsstoffes , die als geschickt gruppirt bezeichnet werden, „eine
lange lteihe teils kleinerer teils grösserer Geschichtsbilder die, äusser-
lich meist nicht ohne Kunst verbunden, nach ihrem inneren Zusammen-
hange ein Ganzes bilden , das die Geschichte der Jahre 399 — 362
von dem Standpunkte, den Xenophon einnimmt und über den sich die
Einleitung ausführlich verbreitet, in den wesentlichen Zügen an-
schaulich darstellt".
§. 83 wird sodunn hervorgehoben, dass beide Teile zu verschiedenen
Zeiten verfasst sind, der zweite Teil in der auf uns gekommenen Form
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234
erst nach der Schlacht bei Mantinea, wobei Dicht ausgeschlossen werde,
das« das Material dazu schon früher gesammelt wurde. Von §. 89 an
wird noch die Frage erörtert, wie man es zu verstehen habe, da»s der
aweite Teil, obwol für sich bestehend, vom ersten Teil durch P\tu,
Darstellung, Abfassungszeit weit getrennt, doch mit demselben ausser-
lieb verbunden erscheine.
Der Inhalt von §. Ol bis 122 ist der Rechtfertigung XenojuWs
gegenüber den unverdienten Vorwürfen, die ihm seine innere Beteiligung
an den erzählten Ereignissen, besonders am Schlüsse der Schrift zuge
«ogen, gewidmet Sein offener, ehrlicher Lakonismus, durchaus sittlicher
Natur, macht ihn nicht blind für die Fehler der Lakedämouier, nicht
ungerecht gegen deren Gegner. Wie wolthätig und für leidlich iften-
liche Zustände im Peloponnes notwendig Sparta's Autorität und Macht,
wenn nur mit Mässigung zur Geltung gebracht, von dieser Erkenntniss
war Xenophon bei seiner Darstellung geleitet; nur der lakedämonische
Staat, nieht etwa der thebanische war geeignet, die Ordnung im Pelo-
ponnes und seine Interessen zu wahren. Gegen Athen zeigt er durch-
gehends Wolwollen, milde Beurteilung, nirgends Bitterkeit gegen das
Vaterland, das ihn verbannt. Seine Stimmung gegen Theben betreffend
wird gezeigt, dass er an der gerechten Erbitterung des Agcsilaos gegen
Theben Teil nahm, solange diese nicht ungerecht und unheilvoll wird;
dass übrigens diese Teilnahme keineswegs nur auf seine spartaner-
freundliche Gesinnung oder auf rein persönliche Motive, sondern auch
auf die traditionelle Abneigung der Athener überhaupt gegen die The-
baner schon seit den Perserkriegen, endlich den Gegensatz politischer
Bestrebungen zurückzuführen, indem die Thebaner auf nichts weniger
abzielten, als Sparta und Athen, in deren paritätischer Verbindung
er das Heil Griechenlands sah, ohnmächtig zu machen, eine Präten&iou,
über die jeder Athener uud Spartaner entrüstet werden musste Un-
gerecht ist übrigens Xenophon auch gegen sie nicht, mithin glaubwürdig.
Nachdem noch bemerkt, dass die letzten 5 Bücher im Einzelnen
und im Ganzen betrachtet als das , was sie sind, „Lebenserinnerungen
aus den Jahren 399 — 3t>2" in jeder Hinsicht die Lobsprüche , die die
Alten den Xenophontischen Schriften überhaupt gespendet, verdienen,
schliesst das Ganze mit einer chronologischen Uebersicht der wichtigsten
Ereignisse
Diess sind im Wesentlichen die Grundzüge der wertvollen Ein-
leitung, in welcher alle in Betracht kommenden Fragen erschöpfend
behandelt werden; ausserdem enthält das Buch in Noten unter dem
Texte einen sehr umfassenden Commentar erklärender und, wo es nötig
erscheint, auch kritischer Bemerkungen, ilie keine Seite der Erklärung
unberücksichtigt lassen und so demselben auch praktische Brauchbarkeit
in eminentem Grade verleihen. Und so stehen wir nicht an, unser
Gesaramturt.il dabin festzustellen, dass die Hellenica Breit enbach's,
zweifellos eine der schönsten Erscheinungen der Gegenwart auf dem
Gebiete griechischer Literatur, sich nicht bloss als Schuliectüxe für
reifere Schüler höherer Classen mit gröstem Nut/m - rwerten lassen,
sondern auch für Lehrer i sowie für Forscher her Geschichte
eine höchst beachtenswerte und willkommene I Tin durften.
Landshut. : e r.
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235
Die Grundzüge der französischen Literatur- und Sprachgeschichte
bis 1870. Mit Anmerkungen zum Uebersctzcn iu's Französische von
H. Brei tinger. Zürich J875.
Vorliegendos Werkchen, welches das fünfte Heft einer Serie von
Lehrmitteln zum Uebcrsetzen aus dem Deutseben ins Französische
bildet, ist für die obersten Kurse einer höheren Lehranstalt bestimmt.
Es enthält — ausser dem Verzeichnis9 der vom Verfasser benutzten,
viel umfassenden Literatur im Eingang und zahlreichen , die Neuzeit
betreffenden bibliographischen Notizen am Schlüsse — in 22 Kapiteln
eine kurzgefasste Geschichte der französischen Sprache und Literatur.
Der Verfasser hat es verstanden, ein klares, lebendiges, gefälliges Bild
der literarischen Epochen und ihrer hervorragenden Vertreter in den
engen Rahmen von 102 Seiten einzukleiden. Eine bündige, treffende
Inhaltsangabe der Hauptwerke erweckt das Interesse für die Autoren,
deren Biographie zuweilen durch pikante Züge und Anekdoten aus
ihrem Leben gewürzt ist. Die allmälige Entwickelung des Neufranzös-
ischen aus der lateinischen 'Vulgärsprache und dem Altfranzösischen
wird durch passende Beispiele überzeugend veranschaulicht.
Die wenigen Druckfehler (von denen ich nur das idole encense'p.7i
hervorheben will) sind leicht zu corrigiren und thun dem Gebrauch des
nützlichen Werkchens keinen Eintrag. Die Anmerkungen zum Ueber-
setzen stehen unter dem Text und sind hie und da etwas spärlich
ausgefallen. Indessen das Büchlein ist für bereits vorgerückte Schüler
berechnet, denen man schon etwas zumuten kann. Deshalb ist es mir
aber aufgefallen, unter jenen Anmerkungen so Manches zu finden, was
Zöglinge gedachter Lernstufe füglich längst aas der Grammatik wissen
müssen, wie z. B. das Verbum finitum, Adverbien, Participe passe1 mit
par u. dgl. Ungewöhnlich erscheint mir der Gebrauch des Zeitworts
rufen mit dem Dativ in Sätzen wie: „Auch hat Villon's Testament
offenbar einem ähnlichen Gedicht in neine's Nachlass gerufen" (p. 23)
oder: „Die religiösen und politischen Fragen riefen einer Menge von
Flugschriften" (p 26) und ebenso p. 45 und 71. Statt „an er boren"
p. 53 und 60 dürfte wol angeboren zu setzen sein. Schliesslich
würde ich in einem für die Jugend bearbeiteten Handbuch die
ängstliche Aufzählung der sittenverderbenden Demi -monde- Stücke des
«weiten Kaiserreichs gern vermissen.
Im Uebrigen verdient das Werkchen nicht nur wegen des an-
ziehenden, gehaltvollen Ueber9etzungsmaterials, sondern auch als vor-
treffliches Hilfsmittel in den Händen der Schüler beim Unterricht in der
Literaturgeschichte alle Beachtung und sei biemit aufs beste empfohlen.
Würzburg. Jent.
lenschaftliche Abhandlungen, hervorgegangen aus Georg
Itischer Gesellschaft zu Leipzig. Leipzig, Hirzel.
Seilschaft" besteht aus neun hoffnungsvollen
idlnngen wahrlich unter dem segensreichen
irbeitet haben. Wir müssen uns leider
titonen nur in Kürze auf die schätzbaren
234
erst nach der Schlacht bei Muntinea, wobei nicht ausgeschlossen verde,
dass das Material dazu schon früher gesammelt wurde. Von §. 89 an
wird noch die Frage erörtert, wie man es zu verstehen habe, dass der
zweite Teil, obwol für sich bestehend, vom ersten Teil durch Plan,
Darstellung, Abfassungszeit weit getrennt, doch mit demselben äusser-
lich verbunden erscheine.
Der Inhalt von §. 91 bis 122 ist der Rechtfertigung Xenophon's
gegenüber den unverdienten Vorwürfen, die ihm seine innere Beteiligung
an den erzählten Ereignissen, besonders am Schlüsse der Schrift zuge-
zogen, gewidmet. Sein offener, ehrlicher Lakonismus, durchaus sittlicher
Natur, macht ihn nicht blind für die Fehler der Lakedämonier, nicht
ungerecht gegen deren Gegner. Wie wolthätig und für leidlich fried-
liche Zustände im Peloponnes notwendig Sparta's Autorität und Macht,
wenn nur mit Müssigung zur Geltung gebracht, von dieser Erkenntniss
war Xenophon bei seiner Darstellung geleitet; nur der lakedämonische
Staat, nicht etwa der thebanische war geeignet, die Ordnung im Pelo-
ponnes und seine Interessen zu wahren. Gegen Athen zeigt er durch-
gehends Wolwollen , milde Beurteilung, nirgends Bitterkeit gegen das
Vaterland, das ihn verbannt Seine Stimmung gegen Theben betreffend
wird gezeigt, dass er an der gerechten Erbitterung des Agesilaos gegen
Theben Teil nahm, solange diese nicht ungerecht und unheilvoll wird;
dass übrigens diese Teilnahme keineswegs nur auf seine spartaner-
freundliche Gesinnung oder auf rein persönliche Motive, sondern auch
auf die traditionelle Abneigung der Athener Uberhaupt gegen die The-
baner schon seit den Perserkriegen, endlich den Gegensatz politischer
Bestrebungen zurückzuführen, indem die Thebaner auf nichts weniger
abzielten, als Sparta und Athen, in deren paritätischer Verbindung
er das Heil Griechenlands sah, ohnmächtig zu machen, eine Prätension,
über die jeder Athener und Spartaner entrüstet werden musste. Un-
gerecht ist übrigens Xenophon auch gegen sie nicht, mithin glaubwürdig.
Nachdem noch bemerkt, dass die letzten 5 Bücher im Einzelnen
und im Ganzen betrachtet als das , was sie sind, „LebenBerinnerungen
aus den Jahren 399 — 3t>2" in jeder Hinsicht die Lobsprüche, die die
Alten den Xenophontischen Schriften überhaupt gespendet, verdienen,
schliesst das Ganze mit einer chronologischen Uebersicht der wichtigsten
Ereignisse
Diess sind im Wesentlichen die Grundzüge der wertvollen Ein-
leitung, in welcher alle in Betracht kommenden Fragen erschöpfend
behandelt werden; ausserdem enthält das Buch in Noten unter dem
Texte einen sehr umfassenden Commentar erklärender und, wo es nötig
erscheint, auch kritischer Bemerkungen, die keine Seite der Erklärung
unberücksichtigt lassen und so demselben auch praktische Brauchbarkeit
in eminentem Grade verleihen. Und so stehen wir nicht an, unser
Gesammturteil dahin festzustellen, dass die Hellenica Breitenbach's,
zweifellos eine der schönsten Erscheinungen der Gegenwart auf dem
Gebiete griechischer Literatur, sich nicht bloss als Schullectüre für
reifere Schüler höherer Classen mit gröstem Nutzen verwerten lassen,
sondern auch für Lehrer \ sowie für Forscher griechischer Geschichte
eine höchst beachtenswerte und willkommene Erscheinung sein dürften.
Landshut. Höger.
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235
Dio Grundzüge der französischen Literatur- und Sprachgeschichte
bis 1870. Mit Anmerkungen zum Uebersetzen in's Französische von
II. Brei tinger. Zürich 1875.
Vorliegendes Werkchen, welches das fünfte Heft einer Serie von
Lehrmitteln zum Uebersetzen aus dem Deutschen ins Französische
bildet, ist für die obersten Kurse einer höheren Lehranstalt bestimmt.
Es enthält — ausser dem Verzeichniss der vom Verfasser benutzten,
viel umfassenden Literatur im Eingang und zahlreichen , die Neuzeit
betreifenden bibliographischen Notizen am Schlüsse — in 22 Kapiteln
eine kurzgefasste Geschichte der französischen Sprache und Literatur.
Der Verfasser hat es verstanden, ein klares, lebendiges, gefälliges Bild
der literarischen Epochen und ihrer hervorrageuden Vertreter in den
engen Rahmen von 102 Seiten einzukleiden. Eine bündige, treffende
Inhaltsangabe der Hauptwerke erweckt das Interesse für die Autoren,
deren Biographie zuweilen durch pikante Züge und Anekdoten aus
ihrem Leben gewürzt ist. Die allmalige Entwickelung des Neufranzös-
ischen aus der lateinischen 'Vulgärsprache und dem AltfranzöBischen
wird durch passende Beispiele überzeugend veranschaulicht.
Die wenigen Druckfehler (von denen ich nur das idöle encensi p.7\
hervorheben will) sind leicht zu corrigiren und thun dem Gebrauch des
nützlichen Werkchens keinen Eintrag. Die Anmerkungen zum Ueber-
setzen stehen unter dem Text und sind hie und da etwas spärlich
ausgefallen. Indessen das Büchlein ist für bereits vorgerückte Schüler
berechnet, denen man schon etwas zumuten kann. Deshalb ist es mir
aber aufgefallen, unter jenen Anmerkungen so Manches zu finden, was
Zöglinge gedachter Lernstufe füglich längst aus der Grammatik wissen
müssen, wie z. B. das Verbum finittun, Adverbien, Participe passe" mit
par u. dgl. Ungewöhnlich erscheint mir der Gebrauch des Zeitworts
rufen mit dem Dativ in Sätzen wie: „Auch hat Villon's Testament
offenbar einem ähnlichen Gedicht in Heine's Nachlas* gerufen" (p. 23)
oder: „Die religiösen und politischen Fragen riefen einer Menge von
Flugschriften" (p. 26) und ebenso p. 45 und 71. Statt „an er boren"
p. 53 und 60 dürfte wol angeboren zu setzen sein. Schliesslich
würde ich in einem für die Jugend bearbeiteten Handbuch die
ängstliche Aufzählung der sittenverderbenden Demi-monde- Stücke des
zweiten Kaiserreichs gern vermissen.
Im Uebrigen verdient das Werkchen nicht nur wegen des an-
ziehenden, gehaltvollen Uebersetzungsmaterials, sondern auch als vor-
treffliches Hilfsmittel in den Händen der Schüler beim Unterricht in der
Literaturgeschichte alle Beachtung und sei biemit aufs beste empfohlen.
Würzburg. Jent.
Sprachwissenschaftliche Abhandlungen , hervorgegangen aus Georg
Curtius' grammatischer Gesellschaft zu Leipzig. Leipzig, Hirzel.
Diese „grammatische Gesellschaft" besteht aus neun hoffnungsvollen
Männern, die in diesen Abhandlungen wahrlich unter dem segensreichen
Einfluss der neun Musen gearbeitet haben. Wir müssen uns leider
Beschränkung auflegen und können nur in Kürze auf die schätzbaren
-
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236
Frflebte der Detailstudien dieser „grammatischen Gesellschaft" auf-
merksam machen. Herr Angermann eröffnet die Abhandlung mit
„Bemerkungen über den Differenzierungstrieb auf dem
Boden des Griechischen und Lateinischen", z. B repo und
epnco, fliv&og und ßä&og, tausend Mann und tausend Männer, X&6ßoXos
und Xi&oß6Xoc (S. 9), also wie &soroxo$ und Seoroxog. Der zweite,
ebenso anziehende Teil behandelt die „formale Differenzierung**.
Nicht minder Gründliches und Anziehendes bietet Herr Merzdorf
in seiner Abhandlung „über die sogenannten äolischen
Bestandteile des nördlichen Dorismus".
Dann reiht sich würdig an Herr Fritscbe, der „über griechische
Perfecta mit Präsensbedeutung" ebenso klar als gründlich spricht.
Gerade Detailstudien tragen ungemein ^zur Förderung der Sprach-
forschung bei und darum muss uns ferner Uhle's gründliche Arbeit
„die Vocalisation und Aspiration des griechischen
starken Perfectums" willkommen sein. Viele Philologen von
Fach, die den Sarcasmus von Grund aus verstehen, ahnten vielleicht
nicht, dass da eine Perfectform dahinter steckt. S 54 stimme ich
Herrn Uhle gerne bei und vergleiche mit ZaQtov die Bedeutung von
'Pfjyioy =z Spalt, Kinst.
Daran seh lies st sich das schöne Resultat der Detaitetudien Jolly's
in seiner Abhandlung „vom Particip". Wir kennen ja den gelehrten
Mitarbeiter der „Gymnasial - Blätter" ohnehin. Diese Leistung (unter
Benützung der „Präsensstämme . . ." von Gustav Meyer) , liefert dem
Leser reiche Ausbeute aus diesem Sprachgebiete.
Wie wichtig ist eine feine Ausscheidung verwandter Wörter in
Schwestersprachen! Ernst Beermann liefert uns hier eine schöne Probe
in seinem „Griechische Wörter im Lateinischen".
Anziehend im hohen Grade sind Wörner's Arbeiten über die Sub-
stantiva auf -wfa, dann Cauer's Abhandlung über die „dorischen
Futur- und Aoristbildungen der Verba auf - C w."
Schliesslich bespricht Carl Brugmann „die Geschichte der
pr äBensstammbildenden Suffixe" und bietet die erfreulichste
und nützlichste Leetüre.
Wir schliessen mit einem aufrichtigen: Floreat die „grammatische
Gesellschaft".
Freising. Zehetmayr.
Literarische Notizen.
Repctitorium der lateinischen Grammatik und Stilistik für die
oberste Gymnasialstufe und namentlich zum Selbststudium bearbeitet
von Dr. H. Menge. 2. Aufl. Braunschweig, Grünbergs Buchhandlung.
1874. 485 S. in 8. Pr. 4 M. 50 Pf. Die zweite Auflage hat eine
durchgehende Revision und damit eine wesentliche Verbesserung
erfahren. Es sind einzelne fehlende Materien nachgetragen , viele
Regeln bestimmter gefasst oder durch lehrreiche Sätze illustriert. Neu
hinzugekommen ist ein Anbang, in welchem eine Anleitung zur Abfassung
lateinischer Aufsätze gegeben wird. Separat erschien:
Kurzgefasste lateinische Synonymik für die obersten Gymnasial -
Klassen, welche auf 104 S. (Pr. 1 M 50 Pf ) das Notwendigste auf
diesem Gebiete enthält.
Google
237
Plutarch's ausgewählte Biographien. Für den Schulgebrauch erklärt
von 0. Siefert und Fr. Blase. Fünftes Bändchen. Agis und Kleo-
menes von Dr. Fr. Blas s. I .eipzig, Teubner. 1875. Pr. 90 Pf. Eine
auf das Notwendige beschränkte aber ausreichende Einleitung fahrt in
die Lektüre der beiden vitae ein. Der Kommentar ist ?on massigem
Umfange und entspricht dem Standpunkt des Schülers.
Isokrates' ausgewählte Reden. Für den Schulgebrauch erklärt von
Dr. 0. Schneider. Zweites Bändchen. Panegyrikus und Philippus.
2. Aufl. Leipzig, Teubner. 1875. Pr. 1 M. 50 Pf. Was Band X S. 297
dieser Blätter von dem ersten Bändchen gesagt wurde, gilt auch von
diesem: der Ausgabe wäre bei all' ihren Vorzügen doch eine ein-
gehendere Revision zu wünschen gewesen.
Aescbylus- Studien. Von Karl Frey, Professor. Beilage zum
Osterprogramm des Schaffhausener Gymnasiums von 1875. Schaffhausen.
Verlag von C. Baader. Auf 76 S. in gr. 8 behandelt der Verfasser
1. Prometheus (die Entwickelung und Behandlung der Sage). II. Aeschy-
leische Licenzen. III Trajektion.
Cicero Brutus de claris oratoribus. Für den Schulgebrauch erklärt
von Dr. K. W. Piderit Zweite Auflage. Leipzig , Teubner. 1875.
Pr. 2 M. 25 Pf. Unter Benützung der neuesten Literatur sorgfältig
durchgesehen und an einzelnen Stellen verbessert.
Des Qu. Horatius Flaccus Sermonen. Herausgegeben und erklärt
von A. Th. H. Fritzsche, Professor an der Universität Leipzig.
Erster Band: Der Sermonen Buch I. Leipzig, Teubner. 1875. Preis
2 M. 40 Pf. Der Text fusst auf Holder, nur dass an einzelnen Stellen
den Blandinischen Handschriften der Vorzug gegeben ist. Die Kritik
ist konservativ. Der Kommentar, reich an sachlichen und sprachlichen
Bemerkungen sowie an Verweisungen auf die einschlägige Literatur,
bietet nach den bisherigen Ausgaben manches Neue und Interessante.
Eine umfangreiche Einleitung (auf 34 Seiten) behandelt das Leben des
Horatius, Entstehung, Wesen und Geschichte der Satura.
Thukydides. Für den Schulgebrauch erklärt von Dr. Gottfried
Boehme. Zweiter Band, erstes Heft. Buch V — VI. 3. verbesserte
und vermehrte Auflage. Leipzig, Teubner. 1875. Pr. 1 M. 20 Pf.
Hebräisch - deutsches und deutsch - hebräisches Uebungsbuch, mit
einem Vokabularium zum Gebrauche auf Gymnasien und zum Selbst-
unterricht von Dr. Aug. Herrn. Schick, ev. Stadtpfarrer in Ingolstadt.
Im Anschlüsse an Dr. Nägclsbach's hebräische Grammatik. I. Teil.
Die Formenlehre. Erste Hälfte. 2. verbesserte und vermehrte Auflage.
Leipzig, Teubner. 1875. 79 S. in 8. Pr. 1 M. Die neue Auflage ist
wesentlich vermehrt, der Stoff auch besser verteilt, das Uebungsbuch
nicht mehr'blos ein deutsch- hebräisches, sondern auch ein hebräisch -
deutsches.
Leitfaden der Algebra für Gymnasien von Dr. A. J. Temme.
2. Aufl , Paderborn 1875, F. Schöningh'sche Buchhandlung. In gedrängter
Darstellung gibt derselbe so ziemlich das Meiste, was Gegenstand des
Unterrichtes auf Gymnasien ist; die Beweise für Sätze, deren Wahrheit
unmittelbar erkannt wird, sind mit Absicht unterlassen, doch fehlt gar
manche wichtige Regel, gegen welche vielfach gefehlt wird in der
Pigiti2e/J. <>y Google
238
________ / •
. . n . a .b sa\ , a a.c a : c /-a -\
Ai.endang, .. B. das, — = . k, y = g-- =5^, (f) :« =
, etc.; auch scheint die Begründung des Verfahrens bei der
b . c
Division komplexer Grössen nicht sehr durchsichtig. Eine besondere
Sorgfalt hat der Verfasser dem Abschnitt §. 14 über die Logik zuge-
wendet; die Darstellung ist hier besonders klar und auch erschöpfend.
Sammlung von Beispielen, Formeln und Aufgaben aus der Buch-
stabenrechnung und Algebra von Meier Ilirsch. 16. Aufl. von Prof.
H. Bertram. Berlin, 1875. Carl Duncker'sche Buchhandlung. In
der neuen Auflage sind Thaler und Groschen auf Mark und Pfennige
umgerechnet. In einzelnen Kapiteln, namentlich bei den Gleichungen,
wurden die Aufgaben vermehrt.
Pflanzen -Atlas von J. G. Hubner. 4 Aufl. Auf 32 Tafeln ent-
haltend: gegen 400 Pflanzenarten und 2000 Figuren. Nebst Begleit-
wort- Heilbronn, Verlag von Gebrüder Henninger. Preis 5 Mark
Empfiehlt sich durch Naturtreue, Reichtum und Mannigfaltigkeit der
Abbildungen, sowie durch zweckmässige Auswahl (namentlich solche,
mit denen der Landmann sich häufig beschäftigt, ferner ausländische,
die in merkantilischer Rücksicht von Bedeutung sind). Die Stiel-, Ast-
und Blatt -Teile sind verhältuissmässig verkleinert, die Blüten -Teile
und Früchte (wenn nicht das Gegenteil besonders bemerkt ist) vergrössert
Uebersichtliches Griechisch - Deutsches Handwörterbuch für die
fanze griechische Literatur. Von B. Suhle und M. Schneide* in
■einzig Hahn'sche Verlagsbuchhandlung. 1875. 1928 (Spalt-) Seiten
in Lex. -Format. Pr. 9 M. 75 Pf. Das Wörterbuch will mit der Hand-
lichkeit dio Zulänglichkeit vereinigen; es hat deshalb den ganzen
Wortschatz der griechischen Literatur aufgenommen, mit Ausschluss
der Eigennamen, soferne sie nicht appellativisch gebraucht sind, und
weniger ganz abseits liegender Wörter. Die Verfasser glauben manches
Irrige, das sich in grösseren Werken findet, berichtigt zu haben, und
waren stets bestrebt, das Zweifelhafte vom Gewissen zu scheiden, ferner
nach dem heutigen Stand der Wissenschaft die Erklärung möglichst
gründlich zu geben, so dass der Sinn des Wortes aus der Grund-
bedeutung und der Entwicklung des Sprachgebrauches sich deutlich
ergibt. Wo der Raum die Beschränkung auf das Notwendigste gebot,
ist vielfach zu weiterer Information auf grössere Werke verwiesen.
Die Ergebnisse der vergleichenden Sprachforschung kamen dem etymo-
logischen Elemente zu gut. Ordnung und Uebersichtlichkeit ist durch
geschickte Gruppirung und geeigneten Druck, sowie durch möglichst
präcise Kürze erzielt. Dabei ist das, was in den Kreis der Schullektüre
fällt, ausführlicher erörtert, als was nur reifere Leser angeht. — An-
gehängt iBt ein Verzeichniss der griechischen Verba anomala in alpha-
betischer Reihenfolge, tabellarisch dargestellt von B. Suhle 27 S.
Auszüge.
Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien.
I. Zur Kritik des Homerns latinus. Von K. S c h e n k 1. Der Verfasser teilt
im Anschlüsse an die Ausgabe von L Müller ( 1857)den Teit desLaurentianus
239
plut LXVlII 24 nach einer von Dr. Krose besorgten Kollation mit nnd
knüpft daran eine nähere Besprechung einiger Stellen. — Beitrag rar
lateinischen Lexicographie Von J. Wrobel (Fortsetzung und Schluss).
5.
I. lieber die sprachlichen Eigentümlichkeiten im Syntipaa. Von Gust.
Meyer in Prag. — Zu Michael Psellos dem Jüngeren. Von Isidor
Hilberg in Wien.
HL Fortsetzung der Besprechung der neuen bairischen Schulordnung
für die Studienanstalten. (Die gemachten Ausstellungen sind grösstenteils
nicht stichhaltig.)
Erklärung.
Im Laufe des Jahres 1874 erschienen im Verlag von Hopfner and
Grammer zu München folgende zwei Schulbücher:
a) Lehrbuch der Arithmetik für Latein-, Real-, Gewerb -
und gewerbliche Fortbildungsschulen von Dr. F. Ustri ch, Director
der Widmanu'scheu Lehranstalt.
b) Sammlung von arithmetischen Aufgaben. Anhang
zum Lehrbuch der Arithmetik etc. Von demselben Verfasser.
In dem Vorwort des Lehrbuches sagt der Herr Verfasser, dass die
bekannten Werke von Hufmann, Dr. Hauck u. 8- w., die Scripten des
Gymnasialprofessors Dr. Klein, sowie die des kgl. Hectors Miller in
München seine Quellen gewesen seien. Eine Quelle aber, aus welcher
Herr Dr. Ustrich ganz ergiebig geschöpft bat, ist nicht genannt, muss
also wol unter dem obigen „u. s. w." versteckt sein.
Der Herr Verfasser hat nämlich die collegiale Aufmerksamkeit
gehabt, in seinem Lehrbuche über 30 Stellen aus dem „Lehrbuch der
Arithmetik von H. Schwager, kgl. Mathematiklehrer in Würzburg",
2«e Auflage 1868 und 3te Auflage 1874 , teils wörtlich , teils mit unbe-
deutenden Abänderungen, zu entlehnen. Die bei den verschiedenen
Kapiteln aufgestellten Aufgaben sind da, wo sie obiger Quelle entnom-
men, auch mit der vollständigen Lösung abgedruckt. Hieher gehören
namentlich die Zins- und die Terminrechnung. Bei diesem fabrik-
mässigen Abschreiben sind in der Eile mitunter auch sinnstörende
Fehler unterlaufen. So enthält z. B. die dritte Lösung, S. 55, eine
falsche Schlussfolgerung, weil der Setzer in eine irrige Zeile geraten
ist, ohne dass es der Corrector gemerkt hat.
Sehr naiv ist, dass, nachdem aus der 2ten Auflage des Schwager'schen
Lehrbuches Seite 47 und 48 die beiden Beispiele über abgekürzte
Multiplikation und Division abgedruckt worden sind, auch noch folgende
Schlussanmerkung mit in den wolfeilen Kauf genommen wurde:
„Die weitere Ausführung der abgekürzten Multiplication und
Division bleibt dem Unterrichte vorbehalten". I
Soweit das Lehrbuch.
Was nun die Ustrich'sche Sammlung von arithmetischen
Aufgaben betrifft, so enthält dieselbe nicht weniger als 38 Beispiele,
welche teils wörtlich , teils mit ganz geringen Abänderungen ebenfalls
dem Schwager'schen Lehrbuch entnommen sind.
Bei den Aufgaben über die Terminrechnung, Seite 26, war der
Herr Verfasser gar nicht mehr wählerisch, er nahm ungenirt gleich die
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■mm- - r • "
240
sümmtlichen in seiner Sammlung befindlichen Beispiele — 10 an der
Zahl — aus obigem Buche, wol desswegen, weil gegen das Ende der
Sammlung die Zeit drängte.
Dass die beiden Schriften des Hrn. Dr. Ustrich vom kgl. Staats-
ministerium empfohlen worden siud (Cultusministerihlblatt No. 36 vom
Jahre 1874), war mir sehr erfreulich zu vernehmen; den Herrn Ver-
fasser möchte ich aber gebeten haben, künftig bei einer etwa notwendig
werdenden zweiten Auflage die vergessene Quelle, wie es Sitte ist,
gefälligst anführen zu wollen *).
Würzburg, im April 1875. H. Schwager,
kgl. Mathematiklehrer.
*) Vgl. die Vorrede zur „Sammlung von arithmetischen Aufgaben von
Steck und Bielmavr , 2. Auflage" , wo dieselben Klagen wie hier erhoben
werden. D. R.
Statistisches.
Ernannt: Studl. Trenn er in Kulmbach zumSubrektor in Hersbruck;
Ass. Hai ler in Regensburg (Konk- 1874) znm Studl. in Weissenburg; der
Zeichenlehrer an der Kreisgewerbschule Kaiserslautern, Voltz, zum Prof.
für dasselbe Fach am Realgymnasium Nürnberg; der Lehrer für neuere
Sprachen an der Studienanstalt Schweinfurt, Voss, in gleicher Eigenschaft
an der Gewerbschule Bamberg; zum Hilfslehrer für Realien an der Kreis-
gewerbschule Augsburg der Lehramtskandidat D o t z c r ; zum Lehrer für Realien
an der Gewerbschule Ingolstadt der dermalige Verweser dieser Stelle, £ d e r.
Gestorben: Prof. Schedlbauer in Straubing.
Der letzte Tag des Mai hat dem bayerischen Gymnasial -Lehrer-
stande zwei schwere Verluste gebracht.
Schulrat P. Gregor Höfer, seit 27 Jahren Rektor des Ludwigs-
Gymnasiums in München, wurde in einem Alter von 62 Jahren durch
den Tod von langen Leiden erlöst; tadellos als Priester, ein gediegener
Philolog und vortrefflicher Lehrer, dessen Brust der Verdienstorden
vom heiligen Michael zierte.
Rektor Dr. Gottfried Friedlein in Hof, gleich tüchtig als
Philolog wie als Mathematiker, die liebenswürdigste Persönlichkeit, der
zärtlichste Familienvater, aufopfernd im Dienst der Wissenschaft und
des Staates, dem er 22 Jahre in verschiedenen Stellungen seine Kraft
mit anerkanntem Erfolge gewidmet, musste in dem schönen Mannes-
alter von 47 Jahren von diesem irdischen Schauplätze abtreten. Sein
früher Hingang ist besonders schmerzlich für diese Blätter, an deren
Begründung er hervorragenden Anteil genommen und deren Redaktion
er seit ihrem Bestehen mit ebensoviel Liebe als Umsicht mitbesorgt
hatte. Sein Andenken sei gesegnet I.
Di
Google
241
Dr. Joh. Gottfried Friedleiu,
geboren am 5. Januar 1828, war der zweite Sohn des Bürgers und
Bäckermeisters Johann Friedrich Friedlein in Kegensburg. Schon in
seinem 10. Lebensjahre verlor er den Vater und das Meiste von dem,
was elterliche Erziehung an ihm that, verdankte er seiner trefflichen
Mutter, Frau Christina Friedlein, geb. Wagner, welche aus Liebe zu
ihren Kindern nicht wieder heiratete, sondern entschlossen die Führung
eines grossen Hausstande« und Geschäftes in eigene Hand nahm und
mit Sorgfalt über ihre vier Kinder, drei Söhne und eine Tochter, wachte.
Sie alle gediehen unter ihrer treuen Pflege, aber der Stolz der Mutter
war Gottfried, welcher hohe Begabung und rastlosen Eifer für alles
Gute, auch frühzeitig schon jene Bestimmtheit des Willens an den Tag
legte, die ihn vor vielen andern ausgezeichnet hat.
Auf dem Gymnasium, welches er im Jahre 1846 mit der Note
Vorzüglich würdig absolvierte, that er sich ausser den Sprachen
besonders in der Mathematik hervor und widmete sich demgemäss
nach einigem Schwanken , ob er sich nicht dem Bergwesen zuwenden
solle, auf der Universität München dem Studium der Philologie und
Mathematik. Er gewann bald das Wohlwollen seiner Professoren,
welche bis an sein Ende freundschaftlichen Verkehr mit ihm gepflogen
haben: wie denn in seinem ganzen Lebensgange zu bemerken ist, dass
mit jeder neuen Bekanntschaft ihm ebensoviel neue Freundschaften
erwuchsen, die sämmtlich zu pflegen er nicht müde wurde.
Der eiserne Fleiss, welchen er an die Bearbeitung einer Preisauf-
gabe setzte, warf ihn auf's Krankenbett: eine Gehirnentzündung liess
das Aeusserste für ihn fürchten und wohl nur der ausgezeichneten
Behandlung , welche er unter besondern Umständen fand, verdankte er
die Erhaltung seines Lebens. Hofrat Thiersch, der Regenerator des
höheren Unterrichtswesens in Baiern, war durch seine Leistungen auf
ihn aufmerksam geworden ; als er den jungen Mann nicht mehr an dem
Platze, welchen er im Collegium einzunehmen pflegte, sitzen sah,
erkundigte er sich nach der Ursache und wusste es dahin zu bringen,
dass der Leibarzt des Königs ihn in besondere Behandlung nahm.
Trotz dieser Erkrankung bestand er bereits nach dreijährigem Besuch
der Universität 1849 den Konkurs für das Gymnasiallehramt, zwei
Jahre später den für das Lehramt der Mathematik an Gymnasien,
beide mit bestem Erfolge.
Im Frühjahr 1850 verliess er München, um an dem Gymnasium
seiner Vaterstadt in die Praxis einzutreten und wurde, nachdem er
inzwischen auch drei Monate Soldat gewesen, im November 1851 zum
Assistenten an den drei oberen Klassen des Gymnasiums Kegensburg,
im Herbst 1852 auch zum Assistenten des Lehrers der Mathematik
da«elbst ernannt; im December 1853 erfolgte seine Anstellung als
Studienlebrer in Erlangen, wo er nacheinander diel., II. und III. Klasse
der Lateinschule unterrichtete. An seinen Aufenthalt in dieser Stadt
schlössen sich schöne Erinnerungen: dort knüpfte er am 23. August 1858
mit Fräulein Wilhelmine Lammers, seiner jetzt um ihn trauernden
Witwe, das Band der Ehe, welcher drei Töchter, jetzt 15, 13 und 1 1 Jahre
alt , und zuletzt ein nach 10 Wochen wieder verstorbenes Söhnlein
entstammten; dort knüpfte er viele freundschaftliche Verbindungen mit
grossen Gelehrten an der Universität, welche damals geradein besonderer
Blüte stand; auch er betrat jetzt mit Erfolg die literarische Laufbahn:
nachdem er durch kleinere Schriften 1857 den Titel eines Doktors der
Philosophie erworben und 1858 an der Jubelteier des greisen Thiersch
sich beteiligt hatte, gab er 1858 und 18.;9 ein griechisches Lesebuch
Blätter f. d. bajrer. Gymn.- ti. Re»l-Schulw. XI. Jalirß. J6
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242
in 2 Teilen und 1861 Gerbert, die Geometrie des Boätius und die
indischen Ziffern heraus. Leider musste er auch in Erlangen dem Tode
wieder ins Angesicht schauen : eine Rippenfellentzündung warf ihn schwer
darnieder und nur nach einem längeren Landaufenthalte in der Nähe von
Regensburg kounte er unter treuester Pßege der Seinigen wieder genesen.
Am 1. Oktober 1862 wurde er zum Professor der Mathematik am
Gymnasium Ansbach ernannt; ein Wechsel des Berufes, welches seine
wissenschaftliche Thätigkeit immer mehr in eine bestimmte Richtung
führte. Er wandte sich ganz dem Studium der alten Mathematiker zu
und gab 186? den lateinischen Text der Schriften des Boetius über
Mathematik und Musik heraus. Auch als praktischer Schulmann zeigte
er grossen Eifer und Geschick, und wurde daher, als die vereinten
Lehrer der bairischen Gymnasien eine eigene Zeitschrift gründeten,
von seinen Kollegen zur Teilnahme an der Redaktion berufen, ein Amt,
dessen er bis zu seinem Ende mit unverdrossener Hingebung zum Segen
dieser Blätter und des bairischen Gymnasiallehrervcreins waltete. Seine
wissenschaftliche Thätigkeit und praktische Lehrbefähigung, seine
Geschäftsgewandtheit und Redegabe, seine tiefe Religiosität und Gewissen-
haftigkeit, seine mit herzgewinnender Liebenswürdigkeit verbundene Festig-
keit und Entschiedenheit, diese und andere Vorzüge wussten auch seine
Vorgesetzten wol zu würdigen: es wurde ihm am 16. März 1868 das
Studienrektorat Hof in Verbindung zuerst mit der Lehrstelle der Ober-
klasse, dann seit dem 1. Oktober 1868 mit der Professur der Mathe-
matikübertragen. Wie segensreich er hier gewirkt hat, wie er überall,
besonders bei Lehrern, Schülern, Eltern gewinnend und vertrauen-
erweckend auftrat, wie er die Studienanstalt in aller Art würdig vertrat
und gedeihlich verwaltete: das kann hier des weiteren nicht geschildert
werden. Bald ernannte ihn auch die Stadt zum Rektor der neu organi-
sierten höheren Töchterschule, an deren Erstehen und Aufblühen er
einen Hauptanteil hat: eine neue schöne Seite seines Wesens zeigte er
in der Uneigennützigkeit , mit welcher er sowol das Rektorat derselben
als drei Unterrichtsstunden wöchentlich ohne jede Bezahlung übernahm.
Von der Annahme des höchst ehrenvollen Antrags an dem von König
Max II. ins Leben gerufenen Werke, einer Geschichte sämmtlicher
Wissenschaften, durch Uebernahme der Geschichte der Mathematik sich
zu beteiligen, musste er wegen seiner amtlichen Geschäfte zurücktreten ;
was er dafür vorgearbeitet hatte, veröffentlichteer 1869 in seiner Geschichte
der Zahlzeichen der Griechen und Römer. Ausserdem schrieb er
Recensionen und Abhandlungen in mathematischen Zeitschriften Deutsch-
lands und Italiens und gab noch im Jahre 1873 den Kommentar des
Prokies zum 1. Buche der Elemente des Euklides heraus. Daneben
fand er unter vielem andern auch die Zeit mit Erziehung und Unter-
richt seiner Kinder sich aufs Angelegentlichste zu beschäftigen. Leider
wohnte, wie wir jetzt wissen, dieser feurige und frische Geist in einem
hinfälligen Körper: im Frühling 1871 führte ein Blutsturz die dritte
sein Leben bedrohende Krankheit herbei; im Herbst 1874 traten bedenk-
liche Ohnmachtsfälle ein; vor 2 Monaten ergriff ihn die Lungenschwind-
sucht, welche unter den schmerzlichsten Leiden endlich zur völligen
Auflösung führte. Er starb an demselben 31. Mai wie 7 Jahre früher
sein Amtsvorgänger Rektor Dr. Gebhardt, in demselben 48. Lebensjahre,
das auch das letzte seines Vaters gewesen war. Sein Gedächtniss wird
nicht erlöschen ; insbesondere werden diese Blätter, die er mitbegründen
half und mehr als ein Dezennium wie ein sorgsamer Gärtner pflegte,
sowie der bair. Gymna3iallehrerverein, an dessen Versammlungen er
stets hervorragenden Anteil nahm, sein Andenken immer in Ehren halten.
Gedruckt UsJ j Qottoawinter A Wö.il in München, The»tmerstrai*e 18.
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Zu einigen Stellen im üiou uud Chabrias des Com. Nepos.
Es ist bekannt, welch grosse Verdienste sich der jüngst verstorbene
Nipperde \ um die Kritik und Interpretation der wenigen erhaltenen
Reste aus den Schriften des C Nepos erworben hat. Auf seinen
Schultern steht zum guten Teil die weitaus beste aller Textaus-
gabeu, welche wir von diesem Schriftsteller besitzen, die bekannte
Halm'sche vom Jahr 1871 In der Ausgabe vom Jahre 1849 aber hat
Nipperdey, abgesehen von der wertvollen Einleitung, eine reiche Fülle
von stilistischen und sachlichen Bemerkungen zum Text niedergelegt,
so dass jeder, der diese gründliehe und scharfsinnige Arbeit kennt,
nur bedauern muss, dass es dein gelehrten Verfasser nicht gegönnt
war, dieselbe „mit den Resultaten eigner und fremder Bemühung
vermehrt aufs neue zu veröffentlichen, damit sie wieder, auf die Höbe
der Forschung gebracht, jedem jungen Philologen zum Muster in die
Hand gegeben werden kann, wie man einen Schriftsteller erklären
muss" (Eberhard in der Zeitschrift f. d. G.-W XXV. Jahrg. II Bd.
S. 667). Dass ferner seit jener Ausgabe ausser von Nipperdey seihst
auch von einer Reihe anderer Gelehrten sehr viel für die Verbesserung
und Erklärung des Textes geschehen ist, lässt sich leicht aus der
erwähnten Ausgabe von Halm erkeunen. Wenn ich dennoch die Ausicht
ausspreche, doss an «inen Ahschluss in dieser mühsamen Arbeit noch
lange nicht zu denken ist, ja dass der Standpunkt jener verdienstvollen
Gelehrten im Laufe der Zeiten noch manche Modihcatiouen erfuhieu
wird, so liegt das eben in der Eigenartigkeit unseres Schriftstellers,
von dem Eberhaid a a. O. S. 649 mit Recht sagt: „Bei eiuem so
eigentümlichen Schriftsteller wie C. Nepos ist die Konjekturalkrii.k
deswegen besonders schwierig, weil mau nicht sicher weiss, weder in
historischen Dingen noch in der Logik noch in der Sprache, welchen
Grad von Ungenauigkeit man ihm zutrauen darf".
Sehe ich nun recht, so ist Nipperdey in seiner Beurteilung der
Leistungen unsers Schriftstellers nicht ganz seilen über das rechte
Mass hinausgegangen und zwar aus zwei Gründen: erstlich, weil er
öfters den abweichenden Berichten anderer Schriftsteller (wie Plutarch,
Diodor u s. w ) mehr als notwendig beigepflichtet, und zweitens, weil
er teils den überlieferten Text für zuverlässiger gehalten als er
in der That ist, teils auch die richtige Auffassung desselben übersehen
hat. Angedeutet bat den letzteren Punkt auch Eberhard a. a. 0. mit
den Worten : ,„N. hat die grösste, man dar! wol sagen übergrosse Vor-
sicht in der Aufnahme von Konjekturen gezeigt".
Hlitter f. d. bayer. Oymn.- «. Real-8chu»w. XI. Jährte. |7
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241
Indem ich bitte, mir für jetzt deii Beweis für die erste Behauptung
zu erlassen, will ich schon aus dc;n äusserlieheu Grunde <Us Raum-
mangels mich auf einzelue Stellen im Dion und Chabri«s beschränken,
um teils durch Erklärung teils durch Nachweis der Tcxtverderbniss
zu zeigen, wie sehr mau noch immer 1* rauche hat, mit dem Urteil
über die schriftstellerische Bedeutung des Nepos zurückhaltend zu sein
Ich wähle zunächst jene Partie aus dem Leben des merkwürdigen
Siciliers Dion , in der Nepos das Sinken und den Untergang seines
Glückes darstellt. Gleich die ersten Worte des 6. Kapitels müssen
Anstoss erregen, da im vorhergehenden Kapitel die vollständige Angabe
jener reu tarn pronperae tamque inopinatae fehlt, auf welche offenbar
Bezug genommen wird. Auffalleuder Weise konnte sich Nipperdey erst
in seiner kleineren Ausgabe (mir steht nur die 5. Aurl. von 1808 zu
Gebote) eutschliessen , eine Lücke vor dem Beginn unseres jetzigen
ß. Kapitels anzunehmen Wenn man bedenkt, welch grosse Wichtig-
keit Plutarch und Diodor den Kämpfen beilegen, die schliesslich nach
mancherlei Variationen zur völligen Vertreibung des Dionys führen,
so dürfte mau wol in der Anuabme nicht irren, dass mindestens ein
ganzes Kapitel zwischen dem 5. und 6. ausgefallen ist, zumal gerade
diese Partie Gelegenheit gab, das bedeutende Talent Dioos in der
Heerführung iu klares Licht zu stellen. Die weiter in den Kapiteln G 9
folgenden Mitteiluugen sind offenbar aus andern Quellen geschöpft, als
dem Plutarch bei seiner Lebensbeschreibung des Dion uud dem Diodor
bei Verabfassuug seiner Geschichte zu Gebote standen. Während
namentlich bei Plutarch Dion als unglückliche« Opfer des unerbittlichen
Fatums erscheint, tritt bei N. mehr die Ansicht hervor, dass den
Tyrannen von Syrakus das gewohnte uud verdiente Geschick erreicht
habe. Ob an dieser Auffassung die persönlichen Ansichten und Neig-
ungen des Republikaners N. mehr oder weniger Anteil haben, oder
ober uur wiedergibt, was er iu seinen Quellen gefunden hat, lässt sich
wol nicht mehr entscheiden. Ja selbst darin geht Nipperdey zu
weit, dass er dem ruchlosen Mörder des Dion mit aller Bestimmtheit
den Namen Callippua statt CaUicrates viudicirt. Wie dem übrigens
auch sein mag, von dem Vorwurf des Mangels an kritischem Sinn
wird N schon darum nicht gereinigt werden können, weil ein unver-
dächtiger Zeuge aus dun Altertum selbst (Plinius N. H. V, 1, 4) ihn
der Leichtgläubigkeit bezichtigt Sollte nun aber N wirklich iu Bezug
auf den aus den Quellen entnommenen Stoff nicht nur vieles absichtlich
übergangen, sondern auch ebeufalls absichtlich vieles gänzlich verdreht
hauen, wie Nipperdey behauptet (A. von 1840, Einleitung S. XXXI);
darf auch mit Kecht der Stil des N. ungleichmäßig und nicht s« lten
auch nachlässig geuanut werden, so bin ich duch überzeugt, <lass
Grasherger Recht hat, wenn er (Eos. I, 2, S 229 f.) sagt, mau dürfe
A
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t
245
bei einem Schriftsteller, der seiner Zeit einen nicht unbedeutenik ri*
Namen hatte, dessen Schriften wenigstens gelesen wurden, nicht
derartige grob« Fehler in der Darstellung annehmen, wie man sie auch,
heutzutage weit eher einem sorglosen Setzer oder Corrcetor als dem
Autor selbst zuzuschreiben geneigt sein würde.
Dass Nipperdey's Ausstellungen mitunter auf mangelhafter Inter-
pretation beruhen, dafür gibt, glaube ich, das 7. Kapitel nnsers Dion
einen interessanten Beweis. Dion hat nach der Ermordung des Hern-
klides, um das Heer fester an sich zu knüpfen, die konfiscirten Güter
seiner Gegner an die Soldaten verteilt und dabei nicht das verständige
Mass walten lassen (licentius hat wol nichts mit dem Ueberscbreitcn
der Gesetze zu thun, wie Nipperdey in seiner kleinen Ausgabe
erklärt). Wie man mit diesen Mitteln fertig war (quibus divisis*),
trat, da man auch sonst alle Tage tüchtige Ausgaben hatte, bald Geld-
mangel ein, und so blieb denn schliesslich (wenn man so fortwirt-
schaften wollte) nichts übrig, als den eignen Anhängern aus der
Adelspartei ihre Güter zu nehmen.
Unser Text fährt uun fort: Id ejis modi erat, ut, cum milites
reconciliasset, amitteret optimates In den' beiden mir vorliegenden
Ausgaben nennt Nipperdey die^e Darstellung unklar und (in der
kleineren auch) unrichtig Wenn ich recht sehe, bat aber Nipperdey
selbst darin gefehlt, dass er eine Entfremdung nicht blos der Soldaten,
sondern auch der Optimaten annimmt. Die Soldaten allerdings waren,
als (nicht so oft, wie Nipperdey meint i die Gratificationen oder Zulagen
aufhörten, nicht wenig verstimmt. Dass dies der Fall war, sagt N. bald
darauf ganz deutlich : offensa in cum müitum voluntate, und im nächsten
Kapitel glaubt Dion seinem Freunde Callicrates, der ihm vor dem
Hasse der Soldaten bange macht Noch klarer drückt sich über diesen
letzten Punkt Plutarch aus (Dion c 54), wenn er sagt: «fi yitQ nute
(pitivuq iwj' OTQttTHot div ;i (joV ix( ivov tj k f k e y fj t ¥ ff g « X 9$ w < ttru-
(ptQvjy 1}' 71 CA / ff aut vu g t:n' uviov. Von einer Verstimmung der Optimaten
dagegen , auf deren Seite gerade Dion gegen Heraclides gestanden war
(vgl. Plut. Dion c. 53), weiss auch N nichts. Hätte Dion auch die
eignen Anhänger nicht geschont, was doch nicht klug gewesen wäre}
so wäre ja auch die Verstimmung der Soldaten nicht denkbar. Dies
bedeutet aber auch der oben citirte Satz gar nicht, sobald man den
Sinn des id ejus modi erat richtig fasst. Dieses id schliesat sich
unmittelbar an die vorhergehenden Worte in amicorum possessiones
(manus porrigere) an und steht an Stelle eines hypothetischen Vorder-
*) Hier fehlt in der Hainichen Ausgabe das Komma, wie mir scheint,
mit Unrecht
17»
✓
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240
satzes der sogenannten 4. Art: wenn pr auch nach den Gütern seiner
Anhänger die Hände ausgestreckt hätte, so hätte er in Folge dessen
[ejus modi erat, ut) zwar die Soldaten (die über die Unterbrechung der
Schenkungen unwillig waren) wieder gcwounen, aber die Optimaten
(d. h. so weit sie bisher zu ihm hielten) verloren. Der Indikativ des
Imperfekts kommt bekanntlich auch sonst vor statt des Konjunktivs
Plusquamperfecti (vgl. Zutnpts Gramm., 9. A S 510 b.), und zwar, wie
mir scheint, besonders danu, wenn mau die Folge als unausbleiblich
bezeichnen will. Da gerade in diesem Falle das av der Apodosis im
Griechischen gerne wegfällt (vgl. Krügers Gramm. 3. A. §. 54, 10, I),
so liegt die Vermutung nahe, dass N. genau sein griechisches Original
nachgebildet hat, welches lautete: iovto ye ovruq wäre xrk Somit
hat also Dion es nur mit den Soldaten verdorben, und diese waren es
auch, von denen es im folgenden Satz heisst, dass sie über Dion sich
schlimm vernehmen Hessen, während sie ihn vorher gar nicht genug
rühmen konnten Darum ist auch eine Versetzung des Relativsatzes
quorum — laudibus hinter militum voluntate , wie sie im Pbilol. Anz.
(Bd. IV, S. 93) verlangt wird, nicht nur unnötig, sondern sogar falsch,
insofern ab Iiis, wie statt ab iis vorgeschlagen wird, von den Optimaten
verstanden werden soll Ebenso falsch ist im §. 2 des 8. Kapitels die
Umstellung in propter odium populi et offensionem militum , die an
der gleichen Stelle verlangt wird, obgleich oben N. von der offensa
militum voluntas spricht. Das -stärkere odium ist gewählt, weil Calli-
crates, wie Plutarch's Mitteilung deutlich zeigt, gerade die Stimmung
des Heeres als recht schlimm hinstellen wollte. Die Beziehung des
folgenden quod aber auf das nachstehende odium ist darum nicht zu
befürchten, weil der Satz quod nullo modo evitare passet einen zwar
relativisch angeknüpften, aber an sieb selbständigen Gedanken enthält,
so dass quod einem et id gleichzusetzen und vielleicht posset in posse
zu ändern ist (vgl. Zumpts Gr. 9 A. § t>03, 3)
Dagegen ist rair's auffallend, dass man (meines Wissens) bisher
keinen Anstand genommen hat an den Worten nisi in amicorum pos-
sessiones im §. 2 des 7. Kapitels. Wir haben es hier mit einem
sogenannten abgekürzten Satz zu thun , der durch Ergänzung de3
Verbums suppetere zu einem vollständigen Nebensatz gemacht werden
kann. Die Konstruktion dieses Satzes aber rührt offenbar von der
Ergänzung des Ausdrucks manus porrigere her, die nur danu richtig
wäre, wenn zu suppetebat nicht der Atti ibutivsatz quo manus porrigeret,
sondern ein Subjektsatz manus porrigere gesetzt wäre und gesetzt
werden könnte. Mir acheint die Lesart falsch zu sein, sei es nun,
dass in in Folge falschen Verständnisses hineinkorrigirt wurde, oder
dass sie durch unrichtig gelesenes nisibi =. nisi sibi entstanden ist
247
Ist im 7. Kapitel , wie ich gezeigt zu haben glaube, uur «las in im
§. 2 anstössig, während son9t alles in Ordnung ist, so scheint mir
dagegen im 9 Kapitel der Text übel verderbt zu sein Callicrates,
der ein gefahrliches Spiel um den Thron in Syrakus trieb, möglicher
Weise auch nur das Werkzeug der Feinde Dion's war (Plut. Dion c. 54
med), schreitet zum Abschluss des Unternehmens Nachdem er alle
Massregeln zu seiner Sicherheit getroffen bat, schickt er einige der
verwegensten und stärksten von den Söldnern aus Zakynth (vgl. Plut.
Dion c. 22) geradezu in's Haus des Dion , der sich eben aus dem
Tumult der Proserpinalien (Plut Dion c 56 tin.') zurückgezogen hat.
Kr gibt ihnen den Auftrag, unbewaffnet dahin zu gehen, um keinen
Verdacht zu erregen. Auffallend ist, dass der Auftrag, den Dion um
jeden Preis zu tödten, gar nicht erwähnt ist.
Hi propter notitiam sunt intromissi beisst es weiter, und nun
folgen die Worte at Uli, von denen das erste andeutet, dass etwas ganz
Unerwartetes eintritt, während Uli offenbar im Gegensatz zu dem kurz
vorhergehenden hi steht. Heide aber, die hi und die Uli, können ver-
nünftiger Weise nur die nämlichen Zakynthier sein Dieses at liesse
sich allenfalls vermittelst der Erweiterung des vorhergebenden Ge-
dankens noch annehmbar machen: Da jene Männer wol bekannt waren,
so schöpfte mau keinen Verdacht, sondern Hess sie unbedenklich ein.
Die Sache ging aber ganz anders; denn dieselben u. s. w. Solche
Kürze der Darstellung wäre bei einem Schriftsteller, der nur excerpirt,
vielleicht erklärlich. Dass aber N. den falschen Gegensatz zwischen
hi und HU nicht bemerkt haben sollte, i«t nicht denkbar. Um dem
abzuhelfen, hat Arnoldt (Fleckeisen's N. Jbb. 109, H. 4) vorgeschlagen,
hinter notitiam die Worte a custodibus einzuschieben, um so den
Gegensatz zu Uli zu gewinnen. Aber man lese so die Stelle, und mau
wird sich immer wieder an dem Uli gegenüber jenem hi am Anfang
des vorhergehenden Satzes stossen. Möglich wäre ja at Uli nur dann,
wenn es hiesse: custodes (oder Dion?) eos non dubitaverunt intro-
wittere. At Uli etc. Dagegen scheiut mir so viel an dieser Konjektur
richtig zu sein, dass an dieser Stelle N. etwas von den Leibwächtern
des Dion gesagt hatte; darauf führt notwendig der Anfang des §. 6, wo
durch tili, ipsi ausdrücklich auf eine frühere Erwähnung derselben bin«
gedeutet wird. Dass N., wie Nipperdey in seiner kleinen Ausgabe meint,
vergessen haben sollte, zu erwähnen, dass noch eine besondere nicht
eingeweihte Wache im Innern des Hauses war, scheint mir ganz
undenkbar, und wenn ich recht sehe, so haben uns unsere Handschriften
ausser jenem Uli ipsi c. noch eine weitere Spur an die Hand gegeben,
aus der die Korruptel zu erkennen ist. Denn das hinter Ii mm
stehende ejus ist ein deutliches Zeichen, dass vorher von dem Zimmer,
in welchem sich Dion aufhielt, die Rede war Oder sollte man Urnen
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248
ejus statt Urnen ejus conclaris , in quo Dion versabatur wirklich für
lateinisch haiton dürfen ? Dass jenes ejus schon in früher Zeit Anstoss
erregt hat, erkennt mnn daraus, «lass die Ultrajectana vom .Tahre 1 4J,
die bekanntlich sehr wichtig ist, dasselho woglässt Kleckeisen dagegen
vermutet statt dessen conclavis, und Nipperdey will schreiben (spicil
II, 3 von 180'.») : limine tenus. Wie aber aus conclavis, das ja ganz
klar wäre, ein rätselhaftes ejus entstanden sein sollte, ist unerfindlich,
und der beschränkte Gebrauch von tenus in jener Zeit, sowie die
Nacktheit des Ausdrucks ohne nähere Bestimmung des Urnen sprechen
auch gegeD diese Konjektur. Wenn nun Halm, um den Hauptanstoss
jenes Uli ipsi §. <• wegzuschaffen, dafür ipsius schreiben will, so ist
das eine dem jeteigen Texte ganz angemessene Vermutung, aber auch
nichts weiter; denn so leicht auch aus einem ursprünglichen iprius
ein ipsi werden konnte, und so gerne man auch ipsius an dieser
Stelle unter allen Umständen sehen würde, so bleibt doch immer
rätselhaft, wie man, sei's durch ein Schreihversebeo, sei's aus Missver-
ständniss (etwa um dc,m Leser das Verständniss leichter zu machen I)
auf die Einschiebung dieses Uli kommen konnte. Wollte man indessen
auch der Halm'schen Konjektur beistimmen, so müsste doch zum aller-
mindesten noch jenes Uli im § 4 entfernt werden. Man versuche es
aber auf irgend eine Art, mit der (ziemlich gewaltsamen) Streichung,
oder mit Ersetzung durch iidew , oder mit Verwandlung in illum,
immer wird man auf neue Schwierigkeiten stossen , die ich , um nicht
allzu sehr zu ermüden, unterlasse aulzuzählen. Dies alles zusammen*
genommen, erscheint es mir in hohem Grade wahrscheinlich, dass die
Worte hi — intromissi ihr Dasein einer ausbessernden Hand verdanken,
welche die vorgefundene Lücke verdecken wollte. N hatte an dieser
Stelle sowol die Leibwächter handelnd eingeführt, als auch das Zimmer
erwähnt, in dem sich Dion aufhielt.
Im §. 4 heisst es dann von den Zakyntbiern weiter: colli gant
(Dionem) Dass von einem eigentlichen Binden eicht die Rede sein
kann, ist an sich klar; aber auch Nippcrdey's Erklärung in seiner
kleinen Ausgabe: „sie pressen ihn zusammen, dass er kein Glied
rühren kann", scheint mir unhaltbar. Denn angenommen, dass colligare
\xn Sinne von manibus colligare die angegebene Bedeutung wirklich
hätte, so widerspricht der weitere VerlHiif dieses Ereignisses, wie er nament-
lich in den Worten (§. <») qund Uli vicum tenebant dargestellt ist.
Denn aus diesen geht deutlich hervor, d«ss Dion sich so tapfer seiner
Haut wehrte, dass seine Mörder ihm Dicht an's Leben konnten, üätten
es aber die Zakynthier, deren wir wol drei annehmen dürfen (dgfyti
tivi itHy Zux. iyxsiQidtov sagt Plutarch), his zu jenem Grade der
Ueberwältigung gebracht, den Nipperdey annimmt, so wäre bis zur
Erdrosselung ein kleiner und leichter Schritt gewesen. Den wirklichen
240
Sachverbalt erkennt man am besten aus Plutarch (Dion c. 57): ol df
Tiii Jton't TlQoa ifiJnt'T x«Tt%t:iv i:tfiQ(ofm xcti <svt'Tt)ip£tv aviov. «<r
<)' ov&tf insQuirov, tiinvv ^iyoc. Wie man siebt, konnten sie ihn nicht
in ihre Gewalt bekommen (xuri/eiy) , und man wird daher auch jenes
tenere (§. 6 festhalten) als einen mehr allgemeinen und nicht eben
klaren Ausdruck neben vivum (ohne ihn tödten zu können) ansehen
müssen und in der Betonung zurücktreten lassen. Ueberhaupt ist der
ganze Kausalsatz merkwürdig gebildet, da die beiden Hauptmomente', das
Fordern der Waffe und das nicht tödten Können sprachlich eine unter-
geordnete Stellung einnehmen. Offenbar kommt hier jene von Nipperdey
mit Recht hervorgehobene Neigung zum „Zierlichen und Pikanten, zu
Gegensätzen und Wortspielen" zur Geltung, da N. sich eine solche
Zusammenstellung wie flagitantes vir un nicht entgehen lassen wollte.
. Ist also, um zur Hauptsache zurückzukehren, meine Anschauung von
dem Vorgang richtig, so ist colligant ein Fehler, der aller Wahrschein-
lichkeit nicht dem N , sondern der Ueberlieferung zuzuschreiben ist.
Wenn ich nun vermute, dass N. covfligunt geschrieben hatte, so 9iebt
jeder, dass das falsche conligant durch üebersehen des Buchstaben f
leicht entstehen konnte
Aber noch ein anderes Wort unseres Kapitels erregt Anstöss
N erzählt nämlich am Schlüsse, übereinstimmend mit Plutarch, ein
gewisser Lyco aus Syrakus habe den Mördern auf ihr Verlangen eine
Waffe (Syxetpifhoi' , nicht ci'^oc nennt sie Plutarch) gereicht. Beide
sagen auch übereinstimmend, dass dieselbe durch's Fenster (dt« rijc
»vgiifoc) gereicht worden sei. Aber Plutarch lässt den Dion iv oi-
xtjuuri xXlrtts rums lxnvtl sicn aufhalten, N. dagegen in conclavi edito
Siebeiis bemerkt hiezu : „im oberen Teile des Hauses Dahin pflegte
mau sich zurückzuziehen, wenn man ungestört sein wollte". Wenn
man aber in Beckers (Iharikles (Bd. II, S. 83 f., 103) sich umsieht, 80
findet man, dass ein zweitos Stockwerk (vjisqiöov) in jener Zeit gar
nicht allgemein war und, wenn es aufgesetzt war, am liebsten zu
Sklavenwohnungen benutzt wurde, nnd noch mehr beschränkt finden
wir das Vorkommen zweiter Stockwerke in Pauly's Realencycl. (Bd. II,
S. 1335). Doch angenommen, der Tyrannenpalast in Syrakus wäre ganz
oder teilweise zweistöckig cewesen , so liegt in dem Ausdruck conclave
editum selbst eine Schwierigkeit, da angenommen werden müsste, dass
N in flüchtiger Weise so geschrieben hätte statt conclave editae domus
parti* (Tacit. ann VI, 21). Die grösste Schwierigkeit liegt jedoch
darin, dass Lyco durch's Fenster die Watte gereicht hat Da man
eine am oberen Stockwerk hinlaufende Gnilerie mit Zugang von aussen
bei Dions Palast (vgl. Charicl. II, S. 103) wo! nicht annehmen darf,
so bliebe nur noch der Fall denkbar, dass man eine Leiter herbeigeschafft
hätte. Es hätte diess erst im Augenblick des Bedürfnisses geschehen
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müssen, da die Verschworenen, welche an Thürcn uml Fenster jiostirt
waren, wie Plutarch ausdrücklich sagt, <loi:h unmöglich mit einer Leiter
gegen den Pulast anrücken konnten. Ein solcher Umstand aber, wie
die nicht ungefährliche Ilerbeiscbafl'ung einer Leiter, hatte erwähnt
werden müssen. Diese Umstände machen das Wort edito sehr ver-
dächtig und legen die Vermutung nahe, dass N. geschrieben hatte:
ah dito , zumal da Dions Aufenthalt in einem hinten hinaus (in den
Garten) gelegenen Zimmer den Verschworenen bei ihrem Unternehmen
förderlich war.
Auch das Wort fettest ras wird wol, da f'enestrae mit der Bedeutung
eines Singuhiris nicht nachzuweisen ist, mit dem codex Marcianus in
fenestram zu ändern sein. Dagegen halte ich eine Aenderung in den;
Satze qua fagcret ad salutein (§. 2) nicht für nötig. Wenn in
Fleckeisen's N, Jbb. (Jahrg. 1872. LI. 8) vorgeschlagen wird zu schreiben:
qua (tigeret saltem, so hätte N. nicht nur dieses sattem hier allein
gebraucht, sondern ihm auch eine auffallende Stelle angewiesen. Da
nämlich Callicrates wenigstens die Möglichkeit zur Flucht, nicht die
Möglichkeit zur Flucht wenigstens sich sichern wollte, so hätte N.
korrekt schreiben müssen : ut haberet saltem qua fugeret. Mir acheint
der Ausdruck aus dem gewöhnlichen Leben genommen, ähnlich wie
Cicero an Atticus (ep. III, 19) schreibt: sed et ad salutem libentissime
ex tuo portu proficiscar.
Verlassen wir nun den unglücklichen Sicilier Dion und sehen uns
um nach dem Athener Chabrias, der einen ruhmvolleren Tod vor Chios
gefunden hat. Im 2. §. des I Kapitels hat Halm gewiss mit allem
Hecht Lambin'ä Emendation ftdente summa duet Agesilao aufgenommen,
zu der sich in der Schulausgabe auch Nipperdoy bequemen musste.
Der Schluss des Kapitels aber ist eine ächte crux interpretum geworden
Wenn ich nicht irre, so muss man dieser Stelle von eiuer ganz
iiudern Seite beizukommen suchen, als diess bisher geschehen ist. Der
überlieferte Text lautet nach den besten Handschriften: ex quo factum
est, ut postea athletae ceterique artifices hiis oder his stantibus oder
statibus Statuts \in Statuts ed. Ultraj.) ponendis uterentur, cum vic-
toriam essent adepti. Ueber die Richtigkeit von statibus und in vor
Statuts ist wol kaum ein Zweifel; aber die letzten Worte, namentlich
das cum, haben viel zu schaffen gemacht, Da man von vornherein eine
Beziehung derselben auf his oder iis (wie Halm auch hier schreibt)
statibus angenommen hat, so wollte man durchaus an Stelle jenes cum
ein Relativ haben und konjicirte daher in quibus, quibuscum, quibus
und quomodo (Nipperdeyj Allein allen diesen Konjekturen steht für's
erste schon der Konjunktiv im Wege, abgesehen von der uuerhörten
Korrelation his — quomodo; wenn aber Halm dadurch helfen will,
dass er vor cum die Worte in quibus fuerant einschiebt, so ist dabei
251
übersehen, dass man natürlicher Weise erwarten würde: üa statibus,
in quibutt tränt, cum v. adiphcerentur [adipücebantur?). Für's andere
stehen, wie ich glaube, einer solchen Korrelation wichtige sachliche
Bedenken im Wege. Bekanntlich wird «SAijrr^ von den Schriftstellern
huhl in eng« rem, bald in weiterem Sinne gebraucht, wie aus vielen
Stelleu (vgl Puuly's Bealeneycl. Dd. 1, 2 S. 1992) unzweifelhaft her-
vorgeht. Wäre es hier im weiteren Sinne von allen gebraucht, die mit
andern um das a&Xov kämpfen , so wäre der Zusatz ceterique artißces
wol sehr ungeschickt, Es müssteu ja dann unter den artifices alle
Künstler verstanden werden, welche in den Nationalspielen nicht auf-
treten konnten; bei solchen aber ist für gewöhnlich wenigstens auch
.Ii: AutVellung einer Stiitue nicht zu denken. Ohne "Zweifel dachte
sich N. uuter den athlctae die in den «;wec yvunxoi auftretenden
Männer, besonders die Kiuger und Faustkämpfer ; denn dass das naXatiiv
und das nvxrtxeir in Olympia wenigstens den Mittelpunkt bildete,
zeigen die vielen Bildsäulen solcher nuXumtiti und nt-xrai, die Pausanias
dort vorfand (Paus. Hell. Per. Buch VI) Wenn er nun weiter ceterique
artifices hinzufügt, so will er damit zunächst wenigstens nur solche
Künstler bezeichnen, welche neben den eigentlichen Athleten im Wett-
kampf auftraten, d. h. in den «yone$ Inntxoi und fwvotxoi, und
einen oder mehrere Siege gewannen.
Hält man au einer Korrelation zwischen his statibus und cum
victoriam esuent adepti fest, so kann nur au eine dem Momente des
siegreichen Kampfes eigentümliche. Stellung gedacht werden. Wird uuu
aber eiue solche schon beim Läufer und Wagenleuker sich schwerlich
verwirklichen lassen, so ist das in Bezug auf den mit einem musischen
Kuustwerk siegenden Wettkämpfer geradezu undenkbar. Dann kommt,
dass meines Wissens wenigstens in den Berichten des Tansanias sich
keine Andeutung findet, dass die plastischen Künstler späterer Zeit
ihre Athleten in dem Moment des Sieges darzustellen versucht hätteu.
Dagegen findet sich uuter den wenigen Notizen dieser Art im 10 Kapitel
des VI. Buches die Mitteilung, (ilaucias aus Aegina habe, mit der
Fertigung eines Standbildes für den Faustkämpfer (ilaucus beauftragt,
denselben dargestellt, als ob er Luftstreiche mache, weil Glaucus ganz
besonders sich durch seine geschickten Handbewegungeu beim Fechten
auszeichnete. So gut Chabrias, den jene Stellung zum Empfang des
angreifenden Feindes berühmt gemacht hatte, gerade in dieser dar-
gestellt sein wollte, konnten auch jene Agonisten, auch wenn es
musische Künstler waren, ihre eigene, mit ihrer Kunstuusübung oder
auch einer andern Eigentümlichkeit zusammenhängende Stellung sich
selbst wählen oder vom Künstler ohne solche Bestimmung erhalten.
Freilich fällt die Aufstellung jener oben erwähnton Statue sicher um
SO Jahre vor die Zeit des Chabrias; allein ein solcher Anachronismus
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252
dürfte bei einem Römer, zumal hei Nrpos nicht so schwer wippen,
besonders wenn man bedenkt, dass jene Individualisirung in der plastischen
Kunst doch erst später allgemein geworden sein wird.
Alle diese Erwägungen machen es wahrscheinlich, dass jenes hiis
oder his aus einem schlecht abgeschriebenen oder nicht verstandenen .
suis entstanden ist. Was aber die viel besprochenen Schluss*orte
cum etc. ar.lanL't, so erregen sie solchen Verdacht gegen sich, dass sie
füglich als Glosse entfernt werden dürften; denn erstlich vorstößt ihre
Stellung hinter dem Satz, dem sie als advrrbielle Bestimmung bei-
gegeben sind, gegen alle Gewohnheit, und zweitens war neben den
Athleten und den ihnen zu setzenden Statuen eine solche Beinerkunz
höchst überflüssig, da diese Verhältnisse jedem nur etwas gebildeten
Römer bekannt genug waren.
Auch im X Kapitel scheinen mir die Handschriften mehrere Fehler
zu enthalten, die noch nicht vollständig erkannt sind. Mit Recht bat
Halm das archaistische intuuntur, an dem Nipperdey besonderen
Gefallen zu haben scheint, in das allein richtige intueantur »erwandelt ?
haben doch auch die besseren Handschriften zum Teil intuentur.
Ebenso hat wol Eussner Recht, wenn er (Fleckeisens N. Jt'b. Hd 107,
p. 523) aus alienam opulentium (oder opulent um) fortunam konjicirt:
alienam opulentiam — fortunamque. Denn so anstössig opulentiam neben
alienam ist, so ist doch der Begriff selbst nicU», wie Halm mit Scheffer
will, zu entbehren, weil das folgende vieldeutige fortunam durch den-
selben erst seine spezielle Beziehung erhält Der Ausfall des que
hinter fortunam konnte leicht die falsche Schreibung veranlassen.
Wenn ich recht sehe, so ist vielmehr in dem Worte pauperes eine
Glosse zu erkennen. Da nämlich gesagt sein soll, dass der eine Fehler
der Missgunst unter dem Volk der Freistaaten nach zwei Richtungen
hin sich geltend macht, so erfordert der Parallelismus der Glieder,
dass entweder in heiden die spezielle Klasse von d es (denu diese sind
doch aus den civitatibus herauszunehmen) ausdrücklich genannt wird,
oder dass die allgemeine Bezeichnung des Subjekts auch für den
gegen die Reichen sich richtenden Neid bleibt Dass die taisehe Les-
art intuuntur oder intuentur auf die Ergänzung des Subjekts paupercs
führen inusstc, liegt auf der Hand Ganz tadellos ist übrigens die
Periode auch so noch nicht; denn den Satz inridia gloriae comes sit
hätte ein strenger Stilist dem angefügten (libcuter d. id ) untergeordnet
Betreffs des folgenden Satzes endlich sehe ich mich gezwungen,
die Ansicht, welche Eberhard (h a. 0. S G58) mit Berufung aut
Wölfflin ausgesprochen hat, entschieden zurückzuweisen. Derselbe
meint nämlich, nicht quom „so oft" sei hier der richtige Begriff, sondern
quoniam: ,,weil er in der Lage war, viel abwesend zu sein, benutzte
er diese Freiheit sehr viel" Allein für's erste ist ja der Grund zu
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sein« r Handlungsweise in dem vorhergehenden Satze : quad et — e ff tigere
ganz klar angegeben, und zweitens kann doch plurimum abesse nirlit
nur bedeuten: sehr viel (d Ii sehr oft) abwesend sein, sondern noch viel
leichter: sehr fern sein, wie auch tnultum abesse synonym ist mW long*
abesse. Dass aber N. nur die Grösse, nicht die Zeit der Entfernung
zeigt der bald folgende Satz : qrod tan tum ofuturos, quantum nieinte,
etc., wo doch wol jederman an die Grösse der Entfernung denken wird.
Chabrias entfernte sich, sagt N., nicht bloss so oft, sondern auch
so weit er konnte, von Athen. Somit haben Rinck nnd Klotz ganz
Kccht, wenn sie das quo der besten Handschriften in quam korrigiren,
nicht in quouiam ; konnte doch der Strich Aber quo gar leicht über-
srbpn weden. Merkwürdig ist, dass Nipperdey selbst in seiner Schul-
ausgabe das unbrauchbare 71/0 beibehalten hat, und es durch eine
geschraubte Ergänzung von abesse zu' halten sucht.
Hof. R ubuer.
Oplimus.
Das Wort optimus lässt eine zweifache Deutung zu.
Dasselbe kann erstens von einem Verbum oder Suhstantivum
abgeleitet sein. Die Form erlaubt dieses. Es ist niimlich dann optimus,
optumus ein Derivativum wie aest-umo, autumo , victima% solistimum,
lauter Ableitungen von einem Suhstantivum oder Verbum. So gleich
das aest-umo ist verwandt mit dem goth. Verbum ais-tan achten,
ehren, von weichem „an" das nltn. aer-a1) die Ehre; die Aestii sind
die Ge-ehr-ten. S Grimm \V. B. III .'»4 Das zweite Wort, nämlich
autumo deutet auch auf ein Substantiv autumus — hariohis , (verw. zu
auspex, a>igur*)\. Das dritte Substantivum , das seinen Ausgang mit
op-timus gemein hat, ist vic-tima, (ans vig-tima eigentlich das
wackerste, stärkste, beste Opfer; denn mV? - gehört zu vig-eo, veg-e-tus,
skr. vag- ~ vy-ifc3)). Victima teilt darnach Endung und Bedeutung
auch mit solis-timum victima. bestehend aus sn\ • is , einer Com-
• parativ - Form wie mag-is, dazu dann - timu8 , a, um, also genau
wie im Griechischen an die Comparativ - Endung -<? sich - mg ( - -timus)
ansetzt, z. B. xqüt - is-roq 7- optimus; denn sol- in sol- is- timum
gehört zu sol-idus fest, xnuieoos, skr vag-ra, vytfo-
Der der Superlativendunp auf - tumus gleichlautende Ausgang in
op-tumus hindert al«i nicht, op- timus ;:uf ein Verbum oder Substan-
tivum ,,o|>" zurückzuführen. Dieses vorausgesetzte „op" ist nun entweder
zum Verbum zu halten und als solches steht op-to, an-, otpopta = sich
ausersthen, wählen,' erkühren. K. 9,201. Und optimus hätte hienach die
Bedentung von ,ie'X - naro* der beste, (verwandt zu vel-le, goih val-jan
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254
— wählen), womit zusammen hängt das skr. var • a optimus, • notos *).
In diesem Sinne hiess dem Kömer die beste Hausfrau femina lec-
tissiuia - ^Xtiarn yvn], ein Gedanke, den wir mit „keusche Hausfrau"
geben können, denn „keusch" heisst eigentlich Jzkttoroe, optimus, optatus,
lectus „Keusch" heisst althd chusci TOD kiusan = er - kies - en, er-kur-en,
exoptare ; s. Gr. 5, 654, d '*) - Wird aber zweitens das supponierte ,,o//' nicht
zum Verbum „opu, sondern zu einem Substaotivum gezogen, so heisst dieses
dann ops, op-es, woher op-ul-entus. Düntzer (Jahrb. XIII 18) setzt auch
wirklich op - timus zu op - s, also in /usammonhuug mit skr. ap-nas der
Besitz, die Habe, so dass op-timatts die opulenti, «q-vtioi waren
Und doch widerspricht Bopp („Vergl Gr." § 291, 296) und spricht
seine Ansicht dahin aus, dass wir op-timus wie in -timus, ex-timut,
ul-timus, 2>o<*-tumi<8 als Sprössling einer Präposition fassen dürfen.
Schweiger -Sidler (Zt. -Sehr XIX 234) ist geneigt, sich derselben
Ansicht anzuschliessen
Und zu welcher anderen Präposition werden wir- dann geführt
werden, als zu skr. api- — auf, über, iui (eine Bedeutung, die auch
das Litauische erhalten bat Dort heilst ap- auch „über", z H
ap-denkiu ich überdenke, ap- auksinu ich übergolde).
Die Sanskritspracbe bat ud oder ut mit -tamu, also ut-tama mit
der Bedeutung optimus , der oberste, höchste, dann auch die höchste
Stelle einnehmend, der vorzüglichste, beste. Diess die wörtliche
Erklärung von uttama im Petersb. VVB. I. 88t>. Sie beleuchtet aufs
Klarste auch den Inhalt von optimus.
Lautlich verdunkelte sich das a in api zu o in op-timus, wie
aniaio aus u.iiauj umlautete, verwandt zu aif> , «nuttttv , «;i«rf(»of.
Dieses apa nahm im skr. noch -aiic ( ~ dka) a\\ und wurde zu apdka
— „ab'*endlich , „ab"wärtsgebend , althd. äp-ont sinkend, untergehend.
Im Griechischen und Lateinischen aber trübte sich das a in o und der
„Ab"end heisst dort „o%p"ia und hier updkas formte sich in opacus
um, (cig. abendlich, dann dunkel)' ).
Nachdem nun einmal hei Besprechung von optimus die Rede auf
das Präfix api ~ über, oben, skr. ut gefallen ist, wird ein Excurs
gestattet sein, in dem die noch stammverwandten synonymen Sanskrit-
präfixa andeutungsweise behandelt werden sollen.
Zunächst ati- — auf, über, überaus, kurz! = api. Beide, api
und ati haben das demonstrative a mit einander gemeinschaftlich, nur
dass das erstere das Suffix -pi, (vergl. -pe in nem-pe), das letztere
aber -Ii hat, (vergl. skr. a-ti - lat. ita).
Beispiele: ati-gö f. optima vacca, die beste Kuh; aticara sehr
wandelbar, (vergl. bien sehr mit optime, Superlativ von bien, betu)
Atiar.isht.i f. eine hohe Schöpfung'); ati-yiva überaus lebenskräftig;
atipätin üb e rholeud ; atidäna n. grosse Gabe : atigara von hohe m Alter1)
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Noch ein Präfix übrigt, dem hier füglich Statt gegeben werden
darf. Auch dieses enthält den Sinn des api und ati und hat ebenfalls
das demonstrative a- mit diesen beiden gemein. Ich meine a-bhi.
Ein paar Beispiele! A bhigit heisst Sieger im hohen Grade; abhi-gnan.
höhere, übernatürliche Kenntniss; abhidharma tu. da« obere Gesetz,
Metaphysik; abkibhava übermächtig.
Diesem abhi- (= api) entspricht ganz und gar das griech. duyt-
z. B. tl fx q> i &(tXr'i<; — opulentus , optime florens; <(u(pixvs<ptjc stock-
finster, wie (p e r similis -~ .. eoi6uomg)\ «fiytnayijg festsitzend. Der
Eigenname Afi(ptr{iiiit dürfte hier seine Deutung finden. Er besteht
sicherlich aus diesem intensiven «u<pt - (— abhi), und rgitt}, ohne
Zweifel verwandt zu Totruy, TinrnyivBtu und heisst im Femininum
dasselbe, was im Masculinum '.tu(fituitQog, der Name eines Sohnes des
Poseidon bedeutet, {-pttQog zu mare , s. Curtius „Grundzüge" 8. 298)
Das TQirt) nun in 'J^ir^itti ist der Form nach zu vergleichen mit
skr. tritija — tertius, oder tritus, a, um von tero; denn TQTrti gebort
zu trio- tar-ämi, von welchem „tur" im skr. tar-isha stammt und
Ocean, das Meer bedeutet9). Amphitrite liesse sich mit einem thetischen
Velsäkona, d. h optima Tritonia geben; denn mit ,,veV' — wol, gut,
hängt ßeX-riwv, pik-norog — skr. var-a optimus zusammen.
Noch nicht genug von abhi — ati, api.
Die celtische Sprache bewahrte dieses a/n<pt- ~ abhi als Präfix,
auch um den Begriff von optimus, maximus auszudrücken, z. B.
Ambi-o-rix = skr. ati -rag' an, optimus maximus rex; Ambigatus
der hochweise, optime gnavus ; Ambibarii die Hochfahrenden, die ganz
Zornigen (vergl. skr. abhi- ^ ganz in abhi-nava ganz neu, abhi-nita
ganz geschmückt, bien pari10)).
Wollten wir dieses Präfix sogar noch weiter verfolgen, so stellt
sich die verstärkende Vorsilbe tU-, ae- als entstanden aus ahi d. i.
abhi heraus. Z. B At-yvnrog, wie der verborgene Flussgott Nil hiess,
heisst in altindischer Form abhiguptas , dann ahiguptas , endlich
aiguptas, aiguptas (gup-tas — conditus, vergl Consus — Conditus n) ).
Die Entstehung des «*- wird augenfällig in skr. mai oder mae, mit —
lat mt, mihi (aus mi-bhi, wie von tu der Dativ tibi f. ti-bhi) S. das
Uebrige in meinem Lexicon S. 6 — Im Zend heisst dieses cti- (— abhi) :
aiwi. Das griechische ui^ng jugendlich , um noch ein Beispiel anzu-
führen, entspricht dem skr. abhijdva {jdva = juvenis, und ai-Ctji-og,
ai-jdv-og heisst: in bester Jugend ")). Atokog zerlegt sich auch
vielleicht in abhi- fokos = convolutor der Aufwühler, hochaufwühlende,
in die Höhe wühlende (abhi = auf, api).
Wenn es mir gestattet ist, mich vom Begriffe, dum Gedanken noch
weiter fortziehen zu lassen so erinnere ich, dass das so oft begegnende
und vielleicht nicht verstandene persische Präfix arta- dem api- in
optimus ganz gleich kommt ; es bedeutet auch hoch, erhaben, und ist das zd.
2ÖG
areta = altus, z. B. Ar taxerxes v atirag an, Ambiorix '') ; Artabazus =
hochbeglückt. Das Int afr«s ist sogar mit diesem arc/a verwandt.
Bopp („Vergl. Gr." § 12'\ Anm ) sagt: Da ar sich erheben bedeutet,
so kann auch das lat. al-tus als ein Passivpart, dieser Wurzel gefasst
werden, mit 1. f. r, s. g. 20.
Schon in einem früheren Artikel wurde eine Verwandtschaft
zwischen abhi; api- und dem goth Präfix bi* besprochen, letzteres nur
verstümmelt wie das Grundwort zu op-timus, api im Sanskrit schon
als pi- auftritt, z. H. pi-dhdna — apidhdna der Deckel, eig. inidi'jxtj.
Die Bedeutung von api, abhi, ati , nämlich: auf, über, ober liegt
natürlich auch in bi- z. B. gotb. hi-auknan — i m #i<f «V«i ; bi-faihon
ü b e r vorteilen " ) , bi-laiban ü b r i g lassen , biqviman ü licr fallen
Für uns wurde 6c-, z. B. Ambiorix Beherrscher, skr. abhigana u.
Bekanntheit, abhidruh Beleidigung; mittelbd. be- mocJten = besorgen;
inhd. benchuten — überdecken S. C'urtius „Grundzüge" S. 230
Dem Grundbegriff dieser mit api lialbverwandton Prätixa kömmt
hier ferners noch dus griechische Präüx uya» zur Sprache. Auch ayttp
heisst eigentlich nur opfime, im hohen Grade, z B '.iyuftiuvuv der im
hohen Grade Standhafte, (iiyuv fupir»***)). „Im hohen Grade",
sagte ich, denn ity-u» hangt zusammen mit skr. ag-ra n. das
Oberste, daher als Präfix z. B. in agrabhaga m der Oberteil,
agravira der Hauptheld, der Überheros.
Das -ra in ag-ra ist nur Suffix und legt seinem Worte die
Bedeutung des Part. Perf pass. bei, wie -rus im Lat., z B. pu-rua
— geputzt So ag-ra, (von ag-ämi ago, ich treibe), getrieben, (in
die Höhe) getrieben, (vergl. getriebene Arbeit, bair. das Schiff treiben,
das Schiff stromaufwärts ziehen; intrans. treiben, gähren ,* in die
Höhe gehen). Unser Wort übertrieben =z nsQiooüig enthält den Begriff
von ag-ra n. , das als Subst der Ueberschuss, als Adj. überschüssig
bedeutet Eine Analogie bietet das lat celsus hoch, erhaben, f cel-tus,
zu cello (d. i. celjü), = ich treibe, verw. zu skr. kalajämi ago, ich
treibe, agito , ^dVw, woher ex-cel-sus emporgetrieben, aufgeschossen,
dem Sinn nach ganz gleich dem griech. «x - qo ~ agra, optimus, z B.
«x^oÄtVt« die Haupt- und Erstlingsgaben, das Beste. "Ax-qos, verw.
zu ac-ies die Spitze, nicht aber zu ag-ra, mit dem es nur die
Bedeutung teilt , steht ausser ttXQo&irta auch noch als Präfix in
axQißtjs, eig. in Schärfe (Locat ) gehend, deckt also den Inhalt von
nyav, denn ag-ra heisst auch acies, die Spitze, das Aeusserste, daher
ag-re voran, an der Spitze. Zweimal ist «y- in uy«v- ux - t(m
enthalten und bedeutet: aufs Höchste, aufs Aeusserste aufgebracht
sein. Ich kann auch sagen: tief gekränkt sein, wie (lydvvufos tief im
Schnee, dydaiovog tief aufseufzend bedeuten kann.
Diese beiden Prätixa, sowol «x - qo - t als ag - ra haben die Endung
-ra mit einem Sankritwort gemein, das hier deashalb noch angefügt
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257
worden doli, weil es das Stammwort zu unserm „bester" . optima*
ist. „Bester" geht nämlich mrück auf goth. batisla -~ optima*,
batiza melior, besser; „bat1 aber entspriebt dem skr. b/iad-ra ~
optimus, bester, vom Verbum bhand- lustig zujauchzen.
Nacb dieser kleinen Digression kebren wir noch einmal zu uy-uy
zurück, indem wir den Eigennamen AyuxXetrog mit Humbert vergleicben,
weil das Hun - in Humbold , Humbert zu „hünu gebort, verw. zu reit.
„c»/w" in Ar-cynia ~ sebr hohes Gebirge, eig aufgetrieben, geschwollen,
zu skr. pt?» • schwellen, in die Höbe gehen S. Zt. -Sehr. X. S 276")
Bemerkungen.
») Aera aus aesa wie goth mi* — mir, gotb. t)«t> -~ wir; lat. aes
aeris, honos fauoris, goth. vulf- 9 der VVulf — altn. ulf-r.
*) Vergl. zu au- (aus avis) oüüii^otuui auguror, autumo.
') TJeber vag- ~rt vy- vergl. vad- the water un.l vJ -u>q.
*) Zu fieX- in fleX-iiwy ist auch verwandt mel-ior Das „mel" -~
,,/ffi-" wie tioXety ~ ßXto-axio. „mW-" zu fiaX-a — bien.
*) Kiusan eig sein (iefallcn haben, zu skr. yush-r bin vergnügt,
woher gushta exoptatus, kost - lieb, kost - bar.
f) Wie skr. mfa dunkel eig. naebtfarbig bedeutet, /: m'p-Ja (m'p
die Nacht).
7) Eigentlich „Guss", von «rp- effandere, wie räsht.ra n regftum,
von rdp.
*) Verw. yeQ-tuy, der Grei-s.
•) EineForm wiepur-i«/*« t«. der Dunst, eig. der anfülleude, bedeckende.
w) ZVtfa eig geführt, skr ni-tha in. die Führung; analog dem
bair. die Fuer der Anzug, fuerig schicklich, zu führen -~ w
") Dieses guptas steckt im indischeu Königsnanitii Saudrocottus,
griech SuyÖQoxvnxos aus candra- guptas , candra = luna, eig. Candidus.
Dieser candraguptas war es, der die Statthalter Alexanders des Grossen
vertrieb. S. Pütz §. 9. cundraguptas , vom (Halb)mond Geschützter,
gilbe ein passeudes Beiwort für türkische Sultane.
") Ueber C«j*o<r = jäv - vergl. tvyor - jöga, Ssia —java das Getreide.
,3) uyuy, ursprünglich iiyüv, wie XUtv ursprünglich Xiqy.
M) Brit celt cwoti altitudo',, cynu surgere; Zeuss-Ebel gramm.
celt p. 92.
h) Xerxes, s. mein Lexicou S 27.
,s) Zu skr. pica — noix-iXog.
Nachtrag: Das skr api kann auch ein Locativ sein von „op" ~
erlangen ^ verw zu ap-ere, ap-ud, ad • „ip" - iscor und bedeuten: „in
Erlaugung"; eiue schöne Analogie zu uq-iaroq — optima*, von
tig-yt -put ich erlange, Sfios — apnas; Fick S. 491. 494. 3. Aufl
Freising. Zehetmayr.
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258
Stilistische Aphorismen.
II. Analyse des Begriffes „Stil".
Das Wort „Stil" leitet mau bekanntlich ab vou dem lat stüus,
d. i. der eiserne Griffel, dessen sieb die Alten bedienten, um die
Buchstaben in Wachs einzugraben Hieraus entwickelte sich sodaun
die Anschauung, dass Stil so viel wie „Schreibweise" oder „Darstellungs-
weise" bedeute, und seit Buffon den beruhtuten Satz ausgesprochen:
„Le style c'e«< Vhomm&lf verstand man darunter insbesondere auch
die charaktervolle Darstellung, „diejenige Form der Darstellung, welche
auf gleiche Weise dem Inhalt des Dargestellten und dem Charakter
des Darstellenden entspricht". Allein diese Definition deckt sich
keineswegs mit dem erfahruugsmässigen Gebrauch des Wortes Stil und
deshalb unterscheiden einige nun einen Stil im höheren Sinn — die
charaktervolle Darstellung (genus dicendi) und einen Stil im niederen
Sinne — den einzelnen Ausdruck (elocutio). Am verbreitetsten jedoch
scheint heut zu Tage jene Auschauung zu sein, welche unter Stil den
„Ausdruck" versteht. So nennt z. B. ein gegenwärtig vielgebrauchtes
Stilbuch den deutseben Stil „den durch das eigentümliche Wesen des
deutschen Volkes bedingten kun«tgcmässeu Ausdruck in ungebundener
Rede" (warum nicht auch in gebundener?), und auch Wackernagel
meint in seiner Poetik, Rhetorik und Stilistik (herausgegeben von
Ij. Sieber, Halle 1873), Gegenstand der Stilistik sei nur „die Oberfläche
der sprachlichen Darstellung, nicht die Idee, nicht der Stoff, sondern
lediglich die Form, die Wahl der Worte, der Bau der Satze". Wieder
andere endlich setzen den Stil als schriftliche Gedaukenmitteilung dem
Vortrage als der mündlichen Gedankenmitteilung gegenüber und ver-
stehen darunter „die Art und Weise, wie jemand seine Gedanken durch
geschriebene Worte, mitteilt".
Schon diese kleine Blumenlese zeigt, dasa über den Stil noch sehr
weitauseinandergehende Ansichten existiren, was eben beweist, dass
dieser Begriff einer kritischen Analyse dringend bedarf.
Wir wenden uns zunächst gegen die landläufigsten Irrtümer.
Es ist vor allem durchaus unrichtig , das Wesen des Stils aus-
schliesslich oder vorzugsweise in einem einzelnen seiner Faktoren,
etwa in der Sprachgewandtheit, im Ausdruck zu suchen. Ein
Techniker des Ausdrucks ist noch lauge kein guter Stilist und die
Qualität des Stils hängt nicht blos vom Ausdruck ab. Daher ist diese
Anschauung durchaus einseitig. Doch lässt sich dieser Irrtum ent-
schuldigen. Heisst man ja im gewöhnlichen Leben den Stil allgemein
geradezu „das Deutsche" und denkt hiebei lediglich an den Ausdruck
(z. B „N. N. schreibt ein gutes Deutsch I"), und anderseits liegt auch
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in dem Umstände, dass man das Wort Stil gemeinhin mit „Schreibweise"
übersetzt, selbst eine einseitige Betonung des sprachlichen Gesichtspunktes.
Nicht minder irrig ist jene Anschauung, welche den Stil als das
geschriebene Wort dem Vortrage als dem gesprochenen Worte
gegenüberstellt. Diese Unterscheidung ist durchaus ungerechtfertigt.
Eine stilistische Darstellung ist offenbar eine solche, die sich als
Darstellungsmittel der Sprache bedient. Nun bleibt es sich aber
natürlich ganz gleich, ob die sprachliche Darstellung uns geschrieben
oder gedruckt vorliegt, oder ob sie in Form eines Vortrages erscheint.
Auch der Vortragende kleidet ja seine Gedanken in Worte und hat
sich bei der Gestaltung seines Vortrages — sei dieser nun eine vorher
ausgearbeitete oder eint improvisirte Rede — an die Gesetze des Stils
zu halten. Sein Vortrag hat daher so gut einen Stil, wie ein geschrie-
bener Aufsatz. Die schriftliche Darstellung ist folglich kein wesent-
liches Merkmal des Begriffes Stil.
Aber es ist auch leicht einzusehen , was jene falsche Ansicht
begünstigte. Offenbar gab wol den ersten Anlass dazu der Umstand,
dass man das Wort Stil von stiltis „der Griffel" ableitet; dann über-
setzte man „Stil" gewöhnlich einfach mit „Schreibweise" und endlich
mag man in jener irrtümlichen Ansicht noch dadurch bestärkt worden
sein, dass man eben daran gewöhnt war, die stilistische Darstellung
eines Gegenstandes entweder geschrieben oder gedruckt vor sich zu haben.
Dass es ferner gleichgültig sei, ob ein Stilprodukt in gebundener
oder ungebundener Rede erscheine, dürfte aus dem eben Gesagten
evident hervorgehen
Wenn man aber endlich auch gesagt hat, am Stil zeige sich der
Charakter eines Menschen, so will dieser Satz doch cum grano
salin verstanden sein. Er ist zu allgemein; denn unter Charakter
darf hier keineswegs der moralische Habitus einer Persönlichkeit,
sondern vielmehr nur die psychologische Qualität des Individuums
verstanden werden. Man kann allerdings dann und wann aus einem
Aufsätze Schlüsse auf den moralischen Charakter eines Menschen
ziehen , allein diese sind durchaus nicht zuverlässig, da ja der Mensch
die Sprache bekanntlich auch dazu benützen kann, seine wahren
Gesinnungen zu verbergen Dagegen lässt sich jederzeit aus dem Stile
eines Menschen ein ziemlich sicheres Urteil über seinen psychologischen
Charakter fällen, d. h über seine geistige Reife, über den Standpunkt,
auf dem er iu seiner geistigen Entwicklung angekommen ist. Scharf-
sinn, klare Auffassung der gegebenen Verhältnisse, gediegenes und
gereiftes Urteil etc. und umgekehrt unklare Vorstellungen, naive Auf-
fassung der Umgebung und des Lebens überhaupt, Unfähigkeit, den
Zusammenhang der Erscheinungen zu erfassen etc. — all* das prägt
sich im Stil aus und lässt uns daher einen ziemlich sicheren Blick in
Blätter f. d. t»yer. Gymn.- u. Rcal-Schulw. XL J»hrg. 18
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2G0
den Geisteszustand des Stilisten thun. Daher wird auch der deutsche
Aufsatz in der Schule mit Recht als ein ganz hervorragender Grad-
messer für die geistige Reife eines Schülers betrachtet. Buffon's Aus-
spruch darf also nur psychologisch verstanden werden.
Versteht man aber unter Charakter hier nur den psychologischen
Habitus oder, wie Wackernagel den Begriff charaktervoll erklart, „die
geistige Eigentümlickeit des Darstellenden", so wird jene Definition
des Begriffes Stil hiedurch zu eng. Man identificirt alsdann den Begriff
Stil mit seinem Ideale und es ist dann nur consequent, dass man einer
„charakterlosen" Darstellung den „Stil" abspricht Allein Charakter-
losigkeit ist ja doch auch eine Charaktererscheinung und ein „charakter-
loser" Stil ist und bleibt doch auch ein Stil. Wollte man einer solchen
Darstellung das Prädikat Stil absprechen, so hiesse das eben so viel,
wie behaupten , das Nichtschöne und Hässlichc gehöre nicht in die
Aesthetik Kurz es würde hiedurch ein Moment in die Definition
dieses Begriffes aufgenommen, das als unwesentlich nicht in dieselbe
gehört und folglich den Umfang dieses Begriffes erfahrungswidrig
verengern würde. —
Doch nach diesen kritischen Bemerkungen wollen wir nun aus-
einandersetzen, welche Punkte man unseres Erachtens bei der Klar-
stellung des fraglichen Begriffes besonders in's Auge fassen müsse.
Vor allem, glauben wir, ist zu beachten, dass der Stil nichts
für sich Bestehendes, kein selbständiges Ding, sondern
etwas nur an einem anderen Existirendes, genauer
Coexistirendes ist. Es gibt nämlich keine eigene Stilvorstellung,
sondern wollen wir uns das, was den Inhalt dieses Begriffes bildet,
vorstellen, so müssen wir uns zugleich etwas anders m it vorstellen.
Dieses Andere aber ist das stilistische Produkt, der Aufsatz im weitesten
Sinne des Wortes. Unter einem Aufsatze verstehen wir jede sprach-
liche Darstellung (Durchführung, Auseinandersetzung, Erörterung etc.) von
logisch zusammenhängenden Gedanken über einen Gegenstand. An
diesem Aufsatze nun - da coexistirt dasjenige, was wir Stil nennen.
Der Stil ist nämlich nichts anderes als die Art und Weise der Behand-
lung (Durchführung, Auseinandersetzung, Erörterung etc.) des einem
Aufsatze zu Grunde liegenden Themas in Hinsicht auf die Composition,
Darstellung und den ästhetischen Gehalt (s. den folgenden Punkt!).
Daher können wir den Stil bildlich auch die Form, die Gestalt, die
Erscheinungsweise, das eigentümliche Gepräge, den Habitus, den
Charakter, die Physiognomie eines Aufsatzes nennen, oder subjektiv
den Totaleindruck, den ein Aufsatz durch die eigentümliche Art und
Weise der Behandlung des ihm zu Grunde liegenden Themas auf
uns macht.
-ÄV ~, ll^il/ ' ' '"' 1 - Digitized by Google
261
Der Stil ist mitbin etwas, was sich vom Aufsatze gar nicht trennen
lässt, also auch nicht getrennt vorgestellt werden kann, und wollen wir
uns eine Vorstellung von einem bestimmten Stile machen, so müssen
wir ihn als etwas an einem concreten Aufsatze Coexistirendes vorstellen.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass derStil nichts Einfaches,
sondern etwas Zusammengesetzte^ ist. Drei Faktoren
, nämlich sind es, welche nach obiger Andeutung einer stilistischen
Darstellung den ihr eigentümlichen Habitus verleihen :
1) Die Compo8ition d. i. die Anlage, die Disposition des
Stilwerkes, der Plan, welcher demselben zu Grunde liegt. Sie
gibt dem Aufsatze die Grundlinien seiner Gestalt , ist gleichsam
das Gerippe desselben.
2) Die Darstel 1 ung d. i. die Ausführung der dem Aufsatze
zu Grunde liegenden Disposition. Die Eigenart derselben aber
zeigt sich : a) in der Beschaffenheit der verwendeten Gedanken,
b) in der Art und Weise ihrer logischen Verknüpfung,
c) in der Art und Weise ihrer sprachlichen Einkleidung.
— Während die Composition dem Aufsatze die Grundgestalt gibt,
gibt ihm die Darstellung die eigenartige Färbung, den Ton, den
Teint, die verschiedenartigsten 8chattirungen.
3) Dazu kommt noch der ästhetische Gehalt. Jene beiden
Faktoren hängen nämlich nicht nur von den ihnen immanenten
Gesetzen ab, sondern sind zugleich regulirt von einem dritten
Faktor, der beiden zugleich Gesetz ist und sie als unabtrennbares
Moment begleitet, d.i. von ästhetischen Rücksichten. Jeder Aufsatz
ruft ja sowol als Ganzes, als auch in seinen einzelnen Teilen,
sowol nach seiner logisch -dispositionalen , als auch nach seiner
rhetorisch - ausführenden Seite hin Urteile des Gefallens oder
Missfallens oder der Apathie hervor, woraus klar hervorgeht, dass
hierauch ästhetische Faktoren mitwirken, welche gleichfalls den
Totaleindruck, den der Aufsatz in uns hervorruft, mitbestimmen
und modificiren
Somit rechtfertigt Bich unsere obige Definition des Begriffes
Stil. Er ist der Charakter, der Habitus einer Schreibweise, die
Physiognomie, welcbe ein Aufsatz in Folge der eigenartigen Composition,
Durchführung und ästhetischen Durchbildung erhält.
Wir halten es hiebei nicht für nötig, eigens zu betonen, dass der
Stil eine objektive und eine subjektive Seite hat. Denn es ist klar,
dass die Composition vornehmlich bedingt werden wird durch den
Inhalt und Zweck des Dargestellten und somit wesentlich objektiv ist;
anderseits aber wird die subjektive Eigentümlichkeit des Darstellenden
ganz besonders zur Erscheinung kommen bei der Darstellung und
ästhetischen Durchbildung. Der Stil ist also objektiv, und subjektiv
18*
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zugleich; aber für die Deünition ist dies unwesentlich, da auch eine
überwiegend objektive, charakterlose, schabloneninässige Darstellung
immerhin einen Stil hat.
Durch die vorstehende Untersuchung haben wir nun auch die
Gesichtspunkte odpr Kategorien festgestellt, nach denen ein
Aufsatz hinsichtlich seines stilistischen Wertes betrachtet werden niuss
Alle diese Punkte muss die eingehende Kritik eines Stilwerkes
würdigen, wenn Bie nicht einseitig und ungerecht sein will.
Endlich ist durch diese stilistischen Kategorien zugleich auch der
Umfang und Inhalt der Stillehre näher bestimmt. Dieselbe
muss sein.
1) Compositionslehre, welche die Gesetze erörtert, nach
denen eine stilistische Darstellung logisch componirt und disponirt
werden muss
2) Darstelluugslehre, welche die Gesetze darlegt, welche
bei der Ausführung der Disposition zu beobachten sind Dieselbe
zerfällt wieder in folgende Teile:
a) die Lehre von der Beschaffenheit der Gedanken;
b) von ihrer logischen Verknüpfung (von der Satzver-
bindung, den Uebergängcn, Ellipsen etc.);
c) von ihrer sprachlichen Einkleidung
3) Stilistische Aesthetik d. i. die Lehre von den Schön-
heiten des Stils und den Mitteln, schön darzustellen.
Wenn es nun eine derartige Stilistik bis jetzt uoch nicht gibt,
so ist daran nur der Umstand Schuld , dass mau sich bisher über die
stilistischen Kategorien nicht klar war. Die Folge davon war, dass in
der bisherigen Stilistik Compositions- , Darstellungg- und ästhetische
Gesetze nicht selten chaotisch durcheinander gewürfelt sind und die
Stillehre dadurch verwickelt und verschwommen erscheint. Scheidet
man dagegen die ein/einen Stilregeln nach den drei stilistischen Kate-
gorien und weist dieselben den einzelnen Teilen der Stilistik zu, so
klärt sich die Stillehre uud es entstehen nun aus den einzelneu
Kegeln und Gesetzen Gruppen, die gleichsam von selbst auf gemein-
same l'riucipien hinweisen M.m wird jeui auch die Stilistik nicht
mehr etwa mit der Rhetorik identilieiren , hindern erkennen, dass die.
Rhetorik, Logik, Grammatik, l'syrh.dogii' und Aesthetik Hilf
Wissenschaften der Stilistik sind.
Kaiserslautern.
M. S c h i e s s 1 und W. (
263
Der Unterricht in den neueren Sprachen an «len Gewerbschuleu.
Vetude des langues, qui ferit la base de Vitfitruction en AUemagne,
est beaueotip plus f'avorable aux progres des facultes dans Venfanee
que Celles des mathematiques nu des scietices physiques. -
Die geistreiche Madame de Stael, welche in ihrem Werke: „De
V AUemagne": mit den oben augefübrten Worten das leitende Grund-
prineip des höheren Unterrichts in Deutschland hervorhebt, scheint zu
diesem Resultate nicht durch oberflächliche, trügerische Eindrücke,
sondern durch tiefgehende, schartsinnige Forschungen gelangt zu sein;
denn finden auch in unserer Zeit die sogenannten exaeten Wissen-
schaften eine wolverdientc Berücksichtigung, so hat doch der obige
Ausspruch nicht im Mindesten an Wahrheit verloren
Unsere Realgymnasien entnehmen ihre Schüler den Lateinschulen
und legen auf deren weitere Ausbildung im Lateinischen, wie aus der
ganz bedeutenden Stundenzahl hervorgeht, einen sehr grossen Wert.
Die lateinische Sprache wird also von ihnen als Bilduugsmittel für die
deutsche Jugend in erste Linie gestellt, abgesehen vou der Erleichterung,
welche sie dem Studium der neuereu Sprachen gewährt.
Auf die Gewerbschulen scheint drfs oben angeführte Princip sich
nicht anwenden zu lassen , denn bekanntlich erhalten sie ihre Schüler
aus der Volksschule und müssen dieselben während einer immerhin
knapp zugemessenen Zeit , in so vielen Fächern und Fertigkeiten so
weit bringen, dass der Lehrpinn den Unterricht im Lateinischen nicht
aufnehmen kann Aus diesem Lehrplan geht jedoch klar hervor, dass
bei den Gewerbschulen den neueren Sprachen, vorzüglich dem Französ-
ischen, die Stelle des Lateinischen eingeräumt ist und, nur so auf-
gefasst, kann der Sprachunterricht an diesen Instituten ein erfolgreicher
sein. Ich glaube schliesseu zu dürfen, dass der Gewerbschüler das
Französiche nicht allein der fremden Sprache selbst willen, sondern
auch desshalh erlernt, damit er «lureb genaue Vergleichung der beiden
Idiome sich in seiner Muttersprache weiter ausbilde und namentlich
sein grammatikalisches Wissen consolidire.
Hat man blos das erste Ziel im Auge, so drillt man; verfolgt man
beide Ziele, so unterrichtet man. —
Das Drillen wird von einem grossen Teil des Publikums mit
grösserer Anerkennung belohnt, als das Unterrichten, weil die Resultate
weit mehr in's Auge fallen, als die durch guten Unterricht gewonnene
solide Basis; deraungoachtet soll nach meiner Meinung der Gewcrb-
schfller nicht als Sprechmaschine ausgebildet, sondern sein Denkvermögen
geübt werden.
Vielfach hört man auch die Frage aufwerfen, warum das Englische,
als eine für den Deutschen grammatikalisch leichter zu erlernende
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264
Sprache, an den Gewerbschuleu nicht dem Französischen vorgezogen
wird. Der Grund ist wol kein anderer als der, dass, abgesehen von
der Schwierigkeit der Aussprache, die Verschiedenheit zwischen dem
englischen und deutschen Idiom eine zu geringe ist und das Fran-
zösische als romanische Sprache dem Deutscheu Schüler mehr
Gelegenheit zur geistigen Gymnastik gibt, ein Umstand, der gewiss für
die Richtigkeit der Annahme spricht, dass das Französische an den
Gewerbschulen als ein das Latein vertretendes Bildungsmittel betrachtet
werden muss. —
Von diesem Standpunkte ausgehend, handelt es sich zunächst für
den Lehrer, eine entsprechende Grammatik zu finden, eine Grammatik,
in welcher eine rationelle Methode zu erkennen ist und welcher es
nicht an systematischer Ausscheidung und Behandlung der einzelnen
Redeteile fehlt. An solchen Grammatiken ist gerade kein Mangel vor-
handen und kaum wird ein tüchtiger Lehrer das Bedürfniss fühlen,
eine neue zu schreiben. Bei weiteren Auflagen der besseren französischen
Schulgrammatiken dürfte nur vielleicht die Wahl der Uebungsbeispiele
eine sorgfältigere sein; denn Sätze, in welchen von mythologischen
Gottheiten, von Helden des Altertums die Rede ist, dienen wahrlich
dem Schüler nicht dazu, seinen Wörterschatz zu vergrössern. Es ist
doch besser, der Schüler weiss: Briefmarke, Retourbillet,
Postanweisung, Corre spondenzkarte etc. in die französische
Sprache richtig zu übersetzen , als dass ihm die Namen der neun
Musen vorgeführt werden. Gerade die richtige Wahl der Vocabeln in
den untern Cursen führt den Schüler direkt zur Conversation. Nach
geschehener, gründlicher Erlernung der Grammatik sind die einge-
prägten Vocabeln für den Schüler kein todtes Kapital mehr; der
einigermassen talentvolle Schüler wird unter Anleitung des Lehrers
zu kombiniren beginnen und selbst Sätze bilden, von welchen jeder
einzelne mehr wert ist, als hundert nach Coursier eingepaukte Phrasen.
— Doch auch diesen billigen Anforderungen scheinen die Verfasser
unserer besseren Schulgrammatiken immer mehr und mehr Rechnung
zu tragen und ich gehe zur weiteren Auseinandersetzung meiner
Methode über
Ist dem Unterrichte eine gute Grammatik zu Grunde gelegt, so
erscheint mir in den beiden unteren Cursen wünschenswert, nicht Mos
auf eine richtige Aussprache des Französischen, sondern auch des
Deutschen zu Beben und den Schüler bei jeder Gelegenheit auf die
Abweichung der beiden Sprachidiome von einander hinzuweisen. Na-
mentlich bei dem Kapitel über die Präpositionen kann der Sprachlehrer
dem Realienlehrer wesentliche Dienste leisten, wie überhaupt bei dem
mündlichen Uebersetzen aus dem Französischen in's Deutsche auf
eine correkte Ausdrucksweise nicht genug Wert gelegt werden kann.
265
In den beiden unteren Cursen halte ich es für notwendig, viele
schriftliche Uebersetzungen aus dem Deutschen in's Französische
machen zu lassen und den Schüler zu genauer Correktur in der
Klasse anzuhalten. In den unteren wie oberen Cursen empfiehlt' sich
eine wöchentliche Hausarbeit, die vom Lehrer zu corrigiren ist.
Ist die Arbeit des Lehrers dadurch auch eine äusserst bedeutende,
so werden alle meine werten Herrn Collegen, cfie es gewiss auch so
halten mit mir übereinstimmen, dass wir durch das Resultat für unsere
Mühe reichlich belohnt werden.
Einer der bedeutendsten Missstände, welcher störenden Einfiuss
auf den Unterricht des Französischen im 1. Curs bat, ist die in den
Volksschulen übliche Verschiedenheit der in der Grammatik vor-
kommenden Benennungen. Um nur ein Beispiel anzuführen, hat der
eine Schüler für „substantivum" „Dingwort", der Andere „Hauptwort"
gelernt, „verbum" ist dem Einen als „Zeitwort", dem Anderen als
„Thun*swort" bekannt. Im Interesse aller Schulen läge es, dass in
der Volksschule die Schüler sofort mit den lateinischen Benennungen
bekannt gemacht würden. Es könnten noch andere Missstände hier
verzeichnet werden, doch ich ziehe vor, sie nicht weiter zu berühren,
kehre zu meinem eigentlichen Thema zurück. Was die Wahl der
Lektüre betrifft, so schwärme ich nicht für Voltaire's Charles XII und
halte für den II. Cars eine Crestoraatbie für zweckentsprechend. Das
Lesebuch kann alsdann in der bisherigen gewerblichen Abteilung des
III. Curs auch beibehalten werden, wenn man die leichteren Lesestücke
für den II. Curs bestimmt und die schwereren für den III. Curs
reservirt. Bei der Lektüre muss, meiner Ansicht nach, genau so
verfahren werden wie bei dem Lesen der lateinischen Schriftsteller es
in der Lateinschule zu geschehen pflegt. Die grammatikalischen Kennt-
nisse des Schülers können nur durch häufiges Analysiren befestigt
werden. Schreitet man so systematisch vorwärts, so findet man im
III. Curses in der gewerblichen Abteilung Zeit, dicUes in französischer
Sprache zu geben und so das Ohr des Schülers au die Aussprache zu
gewöhnen. Die Uebersetzung dieser diktirten Stücke in's Deutsche gibt,
wenn sie schriftlich ausgeführt wird, dem Sprachlehrer aufs Neue
Veranlassung, den Uealienlehrer zu unterstützen und der Schüler wird
dabei doppelt gewinnen.
Die Handelsabteiluug des III. Curses kann entschieden weiter geführt
werden, als die gewerbliche Abteilung, doch ziehe ich auch hier eine
solide Fortbildung in der Grammatik conversationellen Kunststücken
vor, namentlich im Englischen, wo das Pensum nach dem bisherigen
Lehrplan ein so bedeutendes ist. —
Nachdem ich so flüchtig meine Methode skizzirt habe, kann ich
nicht unterlassen, mit dem offenen Bekenntniss zu schliessen, dass es
266_
stets meine volle. Verwunderung erregt, wenn ich höre, dass in der
Handelsabteilung irgend einer Anstalt Schuler aus dem Englischen in's
Französische übersetzen. So weit gelangt man mit meiner Methode
nicht; allein ich glaube, dass sie bei mancher Schattenseite auch ihre
Lichtseite hat. Wenigstens wird nicht bestritten werden können,
dass die neueren Sprachen so gelehrt werden müssen, wenn sie mit
der deutschen Sprache die Basis des Unterrichts bilden sollen.
Ansbach. Erwin Walt her.
Heber die Aussprache des anlautenden sp und st in den Schulen.
M. Müller erzahlt in seinen Vorlesungen (I, 2, 3f>) folgende
Anekdote: ..Als Kaiser Sigismund dem Concilium zu Costniz präsidirte
und an die Versammlung eine lateinische Rede richtete, in der er sie
zu der Ausrottung des Schismas der Hussiten aufforderte, sagte er:
„Videte, patres, ut eradicetis schisinam Hussitarum" Er wurde
ziemlich rücksichtslos von einem Mönche zur Ordnung gerufen, welcher
ausrief: „Serenisstme rex, schisma est generis neutri" (M. Müller
vertheidigt die Form neutri für neutrius als die altlateinische). Der
Kaiser fragte aber, ohne seine Geistesgegenwart zu verlieren, den
naseweisen Mönch: „Woher weisst du das?" Der alte böhmische
Schulmeister entgegnete: „Alexander Gallus sagt es." „Und wer ist
Alexander Gallus?" „Er war ein Mönch." „Gut," sagte der Kaiser,
„und ich bin der Kaiser von Rom und mein Wort wird hoffentlich
ebenso gut sein, wie das irgend eines Mönches" M. Müller bemerkt
dazu: „ohne Zweifel hatte der Kaiser die Lacher auf seiner Seite,
aber trotzdem blieb Schisma ein neutr , und selbst ein Kaiser konnte
das Geschlecht und die Endung des Wortes nicht ändern."
An diese Stelle erinnerte ich mich , als ich in diesen Blättern
(XI, 2, pag. 59 u. b. w.) den Artikel las „über die schlechte Aussprache
des Deutschen und die nachteilige Wirkung derselben auf den fremd-
sprachlichen Unterricht". Denn weder ein Kaiser noch ein Gelehrter
kann eigenmächtig an der Sprache ändern. Grundsätzlich zwar bin ich
mit Uro. Dr D res er einverstanden, wenn er sagt: „Wenn wir (die
Lehrer) uns nicht Mühe geben , uns einer reinen Aussprache zu
beflei8sigen , wer soll es denn eigentlich tlmn?" Aber wenn ich mich
dann von einem Grimm, Schleicher, M. Müller, v. Raumer, Withney
belehren lassen muss , dass die Sprache einn Geschichte hat, dass aus
einem guth. habaidedaima ein engl. Iwd (hatten) werden kaun; wenn
mir ferner meine eigene Beobachtung sagt, dass man in Süddeutschland
vielfach noch auf dem Katheder, auf der Kanzel, auf dem Rednerstuhl
267
and auf der Bühne die harten mutae t, k, p nicht von den weichen
d, g, b unterscheiden kann, um nur eine der vielen Schwankungen in
unserer Aussprache hervorzuheben so will es mich manches Mal
dünken, als ob man mit der immerwährenden Bekrittelung der Aus-
sprache der Schüler reine Sisyphusarbeit thate. Denn was lehrt mau
denn den Schülern für eine Aussprache? Natürlich die richtige 1 Wenn
sie nur nicht unter 50 Lehrern bei 40 mundartlich gefärbt wäre, diese
richtige Aussprache, so dass man in Verlegenheit geräth , wenn man
definieren soll, wie die richtige Aussprache lautet
Indes habe ich mir die Aufgabe gestellt, mich über die Aussprache
des anlautenden sp und st in den Schulen zu äussern. Mein Verdikt
darüber habe ich ausgesprochen, wenn ich den süddeutschen Chauvin-
ismus, <i*r nunmehr unbesehen nimmt, was aus dem Norden kommt,
mit urteilsfähigen Stimmen zum Schweigen bringe Ist 69 für einen
Süddeutschen lächerlich, Stock und Stein statt Schtock und Schtein zu
sprechen, so ist es verwerflich, eine Lächerlichkeit in die Schulen
einlübren zu wollen Darüber wird sich kein Streit erheben. Herr
Dr. Drescr meint zwar, sp und st statt schp und seht zu sprechen
wäre das richtige, denn er schreibt: „So wird der Süddeutsche oft den
Norddeutschen der Ziererei schuldigen, der »t, sp etc. am Anfange
eines Wortes nicht wie seht, schp ausspricht11. So ist es nicht. Ke»n
Süddeutseber hält den Norddeutschen, der st und sp für seht und schp
spricht, für affektiert, sondern der Süddeutsche, welcher st und sp für
seht und schp spricht, wird für affektiert gehalten. Mit vollem Rechte !
Da ich aber fürchte, dies nicht kraftvoll genug aussprechen zu können,
mögen die Meister, zu deren Füssen ich lernbegierig sitze, meine
Meinung verkünden. Whitney (die Sprachwissenschaft, W. D. Whitney's
Vorlesungen über die Principien der vergleichenden Sprachforschung
für das deutsche Publikum bearbeitet uud erweitert von Dr. J. Jolly,
München 1874) schroibt bei der Besprechung der Lautveränderung
also: „Ganz dieselbe Lautneigung hat sich schon seit längerer Zeit
auch in unserer hochdeutschen Schriftsprache geltend gemacht und ist
im Anlaut der Wörter so vollkommen durchgedrungen, dass unsere
Bühnensprache sich längst dafür entschieden hat und man bei jedem,
der Stock und Stein anstatt Schtock und Schtein sagt, entweder den
Hannoveraner oder Schleswig - Ilolstoiner oder aber einen a f f e k tier ten
Menschen heraushört" So denkt auch A Schleicher, der in seiner
„deutschen Sprache" pag. III sagt: „Nichts ist lächerlicher, als das
Streben, die angestammte Mundart völlig verbergen zu wollen oder
gar die Aussprache einer andern, die man für besser hält, nachäffen
zu wollen. Dies geschieht namentlich häufig durch die gezwungene
Nachahmung des ebenfalls nur munriartliehen norddeutschen sp und st
von Seiten Süddeutscher. Dass hier die Schrift dieser Aussprache zur
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Seite stallt, ist rein zufällig. Wer 60 handelt, wer diu hochd. Sprache
anders ausspricht, als- er sie naturgemäss auszusprechen bat, der bringt
sich um's Schönste, was uns die Muttersprache bietet, um die völlige
Freiheit und Ungezwungenheit des Ausdruckes, er bringt sieb um die
Muttersprache, er verdammt sich zu einem immerwährenden verwerf-
lichen Spielen einer ihm fremden ilolle. Wie lächerlich hört sieb s. U.
die Rede eines Schwaben an, der sich zwingt, das Deutsche so auszu-
sprechen, wie es die oft nicht einmal richtige jetzt übliche Schreibweise
darstellt, zumal wenn er in unbewachten Augenblicken des Affekts von
den mit Mühe geführt« n Sprachstelzen herabfällt. Fort also mit dem
Vorurteile, dass nur der ein gebildeter Mann sei, dessen Rede man
nicht anhören könne, aus welchem Teile Deutschlands er stamme".
Uud pag. 210: „Wer hochdeutsch sprechen will, der muss sebprechen
schtehen, sebtechen u s f. sagen, so gut als schwein, schnell. Fort
also mit dem gouvernantenmässigen , uns widerstrebenden und der
Sprache unangemessenen sprechen, stehen, stechen u s f mit reinem b".
Damit könnte ich genug gesagt haben, und im Anschluss an die
anfangs erzählte Anekdote so sch Ii essen: „Kein Mensch auf der Welt
und alle Lehrer Süddeutschlands zusammen sind nicht im Stande,
unsere süddeutsche Aussprache des anlautenden s z sch zu ändern "
Da ich mich aber gerne zu denen rechne, die lieber „mit den
ganzen Gedanken eines Meisters denken, als mit ihren eigenen halben'4,
90 fasse ich meine Ausicht über die Aussprache von st und sp in den
Schulen in die Worte R von Räumers (Gesammelte sprachwissenschaftliche
Schriften 1863, pag. 2?>3) zusammen: „Das anlauteude st sprechen
auch die Gebildeten in dem grössten Teile von Deutschland wie seht.
Man kann deshalb diese Aussprache gegenwärtig als die überwiegend
gebildete Aussprache bezeichnen Da aber in einem grossen Teil
von Norddeutschland auch die Gebildeten an der Aussprache szt (d. h.
die Anlaute von stehen so aussprechen, wie die Inlaute vou fasten >
festhalten, so muss man für den Anlaut st eine zweifache Aussprache
als die der Gebildeten gelten lassen."
Ich glaube , dass die von mir angeführten Autoritäten jedem
Lehrerdas wissenschaftliche Recht geben, in seiner Schule Schtock
und Schtein für Stock und Stein sprechen zu lassen.
Landau (Rheinpfalz).
Falch.
269
Aus der Schulmappe.
Fortsetzung der Miscellen von A. Kurz*).
Damit meine Miscellen von den geehrten Herren Collegen der
philologischen Sektion nicht ganz überschlagen werden, werde ich dann
und wann auch solche von allgemeinerer Bedeutung einstreuen, wie z. B.
gleich die folgende.
13. Humanismus und Realismus.
In Nr. 12 war vom Farbenreichtum der Physik als Lehrstoffes die
Rede Wie aber keine Rose ohne Dornen, so birgt gerade darin der
naturwissenschaftliche Unterricht seine Gefahren. Im Hinblicke auf
diese haben sich gewichtige Stimmen für Aufschub dieses Unterrichts-
zweiges auf die Hochschule ausgesprochen, was aber freilich nur für
denjenigen Teil der ' Schaler zutreffen könnte, welche die Hochschule
zu besuchen gedenken. Und auch da bat der an und für sich gewiss
wahre Spruch Multum von multa zu kämpfen mit den ebenfalls zu
berücksichtigenden Gefahren der Einseitigkeit und des Nimmerwieder-
k&brens der jugendlichen Lernzeit und Lernfrische. Also bat man es
mit einer Resultante des Kräfteparallelogramms zu thun (sü venia
verbis). Um beim Leisten zu bleiben , wende ich mich zur Realschul-
bildung. Die von allen Lehrern als nötig erklärte Organisation der
bairischen Gewerbschulen fasst die sprachliche Durchbildung mehr als
bisher neben der Pflege der Mathematik, des Zeichnens und der Natur-
wissenschaften in's Auge, um so der anerkannten humanistischen
Bildung mehr und mehr ebenbürtig zu werden, und sie bedarf dazu
eines um so grösseren Zeitmasses, als bisher eine Ueberlastung kon-
statirt ist. Nur der kleinere Teil der Schüler geht an die Hochschule
(Universität oder Polytechnikum) und nur ein Teil von -liesem Teile
weiss diess vorher; bei den meisten steht die Berufswahl im Dunkel
der Ungewissheit. Auch darum sollte dem Realschüler die Aussicht für
die verschiedenen Brrufskreise weniger als bisher beschnitten sein. Ist
es doch gewiss nur eine Frage der Zeit, dass der Realgymnasiast das
Studium der Medizin wird ergreifen dürfen ; ja es gibt sogar, Iwrribile
dictu, Leute, welche kein Hinderniss einsehen, einem solchen Hoch-
schüler, der für die jura Pas9ion bekommen, die Admission zum Examen
zu erteilen, wenn auch als Regel der bisherige Studiengang "betont
bleibt. Nun wieder zur Realschulbildung im obigen engeren Sinne :
für die technischen Berufsarten im Civil und Militär und die
•) SS. 121 - 125.
1
270
entprechcnden Lehrerstellen verlangt der Staat die tnaturitas; zu den
zwei bisherigst! Arten der letztem! käme dann als dritte die durch die
vollständige Realschule und Industrieschule erlangte. Die unteren Curse
der Realschule werden nach wie vor, nur noch besser*», dem nicht
ausser Acht gelassenen Zweck der Vorbereitung für früheren Eintritt
in's bürgerliche Leben dienen können.
14 Die Interferenz bei der Stimmgabel
kann jedem Schüler ohne wesentliche Missstände zu subjektiver Beob-
achtung gebracht werden, da ein leises Anschlagen der nachher vor
dem Ohre gedrehten Stimmgabel genügt. Aber dann beute man auch
die Erscheinung durch eine gründliche Erklärung aus. Heimholt*
schreibt in der I. Auflage**) seiner „Touempfinduu»en" das Phänomen
einer Zusammenwirkung der von beiden Gabelenden ausgehenden
Tonwellen zu, und dasselbe verschwinde, wenn man das eine Ende
durch eine Röhre von der Mitwirkung ausschliesse Und doch hatten
sich schon lange vorher Chladni und sein Zeitgenosse W. Weber, der
eine der Gebrüder Wellen -weher, durch Versuche überzeugt, dass die
Interferenz auch bei einem einzigen Stabende und ebenso bei der
Stimmgabel nach Ausschluss des einen Endes auftrete. IHess hatte ich
eben durch eigene Versuche mit Anwendung eines Stückes Kautschnk-
schlauch als Hörrohres bestätigt, als ich die einlässlicbe historische
und experimentelle Studie von II. Kiessling in Pogg. Ann. Bd 130
S. 177 - 206 (1867) wieder auffand. Wüllner, 2 And. 1870, reproducirt
noch dio Erklärung von W. Weber, wonach die Verdichtungswelle
etwas früher entstände als die Verdünnungswelle beim schwingenden
Stabende und somit 4 üyperbeläste als Oerter der Auslöschung sich
ergeben müssten (auf dieselbe Weise wie die 2 Hyperbeln beim
Fresnol'schen Spiegelversuche); bei der Stimmgabel würden von den
8 Aesten nur die 4 äusseren bestehen bleiben , indem die 4 inneren
durch das Zusammenwirken der gleichzeitig gegen und von einander
schwingenden Enden überdeckt würden. Aber die beiden genannten
Wellen entstehen gleichzeitig und statt der Hyperbeln bat man
beim Stabe eine Interferenzebene senkrecht zur Schwingungs-
richtung des Stabes, was, nebeubei gesagt, auch viel leichter zu
begreifen und zu behalten ist Bei der Stimmgabel , wenn das eine
Ende durch eine Glasplatte dem Obre entrückt ist, beobachtet man
eine Answärtsbeugung jener einen Interferenzfläche als Folge der
•) Wer diess bezweifeln sollte, kann an den zunehmenden Gebrauch
der Lateinschule als solcher Vorbereitungsanstalt, erinnert werden.
*•) Die neuere steht mir nicht xn Gebot-.
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271
Reflexion an der Glasplatte (das ist eine äusserliche Aebnlichkeit mit
den Weber'schen äusseren Aesten) ; und dasselbe gilt auch für die
Beobachtung an der blossen Stimmgabel , bei welcher diese Krümmung
der beiden Interferenzflächen teils solcher Reflexion an den inneren
«Gabel flächen, teils auch dem gegenseitigen Durchkreuzen der von den
beiden Enden gleichzeitig ausgehenden 4 Wellen zuzuschreiben ist
„Die Interferenzstellen Rind dadurch bestimmt, dass die Resultante
aller dort noch zur Wirksamkeit gelangenden Amplituden ein
Minimum ist."
15. Ueber die spezifische Wärme der Luft.
Hinsichtlich des namentlich durch bisherige lsolirtheit interessanten
Measungsverfahrens von Clement und Desormes, das Verhältniss ^
der spezitischen Wärme der Luft bei konstantem Druck zu derjenigen
bei konstantem Volumen botreffend, sagt Bourget im Journ. de Math.
1871: Le raisonnement donne dam la plupart des traitis de physique
ne me parait pas parfaitement exaet. Vom selben Bedürfnisse nach
Klarheit gestachelt, legte ich mir den Vorgang in folgeuder Weise
zurecht: Der etwa 30 Liter grosse Glasballon war geöffnet und schwach
erwärmt worden; dann ward er geschlossen, so dass nach der Erkaltung
das kommunizireude Quecksilbermanometer auf 137 mm stieg. In der
bekannten Ausdrucksweise des Gesetzes von Mariotte und Gay-Lussac
lautet der letztere Vorgang = <*> ~ 13?H* I 137>, worin sp
etwa 700 bis 760, das Volumen v aber nach der gewählten Einheit z. B.
300000 betrüge, wenn der Querschnitt der Manometerröbre 1 Qcm wäre.
v P - 137
Also schreiben wir angenähert richtig — — (wie bei Jolly's
Luftthermometer), oder •*« = Zweiter Akt: es wurde Luft
eingelassen, so dass das Manometer auf 0 fiel, und der Hahn geschlossen;
hiebe i ist aber Arbeit in Wärme verwandelt worden und der Ueber-
schuss tl der Temperatur zeigte sich im naebberigen Steigen des
Manometers auf 36 mm Dafür erhalten wir analog dem Vorigen
« x 4. t*
— — Und mit Vernachlässigung der kleinen t und V gegen-
über der absoluten Temperatur r von etwa 280 oder 290 Celsiusgraden wird
137 : 36 = t : P.
Im ersten Akte hatte man, als der Hahn offen war, die Wärme-
menge Gct erteilt, wenn 0 das (konstant angenommene) Luftgewicht
bedeutet. Diese Wärmemenge kann zerlegt gedacht werden in den Teil
G cy t zur reinen Erwärmung und in den Teil G (c — cx) t zur
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Arbeitsleistung. Oder sie kann zerlegt werden in die Teile G c{t - tx)
und GcO; letzterer Teil wurde im zweiten Akte aus Arbeit wieder
gewonnen, als der Hahn offen war; der erstere Teil hätte durch die
Flamme geliefert werden müssen, hätte man auch im zweiten Akte
die Luft auf den Temperaturüberschuss t des ersten Aktes bringen
wollen Nun ist die Starke oder Schwache der Beweiskraft dieses
Verfahrens daliio zugespitzt, dass man setzen soll (mit Weglassung
c 137
von G) cU — cit- tl), also ~- = -T = 1, 36
c* 101
Daher um so grössere Freude bei den Physikern, als Laplacc fand,
dass die theoretische Formel Newton's für die Geschwindigkeit des
Schalles in derLnft durch den Faktor V \ 4 verbessert mit den Mess-
ungsresultaten stimme (330 m), und annahm, dass dieser Radikandus
jenes Verhältniss -z sei, welches hiemit indirekt auf akustischem Wege
c
bestimmt werden könne. Doch davon vielleicht ein anderes Mal
16. Drehung eines Körpers um eine feste Axe.
Wenn ein Körper von einem gegebenen Kräftesystem angegriffen ist
(I) P, Vt «, at . . ^ . . y{ . . »t . . y, Jf» . • *i *» ,
so kann man bekanntlich dieses reduziren auf eine einzige Kraft P0
und eiu Kräftepaar, deren Componenten nach den drei Coordinatenaxen
in der gewöhnlichen Bezeichnung sind
(II) Xo Yu Z0, L M N.
Die drei Kräfte greifen im Ursprünge 0 an und liegt zur Auf-
suchung der Poinsot'schen Centralaxe für das Folgende ein BedUrfniss
nicht vor.
OZ sei nun die fixe Drehaxe, 0 der eine ihrer Befestigungspunkte,
C der andere, wobei OC rr c sei. Zur Bestimmung der Kräfte, welchen
diese beiden festen Punkte widerstehen müssen, schlage ich nun als
Ersatz der Kräftesysteme 1 oder II vor dasjenige
(III) Bx Ry ttz in 0 angreifend
Sx Sy Null in C
Tx Null Null im Punkte B auf der Axe OY, wobei OB — t.
Man erhält dann durch Identifizirung von 11 und III
X0 = Mx + Sx + Tx} YQ = By + 8y, ZQ = Üz
L ~ — Sc M — Sx c N = - TK
Ist der Körper auf der Axe verschiebbar und soll Gleichgewicht
bestehen , so muss Z0 — o und N .— o; aus den vier anderen Gleich-
ungen berechnet sich dann Rx JBy Sx £y, so dass also die in O und C
angreifenden Kräfte Ä und S parallel der xy Ebene sind Ist der
Körper nur drehbar um die feste Axe, so muss nur N — Tx = o seiu
273
für den Fall des Gleichgewichtes. Die Kraft R hat dann auch eine
Componente Rt ; gewöhnlich gibt man auch »S'eiue solche Componente S, •
aber es bleibt dann unbestimmt, wie sich die beiden Summanden
R% und S% von ZQ auf die beiden festen Punkte verteilen. Für den
allgemeinsten Fall, dass kein Gleichgewicht besteht, habe ich die
Kraft Tx eingeführt, da ersichtlich ist, dass dann die Kräftesyteme
I oder II nicht durch die blossen zwei Kräfte R und S ersetzt werden können.
17 Lehrbuch und Experiment im naturwissenschaftlichen Unterricht.
Im Aprilbefte der bekannten Westermann'scben las ich mit begreif-
lichem Interesse den Aufsatz von Scbödler (Buch der Natur) über die
chemischen Laboratorien von beute und gestern. Es ist da mit Recht
die Wichtigkeit des Experimentes betont, für welches der Lehrer viel
Zeit in seinem eigenen Bildungsgang verwenden müsse, auf dass er sich
die nötige Geschicklichkeit erwerbe. Launig wird eines älteren Lehrers
gedacht, dessen akademischer Unterricht sich auf Ablesen eines Lehr-
buches beschränkte, während für das versprochene Experiment eines
Seifensudes die Lehrstunde alljährlich zu früh zu schliessen pflegte.
Wie nun nach Vater Göthe jedes ausgesprochene Wort den Gegen-
sinn erweckt, so erinnerte ich mich gleich, dass man heutzutage
manchmal in das andere Extrem verfällt, worüber ich wol schon öfters
sprechen hörte, aber mich nicht erinnern kann etwas gelesen zu haben.
Höchstens vielleicht in Betrefl der öffentlichen Vorlesungen, welche ein
Teil des grossen Publikums als Modesacbe mehr oder minder bewusst
ansieht, kann man Andeutungen finden ähnlich denjenigen Uber das
Theater, von welchem hämo publicus häufiger circemes als bildende
Anregung verlange. Kein Wunder also, dass auch der Lehrer- und
Gelehrtenstand sein Contingent stellt zu den beifallsüchtigen Volks-
rednern und Schauspielern und dass es vom Experimentirtische manch-
mal aus knallt und leuchtet „dass es eine wahre Freude ist".
Aber kehren wir in den Hörsaal zurück; dem Studenten kann es
dabei manchmal werden, als ginge ihm ein Mühlstein im Kopf herum,
und er würde ein gewisses Anschliessen des Vortrages an ein Com-
pendium, durch welche er das gerade Behandelte mit Früherem und
Späterem selbstthätig zusammenhalten kann, und weniger aber aus-
führlich durchgesprochene Experimente einem Ueberflusse an solchen
vorziehen. So sind wir also bei dem kurzen Leitfaden , der nicht das
Ruhebett des Lehrers sein kann, angelangt, als dem Vermittler zwischen
den beiden angedeuteten Extremen
18 Saiten- und Pfeifentöue.
Diese lassen sich am leichtesten experimentell und auch elementar -
theoretisch behandeln. Ich ziehe nämlich vor, statt die Formel der
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274
Scbv.ingungszahl der gespannten Saiten als Resultat einer höheren
Rechnung gleichsam wie eine vom Himmel herabgefallene vorzuführen,
mich auf die vorausgegangen* Formel vom gemeinen Pendel zu stützen
(mit welchem die Hälfte der Saite verglichen werden kann). Es ist
daher die S( bwiuguogszahl n proportional mit der Quadratwurzel aus
der durch die Lange Z dividirten Beschleunigung (Vergl Mise 3 und 4)«
Statt letzterer kommt der Quotient aus der spannenden Kraft P und
der Masse m der gespannten Suite in die Rechnung. In m ist der
Faktor l nochmal enthalten, und wir haben <iie beiden wichtigsten
Saitengesetze, dass n proportionel Y~V und y, abgeleitet. Nicht minder
stehen auch die weniger bedeutsamen Gesetze der Abhängigkeit des n
vom absoluten, vom spezitischen Gewichte und vom Durchmesser der
Saite vor uns. —
Bezüglich der Pfeifen will ich an das ebenso wolfeile als frappante
Experimentirmittel erinnern, das ich, ungeregt durch J. J. Oppel in
Pogg. Ann. CXXII, in Carl's Repertorium der physik. Technik 1865
beschrieben habe. Aus dem so schwachen Geräusche, das eine Carton-
rollc beim D'ranklopfen oder Herunterfallen auf den Tisch hören lässt,
erkennt man bei einiger Aufmerksamkeit doch leicht die Gegenwart des
Tones der ebeu so langen offenen Pfeife. Die für den Stimmgabelton a,
resonirende Rolle- inuss dazu bekanntlich die Länge / haben, gemäss
der Formel
330 - 440 21 oder / = | Meter.
3
Ich benutze die acht Rollen der Töne von a. bis ax (bis 4ip Meter). —
lo
Die letztere Formel enthält die Wellenlänge k ~ 21 des Grund-
tons der offenen Pfeife und repräsentirt die Länge der gedeckten
Pfeife für den nämlichen Tou --. Man spricht da von Bäuchen an den
offenen und von Knoten an den gedeckten Enden, welche Vorstellung
von den transversalen Wellen herübergenommen wird Daun entsprechen
aber die Bäuche der konstauten Luftdichte, der Ruhe, und. die Knoten
der variablen Dichte, der Bewegung, welche man heutzutage so schön
durch Gasflamme und rotirenden Spiegel zeigeu kann. Um nun einer
Verwirrung vorzubeugen, mache ich ausdrücklich aufmerksam, dass man
beim Uebergang von der einen zur andern Vorstelluogsweise die Oerter der
konstanten Ruhe uud Bewegung um -* verschoben denken soll
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275 „
'. *'
Leber die Gedankenarmut der Gewerbschüler.
Wie oft hört man doch die Lehrer der deutschen Sprache Ober
Gedankenarmut hei den jungen Leuten klagen! Und in der That wird
80 ziemlich jeder, der auch in die Lage kommt, Deutsch lehren zu
müssen,, besonders an Gewerbschulen in diesen Jammer einstimmen.
Die Aufsätze sind in der Regel so dürr und matt, dass man es
ihnen ansieht, welch ein mühevolles Machwerk sie sind. Da ist kein
Schwung der Rede, kaum je eine passende Vergleichung aus dem
alltäglichen Leben zu finden , und wenn sie noch so nahe läge.
Gewöhnlich darf der Lehrer zufrieden sein, wenn seine Schüler am
Ende ihrer Studienlaufbahn über ein entsprechendes Thema in leid-
licher Richtigkeit sich auszusprechen verstehen, aber — in rasscl-
dürrer Prosa.
Und dieselben Mängel treten schon bei den ersten Uehungen in
der Grammatik auf. Läast man seine Jungen Sätze bilden, ohne ihnen
ein Subjekt zu bestimmen, so weiss man dasselbe schon so ziemlich
voraus. „Vater", „Bruder", „Schwester*', und wenn's hochgeht, „dieser
Mensch", oder „ich", „er" uud „du" werden zur Besprechung heran-
gezogen. Gibt man ein Substantiv an, über welches ein Satz gebidet
werden soll, so wird man neunmal unter zehn Fällen erleben, dass mun
von demselbeu nichts Interessanteres zu sagen weiss, als es sei „gut"
oder „schön". Das Zeitwort darf selbstverständlich kein anderes sein,
als „ist" oder „sind", kein Perfekt oder Imperfekt oder sonst etwas dgl.
Woher uun wol dieses hölzerne Wesen, wenn es erlaubt ist, so zu
sagen, das sich vom ersten bis zum letzten Kurse bemerklieb macht?
Der Gründe sind zahlreiche.
Vor allem ist daran ohne Zweifel, und dieser Punkt hat ja schon
oft eingehende Erörterung gefunden, die schlimme Einrichtung
unserer Gewerbschulen schuld. Das alte Sprüchlein „Zuviel
ist ungesund" wird in dem modernen Schulwesen meist vergessen,
an den Gewerbschulen kennt man es vollends nicht.
Dazu kommt, dass auch in den besteingerichteten Schulen
realer Richtung der Natur der Sache nach vielen Gegen-
ständen eine Masse Stunden eingeräumt werden müssen, welche den
Ideenkreis der Schüler nicht bereichern, sondern blos den Verstand
schärfen, und dahin gehören die verschiedenen Zweige der Mathematik
Hievon aber ist die notwendige Folge, dass anderen Fächern,
welche geeigneter wären, den Gedankenkreis der jungen Leute zu
erweitern, wie muttersprachliche und fremdsprachliche Lektüre,
Geschichte , Geographie und Naturgeschichte nicht die nötige Zeit
zugemessen werden kann.
Blattei f. iL bajrer. Oymn. • u. Real • Scbulw. XI. Jabrg. ]C)
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270
Halten wir ferner Gymnasium und Gewerbschule nebeneinander,
so siebt man leicht, dass letztere mit einem entschieden schlechteren
Schülermaterial zu arbeiten hat, als ersteres. Im Durchschnitt
bringen die Schüler, welche Gewerbschulen besuchen, selbstverständlich
weniger Anlagen und geringere Vorbildung mit. Dieser Unterschied
zwischen Gymnasium und Gewerbschule kann durch eine gründliche
Reorganisation zwar gemildert, aber keineswegs aufgehoben werden.
Wiewol sich nun aber das Gymnasium für unsern Fall in beiweitem
günstigeren Umständen befindet, als die Gewerbschule, so erinnern wir
uns doch noch recht gut, dass wir in der Zeit, wo wir noch auf den
Gymnasialschulbänkeu sassen, ähnliche Vorwürfe zu hören hatten, wie
sie oben den armen Gewerbschülern gemacht wurden. Wie erklärt
sich nun das?
Ein Hauptgrund für diese Erscheinung liegt ohne Zweifel in der
ganzen Richtung u-u serer Zeit, die, fast ausschliesslich dem
Materiellen nachjagend, für die Ausbildung des idealen Reiches der
Phantasie keinen Raum lässt. Diese Hinneigung zur allgemeinen
Verflachung muss natürlich auch auf Erziehung und Unterricht ent-
sprechende Rückwirkungen üben.
AU' diese aufgezählten Gründe zu beseitigen, liegt nicht in der
Macht der Lehrer und ist auch nicht ihre Aufgabe.
Wir möchten nur auf einige Momente hinweisen, die uns die
Mittel an die Hand geben sollen, auf methodischem Wege jene
Mängel so gut es geht, zu beseitigen. Uebrigens machen wir auf Voll-
ständigkeit keinen Anspruch, sind im Gegenteil sehr erfreut, wenn
allenfalls von erfahrenerer Seite eine Ergänzung nachfolgen sollte.
Schon auf der untersten Stufe kann und muss mit der Arbeit
begonnen werden. Jene Vater-, Schön- und Ist- Sätze müssen vor
allem verbannt werden, und bis zu einem gewissen Grad geht das auch.
Man lege den Schülern zuerst einen Gegenstand vor, den sie in der
Geschichte, Geopraphie, Naturgeschichte, iu einem Gedichte oder sonst
irgendwo genauer kennen gelernt haben, und fordere sie alle insge-
sammt auf, über denselben etwas „auszusagen". Da wird nuu über
Hanuibal, Rom, Hund, Peter in der Fremde u. s. w. ein halbes oder
ein ganzes Dutzend Sätze gebildet; kein nur etwas Websamer Schüler
will hinter seinem Nachbar zurückstehen, und fast jeder streckt
begierig den Finger in die Höhe und kauu nicht schnell genug seine
freilich oft geringe Weisheit aussprechen
Später diktirt man mehrere Substantiva und lässt darüber passende
Sätze machen, über mit ausdrücklichem Bannflüche gegen etwaige
Ist- etc. Sätze Dann lässt man auch bei Durchnahme der verschiedenen
Redeteile in der Etymologie in diesem Sinne Sätze bilden, in denen
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277
dieser oder jener Redeteil vorkommen muss, wpbei ein Subject ange-
geben werden kann oder nicht.
Endlich lüsst man dem Schüler die goldene Freiheit, seiuen Stoff
zum Satze selbst zu finden.
So kann man schon in den Grammatikstunden auf eine Besserung
des Uebels hinwirken. Das ist aber selbstverständlich nur ein kleines
Körnchen von dem grossen Bau. Die Hauptsache bleibt der eigentlich
stilistische Unterricht, die geistige Belebung aller jener
Unterrichtsstoffe, denen wir oben vorzugsweise Erweiterung des Ideen-
kreises zuschrieben und — Mitwirkung aller Collegen der
betreffenden Anstalt.
Was den stilistischen Unterricht betrifft, so hiesse es nur ein
Tröpfchen ins Meer giesseu, wenn wir uus läuger dabei aufhielten,
und es ist auch hier gar nicht der Ort, diesen Punkt einer eingehenden
Besprechung zu unterziehen. Nur dies Eine möchten wir berühren,
dass der ganze deutsche Unterricht, und vorzugsweise der stilistische,
nicht bloss eine formelle Richtigkeit austrebeu , sondern auf dem
Wege der Schul- und Privatkktüre neue Gedanken zuführen müsse.
Unter Privatlektüre verstehen wir hier das Lesen von geeigneten
- Büchern aus Schül.erlesebibliotheken, die au keiner
Schule fehlen sollten. Freilich kann dem gegenüber eingewendet
werden: „Woher sollen unsere ohnehin schon überbürdeten Schüler
auch noch die Zeit zur Privatlektüre nehmen?'4 Wir verstehen das
ganz gut; indes sind wir der Ansicht, dass fleissige* Schüler uueh
dazu noch einige Zeit finden. Eine Entlastung der Schüler von
Schulstunden zu Gunsten der Privatarbeit wird jeder Freund der
Jugend mit Freude begrüssen , und sie wird seit Jahren von Pädagogen
und Nichtpädagogen ersehnt.
Wir können unsererseits von der gestellten Forderung nicht
abgehen; ohne Privatlektüre kein ordentlicher deutscher Aufsatz, keine
Besserung der eingangs berührten Uebelstände! Darum müssen die
Schüler Zeit haben zum Lesen; denn das Bischen, das sie in der
Schule lesen, reicht beiweitem nicht aus.
Man kann aber häufig bemerken, dass die jungen Leute selbst
das nicht zu benützen verstehen, was sie doch offenbar aus Geschichte,
Geographie etc. wissen müssen Ist ihnen im deutschen Sprachunterricht
die nötige Anweisung zur Verwert uug der anderweitig
erworbenen Kenntnisse zu teil geworden uud dennoch nichts
erzielt worden, so steht es offenbar um diese Kenntnisse sehr schlecht.
Man darf überzeugt sein, dass das, was die guten Jungen in der
Geschichts- oder Geographie- oder Naturgeschichtsstunde gehört haben,
nicht in Fleisch und Blut übergegangen, sondern im besten Fall ein-
gelernt ist. Alles so erworbene Wissen bleibt aber ein totes, wertloses,
19*
278_
unverwendbares. Dagegen muss die Methode de9 Lehrers ankämpfen
Dadarch, dass ein und dasselbe Lernobjekt zu Ker-
sch ie»le neu Zeiten, von verschiedenen Seiten und in
verschiedenen Verbindungen auftritt, wird es im jugendlichen
Geiste lebendig, wird ein Wissen, über das man jeden Augenblick
verfügen kann.
Zu dieser Belebung des Unterrichts in den genannten Fächern
trägt aber noch etwas Anderes viel bei. das um so bedeutender ist,
als nur dadurch in der jungen Seele Lust und Liebe zur Sache
erzeugt, der „Sinn" für die betreffenden Lchrgegenstände geweckt
werden kann. Nach unserm Dafürhalten muss neinlich der Geschichts-
und Geographie- Lehrer so gut wie der Botaniker mit seinen Schülern
Excursionen unternehmen. Was nützt es, wenn den Schülern vor-
gesagt wird, es gebe vier Weltgegenden u. s. w., wenn man aber im
Zweifel sein muss, ob einer darunter ist, der den Polarstern kennt,
der ihm die Nordricbtung anzeigen soll? Wertlos ist es, wenn ein
Schüler lernen muss, der Arber habe eine Höhe von 4500', falls nicht
am Ort der Schule ein Berg oder Turm genau in Augenschein
genommen worden ist, so dass von da ein Schluss auf eine Höhe von
4.MX)' möglich gemacht ist. Es wird aber schwerlich einen Lehrer
geben, der meint, es genüge, Solches den Schulern blos zu sagen.
Das muss der Lehrer mit ihnen ausführen, denn sonst bat er
gewiss umsonst geredet
Und erst gar in der Geschichte! Was wäre das für ein Unterricht,
der den jungen Leuten nichts weiter, als die dürftigen Daten im
Lohrbuche böte? Hinaus ins Freie mit den Schülern! Alles was uns
umgibt , ist ein Produkt tausendjähriger Geschichte. Diese Statue
erinnert uns an Tilly und damit an den dreissigjährigen Krieg, hier
ruft uns eine schwarze, bemooste Steinsäule die Gräuel der Husiten-
kriege ins Gedächtnis. Und das Gotteshaus in diesem Dorfe, wann
ward es erbaut, welche Begebenheit stellt das Freskogemaide an der
Decke dar? Kurz, es gibt tausenderlei Anknüpfungspunkte, auch in
dem kleinsten Städtchen. Unsere deutschen Reichsstädte, die zum
grossen Teil allerdings jetzt ihrer Zahl und Bedeutung nach zusammen-
geschrumpft sind , können immerhin ein gutes Stück Geschichte
erzählen. Es gibt keinen Ort, wo nicht das und jenes uns auf
vergangene Zeiten zurückweist. Oder sollten all die Gemeinden Deutsch-
lands in den letzten Jahren ihren in Frankreich gefallenen Söhnen
deshalb Ehrendenkmäler errichtet haben, damit sich nach zehn Jahren
niemand mehr darum umsehe ? So erst werden wir unsere Jugend
dahin bringen, dass sie nicht blind an dem vorüber geht, was sie
umgibt, und dass sie auch ausser der Schule selbst sich ihre Gedanken
bildet, wenn ihr der Lehrer nicht auf dem Fusse folgen kann.
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279
Das aber wird nicht ohne eine wolthätige Rückwirkung bleiben auf
Gedankenreichtum in den deutschen Aufsätzen.
Um eine merkliche Besserung in Bezug auf Gedankenreichtum der
deutschen Aufslitze zu erleben, bedürfen , wie oben bemerkt wurde, die
Lehrer des Deutschen auch der Mitwirkung aller Collegen der Anstalt.
Ja selbst die Vertreter derjenigen Fächer, welche vorhin nicht als
gedankenbereichernd in unserm Sinne bezeichnet worden sind, können
hiovon nicht ausgeschlossen werden
Dem Mathematik- Unterricht wird es gewiss nicht schaden, wenn
er hie und da ein paar Minuten aus seiner reinen Abstraktheit heraus-
tritt und etwa bei Durchnahme des "pythagoreischen Lehrsatzes nicht
blos von Dreiecken, Rechtecken und rechten Winkeln spricht, sondern
auch einiges einfliessen läset von dem Leben des Pythagoras; und
selbst die abgedroschene ..Eselsbrücke1' kann Anlass zu einem lehr-
reichen Rückblick auf die Vergangenheit geben.
Auch der Zeichnungsunterricht bietet der Gelegenheiten viele,
in diesem Sinne zu wirken.
Es könnte uns nur vielleicht die Frage entgegen gehalten werden,
ob wir berechtigt sind, dem deutschen Unterrichte soviel einzuräumen,
dass allen Lehrern eine Mitwirkuug zugemutet werden könnte. Wir
antworten entschieden mit „ja"; denn sämmtliche Lehrer haben bei
aller Verschiedenheit der Fächer, die sie vertreten, in ihrer pädago-
gischen Thätigkeit ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Dieses
gemeinsame Endziel ihrer Bemühungen, an dessen 'Erreichung sie
mitarbeiten können, ohne ihr spezielles Fach zu beinträchtigen, vielmehr
in dessen eigenstem Interesse, kann nur dies sein, dass die geistige
und sittliche Entwickelung der Schüler möglichst gefördert werde.
Nirgends spiegelt sich aber der jeweilige Bildungsgrad eines Menschen
deutlicher und reiner ab, als in der Art und Weise, wie er seine
Gedanken in der Muttersprache auszudrücken versteht. Mit dem
bekannten „Xe style c'est Vhomme" bat es seine volle Richtigkeit.
München. H. Krallinger,
Bemerkungen zn dem Ohm'schen Gesetz.
Bedeutet E die clcctromotorische Kraft eines Elementes, w den
Widerstand im Element, l den Widerstand im Leitungsdraht, so gilt
für die Stromstärke 2 eines einzigen Elementes die Gleichung:
TP ■ ... •
W -f- l
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280
Nehmen wir N Elemente und teilen dieselben in Gruppen ab , so
dass jede Gruppe a Glieder enthält, welche zu einem einzigen ver-
N
grösserten Plattenpaar, wahrend die - Gruppen kettenförmig unter-
einander verbunden sind, so gilt bekanntlich die Gleichung:
2)
w + l
a N
a
Fragen wir uns nun: welchen Wert muss a haben, damit unter sonst
gleichen Umstanden J ein Maximum oder der Xenncr der Gleichung 2)
ein Minimum wird. Diese Frage wird aus naheliegenden Gründen in
der Kegel mit Hülle der Differentialrechnung gelöst; wo sich andere
Losungen vorfinden , entbehren dieselben oft der wünschenswerten
Durchsichtigkeit *) Am einfachsten setzen wir den Nenner der Gleichung 2)
gleich einer zunächst beliebigen Grösse *, so dass entsteht
aus welcher Gleichung sich ergibt
- + 2 i — V 4 P l
Dun kleinsten Wert, welchen * annehmen kann, damit noch reelle
Werte für a outsteheu, erhalten wir nun aus der Gleichung
N* «* _ w N
worauB
_ 1 / w . I l/w N . .
w l
und aus der Substitution letzteren Wertes — sich ergibt; d h.
a N .
a
der Widerstand im Element muss gleich dem Widerstund im Leitungs-
draht sein.
Der Umstand, dass dieser Satz bei Erwähnung des Ohra'schen
Gesetzes kaum zu umgehen ist, mag jeden Versuch einer einfacheren
Ilerleitung wünschenswert erscheinen lassen
Speier. C. Bender.
*) Man vergleiche Baumgartner 's Physik. Hte Aull p. 512. Müller
Pouillet. IL Bd. Gte Aull. p. 242. Victor v Lang theoretische Physik,
p. 181. Külp Physik. Bd. 3. p. 343.
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281
Aufgabensammlung aus der Algebra von Dr E. Bardey. 4. Aufl.
Leipzig, Teubner.
Die vorliegende Sammlung, welche über 8000 Aufgaben enthält»
ist bestimmt für die Gymnasialklassen von Quarta bis Prima (incl.)-
Dem Anfänger, welcher nur mit bestimmten Zahlen zu rechnen gewohnt
ist, bietet die Rechnung mit allgemeinen Zahlen einige Schwierigkeit.
Der Verlässer erleichtert die Einführung des Schülers in die Algebra
dadurch, dass er an bestimmte Zahlen- Beispiele anknüpfend, den
Schüler auf ein richtiges Erfassen der Fundamentalsätze der Algebra
hinführt Ich halte es nicht für ratsam, sofort beim Beginne des
algebraischen Unterrichtes die streng wissenschaftlichen Beweise in
Anwendung zu bringen, denn diese werden von den Schülern entweder
gar nicht, oder was noch schlimmer ist, falsch verstanden. Es handelt
sich zunächst um ein klares Yerständniss der Fundamentalsätzc und
nachher, etwa bei der Repelition, können die wissenschaftlichen Beweise
durchgenommen werden , wenn man überzeugt ist, dass sie auch von
den Schülern verstanden werden.
Am Eingange der einzelnen Abschnitte befinden sich gewöhnlich
einige passende Erläuterungen oder Fragen, wodurch ein besonderes
Lehrbuch der Algcbrn völlig überflüssig gemacht wird. — Ohne dass
der strengen systematichch Anordnung des Stoffes irgend ein Eintrag
gethan wird, herrscht eine grosse Abwechselung in den Aufgaben,
wodurch einerseits das Interesse der Schüler rege gehalten, anderseits
aber eine sichere Fertigkeit in den algebraischen Operationen erzielt wird.
Besonders hervorgehoben zu werden verdienen die Abschnitte von
den Gleichungen, die sehr umfangreich und mit Gründlichkeit und
grosser Sachkenntniss behandelt sind Der Verfasser hält mit Recht
die Gleichungen für den Schwerpunkt des algebraischen Unterrichtes.
Denn gerade bei den Gleichungen wird die ganze Denkkraft des
Schülers in Anspruch genommen. Es handelt sich nicht nur darum,
das richtige Resultat zu finden, sondern besonders darum, unter den
möglichen Lösungen auch die kürzeste und eleganteste zu suchen, und
hiezu wird in dem Buche diesem Schüler der Weg gebahnt Das Interesse
wird dadurch rege gehalten und der dadurch entstehende Ehrgeiz
leistet gute Dienste. Dabei befestigt der Schüler von Stufe zu Stufe
fortschreitend durch die verschiedensten Operationen das früher Er-
lernte und lernt es für die praktische Anwendung verwerten. Es kann
also dieses Werk angelegentlichst empfohlen werden.
Kaiserslautern. Dr. van Böbber.
R. Dietsch's Grundriss der allgemeinen Geschichte für die
oberen Klassen von Gymnasien und Realschulen. Dritter Teil Neu
bearbeitet von Gustav Richter. 6. Auflage. Leipzig, Druck und
Verlag von B. G. Teubner, 1874. S. S. VIII und 159.
„Es gilt bei dem Geschichtsunterrichte, die Hauptzüge in den
Thatsachen und den Charakteren, die obwaltenden Gleichheiten und
Verschiedenheiten, den zwischen den Begebenheiten äusserlich sicht-
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282
baren Zusammenhang aufzufinden und aus der Beobachtung positive
Wahrheiten zu schöpfen, welche auf andere Verhältnisse wieder
Anwendnng finden können und müssen, in den Hauptsachen also dem
Geiste Methode anznbilden , nicht ihm wissenschaftliches Erkennen
zuzumuten, die Vertiefung in die Objekte anzubahnen, ein volles
Hegreifen aber weder zu wollen noch zu fördern " In diesen Worten
hat Dietsch (Scbroid, Encyclopädie des Erziehungs- und Unterrichts-
wcaens 2. Baud 8. 781) die Aufgabe des Geschichtsunterrichtes am
Gymnasium zusammengefasst und zugleich die Grundsätze niedergelegt,
nach denen die Lehrbücher und Leitfäden der allgemeinen Geschichte
für die oberen Klassen am Gymnasium bearbeitet werden sollen Zur
Abfassung solcher Werke war Prof. Dietsch durch seine umfassenden
Kenntnisse und seine praktische Erfahrung ganz besonders berufen
und sowol sein Lehrbuch als sein Grundriss der allgemeinen Geschichte
nehmen unter der Flut ähnlicher Werke , welche in neuester Zeit
erschienen sind, »»ine hervorragende Stelle ein. Dieser ehrenvolle Platz
wird auch in Zukunft diesen Lehrbüchern gesichert bleiben, da die
Verlagsbuchhandlung bemüht ist, durch zeitgemässe Verbesserungen
den Wert derselbeu immer mehr zu erhöhen Der dritte Teil des
Grundrisses (die Zeit von 1492 - 1871) liegt in 6. Auflage neu-
bearbeitet von Prof. G. Richter vor
Durch richtige Gruppierung und Vereinfachung des Stoffes bat
dieser Grundriss eine wesentlich verbesserte Gestalt erhalten und ist
in dieser Beziehung geradezu musterhaft zu nennen Auf die kultur-
geschichtlichen Abschnitte hat Prof. Richter sein besonderes Augenmerk
gelenkt, da ja auf den oberen Stufen des Gymnasiums und der Real-
schule der Zusammenhang des geistigen Lebens mit dem politischen
betont werden muss Dass die neue Auflage um eine kurze Darstellung
des deutsch- französischen Krieges bereichert werden musste, ist selbst-
verständlich; denn die allgemeine Geschichte darf nach solchen
Ereignissen, wie sie die letzten Jahre mit sich brachten, nicht mit dem
Jahre 1815 an den Gymnasien abgeschlossen werden und auch die
bairische Schulordnung vom 20. Aug. 1874 fordert die Fortführung
der Geschichte bis auf die neueste Zeit. Die Ursachen und der Verlauf
des deutsch - französischen Krieges sind klar und bündig dargelegt —
um vaterländischen Sinn zu wecken, bedarf es nicht der salbungsvollen
Phrase — und die patriotische Haltung König Ludwigs II. von Baiern
ist mit vollem Rechte gebührend hervorgehoben. Die wichtigsten
Bearbeitungen der einzelnen Abschnitte der Geschichte sind im vor-
liegenden Grundrisse nicht angeführt; Referent dagegen hält eine
Anführung derselben für zweckmässig, da der Lehrer gewiss anziehende
Stellen aus mustergiltigeu Geschichtsschreibern zur Belebung des
Unterrichtes mitteilen und die Schüler hiedurch angeregt zur Lektüre
des einen oder anderen historischen Werkes greifen werden. Eine
passende Zugabe bilden die chronologischen Tabellen und die Regenten-
tafel. Durch Anfügung dor letzteren war es möglich, die Stammtafeln
im Texte des Buches auf 6 zu beschränken, ohne der Uebersichtlichkeit
Eintrag zu thun. Nur bei §. 09 wünscht Referent eine Stammtafel
des Hauses Wasa und der schwedischen Könige aus der Linie Zwei-
brücken-Kleeburg. Nach Einfügung dieser Stammtafel könnte der bei
Karl X gemachte schwerfällige Zusatz „der Sohn von Gustav Adolfs
mit dem Pfalzgrafen von Zweibrücken vermählter älterer Schwester"
gestrichen werden. Warum bei der Stammtafel der Häuser Romanow
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283
und Holstein -Gottorp mit Alexei und nicht mit Michael Itomanow
begonnen wurde, ist Referenten nicht klar
Einige Ausstellungen in formeller und sachlicher Hinsicht will
Referent noch beifügen, nicht um an der verdienstlichen Arbeit des
Professors Richter zu mäkeln, sondern um ihn zu veranlassen, die
vorgebrachten Bemerkungen zu prüfen. Der allzuhäufige Gebrauch der
Participien im vorliegenden Grundriss erschwert nicht selten das Ver-
ständniss und arbeitet den Bemühungen des deutschen Unterrichtes
entgegen. S. 00 heisst es: „Karl VI bemühte sich um nichts eifriger,
als die in seinen Ländern bereits anerkannte, seiner Tochter die
Nachfolge sichernde Erbfolgeordnung — — zur Anerkennung zu
bringen"; auf derselben Seite finden wir über den polnischen Suc-
ccssionskrieg folgenden Satz: „Der darüber ausbrechende, in Italien
und am Rhein ohne bedeutende Thaten geführte Krieg, in dem zum
ersten Mal ein russisches Heer in Deutschland erschien, ward geendet."
Unmittelbar darauf heisst es: „Spanien erhielt für den Infanten
Don Carlos Neapel und Sicilien als eine Secundogenitur, d. h. als stets
den nachgebornen Prinzen zufallendes, nie mit Spanien zu
vereinigendes Land". Noch weitere Participien hat ebendieselbe
Seite aufzuweisen. — Bei der Berührung confessioneller Verhältnisse,
besonders in dem Reformationszeitalter, soll in einem Scbulbucbe
möglichst grosse Objektivität angestrebt und alles vermieden werden,
was das religiöse Gefühl verletzen könnte. Bei einer neuen Auflage
wird gewiss Prof. Richter in § 10 den Satz: „Als Leo X, zum Bau
der Peterskirche zu Rom Geld bedürfend, einen Ablass ausschrieb, und
der Ablasskrämer, Jobann Tetzel, Bevollmächtigter des Erzbischofs
Albrecht von Mainz, des Generalahlasspächters für Deutschland, auch
in der Gegend von Wittenberg sein unverschämtes Wesen trieb, schlug
Luther 95 Thesen an" in einer Weise umgestalten, dass die Objektivität
mehr gewahrt wird. Auch in §. 14 wird der Satz: „Ulrich Zwingli
S redigte gegen Ablass, Wallfahrten, Messopfer und andere Missstände
er Kirche" eine Aenderung erfahren müssen, denn nach den ange-
führten Worten wird das Messopfer zu den Missständen der Kirche
gerechnet Wenn es in der Darstellung des dreißigjährigen Krieges
S. 31 heisst: „Ferdinand hatte unterdes den ehrgeizigen Maximilian
von ßaiern (auch S 29 „der ehrgeizige Maximilian von Baiern") durch
hohe Versprechungen (Zusage der pfälzischen Kur) für seine Pläne
gewonnen", erhält der Schüler ein schiefes Bild dieses bairiseben
Fürsten; denn gewiss war es bei Maximilian nicht' der Ehrgeiz, der
ihn zum Vorkämpfer der katholischen Partei machte Auf S. 29 in
dem Satze: „Friedrich IV von der Pfalz gründete 1608 (sollte genauer
heisren: erneuerte die schon 1572 gegründete) die protestantische
Union zu Ahausen" vermisst Referent einen kurzen Zusatz über die
Lage von Ahausen (eine andere Schreibart ist Anhausen). Bei der
Wichtigkeit des spanischen Erbfolgekrieges wäre es wol passend
gewesen, den Krieg in 3 Abschnitte zu zerlegen: 1 Die Zeit des
schwankenden Kriegsglücks 1701 - 1705 2. Die Verbündeten im
Glück 170,') — 1711. 3 Die Wendung und die Friedensschlüsse
1711- 1714. In §. 72 wird über das Ende Karls XII angegeben:
„Karl XII fand 1718 vor Friedrichshall, höchst wahrscheinlich durch
Meuchelmord, sein Ende". Die auf Ansuchen des schwedischen
Geschichtsschreibers Fryxell im Jahre 1859 angestellten Untersuch-
ungen an der Leiche Karls XII haben ergeben, soweit der Beweis
geführt werden kann, dass Karl den natürlichen Tod eines Soldaten
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284
gestorben ist. Daher darf der Zusatz „höchst wahrscheinlich durch
Meuchelmord" unbedenklich gestrichen werden Die Darstellung des
siebenjährigen Krieges erscheint Referenten zu breit Gerade bei der
Darstellung dieses Krieges wäre eine Vereinfachung des Stoffes sehr
erwünscht, damit der Schüler ein anschauliches Bild von diesem Kriege
gewinnt Die einzelnen Streitkräfte, welche gegen Friedrich in Bewegung
gesetzt wurden, 105<XK) Franzosen, 174000 Oestreicher u. s. w. merkt
sich der Schüler entweder gar nicht oder nur vorübergehend. Ebenso
hält Referent die Angabe des Datums jedes einzelnen Gefechtes und
jeder einzelnen Schlacht für überflüssig. Moreaus Verdienst bei dem
Rückzüge 17% haben Sybel und Ilausser auf das richtige Mass zurück-
geführt; daher sollte in einem Grundriss der Geschichte dieser Rückzug
nicht als ein „musterhaft bewerkstelligter" hervorgehoben werden.
S. 101 heisst es: „Pius VII krönte den Kaiser nebst seiner Gemahlin"
und unmittelbsr nachher „Napoleon wurde im Dome zu Mailand zum
König gekrönt". Bekannt ist, dass Napoleon sich zwar vom Papste
salben Hess, aber sich und seiner Gemahlin die Krone selbst auf das
Ilaupt setzte; ebenso, dass er sich zu Mailand selbst zum Könige von
Italien krönte. Auf S 131 wird bei der Belagerung von Gaöta ange-
geben, dass die Königin Marie, Gemahlin Franz II, eine geb. Herzogin
voh Baiern ist. Die Glieder der herzoglichen Linie in Bai^rn führen
den Titel Herzog oder Herzogin in Baiern, während der König von
Baiern auch den Titel Herzog von Baiern führt. Also wird Herzogin
von Baiern in Herzogin in Baiern zu ändern sein. Auf die Schreibung
der Orts- und Personennamen ist besondere Sorgfalt verwendet worden,
nur S. 29 steht Achen statt Aachen, S. 100 Freisingen statt Freising,
S. 102 Eichstedt statt Eichstätt. An letzterer Stelle heisst es ungenau:
Baiern erhielt durch den Friedeu zu Pressburg mehrere Bistümer
(Eichstedt, Passau)". Baiern erhielt durch den Reiehsdeputationshaupt-
schluss Teile der bischöflichen Gebiete von Eichstätt und Passau, die
anderen Teile dieser beiden Bistümer fielen an den Kurfürsten von
Salzburg (früheren Grossherzog von Toskana) und dessen Teile an den
früheren Bistümern Eichstätt und Passau erhielt Baiern im Frieden
zu Pressburg.
Durch die schöne und zweckmässige äussere Ausstattung und den
sehr billigen Preis von 1 Mark 20 Pf. hat die Verlagsbuchhandlung
ihrerseits zur weiten Verbreitung dieses trefflichen Lehrmittels wesent-
lich beigetragen.
Landshut. Kraus.
Grammatische Vorschule der lateinischen Sprache und des Sprach-
unterrichtes überhaupt von Joseph Sanneg. Leipzig, Druck und Verlag
von B. G. Toubner, 1875.
Dass Jemand ein geistreicher und gründlicher Kenner der latein-
ischen Sprache sein kann, ohne zugleich ein praktische/ Jugendlehrcr
zu sein, das hat wol Herr Sanneg durch seine grammatische Vorschule
der lateinischen Sprache zur Genüge bewiesen Das Buch wird, was
grammatische Untersuchungen anlangt, von jedem Sachkundigen mit
Vergnügen gelesen werden; aber das klingt doch nicht recht glaublich,
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285
dass es ein Schulbuch sein soll! Auch hat der Herr Verfasser anzugeben
unterlassen, für welche Klasse oder Klassen es bestimmt sei. Doch
nicht gar für Sexta V Jeder Unbefangene muss auf den ersten Blick
erkennen, dass die Sprache desselben für die kleinen Anfänger da
und dort zu absolut, zu strengwissenschaftlich, die Hegeln viel zu
minutiös und zu wenig übersichtlich, die Lesestücke und insbesondere
die Vokabeln zu übermassig gehäuft sind Welche Verwirrung der
Gebrauch dieses Lehrmittels bei den Schülern anrichten müsste, dafür
unter vielem anderen nur einen Beweis. Nicht selten begehen die
ungeübten Sextaner Verwechslungen von Aktiv und Passiv, besonders
bei den mit dem Hilfsverb „werden" gebildeten Formen ; der Herr
Verfasser aber beschert ihnen freigebigst auf einen Wurf (Seite 15)
neben Aktiv und Passiv auch das Medium (mutnr ich ändere mich),
dazu )das Deponens (hortor ich ermahne) un,d vapulo ich werde
gesthlageu. Eine solche Zusammenstellung mag gelehrt sein; aber wo
soll der jugendliche Verstand da einen Ruhepunkt finden? — Die
Sammlung lateinischer Sprüche könnte als ein grosses Verdienst
bezeichnet werden, wenn man nicht fürchten müsste, dass auch diese
mit ihrer vom lateinischen Wortlaut ganz abweichenden deutschen
Uebersctzung den armen Sextanern aufgebürdet werden sollen. — Noch
sei hier der Ueberraschung Ausdruck verliehen, die man empfindet,
wenn man in diesem gewiss durch uud durch modernen Buche die
alten Knittelreimc (z. B. Bei -a und -c in prima hat Das genu* femi-
trimm statt, Die übrigen auf -äs und -es Bedeuten etwas Männliches,
Seite 46) neuerdings verzeichnet sieht.
München. L Mayer.
De Aristotele Ciceronis in rhetorica auetore quaestiones scripsit
Dr Hugo Jentsck p. 1 und II. 1874 und 1876.
In dieser Scbrift sucht der Verfasser seiue Ansicht von dem
Einflüsse des Aristoteles auf die Rhetorik des Cicero, die er bereits
in seiner Dissertation: Aristotelis ex arte rhetorica quid habeat Cicero-
Tierol 1866 niedergelegt hatte, weiter auszuführen und zu begründen.
Zu diesem Behufe untersucht er beider Autoren Definition der Rhetorik,
ihre Lehre von dem Zwecke und dem Stoffe derselben , von dem
Unterschiede der Rhetorik und Dialektik, von dem Nutzen der Rhetorik.
Darauf folgt eine eingebende Darlegung der genera causarum und der
partes rhetoricae in der Doctrin des Aristoteles und des Cicero. Am
Schlüsse einer jeden Abteilung wird das Ergebniss der Untersuchung
besprochen, das freilich meistens dahingeht, ein Einfluss des Aristoteles
auf die Rhetorik Cicero's lasse sich nicht wahrnehmen. Und wenn
doch die Lehre Cicero's mit der des Aristoteles genau übereinstimmt,
so sagt der Verfasser (z. B I p. 23), man inüase nicht die Autorität
des Aristoteles darin erkennen; denn Cicero habe ja aus den Schriften
anderer oder jüngerer Rhetoren seine Lehre schöpfen können Eigen-
tumlich ist es freilich, dass der Verfasser in einigen Punkten, in denen
des Aristoteles und Cicero Doktrin den Lehren anderer Rhetoren
gegenüber harmoniert, doch die Autoritäi des Aristoteles zugeben muss
Conscquenz ist das jedenfalls nicht. Wahrscheinlicher ist es doch
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gewiss, dass Cicero auch sonst Aristoteles als Quelle seiner Rhetorik
benützte, wenn an manchen Punkten dieselbe anerkannt werden rauss
Dazu kommt, dass er selten von Schriften anderer Hhetoren spricht,
dagegeu Aristoteles ungemein häufig citirt 80 führt er in seinen
Topica (§ 2) nur die gleichnamige Schrift jenes Philosophen an und
doch sagt der Verfasser II p 25: In Bruto et in topicis omnino nullit*
invenitur qui ex philosophi arte reeeptus esse videatur locus. Ein wie
grosser Irrtum dies ist, werde ich an einem andern Orte ausführlich
zeigen. Cicero nahm eben nur soviel aus der Doktrin des Aristoteles,
als er für seinen Zweck nötig hielt, Anderes fügte er selbst hinzu
oder suchte mit der aristotelischen Grundlage die Lehren anderer
tthetoren zu vereinigen. Er war wie in der Philosophie, so in der
Rhetorik ein Eklektiker, nur dass er sich in letzterer mehr an
Aristoteles anscbloss, wie er überhaupt seinem Berufe nach das System
der Rhetorik besser auftässte und consequenter durchführte, als man
dies bezüglich seiner Philosophie behaupten kann
Uebrigens zeigt die Abhandlung von sehr gründlichem Studium-
der Schriften von Cicero und Aristoteles und einer genauen Kenntniss
der einschlägigen Literatur Die Diktion ist etwas gekünstelt und
schwerfällig, so dass man sieht, dass wie bei Cicero der Einfluss des
Aristoteles, so bei dem Verfasser der des Cicero nicht anerkannt zu
werden braucht (cf. I p. 8).
GQnzburg. C. Hammer.
Der Realunterricht in Preussen und Bayern. Ein Beitrag zur
Lösung der bayr. Gewerbschulfragc. München, Cbr Kaiser, 1875*).
Nachdem bisher aus dem Schosse des obersten Scbulrates nur die nakte
Thatsache in die Oeffentlicbkeit gedrungeu, dass derselbe sich zu der
80 vielseitig geforderten Erweiterung unserer Gcwerbschulcn ablehnend
verhalte, so ist es um so erlreulicher jetzt eine Stimme au8 dessen
Mitte zu vernehmen, welche mit der überwiegenden Mehrzahl der
Lehrer einig ist in der Verurteilung des bisherigen Zustandes, ja welche
sogar mit viel Eifer und Geschick für Einführung Okursiger Real-
schulen plaidirt. Dabei bedauern wir von vornherein, dass der Verfasser
der bekannten Broschüre „Der Realunterricht in Preussen uud Bayern"
nur das preussische Realschulwesen in Betracht gezogen hat, indem wir
gerade dieses durchaus nicht als Ideal uud nachahmenswert ansehen
können, und glauben, dass dasselbe in anderen Staaten, z. B Sachsen,
Oesterreich, der Schweiz, weit besser orgauisirt ist. Bereits bat eine
Stimme in der Allg. Zeitung vom 27. Juni, auf die wir erst nachträglich
*) Unterzeichnete Hess sich angelegen sein, dass auch in diesen Blättern
eine Besprechung der interessanten Broschüre erscheine. Nun spricht aber
Verfasser des Obigen sich statt der Gkursigcn für eine 5 kursige Realschule,
die vom 11. Lebensjahr»1 anfange, aus, und dazu auch noch für eine 7k ursige.
Gleichwol glaubt die Redaktion diese Einsendung nicht ablehnen zu sollen,
um so weniger, da sie ebensowol die Notwendigkeit der Reorganisation
bejaht, als auch diese in Erweiterung der bestehenden 3 Kurse durch unten
und oben anzufügende neue Knrse anstrebt. D R
jiti
zed by G^bgle
287
aufmerksam gemacht wurden , auf diesen Umstand hingewiesen und
zugleich auf verschiedene andere Stellen der Broschüre aufmerksam
gemacht, ohne aber mit neuen Vorschlägen aufzutreten. Auch wir
haben von Anfang an den Schluss aul Einführung Gkursiger Realschulen
mit Schülern vom 10. Iti Lebensjahre nicht gerade mit ungeteilter
Freude begrüsst. Wir erachten nämlich die Opfer, die bei der Ein-
führung und Erhaltung Gkursiger Schulen gebracht weiden müssen, als
zu drückend und legen uns notgedrungen die Frage vor: Sind die
Ziele, die in der Broschüre der Gkursigen Realschule gesteckt sind,
nicht mit weniger Opfern z B. nicht mit einer tniuderkursigen Schule
zu erreichen? Die Antwort auf diese Frage fallt bejahend aus, indem
wir glauben, dass der unterste Kurs wegfallen kann.
Widersprechend klingt es, wenn man auf der einen Seite soviel für
materielle und geistige Hebung der Volksschule thut, und auf der
andern sie unfähig erklärt, Knaben, die höhere Bildung sich aneignen
sollen, länger als bis zum 9. oder 10 Jahn zu behalten. Es mag das
noch eiue gewisse Berechtigung haben (notwendig scheint es uns gleich-
wol nicht) bei Knaben, welche sich den gelehrten Studien widmen
sollen, aber unberechtigt ist es, ja sogar ein Unrecht gegen die Volks-
schule, wenn man auch die Knaben, wolche doch nur eine angemessene
höhere Bildung für das unmittelbare praktische Leben, für das Handwerk,
für den mittleren Bürgerstand suchen (v. Bericht über die I. General -
Versammlung der technischen Lehrer Bayerns p. 9), schon mit lOJahreu
der Volksschule entreissen will. Es ist konstatirt und wurde erst jüngst
auf der Versammlung der bayerischen Gymnasiallehrer anerkannt, dass
die Methodik in der Volksschule in den letzten Jahren ganz bedeutend
verbessert worden und jetzt wol als mustergiltig bezeichnet werden
kann; es ist ferner gewiss, dass die Bestrebungen, welche auf die
geistige Hebuug der Volksschule abzielen, allenthalben die besten
Früchte tragen: warum sollte diese also nicht annähernd leisten können,
was der unterste Kurs der Gklassigen Realschule als Aufgabe zuge-
wiesen bekommt? warum soll man, an sie anschliessend, nicht auch in
5 Jahren mehr erreichen, als man bisher in 3 Jahren, freilich unvoll-
kommen, hat erreichen müssen?
Andererseits ist nicht zu leugnen, dass ein grosser Teil unserer
Gewerbscbüler vom Lande kommt und auch später kommen wird, und
in Beziehung auf die allgemeine Volksbildung sind gerade diese um so
lebhafter zu begrüssen und in grosser Zahl herbeizuwünschen, als man
ja von gewisser Seite her den Gewerbschulen schon den Vorwurf
gemacht hat, dass sie dem Lande nur liberale Bürgermeister
erziehen. Für Eltern aber, die auf dem Lande wohnen, ist es sicher
nicht gleichgültig, ob sie ihre Kinder mit 10 oder mit 11 Jahren zur
Stadt schicken sollen, einmal aus Gründen der Erziehung, der körper-
lichen Entwicklung u dgl. und das anderemal aus finanziellen Rück-
sichten. Zudem pflegen sich nach unserer Erfahrung die Leute auf
dem Lande erst sehr spät zu entschliessen, ihren Söhnen noch einige
weitere Bildung angedeihen zu lassen, und somit dürfte dieser Ent-
schluss für viele ein zu später werden. Welche Bedeutung die finan-
ziellen Rücksichten auch für den Säckel der Steuerzahlcnden haben,
darauf wurde bereits oben hingewiesen; es lassen sich nämlich bei 5
statt 6 Kursen für jede Anstalt mindestens eine, unter Umständen auch
zwei Lehrkräfte und zugleich eine entsprechende Quote der RcaJ-
Exigenz ersparen.
i _
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288
Die oben citirte Stimme in der Allg. Zeitung ist insbesondere
damit nicht einverstanden, dass die projektirten 6 Kurse nur in ein-
zelnen Schulen eingeführt, die andern aber sich mit den 4 untern
Kursen begnügen sollen. Dieser Missstand würde sich auch bei den
5klassigen, ja sogar bei den 4klassigen Anstalten nicht ganz beseitigen
lassen; denn man darf sicher annehmen, dass die oberen Kurse immer
verhältnissmässig schwach besucht sein und dass manche unserer
Gewerbscbulen nicht das entsprechende Material für die oberen zwei
Kurse erhalten werden - dennoch aber könnten mehr von diesen
Schulen in 5- als in öklassige Realschulen umgewandelt werden.
Aus diesen Gründen möchten wir die Kursusdauer einer Realschule
nicht zu weit ausdehnen und vor Allem nicht zu früh beginnen, und
dürfte sich der alte Spruch ,,i'n medio virtus" auch hier bewahrheiten,
wenn statt der ökursigen ökursige Anstalten geschaffen würden.
Was nun die Organisation dieser Schulen betrifft, so wünschten
wir, dass für die 3 untern Klassen nur das Lehrziel massgebend sei,
wie es der unmittelbare Uebertritt in1* bürgerliche Leben erheischt,
ohne Rücksicht darauf, dass die Schule zugleich Vorbereitung6Scbule
für weitere Studien sein soll. Es müsstu also in dem in der Broschüre
p. 63 aufgestellten Lchrplan (hier für den II. III. IV. Kurs) die deutsche
Sprache gegenüber der französischen etwas mehr in den Vordergrund
treten, die Physik ganz wegfallen, und für das Zeichnen 4 Stunden
auch im untersten Kurs eingestellt werden. Gerade aus dem III. Kurse
werden die meisten Schüler austreten, jene welche sich einem Handwerk
oder sonstigen bürgerlichen Kleingewerbe widmen, jene, deren Mittel
eine Fortsetzung des Studiums nicht erlauben und die möglichst früh
verdienen müssen, und jene, deren Fähigkeiten einen weiteren Besuch
der höheren Klassen nicht gestatten.
Können nun die so organisirten 3 Klassen auch als Vorbereitung
für das höhere technische Studium dienen? Sicherlich, weil hier gerade
jene Fächer gelehrt werden, welche die Basis des technischen Studiums
bilden. Wie soll nun aber die für die technische Hochschule nötige
Vorbildung weiter vermittelt werden? Bei Beantwortung dieser Frage
stehen wir nicht auf dem Standpunkt des Autors der Broschüre, wir
müssen uns sogar teilweise selbst demeutiren. Wir würden nämlich
aus den 2 noch übrigen Kursen unserer dklassigen Realschule am
liebsten eine 4klassige Oberrealschule machen und dieselbe mit einem
festen Lehrplane (eine Kopirung der pr. Realschulen IL Ordnung
fällt uns nicht ein) so ausstatten, dass sie dem Besucher eine allseitige,
möglichst tiefgehende Kcnntniss der deutschen , französischen und eng-
lischen Sprache und Literatur, Verständniss der Geschichte, tüchtige
Schulung in den mathematischen Disciplinen, hinreichende Bekanntschaft
mit den Naturwissenschaften, endlich grosse Fertigkeit im Zeich neu
gewähren kann, so dass der Abiturient dieser Oberrealschule wol
befähigt ist, dem eigentlichen Fachstudium an der polytechnischen
Hochschule obzuliegeu.
Ja, wenn nun der Studirende sich einem Berufe zuwenden will,
für welchen er das höhere Fachstudium am Polytechnikum nicht braucht,
aber ausser einer gewissen allgemeinen Bildung doch schon eine
bestimmte Fachbildung nötig hat, wie sie jetzt unsere Industrieschule!!
bieten, wohin soll sich dieser wenden? Mit andern Worten: welche
Anstalt ersetzt die Industrieschulen, die natürlich mit ihrem Zweck „als
Vorbcreitungsanstalten für die technische Hochschule zu dienen1', dahiu
fielen? Die Antwort hierauf lautet einfach „das Technikum", welches
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289
aber als reine Fachschule sich aus den Industrieschulen heraus-
entwickeln müsste. Die Verquickung der beiden Ziele, welche der
Industrieschule jetzt gesteckt sind, einesteils den Techniker für den
unmittelbaren Uebertritt in's praktische Leben zu befähigen , andern-
teils ihm die nötige Befähigung zum Besuche der technischen Hoch-
schule zu gewahren, ist nach unserm Dafürhalten unbedingt zu verwerfen.
Sie führt erstens zu einer ungeheueren Stundenlast für den Schüler
(40 — 44 per Woche), zweitens gestattet sie einzelnen Fächern, z. B.
den sprachlichen, doch wieder nur eine zu geringe Stundenzahl, sodass
sowol der Unterricht äusserst mühsam, als auch die erzielten Resultate
verhältnissmässig gering siud Man sehe sich einmal die Noten an,
welche im Jahresbericht 1873 74 der Münchener Industrieschule im
I. Kurs aufgeführt sind! Es muss in allen allgemeinen Fächern, in
Sprachen, Geschichte, in Mathematik der Privatfleiss , das Studium
und die Uebung zu Hause eintreten, sollen anders nur einigermassen
bleibende Resultate erzielt werden. Aber was kann man von einem
16 — 18jährigen Jüugling, der 40 - 44 Stunden wöchentlich in der
Schule zubringt, der häutig nebenbei noch andere .nützliche Dinge,
z. B. Musik, Stenographie, Buchhaltung etc. treiben soll, der überdiess
eine fast akademische Freiheit geuiesst, in dieser Hinsicht verlangen?
Wir sind demnach überzeugt, dass die an den Industrieschulen erzielten
Resultate berechtigten Anforderungen nicht ganz entsprechen, wenn
gleich einzelne Schüler derselben sich später am Polytechnikum
hervorthun; namentlich dürfte die allgemeino Bildung der meisten
Absolventen der Industrieschule zu wünschen übrig lassen. Und wenn
sich die ehemaligen Industrieschüler wirklich an der technischen Hoch-
schule vor andern auszeichnen, warum ist es mit den Berechtigungen
derselben z.B. für Eintritt in den Staatsdienst, gar so kläglich bestellt?
Wir sind uns nun wol bewusst, dass wir mit diesen Ausführungen
nicht überall Beifall finden werden, aber es scheint uns dieses System
das rationellste zu sein. Wie das Gymnasium die Vorschule für das
Studium an der Universität ist, so soll" die Uberrealschule Vorbereitungs-
anstalt für die technische Hochschule sein. Will der Gymnasiast sich
einem Berufe zuwenden, wozu er das volle Gymnasium odeT die Uni-
versität nicht zu besuchen braucht, so tritt er eben au3 und holt sich
seine spezielle Fachbildung anderswo, z. B in der Otticin des Apo-
thekers. So soll auch derjenige, der die ganze Oberrealschule oder
die technische Hochschule nicht notwendig hat, dieselbe verlassen und
sich seine spezielle Fachbilduug in der mechanischen Werkstätte, im
Comptoir oder am Technikum suchen
Unsere Vorschläge sind ferner nichts weniger als neu. In Oester-
reich bestehen Tkursige vollständige Realschulen schon längere Zeit
und zwar in grosser Blüte, noch länger haben wir sie in der Schweiz
als Parallelabteilungen der Gymnasien (es herrscht daselbst nämlich
vielfach das sogenannte Bifurcationssystem), speziell als Gewerbscbule
in Basel. Auch die Tech n a floriren in Norddeutsch land schon seit
geraumer Zeit und die Schweiz hat erst unlängst ein solches in
Winterthur gegründet.
Um zum Schlüsse das Vorstehende zu rekapituliren , würden wir
in erster Liuie das System der Unter- und Oberrealschule mit Tecbnicum
zur Durchführung empfehlen, weil gerade darin und nur darin System
ist; in zweiter Linie, wenn man diese Einrichtung aus irgendwelchen
Gründen nicht aeeeptiren kann oder will, scheinen uns ökursige Real-
schulen an Stelle der bisherigen Gewerbschulen treten zu sollen.
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200
Vierkursige Anstalten , für die man hie und da noch spricht und
schreibt, dünken nus nicht hinreichend, wenn ja (loch der bisherige
Lehrstoff vertieft und um das Englische vermehrt werden soll, sechs-
klassige dagegen erfordern zu viele Opfer und scheinen in der That
überflüssig. In den Vorkursen mancher Anstalten hat man bereits die
vorgeschlagene I. Klasse im Grundriss (und somit hätten diese Vor-
kurse doch wenigstens einen Nutzen gehabt), es bliebe also bloss noch
eine V Klasse oben anzufügen, resp den bisherigen Lehrstoff auf die
4 oberen Kurse zu verteilen. Sollte sieh dann wirklich einmal das
Bedürfnis! nach einein weiteren 6 Kurse gellend machen, nun so wird
derselbe sich ebenso leicht unten anfügen lassen, wie die nene unterste
Klasse an die Lateinschule.
Der deutsche Aufsatz in Lehre und Beispiel für die obern Klassen
höherer Lehranstalten von Franz Linnig. Zweite umgearbeitete
Auflage Paderborn, Ferdinand Schüningh. 187.'». 347 S in 8. Pr. 3 M.
Das Werk, das schon bei seinem ersten Erscheinen S. 202 des VII. Bds.
dieser Blätter empfohlen wurde, weist in der neuen Auflage denselben
Gang, nach den Hauptgattungen und Arten der Prosa, auf, hat aber
innerhalb der einzelnen Stilgattungcn so wesentliche und zahlreiche
Veränderungen erfahren, dass es seinem Inhalte nach fast als ein
neues gelten kann Der unfruchtbare oder entbehrliche Stoff wurde
ausgeschieden, und dadurch eine Vermehrung der Aufgaben und Bei-
spiele von 139 auf 302 ermöglicht, ohne dass der Umfang des Buches
erweitert oder der Preis erhöht zu werden brauchte. Der Stoff ist für
die fünf oberen Klassen berechnet und darnach ausgeschieden, immer
im Anschluss an eine bestimmte Lektüre. Das woldurchdachte
praktische Werk sei wiederholt empfohlen.
Aufgaben zum Uebersetzen ins Lateinische für Quarta im Anschluss
an die Grammatik von Ellendt- Seyffert von Dr. Aug. Haacke. 8. Aufl.
Berlin, Weidmaun. 187.». Ausser einzelnen Verbesserungen des Textes
und Nachträgen im Wörterverzeichniss hat die neue Auflage keine
Veränderungen erfahren.
Materialien zum Uebersetzen aus dem Deutschen ins Lateinische
für die mittleren Gymnasialklassen von Aug. Grotefend. 4. vermehrte
und verbesserte Auflage von D. Ringe. Erster Cursus. Göttingen,
Vandenhöck und Ruprecht. 1874. 1 M. 60 Pf. Die neue Auflage
des schon lange bekannten Buches ist im ganzen unverändert geblieben,
doch hat es eine gründliche Revision und eine Erweiterung von einigen
Bogen, die aus dem nächsten Hefte herübergenomraen wurden, erfahren.
Citiert sind die Grammatiken von Lattmann - Müller , Ellendt - Seyffert,
Kühner und Berger.
Kleine lateinische Grammatik von Dr J. Lattmann und H.
D. Müller. 3. verbesserte Auflage. Göttingen, Vandenhöck und
Ruprecht. 1874. 2 M. Die neue Autlage weicht von der voraus-
gehenden im Texte nur wenig ab, dagegen sind die Citate aus dem
Lesebuche getilgt und durch ausgedruckte Beispiele ersetzt.
P.
Literarische Notizen.
291
Lateinisches l ebungsbuch von Dr. J. Lattmann. 4. verb. Aufl.
Göttiugen, Vandenhöck und Ruprecht. 1875. 14 Gr. Um die Benützung
des Baches auch ohne Vorausgang der „Vorschule" zu erleichtern,
sind S. 1 — 3 und auf den nächstfolgenden einige Sätze aus der „Vor-
schule" herübergekommen ; in Folge davon ist das Vokabular S 3
verkürzt. Am Texte ist sonst nichts geändert
Griechisches Uebungsbungsbuch. Erste Stufe. Von H. D. Müller
und J Lattmann. 2. verbesserte Aufl. Göttingen, Vandenhöck und
Ruprecht. 1873. 80 Pf. Ein nur im Einzelnen verbesserter Abdruck
der ersten Auflage
Die griechischen Personennamen nach ihrer Bildung erklärt, mit
den Namensystemen verwandter Sprachen verglichen und systematisch
geordnet von Dr. Aug. Kick Göttingen, Vandenhöck und Ruprecht.
.1875. 8 M. Das Buch handelt auf CCXIX S. von der Bildung der
griechischen Personennamen, von der celtischen Namengebung, vom
germanischen Namensystem , von der slavischen Namengebung, dem
eranischen Xamensysteiu , der Namengebung im Sanskrit, dem Nanicn-
systero der proetbnischen Spracheinheiten; dann folgen auf 236 S. die
griechischen Personennamen in systematischer Anordnung (Anfangs-
grnppen und Kosenamen, End^ruppen, System der griechischen Namen-
bilduug in mehreren Unterabteilungen)
Cicero's ausgewählte Reden, erklärt von Karl Halm. Sechstes
Bändchec Die erste und zweite philippische Rede. Fünfte, vielfach
verbesserte Auflage Berlin, Weidmann. 1875. 1 M. 20 Pf
M. Tulli Ciceronis Laelius, erklärt von Dr. C. C. W. Nauck.
7 Aufl. Berlin, Weidmann. 1875. 75 Pf.
Homer's Odyssee. Erklärt von J. U. Faosi. Zweiter Band.
Gesang IX — XVI. Sechste Auflage. Besorgt von W C. Kays er.
Berlin, Weidmann. 1875. 1 M. 50 Pf.
Titi Livi ab urbe condita libri. Erklärt von W. Weissenborn.
Erster Band. Erstes Heft: Buch I. Sechste verbesserte Auflage.
Berlin, Weidmann 1875. 1 M. 80 Pf. Der Text ist nur an wenigen
Stellen geändert; die Einleitung unter Benützung von H. Peters Belli-
quiae v et er um historicorum Bom , sowie der Abhandlungen von Nissen
und Wölfflin umgearbeitet, auch der Kommentar revidiert
C. Julii Caesaris Commentarii de bello Galltco , erklärt von
Fr. Kr ahn er. Neunte verbesserte Auflage von W. D ittenberger.
Mit einer Karte vcn Gallien von H. Kiepert. Berlin, Weidmann
1875. 2 M. 25 Pf
Deutsches Lesebuch, herausgegeben von R. Au ras und G. Gn er lieh,
Mit einem Vorworte von Dr. C. A. Kletke. Erster Teil. Untere
Stufe. 9. verb Auflage. Breslau, Hirt'sche Universitäts -Buchhandlung.
1875. 2 M. 75 Pf. Das Lesebuch will dem Lehrer das Material bieten,
um die Schüler zum Denken anzuregen und sie zu üben, ihre Gedanken
in richtige und edle Formen zu bringen. Der erste Teil (288 S.)
enthält Prosa, der zweite (112 S.) Poesie. Noten sind nicht gegeben.
Das Conto- cor rente mit einheitlichem und wechselndem Zinsfusse,
nach drei Rechnungsarten von Ad. Christ. Elberfeld. Druck und
Verlag von Sam. Lucas. Der Verfasser bearbeitet die gestellte Aufgabe,
soweit es sich um die progressive & retrograde Methode handelt, ziemlich
ausführlich, berücksicht namentlich das Contocorrent mit wechselndem
Zinsfuss, allein den gegebenen theoretischen Erläuterungen über Auf-
stellung laufender Rechnungen fehlt die nötige rechnerische Begründung.
«lütter f. d. bayer. Qymn.- u. Real-8chu»w. XI. Jahre 20
292
Berücksichtigt man ferner noch, dass die scalische Rechnung (Stufen-
leiter) eine höchst einseitige, unvollständige Behandlung erfährt, so
lässt sich diese Schrift für Verwendung beim Schulunterricht durchaus
nicht empfehlen.
Lespoetes frangaia. Becueil de poesies frangaises par E. Pfund-
heller. Berlin, Weidmann. 1875. 355 S. in kl 8. Keine Vorrede
gibt Aufseli lu ss über den Zweck der Sammlung; es kann also nur
konstatiert werden, dass die Auswahl gut, die Ausstattung hübsch ist.
Auch Scenen aus Dramen sind aufgenommen. Ausser dem Texte findet
sich weder Kommentar noch Wörterverzeichniss.
Auszüge.
Zeitschrift für d. G y in n as ia 1 w e s e n
4. 5.
I. Noch einmal das griechische Scriptum in Prima. Von Dr. 0. Kohl.
Zunächst gegen einen Aufsatz von H. Hess gerichtet, das- griechische
Scriptum verteidigend. — Beiträge zur Erklärung des Vergil Von Dr.
Bentfeld. (A. III. 509. IV. 527. XII. 464. G. 2. 110 f A. V. 451
G. I. 322. G. II. 806. A. VI. 191 — lauter Stellen, wo es sich um Dativ
oder Ablativ handelt). — Zu Xen. Anab. V. 4, 10 — 20. Zunächst gegen die
Bedenken Henrychowski's in dieser Zeitschrift (November - Heft 1874) gerichtet.
II enthält unter anderem eine anerkennende Recension von Dr. Rieden-
auers Studien zur Geschichte des antiken Handwerks von Büchsensch üri
— Jahresberichte des philologischen Vereins zu Berlin: Livius von Dr
Müller (Schluss); Homer von Dr. Lange: a) die homerische Frage.
6.
I. Ein Versuch dos Horatius 28. Ode des 1. Buches zu erklären. Vou
Dr. Fr. Frigell in Upsala „Horatius stellte sich die Leiche eines an
den Strand geworfenen Tarentinischen Schiffers neben dem noch uubegrabeneo
Greise Archytas vor und lässt der Seele des ersteren beim Anblick des
letzteren einen Monolog über die Gleichheit im Tode halten, sowie zuletzt
unter Verheissungen und Drohungen an einen Vorübergehenden die Bitte
stellen, er möge ihnen die letzte Pflicht erweisen". — Zur Frage des
Unterrichts im Altdeutschen auf den höheren Schulen. Von 0. Vogel in
- Greifswald (Entgegnung auf die Einwendungen Wilmanns' gegen die im
Januarheft vorgetragenen Ansichten des Verfassers) — Bemerkung dazu
von Wilmanns.
III. Fortsetzung der „Jahresberichte" (Homer von Lange, Sophokles
von Jacob).
Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien.
6.
I Ueber Auffassung und Methode der Staatshistorie. Von Dr. A.
Fournier (Habilitations - Vorlesung , gehalten an der Wiener Universität
am 1. Februar 1875).
Statistisch es.
Ernannt: Prof. Dr. Fischer am Max - Gymnasium in München
zum Domdechant in Eichstätt •, Stndl. Dr. Reber in Regensburg zum
Direktor der höheren weiblichen Bildungsanstalt in Aschaffenburg; Lehr-
amtskandidat Matthäus (Konk. 1873) zum Studl. in Kulmbach •, Ass.
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293
Zrcnner in Schweinfurt (Konk. 1873) zum Stadl in Hassfart; Ass. Kl
Hellmuth (Konk. 1873) in Speier zum Stadl, in Pirmasens.
Versetzt: Stadl. Rayp von Bamberg nach Ingolstadt.
Gestorben: Subrektor Strenber in St Ingbert.
■
Zum Bericht über die erste Generalversammlung des Vereins der
technischen Lehrer (1875).
In diesem Berichte ist S 11 der Auszug der zweiten Rede des
Unterzeichneten mit 8 Zeilen gegeben und mit einem et cetera geschlossen.
Eine gelegentliche mündliche Reklamation erhielt die Antwort, dass die
Schriftführer das Weitere der Rede nicht mehr gewusst hätten. Auch
kanu ich mich nicht erinnern, dass ich etwa nicht zur Sache oder zu
lang gesprochen, oder dass ich nur von Andern schon Gesagtes noch
wiederholt hätte. Ein solcher Schein konnte vermieden werden , wenn
man mit. einem Punktzekhen geschlossen hätte, wie bei meiner ersten
Rede, ans welcher auch manch Wesentliches fortgeblieben ist. Ich
erwähne da nur das die Frequeuz des bisherigen III Kurses Betreffende,
welch letzterer iu beinahe dem vierten Teile der Gewerbschulen unter
10 Schüler (auch 2 und 3) zähle; dass die Gefahr nicht ferne liege,
dass solche vereinzelte Schüler auch uubewusst in den höhern Kurs
gewissermasaen hinaufgetragen werden, und dass ihnen jedenfalls die
anregende Konkurrenz einer grösseren Mitschülerschaft abgehe. I' Ober-
nau),t ist schon von mehreren Seiten das Bedürfniss nach vollständigerer
Wiedergabe der Verhandlungen ausgesprochen worden, wie ja auch
vor der letzten Versammlung von stenographischer Aufzeichnung ernst-
lich die Rede war. Der Vergleich mit dem Berichte über die IX. General-
versammlung der bairischen Gymnasiallehrer und das Interesse au den
Sektionssitzungen weckt schliesslich auch noch den Wunsch, dass die
Resultate der letzteren, wie sie laut obigen Berichtes protokollarisch
bei den Akten liegen, nachträglich zum Abdrucke gebracht werden
_ t Dr. A. Kurz, Prof.
G c g e D v i k l ä r u n g.
Aus der Krkläruug des kgl. Mathematik- Lehrers II. Schwager S. 239
dieser Blätter habe ich ersehen, dass ich bei Abfassung meines Lehrbuches
(1874) von einer nicht vollständig zutreffenden Anschauung ausgegangen
bin. Da ich nämlich hiebei zunächst nur den Zweck im Auge hatte, für
meine Anstalt ein möglichst praktisches Lehrbuch zu verfassen, so glaubte
ich nicht, dass es die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf sich ziehen
oder dass jemand ein besonderes Gewicht darauf legen würde, iu meinem
Buche seinen Namen abgedruckt zu sehen, und beschränkte mich daher
in der Vorrede darauf, das vorliegende Werkchen, soweit nicht die syste-
matische Anordnung hiebei in Frage kommt, einfach als Sammel-
werk zu charakterisieren. Nachdem mich aber die jüngste Zeit eines
Besseren belehrte , erübrigt mir nur , meinem lebhaften Bedauern
Ausdruck zu geben, dass ich den persönlichen Interessen nicht mehr
Rechnung getragen habe. Indessen will ich bei der II Auflage meines
Buches nicht versäumen, die Namen der Herren Bielmayr und
Schwager zu deren Beruhigung meiner Vorrede einzuverleiben.
München, den 12. Juli 1875.
Dr. Fr. üstrich,
Direktor der Widmann'scheu Lehranstalt.
Gedruckt bei J Gottejwinler A UÖMl in München, Tlieatinentrasse lb.
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Jiitetatiftfe ^ujeigen.
Im unterzeichneten Verlage ist soeben erschienen und durch alle
Buchhandlungen zu beziehen:
Das Sprachstudium auf den deutschen
Universitäten.
Praktische Rathschläge für Studirende der Philologie
von
B. Delbrück,
Ord Professor für Sanskrit und vergleichende Sprachkunde an der
Universität Jena. gr. 8 brosch. Preis 60 Pf
Ueber den deutschen Unterricht
im Gymnasium.
Ein Beitrag
von
Dr. Albert Dietrich,
Director des kgl. Gymnasiums in Erfurt, gr. 8. brosch. Pr. M. 1.20 Pf.
Jena, Juni 1875. Hermann DufFt.
Soeben erschien und ist durch alle Buchhandlungen des In- und
Auslandes zu beziehen :
Englischer Wortschatz (Vocabulary) mit Bezeichnung der Aus-
sprache.
NebBt drei Beilagen.
L Tabelle zur Ableitung der niederdeutschen englischen Wörter
aus dem Hochdeutschen.
2. Vorbereitende Anleitung zum Englischsprechen.
3. Sammlung von Sprichwörtern.
* Von Georg Traub.
Preis geh 9 sgr., cart. 10 sgr.
J. Heuser'sche Verlagsbuchhandlung
in Neuwied und Leipzig.
In der Herdor'schen Verlagshandlung in Freiburg ist erschienen
und durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
Baumstark, B. , Philipp II., König von Spanien, gr. 8. (VIII und
254 Seiten ) M. 2.
Die Hyksos.
Manetho, ein ägyptischer Oberpriester aus Sebennytos, unter
Ptolemäus Pbiladelphus , der ausser Anderem die vaterländische Ge-
schichte (Jiyvnrtaxu) in griechischer Sprache nach den heiligen Büchern
der Aegyptier schrieb, berichtet nach Josephus contra Apionem I, 14
Folgendes : „Unter unserm Könige Timaus fiel unerwartet von Osten
her ein unbekannter Volksstamm (ay^gtonoi ro ydros «ui^ot) in's Land
ein, brachte dieses leicht in seine Gewalt, indem die dortigen Fürsten
unterworfen wurden, zündete grausam die Städte an und zerstörte
die Tempel der Götter. Alle Einwohner aber behandelte man auf das
feindlichste, indem die einen niedergemetzelt, von andern die Kinder
und Weiber in die Knechtschaft fortgeschleppt wurden. Zuletzt machten
sie auch einen von den Ihrigen zum König, Salatis mit Namen. Gegen
die damals mächtigen Assyrier befestigte dieser Avaris .... Der
ganze Stamm wurde Hyksos genannt, d. i. Hirten- Könige (vx König,
auf Hirt; (Hac- Schasu)). Einige sagen, es seien Araber gewesen."
Wir haben hier wieder eine Frage aus der alten Geschichte, deren
Lösung schon Manche versucht haben, wobei aber verschiedene Besultate
zum Vorscheine kamen. Einige nämlich halten die Hyksos für die
Israeliten, darunter der jüdische Geschichtschreiber Flavius Josephus,
und von den Neueren unter Andern Hengstenberg Dagegen unter-
scheiden sie andere neuere Korscher von den Israeliten, gehen aber
dabei in mehrfacher Weise auseinander. So z. B. gibt Lepsius gar
keine Berührung der Israeliten mit den Hyksos zu, und behauptet,
dieselben seien schon vor Abraham's und Joseph's Zeiten aus Aegypten
wieder vertrieben worden. — Nach einer andern Forschung wäre der
neue ägyptische König, welcher die Israeliten zu drücken begann, der
erste Hyksos -König gewesen. — Wieder andere halten zwar die Hyksos
für semitische (arabische) Stämme, aber nicht für die Israeliten. —
Die meisten Neueren aber nehmen an, dass die Israeliten unter der
Hyksosdynastie in Aegypten eingewandert und von dieser begünstigt,
dann aber nach dem Wiederaufkommen einer national -ägyptischen
Dynastie als Freunde und Schützlinge der vertriebenen Hyksos gehasst
und bedrückt worden seien. (Siehe Dittmars Weltgeschichte, 1. Bd. S. 96h
Da ich in der Hauptsache mit Josephus übereinstimme, so will ich
zunächst hervorheben, was gegen die Glaubwürdigkeit der abweichenden
Ansichten spricht. Wenn also für's Erste Lepsius meint, die Hyksos
Hlitter t d. bayer. Oymn. - u. Real - Schulw. XL Jahrg. 21
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seien vor Abrabam's und Josephe Zeiten wieder aus Aegypten vertrieben
worden , 90 widerspricht diese seine Ansicht einmal der Angabe des
Syncellus, nach welcher anter Rarnessemeno Abraham nach Aegypten
gekommen sein soll, worauf dann die sogenannten Ilyksos - Könige erst
folgen; Bie widerspricht aber auch der jetzt allgemein zur Geltang
gekommenen Annahme, dass die Herrschaft der Hyksos in Aegypten
etwa von 2100 — 1600 v. Chr. gedauert habe. Ebenso verstösst die
zweite Behauptung, dass nämlich der neue ägyptische König, der die
Israeliten zu drücken begann (II Mos. t, 8), der erste Hyksos - König
gewesen sei, gegen die gerade erwähnte Zeitdauer der Hyksos- Herr-
schaft. Nach den neuesten Hieroglyphen - Entzifferungen ist es nämlich
so ziemlich sicher, dass dieser König Armesses M immun (Ramesses II,
Sesostris) war (Luuth „Moses der Ebräer") Es müsste darnach die
Austreibung der Hyksos in der Zeit von 1100 — 1000 v. Chr. statt-
gefunden haben, was aber nicht denkbar, da sonst dieses Ereigniss,
so spi.it fallend, in der Geschichte der Israeliten oder Aegyptier bestimmt
erwähnt sein würde. — Gegen die dritte Aufstellung ist überhaupt
meine Beweisführung gerichtet. — Bei der vierten Annahme endlich,
dass nämlich die Israeliten unter der Hyksosdynastie in Aegypten ein-
gewandert, später aber von einer national - ägyptischen Dynastie als
Freunde der Hyksos nach der Vertreibung dieser gchasst und gedrückt
worden seien, fragt man sich billig, warum denn die Israeliten nicht
auch vertrieben worden wären , resp. warum sie nicht mit den Hyksos
das Land verlassen hätten.
Ich suche nun zu beweisen, dass die sogenannten Hyksos die
Israeliten waren, und dass diese unter Abraham ins Land Aegypten
eingebrochen sind. Die Quellen, welche ich benützte, sind die fünf
Bücher Moses, Flavius Josephus, Justinus und Tacitus Eine neuere
Schrift über diesen Gegenstand, z. B. Knötel, de pastoribus, qui Hyksos
vocantury Leipzig, 1856; L Schulze, de fontibus , ex quibus historia
Hycsosorum haurienda sit, Berlin, 1838, etc. war mir leider nicht
zugänglich.
Hengstenberg meint (s. Dittmar a. a. 0 ), die ganze Erzählung des
Manetho von den Ilyksos sei eine aus ägyptischer Nationaleitelkeit
hervorgegangene Entstellung des Aufenthaltes der Israeliten in Aegypten,
da weder nerodot noch die Bibel der Hyksos erwähne, und sich auch
in den Inschriften keine nähere Andeutung finde, weder von ihrem
Eindringen in's Land, noch von ihrer Vertreibung Heugstenberg bat
in der Hauptsache nach meiner Ansicht' Hecht ; allein Manetho bat
sich wol keine Entstellung zu Schulden kommen lassen; denn er sagt
eiufacb, dass Hirten eingewandert seien. Uebrigens spricht das von ihm
Behauptete, sowie der weitere Umstand, dass dagegen die Hebräer
in den Inschriften erwähnt werden, für die hier vertretene Ansicht.
297
Ks fragt sich nun zunächst, ob die Hebräer unter Abraham ein
Hirtenvolk waren, dann ob Abraham die Macht hatte, einen Teil von
Aegypten zu erobern, und ob Stellen dafür sprechen, dass er dieses
gethan, endlich ob auch die Zeitrechnung stimmt
Dass die Hebräer unter Abraham ein Hirtenvolk waren, wird
jeder zugeben, der I Mos. 12 und 13 liest Es berichtet dieses aber
auch Josephus bestimmt, wenn er I, 14 contra Apion. schreibt: ,,Penn
unsern ältesten Vorfahren ist das Hirtenleben herkömmlich, und wegen
ihres nomadischen Lebens wurden sie Hirten genannt". Dasselbe war
auch noch zu Joseph's Zeit der Fall; denn dieser spricht zu Pharao
I Mos 46, 32: „Diese Leute (Joseph's Brüder) sind Viehhirten; denn
es sind Leute, die mit Vieh umgehen, und ihre Schafe und ihre
Rinder und Alles, was sie besitzen, haben sie mit sich geführt»4
Was dann den zweiten Punkt anbelangt, so dürfte nach der Dar-
stellung der Bibel der oberflächliche Leser zu der Meinung kommen,
Abraham habe bloss einige Knechte und Mägde und dazu etwa eine
Heerde Vieh gehabt. Sehen wir aber genauer und nehmen wir das,
was die Bibel selbst andeutet, mit dem zusammen, was Flavius Josephus
und andere Schriftsteller erzählen, so erhalten wir von Abraham und
seiner Macht ein ziemlich deutliches Bild.
Die Bibel erzählt uns zunächst (I Mos. 12), dass Abraham auf
Gottes Geheiss mit seinem Weibe Sara und seines Bruders Sohne
Loth von Haran weg bis nach Sichern, im Lande der Kanaaniter, dann
nach Bethel, und bei einer im Lande Kanaan entstandenen Hungersnot
bis nach Aegypten gezogen sei, mit aller Habe und allem Gesinde
Josephus aber erwähnt (Arch. I, 7 und 8, 1), dass Abraham wegen
seiner neuen Lehre „von dem einen wahren Gotte, dem Schöpfer der
Welt" mit seinem Anhange aus Mesopotamien vertrieben worden, dann
mit einem Heere zu Damaskus angekommen und dort König gewesen,
von da weiter mit seinem Volke nach Kanaan gezogen, endlich, da eine
Hungersnoth dieses Land heimsuchte, auch nach Aegypten aufgebrochen
sei, um an den reichlichen Vorräten der Aegyptier Teil zu nehmen,
und zu hören, was ihre Priester über die Götter sagten.
Auch Justinus (36, 2) berichtet, dass die Juden von Damaskus
kamen und dass dort Abraham und Israel (Jakob) Könige waren.
Dass nun aber Abraham'* und seiner Nachfolger Herrschaft sich
wirklich über Syrien, Kanaan, Arabien und einen Teil von Aegypten
erstreckt hat, geht aus dem Kachfolgenden wol zweifellos hervor*
Nämlich 1) zieht Abraham mit seinen Leuten und seinen Herden ohne
Anstand durch Syrien und Kanaan bis nach Aegypten. Dies wäre
nicht möglich gewesen, wenn er nicht dort die Obmacht gehabt hätte.
2) Teilen sich er und sein Bruderssohn Lot in das Land, wie wenn
21*
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sonst Niemand da wäre. 3) Abraham eilt vom Süden herbei und wirft
die assyrische Kriegsmacht siegreich zurück, während vorher mehrere
Könige von derselben geschlagen wurden. Auf der Rückkehr huldigt
ihm König Melchiscdek. 4) Er selbst bat als Nebenweib eine Aegyp-
tierin (Hagar) , und auch sein Sohn Ismael nimmt eine solche zum
Weibe. Dies deutet offenbar auf nähere Beziehungen zu Aegypten
hin- Ismael zieht nach Süden; er ist aber noch immer in Verbindung
mit Abraham; denn er ist bei dessen Begräbniss anwesend (I Mos. 25, 9)
5) Seinen Söhnen und Enkeln von der Chetura rüstet Abraham förm-
liche Expeditionen von Ansiedhingen aus. Sie nehmen Troglodytis
und das Land vom glücklichen Arabien bis zum erytbräischen Meere
ein; einige von ihnen unternehmen auch Feldzüge nach Libyen (Jos.
Arch. I, 15). Das nordöstliche Aegypten war eben schon unter Abra-
ham's Herrschaft. Dafür dürfte auch der Umstand zeugen, dass Abraham
seine Residenz im südlichsten Teile von Kanaan , nahe an der Grenze
von Aegypten, in Hebron und Gerar hatte. 6) Von Ezion- Geber sagt
Jo8epbus (Arch. VIII, 6, 4): „Dieses Land gehölte vordem den Juden".
Das geht natürlich nicht etwa blos auf die Zeiten des Salomo, sondern
es erstreckt sich zurück auf Abraham's Zeiten. Es sagt nämlich
Josephus (Arch II, 9, 3), Abraham habe dem Ismael und seinen Nach-
kommen das Land der Araber, den Söhnen der Chetura Troglodytis,
einen Teil der Ostküste Aegyptens, und dem Isaak Kanaan hinterlassen.
7) Als Abraham und Lot sich abteilen, da heisst es vom Jordan's Gau
(I Mos 13, 10): „Das Land am Jordan war gleich einem Garten Gottes,
gleich dem Lande Aegypten bis gegen Zoar hin". Hier wird Aegypten
offenbar desswegen genannt, weil es den Abrahamiten schon bekannt
war, ja wir können sagen, weil es zum Teilungsgebiet gehörte. 8) Nach
der Trennung von Lot spricht Jehova zu Abraham (I Mos. 13, 14 und 15):
,,Hebe doch deine Augen auf und siehe von dem Orte, wo du bist, gegen
Mitternacht, gegen Mittag, gegen Morgen und gegen Abend. Nämlich
das ganze Land, welches du siehst, gebe ich dir und deinem Samen
für immer'1. Die Hauptbeweisstelle scheint aber I Mos. K>, 18 zu sein,
wo Jehova zu Abram sagt: „Deinem Samen gebe ich dieses Land vom
Strome Aegyptens an bis zu dem grossen Strome Phra t"4
Moses kann dieses nur von der Vergangenheit gesagt haben, da er ja
selbst die Israeliten aus Aegypten herausführt.
Was nun die Zeit betrifft, so will ich der üebersicht wegen die
Reihenfolge der ägyptischen Könige, wie wir sie bei Manetho, Josephus
und Syncellus finden, und soweit sie hier dienlich sein kann, zuvörderst
folgen lassen:
299
Manetho. Josephus. Synoellns.
1"). Dynastie (Hyksos ) : Salatis, Beon, Ramessemeno, Ra-
Saites, B eo n, Apacb- Apachnes, Apophis, Ja- messe I u. II, Koncbaris,
nias, Assis Alis- Silite s, Bäon, Apach-
phragmutosis Tut- nes, Aphobis, Setbos
mosis, Chebron, Arne- Kertus, Asetb, Amosis
nophis, Amessis, Me- (Themosis), Chebron,
phrea , MepbramutOBis, Amepbes Amenses,
Tmosis , Amenopbis Misphragmutosis,
(Memnon), Horos, Misphres , Tuthmo-
Arkencheres , Rathotis, sis Amenophtis, Ho-
Ach ench eres , Armais, ros, Achencberes,
Rumcssos, Artnesses
(Sesostris), Arne-
nophis.
Athoris , Chencberes,
Ach eres , A um aus
(Danausi, Rames-
ses (Aegyptos),
Amenopbis.
nes, etc., Aphobis.
16. Dynastie (ITyksos).
17. Dynastie
18. Dynastie :
Arnos, Chebros, Ame-
nopbis, Amersis, Misa-
pbris, Misphragmu-
tosis , Tuth mosis,
Amenopbis (Mem-
non), Horos, Achen-
cberses, Acherres, Atho-
ris, Ros, Chencheres,
Chebros , Acherret,
Acberres , Cherres,
Ar m es es (Armes,
Danaus), Ramme-
b e s, Ameses (Aegyptos),
Amenopbis.
Der Einfall der Hyksos in Aegypten stimmt mit der Einwanderung
Abrabam's in Syrien, Kanaan und Aegypten hinsichtlich der Zeit voll-
ständig überein; beide Ereignisse setzt man nämlich nach alten Ueber-
lieferungen und neueren Entzifferungen in die Zeit von 2100 — 2000
v. Chr. Die Bibel nun gibt (II Mos. 12, 40) die Zeit, welche die
Söhne Israels in Aegypten gewohnt haben, auf 430 Jahre an, während
Josephus (Arcb. II, 15, 2) so viele Jahre von der Einwanderung Abrabam's
in Kanaan bis zu Moses Auszuge aus Aegypten, dagegen von dem
Zuge Jakobs nach Aegypten bis zum erwähnten Auszuge 215 Jahre
zählt. Es sind aber auch nach der Bibel von der Einwanderung
Jakobs bis zu Moses1 Auszuge 430 Jahre rein unmöglich: Nach I Mos.
46, 8 und 11 sind nämlich die Söhne Levi's schon vor dem Zuge
Jakobs nach Aegypten geboren. Nimmt man nun an, Kehat habe erst
im 70. Jahre Amram , und dieser wieder erst im 70. Jahre Moses
erzeugt, so wären bis zum Auszuge aus Aegypten, wo Moses 80 Jahre
alt gewesen (II Mos 7, 7), im günstigsten Falle, wenn nämlich Kehat
bei der Einwanderung in Aegypten erst ein Jahr alt gewesen , nur
etwa 220 Jahre. Es muss also in der Bibel der Aufenthalt der Israeliten
in Aegypten offenbar von Abraham an gerechnet werden. Zwar
bekämen wir nach Josephus' Angabe der Regierungsjahre der dama-
ligen ägyptischen Könige von dem Einfalle der Hyksos bis zu ihrer
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300
Vertreibung nahezu 600 Jahre; allein man sieht bei einer näheren
Vergleichung der Regententafeln auf den ersten Blick, dass manche
Namen oft ein und dieselbe Person bezeichnen, so dass man die er-
wähnten 430 Jahre als annähernd richtig annehmen darf. Dass nun
auch die Worte: „ aySytonoi t» yivos «oy/Aoi" ganz passend auf Abraham
und sein Volk bezogen werden können, ist klar, da er ja so zu sagen
gerade erst von Nordosten heranzieht.
Wir gehen nun in dem Beweise unsers Themas weiter: Manetho,
der übrigens die Dauer der Hyksos - Herrschaft auf 511 Jahre angibt,
schreibt, es hätten sich hierauf die Könige aus der Thebais und aus
dem übrigen Aegypten gegen die Hirten erhoben und es sei gegen
sie ein grosser und langdauernder Krieg ausgebrochen. Von dem Könige
Alisphragmutosis aber seien die Hirten besiegt und in den festen Platz
Avaris eingeschlossen worden. Tutmosis, dessen Sohn, habe sie in
Avaris belagert. Da aber die Eroberung nicht glücken wollte, sei
ihnen durch Vertrag gestattet worden, ungefährdet aus Aegypten abzu-
ziehen, wohin sie wollten Sie hätten nun ihren Weg durch die Wüste
nach Syrien genommen, und hätten dann aus Furcht vor der Herrschaft
der Assyrier, die damals Asien beherrschten, in dem jetzigen Judäa
eine Stadt gebaut und dieselbe Hierosolyma genannt.
Auch Tacitus erwähnt im 2. Cap. des V. Buches der Historien, wo
er die verschiedenen Ansichten über die Herkunft der Juden gibt,
Folgendes: „Einige überliefern, schreibt er, zusammmeogelaufene (?)
Assyrier, ein eines Landes bedürftiges Volk , hätten sich eines Teiles
von Aegypten bemächtigt, bald aber eigene Städte und die hebräischen,
näher an Syrien grenzenden Länder bewohnt" Daraus geht so ziem-
lich deutlich hervor , dass die Abgezogenen Israeliten waren. Auch
Josephus Flavius nimmt dieses an, da er I, 2G contra Apionem schreibt:
„Manetho sagte, dass unsere Vorfahren mit vielen Myriaden nach
Aegypten gekommen sind und die Bewohner unterworfen haben, später
aber Aegypten wieder verloren und das jetzige Judäa bekommen und
Jerusalem und den Tempel gebaut haben. Soweit, setzt er bei, folgte
er den Aufzeichnungen in den heiligen Büchern".
Man kann hier einwenden, dass sich Josephus irrt; denn die Hyksos
sind schon unter Tuthmosis aus Aegypten vertrieben worden, und zwar
sind sie über Avaris zurück. Dagegen soll Moses erst unter König
Amenophis, dem Nachfolger des Sesostris , und zwar durch das rote
Meer nach der arabischen Wüste die Israeliten aus Aegypten geführt
haben. Ein solcher Einwand scheint mir wenigstens sehr begründet
zu sein. Josephus irrt sich nämlich gewaltig; er wirft einfach zwei
Ereignisse, den Rückzug der sogenannten Hyksos über Avaris und des
Moses Zug durch die Wüste zusammen; er nimmt an, Moses habe die
Ilyksos, seine Vorfahren, schon unter Tuthmosis aus Aegypten geführt
301
(c. Ap. I 31). Wo bliebe aber da die Leidensperiode der Israeliten,
• wo sie Ziegel machen und Steine schleppen mussten? (II Mos. 1, 14;
Jos. Aren II, 9 1).
In die beiden erwähnten Ereignisse nun einen (historischen)
Zusammenhang zu bringen, dürfte die Lösung des Themas sein. Möge
dieses gelingen!
Die Bücher Moses' sind in erster Linie eine religiöse Urkunde,
und erst in zweiter ein Geschichtsbuch. Moses lässt das Walten
Jehova's besonders in den Vordergrund treten, um den Juden Vertrauen
zu ihm einzuflössen. Er hat daher ein Interesse , die vor und bei der
Zurückdrängung seiner Vorfahren nach Avaris vorgefallenen Kämpfe
zu verschweigen. Aus demselben Grunde lässt er nicht die Israeliten
nach Aegypten eindringen — dass Abraham nach Aegypten kam,
erwähnt er nur obenhin -, sondern er knüpft die Einwanderung der
Familie Jakobs an die Geschichte Josephs und lässt diese Familie sich
wunderbar vermehren. Josephs Geschichte nun ist in der Bibel eben
nach dem gerade erwähnten Gesichtspunkte Moses' erzählt Ich will
nur anführen, dass Joseph, als er noch zu Hause ist, keine Träume
auslegen kann; denn er geht seine Brüder und seinen Vater um die
Auslegung seiner eigenen Träume an (Jos Aren. II, 2, 2. und 3). Später
aber deutet er in Aegypten dem Mundschenk und dem Mundbäcker,
ja dem Könige selbst die Träume; auch weissagt er mit dem Becher
(I Mos. 44, 6 und 15). Wober auf einmal dieses? Zur Aufklärung
schreibt Josephus (Arch. II, 9, 2), die geistlichen Schriftglehrten seien
es gewesen, die in dergleichen Dingen erfahren gewesen. Weiter
erwähnt er (Arcb. II, 10, 2), dass es (zu Moses' Zeiten wenigstens)
solche schriftgelehrte Priester (leQoyQa/x/uaKis) in Aegypten auf Seiten
der Aegyptier und Israeliten gegeben habe. Joseph ist also jedenfalls
in Aegypten in diesen Künsten unterrichtet worden So berichtet auch
Justinus, indem er unter Anderem a. a. 0. schreibt: „Als Joseph dort
die magischen Künste {magicas artes) mit Geschirlc gelernt hatte, war
er in Kurzem dem Könige selbst sehr theuer ; deun er war sehr scharf-
sinnig in Erklärung der Wundererscheinungen (prodigiorum sagacis-
sitnus); auch erfand er zuerst die Traumdeutekunst; ja er sah sogar
die Unfruchtbarkeit des Bodens viele Jahre voraus". Aber auch Josephus
erzählt (Arch. II, 4, 1), dass Joseph in Aegypten in den freien Künsten
unterrichtet wurde. Bedenkt man nun noch, dass der ägyptische König
dem Joseph auch die Tochter Potiphera's (nerQsyrjg), des Priesters zu
On (Heliopolis) zum Weibe gab (I Mos. 41, 45; Jos. Arcb. II, 6, 1), so
darf man für gewiss annehmen, dass Joseph selbst unter der Zahl der
leQoyQttfj (A«x eis war, als welchen ihn auch Chaeremon, Vorsteber der
Bibliothek in Alexandria, bei Jos. (I 32 c. Ap.) erwähnt.
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302
Da nun die Bibel nur einen Auazug der Israeliten aus Aegypten
kennt, so wirft natürlich auch der strenggläubige Josepbus die zwei •
vorher erwähnten Ereiguisse, nämlich die ZurOcktreibung der Iraeliten
über Avaris und den späteren Auszug unter Moses durch das rote Meer,
in eines zusammen. Dagegen gestattet er uns in den zwei folgenden
Stellen einstweilen einen lichten Blick. Er schreibt nämlich (1 14 c Ap ) :
„In einem andern Buche («Vr IyQuyov) werden durch das Wort „t/V«
nicht Könige bezeichnet, sondern im Gegenteil kriegsgefangene Hirten
[ttiXlAtthoxovi noi/Ä^vas)". Und dies, setzt Josephus bei, scheint mir
wahrscheinlicher und stimmt mehr zur alten Geschichte Und in der
zweiten Stelle (I, 14 c. Ap.) schreibt er: „In einem andern Buche {iy
«XXg &d rwi tiijiXip x. r. X ) seiner ägyptischen Geschichten aber sagt
Manetbo, diese sogenannten Hirten seien in ihren (der Aegyptier)
hl. Schriften als Gefangene verzeichnet" Darin, fährt Josephus fort,
bat er Recht; denn unseren ältesten Vorfahren ist das Hirtenleben
herkömmlich, und wegen ihres nomadischen Lebens wurden sie Hirten
genannt. Dagegen wurden sie wiederum mit gutem Grunde von den
Aegyptiern Gefangene genannt, da ja unser Vorfahre Joseph zu dem
Könige von Aegypten sagte, er sei ein Gefangener, und später mit
Erlaubniss des Königs seine Brüder nach Aegypten kommen Hess.
Nach diesen zwei Stellen scheint die Annahme erlaubt zu sein,
dass in jenen Kämpfen viele Israeliten gefangen wurden Ja nach
Lauth „Moses der Ebräer, Einleitung" soll Tuthmosis III. sogar nach
Asien gezogen sein. Und wirklich scheint aus I Mos. 47, 14, wo es
heisst: „Und Joseph brachte alles Silber zusammen, das sich vorfand
im Lande Aegypten und im Lande Canaan, für Getreide etc.", hervor-
zugehen, dass sich damals Canaan in einem gewissen Abhängigkeits-
verhältnisse zu Aegypten befand.
So nun scheint auch Joseph nach Aegypten gekommen zu sein.
Seine hohe Stellung aber verdankte er wol nicht seinem Talente allein;
denn dieses musste zunächst ausgebildet werden. Dazu aber bedurfte
es eines besonders günstigen Umstandes. Worin nun dieser bestand,
darüber gibt uns Lauth in seinem schon erwähnten Werke Andeutung.
Derselbe schreibt nämlich in dem Abschnitte „Jehova - Elohim", p. 72:
Auf einem Hochzeits - Scarabäus Amenholeps III (Amenophis, Memuon)
stehen die Namen Juaa (Name des Vaters), Dhuaa (Name der Mutter).
Letzterer Name wiederholt sich bei der Gemahlin Sethosis I, der Mutter
Ramses' II. Die beiden Namen, sagt Lauth, sind semitischen Charakters.
Daher erklärt sich die Thatsache, dass seit Horus, dem Sohne und
Nachfolger Amenophis1 III (Memnon), die Gesichtszüge der pharaonischen
Familie, besonders aber die des Ramses II, so auffallend semitisches
Gepräge tragen.
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Verwandtschaft also (man denke an Esther!) wird dem Joseph zu
seiner Ausbildung (ntuötla O.n.'n'n«, Jos. Arcb. II, 4, 1) und zu seinem
hohen Range verholten haben. Aus dem Gesagten durfte auch zu
entnehmen sein , dass derselbe in der Regierungszeit der Könige
(Tutbmosis III.) Amenophis III und des Horus in Aegypten gelebt
haben wird Seine Stellung sicherte naturlich auch den übrigen in
Aegypten befindlichen Israeliten eine nicht ungünstige Lage.
Ich komme nun noch kurz auf die Geschichte Moses', worauB
besonders klar werden dürfte, dass die zwei Austreibungen über Avaris
und durch das rote Meer der Zeit nach verschieden sind, aber das-
selbe Volk, nämlich die Israeliten, betroffen haben.
Josephus erzählt (Arch. II, 9, 2): „Einer von den ägyptischen
Schriftgelehrten meldete dem Könige, es werde in naher Zeit den
Israeliten einer geboren werden, der, wenn gross gezogen, die Herr-
schaft den Aegyptiern schädigen , dagegen die Israeliten zu Macht
bringen werde Daraufhin befahl der König, alle israelitischen Knäblein,
die geboren würden, in den Flugs zu werfen und so zu tödten Die
Schwangerschaft und Niederkunft der israelitischen Weiber aber Hess
er durch ägyptische Hebammen genau beobachten." Conf Mos. II, 1.
Josephus fährt dann Arch. II, 9, 7 so weiter: „Einst bringt des Königs
Tochter Thermutis — Lauth, Abschnitt: Grosshaus und Binsenkörblein,
pag. 65, hält sie für die Schwester und Gemahlin des Pharao Sesostris
— das angenommene Kind, nämlich den kleinen Moses, zu ihrem Vater
(Bruder?) und präsentirt es zum Nachfolger in der Herrschaft. Der
König setzt ihm das Diadem auf; dieser aber ergreift es, wirft es auf
den Boden und tritt darauf. Der obenerwähnte Schriftgelehrte sah
dieses, sagte, das sei das prophezeite Kind, und drang auf seine Tödtung
Thermutis aber wusste es zu retten." Vergl. auch Jos Arch. II, 10
und Herod. II, 110 •
Merkwürdig aber ist, was Manetho weiter, wenn auch nicht aus
den hl. Büchern, erwähnt (Jos. 126 c Ap. foieir« cf* dovg i£ovoiav x. r. k.) :
„Ein einige Jahrhunderte nach der Vertreibung der Hirten durch den
König Tuthmo8is regierender König Amenophis habe von einem durch
seine Weisheit und seine Gabe der Weissagung göttergleichen Manne
den Bescheid erhalten , er würde die Götter sehen , wenn er das ganze
Land von den Aussätzigen und den andern befleckten Menschen reinigte.
Es seien nun acht Myriaden solcher - und dabei waren auch einige
weise Priester — zusammengebracht und zuerst in die Steinbrüche
östlich vom Nil geschickt worden. Als sie dort sehr heruntergekommen,
habe ihnen der König nach einiger Zeit die Stadt Avaris, welche nach
dem Abzüge der Hirten verödet war, eingeräumt. Diese nun stellten
einen von den Priestern von Heliopolis, 0 ar«ipb, zu ihrem Anführer
und schwuren, ihm in Allem zu gehorchen Der befahl ihnen,
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die Stadtmauern in Stand zu setzen und sich zum Kriege gegen König
Amenophis bereit zu halten. Kr schickte dann Gesandte zu
den von Tuthmosis vertriebenen Hirten nach der Stadt
Jerusalem, liess seine und der Uebrigen schmachvolle
Behandlung anzeigen und verlangte, dass sie muthig
mit zu Felde ziehen sollten; und zwar sollten sie zuerst
nach Avaris, der Stadt ihrer Vorfahren kommen Diese
kamen mit 200000 Mann. Amenophis aber sammelte gegen 300000
streitbare Aegyptier, schlug sich aber mit den anrückenden Feinden
nicht, glaubend, er würde gegen Gott streiten — jener weise Mann
nämlich hatte sich getödtet, aber schriftlich hinterlassen, dass den
Befleckten andere zu Hilfe kommen und diese Aegypten 13 Jahre hin-
durch beherrschen würden — , sondern befahl den Priestern, die Götter-
bilder aufs sorgfältigste zu verbergen, zog sich nach Memphis zurück,
nahm den Apis und die übrigen hl. Thiere mit und zog dann mit dem
ganzen Heere gegen Aetbiopien "hin. Die Feinde aber verwüsteten
Alles auf grausame Weise." Osarsiph änderte, als er zu diesen
überging , seinen Namen und wurde Moyses genannt. Dann fährt
Josepbus also weiter (I, 27 c Ap j: „Hierauf aber, erzählt Manetho,
kam Amenophis von Aethiopien herbei, und sein Sohn Rbarases hatte
ebenfalls ein grosses Heer. Beide trafen mit den Hirten und Befleckten
zusammen, besiegten sie, tödteten viele und verfolgten sie bis an die
Grenzen Syriens".
Dem ähnlich berichtet auch der Bchon erwähnte Chäremon, welcher
über Hieroglyphen, Religion und Geschichte seines Vaterlandes schrieb
Er nennt nämlich (Jos. I, 32 c. Ap ) gleichfalls den König Amenophis
und seinen Sohn Ramesses, und schreibt, dass die Isis dem Könige im
Traume erschienen, sich beschwerend, dass ihr Tempel im Kriege zer-
stört worden sei. Da habe der schriftgelehrte Priester Pbritiphantes
gesagt, wenn der König Aegypten von den befleckten Männern (rcDy
tovc uoXvo/uovs Ixovxoiv tly^Qwv) reinigte, werde er keinen (nächtlichen)
Schrecken mehr haben. Es habe also der König 250000 der Schädlichen (?)
{inutirüv) gesammelt und ausgetrieben. Ihre Anführer seien gewesen
die Schreiber (ygafu/Mtreas) Moyses und Joseph, letzterer lego/Qa^uarevs
Ihre ägyptischen Namen seien Tisithen und Peteseph Diese seien
nach Pelusium gekommen und haben dort 38 Myriaden
getroffen. Mit diesen hätten sie Freundschaft geschlossen und
wären gegen Aegypten gezogen. Amenophis sei nach Aethiopien
geflohen. Später aber habe sein Sohn Ramesses die Juden bis nach
Syrien verfolgt.
Aus diesen beiden Stellen nun geht im Zusammenhalt mit dem
früher Erwähnten bestimmt hervor, dass es zwei Austreibungen gegeben,
dann dass die früher über Avaris Vertriebenen, welche jetzt den Befleckten
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zo Hilfe kameD, mit diesen desselben Stammes waren, nämlich Hebräer.
Denn Moses führt nach ihrer Niederlage alle durch das rote Meer.
Es lohnt sich der Möhe, hier noch zwei römische Schriftsteller
anzufahren.
Justinus (lib. 36 cap. 2) nennt den Moses einen Sohn Josephs und
fügt bei: „Er hatte zu der väterlichen Wissenschaft noch die schöne
Gestalt voraus " Ersteres lässt sich dem in der Bibel und bei Josephus .
klar aufgestellten Stammbaume desselben gegenüber wol nicht ver-
theidigeu, obwol sie beide auch Chäremon der Zeit nach zusammen-
wirft. Justinus fährt dann weiter: „Aber die Aegyptier vertrieben ihn,
durch einen Spruch gemahnt, da sie (wol die Israeliten) an Aussatz
und Krätze (scabiem et ventiliginem) litten, mit den Kranken, damit
die Krankheit ni'ht mehrere befiele, aus Aegypten. — Als Führer der
Verbannten nahm er die Heiligtbümer [sacra) der Aegyptier heimlich
mit Diese setzten ihnen bewaffnet nach, wurden aber durch Stürme
gezwungen , nach Hause zurückzukehren". Man vergleiche damit
II Mos. 3, 22: ,,Und jedes (israelitische) Weib leihe sich von ihrer
Nachbarin und von der Gastfreundin ihres Hauses silberne und goldene
Gefässe und Kleider; die leget auf euere Söhne und euere Töchter,
so werdet ihr berauben die Aegyptier". (Conf Jos. Arch. II, 14, 6).
Erwähnt sei hier noch, dass Justinus den Aruas (Aaron) für einen Sohn
des Moses ausgibt.
Weiter schreibt Tacitus hierüber im V B., 3 Cap seiner Historien
Folgendes: „Die meisten Geschichtschreiber stimmen darin überein,
dass, als in Aegypten eine Seuche entstanden war, welche die Leiber
verunstaltete, der König Hocchoris, beim Orakel des Jupiter Amnon
Hilfe suchend, den Befehl erhielt, das Reich zu reinigen und jene
Klasse von Verpesteten als den Göttern verhasst in andere Länder
zu schaffen. So in der Wüste verlassen, habe sie Moses, einer der
Verbannten, ermahnt, sie sollten ihm gleichsam als himmlischen Führer,
durch dessen ersten Beistand sie das gegenwärtige Unglück ertragen
hatten, vertrauen Sie stimmten bei und traten unbekannt mit Allem
die Reise an." Aber besonders drückte sie Wassermangel; und schon
waren sie dem Tode nahe, als eine Heerde wilder Esel von der Weide
nach einem buschigen Felsen lief. Moses folgte ihnen, vermuthend,
dass ein Grasboden da sei , und entdeckte reichhaltige Wasserquellen.
Das Bild des Thieres, durch dessen Führung sie Irrweg und Durst
abgewendet hatten, machten sie zu einem Tempelheiligthum (penetraU
sacravere). Vergl. Jos. c. Ap. II, 7; II Mos. 13, 12 und 13).
Was nun die Zeit von Moses' Auszug anbelangt, so stimmt die
Bibel mit dem Angeführten überein Die Stellen: II Mos. 1,8: „Da
stand ein neuer König auf über Aegypten, der den Joseph nicht kannte",
und 11 Mos. 2, 23: „Und es geschah in langer Zeit, dass der König
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306
von Aegypten starb etc.", passen n&mlich genau auf Ramsos II (Sesostris)
Dieser kannte den Joseph nicht mehr; dann soll er auch sehr lange,
wenigstens 62 Jahre, regiert haben Dazu stimmt auch, was Lauth im
angeführten Werke, Einleitung, pag. 1 schreibt: In den Leidener
Papyrus I, 348 und 349 iBt von den fremdländischen Apriu (Ebräern)
gesagt; dass sie Steine schleppten zu Bauten des Königs Iiamses II.
Vergl auch Herodot II, 107 und 108, und Diodor I, 56 Ist nun Moses
in den ersten Regierungsjahren des Sesostris, der nach Lauth sogar
66 Jahre geherrscht haben soll, geboren, und hat dessen Nachfolger
Amenophis 19 Jahre 6 Monate regiert, wie Josephus I, 15 C. Ap. angibt,
so stimmt die Zeit gut zusammen, da Moses nach der Bibel 80 Jahre
alt, die Israeliten aus Aegypten geführt hat, und der ägyptische König
bei dieser Affaire zu Grunde gegangen sein soll (II Mos. 14, 6 ff. und
Jos. Arch. II, 16, 3 a. E ).
Ich will nun noch kurz das Resultat dieser Abhandlung zusammen»
fassen: Die sogenannten Hyksos waren die Hebräer, welche zu Abrahams
Zeit in Aegypten eindrangen. Sie wurden später nach grossen Kämpfen
Uber Avaris zurückgetrieben Dabei wurden viele Gefangene gemacht
Diese hatten, seitdem sieb Joseph so hoch emporgeschwungen, sich der
Gunst der ägyptischen Könige zu erfreuen. Später aber, als Josephs
Verdienste in Vergessenheit gekommen waren, wurden sie hart bedrückt.
Da riefen sie ihre Stammgenossen zu Hilfe, wurden aber sammt diesen
geschlagen. Nun führte Moses die Ueberreste durch das rote Meer
nach Arabien.
Speyer. - Preu.
Zu äpas.
Das Zarnke'sche „Centralblatt" Nr. 41 Seite 1374 bat meine im
,,Lexicon etym." Seite 23 gegebene Erklärung des Sanskritwortes
äpas n. das Waaser getadelt
Der Herr Recensent mag Recht haben, wenn er eine Trennung
des ap-, resp. ak-, von äpas bekämpft. Ich selbst hatte eine blosse
Möglichkeit dieser Deutung schon durch das pathetisch gestellte
„potest" bemerklich gemacht. Die Stelle lautet wörtlich so:
Skr. äpas n., quae forma potent constare (nicht constare potest!),
ex ä-paSy h. e. ä-pat, praet. aor., cohaer. cum pd- potare, unde skr.
pä-tha m. aqua, no-ro?, pi-tha — pätha, {cogn. ni-yu), — pa-yas
ft. aqua.
Möglich also ist nach diesem die Zerlegung in ä-pas n , (statt
äp-as — dpa), und als Nachtrag zum ganzen Artikel „aqua" wurde
diese Deutung angefügt. — Und wie dann möglich?
307
Benfey in seiner grossen Sanskritgrammatik §. 737 II A. 1 sieht
das ap- als aus äp verkürzt und dp- als eine Dehnung des äp an
(§. 754 VII). Seite 304 A. 1 sagt er so: dp (aus dp), vielleicht
(= potest!) aus dpat, (schwache Form eines Partie. Aoristi II von
pd „trinken" , welches zunächst d-pat, d-pt wurde. Also A-pas aus
d-pat wie ushas f. aurora aus ushat, Partie. Präs. von vas- —
leuchten0). S. meinen Artikel „dorrum".
a-pas ti. aus ä-pat klingt also wie fxtyag m. zu skr. „maghat"
tnah-at, dieses wieder geschwächte Form aus dem starken mah-ant —
gross, eig. gross werdend. So noch skr. gar-at-i f. (yeeaoxovoa,
schwache Form), gar-ant =. ycQ-ovt-.
Ein anderes Sanskritwort, nämlich mäs m. — mensis erklärt Benfey
'auch aus organischem mdnt, Partie, von md- — messen (besser wol zu
mä - — mi- wechseln, a- f*e(~ ßeoöcti gezogen). S. Bopp „Vergl. Gramm."
§. 790 S. 159. Fick, 3. Auflage S. 232.
Freising. Zehetmayr.^
Zu §§. 1 und 2 der praefatio des Livius.
Zu den in unsern Schulen gelegensten Schriftstellern gehört mit
Recht Livius; schon aus diesem Grunde ist der Fleiss und die Sorgfalt
gerechtfertigt, die sich der Erklärung dieses Schriftstellers immer wieder
von Neuem zuwendet. Aber trotz der grossen Verdienste, welche sich
verschiedene Gelehrte um ein besseres Verständniss desselben erworben
haben, gibt es doch auch hier noch genug Stellen, die entweder noch
gar nicht genügend erklärt sind oder in denen Missverständnisse, durch
eine falsche Auffassung einzelner Herausgeber veranlasst, von ihren
Nachfolgern statt berichtigt zu werden, getreulich weiter verbreitet und
von Geschlecht zu Geschlecht fortgeschleppt werden Zu diesen Stellen
rechne ich gleich die ersten Worte der praefatio, die von dem um
Livius so hochverdienten Weissenborn falsch erklärt werden, ohne
dass er von den neueren Herausgebern Widerspruch erfahren hätte.
Ich bemerke hier nur nebenbei, dass die Ausgabe des Livius von
Weissenborn, die sowol für die Erklärung des Livianischen Sprach-
gebrauchs als für das richtigere Verständniss der historischen und
staatsrechtlichen Verhältnisse ganz Ausserordentliches geleistet hat,
trotz alledem doch keine Schulausgabe in dem Sinne ist, dass sie
zunächst die Bedürfnisse der Schüler bei der Lektüre in's Auge
*) vas =. us, ush wie ukta „gesprochen0, aus vak-ta.
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308
fasste. Zwar der Lehrer wird sie mit grossem Nutzen für die
Schule benutzen, wenn man aber glaubt, dass sie unsere Schüler
stark in Anspruch nehmen , so befindet man sich in einer argen
Tauschung. Für diese bietet sie viel zu viel und dies oft in einer
Form, die über das Verständniss derselben hinausgeht.
Doch wenden wir uns nach diesen gelegentlichen Bemerkungen
dem ersten Satze der praefatio zu, dessen Verständniss nicht so leicht
ist, und suchen wir den Gedanken genau zu ermitteln, den hier Livius
ausspricht. Livius sagt, er wisse es nicht und, wenn er es wüsste, so
würde er es doch nicht zu sagen wagen, ob er, wenn er die Geschichte
des römischen Volkes von seinen ersten Anfängen an schriebe, facturus
uperae pretium sit. Da sagt nun Weissenborn und mit ihm seine
Nachfolger, Livius spreche folgenden Gedanken aus: Ob mein Werk
Anerkennui g finden wird, weiss ich nicht und wüsste ich's auch (dass
es nämlich Anerkennung finden wird), so würde ich es doch nicht zu
sagen wagen. Nun frage ich aber: Welcher Mensch, upd sei er auch
ein Ausbund von Bescheidenheit, würde sich, wenn er wüsste, was er
aber selbstverständlich nicht wissen kann, dass seine Arbeit Anerkennung
finden wird, dies zu sagen geniren? Kein Mensch trägt doch Bedenken,
eine einfache Thatsache auszusprechen, zumal wenn diese Thatsache
noch kein besonderes Lob für ihn enthält. Wer sollte ferner auch
gleich beim Anfang eines grosseren Werks auf den verkehrten Gedanken
kommen, zu sagen : Ich würde, auch wenn ich gewiss wüsste, dass mein
Werk dereinst Anerkennung finden wird, es mir doch nicht zu sagen
getrauen? Die Verkehrtheit dieses Gedankens tritt noch schärfer
hervor, wenn wir die darauf folgenden Worte in's Auge fassen. Diese
enthalten nämlich eine Begründung, also eine Begründung der Be-
hauptung, dass er, selbst wenn er wüsste, sein Werk werde Anerkennung
finden, dies doch nicht zu sagen wagen würde. Und worin besteht
diese Begründung? Weil es, fährt er fort, eine alte und allgemein
verbreitete Erscheinung ist, wie ich sehe. Hier fragen wir natürlich.
Was ist eine alte und allgemein verbreitete Erscheinung? Die Antwort
auf diese Frage geben nicht die folgenden Worte, sondern sie ergibt
sich aus dem Zusammenhang und dem Vorhergehenden und der mit
dum nachfolgende Satz gibt blos den Grund an, warum diese Er-
scheinung eine so allgemeine ist
Was ist also , fragen wir wiederholt, die häufige und allgemein
verbreitete Erscheinung? Die Antwort darauf gibt Weissenborn und im
Anschluss an ihn seine getreuen Nachfolger mit den Worten: dicere se
operae pretium facere. Wirklich? Sollte es in der That eine ganz
■ gewöhnliche Erscheinung sein , dass jeder neue Gcschichtschreiber
sagt, sein Werk werde Anerkennung fiuden? Ich sollte doch glauben,
selbst derjenige, der von der Trefflichkeit seiner Leistung noch so fest
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309
überzeugt ist, Hesse sich vod der Eigenliebe nicht so weit blenden,
dass er das , was er wünscht und hofft , ja wovon er meinetwegen auf's
innigste überzeugt ist, schon von vorneherein als eine unzweifelhaft
künftig eintretende Thatsacbe bezeichnet; am allerwenigsten aber kann
ich zugeben, dass alle Geschichtschreiber diese Eigenheit teilen. Daraus
ergibt sich denn, dass der ganze Oedanke, den Livius in den ersten
Worten seiner praefatio ausspricht, ein schiefer ist und aller Logik
entbehrt. Das wäre doch ein trauriges Vorzeichen für das ganze Werk!
Können wir das auf Livius sitzen lassen und müssen wir nicht, um
seine Ehre zu retten, die kranke Stelle um jeden Preis zu heilen suchen?
Dies ist zum Glück nicht nötig; die Stelle ist ganz gesund und wenn
Livius gleich mit den ersten Worten seiner Vorrede einen gelinden
Unsinn spricht, so ist nicht e r, sondern sind blos seine Erklärer daran
Schuld, die ihn falsch verstanden haben.
Sehen wir uns doch den Ausdruck operae pretium facere, der
für das richtige Verständniss der Stelle entscheidend ist, etwas näher
anl Heisst operae pretium facere wirklich, wie Weissenborn annimmt,
einen Preis, Lohn seiner Mühe gewinnen, oder Anerkennung finden?
Schon der Umstand, dass bei dieser Bedeutung unser Satz keinen
rechten Sinn haben will, müsste gegen dieselbe Bedenken erregen.
Halten wir uns aber zunächst an den wörtlichen Ausdruck ! Warum
soll denn hier facere gerade gewinnen bedeuten? Ich behaupte,
operae pretium facere ist nichts Anderes als facere, quod operae pretium
sit, d h. etwas thun, was der Mühe wert ist und operae pretium
facere heisst also nicht, einen Preis, einen Lohn seiner Mühe gewinnen,
sondern etwas thun, was die darauf gewandte Mühe lohnt. Dies kann
aber und wird oft auch dann der Fall sein, wenn die Arbeit keinen
äusseren Erfolg hat, d. h. keine Anerkennung findet, denn diese ist
eben noch kein untrüglicher Beweis für den Wert oder Unwert einer Arbeit.
Dass aber operae pretium facere diese seiner Zusammensetzung ent-
sprechende Bedeutung auch hat und nicht die von Weissenborn ihm
beigelegte, das beweisen einige andere Stellen bei Livius , in denen
diese Redensart noch vorkommt. Weissenborn selbst verweist auf 25,
30, 3. Hier wird ein Befehlshaber von Syrakus, Namens Möricus, ein
geborner Spanier, zur heimlichen Uebergabe aufgefordert und ihm als-
Lohn dafür in Aussicht gestellt poase eum, *»' operae pretium faciat,
principem popularium esse, seu militare cum Romanis ecu in patriam
reverti libeat. Offenbar kann hier operae pretium facere nichts Anderes
heissen, als wenn er vernünftig handle, d. h. so handle, dass sich
sein Handeln auch lohne. Es lohnt sich aber, wenn er die Stadt an
die Römer ausliefert Dieselbe Redensart kommt in demselben Buche
noch einmal vor und zwar 19, 10. Hier heisst es von einem besonders
tüchtigen centurio, er habe den Senat gebeten, man möge ihm 5000 Mann
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310
geben; er werde dann brevi operae pretium facturum. Das heisst doch
offenbar nichts Anderes als, er werde mit denselben etwas thun, was der
Mühe wert sei, d. h. eine bedeutende That ausführen. In ganz anderem
Sinne steht es allerdings 27, 17, 14. Hier sagt ein Spanier zu Scipio,
quales ex hac die experinndo cognorit, perinde operae eorum pretium
feueret , d. h. er möge die Leistungen der Spanier so taxiren , wie er
sie vom beutigeu Tage an thatsäcblicb kennen lernen würde. Hier
steht facere ganz in der Bedeutung von aestimare, taxiren Schliesslich
ist Weissenborn ebenfalls im Irrtbum, wenn er dem Ausdruck operae
est in 1, 24, 6 eine andere Bedeutung beilegt. Es ist hier einfach
pretium zu ergänzen und non operae est heisst nichts Anderes, als: es
ist nicht der Mühe wert, es verlohnt nicht der Mühe
Halten wir das, was sieb für uns teils aus der Zusammensetzung
der Redensart an und für sich, teils aus den angeführten Parallel-
stellen unwidersprechlich ergeben hat, fest und fassen wir operae
pretium facere, wie es nicht anders gefasst werden kann, in der Be-
deutung, etwas thun, was der Mühe wert ist, d. b. etwas Verdienstliches
thun, so fallen alle logiseben Schwierigkeiten in diesem Satze weg und
Livius spricht einfach folgenden Gedanken aus.
Ob ich etwas Verdienstliches, d. h. etwas, was der darauf zu
verwendenden Arbeit wert ist, unternehme, wenn icb die Geschichte
des römischen Volkes von den ersten Anfängen Roms an schreibe, das
weiss ich nicht, und wenn ich'e wüsste (dass ich nämlich etwas Ver-
dienstliches damit tbue), so würde ich es nicht zu sagen wagen.
Livius hat natürlich wie Jedermann, der über etwas schreibt, von
seiner Arbeit die Meinung, sie sei gut Aber diese Meinung, die eben
Jeder hat, ist noch kein Beweis dafür , dass die Arbeit wirklich etwas
taugt. Aber selbst wenn ich wüsste, fährt er fort, dass meine Arbeit
wirklich Wert bat, Anerkennung verdient (nicht aber findet),
würde ich es doch nicht auszusprechen wagen. Warum nicht? Zu-
nächst aus Bescheidenheit. Niemand spricht sich selbst gern über den
Wert seiner Arbeit aus; thut er es doch, so legt man eben auf sein
Urteil, als ein parteiisches, kein Gewicht. Doch dies versteht sich von
seihst, desswegen braucht er es nicht zu sagen; er gibt also als
Grund, warum er, selbst wenn er es gewiss wüsste, etwas Tüchtiges
geliefert zu haben, es doch nicht offen aussprechen würde, blos den
Umstand an , dass er damit etwas ganz Gewöhnliches sagen würde;
denn es ist dies, sagt er, eine ganz gewöhnliche Erscheinung Was
denn? Dass der Schriftsteller und im Besonderen der Geschichtschreiber
mit seiner Arbeit etwas Verdienstliches zu tbun glaubt. Was ist also
unter res zu verstehen? Nicht, wie Weissenborn meint, dicere se
operae pretium facturum, sondern crederese operae pr. facturum. Jeder
Geschichtschreiber, der eine schon von Anderen behandelte Partie der
♦
Geschichte von Neuem behandelt, glaubt (nicht sagt) etwas Ver-
dienstliches zu thun. In wie fern dies, erklärt der folgende Satz.
Er glaubt dies desswegen , weil eben jeder neue Geschichtscbreiber
entweder sachlich Neues und Besseres beibringen zu können
meint oder in der Form seine Vorgänger zu übertreffen hofft So ist
denn der Gedanke, den Livius mit den ersten Worten seiner praefatio
ausspricht, ein durchaus gesunder und lautet im Zusammenhang nach
unserer Auffassung also:
§h ich etwas Verdienstliches unternehme, wenn ich vom ersten
Anfang der Stadt an die Geschichte des römischen Volkes schreibe,
weiss ich nicht gewiss und wenn ich'a gewiss wüsste, würde ich es
nicht zu sagen wagen, denn ich sehe, es ist dies eine althergebrachte
und allgemein verbreitete Erscheinung (nämlich die Meinung, etwas
Verdienstliches zu leisten), indem (weil) jeder neue Schriftsteller ent-
weder sachlich Genaueres berichten oder durch die Kunst der Dar-
stellung das noch ungebildete Altertum (seine formell noch wenig
gebildeten Vorgänger) übertreffen zu können glaubt
Sörgel.
Zu Cacs. de bell. civ. II, 17, 2.
Der Kritik, die anderwärts , um Arbeit zu linden, gesunde Stellen
mit aller Gewalt für krank erklärt, bietet der Text Cäsar's, besonders
im Bürgerkrieg, in der uns überlieferten Form noch ein reiches Feld
verdienstlicher Thätigkeit. Eine von den verzweifelten Stellen , die
bisher allen Heilungsversuchen gespottet haben , wenn man es nicht
vorzog, ganz stillschweigend über sie hinwegzugehen, findet sich im
17. Capitel des 2. Buchs; mit ihr wollen wir uns hier etwas eingehender
beschäftigen. Um die Unstatthaftigkdt der bisherigen Lesart nachzu-
weisen, müssen wir zuvor auf den Gedankengang etwas näher eingehen.
Im Vorhergehenden ist erzählt, wie es dem Cäsar durch geschickte
Manöver gelungen war, das Heer des Pompejus im diesseitigen Spanien
zur Unterwerfung zu bringen, und wie er sich darauf mit allem Nach-
druck der Belagerung von Massilia zuwandte. Aber auch im jenseitigen
Spanien stand noch ein Legat des Pompejus mit einer Armee. Es war
dies M. Varro Dieser Mann nun, ein höchst zweideutiger und unzu-
verlässiger Cburakter, liess «ich in seinem Verhalten lediglich durch
die Fortschritte Cäsars in Italien uud den Gang der Belagerung von
Massilia bestimmen. Er suchte einfach abzuwarten , tür wen eich das
Glück entscheide, um dann auch für seine Person die gleiche Ent-
scheidung zu treffen.
Blittar f. d. b*fer. Gymn.- u. Re*l-8chulw. XI. Jahr». 22
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312
Von ihm beisst es nun im 17. Capitel des 2. Buchs, er habe, wie
aus Italien Nachrichten Ober Nachrichten von den glücklichen Erfolgen
Cäsar? daselbst einliefen, am Glücke des Pompejus verzweifelnd sieb
über Casar höchst freundschaftlich ausgesprochen und sich über seine
eigentümliche Stellung beklagt, die es ihm, was ihm doch Herzens-
bedürfniss wäre, nicht erlaube, mit beiden von ihm so hochverehrten
Männern in Frieden nnd Freundschaft zu leben. Zunächst spricht er
von den Verpflichtungen, *lie er dem Pompejus gegenüber habe, der
ihm den Posten eines Legaten übertragen und ihn dadurch an leine
Person und Sache gebunden habe. * Was freilich die persönlichen
Beziehungen betreffe, fährt er fort, so bänden ihn ebenso enge an
Casar als an Pompejus; er wisse ebenso gut, was die Pflicht eines
Legaten erheische, der einen Vertrauensposten bekleide, als er auf der
anderen Seite von der Unzulänglichkeit seiner Streitkräfte überzeugt
sei und die Gesiunung kenne, welche in der ganzen Provinz gegen
Cäsar herrsche Das ist ohne allen Zweifel der Sinn dieser Stelle.
Aber wie verhält sich der Text dazu? Sehen wir ihn ans einmal an!
Praeoccupatutn, heisst es da, sese legatione ab Cn. Pompejo, teneri ob-
strictum fide: necessitudinem quidem sibi nihilo minorem cum Caesare
intercedere neque se ignorare, quod esset officium legati, qui fiduciariam
operam obtineret, quae vires suae, quae voluntas erga Caesarem totiws
provinciae Er will offenbar sagen , dass ihm die Wahl zwischen
Pompejus und Cäsar ausserordentlich schwer werde, ja ganz unmöglich
sei. Wie er zunächst seinen Verpflichtungen, die ihn an Pompejus
binden, die engen persönlichen Beziehungen zu Cäsar entgegenstellt,
die ihm die Erfüllung seiner Pflicht so schwer machen, so werden
auch im 2. mit neque se ignorare eingeführten Satz die Momente, die
ihu für Pompejus Partei nehmen lassen, und andrerseits die Gründe,
die ihn an der Erfüllung dieser seiner Pflicht hindern, gegensätzlich
aufgeführt. Wir sehen also, der gute fi. Varro will sich aus seiner
verzwickten Lage eiufach durch das Kunststück heraushelfen, dass er
nicht so und auch nicht so sagt und dann erst sich für den einen
oder den anderen entscheidet, wenn sich endgiltig das Glück für ihn
entschieden hat. Er gehörte also zu den Charakteren, deren Hauptkunst
es ist , den Mantel nach dem Winde zu hängen, eine Kunst, die in
unruhigen Zeiten, in Zeiten eines Bürgerkriegs, zwar sehr schwierig,
aber, wenn mit Erfolg geübt, auch höchst lohnend ist. Er hatte sich,
wie die meisten seiner Art, zunächst an Pompejus angeschlossen;
musste man doch das Unterfangen Casars, den Pompejus, für den sich
ja fast der ganze Senat erklärt hatte, aus seiner privilegirten Stellung
zu verdrängen, für ein verfehltes, ja für ein wahnsinniges halten.
Aber der Wind schlug wider Erwarten bald um. Cäsar erzielte
hauptsächlich durch seine wunderbare Schnelligkeit ganz erstaunliche
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313
Erfolge und hatte sich in Kurzem in den Besitz von ganz Italien
gesetzt. Das musste natürlich einen so vorsichtigen Mann, wie Varro
war, stutzig machen. Seine Lage wurde jetzt eine äusserst schwierige,
zumal da auch seine Collegen , die im diesseitigen Spanien an der
Spitze Pompejanischer Heere gestanden waren , sich mit denselben
hatten ergeben müssen Aber trotz alledem ist der schliessliche Aus-
gang immer noch nicht gewiss; immer noch kann es gehen, wie es
will. Da heisst es denn mit äusserster Vorsicht zu Werke gehen.
Ein für allemal bei Pompejus aaszuhalten und dessen Schicksal zu
teilen, ist um so gefährlicher, als er ja von diesem weit getrennt ist
und gar nicht unterstützt werden kann. Andrerseits wäre es aber auch
im höchsten Örade voreilig, sich jetzt schon für Cäsar zu entscheiden,
wo noch keine entscheidenden Ereignisse vorgefallen sind. Was thut
nun der kluge und vorsichtige Mann in einer so eigenthümlichen Lage?
Er sucht Zeit zu gewinnen und die Entscheidung für seine Person so
lange hinauszuschieben, bis er bestimmt weiss für wen die Entscheidung
im Ganzen und Grossen ausfallen wird. Inzwischen aber gilt es , sich
so geschickt durchzuschlagen, dass man keinem von beiden vor den
Kopf stösst.
Ist nun diese Auseinandersetzung richtig, und ich glnube, ihre
Richtigkeit wird Niemand bestreiten, so kann Varro das, was er mit
dem Satz neque se ignorare einführt, unmöglich so einfach neben
einander hinstellen , obwohl es die schärfsten Gegensätze bildet. Das
hiesse in der That Alles wie Kraut und Rüben durcheinander mengen.
Wie er im Vorhergehenden seine Verpflichtungen dem Pompejus
gegenüber den Erwägungen scharf entgegengestellt bat, die ihn die
Freundschaft Cäsars suchen lassen, so scheidet er auch hier haarscharf
zwischen dem, was ihn an Pompejus bindet, und dem, was ihn gegen
Cäsar feindselig aufzutreten hindert. In der ganzen Darstellung sind
gerade die scharfen Gegensätze charakteristisch. Diese Gegensätze
aber müssen hervorgehoben, müssen wenigstens deutlich angedeutet,
können auf keinen Fall so ganz ohne alle Vermittlung einfach neben
einander hingestellt werden. Varro sagt zunächst, er sei auf der einen
Seite durch den Posten eines Legaten, den er von Pompejus ange-
nommen habe, gebunden; auf der andern Seite freilich habe er auch
zu Cäsar die besten persönlichen Beziehungen. Dieser nämliche Gedanke,
der ja im Grunde darauf hiuausläuft, dass gezeigt werden soll, wie es
ihm seine eigenthümliche Stellung unmöglich mache, sich ganz offen
und ohne Rückhalt für den einen oder andern zu erklären, wird nun
im Folgenden noch weiter ausgeführt. Er wisse auf der einen Seite
recht wol, was die Pflicht eines Legaten erheische, der einen Vertrauens-
posten bekleide, nämlich das Vertrauen nicht zu täuschen, sondern
treu in seiner Stellung auszuharren, auf der andern Seite eben so wol,
22»
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welcherlei Art seine Streitmacht sei, d. h. wie unzureichend seine
Macht der Casars gegenüber sei , und dass es also nur ein muth-
williges Hinopfern seiner Leute wäre, wenn er trotzdem sich mit
Casar in einen Kampf einlassen wurde, und welches die Gesinnung der
ganzen Provinz gegen Cäsar sei, d. h. dass die ganze Provinz sich
einmüthig für Cäsar erklärt habe und von einem Kampf gegen ihn
nichts wissen wolle Daraus ergiebt sich demnach seine Bereit»
Willigkeit, die Feindseligkeiten gegen Cäsar einzustellen, nur erwartet
er von diesem, er werde an ihn nicht das Verlangen stellen, die
Armee, die ihm Pompojus anvertraut habe, ihm geradezu auszuliefern.
Kran er hat allerdings die Unstatthaftigkeit der gewöhnlichen
Lesart erkannt und gemeint, die Worte quod esset officium bis obtineret
gehörten überhaupt nicht hieher, wo Varro dem gegenüber, wus ihn an
PompejuB bindet, erwägt, was ihn veranlassen könnte, es mit Cäsar zu
halten. Er will nun der Not durch ein schon vielfach gebrauchtes,
ja verbrauchtes Mittel, durch Versetzung abhelfen und obige Worte
unmittelbar hinter teneri obstrictum fide eingesetzt wissen. Aber damit
ist nicht nur nichts gewonnen , sondern wir erhalten dann einen
geradezu schiefen Gedanken. Denn was sollen jetzt die Worte: se
teneri obstrictum fide, quod esset officium legati, qui fiduciariam
operam obtineret besagen? Kann man denn überhaupt sagen: Ich bin
\ durch mein Wort gebunden, und dies ist die Pflicht eines Legaten,
der einen Vertrauensposten bekleidet? .Man sagt wol, ein Legate ist
durch sein Wort gebunden, aber nicht, es ist die Pflicht eines Legaten,
durch sein Wort gebunden zu sein. Aber auch abgesehen davon, ist
denn blos der Legate durch sein Wort gebunden und nicht Jedermann
und wäre es nicht zum mindesten ein höchst überflüssiger Znsatz,
zu sagen, es ist die Pflicht eines Legaten, sein Wort zu halten und
das ihm vom Oberfeldherrn anvertraute Heer dem Feinde nicht geradezu
in die Hände zu liefern? Aber noch einen weiteren Missstand würde
diese Versetzung zur Folge haben. Es würde dadurch der doppelte*
Gegensatz, der an unserer Stelle für die Charakteristik ciues so zwei-
deutigen Mannes wie Varro gerade so bezeichnend ist, zerstört und die
Begriffe, die absichtlich gegenüber gestellt werden sollen, zwecklos
gehäuft. Die Versetzung würde also das Uebel nur ärger machen.
Das richtige Verstäudniss der Stelle führt auch auf die richtige Lesart.
Zum richtigen Verständnis» aber ist es unbedingt nötig, festzuhalten,
dass Varro immer wieder darauf zurückkommt, wie ihm seine Stellung
nicht erlaube, zum Verräther an Pompejus zu werden, aber eben so
wenig, gegen Cäsar feindlich vorzugehen. Wir haben also einen dop-
pelten Gegensatz festzuhalten. Zunächst sagt er, er sei an Pompejus
gebunden durch seinen Posten, den er diesem verdanke, er sei aber
auf der andern Seite auch ein guter Freund Cäsars. Nun führt er
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weitere Momente für seine Haltung an und zwar wieder nach einem
doppelten Gesichtspunkt. Er wisse einerseits recht wol, was seine
Pflicht von ihm, dem Inhaber eines Vertrauenspustens, erheische, nämlich
treues Ausharren, er wisse aber andrerseits eben so gut, dass er bei
der Unzulänglichkeit seiner Mittel und der dem Cäsar freundlichen
Gesinnung der ganzen Provinz gegen diesen nichts ausrichten könne.
Als guter Freund Cäsars will er, bei seinen schwachen Mitteln kann
er nichts gegen ihn unternehmen.
Alle Bedenken werden nun gehoben und die Stelle erscheint als
durchaus gesund , wenn wir einen ganz unbedeutenden Zusatz machen
und vor den Worten guae voluntas das Wort neque einsetzen, das dann
dem ersten neque se ignorare in der passendsten Weise entspricht.
Die Auslassung des Wortes neque vor dem so gleich lautenden Worte
quae ist leicht zu erklären, daher enthält auch die Wiedereinsetzung
desselben gewiss nichts Gewaltsames.
Sörgel.
Schrift Ii che Hebungen Im Deutschen für Sexta.
Herr Koll- Ludwig Mayer hat S. 220 die von mir in der heurigen
Generalversammlung gemachten Vorschläge besprochen, dieselben als
zum Teil etwas zu weit gehend befunden , und ist dafür selbst mit
einigen Vorschlägen aufgetreten Er wird es mir nun gewiss nicht
verübeln, wenn ich auf Grund seiner hiebei entwickelten Ansichten und
Grundsätze den Gegenstand noch einmal zur Besprechung bringe, auf
meinen ersten Vorschlägen beharre und seinen Anschauungen in einigen
Punkten entgegentrete. Handelt es sich ja doch hier um eine Frage,
worüber die Meinungen bis jetzt noch geteilt sind, und also jeder seine
Ueberzeugung geltend zu machen suchen darf.
Herr Koll. M. wendet sich zuvor gegen die freie Wiedergabe
zusammenhängender Stücke, bei welcher die Knaben, da sie eine
Kette von Vorstellungen zu überschauen noch nicht vermögen, sich
erfabrungsgemä88 mechanisch an den Wortlaut des Vorgelesenen oder
Vorgesagten anzuklammern gezwungen sehen, so dass sie dabei mehr
mit dem Gedächtnisse als mit dem Verstände arbeiten.
Dagegen habe ich zu erinnern, dass die vorzulesenden oder vor-
zaerzählenden Stücke vor allem einfach, klar und leicht fasslich sein
müssen. Knaben von 10 Jahren aber müssen bereits so viel denken
gelernt haben, um den Sinn einer einfachen kurzen Erzählung verstehen
und erfassen zu können, wenn man anders junge Leute in die Lateinschule
aufnimmt, welche sich die für den Eintritt in die vierte Klasse einer
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deutschen Schule hinreichenden Kenntnisse in der deutschen Sprache
erworben haben, wie die Schulordnung vorschreibt. Nach meiner
Ansicht setzt Herr Koll. M. von den zehnjährigen Knaben doch gar
zu wenig voraus: denn die Kette von Vorstellungen, wie sie z. B. die
von ihm gemeinten Fabeln verlangen, ist wahrlicb nicht so gross, dass
sie ein Sextaner nicht zu überschauen vermöchte. Die Befürchtung,
dass bei diesen Üebungen das Gedächtniss auf Kosten des Verstandes
in Anspruch genommen werde, kann ich nicht teilen. Bei der
freien Wiedergabe eines Musterstück kommt es darauf an, dass
der Schüler rasch einen Ueberblick über das G a n z e bekomme und
selbes kurz wiedergebe- Sache des Lehrers ist es, das Nebensächliche
an geeigneter Stelle in Erinnerung zu bringen. Durch diese Uebungen
wird, wenn man eine wörtliche Wiedergabe nicht verlangt, resp. nicht
duldet, mehr das Auffassungs- und Denkvermögen geübt, als das
Gedächtniss. Ja dieses wird, fürchte ich, eher durch die vom Herrn
Kollega empfohlene Methode einseitig in Anspruch genommen. Wenn
er nämlich von der ersten Antwort des Schülers ausgehend fortfährt
eine Frage nach der andern an ihn zu stellen, um eine Antwort aus
ihm herauszulocken , wobei aber immer nur einzig allein diejenige
zutreffend ist, die der Lehrer im Kopfe hat, so nimmt er vorzugs-
weise des Schülers Gedächtniss in Anspruch , da dieser , um die
treffende ntwort zu finden, gezwungen ist, sich an den Wortlaut
der vorgetragenen Erzählung zu erinnern. Seine eigene Auffassung
des Geborten kommt bei einer solchen Beschränkung nicht in Betracht
und zur Geltung. Ein solches Zerpflücken und Drängen presst alles
in spanische Stiefel, schadet der Gestaltungskraft der Schüler und
leitet eher zu mechanischer Thätigkeit an, als die freie Wieder-
gabe. Richtig, scheint mir, wäre diese Methode vom Einzelnen auf
das Ganr.e überzugehen dann, wenn es sich um die Erfindung
einer neuen Erzählung handelte. Hier handelt es sich aber
nicht um ein Er linden, sondern um ein Wiederfinden. Dass hiebei
das Gedächtniss mit thätig sein muss, ist allerdings richtig und not-
wendig. Worin besteht denn alter auch die ganze Thätigkeit der
Lernenden überhaupt, wenn nicht in einer Reproduktion des Gelernten ?
Nur müssen sie, damit das Gelernte fruchtbringend werde, sich vor
einer mechanischen Aneignung des zu Lernenden durch blosses Aus-
wendiglernen hüten, und vielmehr trachten, durch Eindringen in den
Inhalt des Gelernten und durch Nachdenken dasselbe zu ihrem Eigen-
tum zu machen.
Durch die freie Wiedergabe von zusammenhängenden Stücken wird
also der Schüler angebalten, den (iesammtinhalt fest ins Auge zu
fassen und ihn nach seiner individuellen Auffassung vorzutragen; sein
Verstand wird hiebei nicht weniger geübt und gebildet , als sein
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Gedächtniss , welches überhaupt and überall bei Erfassung neuer
Gegenstände mitwirken muss.
Auch in Bezug auf die Beschreibung herrschen zwischen Herrn
Koll. M. und mir die nämlichen grundverschiedenen Ansichten Auch
hier scheint wir die als Resultat nach vielen Fragen erhaltene
Beschreibung: „Auf der blumigen Wiese fliegen bunte Schmetterlinge
umher" für einen Sextaner etwas gar zu mager. Beschreibungen von
konkreten Gegenständen, die dem Gesichtskreise der Schüler entnommen
sind, fallen diesen nach meinen Erfahrungen nicht schwer, und sie
bearbeiten solche mit grossem Eifer. Man gebe ihnen nur die Anleitung,
wie sie dieselben anfassen müssen, gebe ihnen dazu mehrere Muster-
beispiele, und lege ihnen dann eine Reihe von Thematen vor, die in
einem gewissen natürlichen Zusammenbange stehen, und man wird
sehen, dass auch ein Sextaner eine ganz verständige Beschreibung zu
liefern im Stande ist*).
Straubing. M Miller.
Schriftliche Uebuugen in der deutschen Grammatik für Sexta.
Das in Band XI. 6. Seite 224 gegebene Versprechen sei hiemit
eingelöst.
Es müssen jedoch diesem Aufsatze etliche einleitende Bemerkungen
vorausgeschickt werden, die einerseits den Nachweis für die Berechtigung
nachfolgender Auseinandersetzungen liefern, andrerseits dazu dienen
sollen, das Thema straffer zu definieren.
„In den Klassen der Lateinschule wird im Zusammenhange mit
dem Unterrichte in der lateinischen Grammatik und mit steter Berück-
sichtigung derselben ein grammatischer Unterricht erteilt." Also die
neue Schulordnung (§. 9) über den Unterricht im Deutschen.
Es möchte fast scheinen, als ob hinsichtlich dieser gewiss treff-
lichen Vorschrift noch keine rechte Klarheit herrschte. Soll man sie
auf die deutschen Formen beziehen? Das hätte wirklich einige
Misslichkeiten. Fürs erste wäre fast zu befürchten, dass damit,
wenigstens in Sexta, dem deutschen Unterricht die Grenze etwas au
eng gezogen ist. Man sähe sich nämlich fast notwendig auch im
Deutschen gerade auf jene vcrhältnissmässig ziemlich wenigen Wörter
•) Ich habe hier bloss die Möglichkeit dieser Uebnngen für Sexta ins
Auge gefaast; den Nutzen uud die Notwendigkeit derselben für die intellek-
tuelle Entwicklung habe ich in meinen Vorschlägen bei der General-
versammlung nachzuweisen gesucht.
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beschränkt, die im Lateinischen zugänglich sind, und doch sollte ein
Sextaner am Ende des Schuljahres wissen, dass man z. B nicht Gespenste, 1
sondern Gespenster, nicht Traumgesichter, sondern Traumgesichte, nicht
gehaut, sondern gehauen sagt. Ferner denke man daran, dass in der
untersten Klasse der Lateinschule im Lateinischen nur ganz wenig
Pronominalformen (§ 10 Abs. I) genommen werden; kann die Mehr-
zahl der Pronomina darum auch im Deutscheu unberücksichtigt bleiben?
Es wird doch bei Verteilung des Lehrstoffes in §. 9 von der ersten
Lateinklasse Unterscheidung der Redeteile verlangt; wofür soll aber
ein Schüler die Wörter: deren, solch, jemand, etwas etc. erklären,
wenn sie ihm nicht aus der deutschen Grammatik als Pronomina
bekannt geworden sind? Mit deu Konjunktionen ist es in dieser Klasse
ohnehin eine schwierige Sache Fürs zweite könnte der Unterricht
kein systematisch - klarer, sondern nur ein zufälliger, verschwommener
und ebendeshalb für die Schüler kein sonderlich gedeihlicher sein. Da
bekäme man alle Formationen, starke und schwache, einfache und
komplizierte, durcheinander, und die Schönheiten seiner Muttersprache,
wie die Pluralendung er (Haupt, Häupter), der Ablaut der starken
Verba (singen, sang, gesungen), der Wechsel von geschärfter Silbe zu
gedehnter und umgekehrt (bitten, bat, gebeten; nehmen, genommen)
u. s. w. könnten dem Schüler kaum eindringlich genug vorgeführt
werden. Zudem wäre ihm damit doch wol zu viel zugemutet, die
lateinische und die deutsche Form zugleich zu erlernen; und wo sollte
der Lehrer zuvor anfassen, beim Lateinischen oder beim Deutschen,
wenn etwa (wie dies ja auch vorkommen kann) ein Knabe cordia die
Herze oder viro forto dem tapferem Manne dekliniert? — Dass es
aber nahezu unmöglich ist, deutsche und lateinische Formenlehre im
Zusammenbange zu geben, das haben auch die Kollegen Brunner und
Kraus jüngst in ihrem Elementarbuch des Deutsch - lateinischen Unter-
richtes für Sexta bewiesen; wiewol innerlichst von der Vorteilhaftigkeit
einer Verbindung der deutschen und lateinischen Grammatik überzeugt,
waren sie doch gezwungen, bei jedem Abschnitt ihres Buches die
Hegeln der deutschen Grammatik für sich abgeschlossen vorauszuschicken
und erst darauf die Regeln der lateinischen Grammatik zu bauen.
Es ist darum nicht plausibel, wenn es auch voi mancher Seite so auf-
yefasst werden zu wollen scheint, dass der oberste Studienrat mit jener
Verordnung den Unterricht in den deutschen Formen gemeint habe
Sagt man dagegen, er habe damit zunächst die Erlernung und schärfere
Unterscheidung grammatikalischer Begriffe und Verhält-
nisse, wie Substantivum, Vcrhum, Numerus, Casus, Tempus, Subjekt,
Objekt etc. im Auge gehabt, so wird das Jedermann einleuchten; ja
derlei allerdings wird bei gleichzeitiger Betreibung des Lateinischen
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den Knaben leichter und schneller klar und geläufig, und damit ist
auch schon sehr viel gewonnen.
Wenn man nun aber das bisher Entwickelte zugesteht — und man
wird nicht leicht anders können — so ergibt sich für den Unterricht
in der deutschen Sprache jener freiere Spielraum, der unbedingt nötig
erscheint, und jenes höhere Ansehen, das unserer ehrwürdigen Mutter-
sprache von jeher zukommt. Man wird in den deutschen Lehrstunden
sich ausschliesslich mit dem Deutschen befassen und unsere Sprache
selbständig erklären und einüben dürfen, eine Verbindung der
deutschen und lateinischen Grammatik aber nur insoweit einhalten,
dass man in beiden möglichst gleichzeitig gleiche Abschnitte bebandelt
und von einer auf die andere vergleichend hinweist.
Wollte nun Jemand glauben, die deutsche Grammatik enthalte an
und für sich keine bilduugselemente, oder es lasse sich der Unterricht
in derselben nicht nach mehreren Richtungen hin gewinnreich machen,
so wären das arge Täuschungen Wenn auch nicht so knapp wie das
Lateinische, besitzt die deutsche Sprache noch immer Exaktheit genug,
um die Aufmerksamkeit und Genauigkeit der Schüler herauszufordern.
Wo ferner soll der Schüler richtig sprechen und schreiben lernen,
wenn ihm nicht in erster Linie die Grammatik dazu verhilft? Obendrein
lässt sich aber der Unterricht in diesem Gegenstande auch so einrichten,
dass zugleich Verstand und Phantasie der Schüler angeregt, dass ihr
Gesichtskreis erweitert, Klarheit über das bereits Erfasste verbreitet
wird, kurz, dass sie richtige und reichliche Gedanken bekommen.
Es liegt hier schon eine der wichtigsten Stufen des stilistischen Unter-
richts, freilich eine niedrige Stufe, die von Seiten des Lehrers unendlich
viel Geduld in Anspruch nimmt, aber für eine gründliche Durchbildung
ebenso unentbehrlich wie vorteilhaft ist.
In der deutschen Elementarschule wird diesem Bedürfniss von
jeher Rechnung getragen; ich selbst erinnere mich noch bestimmt
dieser oder jener Uebung, die ich als Knabe von 8 — 10 Jahren mit-
gemacht habe. Es liegen mir auch einige Bändchen eines Lehrmittels
vor, das ich allen beteiligten Kollegen zur Einsicht empfehlen möchte;
es enthält eine reiche Sammlung von Aufgaben, wie sie an deutschen
Schulen im Gebrauche sind. Man wird in demselben mehrere der von
mir in Folgendem aufgeführten Uebungen antreffen. Der Titel des
Werkchens ist: Hilfsbüchlein zum Unterricht in der deutschen
Sprache etc. von L. Hirschmann, Lehrer in Regensburg, 1., 2. und
3. Bändchen. Regensburg bei Büssenecker 1874, resp. 1875.
In der Lateinschule wird man Derartiges ebenfalls nicht umgehen
können, vorab nicht in der neugeschaffenen Sexta. Denn die in diese
Klasse eintretenden Knaben haben bei weitem noch nicht vollständige
oder abgeschlossene Vorbildung gemessen können, ja wir werden
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vielleicht gut daran thun, -wenn wir bei ihnen nichts weiter voraus-
setzen, als die technische Fertigkeit des Lesens und Schreibens, in
allem andern aber mit den Anfangsgründen beginnen Desto tiefer
und sicherer werden wir sie erfassen, desto gleichmässiger und geord-
neter wird der Unterricht sein, ohne dass man sich jedoch bei dem
gar zu Einfachen lange aufzuhalten brauchte. Was die Schüler vor
ihrem Eintritt in die Lateinschule gelernt haben , das wird ihnen auch
hiebei zu statten kommen, und die repetierten Kapitel treffen sie in
der Lateinschule sebon mit wacherem Verstände und wegen des iiück-
balts, den das Lateinische gewährt , unter gründlicherer Anleitung an.
So gehe ich denn über auf die angekündigten Uebungen; ich
könnte nicht alle aufzählen; die meisten derselben werden meinen
Kollegen bereits bekannt sein und es wird mancher im Feuer des
Unterrichts selbst noch diese oder jene neu erfinden; mir gilt es hier
nur, die Sache selbst ins Gedächtniss zu rufen.
Vor allem sei bemerkt, dass sich die orthographischen Uebungen
zum Teil recht gut dazu einrichten lassen, die Schüler nebenher in
der Formenlehre und im Gebrauche der Sprache , also orthographisch,
grammatikalisch und lexikalisch zugleich zu üben. Hier kann man
ihnen so manches in die Hände spielen , ohne dass man sie mit den
einschlägigen dürren Regeln behelligen und ängstigen musB. Da ein
Diktando nicht bloss diktiert, sondern nachträglich auch aufs genaueste
buchstabiert werden muss, so wird das darin Enthaltene um so fester
im Gedächtnisse haften bleiben. Man gebe also zur geeigneten Zeit
als Diktaudo Sätze wie: Manche Bflchersammlung enthält vieltansend
Bünde. An den einsamen Kreuzen des Friedhofes Hattern Bänder.
An meine Eltern knüpfen mich die Bande der Liebe und Dankbarkeit.
Einst trugen die Soldaten Schilde und zwar am linken Arme. Die
Aushängsch i 1 d er sind meist mit gTellen Farben gemalt. — Oder
gelegentlich der Komparation: Dem braveren Knaben gebührt das
grössere Lob. Die besten und frömmsten (frommsten) Menschen sind
nicht immer die glücklichsten und frohesten. Oder gelegentlich der
Koujugation, besonders der starken: Ich genese von einer schweren
Krankheit. Der verwundete Reiter genas nur langsam. Sobald der
Kranke genesen ist, wird er nach Italien reiseu, um sich vollständig
zu erholen. Der Kranke genest. 0 dass ich doch bald genäse! Wenn
du wahrend der Krankheit schädliche Speisen geniessest, genesest du
nicht etc. So lässt sich fast die ganze Formenlehre an Beispielen
vorführen , und man ist nicht leicht in Verlegenheit wegen eines
passenden Stoffes zu einem Diktando.
Speziell aber empfehlen sich folgende Uebungen :
1) Gelegentlich der Lehre vom Hauptwort :
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a) Setzung des (bestimmten oder unbestimmten) Artikels vor einer
Reihe von Substantiven. Am besten wird man hiezu Gruppen
zusammen gehöriger Begriffe, Aufzählungen aus ver-
schiedenen Gebieten, z. B. den Naturwissenschaften, verweuden, z. B. ■
Folgende Teile des menschlichen Leibes sind mit dem «Artikel zu
versehen: Kopf, Rumpf, Gliedmassen; Scheitel, Haar, Stirn, Schläfe,
Auge, Augapfel, Pupille, Braue, Lid, Wimper, Wange, Ohr, Nase,
Lippe, Bart, Kiefer, Zahn, Zunge, Gaumen etc. — So kann man
nehmen die Haustiere, Raubvögel, Blumen etc. Dass derartige
Uebungen durchaus nicht überflüssig sind , wird man gar bald
merken, zugleich aber Anlass nehmen, den Schülern diesen und
jenen Begriff zu erklären. •
b) Stellung einer solchen Reihe vom Singular in den Plural
oder vom Nominativ in irgend einen anderen Kasus, z.B.: Folgende
Obstarten sind in den Nom. Plur. zu stellen : Birne, Apfel, Pflaume,
Zwetschge, Pfirsich, Kirsche, Walnuss, Dattel, Feige etc
c) Aufzählung einer solchen Reihe von Substantiven im Nom. Sing,
mit dem Artikel, z. B : Nenne die verschiedenen Hausgeräte im
Nom. Sing, mit dem besttimmten Artikel.
d) Einsetzung passender Subjekte oder Objekte. Hier wird man
sein Augenmerk auf gewisse stehende Begriffsverbindungen
richten, z. B. was klingt? (die Glocke), klappert? (die Mühle),
kracht, rollt? Was glänzt, funkelt, leuchtet, blitzt, schimmert?
Welche Tiere wiehern, blöken, meckern, brüllen, knurren, bellen,
heulen, fauchen, krähen, krächzen, trillern, zwitschern, quaken,
zischen, summen, zirpen? - Oder: der Hund jagt—? (den Hasen);
Knaben lieben — ? (die Spiele, Bücher etc.); das Kind gehorcht — ?
(dem Vater, Lehrer, den Eltern etc.) u. s. w.
e) Bildung von Sätzen, die ein Substantiv der Reihe nach in je
einem Kasus des Singulars und Plurals enthalten, z. B.
Nom. Das Pferd zieht den Wagen.
Gen. Die Hufe des Pferdes beschlägt man mit Eisen etc.
2) Gelegentlich der Lehre vom Eigenschaftswort:
a) Setzung passender Epitheta, z. B. die Knaben lieben den —
Honig; der Jäger erlegt das — Reh; die Kälte schadet dem
— Knaben.
b) Bildung von Sätzen, wie bei 1 e,
z. B. Nom. Das starke Pferd zieht den Wagen.
Gen. Die Hufe des starken Pferdes etc.
c) Vergleichungen, z.B. Eisen, Holz, schwer == Eisen ist schwerer
als Holz; Pferd, Elefant, Walfisch, gross — das Pferd ist gross,
der Elefant ist grösser, der Walfisch ist am grössten. Man kann
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die Glieder auch durch die Schüler erst ordnen lassen, z. B. Pfeil,
Schwalbe, Blitz, rasch.
3) Gelegentlich der Lehre vom Fürwort:
a) Beugung bestimmter Ausdrücke, wie: mein, treu, Freund;
unser, gut, König; euer, edel, Fürst; dieser, schuldlos, Mann;
mancher, brav, Soldat; manch, brav, Soldat; solch, schön,
Wort etc.
b) Beobachtung und Unterscheidung der Formen: dessen, deren,
denen an diktierten Sätzen, in welchen sie entweder als Demon-
strativa oder als Relativa fungieren. v
c) Setzung passender Pronomina au Stelle angegebener Substan-
tiva, wie in folgender Uebung: Gross ist der Nutzen des Feuers,
wenn der Mensch das Feuer gehörig besucht; mit des Feuers
Hilfe nämlich heizen wir unsere Wohuungcn in kalter Winterszeit;
durch das Feuer werden uns viele Speisen erst geniessbar; von
dem Feuer weich gemacht lassen sich die Metalle brauchbare
Form geben. Aber wir dürfen dem Feuer auch nicht zu sehr
trauen; wehe, wenn das Feuer ausbricht; Haus und nütte wird
dann des Feuers Beute.
d) Einsetzung ausgelassener Pronomina, jedoch mit Angabe der
Gattung derselben, z. B. ein Knabe, — {relat.) — (reflex.) unvor-
sichtig in eine tiefe Grube hinabbegeben hatte und nicht mehr
herauskommen konnte, tröstete — (reflex.) mit den Worten: „—
(indefin.) muss (reflex.) nur zu helfen wissen; da laufe — (person.)
in die nächste Scheune und hole — (person.) eine Leiter; auf —
(demonstr.) steige (person.) hinauf und gehe zu (possess)
Kitern nachhause."
4) Gelegentlich der Lehre vom Zeitwort:
a) Umstellung vou Sätzen vom Aktiv ins Passiv und umgekehrt;
hier muss man jedoch eine sorgfaltige Auswahl treffen; es wäre
gefehlt, den nächsten besten Abschnitt, der gar nicht dazu ein-
gerichtet ist, für eine derartige Aufgabe zu bestimmen.
b) Verwandlung von Ausdrücken, die im Infinit, angegeben sind,
in irgend eine beliebige Form des Verbi tiniti, z. B.: Bilde 11
Sing. Imperf Ind. Akt. von den Ausdrücken: sich einen Freund
erwerben, seinen Plan ändern etc.
c) Herstellung von Participien aus kurzen Sätzen, z. B. Benütze
die Zeit, da sie schnell entflieht — Benütze die schnell entfliehende
Zeit; die Feinde flohen, als sie besiegt worden waren = die
besiegten Feinde flohen.
d) Uebung in stehenden BegiitVsverbindungen , wie unter Id an-
gegeben, z. B. der Bach -? (plätschert); der Strom ? (rauscht);
das Feuer — ? (prasselt) etc.
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e) Aufzählung von Tbätigkeiten in verschiedenen Temporibus
und Modis, z B. der Landniann — ? (pflügt, sät, eggt, mäht,
heimst ein oder erntet, drischt etc ) oder im Imperfekt, der Land-
niann pflügte, säte etc. - Dies dürfte sich, wie 1c und d und 2a
vorzüglich als eine Vorschule der Heuristik empfehlen.
f>j Gelegentlich der Lehre vom Vor- oder Fügewort:
a) Einrichtung aufgelöster Konstruktion, z. B. wegen — (das
schlechte Wetter) blieb ich zu Hause; aber trotz - (diese Vorsicht)
wurde ich von — (ein heftiges Fieber) ergriffen.
b) Einsetzung von passenden Objekten nach Präpositionen, z. B.
nächst verdanken die Knaben dem Lehrer am meisten; nach
— ist die Luft rein.
(i) Gelegentlich der Lehre vom Bindewort (welches übrigens in
Sexta kaum eine gründliche Behandlung erfahren kann):
Einsetzung passender Konjunktionen und zwar
a) koordinierender, z. B die Sonne leuchtet - erwärmt; Gott
lebt ewig, die Menschen — müssen sterben; die Diamanten sind
sehr wertvoll, — sie funkeln sehr schön.
b) subordinierender, z. B. der Lehrer lobt dich, — du fleissig
warst; die Eltern liebeu dich, — du nicht fleissig gewesen bist;
der Thor spricht schon, — er gedacht hat; aber es reut ihn kurz
darauf, er gesprochen hat.
Von dieser Art sind die Exercitien, die ich im Sinne hatte, und
ich glaube nicht, dass meine Kollegen dieselben für unnütz oder
überflüssig halten, im Gegenteil, ich bin der festen Ueberzeugung, dass
sie ebenso wie ich die dringende Indikation derselben erkennen werden.
Wir dürfen einerseits nicht übersehen, die Schüler an richtige Form
zu gewöhnen, andrerseits aber auch ihr Hegriffs- und Denkvermögen
nicht verkümmern lassen. Dieser Rolle wird weder durch das Lese-
buch allein, noch durch die Schülerbibliothek, sei beides so vorzüglich
wie es wolle, vollständig genügt Wir Lehrer müssen in der Schule
im lebendigen Vortrage darauf hinarbeiten ; da wird es zwecken und
flecken; wir müssen den Schülern spenden und zwar so reichlich
spenden, als wir haben und als sie ertragen können. —
Was ich auseinandergesetzt habe, bezieht sich erklärtermassen nur
auf Sexta. Vielleicht bietet sich mir einmal Gelegenheit, die Aufgaben
höherer Klassen in diesem Gegenstande einer Betrachtung zu unter-
ziehen, oder es geschieht durch einen meiner Kollegen. Dass noch
manches zu erwähnen ist zu einer Verbesserung der Methode, darüber
herrscht kein Zweifel; denn es sind zwei alto Klagen, die schwer in
die Wagschale fallen, dass nämlich Gymnasialschüler nicht selten
erstens gedankenarm, und zweitens dass sie arm an Worten sind.
München. Ludwig Mayer.
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Stilistische Aphorismen.
HL üeber daa Princip der Stillehre und die Stilgesetze.
Kragen wir, wodurch der gegenwärtige Marasmus der Stilistik her-
beigeführt worden sein mag, so ist die Antwort vor Allem in dem
Umstand zu suchen, dass man bei der Aufsuchuug der Stilregeln nicht
vom Stilisten, sondern vom Stil werk ausging. Nach dem Zustand,
in welchem wir die Stilistik heutzutage und in welchem wir die
Rhetorik bei den Alten vorfinden , muss derjenige, der zuerst über
rhetorische und stilistische Probleme nachdachte, vom Stilwerk aus-
gegangen sein. Ohne Princip suchte und fand er Regeln, wie sie ihm
der Zufall bot, und so ward der Empirismus mit der Rhetorik geboren.
Die nachfolgenden Theoretiker schritten auf dem eingeschlagenen Wege
weiter, ohne dass es ihnen einfallen mochte, Ober die Richtigkeit des
Ausgangspunktes Untersuchungen anzustellen. Damit war denn auch
der Dogmatismus in der Stilistik installirt. Die Regeln häuften sich,
und je mehr sie sich häuften , um so weniger war mehr daran zu
denken, das, was der Erste versäumt hatte, nachzuholen, nämlich sie
unter einen Hut zu bringen. Denn mit der bunten Menge der Regeln
wuchs auch die Schwierigkeit, ihre Mannigfaltigkeit auf ein Princip
zurückzuführen. Und so musste der Empirismus selbst den Dogmatis-
mus in der Stilistik grossziehen. Wo aber in einer Theorie Empirismus
und Dogmatismus sich die Hand reichen, da kann auch die Stagnation
nicht ausbleiben. Somit erklären sich also alle Krankheitserscheinungen
der Stilistik auB dem Ausgangspunkt, den sie genommen, und aus dem-
selben Grund war ihr auch von Anfang an die Möglichkeit, eine Wissen-
schaft zu werden, abgeschnitten (cf. Cicero de oratore I, 23 und 24 und
II, 8). Gleichwol dürfen wir nicht Ubersehen , dass auch andere Um-
stände dazu beitrugen, jene angebornen Krankheiten der Stillehre zu
chronischen Leiden zu machen Doch wollen wir hier nur einen
Punkt näher bezeichnen.
Es war nämlich gewiss ein eigentümliches Verbängniss, dass die
Stillehre nicht das Glück hatte, wie andere Wissenschaften z. B. die
Aesthetik von der neueren Philosophie bearbeitet und weitergebildet
zu werden Nachdem im Altertum noch ein wirklicher Co'itakt zwischen
beiden Disciplinen bestand, hatte auch noch im Mittelalter die Rhetorik
teilweise mit der Scholastik Fühlung, ohne indessen we:entliche Fort-
schritte zu machen. Als aber im 18 Jahrhundert allmählich das ent-
stand , was wir jetzt Stilistik oder Stillehre nennen, bat sich weder
einer der grossen Philosophen jener Zeit mit ihr weiter beschäftigt,
noch ward sie sonstwie in irgend einen engeren Zusammenhang mit
der modernen Philosophie gebracht. Denn die wenigen Versuche, die
Wolffische, Kantische und Hegeliscbe Philosophie auf die Stilistik resp.
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Rhetorik anzuwenden, bleiben ausser Ansatz , da sie auf die Gestaltung
der Stilistik keinen nachhaltigen Einfluss hatten. Selbst Rinne's neuester
Versuch, die Hegelische Philosophie in die Stilistik einzuführen —
seine Compositionslehre ist ja schliesslich doch nichts anderes als eine
Uebertragung der Hegel'schen Philosophie auf die Stilistik — hatte
bisher keinen irgendwie durchschlagenden »folg, sondern die Stilistik
beharrte vielmehr in ihrer Stagnation. So hat denn die alte und neue
Theorie noch immer eine frappante Aehnlichkeit und die Rhetorik ad
Herennium sieht ganz modern aus und heimelt uns an.
Es ist überhaupt merkwürdig, wie sich die Stilistik bisher gegen
alle verjüngenden Einwirkungen abschliessen konnte. Denn so wenig
als die Entwicklung der modernen Philosphie, so wenig vermochte auch
der grossartige Aufschwung der Aesthetik in der zweiten Hälfte des
vorigen Jahrhunderts auf die Stilistik einen bleibenden Eindruck zu
machen. So hat dieselbe z B aus Lessings Laokoon weiter nichts
gelernt als eine behagliche Empfehlung der Art und Weise, wie Homer
den Schild des Achilles beschreibt Es war und blieb daher die
Stilistik teils naturnotwendig, in Folge ihres Ausgangspunktes, teils
durch ihre Isolirung im geschichtlichen Entwicklungsgang der Wissen-
schaften eine unwissenschaftliche Doktrin
In dieser Erkeuntniss suchten wir von einem andern Standpunkt
aus zu einem Princip der Stilistik und zu Stilgesetzen zu kommen.
Eine stilistische Darstellung lässt sich nämlich nicht blos als etwas
Fertiges, auf einmal Gegebenes betrachten, sondern ebenso auch als
etwas durch den Stilisten successive Hervorgebrachtes
und erscheint dann als eine Entwicklung. Denn nicht von ihrem
Anfang an ist sie das, als was sie schliesslich erscheint, sondern als
einfacher Gedanke wird das Stilwerk im Geiste des Stilisten geboren,
und spricht er diesen Gedanken aus, so bat er ein Thema gesetzt, das
ihn nun zur Ausführung drängt. Aber jener Gedanke entstand in y
seinem Kopfe nicht ohne irgend eine Veranlassung; denn auch im
Geist des Menschen kann nichts erzeugt werden ohne Veranlassung,
wenn wir uns auch derselben nicht immer bewusst werden. Diese
selbst aber lag wieder iu inneren oder äusseren gegebenen Verhält-
nissen, in der Situation, in der sich der Stilist befand, in der eigen-
artigen Lage der Dinge, in der Gemütsstimmung, in die er durch irgend
etwas versetzt wurde u. s. w. Und so durchlief also der werdende
Aufsatz schon eine Reihe von Entwicklungsphasen, ehe er als Thema
geboren wurde. Und wie oft erzählt uns nicht der Schriftsteller selbst
die ganze subjektive Entstehungsgeschichte seiner Darstellung I Wir
verweisen nur auf die Einleitung zu Cicero's Topik . zu Lessings
Laokoon, Hamburger Dramaturgie u. a. w. ; auf das Vorwort zu Göthes
Wahrheit und Dichtung; auf die Vorrede zu Schillers Abfall der
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1
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III.
Stilistische Aphorismen.
Ueber das Priacip der Stillehre und die Stilgesetze.
Fragen wir, wodurch der gegenwärtige Marasmus der Stilistik her-
beigeführt worden sein mag, so ist die Antwort vor Allem in dem
Umstand zu suchen, dass man bei der Aufsuchung der Stilregeln nicht
vom Stilisten, sondern vom Stil werk ausging. Nach dem Zustand,
in welchem wir die Stilistik heutzutage und in welchem wir die
Rhetorik bei den Alten vorfinden, muss derjenige, der zuerst über
rhetorische und stilistische Probleme nachdachte, vom Stilwerk aus-
gegangen sein Ohne Princip suchte und fand er Regeln, wie sie ihm
der Zufall bot, und so ward der Empirismus mit der Rhetorik geboren.
Die nachfolgenden Theoretiker schritten auf dem eingeschlagenen Wege
weiter, ohne dass es ihnen einfallen mochte, Ober die Richtigkeit des
Ausgangspunktes Untersuchungen anzustellen. Damit war denn auch
der Dogmatismus in der Stilistik installirt Die Regeln häuften sich,
und je mehr sie sich häuften , um so weniger war mehr daran zu
denken, das, was der Erste versäumt hatte, nachzuholen, nämlich sie
unter einen Hut zu bringen. Denn mit der bunten Menge der Regeln
wuchs auch die Schwierigkeit, ibre Mannigfaltigkeit auf ein Princip
zurückzuführen. Und so musste der Kmpirismus selbst den Dogmatis-
mus in der Stilistik groBsziehen Wo aber in einer Theorie Empirismus
und Dogmatismus sich die Hand reichen, da kann auch die Stagnation
nicht ausbleiben Somit erklären sich also alle Krankheitserscheinungen
der Stilistik aus dem Ausgangspunkt, den sie genommen, und aus dem-
selben Grund war ihr auch von Anfang an die Möglichkeit, eine Wissen-
schaft zu werden, abgeschnitten (cf. Cicero de oratore I, 23 und 24 und
II, 8). Gleichwol dürfen wir nicht übersehen, dass auch audere Um-
stände dazu beitrugen, jene angebornen Krankheiten der Stillebre zu
chronischen Leiden zu machen Doch wollen wir hier nur einen
Punkt näher bezeichnen.
Es war nämlich gewiss ein eigentümliches Verhängni s, dass die
Stillehre nicht das Glück hatte, wie andere Wissenschaften z B. die
Aesthetik von der neueren Philosophie bearbeitet und weitergebi
zu werden Nachdem im Altertum noch eiu wirklicher Contakt z>
beiden Disciplineu bestand, hotte auch noch i tu Mittelalter die Rhetorik
teilweise mit der Scholastik Fühlung, ohne indessen w . entliehe Fort
schritte zu machen Als aber im 1
stand, was wir jetzt Stilistik oder
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ende
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rigen
nter-
iltend
m , in
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Niederlande etc. ; auf die Einleitungen zu den Geschieh tswerken des
Sallust; auf die Vorrede zur Geschichte der Franken von Gregor von
Tours, zu Otto's von Freising gesta Friderici u. 8. f.
Wie aber schon die Aufstellung des Themas eine Genesis hat und
das Resultat einer Entwicklung ist, so ist auch die ganze nun
folgende Ausfahrung des Thomas nichts anderes als eine Entwick-
lung. Durch die Aufstellung des Thomas hat sich der Stilist näm-
lich einen Zweck gesetzt, den er jetzt allmählich verwirklichen will
und der ihn beständig vorwärts treibt, bis das Thema vollständig
durchgeführt ist (— die bewegende Ursache in der Entwicklung!). In
steter Folge entwickelt er nun Gedanken für Gedanken , von denen
jeder nachfolgende auf dem vorhergehenden basirt und aus ihm gleich-
sam organisch herauswächst, und so eilt der Stilist dem Ende, der
vollständigen Verwirklichung des Themas , zu (semper ad eventum
festinat) und ruht nicht eher, als bis das Ziel erreicht, bis das Thema,
da es nun vollständig durchgeführt ist, aufhört, ihn zu weiterer
Gedankenentfaltung zu treiben. So wird dann seine Darstellung zu
einem ei nheitlich en, in sieb abgeschlossenen Ganzen, das
einen Anfang, einen Verlauf und ein Ende hat; sie wird zu einem
Ganzen, das in successiver, logisch sich aufbauender
Entfaltung einen Zweck allmählich realisirt. Eine solche
zweckmässige Bewegung aber nennen wir Entwicklung; denn Ent-
wicklung ist nichts anderes als die allmähliche, stetig fortschreitende
Verwirklichung eines gesetzten Zweckes. Also ist der Aufsatz
oder die stilistische Darstellung eine Entwicklung.
Dann sind aber auch die Gesetze der Entwicklung Stil -
gc setze. Dann ist die Stilistik einer systematischen Ausbildung
fähig; denn die Entwicklungs - und hiemit auch die Stilgesetze lassen
sich aus dem Begriff der Entwicklung mit apodiktischer Gewissheit
deduciren und hiemit träte die Stilistik in die Reihe der
wirklichen Wissenschaften ein.
Damit haben wir unsere principielle Anschauung über das Stilwerk
und die Stilgesetze ausgesprochen. Wir behaupten :
Das Stilwerk ist nichts anderes, als ein einheitlich
in sich abgeschlossenes logisch-rhetorisch Ȋsthetisches
Ganzes, hervorgebracht durch Auseinandersetzung des
Themas nach den Gesetzen der Entwicklung. Folglich sind
die stilistischen Compositionsgcsetzc nichts anderes, als die Gesetze der
Entwicklung übersetzt in die Sprache der Stilistik und lassen sich
aus jenem Princip systematisch deduciren.
Damit man indessen unsre Anschauung nicht mit der Rinne's
verwechsle — über Rinne soll ein andermal ausführlich gesprochen
werden — sei bemerkt, dass hier unter „Entwicklung" nicht das
327
Abstractum vom reflexiven Verb um „sich entwickeln" zu verstehen
sei, dass wir also nicht wie Rinne an eine „Selbstentfaltung4« oder „eigne
Dialektik des Gegenstandes" denken, sondern dieser Begriff ist uns
das Abstraktum des objektiven Verbums „etwas entwickeln" und
das Objekt zu diesem Verbum ist das Thema.
Unsere Grundanschauung ist nun zunächst Compositionsprincip,
d. h. das Princip, aus dem sich durch Deduktion die stilistischen
Compositionsgesetze ergeben. Es ist aber zugleich mehr als blos
Compositionsprincip. Denn würden wir hier die einzelnen Gesetze
aus jenem Grundsatz entwickeln, so würde sieb zeigen, dass sie auch
auf die rhetorisch -darstellende und die ästhetische Seite des Aufsatzes
den weitgehendsten Einfluss ausüben. Der Ausdruck wird sich z. B.
an den Fortgang, die Hebung und Senkung des Gedankenganges
anschliessen müssen, er wird steigen und sinken, wie es der Gedanken-
gang verlangt So wird es dann z. B. klar, warum gegen das Ende
eines Aufsatzes die folgernden Conjunktionen auftauchen und auftauchen
müssen, da ja nun die Resultate der ablaufenden oder abgelaufenen
Entwicklung gezogen werden. Ebenso werden wir erkennen, dass ein
Aufsatz um so schöner sein wird, je mehr er die Idee einer Entwicklung
verwirklicht; denn er hat alsdann alle Merkmale des Schönen, wie
Einheit in der Manichfaltigkeit, symmetrischen Bau, Harmonie der
Teile u s. w. — Und so ist " obiges Princip nicht blos Princip der
Compositionslehre, sondern der Stilistik überhaupt
Unser Princip ist zwar schon an sich klar, aber es stützt sich
zugleich auch auf die gewichtigsten Autoritäten.
Hören wir nur wie Aristoteles, dieser grösste Denker des
Altertums, in seiner Poetik über die Compositionsgesetze des Epos
und des Dramas spricht. Cap. 23 sagt er : „Bei der metrischen Nach-
bildung in erzählender Form aber ist klar, dass man die Fabel wie
in der Tragödie auf eine Handlung gründen müsse und zwar auf eine
einheitliche, ein Ganzes bildende und in sich abgeschlossene
Handlung, die Anfang, Mitte und Ende hat (xai neQ* piav
ixqa^iv oXqv xai leXcicty %xovaav "QX*lv *"* ^°ov *"* rrfAoc) damit sie
gleich einem einheitlichen und vollständigen Orga-
nismus (iV üansQ StSor iy oXov) die ihrem Wesen entsprechende
Lust bereite".
Zwar gilt dies zunächst nur vom Epos und dem Drama; allein
diese Anschauung lässt sich ja ohne Zwang auch auf alle übrigen
Stilgattungen, seien es nun poetische oder prosaische — dieser Unter-
schied kann für eine wirkliche Stillehre nicht existiren — geltend
machen. Wenn nun aber Aristoteles hier von einem einheitlichen, in
sich abgeschlossenen Ganzen spricht, das Anfang, Mitte und Ende hat,
wenn er dies ferner mit einem einheitlichen und vollständigen
Blätter f. d. bayar. ("Jynin.- u. Real - Schul w. IX. Jahrg. 23
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328_
Organismus vergleicht, so ist in diesen Worten eigentlich bereits unser
Princip ausgesprochen.
Noch evidenter wird dies, wenn wir eine Stelle aus dem 7. Cap.
desselben Werkes citiren. Daselbst heisst es:
„Ein Ganzes ist das, was Anfang, Mitte und Ende hat. Anfang ist
dasjenige, was selbst nicht mit Notwendigkeit auf ein Anderes folgt,
wogegen nach ihm naturgemäss ein Anderes ist oder wird; Ende ist im
Gegenteil das, was selbst naturgemäss nach einem Andern folgt , sei es
mit Notwendigkeit oder blos in der Regel, wogegen nichts Anderes
nach ihm folgt; ein Mittleres ist das, was selbst nach einem Andern
und nach welchem ein Anderes folgt. Demnach müssen B'abeln, um
gut componirt zu sein, nicht anfangen und aufhören, wo
sich's eben trifft, sondern den aufgestellten Normen
entsprech en".
So liegen also schon in Aristoteles die Keime zur Entwicklungs-
theorie und unverkennbar hat diese angeführte Stelle auch einen
gewissen Einfluss auf Rinne gehabt; nur ist bei Kinne aus dem „wone?
O'joi'" thatsäcblich das C<«o»' geworden , d. h. Rinne betrachtet den
Aufsatz als einen wirklichen Organismus, ein Schritt der für seine
Theorie verhängnissvoll werden musste. Doch wir gehen weiter.
Wir finden einen weiteren Nachweis für die Richtigkeit unserer
Aufstellung, wenn wir die Eigenart des stilistischen Dar-
stellungsmittels in Betracht ziehen. Dieses selbst zwingt den
Stilisten, seinen Aufsatz successive, als eine Entwicklung zu entfalten.
Stilistisches Darstellungsmittel ist nämlich die Sprache. Jede sprach-
liche Mitteilung ist aber ihrer Natur nach an ein zeitliches Nach-
einander gebunden; nur successive kann ich dem Leser durch Worte
das mitteilen, was ich ihm sagen will. Also muss der Aufsatz schon
wegen des Darstellungsmittels ein zeitliches Nacheinander, succes-
sive Darstellung sein. Dieses Nacheinander ist nun aber kein
zufälliges und planloses, sondern ich verfolge hiebei einen ganz
bestimmten Zweck, einen Zweck, der eben durch die successive Mit-
teilung realisirt werden soll; eine Bewegung aber, die in zusammen-
hängender Folge allmählich einen bestimmten Zweck realisirt, heisst
Entwicklung: also ist der Aufsatz auch von dieser Seite
betrachtet eine Entwicklung.
Sehr schätzenswerte Winke hat dem Stilisten in dieser Beziehung
Lessing in seinem Laokoon gegeben. In diesem berühmten Werk
folgert Lessing aus der Verschiedenheit der „Nachahmuugs-" d h. der
Darstellungsmittel der Malerei und Poesie und aus dem Umstand, dass
„artikulirte Töne das Darstellungsmittel der Poesie" seien: die Poesie
könne nur Gegenstände darstellen, „die aufeinander, und deren Teile
aufeinander folgen", sie könne daher nur Handlungen darstellen, und
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3»
„das Gebiet des Dichters" sei hiemit die ,, Zeitfolge, sowie der Raum
das des Malers". Zwar spricht Lessing der Sprache an sich die
Fähigkeit nicht ab, auch Gegenstände des Raumes durch Aufzählung
ihrer Merkmale darstellen zu können, erhebt aber dagegen vom Stand-
punkt der Poesie aus gewichtige Bedenken und verweist die Schilderungs-
sucht und Naturraalerei aus der Poesie. Hat er damit vielleicht auch
über die Beschreibung, so wie sie in der bisherigen Stilistik docirt
wird, den Stab gebrochen??
Beachtenswert ist hier auch eine Stelle aus Schillers Abhandlung
uher Matthissons Gedichte, in welcher es heisst, der Dichter könne den
Eindruck des Ganzen . . . „doch nicht anders als succesBive in der
Einbildungskraft des Lesers zusammensetzen"; er werde sich also,
„wenn er seinen Vorteil verstehe , immer an denjenigen Teil
seines Gegenstandes halten, der einer genetischen Entwicklung
fähig ist".
Damit haben wir denn schon zu einem weiteren Punkt ubergelenkt,
der gleichfalls ven grösster Wichtigkeit für unsere principielle An-
schauung ist, nämlich auf die Stellung des Lesers zum Stii-
werk. Da der Stilist für den Leser schreibt, so ist auch dieser einer
jener Faktoren, die auf die Gestaltung des Aufsatzes Einfluss haben
müssen. Welche Anforderungen stellt nun der Leser an
ein Stilwerk, das ihn befriedigen und seinen Beifall
finden soll?
Für den Leser ist das fertige Stilwerk ein auf einmal gegebenes
Ganzes. Allein er kann es ebenso wie ein Musikstück nur succes-
sive in sich aufnehmen Deshalb verlangt er unwillkührlich und
instinktmässig vom Stilisten, dass dieser ihm das, was er ihm sagen
will, in wolgeordueter und gegliederter Weise Schritt für Schritt
entwickle; dass er nicht das Spätere vor dem Früheren briuge,
sondern ihn allmählich mit dem Thema bekannt mache, dasselbe dann
Punkt für Punkt, Gedanke für Gedanke in gleichsam organischer
Entwicklung durchführe und endlich am Schluss in ihm den Eindruck
erzeuge, dass die Darstellung nun zu Ende sei und er nichts weiter
mehr über den Gegenstand zu sagen habe. Sobald sich eine Darstellung
nicht in dieser Weise , also nicht wie eine Entwicklung entfaltet,
entgeht dem Leser der innere Zusammenhang der aufeinanderfolgenden
Teile, er fühlt sich in seinen Erwartungen getäuscht und ist unbefriedigt.
Daher verlangt er instinktiv z. B. dass jede Darstellung einen gewissen
Anfang habe. Treffend sagt hierüber Rudolph (Handbuch für den
Unterricht in den deutschen Stilübungen): „Schon in dem Verkehr des
gewöhnlichen Lebens pflegen wir kein Gespräch, keine Mitteilung ohne
alles Weitere zu beginnen, sondern in einigen einleitenden Worten
vorauszuschicken, was uns zum Sprechen veranlasst. Nur von
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330
ungeschickten und plumpen Naturen ist man gewöhnt, dass sie mit der
Thüre in's Hau9 fallen". So hat auch jüngst erst'Dr. K. Göbel in
seinen „Themata, Inventionen und Dispositionen" betont: „Es verlangt
der menschliche Geist wegen des Gesetzes der Continuität, dass er
nicht plötzlich vor eine Frage hingestellt, sondern durch einen natür-
lichen Fortschritt seiner Gedanken zu ihr hingeleitet werde. Das Thema
muss also motivirt werden". Und wie man instinktiv verlangt, dass
jede Darstellung einen Anfang habe, so verlangt man auch, dass sie
einen gewissen Abschluss habe. Fehlt in einer Darstellung der AbschluBS,
so sagt man schon im gewöhnlichen Leben: „Die Geschichte geht aus
wie das Hornberger Schiessen'1. Bemerkenswert ist hiezu auch eine
Stelle in Cicero's de invent. I, 52, wo unter den Ratschlägen über das
Ende der Rede sich auch folgende Bemerkung findet: tum ab iis, qui
audiunty quaerere, quid sit, quod tibi velle debeatU demonstrari, Jwc
modo: Illud doeuimutt , illud planum feeimus Ita simul et in tne-
moriam redibit auditor et putabit nihil esse praetereaf quod
debeat desiderare.
Kehren wir jetzt wieder zu dem fertigen Stilwerk zurück
und vergleichen wir die Compositionsregeln , welche die bisherige
Stilistik ohne Plan zusammengestellt hat, und deren gemeinsame
Quelle bisher nicht zu finden war, mit den Entwicklungsgesetzen, so
werden wir unser Princip abermals bestätigt finden Es wird sich
nämlich zeigen, dass die bisher allgemein gangbaren Com-
positionsregeln nichts anderes als Entwicklungsgesetze
sind, oder sich auf solche zurückführen lassen, und dass mithin
unsere Grundanschauung das einheitliche Princip der Stil-
lehre sein muss So ist z. B. die bekannte Forderung, dass jeder
Aufsatz eine Einleitung, eine Durchführung und einen Schluss haben
soll, nichts anderes als das Entwicklungsgesetz: Jede Entwicklung
muss eiuen Anfang, einen Verlauf und ein Ende haben. Die bisherige
Stilregcl , der Aufsatz dürfe keine Lücken , keine Wiederholungen,
keine Abschweifungen u. s. w. haben, sondern soll stetig zum Ende
fortschreiten — ist nichts anderes als das Entwicklungsgesetz: Der
Verlauf jeder Entwicklung ist eine stetige Annäherung an das zu
erreichende Ziel. Wenn man ferner darauf hält, die Ausführung oder
Auseinandersetzung, d. i. den zweiten Hauptteil des gesammten Auf-
satzes, dreiteilig zu gestalten, so beruht dies wieder nur auf einem
Entwicklungsgesetz, welches lautet: Die Gesetze der Entwicklung gelten
ebenso für jeden Teil, wie für die ganze Entwicklung Ein weiteres
Entwicklungsgesetz lautet: Jede Entwicklung muss einheitlich sein;
das entsprechende Stilgesetz : Jeder Aufsatz muss einheitlich sein !
u. s. w. u. s. w.
331
So hätten wir denn bewiesen, dass jede stilistische Darstellung
als ein einheitliches, in sich abgeschlossenes Ganzes zu denken ist,
hervorgebracht durch Auseinandersetzung des Themas nach den Gesetzen
der Entwicklung, und dass mithin Stilgesetze und Entwicklungsgesetze
eins und dasselbe sind. Wir haben damit für die Stilistik eine
wissenschaftliche Basis gewonnen , die nur dann wieder aufgegeben
werden müsste, wenn es gelänge, unser Priucip und die Folgerungen,
die sich an dasselbe knüpfen, zu widerlegen. Dies dürfte indessen
nicht ganz leicht sein, umsomehr da unser Priucip durch Hinweis auf
die Praxis der besten Dichter und Schriftsteller aller Zeit belegt
werden kann. Sollte indessen gleichwol Jemand glauben, dasselbe
hinfällig machen zu können , so möge er mit seiner Ansicht nicht
zurückhalten. Denn der Zweck unserer Aphorismen ist vor allem der,
die Stilfrage, die nur allzulang schon geschlummert hat, in Fluss
zu bringen.
Kaiserslautern. M. Schiessl und W. Götz.
Berichtigung zur Aussprache von sp und st.
Bei der Leetüre „über die Aussprache des anlautenden sp und st
in den Schulen pag. 266 war ich einigermassen über die Interpretation
einer Stelle in meinem Aufsatze über „die schlechte Aussprache des
Deutschen etc." erstaunt. Man wird es mir wol nicht übel nehmen,
wenn ich in kurzen Worten die nicht richtige Auffassung des Herrn
Falch abwehre.
„Ist es für einen Süddeutschen lächerlich, Stock und Stein statt
Schtock und Schtein zu sprechen, so ist es verwerflich, eine Lächer-
lichkeit in die Schule einführen zu wollen. Darüber wird sich kein
Streit erheben. Herr Dr. D res er meint zwar, sp und st statt schp
und seht zu sprechen wäre das richtige, denn (siel) er schreibt: ,So
wird der Süddeutsche oft den Norddeutschen der Ziererei schuldigen,
der st, sp etc. am Anfange eines Wortes nicht wie seht, schp ausspricht'.
So ist es nicht. Kein Süddeutscher hält den Norddeutschen, der st
und sp für seht und schp spricht, für affektirt".
Dass ich dafürhalte, die Aussprache st und sp sei die richtige,
trifft durchaus nicht zu; es ist weder in Worten ausgedrückt, noch
zwischen den Zeilen zu lesen. Es wird kaum jemand im Stande sein,
in meinen Worten irgend welche Meinung vertreten zu finden;
ich habe ganz einfach eine von mir selbst erlebte Thatsache angeführt,
die sich an die Worte anschliesst: „Viele Leute sind geneigt, eine gute,
reine Aussprache geradezu für affektirt zu halten".
332
Freilich muss es dem Leser unbenommen bleiben, diese Tbatsache
zu glauben oder nicht; so lange er jedoch nicht das Gegenteil davon
beweisen kann, so ist es zum wenigsten sehr unpraktisch
gleich Herrn Falch zu erwiedern: „So ist es nicht. Kein Süddeutscher
hält den Norddeutschen, der st und sp für seht und schp spricht, für
affektiert . . .'*. — Ich erlaube mir ganz einfach die Frage aufzuwerfen,
ob alle Süddeutschen, natürlich nur die gebildeten, die von H. Falch
aufgestellte Ansicht haben. — Ganz gewiss nicht.
Dagegen wäre es für mich ein leichtes, den Namen manches Süd-
deutschen anzuführen, der die von mir gebrachte Aeusserung gethan,
das würde jedoch als eine etwas sonderbare , kindliche Art der Recht-
fertigung erscheinen
Wenn sich der Leser die Mühe nehmen will, die letzten 14 Zeilen
S. 60 noch einmal durchzulesen, so wird er ganz gewiss zu der Ueber-
zeugung gelangen, dass icb der Aussprache des st und sp, wie es
teilweise im Norden Deutschlands gesprochen wird, nicht das Wort
geredet habe. Wol habe ich die Frage aufgeworfen, welches das
richtigere sei, ebenso von der Schwierigkeit gesprochen, nach Heise's
Vorschrift st und sp mit einem leisen Anfluge von 6ch vor t und p
auszusprechen; auch habe ich es nicht versäumt, den geschicht-
lichen Standpunkt zu berühren: Die Anmassung aber, jene nord-
deutsche Aussprache des st und sp, als die allein richtige hinzustellen,
und für die Schule zu diktiren, habe ich mir nicht erlaubt.
Speyer. Dr. W. Dreser
Engllsh Schools.
In Folgendem gebe ich einige Notizen über englische Primär- und
Mittelschulen. Für die Richtigkeit der Mitteilungen bürgen mir
Dr. Stokoe, Head - Master of the Grammar - School , und Reverend
John Wood, pastor of the independent church, in Reading, welche
beide 1873 gelegentlich meines kurzen Aufenthaltes dortselbst so
freundlich waren, mir die nötigen Aufklärungen zu geben und mich in
den Schulen selbst teils zuzulassen, teils einzuführen.
A. Primary-Schools.
There are in England Primary • Schools. especidlly for the working
classes In better families, for the most pari, the primary education
is at home or in private schools.
Primary-Schools are either Voluntary- or Governemcnt-
Schools.
The Voluntary- Schools were built by private subscription and the
governement gives aid so much a head, called the Capitation Grant.
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333
The Governement - Schools are built by tazes on the town (every
toten fixes its own taxes), and supportet in the same way (by a
Capitation Grant and the Fees (Schulgeld) of the children). Voluntary-
Schools can give such a religious Instruction as the parties or persons,
to whom the schools belong, may choose to give, with the protection
for the children of a conscious clause. The Governement - Schools
generally permit the Bible to be read. The school-board (Behörde)
has absolute power over them.
Over the Voluntary - Schools the school-loard has no control.
The governement has over both classes of schools a secular
inspection.
B. Junior-Schools
Connected with the Grammar - Schools there are opened also Junior
Schools or preparatory classes, which serve as a stepping - stone bet-
ween home and the larger school. This school, while having its separate
class-rooms, boarding-house, and play-ground, is under the control
and supervision of the head-master of the grammar - school The same
elementary books and methods of instruction are used as in the larger
school. Boys are admitted from 7 years of age% and no boy will be
allowed to remain in the Junior School over twelve years of age
Boarderß are received.
C. Grammar- Schools, generally 6 Form*.
In the lower Forms the course of instruction is the same for all
boys , and is such as to ensure a sound elementary knowledge of
English, Latin, French, and ArithmeUc. With the third Form the
school is divided into,
Ist. The Classic al- Side, providing for those boys who are
to receive a „Classical Education« , and preparing directly for th»
Universities.
Und. The Modem- Side, preparing for the Army, Navy, Civil
Service, and similar examinations, and for mercantile life.
Both Sides work together in the ordinary Divinity, English,
Latin, French, Mathematical and Natural - Science Lessons: but while
the boys on the Classical - Side are engaged in Greek Lessotis and in
higher Latin Composition, these on the Modern - Side receive instruction
in German, and extra Lessons in English, French, Mathematics, and
Natural- Science.
The School Hours are: Monday, Tuesday, Thursday and
Friday 9 to 12, 3 to 5. 30. In the winter-months : 2. 30 to 4. 30.
Wednesday and Saturday 9 to 11, 11. 30 to 1.
For the preparation of lessons out of school from two lo three
hours ave required, according to age and position in the school.
The school-year is divided into three terms. The Vacationsare:
334
Spring: Three Weeks. Summer: Seven Weck 8, commencing the
last week in July. Christmas : Four weeks.
Freneh formt a part of the regulär school-work for all boys,
except those in the highest Classical Form and in the lowest Form
German forms a part of the regulär school-work for all boys
in the highest Classical Form (instead of French) and (in addition to
Freneh) for all boys on the Modem - Side of the school.
D. U-niver sities.
Ueber diese verweise ich auf Wilkins , London , Hadder and
Stoughton, »7 Paternoster Road.
München. Dr. Jos. Wallner.
A. Ziegler über seine „Planimetrie"*).
Von A. Kurz.
Als ich meine 2. Miscelle schrieb, dachte ich nicht mehr an einen
Brief, den ich später nebst den ausgeliehenen Büchern Ziegler's von
seinem Collegen, wieder zugestellt erhielt. Da dieser Brief nicht nur
auf jenes Büchlein, sondern auch auf dessen Unterrichtsgegenstand im
Allgemeinen Bezug hat, so zweifle ich nicht, dass er alle HH. Collegen
dieses Faches, vielleicht auch noch einige ausserhalb desselben interessiren
wird. Hat schon der Name des Autors in diesen Blättern und ausser-
halb derselben (siehe u A. die Zeitschrift für math. und naturw.
Unterricht 1875) einen guten Klang, so ist auch der Inhalt des Briefes
nicht für einen einzelnen Leser bloss angelegt, um so weniger wenn
dieser, wie ich, nun seit Jahren andere Lehrfächer zu dociren bat.
Ich lasse nun den Brief folgen, nur mit Weglassung je eines Satzes
am Anfange und am Schlüsse desselben, welche von rein persönlichem
Werte sind, und mit Anmerkungen meinerseits, da, wo der Brief seine
besonderen Adressaten im Auge hat.
Freising am 7. März 1870.
Vor Allem danke ich Ihnen herzlich für das freundschaftliche
Wolwollen, mit dem Sie mein Büchlein aufgenommen haben. Ich will
zunächst kurz auf die von Ihnen berührten (Zweifel)Punkte eingehen.
„Für Gymnasien", habe ich beigesetzt, um die obere Grenze, das
Ziel zu bezeichnen, welches ich ohne alle Nebenrücksichten vor Augen hatte ;
ich wünsche auch, dass andere Anstalten das Büchlein brauchbar linden.
Für Gymnasien halte auch ich Baltzer's Geometrie ') wenig geeignet
In Betreff der Parallelentheorie bin ich nach langem Schwanken und
*) Siehe „Aus der Schulmappe. Mise 2" in diesem Bande.
*) Von mir angeregt , der ich Baltzer's Arithmetik und Algebra als
vorzüglicher bezeichnet hatte.
335
vielen Versuchen zu der Ansicht gelangt, welche Grunnert in einem
besonderen Artikel kürzlich vertreten bat, dass fQr den Unterricht die
beste Theorie die Euklidische ist, etwa mit den Modifikationen Legendre's.
Zudem passt diese ganz zu meiner Einteilung und zn den Rücksichten,
welche ich schon in der Planimetrie auf das sphärische Dreieck nehme.
Was Sie von der Einfachheit des Kreises sagen, gebe ich zu, aber
Alles auf einmal kann man nicht lehren; das Lineal ist eben doch
noch einfacher als der Zirkel und höhere Rücksichten können auch
berechtigte verdrängen*).
Nicht Rücksicht auf Latein und Griechisch bestimmt mich, den
besten Schülern Ausgaben Euklid's zu leihen, ich sage ihnen aus-
drücklich, sie sollen nur die Sätze und Definitionen lesen, um die
Terminologie kennen zu lernen; ohne diese ist auch die heutige nicht
ganz verständlich. Zugleich sollen die Schüler wissen, dass auch die
Mathematik eine classische Vergangenheit hat und auch in dieser
Beziehung ebenbürtig ist. Die classischen Griechen haben mehr mathe-
matisirt als philologisirt Zudem ist Euklid im Grundrisse mehrfach
citirt und die besseren Schüler interessiren sich dafür.
Die Bemerkung über gleichschenklig verstehe ich nicht3). Ueber
Satz 14 wollen wir mündlich verhandeln, ebenso 62. Da ich im I. Buche
dem Lineal die Alleinherrschaft einräume, kann ich mit derCongruenz
noch nicht die Construction verbinden4).
An die zu 44 gegebene Construction habe ich nicht gedacht; sie
hat von der von mir gegebenen gar keinen Vorzug, kann aber als üebung
gelten. Dass die Ausdrücke comparatione , additione etc. besser weg-
geblieben wären, ist richtig.
Das Deltoid entsteht ja (prop. 46) durch Synthese und zwar dadurch,
dass zwei gleichschenklige Dreiecke mit gemeinsamer Basis gezeichnet
werden ; diese ist besser, als wenn zwei congruente Dreiecke aneinander-
gelegt werden; die Wichtigkeit des Parallelogramms kann ich dem
Deltoid nicht einräumen s).
leb habe zur Unterscheidung von Hauptsätzen und Uebungen das
gewiss richtige Princip aufgestellt: was nicht in dem Buche angewendet
wird, gehört zu den Uebungen. Die Vernachlässigung dieses Principes
ist ein grosser Fehler vieler Bücher, ausgesprochen finde ich es nirgends»
*) Ich bleibe bei meiner Ansicht, dass man (anf den Mittelschulen) den
Zirkel mit dem Lineal zugleich einführen dürfe und solle.
3) Ziegler schreibt nämlich „gleicbschenkliclr* ; desshalb eine kurze
Bemerkung meinerseits über „ig" und „lieh"
*) Ich sah leider Ziegler nur noch einmal auf ganz kurze Zeit und da
. er schon sehr leidend war
s) Wurde auch von mir nicht gewollt S. hierüber meine 2 Miscelle
S. 19 und 20 dieser .Blätter'.
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336
•
Nach diesem Princip kann ich den Satz vom Quadrat einer Seite im
schiefwinkligen Dreiecke nicht unter die Hauptsätze aufnehmen; ich
habe mich aber nicht einmal entschliessen können , ihn unter die
Uebungen aufzunehmen , weil ich die aufgenommenen für ausreichend
und für nützlicher halte; schon die schwerfällige Ausdrucksweise und
der Mißbrauch, den ungeschickte Lehrer mit dem Satze treiben, hat
mich abgehalten. Vergessen ist er durchaus nicht, er wird eben in
der Trigonometrie gelehrt, wohin er entschieden gehört; in der Geo-
metrie ist er nur zeitrauhend. Ich bitte Sie, die erwähnten „parvuli
loci"«) nicht zu vergessen und wo möglich noch weitere zu notiren ;
eB interessirt mich alle Ihre Bemerkungen mündlich oder schriftlich zu
erfahren Vor Allem bitte ich Sie, solchen Collegen, welche Geometrie
dociren, einen praktischen Versuch, wenn auch mir im Privatunterricht
anzurathen ; es wird sicherlich Keinen reuen. Nur der praktische
Erfolg kann die Vorzüge, welche ich für das Büchlein in Anspruch
nehme, zur Anerkennung bringen Als ersten betrachte ich die Methode.
Ueber Heuristik habe ich weder klare Begriffe gehört noch gelesen.
Dass der Schüler nicht Alles finden kann und der Lehrer nicht Alles
vorkauen soll, gibt Jeder zu; ein Princip für das Mass dessen, was
dem Schüler zugemutet werden soll, trifft man nirgends. Mein Büchlein
mutet dem Schüler zu, die Figuren zu entwerfen und die Gleichungen
zu finden ; seine Brauchbarkeit hängt von der Richtigkeit dieses Principea
atf Die Erfolge, welche ich seit der Benützung des Büchleins wahr-
genommen habe, haben alle meine Erwartungen übertroffen. Mehr als
die Hälfte der Schüler (in der I. Gymnasialciasse) findet alle Beweise
der Hauptsätze nach der gegebenen Einleitung selbst , die übrigen
können den Beweis nachsprechen, wenn er einmal vorgesprochen ist;
zu schreiben an die Tafel (die Figur ausgenommen) ist sehr selten
nötig. Alle Uebungen sind bereits von Einzelnen gelöst Es ist kaum
übertrieben , wenn ich sage : Die Schüler lernen jetzt nocbmal so viel
als früher. Ein zweiter Vorzug, den ich anerkannt wissen möchte, ist
die Einteilung, welche ich für weit besser hflte, als die in anderen
Büchern gebrauchten. Ein dritter Vorzug ist die Auswahl und Anordnung
der Aufgaben, welche nach ausgesprochenen Principien geschehen
ist; wo finden Sie das sonst? Ein vierter Vorzug ist, dass die Haupt-
sätze der neueren Geometrie in organischem Zusammenhang mit
den älteren gebracht sind und dass hiebei bestimmte Zielpunkte auf-
gestellt und auf dem kürzesten Wege zu erreichen gesucht wurden.
Die vielen Verbesserungen im Einzelnen will ich nicht berühren.
•) So hatte ich im Scherze meine kleinen Ausstellungen genannt.
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337
Ueber diese vier Punkte bitte ich Sie, Rieb ein Urteil zn bilden und
mir gelegentlich mitzuteilen; der vierte Punkt besonders betrifft ein
von Ihnen schon bearbeitetes Feld7).
Die Echtheit des platonischen Dialoges C harmides mit Beziehung
auf die „platonische Frage" und mit besonderer Rücksicht auf Schaar-
schmidt's Athetesc untersucht von Dr. Alois Spielmann, F.B. Studien-
leiter. Innsbruck, Wagner'scheUniv.-Buchbandlung. 1875. IV und 74 S. 8.
In diesem klar und übersichtlich geschriebenen Schrifteben wird
der Nachweis geliefert, „dass man den jCharmides' auch noch nach
Schaarschraidt's absprechendem Urteile gar wol als eine Plnton 's würdige
Production ansehen könne, ohne sich den Vorwurf gefallen lassen zu
müssen, man kenne platonische Kunst und Wissenschaft nicht" (S. 69).
Freilich mag es bei diesem Dialog für den Kenner als unnötig
erscheinen, Schaarschraidt's meist haltlose Kritik einer so eingehenden
Würdigung zu unterziehen und es dürfte daher nicht zu verwundern
sein, wenn seine Resultate bisher weniger Widerspruch gefunden haben
als zu erwarten stand (8. 2). Dass es nicht gerade schwer ist, seine
Gründe zurückzuweisen, bat der Verf. durch eine besonnene Analyse
des Dialoges mit Geschick und Verständniss gezeigt. Er hat seine
Arbeit in 4 Abschnitte gegliedert. Der erste orientirt uns über den
Stand der Frage und bespricht die auf den Charmides bezügliche
Literatur, die überdies in einem eigenen Anhange in chronologischer
Ordnung aufgezählt wird. Wenn in diesem Abschnitte gesagt wird (S. 3) :
„Der hierin vor allen gewicht*olle Aristoteles hat nicht einmal durch
eine entfernte Beziehung auf den Inhalt dieses Dialoges in seinen
Werken eine Kenntniss von der Existenz desselben angedeutet", so
hätte doch ein Wort davon erwähnt werden sollen, dass man in der
Schrift des Aristoteles de anima III, 2 (425 b 19) eine Beziehung auf
Charmides 168 d e gefunden zu haben glaubt (v. Bonitz: index Arist.
8. v. nXttttav). Der zweite Abschnitt handelt von der Gliederung und
dem Gedankengang des Dialoges, der 3. von dem philosophischen
Gehalt und der Tendenz des Dialoges und es wird als Zweck des
Charmides bezeichnet (S. 50): „an der specicllen, dem Volksbewusstsein
entnommenen Tugend der Sopbrosyne das Wissen als das eigenste
Wesen der allgemeinen Tugend hauptsächlich nach seiner formalen
Seite näher zu untersuchen" Der 4 Abschnitt bespricht Schaarschmidt 's
Gründe gegen die Echtheit des Charmides nach den drei Gesichts-
punkten: Sophisterei, Nachahmung und Prosopopöie. Sodann wird als
Schluss das Resultat zusammengefasst (S. 69 - 71). Man kann dieses
als völlig gelungen bezeichnen und es ist zu wünschen , dass der Verf.
die von ihm notwendig erachtete Spezialuntersuchung der angezweifelten
Dialoge in der begonnenen Weise selbst fortführen möge.
München. M eis er.
i
■ — l
') Ich erinnere mich nur eines Aufsatzes in Grunnert's Archiv im Jahre
1860 oder 1861 über das Apollonianische Problem. Mehr davon enthielt
mein Unterrichtshoft für das Realgymnasium (in Speier 1866 bis 68). Da
ich, wie im Eingänge bemerkt, seit 7 Jahren mich nicht mehr * mit Geometrie
beschäftige, so konnte ich auch jener Aufforderung Ziegler's nicht mehr
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338
Syntaxis ornata, Extemporiren, Construiren, Pr&pariren. Päda-
gogisch-didaktische Aphorismen etc. von Dr. Julius Rothfuchs- Marburg.
N. 0. Elwert'sche Verlagsbuchhandlung. 1875.
Die für eine Flugschrift in etwas auffallendem Format erschienenen
„Aphorismen" verdienen Beachtung ; denn sie enthalten manches Richtige
und Gate. Offenbar hat sie der erfahrene Verfasser in der wol-
meinendsten Absicht geschrieben. Doch möchte ihm einiges entgegenzu-
halten sein: \) In Sexta, wol auch noch in Quinta, dürfte es sich bei
üebungen zum Uebersetzen vom Deutschen ins Lateinische empfehlen,
einige ganz leichte Fälle abgerechnet, möglichst auf Ueberein-
stimmung des deutschen und lateinischen Textes zu
sehen; man muss Anfänger, deren Sprachgefühl erst erwacht, nicht
gleich mit Unregelmässigkeiten und Abweichungen der „Syntaxis
ornata" unsicher machen. — 2) Bei weitem die Mehrzahl der von
pag. 6 bis pag. 13 angeführten Germanismen kann durch gründliches
Studium der §§. 246 278 der lateinischen Grammatik von Englmann
radikal beseitigt werden. Das geschieht an unseren Anstalten seit
langer Zeit Auch lernen unsere Schüler das eine bei dieser, das
andere bei jener Gelegenheit, z. B. mit dem Worte nihil zugleich
dessen Deklination: Gen. nullius rct, Abi. nullare; so auch nihil aliud,
Abi. nulla alia re ~ durch sonst nichts, u. s. w. — 3) Es möchte hin-
reichend sein, bei Beginn der Lektüre eines Klassikers
den Schülern die trefflichen Anweisungen in Hinsicht auf „Construiren
und Präpariren" zu erteilen , welche der Verfasser pag. 35 ff. und
41 ff. entwickelt. Die studierende Jugend gewinnt dadurch so viel,
dass man ihr beide Funktionen getrost als häusliche Arbeit überlassen
kann. — 4) Das „Extemporiren" dagegen dürfte ohnehiu bei der
kursorischen Lektüre auch in der Schule zur Genüge geübt
werden. — 5) Schüler, die von unten auf einseitig bloss mit der Cop.
verb des Nepos und Cäsar betraut worden wären , müssten in einiger
Verlegenheit sein, wenn sie die Lektüre (ich sage nicht« einmal des
Ovid oder Horaz, sondern) des Livius und Cicero beginnen Es wäre
vielleicht doch ratsam, in den untern Klassen auch das eine oder
andere Wort aus letzteren Autoren einfliessen zu lassen , da ja gerade
in diesen Jahren das Gedächtniss der Schüler ziemlich rüstig ist und
es gewagt wäre, zu viel MemorierBtoff (Vokabellernen) auf die höheren
Klassen za übertragen. Ausserdem sei an die für Quinta so geeigneten
äsopischen Fabeln nach Phädrus erinnert 1
München. Ludwig Mayer.
H. ßreitinger, die französischen Klassiker, Charakteristiken und
Inhaltsangaben. Mit Anmerkungen zur freien Uebertragung aas dem
Deutschen in's Französische.
Dieses sechste und letzte Heft einer ersten Serie von Uebungs-
stücken stellt sich dem fünften ergänzend und erweiternd zur Seite.
Einer kurzen Charakteristik der bedeutendsten Dichter und Schrift-
steller des 17 und 18 Jahrhunderts (von Corneille bis Beaumarchais)
folgen längere oder kürzere Analysen ihrer Hauptwerke. Racine,
Moliere, Pascal und Voltaire werden eingehender behandelt.
Auch dieses Büchlein bietet den Schülern höherer Lehrkurse
passenden Stoff zum Uebersetzen , wie zum mündlichen Vortrag und
zu . freien schriftlichen Bearbeitungen. Der Verfasser ist offenbar
jR.v . W. - -.—^i^HiB Digitized by Google
339
bestrebt, den Inhalt der Dichtungen in möglichst kurzen, leicht
behandelbaren Sätzen zu geben, und das gelingt ihm auch meistens.
Nur hie und da wäre eine grössere Sorgfalt in der Stilisirung zu
wünschen (pag. 2t kommt das Zeilwort „machen" in fünf aufeinander-
folgenden Zeilen viermal vor). Ebensowenig ist die Verwendung von
Fremdwörtern zu billigen, wo uns vollwichtige Ausdrücke im Deutschen
zur Verfügung stehen.
In Bezug auf Brauchbarkeit bleibt dieses letzte Heft hinter seinen
Vorgängern nicht zurück.
Warzburg. Jent.
Literarische Notizen.
Kudrun. Schulausgabe mit einem Wörterbuche von Karl Bartsch
Leipzig: Fr. A. Brockbans. 1 875. Anlage und Ausführung sind wie
bei dem S. 214 des X. Bandes die ser Blätter angezeigten Nibelungen-
liede desselben Verfassers, und für die Schüler gleich empfehlenswert.
Deutsches Lesebuch für höhere Lehranstalten. Erster Teil. Für
die unteren und mittleren Klassen. Erste Stufe für die unteren Klassen
(263 S.) Zweite Stufe. Für die mittleren Klassen (376 S .). Heraus-
gegeben von H. Jos. Remacly. 3. vermehrte und verbesserte Auflage.
Leipzig, 1877. Verlag von Siegismund und Volkening Das Huch
gehört wegen seiner reichen und geschickten Auswahl und des stufen-
mässigen Fortschreitens zu den besseren Sammlungen auf diesem
Gebiete. Die gegenwärtige Auflage ist bedeutend erweitert (um 11 Bogen
für beide Abteilungen). Bei der Auswahl der neu aufgenommenen
Stücke wurde besonders auf solche Musterstucke Rücksicht genommen,
welche schon frühe nationale Bildung und deutsch - patriotische Gesinnung
begründen sollten. Konfessionelles ist glücklich ferne gehalten. Für
die Orthographie sind die Regeln des Berliner Gymnasial- und Real-
schullehrervereins zu Grunde gelegt.
Erzählungen aus der alten deutschen Welt für Jung und Alt von
K. W. Osterwald. Neunter Teil: Reineke Fuchs. Zehnter Teil:
Herzog Ernst. Heinrich von Kempten. Heinrich der Löwe. Halle.
Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses. Eignet sich besonders
zur Anschaffung für Lesebibliotbeken mittlerer Gymnasialklassen.
Bilder aus der Weltgesthichte. Für das deutsche Volk dargestellt
von H. Keck, 0. Kai Isen, A. Sach. Erster Teil: Bilder aus dem
Altertum. Von Dr. H. Keck. 210 S. in 8 Zweiter Teil: Bilder aus
dem Mittelalter. Von Dr. 0. Kai Isen. 192 S. Dritter Teil: Bilder
aus der neueren Zeit. Von Dr. A Sach. 278 S. Halle, Verlag der
Buchhandlung des Waisenhauses. 1875. Das Werk bietet eine passende
Ergänzung des Geschichtsunterrichtes und wird darum mit Nutzen von
den Schülern der einschlägigen Klassen gelesen werden. Der dritte
Teil, der sich vielleicht zu viel mit den kirchlichen Wirren, ihren
Ursachen und Folgen beschäftigt, scheint sich mehr für Protestanten
als Katholiken zu empfehlen.
Homers Odyssee. Erklärende Schulausgabe von Heinr. Düntzer.
I. HeftI Lieferung. Einleitung. Buch 1 — III. Zweite neu bearbeitete
Auflage. Paderborn, Ferdinand Schöningh. 1875 Ausserdem dass
bei der neuen Bearbeitung die einschlägige neuere Literatur benützt
wurde, ist im Kommentar die Kritik etwas eingeschränkt, der Text auf
Grund der feststehenden Ergebnisse der neueren Kritik umgestaltet
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340
worden. Die Erklärung, sowie der erste Abschnitt der Einleitung hat
eine durchgreifende Umarbeitung erfahren.
C. Julii Caesar is commentarii de hello civili , erklärt von Fr
Kraner. Mit 2 Karten von H. Kiepert. 6. Auflage von Friedr.
Hof mann. Berlin, Weidmann. 1875. Im Einzelnen verbessert.
Tüi Livi ab urbe condita libri. Erklärt von W. Weissenborn.
Erster Band. Zweites Heft: Buch II. G. verbesserte Auflage. Berlin,
Weidmann. 1875 291 S.
Protokoll der am 13 — 17 Oktober 1873 in Soest gehaltenen -acht-
zehnten Versammlung der Direktoren der westfälischen Gymnasien
und Realschulen. Paderborn, 187;"). Ferd. Schöningb. 187 S. in Fol.
Das Material ist so reich, dass nur auf das Wichtigste aufmerksam
. gemacht werden kann. J)azu gehören folgende Yerhandlungsgegenstände :
Das Verhältniss der Schule zu ihren Zugliugen ausserhalb der Schulzeit,
insbesondere die Beaufsichtigung ihres Verhallens sowol als ihrer
häuslichen Arbeiten für den Zweck der Schule. Die Realien in den
alten Klassikern, der Grad und die Art, ihrer Berücksichtigung bei der
Lektüre ; die Einführung der Schüler in das Verstandniss der bildenden
Künste Der Lehrgang und die Lehrmittel des griech. Unterrichts au/
den Gymnasien. Die Erziehung unserer Jugend zu nationaler Gesinnung.
Der französische Unterricht auf der Realschule nach Umfang, Methode
und Lehrmitteln. Der physikalische Unterricht in den Realschulen.
Dazu kommen noch historische und statistische Mitteilungen. Das
Ganze ist sehr interessant, wie denn schon die Einrichtung dieser
Direktorenkonferenzen eine sehr erspriessliche ist.
Die Naturkräfte. Eine naturwissenschaftliche Volksbibliothek.
VIII und IX. Band. Aus der Urzeit. Bilder aus der Schöpfungs-
geschichte von Dr. K. A. Zittel, Prof. in München. 2. verbesserte
und vermehrte Auflage mit 183 Holzschnitteu und 5 Kärtchen. München.
R Oldenbourg. * 1875. Pr. 6 M. Die rasch auf die erste Auflage
gefolgte zweite enthält zwar keine durchgreifenden Veränderungen, ist
aber doch nicht bloss sorgfältig durchgesehen, sondern auch durch Berück-
sichtigung der neuesten palaeontologischeu Entdeckungen, sowie durch
Umarbeitung einzelner Abschnitte, wie des über Eiszeit und den fossilen
Menschen, vermehrt und verbessert, ausserdem um mehrere Holzschnitte
bereichert. Im Uebrigen empfiehlt sich das Buch, wie die ganze Sammlung,
der es angehört (s. VII, p. 373. I. p. 141) für Lesebibliotheken.
Samuel Schilling's Grundriss der Naturgeschichte des Thier-,
Pflanzen -und Mineralreichs. Grössere Ausgabe in 3 Teilen. Das Pflan zen-
reich von F. W i m m e r. Anleitung zur Kenntniss desselben nach dem natür-
lichen System. 12 Auf! Neue Bearbeitung. Mit 815 in den Text gedruckten
Abbildungen. F. Hirt, Breslau. 1875 Das Werk hatte sich schnell einen
sehr ausgedehnten Leserkreis erobert. Wenn es bis heute diese Popularität
behauptet bat, so verdankt es dies hauptsächlich dem Umstände, dass der
Herausgeber bestrebt war, durch Heranziehung tüchtiger Fachmänner den
Fortschritten der Wissenschaft entsprechend die neuen Auflagen zu
gestalten. Von diesem Streben zeigt auch die vorliegende neue Auflage,
welche im Vergleich mit den früheren wesentliche Bereicherungen und
Verbesserungen sowol in dem speciellen Teil, als auch und namentlich
in den Abschnitten über Physiologie, Pflanzengescbicbte und Pflanzen-
geographie enthält. Wenn sich das Werkchen in der Lehre von den
Elementarteilen der Pflanzen auf Darstellung der allgemeinsten Begriffe
beschränkt, so können wir dies in Rücksicht auf den beabsichtigten
Zweck nicht tadeln; denn für den grundlegenden Unterricht ruuss
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r
341
jedenfalls ein Ueberblick über den Formenreichtam der Pflanzenwelt in
den Vordergrund treten. Diesem Zwecke wird durch möglichst populär
gehaltene Beschreibungen, unterstützt von gut ausgewählten deutlichen
Abbildungen in trefflicher Weise genügt. In Beziehung auf die gewählte
deutsche Nomenclatur möchten wir nocb den Wunsch aussprechen,
dass dieselbe bei einer neuen Auflage nach Grundsätzen wenigstens
annähernd umgearbeitet werden möchte, wie sie von H. Grassmann in
seinen „deutschen Pflanzennamen" aufgestellt worden sind. Gerade für
populär - wissensebaftliche Schriften wäre ein dem deutschen Sprachgeist
und den Grundsätzen wissenschaftlicher Nomenclatur gleich ent-
sprechendes Verfahren sehr zu wünschen. Denn, um schliesslich unter
vielen Beispielen nur eins anzuführen , wenn Lathyrus Platterbse,
Lathyrus tuberosus dagegen Erdmandel genannt wird, so widerspricht
dies ganz und gar einer logischen Nomenclatur.
Grundlehren der Geometrie nebst Flächen- und Körperberechnung. Für
die unteren Klassen höherer Lehranstalten von Bri 1 m aye r. Mainz. Franz
Kirchbeim. 1874. Laut Vorrede wurden hauptsächlich die Lehrbücher vou
Moznik, Boymann und Spitz benutzt. Statt der 1' , Seiten über die Winkel
von zwei Parallelen und einer Schneidenden möchte der Satz empfohlen
werden , dass von den hiebei entstehenden 8 Winkeln je zwei einander
gleich oder aber zur Summe 2 R ausmachen, gerade so wie es bei zwei
sich schneidenden Geraden der Fall ist. Ein Charakteristikum dieses
Buches von 123 Seiten, deren 11 letzte von dem Kubikinhalt ebenflächiger
und krummflächiger Körper handeln , und welches eine Vorschule der
Geometrie genannt werden könnte, ist dem Referenten nicht erfindlich.
H. C. Mar tu s, mathematische Aufgaben, II. Teil: Resultate.
Dritte, vermehrte und verbesserte Auflage, Leipzig 1875, C. A. Koch's
Verlagsbuchhandlung. Die Art, wie hier der Verfasser die Resultate
zu seiner vortrefflichen Aufgabensammlung angegeben hat, ist besonders
geeignet, Nutzen zu stiften; denn nicht die Richtigkeit und Güte der
Lösung allein sind es, worüber Aufschluss gegeben wird, sondern man
begegnet vielfach wertvollen Andeutungen, wie eine Aufgabe sich noch
aus anderen Gesichtspunkten betrachten lässt, wodurch ein tieferes Ver-
ständniss herbeigeführt wird. Auch haben die Konstruktionsaufgaben durch
Hinzuftgung der Determination sehr an Durchsichtigkeit gewonnen. Dazu
kommt, dass dieser 2. Teil nicht etwa ein Hilfsmittel ist, das selbständige
Finden zu beeinträchtigen, sondern vielmehr, dasselbe zu fördern; daher
sei er namentlich angehenden Lehrender Mathematik bestens empfohlen.
Schul -Physik von A. Trappe, Professor uud Prorektor, Realschule,
Breslau. S i e b en te Auflage. 250 Abbildungen im Texte. F. Hirt, Breslau.
3M. Die Zahl der Auflagen beweist, dass dieses Buch gefällt; wie auch
schon ein oberflächlicher Blick in dasselbe den Schulmann erkennen
läset an der Einleitung, an der Unterscheidung durch verschiedenen
Druck (mit Marginalien), an den deutlichen Figuren Hiezu vermisst
Referent aber ein Sachregister, welches dem Schüler das Lehrgebäude
der Physik kurz vor Augen hielte, und welches darum neben dem
dankenswerten alphabetischen Register in der nächsten Auflage Platz
finden sollte. Zufällig bemerkt ist als Beispiel der Schallinterferenz
die Stimmgabel erwähnt, worüber die richtige Erklärung vor Kurzem
auch in diesen Blättern gegeben wurde.
Chemische Erscheinungen. Ein Anhang zu Trappe's Schulphysik von
Dr. G. Stenzel Mit 8 Abbildungen im Texte. 35 Seiten Alphabetisches
Register. 50 Pf. Die Numerierung der Figuren 250 bis 258 im Anschlüsse an
das vorgenannte Buch. 250 stellt die Kochflaßche mit Wasserwaane vor
342
zum Auffangen des Gases, die folgenden Figuren die trockene Destil-
lation, Liebig's Kühler,' Destillierapparat, Leuchtgasfabrikation, Gas-
flamme, Sicherheitslampe, Hochofen.
Lehrbuch für den Rechen - Unterricht. Propädeutik der allgemeinen
Arithmetik zum Gebrauche an höheren Lehranstalten, herausgegeben von
Julius Henrici, Professor an der höheren Bürgerschule in Heidelberg.
Verlag von Georg Weiss in Heidelberg Anweisung für den Rechen-
unterricht in Stadtschulen, Präparanden - Anstalten und Schullehrer -
Seminarien, bearbeitet von A. S t u b b a. Vierte, nach dem neuen Münz-,
Mass- und Gewichtssystem umgearbeitete Auflage. I.Teil: die 4 Species
mit unbenannten und benannten ganzen Zahlen und Brüchen. Verlag von
Eduard Kummer in Leizig. (Der II. Teil ist im Erscheinen begriffen)
Dr. H Tb. Trau th: Englisches Lese - und Uebungsbuch. II. Teil.
Für die oberen Klassen der Real- und höheren Bürgerschulen, sowie
für das Einjährig- Freiwilligen- Examen Mit erklärenden Noten und
einem literar- historischen Anhange. Leipzig Verlag von Gustav Körer
1875 Für bezeichneten Zweck ein sehr brauchbares Buch.
Georg Traut: Englischer Wortschatz (Vocabularyj mit Bezeichnung
der Aussprache. Nebst drei Beilageu: 1 Tabelle zur Ableitung der
niederdeutschen englischen Wörter aus dem Hochdeutschen. 2 Vor-
bereitende Anleitung zum Englischsprechen. 3. Sammlung von Sprich-
wörtern. Neuwied und Leipzig, J. H. Heuser'sche Verlagsbuchhandlung.
1875 Zum fleissigen Vokabellernen sehr zu empfehlen.
Auszüge.
Zeitschrift für d. Gymnasialwesen. 7.
I. Ueber die Hemistichien in Vergib Aeneis. Von Wcndtlandt.
Richtet sich gegen die von Weidner u. a, verfochtene Meinung, wonach
diese Hemistichien von Dichtern absichtlich gebillet worden wären, ohne
dass ihre Vollendung für die spätere Ueberarbeitnng in Aussicht genommen
gewesen. — Zu Liv. VIII. 7 18 Von Dr. Münscher. In te sei Abi.
(=: decorts in te positi), deeeptum gehöre zu tne.
Fortsetzung der Jahresberichte des philologischen Vereins: Sophokles
(v. Jacob); Demosthenea (v. Nitache). >
Statistische s.
Ernannt: Prof. Unger in Hof zum Rektor daselbst ; Studl. Wo llne r
in Kaiserslautern zum Gymn.-Prof. daselbst; Studl. Hüdel in Eichstätt
(Math.) zum Gymn.-Prof. in Kaiserslautern; Math. -Ass. Schlosser in
Ingolstadt zum Studl. in Eichstätt; Studl Banmann in Augsburg (St Anna)
zum Gymn.-Prof. in Landau; Studl. Falk in Speier (Math.) zum Gymn. -
Prgf. in Landau; zum franz. Sprachlehrer in Regensburg der Lehrer der
neueren Sprachen in Landau, Georg Wolpert; Ass. Renn in Bamberg
(Konk 1874) zum Studl. in Lindau; Prof. E. Kurz am Ludw.-Gymn. in
München zum Rektor daselbst; Studl. Dr. Deuerling am Max -Gymn.
zum Prof. am Ludw -Gymn. in München; Aas. Pistner am Wilh.-Gymn.
in München (Konk. 1872) zum Studl. in Landsbnt; Stndl. Herding in
Erlangen zum Gymn.-Prof. in Bamberg.
Versetzt: der Lehrer der franz Sprache in Regensburg, L. Bondon,
nach Schweinfurt; Studl. Dr. Trutzer von Kaiserslautern (Math.) nach
Bamberg; Studl. Dr Nachreiner von Landau (Math ) nach Speier; Studl.
Dr. Zucker von Hof nach Erlangen; Studl. Die t seh von Nördlingen nach
Hof; Studl. Gerstenecker von Landshut nach München (Mai -Gymn).
Quiesciert: Prof. Günder in Bamberg.
Oedruckt Ul 3 Ootteswinter 4t Mös.l in
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I
Liber.
Wenn wir den Namen Liber, d.h. Bacchus zuerst betrachten, wird
sich die Bedeutung von Uber das Kind und liber frei klarer herausstellen.
Bacchus' ältester Beinamen war „Loebes", sabin. Loebasius.
Die Form „Loebasius" — Liber ist die sogenannte Gunaform
vom Thema „Hb". Griechische Beispiele macheu diese o- Hebung klar.
Zum Beispiel: ol/uos der Gang, von skr. i- = gehen, i-eyut. Qiuoc
der Gang ist verwandt zu ol-ros das Geschick. Ebenso wurde roUa
ich weiss aus skr. vid- ^wissen; o-i<t-ate schwelle aus skr. id-
oder ind- schwellen, oUpa SvXaaaqe = xvfm »aXdoons, (xv-w ^=
oidaw). Altind. heisst mih- polluere, mingere, mit o- gesteigert heisst
tnih- für den Griechen poix-evu (eig. mejo). Im Sanskrit heisst vig-
sich niederlassen, woher vegas das Haus, g riech, folxos-
So viel über „Loebu. Den Aeolieru hiess Liber nicht Aotßijyos,
sondern jieißrjyog, also ein augmentatio durch e, wie diess z.B. begegnet
in öeixvvfjii (vom skr. dig- = zeigen|; Act/w = skr. Ith-).
Die sabini8cbe Sprache teilt aber diese Stützung ihres • durch o
nicht bloss mit der griechischen Sprache im Altertum. Unter den
neueren Sprachen besitzt die französische eine Art Gunation. Hier wurde
Loire aus Liger, noir aus niger, boire aus bire, Oise aus lue (Isere)1)
Diese Diphthonge oi und ei nun wurden der lateinischen Sprache l
Wie also /=o?xo? — viem , polvos — Vitium*), wie Xottf — Ubatio*
so gab Loebesus Libes d. h. Liber. Oder f aus ei wie dico — <fe«r-,
libo — Xeißw.
Und snchen wir die gemeinschaftliche Wurzel zu loi und lei, so
begegnet diese in den Vedas, wo ri- (d. h. Ii) in's Flüssen bringen,
frei lassen bedeutet. Iii - ra [Ii - tta) heisst dort fliessend, woher Xt-^y
verw. zu skr. ti-ti f. der Strom. Die goth. Sprache bietet „Ii" im
Snbst. lei-thus ro. das geistige Getränk, woher uoch das Lei -t- haus
caupona, Lei-t-gam caupo.
Die Endung -asius im sabell. Loeb-asius ist die von am-asins,
Vesp-asiud (Vesp - asianus), ag-aso.
Was also die eigentliche Bedeutung des Wortes Liber betrifft, so
lässt sich Liber als der Geist denken, welcher allen vitalen Saft, allen
liquor Vitalis sowohl im Ganzen als auch im Einzelnen nicht bloss in
sich enthält, sondern auch mitteilt. Liber ist die personificirte Lebens-
strömung, aber zugleich auch der Ergiesser dieser Strömung in die
Schöpfung. In letzterer Beziehung darf Loebasius mit Ausgiesser,
Giesser d. h. Schöpfer wieder gegeben werden. Dieser Sinn liegt in
der Wurzel des Wortes, der in dem litauischen U-jikas m. der Giesser,
Blatter t d. bayer. Gymn.- u. Boa] - Scbulw. XI. Jahrg. £4
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344
fusor noch bewahrt ist (von le-ti giessen, dann aber auch giessend
bilden).
Dieses lit. Wort fahrt za einem indischen Analogon.
Im Sanskrit heis6t nämlich sarg- ganz dasselbe wie 2t-, ri- in
Liber, libatio, liberalis, Ubertas, liberatio. Dort bedeutet nun vi - sarga m.
die Befreiung, liberatio; zweitens das Spenden, libatio, liberalitas ;
für's Dritte liegt in visarga der Sinn „Erschaffung", und weil sarg'-,
**9" effundere bedeutet, kann visarga m. den Sinn „Guss" enthalten.
Nicht ohne Belang dürfte die Bemerkung sein, dass visargas auch penis
bedeutet, verw. zu d - aeXy - ijV ~ effnsus3), ausgelassen, geil. *Aa$Xyqs
Hesse sich durch das mit „Uber" allerdings verwandte frz. „lib"ertin geben.
Aber auch in der Mythologie und nicht als blosses Appellativum
begegnet dieses skr. sarg-.
Von da- stammt ja der Sargas, der wol mit Liber übersetzt werden
könnte. Von diesem Sargas erzählen die Bramanen, dass er die
primitive Schöpfung (also gleichsam der Urgussj durch Brahman sei;
von Visarga dagegen (das als Appellativum penis bedeutet), wissen
sie, dass er die secundäre Schöpfung durch Purusha, oder die Schöpfung
im Einzelnen sei.
Auch Purusha kann mit Liber zusammengestellt werden Purusha
bedeutet nämlich die (Alles erfüllende, ergänzende) Weltseele, wie
denn auch Liber für den belebenden Geist der ganzen Natur galt. Ist
purusha m. mit pur- verwandt, so heisst es auch wieder der Auf-
schütter, Aufgiesser, Schenker, Ergänzer; zu skr. pür-ajämi ich
überschütte, fülle auf. Pürajämi selbst aber verdumpfte sich erst aus par-,
pi-par -mi ich schütte auf, nähre, spende, Xeißa», <rneV<fo> Dieses par-
liegt dem Subst. par-ens zu Grunde, eig. Giesser, Schenker, Ergänzer;
parentare z= spenden, aufschütten (am Grabe) = „para$au, woher
althd. ,,/crA", Leben, Seele, aber auch goth. fairhvus die Welt.
Als Visarga, d. h. Schöpfer in einzelnen Schöpfungen ist der
Pürusha, der als Appellativum der Mann überhaupt heisst, der parens
per emin., so wie auch den Liber das Epitheton pater (-- parens) ziert.
Das griech aq<snv — pürusha, eig. der Giesser, der Befruchtungs-
fähige, stellt sich hieher, denn agoqv gehört zu skr. arsh-ämi ich
fliesse, ströme, so dass uoortv zuerst den pürusha, den Mann bezeichnet,
insofern er als Ergänzer, als parens gedacht wird. Vom Thema rsh-,
woher arsh-ämi, bat die ind. Sprache das Subst. rsha-bhas m.4) mit
der Bed. der Stier, also schon die Einzelergänzung des Pürusha
und zwar die animalische Fortpflanzung ausdrückend. Die nämliche
Bed. liegt in skr. uxan m. = rshabhas, der Stier, eig. Besprenger.
Synonym mit arsh- ist varsh - ämi =z vu>, irrigo, regne, th. vrsh-, wober
vrsh-as = uxan, vrsh-ni m. der Widder, eig. Giesser, verw. zum
lat. verres der Eber, eig. Beregner (f. vers-es, wie aus a^y,
^ verw. zu oqq - oe aus oqoos = mhd. ars).
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345
Aber visarga m. (—pürusha) hat nicht bloss die Bedeutung effusio,
Guss, os heisst auch „los lassend1', aus der Hand lassend, spendend,
„lib"eralis. So kann „Liber" auch Spender im weiteren Sinne, als
Quell des vegetativen Ueberflusses angesehen werden. In diesem
Sinne Hesse sich „Liber" am Ende mit „Liefer"er d. h. Spender
geben. Denn, wie Diez (etym. W. B I S. 262) auaführt, so hängt das
Wort Lieferer in der That mit liberare (= sarg) zusammen. Diez
sagt so: Das frz. livrer übergeben, liefern, zum mittellat. Uberare dona.
Daher la livree, span. librea, die Kleidung, die der Herr dem Bedienten
gibt, eig. „geliefertes. Nicht von librare wägen, zuwägen, sondern
in Uebereinstimmung mit den mittellat Formen von liberare frei
machen, los machen, daher aus der Hand geben, verw. zu dilivrer
liberare, erlösen ( — sarg).
Diez bringt noch ein interessantes Analogon bei, indem er sagt:
Dieselbe Begriffsentwicklung ist z. B. im span. soltar — lösen, los
lassen , ausgeben , wahrzunehmen. Ganz also wie das skr. visarga m.
oder visargana n. das Loslassen, die Befreiung, liberaiio. Ihr Verbum
sarg - aber, th. sr.g - , heisst ausgeben, schenken, verleihen, „Ub"are,
„liberalem esse (
Was also dem Inder sein visargas von sich aussagte, das konnte
der Römer dem Laute Liber ablauschen, er hörte ihn als liberalis, als
Segenspender überhaupt, ünd Grimm (Myth. 193) sagt daher:
Liber und Libra gehören zum Dienste der Demeter (der allgemeinen
Nährmutter, parens). So gehören, fährt Grimm weiter, der germ. Frö
und Fröwa im engen Band zu Nerthus. Frö's Gottheit mag zwischen
dem Begriff des höchsten Herrn und dem eines Liebe und Frucht-
barkeit wirkenden Wesens die Mitte halten. Er hat Wuotans
schöpferische Eigenschaft.
Dem kann nur beigefügt werden: „höchster Herr" liegt eben in
Liber auch. Er ist frei, wie sarg -a die Befreiung bedeutet. Liber
ist iXev&eQog im eig. Sinne dieses letzteren Wortes, wenn iXsv&egos
zu „iXei&ttv" — gehen, goth. ga-leith-an gezogen werden muss.
*EXev$e(Jos ist der, der da geht wohin er will, synon. zu skr. svaira —
liber, iXev&eqog (aus sva- = i im i-avrov . . ., demselben sva-, das
mit dem slv. «ro- im russ. svo-bdda die Freiheit zusammenhängt;
den zweiten Bestandteil von svaira frei bildet -ira — iXev&a>v, gehend ) V).
WiewoliXev&eQog auch die Zerlegung i-Xsr-9eQos gestattet, verw
zum osk. lov-freis =: liberi m, , die freien Kinder, eig. die Gelösten,
Erlösten; denn lov-, Xef- (s. Art. leo) stimmt zunächst zu skr. lava m
das Ablösen, Abtrennen, abgeleitet von lü-, lu-n-ämi = Xv-eiv (aus
dessen Xv~ Xsp- hervorgehen konnte). Das osk. „Zoe" enthält ganz,
und gar den Sinn von visarga (— Liber)] denn sarg-, th. srig- hat
24*
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34G
als erste Bedeutung At eiv, Uberare und wer sollte bei lov- und Ar -
nicht an Jv-aiog, Beiname des Liber denken?
Das Hereinziehen des indischen Wortes visarga leistete hier auch
den Dienst, duss sein verwandtes srishti f. den Uubergang zum zweiten
Teile bildet. Srishti f. hcisst nümlich der Guss, d. h. die Kinder,
Nachkommen (also iu passiver Bedeutung); analog zu J'poVoc derThau,
dann aber auch das Junge, der Guss; ähnlich wie fyoV) r= öooaog,
dann aber die jungen Limmer, eig. der Guss. Srishti f. das Kind,
eine Form wie goth. frastis f das Kind, eig. Guss (zu fräs- verw.
Fars — juvencus, zu par-t pri-, woher skr. pri-thuka das Kind).
Das Wort „Guss" setze ich absichtlich öfters; denn das althd. gös
oder choz, auch köz heisst erstens Guss, dann aber hat es die Bedeutung
von .srishti f) die Kinder, liberi.
Unser verdienter Germauist Dr. Karl Roth veröffentlichte im
J. 1854 ein Schriftchen „Kozroh's Mönches zu Freising", wo S. 42 der
Name Chozroh erklart wird. Chozroh, später Gozruoh bedeutet: „um
seinen Guss4« (d h. um seine Kinder und Nachkommen) „sich
bekümmernd"»).
So Dr. Roth und ich glaube noch auf ein paar schöne Eigennamen
hinweisen zu dürfen Daher Ascoz, eig Asenguss, üottc&kind. Cozuuin,
Gozwin, woher Gosswin - Kinderfreund, <y i'äoj exrog , jetzt Gösswein
(in Gössweinstein). Besonders aber muss bei Besprechung des Götter*
namens Liber des altnordischen mit „goe* ver wandten Göttersohnes
Gautr Erwähnung geschehen ~ skr. sek-tar parens (von sie - = arsh-).
Die Form anlangend, so verhalt sich Gautr zu göz wie goth baulan
schlagen zu mhd. bözen — bossen (z. B. Am-boss) Althochd. hiess
der Gautr natürlich Köz, goth. Gauts, ag« geat. Gautr war nach der
germanischen Mythologie der Sohn oder Ahne Odins, Odin aber selbst
enthielt den Begriff von Liber der Spender, der Segeuspender, parens.
Daher heisst von „Wuof'an in der baierischen Volkssprache „wue"teln
effuse crescere, üppig wachsen und gedeihen. S. Grimm Myth. 120.
Der lat. Liber ist der Sohn Jupiters, hei den Angelsachsen entspricht
ihm in etwas der mythische Vödelgeat d h. Wodanssohn = althd.
Wuotilgöz, d h. Liberi filius. Die Gautos, ein gothiacher Volksstamm,
beissen so nach dem Sohne des Odin, nach Gaut und zwar aus Gottes-
furcht, denn nach Odin selbst sich nennen hätte als frevelhafter Stolz
gegolten. Grimm Myth. S 328. Grimm Geschichte der deutschen
Sprache S. 538.
~* „Goz", eig. der Guss = der Sohn bildet ein überraschendes
Analogon zu v/o? = gautr, der Sohn; denn v-i6g gehört zu J7-w =
skr. varsh-ämi regnen (s. oben verres f. verses), u-a> = skr. su-,
woher su-täf. oder tü-nä f. eig. die Gegossene, die Tochter, sü-nusm.
the so-n, goth. su-nus der Sohn, eig e/fusus, göz, Guss. _
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347
Die Form vtog ging aus v-jo$, au -jaa hervor Sein Suffix - »o'c (aus ja« -)
verdient hier Beachtung, weil dieses nämliche Suffix dem lat füiu ,
( — vloq) angefügt ist; denn filiua hiess eigentlich fil-jua, wie vlnc
eig. v-joi-
Nun wieder zur Bedeutung ! Die germanische Sprache besitzt
merkwürdiger Weise das nämliche su- = w/oV, gös in ihrem su-inf
woher nord. avei-nn puer. juvenia9) Der Eigenname Svein-ki heisst
Knäblein, Swenke, för uns Baiern bemerkenswert, weil es im Ortsnamen
Schwandorf liegt; denn Scbwandorf hiess ursprünglich Swainkendorf,
verw zu Schwangau (aus svein-gowe).
Bemerkungen.
*
x) Vergleichen wir die baierische Aussprache mit dem franz. ot
■/.. B. in Laib ( von goth. hlaibs das Brod , eig. gebackenes). Dieses
hl-a-ib gehört zu clib-anua der Backofen
*) Zu vi-tia die Ranke, vi-eo ranken.
3) Vergl. ouQ7tiyt — o(tX7iiy$.
*) -bhaa -z q-0'c z. B. ddeX-tpoq — Ipt-yo?; skr. raaa-bhaa der
Esel (von raa-ati rudere).
*) %Q<*1 der Thau, zu tarsh-ami.
•) ariahii von arig , wie z. B datnahtra der Zahn von damc
da£- — dax-ym.
7) Dieses wa- = russ. avo- in watro liegt besonders in skr. sva-
jambhü Uber, eig. durch sich seiend, B.W. das Vischnu, = pers. khuda
Gott; s. Bopp Vergl. Gramm §. 35. So in den Völkernamen Sveonen,
Schwe-d-en, Suevi, Schwaben, alle mit der Bed. „liberi", Svo-bod.
•) Mittelhd. ruoch die Sorge, ruochen — curare. Unsere Schimpfe
der Ruech ist ein kümmerlicher Geizhals, der immer besorgt ist, was
er essen wird.
') Ueber -ein vergl. goth gum-ein männlich, qvin-ein weiblich*;
namentlich m-ein =: me-us, d-ein = tuua, sein = auua.
Freising. Zehetmayr.
Die nachteiligen Folgen der Verwechselung van Logik nnd Syntax
für die Lehre vom einfachen Satz.
Dass Logik und Grammatik zwei getrennt zu behandelnde Wissen-
schaften sind, indem die eine die Gesetze des richtigen Denkens, die
andere die Regeln des richtigen sprachlichen Ausdrucks zum Inhalt
hat, wird wol allgemein anerkannt, jedoch nicht überall folgerichtig
beachtet. DieBer Fehler ist ein leicht erklärbarer und verzeihlicher,
weil ja zwischen dem Stoff beider Disciplinen eine sehr nahe Verwandt-
schaft besteht und die Sprache lediglich als der sinnliche Ausdruck
für das Donken angesehen werden muss; bleibt aber immerhin ein
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348
Fehler und hat mitunter recht nachteilige Eolgen für die Grammatik
gehabt Dies soll hier in Bezug auf die bisherige Lehre vom ein-
fachen Satz nachgewiesen werden, und zwar am sogenannten gramma-
tischen Subjekt, am Prädikat und an der Copula.
Zunächst ist leicht darzuthun, welche unhaltbare Begriffsverwirrung
dadurch entstanden ist, dass man den logischen Terminus ,, Subjekt"
in die Syntax hereingezogen hat. Sobald nämlich die Grammatiker
mit der Formenlehre zu Ende sind und die Syntax zu behandeln
beginnen, da verwandeln sich alle plötzlich aus Grammatikern in Logiker.
Während sie blos auf die richtige Form des sprachlichen Ausdrucks
zu achten hätten , glauben sie von den Bestandteilen des logischen
Urteils, also vom richtigen Denken selbst, etwas sagen zu müssen und
bringen logische Kunstausdrücke vor, für deren Verständnis dem
Lernenden, der bisher eben nur die Formenlehre durchgemacht hat,
jeder Anhaltspunkt in dem bisher Gelernten mangelt, und welche daher
nur mit Hülfe ganz neuer Begriffe definirt werden können. Weil aber
diese Kunstausdrücke einem fremden Gebiet unnötiger und unerlaubter
Weise entnommen sind, so muss auch die Definition derselben eiue
unrichtige und widerspruchsvolle werden und kann nur dazu führen,
dass man den Fehler der begangenen Verwechselung von Grammatik
und Logik erkennt. Alle unsere Schulgrammatiken detiniren folgender-
massen: Subjekt heisst der Gegenstand, über den etwas ausgesagt wird.
Prüfen wir nun die Richtigkeit dieser Definition an einem Beispiel,
wozu hier der Satz dienen mag: Die Schlacht bei Leipzig im Jahre
1813 dauerte drei Tage. Was ist Subjekt in diesem Satze? Nach der
landläufigen Definition offenbar der Gegenstand , über welchen etwas
ausgesagt wird, also: „Die Schlacht bei Leipzig im Jahre 1813". Denn
von der Schlacht überhaupt wird hier nichts ausgesagt, sondern blos
von der ganz bestimmten Schlacht bei Leipzig im Jahre 1813. Dies
widerstreitet aber allen übrigen grammatischen Begriffen; denn alle
Grammatiker sind darüber einig, dass in diesem Satze grammatisch
lediglich das Wort „Schlacht" Subjekt ist, während die näheren
Bestimmungen „bei Leipzig" und „im Jahre 1813** als Umkleidungeh
des Subjekts anzusehen sind Demnach muss man entweder die ganze
Lehre vom einfachen erweiterten Satz umstossen oder jene verkehrte
Definition des Subjekts aufgeben.
Dagegen wird vielleicht Mancher den Einwand erheben, mit dem
ich selbst lange Zeit mein grammatisches Gewissen beschwichtigt
habe: Man müsse zwischen einem logischen und einem grammatischen
Subjekt unterscheiden! Logisches Subjekt des Satzes sei: „die Schlacht
bei Leipzig im Jahre 1813", grammatisches Subjekt aber nur das Wort
„Schlacht". Allein die Hinfälligkeit dieses Einwandes ist mir mit der
Zeit klar geworden. Denn wie soll das grammatische Subjekt definirt
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349
werden? Dass die bisherige Definition in den Schulgrammatiken nur
für das 1 ogi sc h e Subjekt passt, scheint aus dem Obigen klar ersichtlich .
Suchen wir daher nach einer Definition des grammatischen Subjekts I
Diese muss offenbar ungefähr so lauten : Grammatisches Subjekt heisst
dasjenige Nomen im Satze, von welchem der ganze Satz abhangt, das
Hauptnomen (nomen regens) im Satze. Wenn nun mit dem gramma-
tischen Subjfkt nichts weiter gemeint ist, als das Hauptnomen, das
nomen regens des Satzes, wozu braucht man denn dann überhaupt von
einem grammatischen Subjekt zu sprechen ? Genügt es nicht, wenn in
der Syntax einfach von einem Hauptnomen des Satzes die Rede ist?
Mithin gelangen wir zu dem Ergebniss, dass die bisherige Definition
des grammatischen Subjekts falsch ist und dass überhaupt der Terminus
Subjekt für die Grammatik entbehrlieh erscheint.
Aber gerade dasselbe Verbältniss findet beim Prädikat statt.
Prädikat, sagen unsere Grammatiker, ist dasjenige, was vom Subjekt
ausgesagt wird. Was wird also in unserem Mustersätze von der
Schlacht bei Leipzig im Jahre 1813 ausgesagt? Offenbar nicht blos,
dass sie dauerte, sondern dass sie 3 Tage dauerte. Und doch sind
unsere Grammatiker darüber einig, dass „dauerte" allein grammatisches
Prädikat ist und „3 Tage" als Zeitbestimmung, mithin als Umkleidung
des Prädikats betrachtet werden ' muss. Wollen wir daher nicht die
ganze Lehre vom erweiterten Satz umstossen , so müssen wir die bis-
herige Definition vom grammatischen Prädikat als falsch erklären und
zugeben, dass dieselbe nur für das Prädikat in der Logik passt.
Suchen wir aber nach einer richtigen Definition für das grammatische
Prädikat, so wird dieselbe ungefähr so lauten: Grammatisches Prädikat
ist das auf das Hauptnomen {nomen regens) sich beziehende verbum
finitum oder Hauptverb um. Ist dies richtig, so erscheint wiederum
der Ausdruck „Prädikat" für die Grammatik völlig entbehrlich. Es
genügt, von einem verbum finitum (Hauptverbum) zu reden, und man
kann den Terminus Prädikat getrost der Logik zum alleinigen
Besitz überlassen
Am allerunnötigsten endlich erscheint die Hereinziehung des
logischen Terminus „Copula" in die Grammatik. Ueber den Begriff
der Copula sind die Logiker nicht einmal noch einig und wollen
manche von ihr gar nichts wissen. Trotzdem hat man diesen unsicheren
logischen Terminus der Grammatik aufgezwungen und damit die Satz-
lehre verwirrt. Die logische Copula ist nach der mir am meisten
zusagenden Ansicht das tertium judicii , welches bestimmt, in welchem
Verbältniss der Subjektsbegriff zum Prädikatsbegriff steht. Was ist
denn nun die grammatische Copula? Man ucht in unseren Schul-
grammatiken vergeblich nach einer Definition für dieselbe, und in der
That ist sie nichts weiter als die Congruenz zwischen dem Hauptnomen
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350
— — — — v
(nomen regens) und Hauptverbum (verbum finitum). Wozu wollen wir
also in der Grammatik von einer Copula reden, wenn es genügt, von
der Uebereinstimmaug zwischen nomen regens and verbum finitum zu
sprechen? Damit fallen alle Verlegenheiten weg, in die man bei der
Annahme einer grammatischen Copula kommt. Wie sonderbar muss
es dem Schüler vorkommen, wenn er aus Englmann lernt, dass es eine
echte, richtige und wahrhaftige Copula gibt, nämlich das Verbum „sein"
und ausserdem noch gegen 20 — 30 Verba, die auch als Copula
dienen, aber doch keine sind; weun er 6ich denken soll, dass „nennen"
im Aktiv nicht als Copula dienen kann, im Passiv dagegeu recht wol;
wenn ihm zugemutet wird, zu glauben, dass das Verbum „sein" die
richtige Copula ist, dagegen das Verbum „werden" keine eigentliche
Copula, sondern nur eine Art Vicecopulal All der Wirrwarr wird
entbehrlich, wenn man die Copula aus der Grammatik, in welche
man sie unberechtigter Weise eingemengt bat, zurückversetzt in die
Logik, wohin sie gehört
Ich bin daher der festen Uezerzeugung, dass es in der Grammatik
vollständig genügt, von einem Hauptnomen {nomen regens) , einem
Hauptverbum (verbum finitum) und von der Uebereinstimmung zwischen
beiden zu reden, und dass man die geborgten Kunstaas-
drücke Subjekt, Prädikat und Copula sämmtlich der
Logik zum Alleinbesitz überlassen kann. Dadurch gewinnt
die Lehre vom einfachen Satz an Einfachheit und Klarheit, werden die
bisherigen falschen Definitionen vermieden und die prekäre Kegel von
der echten Copula und den Vicecopulcn beseitigt. Diese Kegel bekäme
dann ungefähr folgende Fassung: Die Verba sein, werden, bleiben,
genannt werden etc können congruirende Adjektiva oder Substantiva
als nähere Bestimmung zu sich nehmen.
Wunsiedel. Wirth.
Ein Beitrag zur Theorie
der Bestimmung von Approximationswerten der reellen Wurzeln höherer
numerischer Gleichungen. Von Dr. A. Miller, Rektor und Lehrer
der kgl. Kreisgewerbschule in München.
Wenn xx annähernd eine reelle Wurzel der f (x) ist, so erhält
man nach der Newton'schen Methode bekanntlich, wenn /* der Fehler,
aus der Relation
genäherten Werte
= o
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351
x — rc, ~ ~ 0(*er genauer
— x - h _ y*-
je nachdem man die Taylor'sche Reihe mit dem zweiten oder dritten
Gliede abschliesst, wobei
/"(*,) = Vx f(xt) — pt f"^,) = qt gesetzt ist.
Vorliegende Abhandlung hat nun den Zweck, obige bekannte
Näherungsformelu auf einem anderen Wege abzuleiten und einige
Resultate Qber die Fehlergrenzezu gewinnen.
I. Um eine gen&herte reelle Wurzel einer numerischen Gleichung,
q (z) — o zu erhalten, nehme ich vorerst an, y (x) habe folgende Form :
(p (x) = f (x) a x + b — o (A )
Ks besteht somit <jp (x) aus zwei Funktionen, der beliebigen f (x)
und der bestimmten a x -fr- b.
Da g>(x) = o, so muss
f{x) = - (a x + b) sein. Setzt man:
y = f (*) (B)
i? — — a x — b (C)
so handelt es sich darum,
jene x zu ermitteln, für
welche y ~ q wird, und
man wäre somit wieder bei
der Aufgabe, die Gleichung
(A) zu lösen, angelangt.
Eine reelle Wurzel der
Gleichung (A) lässt sich nun
in folgender Art geometrisch
auffassen. Bezieht man näm-
lich die Relationen (B) und
(C) auf ein rechtwinkliges
Coordinatensystem , so re-
präsentirt (B) eine Cur?e,
etwa A MB (Fig. 1) und (C)
eine Gerade, etwa die FG.
Setzt man in (B\ und
(C) für x nach und nach ver-
schiedene Werte und unter
diesen einen, der durch O C
dargestellt wird, so ist y = CE und r, — C D. Es stellt somit DE
die Differenz y — n dar, und da diese Null sein soll, so repräsentirt
352
jene Abscisse OP, für welche y = n wird, eine reelle Wurzel der
Gleichung (A). Die Abscisse OP des Schnittpunktes 31. der Curve A M
B und der Oeraden FG ist also jene Strecke, welche den verlangten
Wert von x graphisch gibt.
Wählt man nun OC so, dass es nahezu gleieh OP ist, dann wird
DJB im Allgemeinen sehr klein sein, daher!) und.E nahe anfliegen
und die in E an die Curve AMB gelegte Tangente T U wird die Gerade
FG in einem Punkte Q schneiden, der so nahe an M liegt, dass man
statt der Abscisse 0 P des Punktes M jene des Punktes Q, nämlich O N
nehmen darf; dicss um so mehr, als der Fehler OP—ON — NP
— MQ cos x also von dem Falle x — o abgesehen, N P <c M Q ist.
Die Abscisse ON, welche den Näherungswert darstellt, lässt sich aber
einfach berechnen; denn sind £ und n die laufenden Coordinaten der
Tangente TU und Geraden FG, so sind die Gleichungen dieser
Linien beziehungsweise :
n - A«0 = A«0 (f ~ ») und ,
n — - a £ — b
wenn man mit w — OC den durch Versuche gefundenen Näherungs-
wert von x bezeichnet und worin £ der dem w entsprechende verbesserte
Wurzelwert ist.
Aus diesen beiden Gleichungen resultirt:
— a | -r b — f[w) — f{w) (£ - w) und endlich
W . f(w) ~f{w) - b
6 ~ " f(*>) + a 1 9
Man könnte selbstverständlich
mit der Formel (D) die Verbesser-
ung des Näherungswertes fortsetzen,
wenn man £ an die Stelle von w
treten Hesse.
Es wurde schon bemerkt, dass
nur im Allgemeinen Q sehr nahe
an M liegen wird; denn in der
That sind Fälle denkbar, in
welchen Q so entfernt von M fällt,
dass (Fig. 2) NP — MQ cos x
>PC wird, also eine Annäherung
nicht stattfindet, wenigstens nicht
an den Wert von x, welchem 0 P
entspricht. Um mittelst der Formel
(D) dennoch einen genäherten
Wurzelwert zu erhalten, ist es
offenbar notwendig, DE noch
kleiner zu machen, d. i. efn w zu wählen, welches näher an x liegt, als
das durch 0 C dargestellte.
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353
Von dieser allgemeinen Auffassung wende ich mich zu einem
besonderen Falle, indem ich annehme^ es sei a = o; so ist FO \\ OX
und wenn zugleich 6 = 0, so fält FG mit OX zusammen und (D)
erhält die Form:
/*(«>) rw
oder da alsdann f(z) — (p(x) also f{to) =z tp (w) und f (w) — <p' (w)
welche Relation die Newton'sche Näherui^gsforrael ist. Somit
ist dieser Näherungswert, wie bekannt, die Abscisse des Schnittpunktes
der Taugente und derXAxe, wobei, wie aus der Annahme hervorgeht,
der Berührungspunkt der ersteren nahe au dem Schnittpunkte der X Axo
mit jener Curve ist, welche durch q> (x) analytisch dasgestellt wird.
Man weiss ferner, dass bei dieser Methode der (schon bei der
obigen allgemeinen Behandlung erwähnte) Fall eintreten kann, dass
eine Annäherung an den richtigen Wurzelwert nicht erzielt wird. Zur
Sicherung des Erfolges müssen daher den Grenzwerten , innerhalb
welcher die <p{x) durch 0 geht, noch gewisse Bedingungen auferlegt
werden. Gesetzt es wäre eine Funktion <p (x) durch die Curve A B
(Fig. 3) repräsentirt, so würde x zwischen xx — OMi und x, = OQ%
liegen. Durch die Newton'sche
jrr j Methode würde man, wie aus der
y Figur ersichtlich, für w = xt
— 0 Qi einen Wert von x er-
halten, der von OP sehr weit
// abweicht, weiter als 0 Qr Denkt
f man sich nämlich, der Berühr-
ungspunkt Q schreite von P bis
Q fort, so wird der Schnittpunkt
der Tangente und der XAxe
von P gegen 0 sich entfernen,
y in's Unendliche hinausrücken, um
! JtJ m V .i' 8*cn dann von der entgegen-
gesetzten Seite aus unendlicher
Ferne dem Punkte P.zu nähern.
Diese Betrachtung führt also
zu dem bekannten Resultate, dass
man die Grenzen 0 Mt und 0 Qv
so enge wählen muss , um den
Erfolg bei Anwendung der New-
ton'schen Methode sichern, dass zwischen diesen Grenzen der erste
Differenzialquotient <p' (x) sein Vorzeichen nicht ändert. Da ferner
eine Curve in der Nähe eines Wendepunktes auf verschiedenen
' , / D^tiigd by Google
354
Seiten der dem Wendepunkt entsprechenden Tangente liegt, so
müssen die Grenzen auch die Eigenschaft haben, dass zwischen ihnen
ein Wendepunkt der Curve nicht liegt, also tp" (x) ebenfalls zwischen
den Grenzen das Vorzeichen nicht ändert. Beide Grenzen geben im
Allgemeinen verschieden günstige Annaherungen und man hat nach
Fourier immer jene Grenze zu nehmen, für welche (f (x) und cp" (x)
gleiche Vorzeichen haben.
II. Vorige Betrachtung gibt auch noch den Schlüssel für eine
raschere Annäherung als die durch Ncwton's Methode erzielte Wenn
wir uns erinnern, dass die gesuchte reelle Wurzel die Abscisse 0 P (Fig. 1 )
des Punktes M ist, dass wir an die Stelle der Curve AMB eine
Gerade setzten, den Schnittpunkt Q statt M und dadurch ON statt OP
erhielten, wobei die Grösse des Fehlers NP vou der Strecke MQ
abhängt: ?o leuchtet ein, dass ein günstigeres Resultat erzielt werden
müsstc, wenn man an die Stelle der Tangente TU den Berührkreis in E
treum liease. Zum Beweise dessen machen wir die bequeme und zulässige
Voraussetzung, dass FG mit der XAxe zusammenfalle, alsoa ~b — o sei-
V — f V — <p (x), y — tp (x)
seien beziehungsweise die Funktionen, welche durch die Curve, den
Kreis und die Tangente (Fig. 4) repräsentirt werden; xx und xt seien
zwei Greuzwerte, zwischen welchen eine reelle Wurzel der f (x) Hegt,
und dieses Intervall so
klein, dass f (x) und
f* (x) innerhalb des-
selben ihr Vorzeichen
nicht ändern; ferner sei
noch xt — xt <C 1.
Legt man nun in
einemPunkte der Curve,
dessen Coordinaten xt
und y, — f (xt) sind, an
diese eine Tangente T U
und den Krümmungs-
kreis für denselben
Punkt, so stellen die
Abscissen der Schnitt-
punkte dieser beiden
Gebilde mit der XAxe
Näherungswerte der ver-
langten Wurzel dar,
während die Abscisse
des Schnittpunktes der Curve mit der XAxe den wahren Wurzelwert
geometrisch gibt Es soll also bewiesen werden, dass xx ~ O P immer
so gewählt werden kann, dass Q W <C Q V sei.
355
Es sei: PW — h\ PQ = Ä0; PV = ht;
so ist
f (*i + h) = 9> (*, + *) = V (*, + Ät) = o
und nach dem Taylor'schen Theorem:
f (*, + hj=f (x.) + Ä, f (*,) + *f f (*») +^ f " («,) 4~ • • •
? + = p <*t) + h g>*(xj + j£ -f- ? <jp'" (xj + . . .
*<*,+*,) = * (*t) + *i Y'W 4- ^ *"(*») 4- ^ V" + • • .
Setzen wir der Kürze halber:
■ », = /«,) s <j * = r (x.) = i - r w = 4,
so mnss
f = V = * M = V\
f (x,) — q>' (x,) — (x,) — pt
f (xt) — <p" (x,) = qt und endlich
*f>" (x{) = xp"1 (xj - ... — o sein
Ferner setzen wir: f (xj — f* und q>"' (x,) = v und erhalten
mit Ausschluss der 4ten und höheren Potenzen, sowie nach Beseitigung
der Nenner
o = 6y, •+- Op, ä0 + 3?, V + V • • • (A)
o = 6y, + 6p, Ä + 32l + * Ä3 (B)
o = 6y, 4- 6^ Ä, (C)
Subtrahirt man die Gleichung (A) und (B) von einander, so erhält
man die Gleichung
o = 6i>, (Ä0 - h) 4- 3?1 (V - **) 4- G« V - » ä1)
Setzt man <) TF = (f — h0 - A also /» = Ä0 - <f und führt diese
Werte in die obige Gleichung ein, so ergibt sich
o = 6jp, cf 4- 3?1 (2 *» - if) * + /. V - » (K ~ *)3
wodurch 7» eliminirt ist.
Ordnet man die rechte Seite nnch den Potenzen von cf, so erhält mau
o =z (f* - rj V 4- 3 (.21), 4- ?<2, *o + " V) * - 3 (4l 4- r *•)
4- r cf3
Da cf jedenfalls eine bebr kleine Zahl ist, so wird es erlaubt sein,
das Glied v cf3 selbst gegen (u - v) A03 zu vernachlässigen und man hat
2 Pl 4- 25l Ä0 4- v V .
g, 4- " 3 (ffl -h^Ä0) 0
woraus* = ^^l^^A+fV ±
I/O " M)' + Ü • -^XT-'V
r V 2 (3, + " ä») / T S 4- Äo
356
Von diesen zwei Werten ist hier nur der kleinere brauchbar und
daher nur das eine Vorzeichen beizubehalten. Um den Ausdruck
deutungsfähiger zu machen, entwickeln wir die Quadratwurzel in eine
Reihe und setzen desshalb:
?J>, + 2g, *o + " V X
2 (?, + y K)
_<Z 7» 3 =: T
3 i, + " ä0
so ist:
Die Grösse r kann, weil von dem Faktor 7»03 abhängig, beliebig
klein gemacht werden. Daher ist, wenn man das Glied mit dem Faktor
V gegen jenes mit dem Faktor V vernchlässiget:
1 v — fl
* = 3 ' 277-h2gi/to~Hrv "V V
Es wird sich später herausstellen, dass pt und v stets dasselbe
Vorzeichen haben; also haben auch 2j>, und v A0« dasselbe Vorzeichen
(es mag 7»0 ^ o sein), während das Vorzeichen von 2qt 7»0 mit
beim üebergung von xx auf x.t wechselt. Wir schreiben desshalb :
♦ d = 3 (2^, + J vrV^ir*. v : • • ' • • (Dt)
Dieser Ausdruck zeigt die Abhängigkeit der Strecke W Q = <f von
7t0 und lehrt, dass //„ und <f zugleich o werden.
Auf ähnliche Weine lässt sich der Zusammenhang zwischen der
Strecke Q V = s = 7*, — 7i0 und 7t0 ermitteln. Verbindet man nämlich
die Relation (B) und (C) durch Subtraktion, so ergibt sich:
o = 6 i?, (7i, - h0) — 3 g, V — fi V
oder o = 6 j>t « - 3 g, V — P V
wodurch 7», eliminirt ist; und endlich
+ .(■)
Man sieht, dass das Vorzeichen von e nur von dem des Quotienten
^ abhängig , also für denselben Fall , beim Uebergang von xx auf x„
Pi
sich nicht ändert.
Vergleicht man die Werte von <f und e, so ersieht man, dass <f < e
oder doch 7»0 immer so klein gewählt werden kann, dass der absolute
Zahlenwert (auf den es hier allein ankömmt) von d kleiner ist, als von e,
und es ist somit erwiesen, dass der Krümmungskreis einen genaueren
Wert liefert, als die Tangente für denselben Grenzwert.
Hat man eine reelle Wurzel einer Gleichung zwischen zwei Grenzen
eingeschlossen, so liefert bekanntlich nicht jede bei Anwendung der
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357
Newton'schen Methode eine gleich günstige Annäherung, sondern man
beachtet die oben angegebene Fourier'sche Regel. Welche von den zwei
ursprünglichen Grenzen xx und xg bei Anwendung des Osculationskreises
einen genaueren Näherungswert liefert, lässt sich aus (D,) nicht ersehen,
da man h0 nicht genau kennt, sondern nur weiss, dass/<0 <C xt — xt ist,
und überdiess tf noch von p, und sowie von u abhängt, und dass
diese Grössen ihren Zahlenwert beim Uebergang von einer Grenze zur
andern ändern
Der nächste Schritt ist die Ermittlung des Näherungswertes, also
die Berechnung der Abscisse des Schnittpunktes des Krümmungskreises
und der XAxe. Es sei wieder y = f (x) die gegebene Funktion und
o;, einer der Grenzwerte, so legen wir in jenem Punkte, der die f (x)
repräsentirenden Curve , dessen Coordinaten xx und yt sind , den
Krümmungskreis und bestimmen die fragliche Abscisse. Die bisherige
Bezeichnung beibehaltend sei:
& V\ j & y,
ferner o, ßt q bezüglich Abscisse und Ordinate des Krümmungsmittel-
punktes und der Krümmungsradius. Durch Elimination von «, ß und q
aus folgenden 4 Relationen erhält man dann bekanntlich die Gleichung
des Krümmungskreises:
ist ~ ßY ■+*(*- «? = Q'
(y, - W + («i - «)» = <?'
woraus, wenn man obige Werte einführt:
(y1 + (*' - *,') - 2 [y, + - j (y - y.)
- 2 [*, - (t+J».,)||] (x - xl) = o .... (F)
als Gleichung des Krümmungskreises resultirt.
Da wir unter f (x) hier die ganze gegebene Funktion verstehen
und die Gerade FG mit der XAxe zusammenfallen lassen, so haben
wir die Gleichung y=o mit Relation (F) zu verbinden und diess gibt:
x* - W + y.') +■ » [* + j y, - 2 [^-(l+iv)
(« — xx) — 0 ■
oder: + 2**, + y,* + 2 ?-±*! (y, -p, «rj + 2 (1 + P|«)
01
358
Setzt man 2 * Pl = a., so erhalt man die Form:
(x - *,)» + a, p, — äj) + y,8 + a, y, = o
Nun ist aber x — xt die an vorzunehmende Verbesserung. Es sei
diese £, also
bo erhalten wir:
f + «, P, f + (2/.' + «i Vi) = 0
* = - -g [a, P, T K(a, P,)1"- 4(ä'r+ Vi) Vi]
von welchen zwei Werten nur der kleinere Zahlenwert brauchbar ist
Hiernach wird:
* = «1 - 2 [«, p. =F Kt^Ti^^^r+yJy;] (<*)
Führt man nun für o, obigen Wert ein, so erhält man:
* ~ *' " 1
{(i + p,1) p, hf vTmPT?) HT+ä? "5? «. y.i - i*t
In dem Ausdrucke (G) bedeutet a: den gesuchten Näherungswert.
Da man bei der Anwendung desselben auf eine numerische Gleichung
ein Resultat erhalten wird, das nur auf eine gewisse Anzahl von
Dezimale richtig ist, so wird es in den weitaus meisten Fallen zulässig
sein, folgenden kürzeren Weg einzuschlagen Wir schreiben (G) in
der Form:
« = «, - ["•/' * Vi?!??- -"<•• + (G»>
und setzen
"h*1 = <* und (a, + yt) y, = n
sowie ein für alle Mal, die durch Anwendung der Tangente gefundeneu
corrigirten Näherungswerte, welche den Grenzen xt und xt entsprechen,
bezüglich x\ und x\-, die durch Anwendung der Krümmungskreis*
Methode gefundenen Werte, welche deuselben Grenzen entsprechen,
seien bezüglich x'\ und x'\\ so ist
x'\ — - [<r — K«5 - n\
und wenn man die Quadratwurzel in eine Reihe entwickelt:
*», =*,-[* - e - - rs Gr;)' ■ • • >1
q 1 r n v
Ä *« - 2^ " 2~a U~W
wo in der Regel die beiden ersten Glieder genügen werden. Führt
man für n und a obige Werte ein, so erhält man:
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359
± = -1- und JL - h*±j£
2 c a, p, 2 c a,
daher:
X" —x °« y> ± 8l 1 rqi Vi ± y* V
oder:
Da nun xi — ^ der Näherungswert x\ ist, den man für dieselbe
Grenze durch die Newton1 sehe Methode erhält, so kann man schreiben ;
x". = x\ - (H)
Die Formel (G„) stimmt offenbar vollständig mit der entsprechenden
Newton'schen Näh erungsformel und es ist somit ein Teil der
gestellten Aufgabe gelöst.
Wir wollen von nun an die Formel (A0inl) Newton'sche Methode I,
die Formel (Gt) oder (H) Newton'sche Methode II und die Formel (G)
Krümmungskreis - Methode nennen.
Nun wollen wir auch v = (p,u (x) bestimmen. Behufs dieses
schreiben wir die Gleichung (F) wie folgt:
+ - 2 (y, + L±^)y + 2(yi + i±^L) y,
- 2 U - (1 + ft«) ?«) x + 2 (*, - (i + *,= o
Es sei ferner zur Abkürzung:
2 («, - (1 + ft1) f p = »
und
+ *»f — » yt — * = *
Durch successive Diffcrenziation obiger resp. der Gleichung
y* — m y-f- — na; - fc = o
erhält man:
Blftttor f. <L b»y«r. Gyma.- u. B«al-6chulw. XI. Jahrg. 26
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360
und aus der letzteren Relation:
d* y d y
Da aber
so ist
(P y 6 d x1 ' d x
d x* — m — 2 y
dx>-"> d x* - d x,
r * v d x%3 1 + 1>,*
woraus ersichtlich ist, dass das Vorzeichen des v nur von dem des p,
abhängt, und da letzteres sich innerhalb der Grenzen xx und x^ nicht
ändert, so gilt dasselbe auch für v.
Wie schon erwähnt, werden die Grenzen immer so bestimmt, dass
der 1te und der 2te Differentialquotient sein Vorzeichen für Werte von
x innerhalb dieser Grenzen nicht ändert. Durch die Vorzeichen dieser
Quotienten ist nun der Verlauf der durch die f (x) repräsentirten
Curve in nächster Nähe der X Axe bestimmt ; und da in Rücksicht auf
die Vorzeichen bekanntlich die Fourier 4 Combinationen
[+ Pi + aJ; [- Pt - &]; [- Pi + 2.3; C+ P\ — ?il
möglich sind, so ergeben sich für diesen Verlauf 4 mögliche Lagen,
deren graphische Darstellung so leicht ist, dass weitere Auseinander-
setzungen überflüssig sind. So lässt sich auch leicht a priori ersehen,
ob die Newton'sche Methode einen zu grossen oder zu kleinen
Näherungswert in einem bestimmten Falle liefert, sowie, dass beide
Grenzen einen Fehler in demselben Sinne geben, was auch die Relation
(£) bestätigt.
III. Bei jeder Näherungsmethode wird grosser Wert darauf gelegt,
mit dem Näherungswerte auch dessen Fehlergrenze, welche wir in
Folgendem mit/ bezeichnen wollen, angeben zu können. Die Verbindung
der Newton'schen Methode mit der in II abgehandelten ermöglicht diess.
Wir haben bei Entwicklung der Werte c und <f vorausgesetzt, dass
die Schnittpunkte der Tangente und des Krümmungskreises mit der
XAxe auf verschiedenen Seiten des Schnittes der Curve und dieser
Axe liegen, und diese Werte « und d positiv genommen. So oft also
« und (f gleiche Vorzeichen haben, werden diese Schnittpunkte auf
verschiedenen Seiten des Curvenschnittpunktes liegen, während sie bei
ungleichen Vorzeichen auf derselben Seite liegen. Da nun das Vorzeichen
des e nur von dem des Quotienten ^ abhängt, dagegen das des t
im Allgemeinen mit dem des hc wechselt, so darf man nur dasjenige h,.
resp. denjenigen Grenzwert nehmen, für welchen & das Vorzeichen von
— bekömmt, um Näherungswerte au erhalten, die den genauen Wurzel-
■
361
wort einschliessen. Bestimmt man Dämlich einen Näherungswert durch
die Newton'sche Methode und einen durch jene des Krümmungskreises,
so wird der eine Näherungswert grösser, der andere kleiner als der
wahre Wurzelwert ausfallen. Mit Hilfe der schon erwähnten graphischen
Darstellung kann man leicht erkennen, welche Methode den grösseren,
welche den kleineren Wert gibt.
Die hier notwendige Voruntersuchung verursacht geringe Mühe,
indem es sich nur um die Vorzeichen der Werte von e und d handelt.
Das Vorzeichen von s ergibt sich sofort aus jenen der Grössen jp, und ql ;
was aber das des d betrifft, so kennt man bereits das von u, sowie
jenes von r, indem letzteres mit dem von jp, übereinstimmt, was früher
gezeigt wurde. Hat man das Vorzeichen von
* — P
(2 Pi + v Äo)« + 2 gt Äo
ermittelt, so erübrigt noch h0 so zu wählen, duss e und d gleiche Vor-
zeichen erhalten, wobei bemerkt werden muss, dass beim üebergang
von der einen Grenze zur anderen (2 pl v V) das Vorzeichen nicht
ändert. Sollte es sich behufs Ermittelung des Vorzeichens der Differenz
v — /i um den Zahlenwert von v handeln, so wird sich in den meisten
Fällen aus der Formel
v _o Pl gl'
y = o . - — ; s
1 + Pi
ohne wirkliche Berechnung ersehen lassen, ob v ^ fx ist.
Man kann auf Grund des Grössenverhältnisses von $ und d die
Grenzen noch enger ziehen. Wir haben gesehen, dass li^ immer so
gewählt werden kann, dass d < s wird. Das heissl doch nicht anders,
als der wahre Näherungswert liegt zwischen dem Näherungswerte, der
sich aus der Anwendung der Newton'schen Methode II ergibt, und aus
dem arithmetischen Mittel dieses Näherungswertes und desjenigen,
welcher die Newtcn'sche Methode I liefert. Es sei dieses Mittel xQ =
x' -f- x"
, so ist y = Xq — x" die nun engere Fehlergrenze.
Ausgewählte Tragödien des Euripides. Für den Schulgebrauch
erklärt von N.Weck lein. Erstes Bändchen: Medea, Leipzig, Druck
und Verlag von B. G. Teubner. 1874.
In der vorliegenden Ausgabe der Medea finden wir von dem Ver-
fasser nach denselben Grundsätzen und derselben Methode verfahren,
wie in dessen trefflicher Bearbeitung des Prometheus.
In dem ersten Teile der Einleitung ist in scharfsinniger und geschmack-
Toller Weise die Entstehung der Argonautensage aus der poetischen
26-
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302
Auffassung bedeutungsvoller Vorgänge und Schauspiele in der Natur
und ihre allmähliche Entwicklung und Ausbildung erklärt; daran
anknüpfeud entwickelt \Y. in gedrängter Kürze das reiche Material des
Medeamytbus und dessen Behandlung bei den Epikern, Lyrikern, in
der Prosa und bei Aeschylus und Sophokles bis auf Euripides.
In dem der Dramaturgie gewidmeten zweiten Abschnitte folgt die
Darlegung der mannigfaltigen Aenderungen, welche die überlieferte
Sage von Euripides erfahren , und es wird sodann das Drama selbst
in ebenso klarer als gehaltvoller Entwicklung an uns vorübergeführt.
Eine ganz besondere Zierde der Ausgabe begrüssen wir hier in der
schönen Beschreibung von antiken Werken der Malerei und der Bild-
hauerkunst in Bezug auf Medea, so in der Aumerkung S. 11 eine Dar-
stellung der Medea auf dem Kypseloskasteu und die S. 18 — 21 fol-
genden Mitteilungen; und um den Schüler recht vertraut mit diesen
das Verständniss belebenden Bemerkungen zu machen, weist der Ver-
fasser auch im Commentar auf die betreffenden Darstellungen in
der Einleitung zurück ; in gleicher Weise verfahrt er gegenüber
den ästhetischen und scenischen Bemerkungen der Einleitung, welche
er im Laufe des Commentars reichlich vermehrt oder ergänzt. Gerne
vermissen wir eine eingehendere Charakteristik der einzelnen auf-
tretenden Personen, wie wir eine solche in den Scbncidewiu'seheu
Ausgaben des Sophokles und teilweise auch bei Schöue linden; es wird
eben durch derartige Darstellungen dem Lehrer ein fruchtbares Mittel
vorweggenommen, der Selbsttätigkeit seiner Schüler einen angemesseneu
Stoff zu deutschen Aufsätzen vorzulegen.
Im dritten Abschnitte spricht sich W. für die Anuahme einer
doppelten Recension des Stückes aus. Die zweite Recension scheint
ihm unter dem Einflüsse der auf die erste Aufführung erfolgten neuen
Bearbeitung des Stückes duich Ncophron ausgeführt worden zu sein
Was die Sccneric anbelangt, po weist der Verfasser nach, dass die
Dekoration der Sccnenwand die Wohnung der Medea. also ein Privat-
haus, darstelle, die Urchestra daher nicht als Marktplatz, sondern als
ein gewöhnlicher freier Platz vor dem Hause der Medea anzusehen sei,
während der Königspalast und das Haus des neuvermählten Paares
weiter im Innern der Stadt liegend gedacht werden müsse. Die weitere
Ausführung und Begründung dieser Ansicht ist von dem Verfasser
niedergelegt im Philoh Bd. 34, S. 182 — 186.
Es folgt sodann die Hypotbesis mit erklärenden Bemerkungen.
Sehr ansprechend ist hier S 32, Z. 15 die Acndcrung von cjg JixaiaQ^og
iov iE EXXudo( jitov in atg J. eV y rov rijg 'JE. jitov.
Richten wir uuu unser Augenmerk auf die Gestaltung des Texte?,
so müssen wir anerkennen, dass derselbe durch vorliegende Arbeit sehr
gefördert worden ist, indem W. eine Reibe corrupter Stellen teils
in überzeugender Weise emendirt, teils zu weiteren Versuchen vielfach
Anregung gegeben hat. So liest man sonst v. 207 fteoxXvretä' nSuca ;/«-
öovcu; Kirchhof!' setzt aul Grund von zwei guten Handschriften <T fr' «cfix«,
wobei indessen der Sinn des tri rätselhaft, sowie durch Einfügung des
eiusilbigen Wortes das Metrum gestört ist. W. siebt mit Recht tr' für
den Rest eines Wortes an, dessen Glossem u&uca in deu Text geraten
sei, und schreibt im krit. Anh. d-soxkvTtid'1 iregu nuSovoa d.h. Medea ruft
die Themis an, da ihr Anderes, als geschworen worden, widerfahren. Aehn-
liche interessante Verbesserungen von Stellen, deren Text durch Glosseme
verdorben worden ist, lührt W. in seinen „Studien zu Euripides" S. 31 1-333
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3G3
auf. — Dagegen können wir ans v. 10ß f. öijXov <T «qxv? £$(tip6utvav
vitfos gegenüber nicht überzeugen , dass besondere Erklärungsversuche
oder Conjektureu, wie die von Hermann, Schöne, Weil u. a. herrührenden
eine zwingend*1 Notwendigkeit sind, und halten daher auch W.'s Aenderung,
so methodisch dieselbe auch entstanden sein mag, für unnötig. Wir meinen
eben, unter «»/^f iSttignuetw yf'ffog sei die aus dem Anfange erst
sich erhebende, also aufzusteigen beginnende |Wolke zu verstehen;
s. v. 60 UQZP t"?,"" xov&ditto <<iaoi — Ebenso scheint uns auch die an
sieb durchaus un tadelhafte Correktur des v. 234 xaxov yuQ rot r' uXytov
xttxuv in exetvov y«Q mV uXytov xuxov nicht zwingend notwendig und
die mangelhafte Ueberlieferung durch Brunck's Ergänzung des roiV
durch tV, welche Elmsley billigt, emendirt. Was den Ausdruck selbst
anbelangt , so verweisen wir für diese echt griechische Steigerung
besonders auf Oed. Tijr. 1365 ei de' ri irpFopvTfQ»v tri xuxov\ x«x6v>
tovr' tA«/' Oidinovc., — v. 240, wo die Handschriften or« utlhaxa /(J>j-
aertu ttvvtwiift haben , hat man an ot^j Anstoss genommen , und
Musgrare hat oüo , 11. rwerden und Kirebhoff unuc gesetzt; W.
äudert nur xQ'taE1(<l ■/«oioerat, was allerdings einen trefflichen
Sinn gibt. Natürlich bat mau hier an die Beschaffenheit , an den
Charakter der Person zu denken, allein es fragt sich doch, ob nicht
unter dem allgemeinen ort» der genannte besondere Begriff enthalten
gedacht werden kann, wofür Schöne stimmt, der auf Oed. Tyr. 414
hinweist. — v. 27© möchte W im kritischen Anhang ein Qoaopnog statt
evnpoooioTog geschrieben wissen. I)a aber fr tponourTos auch m pttditog
Tif jiQootf »IgercN sein kann (vgl. Atsch. Pers. so glauben wir, man
könne sich unbedenklich W.'s eigener Erklärung im Commentar un-
schliessen, so davs wir uns das Bild eines Schiffes zu denken haben,
welches dem nicht leicht zugänglichen Ausweg aus der Not zustrebt,
wie nach C. W. Nauck's Erklärung das Staatsschiff in Hör. Carm.
I, 14, 2 f. (fortiter oceupa portum). - v. 3;V.) f. hat Kirchhoff statt des
üblichen nfofeWcry die Lesart der besten Quelle npog £evirtv hergestellt;
diese Verbesserung hat W. vollendet durch Tilgung des iSevytjOtis,
welches natürlich beigesetzt worden war zur Ergänzung der bei Annahme
von 7ioa$fvi«v mangelhaften Construktion. Uebrigens hätte wol hier im
Commentar auf den Gebrauch des Masc. atori)Q aufmerksam gemacht
werden dürfen. — In v. 617 ist die Verbesserung des in evident,
welches nur im Hinblick auf das vorausgehende ovre — ovrt in
(u^' corrumpirt worden ist. v. C35 finden wir in Rücksicht auf
die Responsion ariynt gesetzt statt ore'pyoi, welches übrigens wegen
des Gedankens unantastbar wäre. — v. 703 liest W. aus dem hand-
schriftlichen yttp , vor welchem das interpolirte pe'y steht, i'cyav
uq1 heraus. — v 708, der verschiedene Erklärungen gefunden hat,
erfährt von W. im kritischen Anhang eine gründliche, freilich kühne
Umänderung, indem daselbst proponirt wird, Xoyto ulv <nt%t, xupra
tP toyoitrtt' dt'Xa zu lesen. — I'ass v. 781. in der überlieferten
Lesart ov% tSg Xmoiioa ein dem folgenden Gegensatze entsprechender
Conjunktiv vermisst wird, dies hat Burges veranlasst, \ina otfe,
natürlich mit Weglassung des folgenden offenbar aus 1060 f. inter-
polirton Verses, in welchem ohnehin die Wiederholung naifas
e'uovc höchst ansfössig ist, zu schreiben, und Nauck schliesst sich
an; W. schreibt nun sehr ansprechend Xtnovo1 «v, was so ziemlich
gleichbedeutend ist dem Xeixpovaa und worauf schon Elmsley in
seinem Commentar hiudeutet. — In hohem Grade beachtenswert
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erscheint der Versuch W.'s, in die schon früh in Unordnung gekom-
mene 1. Antistrophe des III. Stasimons durch Ausfüllung der auch
von Kirchhoff in v. 837 angedeuteten Lücke nach Ausmerzung un-
passender Einfügungen Klarheit zu bringen ; W. schreibt nämlich
835 ff.: rot? \xaXXirdov r' «tio Kt](p(aov godg xdv Kvngiv xXrjCoveiv
tttpvooafxivav x<ugav (xardgdsiv ij'cffc nvodg) xaranvevaai uergtceg
tivilxajv. — v. 847 lesen wir statt des nicht wol erklärlichen
rplktov nofjniuog ^taga im Hinblicke auf die reiche Vegetation
Attika's und mit Berufung auf Oed. C. 701 (oau -niuvet täu) qwrdiv
7t6finituog. ~ v. 854 ist das metrisch und grammatisch fehlerhafte
ndvreg von Nauck in narrt) <r' verbessert , wofür W. , um die
Wiederholung des ob aus v. 853 zu vermeiden, ndyrrj & setzt. —
Zu den vielen Versuchen an den Anfangaversen der 2. Antistrophe
856 — 59, deren allgemeiner Sinn leicht zu erraten ist, an
deren sprachlicher Erklärung bis in's Einzelne aber man fast
verzweifeln möchte, bringt W. folgende Umgestaltung: no&ev 9gdcog
ij tpgevog rj %etgi rtxvoig aiOtv xandiav 7?f7Trr<rfi deivdv 7igoa~
ttyovaa toXuav , wobei aus einem Wortreste 7/*, der noch in einer
Handschrift stehen soll und in ri überging , und Xfoei , das als
Glossem anzusehen wäre , nent-aei reconstruirt ist. Wir wollen
nicht leugnen, dass der gewonnene Text und die damit verbundene
Erklärung etwas Bestechendes bat, zweifeln aber der dreifachen
Aenderung des überlieferten Textes, sowie dem, wenn auch motivirten,
doch sehr harten Hyperbaton des v 857 gegenüber, dass die
Heilungs- und Interpretationsversuche abgeschlossen sind. — v. 910,
wo die ungewöhnliche , jedoch nicht ohne Analogien dastehende
Verbindung*7r«peu77o^dJKroc aXXoiovg nooet vom Scholiasten selbst hervor-
gehoben wird , zweifelt W. wegen der Stellung der Worte an der
Ursprünglichkeit der Ueberlieferung und glaubt mit Heimsoetb,
der (fevrcQovc, und Dindorf, der &ioua<nv statt dXXoiovg setzt, dass
naQffXTioXüiyrog statt nageunoXhivri erst nachdem aXXoiovc statt des
ursprünglichen Wortes eingesetzt worden , zur Tilgung des Hiatus
entstanden sei ; er schlägt desshalb notxiXovg vor , für welches aus
dem darübergeschriebenen dXXovg leicht dXXoiovg habe werden
können. Freilich dürfte es Bedenken erregen , ob eine durch
Parallelen geschützte Anomalie nur der etwas harten Stellung
von noVct wegen zu einer so gründlichen Aenderung, wie die
vorgenommene, zwingend sein dürfte; zudem will uns die Bedeutung
des -noixiXovg (wol „wechselnd"?) hier nicht ganz passend scheinen. —
v. 912 finden wir sonst diXd tw XQ°vi? statt des überlieferten
dXXd vvv /poVip, wesshalb W. dXXd avv /poVoj vorziehen möchte (Krit. ,
Anh ). — Wenn ferner W. die Verse 925 — 32 nach Vorgaug eines
englischen Gelehrten und Hirzel's nicht in der überlieferten Aufeinander-
folge wiedergibt, sondern sie folgendermassen ordnet: 925. 29. 30. 31.
26. 27. 28. 32., so müssen wir ihm durchaus beipflichten; er stimmt
dabei über v 93t mit ersterem nicht überein, der ihn nach 928, auch
nicht mit Hirzel, der ihn (was wir im krit. Anhang vermissen) nach
925 setzt, sondern lässt ihn an seinem Platze und rechtfertigt dies voll-
kommen im Commentar. — v. 929 lautet meistens so: &dga?i vvv. ev
ydg rcord1' fyti dijVw :iegt. Nach der überlieferten Folge der Verso haben
aber 92f> und 2fi (bei W. 925, 29) als denselben Scfalusa v£gt\ dieser
Umstand, ein ro häutiges Erkennungszeichen für fehlerhafte Abschrift, so-
wie die in der besten Handschrift stehende Correktur des &t,o(o in &>joofiat
in v. 929, wodurch das unmittelbar folgende nigi fallen muss, bestimmen
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365
W. , die ursprüngliche Lesart in der Weise herzustellen, dass er in
den Vers Tap<pt einsetzt, das natürlich dem aus Versehen aufge-
nommenen ntQi habe zum Opfer fallen müssen; wir lesen also ev
yag (t1 a'uyi) juivde d-qoofjtti. — v 1077 bieten die guten Hand-
schriften oi'a te *Qog, die schlechteren ig *juäf, was verschiedene
Conjektaren veranlasst hat; W. sucht den sowol an einem metrischen
als auch an einem sprachlichen Fehler leidenden Vers, da ngoo-
ßXeneiv mit npoV oder ig nicht nachzuweisen ist, dadurch zu heilen,
dass er ol'a re uatdag schreibt, wobei er ngdg vuäg jfür ein Glossem
hält. — In v. 1110 bezieht W. die Worte daipwv ovrog tpQovdog ig
"Jidyv entgegen den bisherigen Auslegungen auf die unmittelbar
vorher angeführten glücklichen Verhältnisse, so dass alsdann zu
interpnngiren ist ei de xvpi?<rai, daifitav Es ist sodann
einleuchtend, dass der folgende Vers als Interpolation anzunehmen
ist von demjenigen, der daiuiov in Beziehung zu to navtiüv Xa(a&tov
xaxov (v. 1105 f.) als den Dämon des Todes fasste. — Die sonderbare
Tmesis in v. 1174, sowie die unpassende Bedeutung des blossen
Wegwendens der Augen, da doch in der Pein der Schmerzen von
einem Verdrehen derselben die Rede sein sollte , bestimmen W.,
da ohnehin and und vno sich häufig verwechselt finden, dtuf*etr(ov
vno im krit. Anhang vorzuschlagen. — v 1181, die zu mancherlei
Verbesserungs - und Erklärungsversuchen geführt haben, sind nach
W. in rjdrj d* aveXxüiv xuiXov ixnX&Qov dgdfiov Ta%vg ßndiarng
rsQfiovtov av Ijnifm emendirt , wobei richtig bemerkt wird , dass
ßadiaxi'ig nur den Fussgänger bezeichnet; äveXxtov , welches, um
die Partikel av zu gewinnen, durch Schäfer in S» iXxtov verändert
wurde, ist wieder hergestellt, da ja tXxtav xtSXov nicht dem rüstigen
Wanderer, sondern dem Lahmen zukommt, dagegen ist av&tjnteTo mit
Recht in av tjniero verwandelt, da jenes hier unpassend stünde (es
bezeichnet nicht einfach „erreichen", sondern „Hand anlegen, an-
greifen" , besonders in schmerzender , unangenehmer Weise , wie
v.55 und 1360). — Die in v. 1255 und 1265 gestörte Responsion
wird gewöhnlich durch Aenderungen in beiden Versen zu heilen
versacht, während doch v. 1265 nicht die geringste Bedenklichkeit
erregen kann. W. sucht die Störung in oW, das er als Glosse zu
dem wieder eingesetzten anigua streicht; natürlich wird im re-
spondiranden v. 265 das dem versetzten and zu Liebe in mqiva
oder qtQEii veränderte cpQevdiv wieder hergestellt In ähnlicher
Weise sucht W. die Responsion in 1256 und 1266 zu verbessern,
indem er v. 1256 auf ganz methodische Weise öeov (f ai'part
nirveiv in »eov d" aipa nidoi nirveiv verwandelt, weil zu alua
nlxvei in der Bedeutung „das Blut wird vergossen" nidoi oder ini
yijy treten müsse, aiuan aber durch ein leicht erklärliches Versehen
des Schreibers aus alpu n entstanden sei. v. 1266 schreibt er dann
%6Xog ngoanirvet xai (/^o«) dvaperyg tpdvog aueißexai, da der Sinn
zu a\uelßerai einen Are verlange — eine Conjektur, die freilich
besonders rücksichtlich ihrer sprachlichen Voraussetzung einer weiteren
Erörterung bedürfen möchte. — Recht gnt erscheint die Emendation
in v. 1295, wo für das handschriftliche xoigdi y' W. das von dem
Sinne verlangte roigd* h' schreibt. So dünkt uns auch in v. 1296
zur Verbesserung der nicht wol zulässigen Wiederholung des vi*
durch a<pe der Vorschlag im krit. Anhang, nqiv statt viv zu lesen,
schon wegen der Einfachheit der Aenderung gerechtfertigt — v. 1333
haben fast alle Handschriften tqv adv aXaazoQ, andere mit Correktur
^
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des metrischen Fehlers roV oov «T* a; W. hat mit Recht den Vorschlag
Weil's rtSy amv <r' angenommen, jedoch mit Weglassung des <r\
so dase der Gedanke folgender ist: „den Rachegeist der Deinen" (der
für die Deinen Rache nahm u. s. w.). — Sowie aber W. an nicht wenigen
Stellen eigene Conjekturen teils in den Text gesetzt, teils im krit. Anh.
bekannt gegeben hat, so finden wir auch fremde Vermutungen und
Emendationen mit Umsicht von ihm gewürdigt und aufgenommen, v. 123
steht £;ii fxr, jbteyaXoig statt des nicht sinngemässen ei fjij /neyaXios.
Wenn jedoch W. v. 140 nach Musgrave roV ut>- t/ti 'iixxoa xvQavvtov
statt ö fAv schreibt, so scheint uns dies für den Gedanken durchaus
nicht notwendig, der im Gegenteil durch die äussere Gegenüberstellung
von o ut'y — i\ 6i gewinnt, abgesehen von der Analogie in v. 594 Xexxgct
ßaotXe toy ä vvv — In den vielbesprochenen v 151 ff. finden wir v. 151
nach Elmsley anXaxovt alsdann nach Weil die Frage mit v. 152 geschlossen,
darauf v. 153 anevaei . . . xeXevxa. — v. 291 ist statt /nt'ya oxivtiv die
sehr passende Emendatton Nauck's tuexaaxdyeiy aufgenommen. — v. 373
ist iyijxey, das in der Bedeutung „anheimstellen, erlauben", öfter in
€t(prixBv corrumpirt vorkommt, nach Nauck's Vorgang hergestellt, so
auch v. 385 mit Elmsley ootfni, da Medea nur von sich redet — In v. 526
vermisst Nauck zu xilQiV das näher bestimmende gijV und schreibt desshalb
inti a>jy statt in ftrfq', was wir billigen möchten. — v. 600 ist W. Elmsley
Sefolgt, der für o?<x£' tog fxexev^et xai aotpwxiqa tpaye£\ mit Herstellung
es so häufig vorkommenden Atticismus oloP tog ftitiv£tu [xai aoqxoxcQa
(puvei) ; schreibt. W* setzt nach iAitev$~ai das Fragezeichen, nach tpayei
ein Kolon. v. 695 hat sich W. mit Recht durch Aufnahme von /uij
nov statt des hier ungeeigneten traditionellen l nov an Weil ange-
schlossen ; jedenfalls ist diese Aenderung sehr naheliegend and der
Elmsley 'sehen in q yuQ vorzuziehen. — v. TM ist, wie schon Reiske
vorgeschlagen, statt xai Beöiy ivuuoxog geschrieben *ov . . i ; die übrigen
Correkturen der Stelle sind zurückgewiesen, so ayaifioxog, welches für
nichts weiter als für eine Correktnr in einer Handschrift anzusehen sei ;
xai ist nach W. aus der so häufigen Vernachlässigung der Krasis
entstanden, ov aber ist dadurch geschützt, dass der Gedanke als
nachdrückliche Verneinung dem Xoyoig ovfißdg gegenübersteht statt
xai ovx oQxotg avfjßug. — v. 752 hat W. statt der metrisch fehlerhaften
Ueberlieferung nach Musgrave die in mehreren Handschriften zu 746
beigeschriebene Variante 'HXiov & dyyoy aißug angenommen; wir möchten
hier die Emendation des Verses durch ßadham (Vorrede zu Fiat Kuth.
und Lach. p. 13) erwähnen, auf welche neuerdhgs Prinz im Philologus
wieder aufmerksam gemacht hat, nämlich o/uvvfu Faiag tunttioy 'HXiov
xe qptw«-. — v. 82(5, wo die Handschrilten tpdyov% rpoynv und <jpoVcü bieten,
ist mit Kircbboff und Nauck qpoVw gesetzt und mit xiyfru verbunden —
v. 899 ist fast von allen Herausgebern, auch von Elmsley, Schöne und
Nauck oi/40» xaxüv verbuuden; W. zieht xaxwy mit Kirchhoff zu dem
folgenden r* xtüy xexQvufie'ywy. — v. 945, welchen die Handschriften
dem Jason zuweisen, ist in Uebereinstimniung mit Prinz, dem auch
Nauck folgt, der Medea zurückgegeben, v. 1005 der Ausruf der mit
Besorgnis« gemischten Ueberraschung I» mit Kirchhoff und Nauck dem
Pädagogen. — Die Interpunktiou in v. 1087 — 89 naoai<n jj'ey ov-
7iavQoy dk ytvog — fjiiav iv noXXaig evgoig dv i<n»g — ovx unofxovdov
x6 yvyyatxtov ist von Elmsley nach Heraklid. 327 evident berichtigt
und natürlich das überlieferte xov'x in ovx verbessert. Das nach W.'s
Erklärung wegen der Parenthese nachhinkende x6 yvvutxtSp ist, wie
uns scheint, als Subjekt, navooy de yivog als Prädikat aufzufassen:
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367
ein kleines Geschlecht ist, höherer Bildung nicht fremd (insofern
es höherer Bildung nicht fremd ist), das Geschlecht der Weiber. —
Statt cTV wrutf . . . t\v noXvs Xoyoq v. 1139 ist das von Weil nach
dem Scbol. gewonnene dV oXxtav angenommen. — v. 1218 ist W.
in der Ersetzung des überlieferten andern durch dniofa Valckenaer
gefolgt, wie bereits Elmsley , Fix, Härtung, Kirchhoff Eine
zu bestehen , denn der Begriff des «niaiti kann ja leicht aus dem
Voraussehenden ergänzt werden ; freilich meint W. , die Erklärung
in Bekk. Antcd. gr. p. 422: dis'aßi)- iaße'o&rj q inavaato , r&yq-
xsy scheine gerade dieser Stelle entnommen. — v. 1259 f , wo der
Wortlaut f£fA' oXxtav cpovinv xüXuuav r' 'Egiyvy eine Störung der
Kesponsion mit 1269 f. enthält, finden wir nach KircbhofPs resp.
Heiuisötb's Herstellungsversuch in Ordnung gebracht: ?s-eA' olxwy
(fnvwoav aXuov x* 'F.Qtvvy , wobei zwischen dXuoy und dem folgenden
vn9 ttXaazoqwy eine gewisse etymologische Beziehung gefunden ist;
einfacher ist die Umstellung in xaXmyav cpovltty t1 von Seidler,
welchem Nauck folgt, aber sowol formell als auch dem Gedanken
nach nicht so ganz genau entsprechend wie jene Conjektur. — v. 1357
hat auch W. die sichere Correktur Kirchhofs ixßaltiy statt ixßaXsty
aufgenommen
Wie sich also W. zur Aufnahme eijrner oder fremder Conjekturen
fast nur vom wirklichen Bedürfnis bestimmen lässt, so scheu wir auch
verdächtigten Versen gegenüber ihn mit massvoller Umsicht verfahren.
So behält er den schon vom Schol. für überflüssig gehaltenen und von
Brunck, Härtung, Dindorf, Weil und Nauck ohne ausreichenden Grund
verdächtigten v. 87 bei, sowie auch den von Nauck für interpolirt
gehaltenen v. 913. — Den v 748, welchen Nauck verwirft, weil er in
Jph. T. 738 sich findet, schützt W., indem er darauf aufmerksam
macht, dass dergleichen allgemeine Redensarten unwillkürlich die
gleiche Form annehmen, was ja zahlreiche Beispiele aus den Fragmenten
beweisen. — v 923, verdächtigt, weil er 1148 wiederkehrt, wird fest-
gehalten, da er einmal hier ganz in die Situation pnsst, alsdann" ganz
besonders, weil er, mit dem nächsten Verse verbunden, v. 1006 f. an
ungeeigneter Stelle wieder vorkommt — Die Bedenken Nauck's, der
in v. 9(56 f. die Worte xeiva yvy avgei Sfo'c, via ivottvyei aus äusseren
und inneren Gründen für t unecht hält, ignorirt W. — v. 981 ist
von den Worten x6atuoy avxd /epow' Xaßovaa in Rücksicht auf die
Responsion Xaßovatt von Nauck gestVichen, während nach W. mit den
2 cretici die Strophe nicht auslauten könnte, und Bauer /.ußovoa, gerade
wenn es fehlte, vermissen würde. Während nun letztererden respondirenden
v. 988 durch titXmva ergänzt, meint W., es sei ein Wort, das mit dem*
Bilde (eis byxos neaeixttt, 986) congruire, ausgefallen, etwa itdvttyQov.
Die Ansicht Nauck's, dass v. 262 und Hirzel's, dasR 305 inter-
polirt sei, scheint auch W. zu teilen, und nicht mit Unrecht; er
setzt sie aber ohne Klammern in den Text. — So teilen wir auch
gegenüber v. 698 und 699 sein Bedenken, weil zwischen letzterem und
dem folgenden Vers 700 der Zusammenhang fehlt, während v. 700 sich
der Zusammenhang fehlt, während v. 700 sich ganz innig als Antwort
an 697 anschliesst — In den v. 723 — 730, wo Nauck., Hirzel und
Prinz durch Annahme von Interpolationen und durch Versetzungen die
verschiedenen Mängel zu heilen suchen, hält W. 725 — 28 für ein
ursprünglich am Rande beigeschriebems Ueberbleihsel aus der ersten
Bearbeitung des Stückes, indem hier derselbe Gedanke ausgedrückt ist,
zwingende Notwendigkeit
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wie 723. 24. 29. 30. — Während v. 786 Xcnrov rs rt&iXov ton
Elmsley, Nauck und Kirchhoff wegen geiner Wiederkehr 949 verworfen
wird, verfährt W. umgekehrt, indem er denselben hier als sehr geeignet
zum Verständniss des Folgenden erklärt, während v. 949, wo der
Schmuck sichtbar wird, durchaus müssig und zudem als Apposition zu
ddiQa « xttXXiarevsrai v 947 ungeeignet sei; wir Btimmen hierin W.
vollständig hei.
Auch in Hinsicht auf richtige Schreibung verwertet der Herausgeber
die Resultate älterer, sowie insbesondere der neueren Untersuchungen,
zu denen er ja selbst höchst anerkennenswerte Beiträge geliefert bat.
So schreibt er v 88 ei'vtxa statt ovvcxa, das, wie er in seinen curae
epigr. p 36 — 39 nachweist, nur Conjunktion ist, während eTvsxa als
epische Form von den Tragikern des Metrums halber gebraucht wurde
wie fto'oc, xtivoe u. a.; ferner setzt er auf Grund seiner Untersuchungen
ebend p. 33. v. 194 ^vQoyro und 196 tjvQero. In Bezug auf die Schreibung
von aa>Ceiy folgt er dem ebend. p. 46 erzielten Resultat, wonach
die Formen mit C das t subscriptum bekommen, die übrigen nicht;
Kirchhoff schreibt durchaus dieses *, z. B. 476 und 481, Nauck und mit
ihm die anderen Herausgeber, wie Bauer, vernachlässigen es überhaupt;
übrigens stellt Usener (Fleckeis. Jahrb. 91 p. 238 — 42) die nämliche
Norm wie W auf. — In Uebereinstimmung mit Elmsley int v. 3W wV
cf avrojc geschrieben; Nauck bat a>V <T ccvtms, Kirchhoff (6g d" arrtog
und Bauer tö? tT avrwf (Buttm. Lex. S. 37). — Wie schon Elmsley
statt avaiteofuav v. 978 lieber ayadeauav setzen möchte, so hat W.
wie anch Dindorf letztere Form mit Recht aufgenommen, dessgleichen
v. 1001 uXXa nach Matthiae mit Elmsley, Klotz, Schöne, Härtung. --
v. 1073 folgt W. ebenfalls Elmsley und nimmt die 2. Person des Duals
evifaifiovotTijv an, wie Nauck, der sich in seinen Eur St II, p. 57 zu
Alk. 272 entschieden för dieBe Form ausspricht. — Endlich ist es voll-
kommen richtig, wenn 1389 uXXa <y' geschrieben ist, da ai im Gegen-
satz zu der unmittelber vorher geweissngten Todesart des Jason steht.
Doch verlassen wir jetzt die Erörterung über die Verbältnisse des
Textes, welche in, vorliegender Ausgabe soviel des Interessanten und
Belehrenden darbieten, und wenden wir uns den erklärenden Anmerk-
ungen zu. Hier tritt uns denn ganz besonders die gründliche Kenntniss
des Verfassers im tragischen Sprachgebrauche entgegen, sowol im
Allgemeinen als auch in Bezug auf Eigentümlichkeiten des Euripides;
eine reiche Fülle von Parallelfitellen regt hier zur Vergleichung an
und unterstützt die richtige und lebendige Auffassung. Wichtigeren
grammatischen Erscheinungen gegenüber gibt W. teils seine eigenen
kurzen Erklärungen, teils führt er Belegstellen aus Euripides oder
anderen Classikern an, teils begnügt er sich mit Hinweisung auf die
Grammatik selbst und zwar auf die Krüger'sche, neben welcher wir
freilich im Interesse unserer Schüler auch die an den meisten bayerischen
Gymnasien eingeführte Kurz'sche citirt wünschten. Was die Parallel-
stellen betrifft, so sind dieselben, abgesehen von ihrem unendlichen
Nutzen fnr Schüler und Lehrer überhaupt, zum grössten Teil so voll-
ständig, dass sie auch ihrem Inhalte nach ganz verständlich sind , viele
als allgemeine Sentenzen von noch ganz besonderem Wert; dabei begnügt
sich der Verfasser nicht, aus dem reichen Material der griech-
ischen Literatur zu schöpfen, sondern zieht auch Stellen aus der
Medea des Ennius zur Vergleichung herbei; namentlich begrüssen wir
auch die Rücksicht, welche vaterländische Dichter, sowie Shakespeare
gefunden, ein Schmuck, der überhaupt manchen unserer neueren
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Classikerausgaben , so den höchst anerkennungswerten unseres Dichterg
von Bauer, nicht geringen Reiz verleiht.
Wenn wir nun an die besondere Besprechung des Commentars gehen, so
■wollen wir uns hfebei auf dasjenige beschränken, was uns irgend einer
Modifikation zu bedürfen scheint oder worin wir des Herausgebers Ansicht
nicht teilen, v. 194 vermissen wir als nicht überflüssig zur Erklärung des
Genitivs in ßiov xtQ-nvdq «xode eine Hinweisung auf Kr. II. § 47 26. A. 7,
oder etwa auf Hec. 235, 1135 Aesch., Agam 115,6 da wir in dem Buche
diese Methode bei bemerkenswerten sprachlichen Erscheinungen
überhaupt reichlich angewendet finden, wie selbst da, wo eine
derartige Hinweisung Manchem nicht nötiger scheinen dürfte z. B.
v 33 zu trvtfttufof cjifft , 136 zu cvytjdofjtti aXy(Oit 142 zu ovdeyog
ovdhy 7t«Qa&«\nou£vr} /ut'9oi$ , 548 zu de(£u> aoyos yeytog , 562
zu naldag &Qt'\patt4i «£/wf doptov iuäjy u. 8. w. IJebrigens lässt
sich in diesem Punkte, wo der eine für notwendig ansieht, waa
in den Augen des andern überflüssig ist, über das Zuviel oder
Zuwenig nicht immer eine streng abgemessene Schranke ziehen. —
Der Tbatiacbe gegenüber, dass der Genitiv in v 284 avußtcXXerai de
TtoXXd rovde detuuroq noch von keinem Herausgeber befriedigend erklärt
worden ist , hätte Bauer's Vorschlag tovt' ig ddud poi oder deif*1 ort
Beachtung verdient. — Zu v. 383 &rtvovaa Stjoto rote iuoig 4%&qoi$ ySXaty,
wo Nauck^arotV ntfX^aut vorschläut, hätten wir für den Ausdruck eine
Parallele gewünscht, etwa Jon 1172. Ebenso vermissen wir zu v. 384
eine Andeutung über die Beziehung des p neyvxa/Ltf-y mit Hinweisung
auf 768 — v. 404 rof<r 2tovqe(ots roic r' 'idoovoc 'ydfxoig schien
uns immer noch eine Schwierigkeit für eine durchaus befriedigende
Erklärung zu enthalten ; denn wenn man nicht Siavyeiots geradezu als
Substantiv fassen will statt liavtpidatg, wofür wir keinen Anhaltspunkt
haben, so müssen wir notwendig wegen der Wiederholung des Artikels
To»? mit xe an zwei Ehebündnisse oder Gattinnen denken, was unmöglich
ist. Wir sind desshalb überzeugt, dass gerade wie v. 123, 1094, 1121,
1194 auch hier r' auszustossen ist, so dass zu lesen roiY Ziovyelotx;
To«? 'iaoovos y«tuoi<:. Für die doppelte Setzung des Artikels verweisen
wir auf Kr. I, § 50 9. A. 6 und besonders 7, sowie auf die dort
angeführten einschlägigen Beispiele. — Die intransitive Bedeutung von
aviaxov in v. 482 «W o%ov aoi <pdog aturijoioy kann mit voller Bestimmt-
heit nicht behauptet werden , wenn sie auch vom aufsteigenden Lichte
statt 'dvadvvtti oder ayare XXeiy nicht gerade selten ist und hier ein
lebendigeres Bild gibt. Nicht ungeeignet wäre hier als Citat Aesch.
Agam. 93 und Soph. Track 204. — v. 534 (xeit<o rfc itu!jg owijpmc
itXri<pt(( rj didiaxug erklärt W. atartigiag als gen. compar. zu fxelfa
und übersetzt „Bedeutenderes als meine Bettung wert ist (hast du
empfangen)", worauf noch in der Weise leichten Conversationstones 7
didtoxug folge, so dass der Begriff, auf den es ankomme, nachdrücklich
hervorgehoben werde. Allein wenn auch für eine Nachlässigkeit und
Unvollkommenheit des Ausdruckes bisweilen auf die leichtere Form des
Conversationstones bei Euripides hingewiesen werden darf, so scheint
uns doch hier, wo die Opfer und die Belohnungen der Medea für die
Rettung Jasons abgewogen werden, <x<utj?(><«? als gen. pret. zu stehen,
für dessen Verbindung mit didoyni und Xctfißdyeiy u ä. es genug
Beispiele gibt. — Zu v. 980 dürfte sich die Hinweisung auf Aesch.
Agam. 1115 noch mehr empfehlen, als die auf Bacch. 1156. —
Wenn auch v. 1035 ^Xtoroy mit W. auf das 1033 vorhergehende
;--itx f*e bezogen werden kann, 80 ist doch auch die Auffassung desselben
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als epexegetische Apposition zu dem ganzen Gedanken nicht zu verwerfen.
— Zu gesucht ist nach unsrer Meinung in v. 12r>2 f. xorlifar' i'dVrf tuv
ovXnuBvav yvvuixu nah' cpoiviav rir.i'otc 7i(io<Fß«?.tiv /f'p« die Erklärung,
nach welcher sich TipiV auf den in ovlopiva» liegenden Fluch („die
verderhen möge, ehe sie u. s. w.") beziehen soll; ausserdem sind die
beigezogenen Belegstellen Uipp. 363, Or 1364 und Hei. 229 durchaus
nicht zwingend, da in der ersten der Optativ wirklich steht und das
Verhältniss zu dem folgenden Satze offen daliegt, in den beiden
anderen Stellen aber das im dichterischen Sprachgebrauche häutige
Particip in seiner Bedeutung „Verderben bringend" auch ohne optatioiseben
Sinn gefasst werden kann. Die Beziehung des Temporalsatzes ergibt
sich leicht aus dem in x«rt'd\-r' Uhre liegenden Begriff des Verbindems.
Mit dieser Auffassung stimmt auch die Uebersetzung des Estriol
(Prob. adVerg Eclog. 6, 31) überein: Inspiet hoc facialis, priusquam
fiat; prohibessis scelus. — Die sehr schwierige Stelle v. 1268 — 70
übersetzt W. auf folgende Weise: „Verderblich für die Menschen über
das Land hin fällt die Befleckung mit Vorwandtenblut , ebenso den
Mördern als gottverhängtes Weh aufs Haus". Neu ist hier die Erklärung
der Worte e;ii yttiny , womit die Befleckung des ganzen Landes durch
den Mord bezeichnet werde und wofür W. auf den Oed. Tyr des
Sophokles hinweist, und neu ist die Erklärung von owittSu 7Ni*wr«
durch avt'ipdit tan nttvort* oder ovradti nirvovia s v a. tp**f**
iQo rov ;iiirti. Wenn wir nun allerdings an der Erwähnung derF©ig**i
welche das Miasma des Mordes für das ganze Land haben müsste, einer
Barb:iriu gegenüber keinen Anstoss nehmen , wie ihn Cron in seiner
Recension in der Zeitschr. für Gymnasial - Wesen XXVIII (VIII) 9*0
nimmt, da ja in dem Zusammenhange gar nicht der Gedanke liegt, als
wollten die Korinthierinnen der Medea eine Hucksicht auf das L*nd
nahelegen, und das eigentliche Hauptgewicht auf die Folgen des
Mordes für die Mörder selbst fällt, so halten wir doch 2»^
besonders die Auffassung der Worte <rvt>w<fu r.irvoija für äusserst hart.
Cron scbliesst sich in Beziehung auf die Verbindung von iti ;*«»«''
mit uidff uitra an Pflugk an, billigt aber bei W. die durch die Sfellung
empfohlene grammatische Verbindung der Worte footfer virvovxu
(fouoic während Bauer dieses enge Zusammengehören teilweise
löst durch die Beziehung von -lirvorxu zu ini yaiuv Cron erklärt
demnach die Stelle so: „Denn schlimm ist für die Sterblichen die aut
die Erde (rinnende) Befleckung mit Verwandtenblut, nämlich ein <ur
die Mörder (mit dem Morde, mit der Crosse ihrer Unthat) überein-
stimmendes über das Haus (derselben) gottverhängtes Leid'- Freihc»
sc.hliesst auch die enge Verbindung von piuauttra iii yuitey oWJ
Partien, eine wenn auch nicht einzig dastehende Härte ein (Cron citin
hie für Ei 4.*.8 f.).
Zum Schlüsse unserer Besprechung machen wir noch eine Anzahl
von Druckfehlern namhaft, die wol durch eine eingehendere Umschau
noch leicht vermehrt werden könnte. S. 26 Anm. Z. 1 steht
S. 32 Z 7 r«?, v. 87 im Text oi pir — ol <fi, aber in der Anm. °l>
Anm zu 142 Z 2 oxovei , 158 Anm. zu 163 f. Z. 16 fehlt vor
, — • , . „ ■ .
uviotg der Trennungsstrich, Anm. zu 184 Z. 3 steht fpw, zu v. **• ,
falsch citirt. Hei 428 statt EL 483 f, v. 223 und 224 ist bei orJ »jg
ntxouq Accent und Apostroph verwechselt, Anm. zu 270 Z 4 ste
xaiyo'y statt xuivüv, Anm. zu 30ü Z. t av, Anm. zu 601 Z. 3 yuztio»
Anm. 682 Z 6 wC> , Anm. zu 758 Z. 12 xvXovoi»y, 042 steht
Anm. zu 1181 Z. 3 avttvJog und Z. 11 rn^ot^, Anm. zu
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I
steht v. 1284 statt 1201, Anm. zu 1243 Z. 4 o«, 1389 'K(W,-, im krit,
Anh. ist der zu 123 citirte v. 1156 jedoufalls unrichtig, das. zu 491
steht O.U. 250 statt 256, zu 723 Z. 4 Kriuz, S. 141, 5. Absatz sollte
jedenfalls nach der neuen Ordnung 929, nicht 926 stehen, zu 1252
steht Z 5 «(?«, anfgefallcn ist endlich in der Anm. zu v. 55 Z 12 und
13 ttl'-fru.lXEtUl.
Würzburg. Bergmann.
Aug. Brunne r und Joh. Ev. Kraus, kgl. Studieulohrer,
Elementarbuch des deutsch - lateinischen Unterrichtes für die erste
Klasse der Lateinschule (Sexta). München. 1875.
Die Verfasser dieses Elementarbuches sind von dem Bestreben
ausgegangen, den Lehrstoff der lateinischen und deutschen Grammatik
für die erste Klasse der Latrinschule in einem Lehrbuche zusammen-
zustellen, um den Vorschriften der neuen bayrischen Schulordnung,
den grammatischen Unterriebt in der deutschen Sprache in stetem
Zusammenhang mit der lateinischen zu betreiben, in einer bisher noch
nicht versuchten Weise zu entsprechen.
Dass die Gesetze der Mutiersprache dem Schüler erst recht zum
Bewusstsein kommen, wenn er anfängt, lateinische Grammatik zu
treiben, ist langst ausgemachte Sache; nur handelt es sicli darum, in
welcher Weise eine Verbindung des deutschen grammatischen Unter-
richtes mit dem lateinischen am geeignetsten erzielt wird uud ob der
Versuch der Verfasser zu empfehlen sein dürfte, in einem Lehrbuche
die einzelnen Teile der Formenlehre beider Sprachen neben einander
laufend zu behandeln. Nachdem Recensent sich den Lehrgang des
Buches näher betrachtet hatte, stieg in ihm die Trage auf: „Soll der
in einem Buche vereinigte Lehrstoff des Deutschen und Lateinischen
nach einander behaudelt werden , so dass § nach § durchgenommen
wird, ohne eine bestimmte Stundeuanzahl für den grammatischen Unter-
richt im Deutschen festzusetzen oder neben einander, so dass deutsche
uud lateinische Grammatik in getrennten Lehrstunden getrieben
werden. In beiden Fällen scheint ihm die Anlage im Principe
verfehlt; denn in ersterem Kall würde durch die Zerziehung des
Lehrstoffes und durch die bunte Folge der Regeln das Gehirn des
erst neunjährigen Knaben, der vor kaum drei Jahren mit dem Malen
des ABC sich abmühte, mit einer solchen Menge von verschiedenen
Begriffen augefüllt, dass es letztere schwer verdauen wird und viel-
leicht gerade die sicherere Befestigung des Lehrstoffes, welche die
Teilung der Formenlehre in zwei Jahreskurse bezwecken soll, verloren
gehen dürfte. Denn kaum hat der Sextaner den Unterschied der
starken und schwachen Deklination im Deutschen, die nicht so ein-
fachen Hegeln über die Deklination der deutschen Eigennamen, die
erste und zweite lateinische Deklination kennen gelernt, so folgt bereits
§. 33 der Ind. Präs. der 1. Conjugation, §. 34 der einlache Satz, §. 35
bereits die Erweiterug des einlachen Satzes §. 36 die pronomina per-
tonalia. — Werden in dem jungen Kopfe die Begriffe Subject, Prädicat,
Accusativ-, Dativ-, Genitivobject, Apposition, attributiver Genitiv,
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attributives Adjectiv, pronomen personale etc. klar sich sondern,
zumal er erst §. 37 die Adjectiva kennen lernt? Wird sich nicht die
Deklination der Adjectiva der ersten und zweiten auf us, a, um und er,
a, um § 40 und §. 44 die der prommina possessiva §. 45 zweckmässiger
sofort an die regelmässige 1. und 2. Deklination der Substantiva
anschliessen , darauf etwa der Präsensstamm von sum, die Erklärung
des einfachen Satzes und der Congruenz des Prädikatsnomens folgen
und mit den Unregelmässigkeiten der 1. und 2. Deklination abschliessen?
In den §§. 48 — ö? folgt auf einmal ziemlich ausführlich die Lehre
von den Präpositionen und erst §.58 taucht die dritte Deklination auf;
würden vorläufig nicht die gebräuchlichsten wie in und ex hinreichen ?
Eine grosse Unterbrechung des lateinischen Unterrichtes ruft die
Lehre vom deutschen Verbum hervor, das in 21 Seiten von §.92 — 106
behandelt wird; erst §. 106 Blossen wir wieder auf lateinisches Gebiet.
Soll aber deutsche und lateinische Grammatik in getrennten Lehr-
stunden betrieben werden, so ist ein besonderer Vorteil der Vereinigung
des Materials in einem Buche nicht recht einzusehen, denn der
Schüler wird seine Kegeln für das Deutsche, welche von lateinischen
eingeschlossen sind oder die betreifenden §§. für des Lateinische aus
dem deutschen Material erst herausschälen und herausklauben müssen.
Halte der Lehrer im mündlichen Unterricht eine stete Wechsel-
beziehung zwischen deutscher und lateinischer Grammatik fest und
treibe in jeder lateinischen Stunde zugleich Deutsch, aber den Lehrstoff
beider Sprachen in einem Lehrbuche zu vermengen, ist sicher nicht
rätlich; es wird in den untersten Klassen ein eigener Unterricht in
deutscher Grammatik in wöchentlich zwei, mindestens einer Lehrstunde
nach einem besonderen Leitfaden oder einer kurz gefassten Grammatik
stets nötig sein.
Wenden wir uns nun zu den einzelnen Paragraphen und sehen,
welche vielleicht einer Ergänzung oder Aenderung bedürfen.
§. 2 fehlt die Verbindung des q {q) mit u (w) und dessen Aus-
sprache wie kw; desgleichen sind die Interpunktionszeichen nicht
erwähnt; die liegein Über deutsche Orthographie §-8 — 12 sind doch
wol zu kurz gefasst. um dem Schüler eine feste Handhabe zu bieten;
daselbst fehlt auch der Unterschied von betonten und tonlosen
Silben; die Regeln über Silbentrennung im Lateinischen §. 7, 5 sind
zu compliciert; §. 22 wären Paradigtnate für die deutsche Deklination
sehr wünschenswert, der Vocativ im Deutschen ist daselbst gar nicht
erwähnt; §. 4 fehlt das Wort Strauch; Anm. 2 ist bestimmter aazu-
. geben, wann das Enduogs-e wegfällt; §. 26 fehlt der Ungar; §. 27
wäre die Vorausschickung der allgemeinen Deklinationsregeln
im Lateinischen praktisch; §. 28 p. 12 a. E. warum ist Athenae nicht
gleich als plurale tan tum bezeichnet, da doch § 116, p. 134 bei una
castra diese Bezeichnung gebraucht wird?
Die Kegel §. 29 lautet zu unbestimmt; der Schüler muss wissen,
dass ue und um Kasusendungen sind, dass den Wörtern auf er hingegen
im Nom. eine solche fehlt, puer mithin der reine Stumm, bei den
anderen wie ager etc. das e nur eingeschoben ist; §. 50 ist die
Bedeutung von ab nicht erwähnt; §.58, 3 ist die Passung: „Neutra
sind die Wörter auf a, c, c; l, n, t; ar, ur, ue sicher mundgerechter;
um dem Schüler ein Bild von der Mauuichfaltigkeit der Stämme in
der dritten Deklination und der bisweilen so grossen Verschiedenheit
desiVow. und Gen. zu geben, wäre eine grössere Anzahl von Beispielen
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373|
zu wünschen, etwa leo, virgo, miles etc.; §. 64 muss es heissen: c,
'Wörter auf o, l etc., da in den Uebungsstücken sich poäma, aenigma finden.
§. 66. Fragen wie calidus abgeleitet von — V oder timidus von — ?
wird der Schaler nicht beantworten können; bezüglich der Ableitung
der Wörter (§§. 75. 79. 124) dürften die Verfasser bei einer neuen
Auflage ihres Werkchens die Winke nicht unbeachtet lassen, weiche in
einer als Manuscript gedruckten Kecension desselben von dem Anonymus
gegeben sind. §. 67, 2 vermisst man fas und nefas unter den Aus-
nahmen; desgleichen 4 bei der Zusammenstellung der Masculina auf
t* die gebräuchlichen faxis, vomis. §. 68 fehlt der Genitiv von turtur -
turturis, desgleichen §. 71. Anm. Gen. von par pdris) §. 71 bei der
Kegel über den Nom. Acc. Voc. plur. im neutrum der Adjectiva einer
Endung fehlt die genauere Angabe, welche Adjectiva überhaupt einen
Pluralis im Neutrum bilden; §77,1 fehlt c oh«, 2. der Formen domorum
und Acc. Plur. domus ist keine Erwähnung gethan; §.81, 2 fehlt nach
ss (&) das sch z. B. frisch, frischest. Entschieden vermisst man sowol
im Deutschen als Lateinischen die unregelmässige Steigerung der so
häufig vorkommenden Adjectiva „gut, schlecht, gross, klein",
während §. 86 Anm. die unregelmässige Comparation des Adverbiums
„gern, lieber, am liebsten" bemerkt ist; so findet sich §. 84, 2 der
unregelmässige Superlativ derer auf ilis, die Adjectiva auf dtcus, ficus,
vdlus , sind nicht erwähnt. Für die Kegeln §. 92 p. 84 „Das Ferfect,
Plusquamperfect etc. desgleichen §. 99 wäre eine andere Fassung
erwünscht. §. 106 p. 1U4 sind die Formen es, este von esto etc. als
Imperativus Präsentis und Imperativus futuri zu trennen, was ja in
W irklichkeit § 111 Anm. bei laudo geschieht. §. 108. Bei der Angabe
der vom Präsensstamm abgeleiteten Formen ist 4. den Imperativ, 5. den
Inf. Präsens, 6. das Particip Präsens besonders aufzuführen überflüssig,
da dieselben als Modus- und Nominalformen des Präsens unter 1., das
Präsens Activ und Passiv, mit einbegriffen sind; desgleichen § 109, 1.
Anmerkung; §. 111 ist der Modus Imperativus den Tempora
Präsens, imperfect und Futur coordiniert; §. III, p. 112 fehlt bei
laudaturus, und beim Inf. fut. die deutsche Bedeutung, so auch §. 113
p. 129 bei hortatus, hortatum etc. §, 112 p. 119 a aber bloss vor Con-
sonanten fehlt mit Ausnahme von h; §. 118 ist der AOL des refle-
xiven Pronomens se gar nicht erwähnt, obwol p. 154 Uebungsstück 273
Anm. 2 es heisst: „Auch an se wird cum angehängt". Schliesslich sei
noch der Quantität Erwähnung gethan, welche in einer neuen Auflage
mit einer grösseren Präcision und (Jonsequenz durchzuführen ist.
So ist z. B. §. 31 und § 32 allein lux die Endung des Gen. plur.
dieselbe bemerkt; ebenso ist §. 106 die Quantität zwar für das futur.
exaetum fuero angegeben, nicht aber für fueram, fue'rim; sie fehltauch
§. 74 bei laudabas , laudabat, laudabant; es möge noch eine Anzahl
von Wörtern lolgen, bei denen sie ohne Grund mangelt. §. 55 p. 38
äpud, 39 prope, penes, pöne, circiter §. 57 p. 40 habCto §. 58 p. 4 2
ist bei dolor die Quantität im Abi. Sing, und Pluralis nicht durch-
geführt; §. 60 p. 44 Carthago , unägo, origo, probt tas , 45 preces,
fltro, Cicero, §. 63 p. 47 titer, p.48 cZhors, §. 64 p. 49 eöttr, röbur,
decus, sidus, opus nennen, §. 65 p. 50 vectigal, §. 66 p. 51 öris, äcer
der Ahornbaum im Gegensatz zu äcer, acris, acre, §.69 p. 56, § 67 p. 53
etnis , cälix, pävo} stTpes, sflex, p. 54 acutus, §. 69 celer, püter, §.71
p. 59 dives, vetus, locüples, p. 60 vehemens, §. 74 p. 62 fügo; §. 75
p. 63 öro, orator, p. 64 firmitas, firmitüdo, infirmitas, judCco, §. 76
p. 66 nurus, genu. §. 77 p. 67 t diw, §• 79 p. 70 bei denen auf Ctas,
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p. ~4odorifer, §. 106 p. 103 si'tis, § 112 p. 118 laudäri, §.113 p. 129
gratulor, § 1 14p 131 unus, pn »n/s, novem, nonus, dlctmy §. 116 p. 135
ditörum, duärum, duöbus etc , §. 123 b. Tdem Zeile 17 v. u., §. 124 p. 146
dmo, uro, cino, cena, labor, tütor, tütus, p. 158 rapidus, Situs, cadüver,
sSlum, p. 159 vägor, cuptdus, räna, sedes , plcnus , exclämo, itdque,
alienus, viridis u. s w.
Grosse Vorzüge de3 Buches liegen dagegen in der Reichhaltigkeit
and Mannichfaltigkeit des Uebungsstoffes, der, wenn er auch nur zum
grösseren Teile von dem Sextaner durchgearbeitet wird, eine grosse
Sicherheit im Treffen einzelner Formen sowol , als Gewandtheit in der
Construction des Satzes erzielen muss. Besonders ist nach der Durch-
nahme des Verbums in den Uebungsstücken, welche erweiterte Sätze
enthalten, fortwährend auf gründliche Hepetition des früheren Lehr-
stoffes Bedacht genommen. Instructiv sind § 12 p. 10 die Uebungen
über deutsche Eigennamen; desgleichen § 53 die über Verbindung
von Präpositionen mit ihrem Casus, ebenso §. 66 Uebung 89; zur
Erlangung grösstinöglichster Sicherheit in den Formen des Verbums
sind die Bestimmung von Genus, Tempus, Modus, Numerus und Person
einzelner Formen und umgekehrt die Bildung deutscher und lateinischer
Formen nach angegebenem Tempus etc. wie §. 105 § 111 Hebung 192
§. 112 Uebung 220, 221 und an anderen Orten sehr fördernd; des-
gleichen die Verwandlung von Aktivformen in die entsprechenden
Passiv formen und umgekehrt wie Uebung 197 sqq. Durch die Um-
wandlung von Aktivsätzen in Passivsätze und umgekehrt wie in den
Uebungen 202 etc. wird der Schüler Gewandtheit im Construieren des
Satzes erlaugeu ; praktisch sind auch die Uebersetzungen der römischen
Zahlzeichen in die entsprechenden Cardinalia und Ordinalia Ueb. 248;
überhaupt ist für Numeralia reiches Uebungsmaterial geboten.
Die Regeln, besonders im Lateinischen, lehnen sich vielfach an
die Englmann'sebe Fassung an und sind kurz und praktisch zusammen-
gestellt — §. 6 ist beim Ablativ neben der Fragestellung wovon? auch
die von wodurch? womit? mit Recht erwähnt. Recht fasslich sind
die Regeln über die Deklination der deutschen Substantive, besonders der
Eigennamen z. B. §. 22. 4. Anm 1 — bei Englmann § 18. 1. passen
die Wörter Geist und Leib nicht für die dort angegebene Regel —
ferner § 24. a. 2. 5; einfacher ist es auch, die Wörter auf o §. 58, 2
der Hauptgenusregel für die Feminina einzuverleiben und §. 67 als
Ausnahmen auf o die Tiernamen und die wenigen carbo etc. anzu-
führen ; lobenswert ist ferner die Einfügung der Bildung der von
Adjectiven abgeleiteten Adverbia, sowie die Angabe der gebräuchlichsten
Adverbia des Ortes, der Zeit, der Art und Weise, unmittelbar vor dem
Yerhura, die in Englmann's Elementarbuch gänzlich fehlen; schliesslich
sind bisweilen eingestreute Bemerkungen und Regeln recht brauchbar,
wie § 6 4 Anm. über die Trennung des Dehnungs-A; p. 15 a. E. *)
„Wie können etc." so später der Hinweis wie im Lateinischen zusammen-
gesetzte Hauptwörter, wie Taubenpaar, Landtier, Bürgerkrieg, Reiter-
treflen etc. zu übersetzen sind; §. 56 der Unterschied wenn mit durch
cum , wenn es durch den blosen Abi. übersetzt wird; §.67p. 54 unter
Uebung 95; §. 82 a. h. „der Comparativ wird im Lateinischen auch
dann gesetzt etc."; §. 112 p. 118 die Uebersetzung von laudare, lauda-
miui mit lass dich loben, lasst euch loben 1 statt „werde du, werdet ihr
gelobt 1" §. 116, p. 135 3. 4. 6 die Bemerkungen über den gen. plur.
bei millia. den Acc. auf die Frage wie hoch? etc. die Uebersetzung
des deutschen im Jahr 1870 etc. ; Regeln , welche zwar der Syntax
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vorentnommen sind , jedoch sehr gut für den erweiterten Satz ver-
wendet werden können.
Als Druckfehler seien erwähnt :
§. 27 tbÜ8 statt Tbu8 bei der vierten Deklination,
im- statt m
§ 37 Anm. Nom. und Acc. statt Mask. und Neutr.
§. 72 p. 61 erant statt eränt.
§ 102 p. 9j flicht statt fliecht.
§. 112 p. 118 laudare statt laüdare; vor laudamini fehlt P.
§. 113 p 127 vor hortumini fehlt P.
p. 177 viola statt w'oJo.
p. 179 libido statt Zt&ärfo.
p. 180 itäqwa statt itaque.
p. 184 tepM* statt delus .
p. 187 rt/acer statt a/äecr.
p. 193 res familiäris statt familäris.
. p- 195 mdüc, »et* statt ici«, tempus, oris statt öri>, cunetatio, önis
statt oni«, veettgal statt vecttgal.
Aus dem Gesagten erhellt, dass das Werkchen der Verfasser recht
gute Seiten hat und dass es sicherlich dem Lehrer der ersten Latein-
klasse durch sein reiches und vielgestaltiges Material, welches ihm das
zeitraubende Diktieren von Uebungsaufgaben erspart, viel willkommener
und handlicher wäre, wenn der Lehrstoff für den deutschen
Unterricht ausgeschieden wäre und das Werkchen in zwei
Teile zerfiele :
1) Leitfaden für deutsche Grammatik mit Uebungsaufgaben.
2) Deutsch -lateinisches und lateinisch - deutsches Elementarbuch.
Wunsiedel. E Lange, k. Studienlehrer.
W. Härtel, Homerische Studien I - III. Wien. 1871 -- 74.
in Commission bei Karl Gerold's Sohn. [Aus den Sitzungsberichten
der phil.-hist. Classe der kais Akademie der Wissenschaften April 1871,
März und October 1874. (LXVIII Bd. S. 383 ff. - LXXVI Bd. S. 329 ff.
und LXXV11I Bd. S. 7 ff.) besonders abgedruckt.] 8. 86, 48 u. 84 SS.
Die Statistik ist sozusagen die Modewissenschaft unserer Tage.
Sie ist etwas sehr Schönes und etwas sehr Hässliches , je nachdem sie
mit voller Umsicht, Unbefangenheit und Unparteilichkeit gehandhabt
wird oder nicht. Mit gutem Recht wird die statistische Methode in
ihrer ganzen Peinlichkeit mehr und mehr grammatischen Studien zu
Gruude gelegt, ja sie liefert allein diesen die sichere Grundlage. Wer
solche versteht uud Geschick dazu hat, der wird trotz aller früheren
Forschungen noch immer überraschende Schlüsse gewinnen. Das sieht
man bei W. Härtel, wenn er in seinen „Homerischen Studien" die
von ihm angelegten reichhaltigen Tabellen homerischen Sprach-
gebrauches auslegt.
In seiner I. Studie (1871) hat H. nach Besprechung der früheren
Literatur über die Erscheinungen des Hiatus und der Längung kurzer
Silben dargethan, dass die Längung kurzer Silben im homerischen
Blitter f. d. bajrer. Oymn.- u. Re»l -Schulw. XL Jahrg. 26
r^initi7p<i h\/ C-iOOO
376
Verse vor den mit k tu v p <f ? beginnenden Wörtern ihren Grund in
der Beschaffenheit des nachfolgenden Anlautes hat, sofern bei einigen
Wurzeln ein zweiter vorausgegangener Anlautsconsonant , verloren
gegangen, oder insofern die Dauerlaute selbst einst mit einem besseren
Lautgehalto ausgestattet waren, wodurch sie Positionslange zu bewirken
vermochten, aber zur Zeit der Entstehung der homerischen Gedichte
schon nicht mehr immer bewirkten und jedenfalls zu dieser Wirkung
zumeist des Schutzes fester Former; und ausnahmslos der unterstützenden
Hilfe der Arsis bedurften. Diese „Altertümlicbkcit" bat sich im Laufe
der Zeit, wie Hesiod und die Hymnen ausweisen, nicht etwa auf dem
Wege falscher Analogieen erweitert, sondern an ihrem ursprunglichen
Gebiete verloren. Eine kleine Anzahl von Verlangerungen vor nicht -
liquidem Anlaut findet ihre befriedigende Erklärung in der Natur der
Endungen. Fernerhin wird der Begriff „mittelzeitig" gegen L Bekker
in Schutz genommen, insofern die Arsis Vokale, welche einmal laug
gewesen, nachdem sie diese Eigenschaft in der Ausspruche verloren,
noch als solche zu erhalten vermag auch ohne Eiurluss einer Inter-
punktion. Die Interpunktion findet sich, abgesehen von den Veraendeu,
gern mit den beiden Haupt - und den wichtigsten Nebenciisuren zusammen
(spki Ii Ii innerhalb der zweiten Vei sbälfte), weil dieselbe im gesprochenen
oder gesungeneu Vers ein, wenn auch kleines, so doch merkliches
Innehalten der Stimme erforderte, wodurch ein Zeitverlust gegebcu ist :
daher erscheinen in diesem Fall auch in der Umgebung möglichst
wenige Consonanten. Und so kommt es, dass auch entschieden kurze
Silben bei folgender Interpunktion in die Arsis gestellt werden Darauf-
hin werden die einzelnen Endungen, welche also vorkommen, geprüft.
Der II Artikel (im Märzbett 1874) geht dazu Uber, auf Grund sehr
ausführlicher Verzeichnisse und Tafeln neuerdings die Erscheinungen
des Hiatus und Verwandtes nach den Bedingungen ihres Vorkommens
zu prüfen. Dabei zeigt sich, dass in der That die Arsis oder etwas an
der Arsis Haftendes die wesentlichste Bedingung für Erhaltung der
Länge sei, wann eine mit vokalischem Anlaut zusammentreffende,
auslautende Länge oder Kürze als Länge in die Arsis zu stehen kommt,
wobei abermals die Interpunktion teilweise und unterschiedlich Hilfe
leistet. Auf die grammatische Funktion der Endungen, welche C. A.
J. Hoffmann wirksam finden wollte, kommt es nicht an, wol aber neben
der Festigkeit des Vokals in erster Linie auf die Betonungsfähigkeit,
die Fülle der Betonung, welche die Wörter vermöge ihrer Bedeutung
stets besitzen oder im Zusammenhang der Hede vorübergehend erhalten.
Im allgemeinen vermag die Kraft der Arsis jeden vokalisch langen
Auslaut, mag dieser der Auslaut eines Nomens, Verbums oder einer
Partikel sein, in seiner Quantität zu erhalten, indem sie das Zusammen-
sprechen mit dem nächsten Vokal — die Bedingung der in der Thesis
stattfindenden Verkürzung — hemmt. „Das Wesen der Arsis ist Ton-
verstärkung, bewirkt durch Verstärkung des Ausathmuugsdruckcs. Der
verstärkte Ton wirkt durch die für das Aussprechen eiuer Länge erforder-
liche Zeit". Ein folgender Consonant begrenzt diesen Kraft- und Zoit-
Aufwand „Folgt kein Consonant, so liegt der Höhepunkt der Arsis im
Verlaufe des langen Vokales, der gegen den folgenden vokalischen Anlaut
durch Verschlussbildung abgegrenzt wird, indem wir „,vor jedem an-
lautenden Vokal den Kehlkopf verschliessen, so dass
unter der grösseren Spannung der Ausatbmungsluft,
welche biedurch bedingt wird, die Stimmbänder prompt
anlauten!"' (Brücke). Das ist Hiatus in bester Form. „Die Arsis
verweigert also keinem der langen Vokale und Diphthonge ihren
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377
Schutz, allein sie nimmt nicht alle Träger derselben, nicht alle
Wörter gleich gerne auf". — In der Thesis , wo so ungemein
häufig ein langer Vokal oder Diphthong vor vokalischem Anlaut
erscheint, schrumpft zwar die prosodische Länge in der über-
wiegenden Mehrzahl der Fälle unter dem Einflüsse des vokalischen
Anlautes zur Kürze zusammen, aher die verschiedenen Ausgänge sehr
verschieden und ungleich, die Ausgänge «*, 01, et, ov, sehr häufig, die
Ausgänge /?, r„ w, m höchst sparsam. Den Grund für die unverhältnis-
mässig häufige Kürzung jener vier Ausgänge erkennt Härtel in ihnen
selbst, in einer Eigentümlichkeit derselben, und zwur in dorn zweiten
Bestandteile dieser Diphthonge, „in i und v, welche Im Flusse der Rede
sich willkürlich jenen labialen und palatalen Reibungsgerftuschcn
näherten oder in sie umsetzten, welche die homerischen Gedichte uns
noch in grossem Umfang als lebendige und dem Munde der Sänger
geläutige Töne zeigen".
Den Beweis für diese Behauptung erbringt das III Heft, indem es
zunächst von allen verwandten Erscheinungen im Innern des Wortes
ausgeht. Es wird wahrscheinlich gemacht, dass noch in homerischer
Zeit und darüber hinaus neben dem i ein j sich erhielt und beide Laute
einander vertraten, und dass dasselbe er.- 1 mit der eintretenden Spaltung
der griechischen Sprache in Dialekte zu verklingen begann. Nachdem
dann auf die bekanntere analoge Verwandtschaft und Abwechselung
zwischen /* und v hingewiesen ist, werden solche Beispiele vorgeführt,
welche die Erklärung einer Reihe bisher nicht genügend erkannter
prosodischer Erscheinungen hei Homer an die Hand gehen, um auch
hier ausdrücklich das angebliche homerische Recht zu bekämpfen, die
Quantität der Vokale beinahe unbedingt nach Bedürfnis des Verses
zu bestimmen. Z B. an-ovgag identifiziert sich mit ano-fot«; von
W. fQa, oder l/=rrcf£ hat in der an ev ä&e anklingenden Schreibweise
tvttde seinen ursprünglichen Lautwert gerettet. Also «, f, o erhalten
vorübergehend durch den Einfluss der anstossenden Consonanten die
Geltung einer wirklieben Länge. Wie aber Consonantengruppen über-
haupt bald von dem vorausgehenden Vokal sich attrahieren lassen und
Position bilden, bald von dem nachfolgenden und nicht Position bilden,
so unterliegt insbesondere f der Attraktion bald des vorausgehenden,
bald des folgenden Vokals (z. B. af-iov, ä-fiop) und erzeugt so den
Schein einer Beweglichkeit der Quantität der Vokale. Digamma im
Anlaut des Wortes oder der Silbe tritt uns bei Homer fast durchweg
in seiner consonantischen Natur entgegen. Nach allen Umständen
scheint in der diphthongischen Natur der sonst so leichten Endungen
oi, 01, et, ov etwas gelegen zu sein, was den Hiatus milderte, so dass
man nicht den Diphthongen als solchen , sondern nur den ersten
Vokal mit dem betreffenden Spiranten sprach.
Schliesslich werden die Fragen über die Natur des Digamma von
neuem aufgenommen, insbesondere ob dasselbe vor sich Elision gestatte,
und ob es jede consonantisch auslautende kurze Silbe zu längen ver-
möge Gemäss einer gewissenhaften Tabelle aller zweifellos digamraiert
anlautenden Wörter und ihres betreffenden Vorkommens wirkt Digamma
teils auf Arsis teils auf Thesis im Ganzen in 3354 Fällen, und zwar
wird hauptsächlich betont, dass man, da W. o<pe ein Gebiet für sich
bilde, bis jetzt eine sichere Regel nur so formulieren könne: „Digamma
vermag consonantisch auslautende Silben nur in der Arsis zu längen, in
der Thesis bleiben sie kurz". Digamma hat aber immerbin „für einen
geläutigen und kräftigen Laut der homerischen Sprache zu gelten, für
26*
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378
so kräftig wenigstens, als seine zum Vokal hinneigende und in diesem
Austausch flüchtige Natur ihm zu sein gestattet". Bei den äolischen
und aolisierenden Dichtern fungiert das Digamma ganz wie bei Homer.
Es liegt in der Natur solcher Studien, dass sich die hübschen
Detail- Resultate in einer kurzen Anzeige nicht besprechen, nicht
einmal erwähnen lassen An der exacten und selbstloseu Forschung
Härtel'* kanu man nur seine Freude haben, wenn man auch nicht
allen Aussprüchen zustimmt.
Würzburg. A. Riedenauer.
Adelmann, praktisches Lehrbuch der französischen Sprache
zum Schul- und Privat- Unterricht. Nach einer neuen, leicht fasslicheu
Methode mit besonderer Rücksicht auf Anfänger verfasst. L Cursus,
dritte vermehrte und verbesserte Aufluge, II. Cursus, München 1872,75.
Lindauer (Schöpping).
Der Unterricht in der französischen Sprache an einem huma-
nistischen Gymnasium soll sich einerseits in systematischer Behandlung
genau an die übrigen sprachlichen Disziplinen anscbliessen , anderseits
soll er doch auch die Schüler praktisch soweit führen, dass sie bei
ihrem Abgange von der Anstalt einige Gewandtheit in der Conversation
besitzen. Um dies erreichen zu können, muss bei den wenigen Stunden,
die auf das Französische verwendet werden, die Methode ganz vor-
trefflich d h. so beschaffen sein, dass der Schüler gleich Antaugs Lust
und Liebe zu diesem Gegenstande gewinnt, indem er wahrnimmt, dass
er das Erlernte sogleich praktisch verwerten kann , und indem sein
Gedächtnis» nicht der Reihe nach mit einer grossen Masse von
Regeln und Wörtern überladen wird.
Nach solchen Grundsäuen ist Adelmann's Lehrbuch verfasst; dess-
halb muss der unparteiische Beurteiler anerkennen, dass dasselbe zu
den bessten unter den an den Studienanstalten eingeführten Lehr-
büchern gehört, ja dass es vielleicht das passendste und praktischeste
ist Denn im I. Ours werden dem Schüler in kurzen Lektionen nur
so viele Regeln und Wörter geboten, dass er sie leicht im Gedächtnisse
behalten kann ; dazu sind die Wörter vorzugsweise dem geselligen
Leben entnommen und eignen sich ganz besonders zu einer leichten
Conversation ; um diese zu ermöglichen , ist teilweise nach der cal-
culirenden Methode Einiges aus später zu behandelnden Kapiteln bei-
gegeben, was zur Bildung kleiner Satze, zu Sprechübungen in einfachster
Form durchaus nötig ist. Denn diese Uebungen müssen baldigst
beginnen, wenn sich das Ohr des Schülers an die Töne der fremden
Sprache gewöhnen , wenn derselbe überhaupt bald zum Sprechen
gebracht werden soll. Weit entfernt also, dass dieses Lehrbuch wegen
der im Anfange teilweise eingehaltenen calculirenden Methode mit
Rücksicht auf das an humanistischen Gymnasien herrschende System
getadelt werden müsste, verdient es vielmehr gerade desswegen den
Vorzug, weil es, aus der Praxis hervorgegangen, ebenso dem praktischen
Bedürfnisse, wie der systematischen Behandlung Geuüge leistet Dass
aber durch diese Methode dem Schüler der erste Unterricht
erleichtert wird, das wird derjenige gewiss nicht tadeln, der die
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379
guten Fortschritte bemerkt, die beim Unterrichte nach dieser Methode
rasch erzielt werden, da er zugleich anerkennen muss, dasa in den
folgenden Teilen des Lehrbuches das ganze System der Etymologie
und Syntax in der vollständigsten Weise entwickelt wird.
Zur Begründung des Gesagten folgt eine kurze Darstellung des
in beiden Cursen bebandelten Stoffes I. Curaus, 1. Abteilung
bietet vor Allem Regeln Ober die Aussprache des Französischen und
zwar so vollständig und so treffend, wie sie nur derjenige verfassen
kann, der als geborner Deutscher das Deutsche genau kennt und
zugleich so lange in Frankreich gelebt hat , dass ihm das Französische
zur zweiten Muttersprache geworden. In den ersten Lektionen werden
dem Schüler leicht zu merkende Wörter mit dem Praesens von avoir
eboten; dadurch wird schon in der ersten Stunde ermöglicht, kleine
ätze zu bilden und das Sprechen zu üben. In den folgenden Lektionen
kommen de und d zur Anwendung, um den Genitif und Datif der
Hauptwörter ohne Artikel zu bilden , während die schwierigere
Deklination des bestimmten Artikels erst folgt. Denn in den ersten
Teilen des Buches ist nur das Leichteste behandelt, das Schwierigere
aufgespart.
Es folgt nun die Bildung der Mehrzahl, der Teilungsartikel, das
Zahlwort von I — 20, das Adjectif, einige Fürwörter, das Präsens von
ttre, der Indicatif der übrigen Zeiten von avoir und etre, die Verneinung
und die einfachen Formen der I IL und III (= IV.) Conjugation;
denn zur Vereinfachung wurde die Conjugation der Verba auf oir, die
der Franzos als regelmässige Conjugation aufnimmt, hier ausgelassen
und zu den unregelmässigen gerechnet, weil sie wegen der vielfachen
Veränderungen des Stammes der Zeitwörter weniger zu den 3 regel-
mässigen Conjngatio^cn , die ihren Stamm nicht verändern, als zu den
unregelmässigen passt. An diese schliessen sich die persönlichen Für-
wörter, Zahlwörter. Ergänzungen zu der regelmässigen Conjugation,
die passive und reflexive Form. Die behandelteu Wörter und Regeln
werden durch zahlreiche Uebungsbeispiele wiederholt und den Schülern
so oft vorgeführt , dass er sie leicht im Gedächtnisse behalten kann.
Diese Wiederholung des Vorausgegangenen wird dem Schüler in
diesem Buche vollständiger geboten, als in jedem andern.
I. Cursus 2. Abteilung enthält die unregelmässigen Zeitwörter,
aber nur stufenweise, indem die leichteren und gebräuchlicheren, nach
Conjugationen eingeteilt, immer nur in solcher Anzahl gelehrt werden,
dass sie der Schüler auch verdauen und durch hinreichend gebotene
üebung fest einprägen kann. Dazu werden schwierigere Regeln über
Fürwörter, unpersönliche Zeitwörter, überBilduug des Femininums der
Eigenschaftswörter, über Neben-, Vor-, Binde- und Empfindungswörter
eingefügt, so dass hiemit die Formenlehre abgeacblosst n wird. 15 Kr-
zählungeu zum Uebersetzea in das Deutsche sind nach Inhalt und Korm
genau dem bereits behandelten Lehrstoffe angepasst, so dass sie der
Schüler leicht übersetzen kann; den Scbluss bildet ein alphabetisches
Verzeichmss der unregelmässigen und mangelhaften Verben mit Angabe
der 4 Stammzeiten und der Abweichungen von denselben.
II. Cursus 1. Abteilung. In dieser werden die leichteren und
notwendigeren Regeln der Syntax in systematischer Ordnung vorgeführt,
nämlich: Wortstellung, Artikel, Hauptwörter, de und d mit und ohne
Artikel, Eigenschaftswort, Zahl-, Für-, Neben-, Vor-, Binde- und
Empfindungswort; dann die Zeitwörter, Rektion derselben, Regeln über
380
Jmparfait, Difini , Subjonctif, Infinitif, Participe. Daran reihen sich
4 französische, 5 deutsche Krzählungen zum Uebersetzen.
II. Cursus 2. Abteilung ergänzt ausfühl lieh die erste \bteilung
und bietet Alles, was zur genauen Kenntnis» der Sprache gehört.
Besonders ausführlich findet man die Stellung der Eigenschaftswörter,
die Neben- und Vorwörter, die Uebereinstimmutig des Zeitwortes mit
seinem Subject, die Verneinung, die Folge lier Zeiten, S'ubjoncHft
Infinitif und Participe passe. Dazu kommen 3 zusammenhängende
französische und 3 deutsche Erzählungen. Ueber die in beiden Ab-
teilungen des II. Curs enthaltenen Wörter ist jeder Abteilung ein
alphabetisches Verzeichnis* beigefügt; den Schluss des ganzen Buches
bildet ein alphabetisches Sachregister über den Gesamintinhalt der
Grammatik.
Soviel über Inhalt und Form des Werkes ; wenn ich nun auch mit
der Methode vollkommen einverstanden bin und die gründliche Be-
handlung des grammatischen Teiles, sowie die Reichhaltigkeit und
sorgfältige Auswahl der Ucbungsbeispiclc anerkenne, so muss ich doch
den Verfasser auf Einiges aufmerksam machen, was bei einer neuen
Auflage geändert werden dürfte:
1) Bei den deutschen Eigennamen z. B. I. Curs p. 23
dürfte der Artikel besser wegfallen, Karl, Karnline statt: der Karl,
die Karoline.
2) Wenn sich derjenige auf ein vorhergehendes Substantiv
bezieht, tritt dafür der, die, das ein z. B. I, I p. , 30 derjenige deines
Freundes etc.
3) Die Stammzeiten sind erst hei den unregelmäßigen Verben
angegeben; wenn auch die regelmässige Conjugatit.n ohne Stamm-
zeiten gelernt werden kann, so dürfte sich doch empfehlen, diese Stamm-
zeiten gleich bei Lektion 52 des I. Curs p. 131 anzuführen, damit sich
der Schüler dieselben fester einprägen und dann bei Behandlung der
unregelmässigan Verba sicherer vorgehen kann.
4) l>a der 11. Curs vollständig systematisch geordnet sein soll,
werden die von Lektion 23 de?» II. Curs p. 79 ff. behandelten Verba
besser vor die Nebenwörter p. 04 gesetzt; das Nämliche gilt für die
2. Abt. dieses Curses
5) Ebenso wie am Schlüsse jeder Abteilung des II Curses sollte
auch jeder Abteilung deB 1. Curses ein alphabetisches VVürter-
verzeichniss angefügt sein, damit der Schüler, besonders der
schwächere, ein oder das andere Wort, das er trotz aller Wiederholung
vergessen hat, schnell nachschlagen kann.
6) Die Wörterverzeichnisse und das Sachregister
bedürfen vielfach der Vervollständigung, z. B. II, 2 p. 380 besetzt,
enrichi fehlt garni, wie es Nro. 179 übersetzt wird, p. 388 fehlt sich
einbohren — se fixer, entreissen = enlecer, p. 389 Erbprinz
prince hereditaire , p. :191 halb geschwellt ä demi en/lz,
heraufbeschwören evoquer, p. 392 hohe Schule academie,
p. 395 Pelias — eschene i'elias = frene de Pelion, p. 399 zu
umgeben -- entourer fehlt environner zu Nro. 159, Vergleich -
Convention, p. 400 zu versetzen = transporter fehlt repliquer zu
Erzählung IV, p. 401 wag»-n tenter Nro. 175 und = riaquer
Nro. 304 etc. — Denn im Sachregister p. 405 zu aller, aller au devant
verschieden von d la reconlre 11,284, nach apercevoir fehlt Apposition
mit und ohne Artikel 11, 12 n. 208; nach changer fehlt chaque ver-
schieden von tout II, 265; p. 401 fehlt devant, aller au devant U, 284;
381'
nach en gehört entgegen gehen II, 284: nach il y a fehlt il est ver-
schieden von c*est 11 254; p. 405 vor la plupart gehört langer als
I, 160 etc.
Wenn ich nun Adelmann's Grammatik mit anderen vergleiche, so
komme ich zu folgendem Schlüsse: Erstere enthält einmal deu gramma-
tischen Teil so vollständig, dass beim Unterrichte weder Ergänzungen,
noch viel weniger eine zweite, Grammatik neben jener notwendig wäre;
dann bietet sie soviele Uebungsbeispiele. dass sie zur Einübung der
Regeln nicht nur vollständig ausreichen, sondern dass der Lehrer auch
mit denselben mehrere Jahre abwechseln kann , um das Cursiren •
geschriebener Uebersetzungen möglichst zu verhüten Dagegen bieten
die bisher gebrauchten Grammatiken teils den grammatischen Teil so
unvollständig, dass z. B. im vorigen Jahre an U Gymnasien 2 von
einander ganz verschiedene Lehrbücher in den einzelnen Klassen nach
einander genommen werden mnssten ; dadurch muss der systematisch«
Unterricht offenbar leiden; abgesehen davon, dass manche wie Ahn und
Machat sich überlebt haben; — teils enthalten sie so wenige Uebungs-
beispiele, dass viele Regeln in denselben gar nicht berührt werden,
wesshalb der Schüler sie nicht behalten kann; andere Regeln kommen
höchstens einmal in den Beispielen vor, wodurch der Lehrer genötigt
wird , die nämlichen wiederholen zu lassen Aber die bedauerliche
Folge hievon ist, dass die Schüler diese Beispiele zwar auswendig
lernen, dass sie aber nicht in den Stand gesetzt werden, Sätze mit
anderem Inhalt und in anderer Form zur Einübung der nämlichen
Regeln auch nur annähernd richtig zu übersetzen. Desshalb ist an
mehreren Gymnasien ausser der Grammatik auch noch ein Lesebuch
eingeführt, das aber oft mit der Grammatik in k* inem Zusammenhang steht.
Was nun schliesslich den Preis betrifft, so ist Adelmann's Gram-
matik in Anbetracht, dass an den meisten Anstalten Grammatik und
Lesebuch, an manchen sogar 2 Grammatiken und Lesebuch eingeführt
sind, jedenfalls billiger, als jene zusammengenommen : zudem wird ein
mehr geeigneter Druck des 1. Teiles des II. Curses den Umfang und
somit den Preis in etwas verringern.
Desshalb darf Adelmann's Lehrbuch den humanistischen und
Realgymnasien, den Gewerbschulcn und andern Anstalten mit gutem
Grunde empfohlen werden.
Landshut. Zeiss.
The First Story -Book by C.H. Abbehusen. Berlin. Published
by Robert Oppenheim 1875.
Diese Erzählungen, Anekdoten und Gedichte sind hinsichtlich der
Sprache und des Inhaltes so gut ausgewählt, dass sie als erstes Lese-
buch für junge Zögliuge ganz geeignet und wol zu empfehlen sind.
Für Gymnasien erscheint die Anordnung derselben auf jeden Fall zu
bequem, da der grösste Teil der Wörter unter dem Text übersetzt ist,
wodurch das Verständniss zu sehr erleichtert und das Nachdenken des
Schülers fast unnütz wird. Ich ziehe immer ein am Ende beigedrucktes
Wörterverzeichniss vor. Die zum Nachschlagen verwendete Zeit lohnt
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382
sich reichlich. — Viele dieser Lesestücke finden sich bereits wörtlich
in anderen Uebungsbüchern und Grammatiken vor. Bei den Gedichten
ist nirgends der Verfasser genannt.
Elementarbuch der englischen Sprache für Anfanger von Dr. Franz
Meffert. Leipzig, Druck und Verlag von B. G. Teubner. 1875.
Ich kann dem günstigen Urteile, welches dirt Zeitung für das
höhere Unterrichtswesen (1874 Nr 23) über die vom nämlichen Ver-
fasser herausgegebene englische Schulgrammatik enthält, nicht ein
gleich vorteilhaftes Uber vorliegendes Elementarbuch beifügen. Die
knappe Behandlung der Regeln, die an der Grammatik lobend hervor-
gehoben wird, wird hie und da zur Uugenauigkeit. So p. 14: „Who
bezieht sich auf Masculina und Feminina, ichich auf Neutra, that auf
alle drei Geschlechter". Wie wird nach dieser Kegel der Schüler den
einlachen Satz : „Der Mond , welcher gerade autgegangen war eto "
richtig übersetzen? Dann gibt der Verfasser als erste Lesestücke eine
Reihenfolge von Abschnitten aus Dickens, bei denen jeder Schüler, der
weder ein regelmässiges noch ein unregelmässigos, oder, um beim Ver-
fasser zu bleiben, weder ein schwaches noch ein starkes Verb kennt,
vollständig in Verlegenheit geraten muss. Denn, wenn er unter
Anderem schon auf der 11. Zeile findet: ,,. . . and lay asleep in a
manger", wie soll er wissen, dass lay von to lie kömmt. Offenbar
kann er aus der unmittelbar vorhergegangenen Anmerkung , dass lying
von to lie kömmt, nicht erraten, dass auch lay dazu gehöre. Dieses
ist die Art und Weise, nach welcher es der Verfasser im vorliegenden
Buche vermeidet, den Schüler durch inhaltslose und triviale einzelne
Sätzchen zu ermüden, um ihn dafür, nach meinem Ermessen, vor einem
ihm unverständlichen Stück sitzen zu lassen.
Petits Contes pour les enfants mit Sprechübungen und Wortregister
von Fr. W. S te u p, 10 Aufl. Liegnitz, 1875. Verlag von H. Krumbhaar*
Diese vielbekannten Erzählungen vom Verfasser der Ostereier
liegen hier in französischer Sprache vor und bilden mit dem am
Schlüsse gegebenen Wörterverzeichnisse und den jedem Lesestücke
unmittelbar beigefügten Questions teils eine leichte Lektüre für junge
Schüler, teils eine gute Anleitung zur Conversation. In Bayern sind
sie etwa im 2. Curse der Gewerbschulen verwendbar.
Lectures instruetives et amüsantes ä V usage des ecoles von
Fr. W. Steup. Liegnitz, 1873 Verlag von II Krumbhaar
Uiese ans leichteren französischen Schriftstellern gut ausgewählten
Lesestücke sind, wie der Verfasser im Vorworte angibt, wol geeignet,
das Interesse der Jugend zu fesseln und den Geist zu bilden Auch
hier ist jedem einzelnen Lesestücke ein Questionaire beigefügt, um,
wie der Verfasser meint, den Unterricht zu beleben, und wol auch,
denke ich, um zum Nacherzählen und zur Conversation zu führen.
In Bayern scheinen sie der 3. Klasse der Realgymnasien sowol, als
auch an humanistischen Anstalten gut verwendbar. Am Schlüsse des
383
Buches finden sich fQr die einzelnen Lesestucke Wort- und Sach-
erklärungen. Da die Lektüre dieser Lesestücke unmittelbar der
Lektüre eines vollständigen Klassikers vorausgebt, so würde ich ein
alphabetisches Wörterverzeichniss vorziehen. Die Sucherklärungen
könnten dann passend bei jedem einzelnen Stücke sich finden.
Pleasing Tales , a selection of Anecdotes and little Stories,
accentuirt undmit Sprechübungen und Wortregister von F. W. Steup.
Liegnitz 1875. Verlag von II. Krumbhaar.
Diese Auswahl von Anekdoten und kleinen Geschichten kann als
erstes englisches Lesebuch für Schulen jeder Art empfohlen werden,
da sie viele Abwechslung bietet und in richtiuer Abstufung vom
Leichten zum Schwierigeren fortschreitet. Die beigefügten Questions
sollen auch hier zu kleinen Sprechübungen führen. Auf die Anleitung
zur Aussprache und auf die Bezeichnung derselben in den einzelnen
Lesestücken ist grosse Sorgfalt verwendet Am Schlüsse findet sich
auch in diesem Buche ein Wörterverzeichniss mit beigesetzter Aus-
sprache, was ich, ohne jedoch andere Ansichten bekämpfen zu wollen,
in Büchern, die für die Schule bestimmt sind uud die der Schüler
unter Anleitung des Lehrers liest, nicht liebe. Wie in allen derartigen
Lesebüchern finden sich auch hier viele schon anderwärts gelesene Stücke.
S. Fränkel'8 französisches Lesebuch für die unteren Klassen etc.,
von Dr. K. Brunnemann,2 Teile mit einem Wörterbuche, 3. Aufl.,
Berlin 1875. Julius Imme's Verlag.
Die Anordnung des Lesestoffes, die Heifügung von gleichartigen
Sätzen nach jedem Lesestücke zum Uebersctzen in's Französische und
namentlich die Auswahl der Sätze sind wol geeignet, dieses Lesebuch
als eines der besseren vorhandenen Uehungsbücher zu empfehlen.
Dennoch finden sich auch hier kleinere Bedenken. Bei den mit h
beginnenden Wörtern ist es dem Schüler sicherlich schwer, herauszu-
finden, ob das h aspirirt oder stumm ist, so z. B. p. 14 hanneton, p. 15
hirisson etc. Die Behandlung iler Fürwörter vor den Zeitwörtern hat
im Französischen stets die grössten Schwierigkeiten und bringt den
Schüler in manche Verlegenheit So ist hier der erste Satz : „Der
Friede der Seele ist kosthar, er macht uns glücklich" wol einfach und
passend gewählt- Nun beginnen wir aber als Schüler ihn zu übersetzen.
Nach halbstündigem Suchen fand ich p. 16 faxt macht, p. 36 rendit
machte. Wir werden also ohne Zweifel macht fälschlich mit faxt
übersetzen. Zu entscheiden, ob der Versuch im 2 Teile, wo der Ver-
fasser den Lesestoff teilweise den übrigen Disciplinen entnommen hat,
geglückt ist, muss ich jenen Collegen überlassen , die dieses Uebungs-
buch beim Unterricht benützen. Mir scheint es z. B. gewagt, die
Regeln für die Städtenamen im Lateinischen in französischer Sprache
zu erörtern, ohne beim Schüler Verwechslungen zu befürchten.
München. Dr. Wall n er.
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384
Die Grundidee des Hermes vom Standpunkte der vergleichenden
Mythologie von Dr. Christian Mehlis Erlangen 1875. lte Abt.
Solche Arbeiten thun not, soll einmal klares Licht aber die
Mythologie vorbreitet werden. Sehr schön ist die Auffassung des
Hermes l. als des Gottes des Sonnenaufganges, 2tens des Sonnen-
unterganges und 3tens in seiner utilitari sehen Bedeutung für die
Menschheit. Im ersten Abschnitt werden die Beinamen des Hermes
besprochen z. B. oVtxfopoc ((f*-«x- d h. &t« und t]xv) ~ der Renner,
Stürmer und Hr Mehlis setzt das analoge Wuotan bei (von vatan =z
trannmeare, dt-t'x-io). Sogar der Lichtgott Baldr, verw. zu goth.
balts celer, ttQyoq hü'to noch verglichen und auf 'Egurtg seihst auf-
merksam gemacht werden können; denn KQu-r^ lüsst sich mit skr.
saramd f. diu wandelnde, wandernde verbinden, wieder vergleichlich
mit nord. Gangrädr, Gänleri , Vidßrull (der Weitfalirer) , Vegtamr,
lauter Bcinan en des Wuotan und zusammentreffend mit Jänus (zu skr.
ja -na gebend) — Das merkwürdig? Beiwort 'jQysiyot'Ti]$ heisst nicht
„Argostödter", sondern -epovrtis ist äol. Form -tpdvrm und bedeutet
der Hellstrahlende. S. 33 und 30. Der Name '£tyu$c fällt mit iQ-fti$
die Stütze, i'oit« zusammen. S. 19. Ich erlaube mir hier auf die
Analogien in meinem Lexicon etym. (S 203) aufmerksam zu machen,
wo die Asen auch als Joxoi Stutzen erklart und mit skr. mülasthäna
die Stütze, daun auch Gott, verglichen werden. Die Dioskuren hiessen
ebenso „Asen", foxayu; s. Gust Meyer p 74. — Der Beiname 6air6g
eraiQOi wird als Opferfreund erklärt und auch hier möge es mir
gestattet sein, auf mein Lexicon zu verweisen, wo S. 72 das verwandte
dap'8 als mit altn. taf-n (~ althochd. zep-ar) das Opfer zusammen-
hängend) erklärt wird. — Das S f>f> angeführte BW. r/cVa| der
Lügner hat, wie ich glaube, ursprünglich den üeberredner, Beredner
bedeutet, wol zu skr. bhan-nti reden, also eigentlich facundus, Xoyiog.
Dessgleichen dürfte dem B.W. xXcipiygtoy neben der Bed. „diebisch"
auch die von „sch liessend" (den Tag „schliessend") zugekommen sein,
verglcichlich zu Clusius (Janas). Die Bedeutung „schliessend" liegt
auch in xAfVirw, verw. zu altbulg. za-klop-iti claudere. S. Joh. Schmidt
„zur Geschichte des indogerm. Vocalismus', zweite Abteil. S. 285.
Möge bald ein zweiter Teil solcher Arbeit der gelehrten Welt
geboten werden.
Freising Zehetmayr.
Literarische Notizen.
Aufgaben für das elementare Ilecbnen in einer neuen, durch das
Münz-, Mass- und Gewichtssystem des deutschen Reiches bedingten
Stufenfolge. Nach den Intentionen der kgl. Regierung zu Potsdam
bearbeitet von W.Adam, kgl. Seminarlehrer. 2. gänzlich umgearbeitete
Auflage. Verlag von A. Stein in Potsdam.
W. Bertram. Grammatisches Uebungsbuch für die mittleren
Klassen des französischen Unterrichts. Zusammengestellt in genauem
Anschluss an die Ploetz'sche Schulgrammatik, Heft 1 und 3. Berlin.
Verlag von E. Kobligk. 1875. Eignet sich vortrefflich zum Unterricht
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385
Titi Livii ab urbe condita Uber XXII. Für den Schulgebrauch
erklärt von Eduard Wölfflin. Leipzig, Teubner, 1875. I AI. 20 Pf.
Die Ausgabe legt den Text von Weissenborn zu Grunde, bietet aber
manche Abweichungen , vorzugsweise nach Madvig. Die Noten sind
ausreichend und im Ganzen zutreffend. Ein Kärtchen zeigt das Schlacht-
feld am trasimenischen See.
Titi Livi ab urbe condita Uber L Für den Schulgebrauch erklärt
von Dr. Mor. Müller. Leipzig, Teubner. 187 >. 1 M 50 Pf. Eine
neue Bearbeitung der Ausgabe von Frey. Auch hier ist der Text nach
Weissenborn, mit einzelnen Abweichungen , meist fach Madvig, kon-
stituiert. Das Buch will nicht Schülern, sondern geübteren Livius -
Lesern und Lehrern dienen. Die Eigenartigke.it des Livianischen
Sprachgebrauches ist möglichst bemerkbar gemacht und zum Bewusst-
sein gebracht; auch der deutschen Uebersefzung wird an schwierigen
Stellen nachgeholfen. Die Einleitung ist kurz, aber ausreichend;
Verweisungen auf eine Grammatik oder auf philologische Werke sind
ausgeschlossen.
Plutarch's ausgewählte Biographien. Für den Schulgebrauch erklärt
von Otto Siefert und Friedr. Blass. »Ues Bündchen. Tiberius und
Gaiua Gracchus von Dr. Friedr. Blass. Leipzig, Teubner, 1875 Wie
die vorausgegangenen Bändchen eingerichtet.
Quellenbuch zur alten Geschichte für obere Gymna9ialklassen.
II. Abteilung. Römische Geschichte bearbeitet von Dr. A. W ei du er,
Direktor des Gymnasiums zu («iossen. I. Heft 1874. II. Heft 1875.
Zweite verbesserte Auflage. Leipzig, Teubner.
Cornelii Taciti Historiamm libri qui super sunt. Schulausgabe von
Carl Heracus. Zweiter Band. Buch III — V. Zweite vielfach ver-
besserte Auflage. Leipzig, Teubner. 1875. 1 M. 80 Pf
Xenophons Anabasis. Für den Schulgebrauch erklärt von Ferd.
Voll brecht. Zweites Bändchen.- Buch IV - VII. 5. verbesserte
und vermehrte Auflage. Leipzig, Teubner. 1875 1 M. 50 Pf-
M. Tullii Ciceronis Laelius de tmicilia. Für den Schulgebrauch
erklärt von Gustav Lahmeyer 3. verbesserte Auflage. Leipzig,
Teubner. 1875. 60 Pf.
Börners Ilias. Für den Schulgebrauch erklärt von K. Fr. Am eis.
Erster Band. Drittes Heft. Gesang VII IX. Bearbeitet von Dr. C.
Hentze. Leipzig, Teubner. 1875. Text und Noten sorgfältig
überarbeitet.
Sophoclis tragoediae. Recensuit et explanavit TT. Wundern s.
Vol I. Sect. 1. continens Philoctetani Kditio quarta, quam curavit
N. Wecklein. Lips., in aed Teubner MDCCCXXV. 1 M. 50 Pf.
Die Einrichtung der Wunder'scchou Ausgabe ist mit, all' ihren Vor-
zügen beibehalten, nur hat der Verlässei- die kritischen Noten unter
dem Text entfernt und sie, soweit sie zur Erklärung gehörten, dem
übrigen Kommentar einverleibt, ausserdem in den Anhang verwiesen
Text und Erklärung zeigen überall die Sorgfalt des neuen Herausgebers.
P. Ovidius Naso ex iterata R. Merkeiii recognitione. Vol. IL
Metamorphoses cum emendatiotiis summario. Lips. in aed. Teubneri.
MDCCCLXX V
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386
P. Ovidii Nasonis Metamorphoses. Auswahl für Schulen. Mit
erläuternden Anmerkungen und einem mythologisch - geographischen
Register versehen von Dr. Joh. Siebeiis. Zweites Heft, Buch X — XV
und das mythologisch • geographische Register enthaltend. 8. Auflage.
Besorgt von Dr. Friedr. Polle. Leipzig, Teubner. 1875. I M. 50 Pf .
Handbuch der Religion und Mythologie der Griechen und Römer
für tiymnasien von H. W. St oll. .Mit 32 Abbildungen. 6 Auflage.
Leipzig, Teubner. 1875. 231 S. in 8. Das Werk, welches auf dem
Standpunkt der neueren Wissenschaft steht und dem Schüler kurz das
Notwendige bietet, ist ganz geebnet, einesteiles bei der klassischen
Lektüre zu unterstützen, anderseits auf grössere mythologische Werke
vorzubereiten. Die neue Aufläse unterscheidet sich vou den voraus-
gehenden nur durch unwesentliche Aenderungen.
Thucydidis de hello Peloponnesiaco libri oclo. Herum recognovit
et praefatus est Godofredus B nehme. Vol. I. II. Lips. in aed.
Teubneri. MDCCCLXXV. ä Vol. IM. 20 Pf. Der lange Zwischen-
raum zwischen der ersten und der vorliegenden zweiten Auflage hat
vielfache Veränderungen notwendig gemacht
Thucydidis de hello Pelponnesiaco libri VIII ed. Poppo.
Vol. II Sect. II editio altera, quam ait.vit et emendavit Joh. Math
Stahl. Lips. in aed. Teubneri. MCCCCLXXV. 2 M. 25 Pf
Sophokles. Erklärt von K W. Schneidewin. Viertes Bändchen
Anligone. 7. Auflage von A. Nauck Berlin, Weidmann. 1875.
Cicero's ausgewählte Reden erklärt von K Halm III. Bändchen.
Die Reden gegen L. Sergius Catilina, für P. Corn. Sulla und für den
Dichter Archias. 9. verbesserte Auflage. Berlin, Weidmann- 1875.
Materialien zu griechischen Exemtion behufs Einübung der Verba
auf fit, der unregelmässigeu Verba und der Syntax der Kasus von
Dr. Aug DihJe. 3. vermehrte Auflage. Berlin, Weidmann. 1875.
296 S. in 8. Die Beispiele sind zahlreich, auch an zusammenhängenden
Stücken fehlt es nicht. Die Beispiele für die einzelnen Kasus verbreiten
slfch gleich über die manniebfacben Anwendungen derselben und sind
nicht nach den einzelnen Begeln geschieden. Die Vokabeln unter dem
Text sind sparsam angegeben ; das übrige ist im Wörterverzeichniss
zu. suchen. Verwiesen ist auf die Grammatiken von Curtius, Koch
und Krüger.
Die deutscheu Klassiker, erläutert und gewürdigt, für Gymnasien,
Real- und höhere Töchterschulen von Ed. Kuenen. 1 Bändchen.
Schillers Wilhelm Teil. 1876. Verlag von C Römke und Co. in Cöln.
Preis 75 Pf. 71 S. in 16. Eine Einleitung gibt Winke für die Ein-
richtung des deutschen Unterrichtes , namentlich in Bezug auf die
Lektion. Dann folgt eine kurze Inhaltsangabe des Stückes, die Ex-
position und Entwicklung der Handlung, wie sie sich in den 5 Akten
abwickelt, eine Schilderung der Charaktere, die Darlegung der Idee, das
Notwendige von der Entstehung des Dramas und seiner Quelle, seiner
Geschichte und der zu Grunde liegenden Sage, endlich eine Sammlung
von Sentenzen. Auf die Worterklärung im Einzelnen lässt sich der
Verfasser nicht ein.
Dispositionen über Themata zu deutschen Arbeiten für die oberen
Klassen höherer Lehranstalten von G. L euchten berger. Bromberg
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387
1875. Mittler'sche Buchhandlung. 168 S. in 8. Das Buch enthält
38 Themen allgemeinen Inhaltes, und :17 im Anschluss an die Literatur
und Lektüre. Die Dispositionen sind ziemlich eingehend, geben für
Schüler vielleicht teilweise zu viel; sie sind übrigens wol durchdacht,
auch im allgemeinen gut gewählt.
Tabellarische Uebersicht der griechischen und römischen Geo-
graphie und Geschichte. Von Dr. W. Pfitzuer. Parchim, H. Wehde-
mann's Buchhandlung. 1874. 64 S. in 8.
A u s z ü g e.
Zeitschrift für d i e ö s t err e i ch is ch e u Gy ra n asi e n. 7.
I. Zur Kritik derAnnalen von (Nieder-) Altaich. Von H. Zeissberg
in Wien. (Das Annalenwerk sei in seiner gegenwärtigen Form das Produkt
einer nochmals erfolgten Redaktion, dein mit Ausnahme der späteren Jahre
frühere Aufzeichnungen zu Grunde lagen. Möglich dass die in redigierter
Gestalt vorliegenden Annalen ursprünglich das Werk mehrerer Müuche waren). -
IV. Nekrolog des am 18. Juli verstorbenen Mitredakteuni der Zeitschr.
f. d. österr. G. Joh. Gabriel Seidl, bedeutend als Gelehrter und Dichter.
8. 9.
t Beiträge zur Kenntniss des attischen Theaters. VI. Mit einer
lithograph. Tafel. Von Otto B enndorf. Handelt von den Marken. —
Kritische Miscellen. Von Dr. Fr. Pauly. (Zu Caes b. g). — Zu Michael
PBellos dem Jüngeren. Zum Gedichte negi Xovtftov. Von Isidor Iii lb erg.
Zeitschrift für d. Gymnasialwescn 8
I. Rhythmische Studien Von Dr. E. v. Sallwürk. — Jahresberichte
des philolog. Vereins zu Berlin: Horatius; Caesar.
9.
I. Vorschläge zu einer vereinfachten praktischen Schulgrammatik der
hebräischen Sprache. Von Prof. Rath.
III. Jahresberichte des philolog. Vereins zu Berlin: Caesar. Von Dr.
Richard Müller.
Statistisches.
Ernannt: Prof. Heiss in Straubing zum Lyc -Prof. in Passau; die
Studl. Himmer in Landshut und Baldi in Würzburg zu Gymn. -Pro-
fessoren in Burghausen; Studl. Wieden) ann in Regensburg zum Prof. in
Straubing; Aas. Siessl (Konk. 1872) in Landshut zum Studl. in Kaisers-
lautern; Ass. Proschberger in München (Wilh.-Gymn) (Konk. 1872)
388
zum Studl. in Regensburg; Stadl. Netzle in Zweibrücken zum Prof. in
Hof; Stadl- Barnikel in St. Ingbert zum Subrektor daselbst; Math.-L.
An schütz an der Gew. -Seh. in Zweibrücken zum Studl. in Neuburg;
Ass. Dr. Zipperer in Würzbarg (Konk. 1873) zum Studl. daselbst; Ass.
Hei in reich in Zweibrücken (Konk. 1873) zum Studl. in Augsburg
(St Anna); qu. Studl. Schmidt zum Studl. in Kempten; Ass. Liebl
in Passau (Konk. 1873) zum Studl. in Günzburg; Ass Zehl (Konk. 1873)
in Speier zum Studl. in Windsheim; Ass. Volkert (Konk. 1873) in
Nürnberg zum Studl. in Landau; Ass. Hcilfritzsch in Bamberg
(Konk. 1873) zum Studl- in Blieskastel; Ass. Dr. Kbcrl am Ludw.-Gymn.
in München (Konk. 1872) znm Stull, in Neuborg; Studl. Ja ck lein in
Bamberg zum Prof. in Burghausen; Lehramtskand. Dr. Neudecker /uro
Ass. am Realgyam. in R< gensburg; Ass. Huber in Dilingen (Konk. 1872)
znm Studl in Wür/.bnrg; Ass Dr. Orterer am Ludw.-G. in München
(Konk. 1873) zum Studl. in Sehwoinfurt; Studl. Maurer in Neuburg zum
Prof. in Münnerstadt; Studl Richter in Hof zum Prof. in Zweibrücken;
Ass. Pflüg 1 in Arnberg (Konk. 1872) znm Studl. in Hof; Ass. Roth bei
St. Anna iu Augsburg (Konk. 1873) zum Studl. in Kaiserslautern; Ass.
Senge r am Max-Gymu. in Münchm (Konk. 1873) zum Studl. in Dürk-
heim; Ass. Rummi'lsberg.'r am Realgymn. in München (Konk. 1872)
zum Studl. in Lndwigshafen ; Ass Franziss in Landau (Konk. 1873) zum
Studl. in Grünstadt; dcrRel-L. an der lat. Schule des Wilh - Gymn. Stifts-
vikar G. Megsmcr zum Rel - Prof. am Max-G. in München; zum Hilfs-
lehrer für Realien an der Industrieschule in Augsburg der Realienlehrer an
der dortigen Kreisgewerbschule G. Pumpl ün; Lehramtskand. Ley zum
Lehramtsverw. für die neueren Sprachen an der Gewerbschulc zu Landau;
Lehramtskand. Hasenklever zum Lehramtsverw. für den Zeichenunterricht
an der Kreisgewerbschule in München ; zum Lehramtsverw. für Realien an
der Gewerbschule in Hof der Lehramtskand. Adler; Lehramtskand. Botz
zum Lchramtsveiw für den Unterricht im Zeichnen an dor Gewerbschule
in Kaufbeuern; Ass. Weber in Bayreuth zum Studl. in Speier.
Versetzt: Studl. Mayer von Burghausen nach Landshut; Prof.
Stähl in von Hof nach Straubing; Studl. Plank von Blieskastel nach
Winnweiler; Studl. Scbed Ib.iuer von Neubirrg nach Bamberg; Prof.
Hin hack von Burghausen nach Eichstätt; Ass. Hoff mann von Ansbach
nach München (Uealgymn); Prof Dr Walberer von Münnerstadt nach
Hof; Stndl. Hörner von Nördlingen nach Zweibrücken; Studl. Röder in
Nürnberg vom humanistischen ans Realgymnasium.
Qniesciert: Studl. Dr. R ied enauer inWürzbnrg; Prof. Britzel-
mayr in Eichstätt; Prof. Zink in Schweinfurt; Prof. Butters in
Zweibrücken.
Gestorben: Studl. Heinr. Stadelmann in Speier.
Oedruckt bei J. GotteJiwiriter Si. Müssl in München, Thcatinerstruse Ift.
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üeber den „Hellespont" mit Berücksichtigung der gleichnamigen
Artikel In den Iteal Wörterbüchern von Paul), Kraft und Ltibker.
Es ist nicht wenig zu bedauern, dass die vorzüglichsten Historiker
des griechischen Altertums weder in sprachlicher noch sachlicher Hin-
sicht bereits die Durcharbeitung gefunden haben, welche dieselben in
so hohem Grade für Wissenschaft und 8chule verdienen.
Abgesehen davon , dass sie durch' einen nach Möglichkeit gereinigten
Text ihrer ursprünglichen Einfachheit, Wahrheit und Schönheit naher
gebracht und so bei grösserer Lesbarkeit der studirenden Jugend eine
nicht blos ansprechendere, sondern auch erspriesslichere Lektüre
gewähren würden , es würde auch dio Ausbeute für alte Geschichte
und — was wir ganz besonders hervorheben wollen — für alte
Geographie eine sehr bedeutende werden. Sind ja doch die besten
Geschichtschreiber der Griechen — und das liegt in der Natur der
Sache — zugleich die zuverlässigsten und lautersten Quellen, denen
Stoff wie Form der alten Geographie entnommen werden können.
Und bei keinem Lande der alten Welt möchte sich von diesem
Gesichtspunkte aus die Notwendigkeit einer durchgreifenden Reform
mehr rechtfertigen , als bei dem allerwichtigsten , bei Griechenland
selbst. Denn gerade bei diesem Lande lasst uns die bisherige
Hauptquelle, der in so vieler Hinsiebt unschätzbare Strabon , nur zu
häufig im Stiche oder führt uns auf Abwege Um von der argen
Lückenhaftigkeit und Verderbtheit seines Werkes nicht zu sprechen,
so kennt er jenes wichtige Land nicht genau genug, bebandelt es
einerseits zu sehr nach dem Zuschnitte seiner Zeit und hat andrerseits
wieder den Kopf zu voll von Homer, so dass gerade die wichtigsten
Zeiten Griechenlands am leersten ausgehen. Man vergleiche z. B.
seine in unsere Bücher und Karten nur zu treu übergegangene Dar-
stellung Thessaliens, sowie der östlichen Lokris mit dem, was wir bei
Herodot, Thukydides, Xenophon , Polybios und auch Pausanias darüber
finden, und man wird sich von der Bichtigkeit des Gesagten leicht
überzeugen können.
Indem ich Eingehenderes hierüber einer anderen Gelegenheit vor-
behalte, will ich jetzt an einem Beispiele zu zeigen suchen, wieviel
auch für die Darstellung der Kolonieländer der alten Hellas aus den
Historikern gewonnen werden könne.
Welchem Gymnasialschüler sollte nicht der Name Hellespont
bekannt sein? Hat er ja schon frühzeitig von dem grossartigen
Blätter f d. b«7«r. Uymn.- u. Ittl - Sehalw. XI. Jtfarg. 27
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390
Brückenbau gehört oder gelesen, welchen der Perserkönig Xerres
über jene Meerenge aufführen Hess , um sein ungeheures Heer gegen
das Mutterland der seiner Herrschaft unterworfenen Hellenen zu führen,
so wie dass in späterer Zeit Alexander von Makedonien zur Eroberung
des grossen Perserreichs dieselbe Meeresstrasse mittelst einer Flotte
überschritten habe!
Ist hierauf während des weiteren Geschichtsunterrichtes demselben
Zögling in Folge der Belehrungen eines die örtlichen Verhältnisse
besonders berücksichtigenden Lehrers noch manches Genauere über
jene wichtige Meeresgegend bekannt geworden, ja weiss er zuletzt alle
bemerkenswerten Städte auf beiden gegenüberliegenden Küsten der
Reihe nach aufzuzählen; dann wird es ihm nicht schwer dünken, sich
zurecht zu finden, so oft bei irgend einer Gelegenheit vom Hellesponte
die Rede sein sollte. Und wie häufig kann gleichwol bei der Lektüre
der Fall eintreten, wo derselbe, trotz aller vermeintlichen Bekannt-
schaft damit, nicht wissen wird, wie er daran sei! Es wird vielleicht
Herodots viertes Buch Kap. 76 gelesen , wo von 3er Rückkehr des
Anacbarsis in seine Heimat Skythien die Rede ist. Wird er da nicht
bei der Stelle: nXiotv de dV EXX^anot j ov ixQoaia^n ie Kv^ixov , fatl6
er anders gewöhnt ist, über das Gelesene nachzudenken, meiuen. es
solle eigentlich nkevoas de dC 'EXXrianovxov heissen, denn Kyzikos
liege ja an der Propontis und Herodot spreche hier entweder nicht
genau oder er habe sich geirrt? Was soll er ferner denken, wenn er
bei demselben Herodot (IV, 138) als Tyrannen der Hellespontier,
welche mit beauftragt waren , des Dareios Kriegsflotte nach der
Istermündung zu führen, nicht blos die von Abydos, Lampsakos und
Parion, sondern auch die von Prokonnesos, Kyzikos, Byzantion
aufgeführt findet, während er doch nicht anders weiss, als beide ersten
genannten Städte gehörten der Propontis , Byzantion dagegen diesem
Meere, sowie dem Bosporos an? Und doch bezeichnet der genaue
Herodot alle sechs zusammen zweimal, sowol vor (qoav de — 'EAxjj-
onovxl<ovTVQaw<n) als nach der Aufzählung (oviot pev yaav ol i$'EXXt}-
9:i6vtov) als dem Hellespout angehörig 1 Noch bestimmter spricht sich
derselbe Historiker (VI, 33 in ) aus : eiai de i» t/j EvQunp aYde toi
'T.XXnanovxov. Xe(>o6vr{o6s re 4y rjj noXieq ov/mi eveioi xui TJeQtvSog
xai — ZrjXvßQti] re xui Bv^avnov vgl. V, 103 m. nXevanvTes de ig tov
' EXXqonovtov (o/ "Iwyee) Bvticvriov re xai ras aXkac JioXig anaaas ras
xavxfi tJ/f' iutvToiot inottjouvro) sowie ganz ähnlich Xen Hell IV, 8, 31,
wo nach Nennung von Byzantion und Kalchedon mit x«t ul aXXai'EXXr)-
anovxwt noXeis fortgefahren wird.
Diese wenigen Beispiele von vielen werden schon zur Genüge
einen Beleg geben zu dem, was Strabon, obwol er selbst Hellespont
und Propontis von einander trennt und diese Trennung bereits bei
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Abydos und Sestos herinnen lässt (p. 108. 124. a. f. 331, 52 a. m., p 663
a. m , 591 in.), an einer andern Stelle (p. 331,58) sagt: öxt'EXX^traoyxog
ov% ouoXoyeixtu 71 uQ« naaiv 6 avxog, dXXti do£at itepi avxov Xiyovxai
nXeiovg' ol ftey ydq oXijv xqy Dg onovx id « xaXovaiy 'EXXtjonoyxoy,
ol db fiegog xijg Ugoitovxidog To ivxog JleQivSov — x. ovroi ieXXog dXXa
«notefivofjiBvog' ol (jUv To dno 2iyeiov ini AdfAtyaxov xai Kv^ucov tj
JlttQtoy ij nqiitnov x. r. X.
Zu denen nun, welche zwar den Hellespont in dieser seiner
weiteren Bedeutung ziemlich oft, den Namen Propontis aber gar nicht
haben, gehören Thukydides, Xenophon, Demosthenes. Herodot bedient
sich diesen, schon bei Aescbylos (Perser, v. 875) vorkommenden Namens
nur dreimal: IV, 85 a. f. und V, 122 (zweimal), um in möglichster Kürze
eine genauere Unterscheidung von Meer und Meerenge zu gewinnen ;
doch findet sieb sogleich (IV, 86 a. f.) die Zusammenstellung o (xiv vw
Ilovxog ovxog xai BoanoQog xe xtti 'EXXijonoyxog , so dass in diesem
letzteren Ausdruck die Propontis schon wieder inbegriffen ist, womit
man noch vergleiche: IV, 38 m. rj ttxxij tj er^ij und 4>d*tog — naQa-
tetaiai — nuQa xe xov Uovxov xtti roV 'EXXytrnoyroy jue/pt liyeiov xov
TQtoutov und IV, 95 in. «V de iyto nvv»dvo^ai xciy xov 'EXXtjonoyxoy
olxeovxiov 'EXXtjyuty xai llovxov.
Bei Herodot befindet sich zwar eine Stelle (VII, 45), wo nur vom
Hellespont im engeren Sinne die Rede sein kann und es gleichwol
heis9t: <vg cTe üqu (6 Sigtrjg) ndvxa f*ey xov 'EXXtJtrnovx ov vno
xaiy yediy anoxsxQvjufJtyov , nttaag de xdg dxxäg x. xd Aflvdrjytoy nediu
inmXt'tt dy&QtoTWty und so wol auch Thuc. VIII, 62 f. Iqoxov noXiv xijg
XiQaoytjoov xafHaxuxo tfQovqioy x. tpvXaxriy xov navxog 'EXXtj a •
ndyxov (int. 6 2xQ0f4ßtx(d>}g). Doch gibt ja auch hier, wie anderswo,
der Zusammenhang an die Hand, in welchem Umfange der Auadruck
zu nehmen sei.
Und so möchte es einmal an der Zeit sein, den Namen Hellespont
in sein altes Recht wieder einzusetzen und nicht blos eine Meerenge
sondern auch ein Meer») darunter zu begreifen.
Wir erhalten auf diese Weise einen zwischen dem pon tischen und
ägai9chen Meere gelegenen, keineswegs unbeträchtlichen, Bestandteil des
ganzen grossen Griechenlandes. Derselbe umfasste einesteils das
sogenannte Vormeer des Pontos mit den beiden Meerengen des
Hellespont und Bosporos (von diesem letzteren jedenfalls die Ein-
mündungsgegend) andernteils sämmtliche die genannten Meeresteile
begranzenden, zur Hälfte zu Europa und zur Hälfte zu Asien gehörenden
Küsteu. Die zu einem grossartigen Handelsverkehr einladende Lage
derselben, ihre günstigen klimatischen Verhältnisse, die Mannigfaltigkeit
und der Wert ihrer Erzeugnisse bewirkten, dass bereits zwischen der
Mitte des achten und siebenten Jahrhunderts v. Chr. Hellenen aus dem
27*
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392
Mutterlande wie insbesondere ausJonien in jenen gesegneten Gegenden
sich eine neue Heimat schufen, welche, wie das umgränzte Meer, der
Hellespont genannt zu werden pflegten.
Davon kamen die an der asiatischen Küste gelegenen St&dte in
der Folgezeit unter die Herrschaft des ersten Perserkönigs. Bereits
der dritte König Persiens Hess nach seiner Heimkehr von dem Skytben-
zuge auch die an der europäischen Küste befindlichen unterwerfen b>.
Durch Joniens Erhebung gegen die Persermacht wurden auch
sämmtliche Städte des Hellespont zu einem ähnlichen Wagniss ver-
anlasst; doch gelang es den Persern, zum Teil durch Verrat, dieselben
sowie alle anderen griechischen Bestandteile ihres Reiches wieder zur
Unterwerfung zu bringen. Als nicht lange hierauf des Dareios Sohn
und Nachfolger seinen Kriegszug gegen AHhellas unternahm, sahen
sich auch die Hellespontier in die Notwendigkeit versetzt, durch
Stellung von hundert Kriegsschiffen zu des Grosskönigs Flotte daran
Teil zu nehmen«).
Der Rückzug der bei Salamis geschlagenen Perserflotte gab den
Hellenen des Mutterlandes das Signal zur Befreiung ihrer dem persischen
Scepter noch unterworfenen Stammverwandten. Daher der Zug der
griechischen Flotte im Frühjahr 479 an Asiens Küste, Vernichtung
des Restes der Perserflotte bei Mykale und Befreiung Joniens, welcher
die Einnahme von Sestos sowie im Jabre 477 die von Byzantion folgte,
welche letztere die Befreiung des Hellespont vollendete, wie die von
Sestos dieselbe begonnen hatte.
Durch den bald erfolgenden Uebergang der Hegemonie an die
Athener wurden auch die hellespontischen Städte dem Einflüsse
Sparta's entzogen und kamen allmählich mit Verlust ihrer Ring-
mauern und Kriegsschiffe als tributpflichtige Bundesgenossen unter die
Botmässigkeit jenes nun vorherrschenden Staates d> Zwar versuchte es
zur Zeit des samischen Krieges Byzantion seine Selbständigkeit wieder
zu erlangen, jedoch ohne Erfolg.
Erst mit dem gänzlichen Untergange der athenischen Kriegsmacht
auf Sikelien tauchen sowol in Jonien als im Hellespont Aufstands-
gelüste gegen Athen auf. Während diesmal Samos treu bleibt, lassen
sich vor allen Milet und Cbios namentlich durch den jetzt mit Lake-
dämon befreundeten Alkibiades zum Abfall bringen. In jenen nörd-
lichen Gegenden hatten die Peloponnesier unter hauptsächlicher Mit-
wirkung der Lakedämonier Derkyllidas und Klearchos , des Megarers
Helixos sowie des persische^ Statthalters vom hellespontischen Pbrygien
Pharnabazos die bedeutendsten Städte , darunter Abydos . Kyzikos,
Kalcbedon, Byzantion, zum Abfall von Athen vermocht. Zum Glück
für letzteren Staat war Alkibiades bald wieder gewonnen und schnell
brachte er durch die glänzendsten Waffenthaten , vor allen Beinen, die
»
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393
r
peloponnesische Flotte vernichtenden Sieg bei Kyzikos diese Stadt
selbst, hierauf die übrigen, selbst Kalchedon und Byzantion, und somit
das ganze kostbare Besitztum seiner Vaterstadt wieder zu.
In Folge des grossen Schlages jedoch, welcher die athenische
Kriegsflotte am Aegosflusse getroffen, wurden natürlich alle bisherigen
Teile der Herrschaft Athens wieder selbständig oder vielmehr sie
kamen unter die Herrschaft Lakedämons. Dies führte schliesslich
dahin , ilass im Antalkidischcn Frieden 387 wie alle Griechenstädte
Asiens so auch die "am Hellespont , und zwar von Sigeion bis Kal-
chedon , dem Perserköuige , der seine Ansprüche auf dieselben nie
aufgegeben hatte, wieder unterthünig wurden.
Nun kam aber auch von der entgegengesetzten europäischen Seite
des Hellespont ein Gewalthaber zum Vorschein, Philippos von Makedonien,
dessen immer weiteres Umsichgreifen in Thrakien ihn auch mit den griech-
ischen Städten der bellespontischeu Nordküste in Berührung brachte, wie
dies ein Jahrzohend früher mit denen an der dem ägäischen Meere zuge-
kehrten Seite desselben grossen Landes der Fall gewesen war Für diesen
musste es von besonderer Wichtigkeit sein, hier festen Fuss zu fassen,
um seine Hauptfeinde , die Athener, von hier aus durch Abschneidung
der ihnen so unentbehrlichen Getreidezufuhr aus dem Pontos auf das
Lmpfindlicbste zu treffen. Daher sein Angriff auf Perinth, dann auf
Byzantiou ; von welchen Städten erstere durch nachdrücklichen Beistand
von Byzauz und selbst von Persien her, letztere von Athen aus
gerettet wurde«).
Seit Alexanders Uebergang nach Asien ist der Hellespont beinahe
gänzlich als ein makedonisches Besitztum zu betrachten , dessen
europäische Küste nach des grossen Königs Tod an Lysimachos, den
Statthalter Thrakiens, kommt, während die asiatische d. h. Phrygien,
am Hellespont zuerst dem Leonnatos, dann bei der zweiten Teilung
der Provinzen dem Arrhidäos zufällt, nach dessen Vertreibung Anti-
gonos sich auch dieses Pbrygiens bemächtigt, welcher durch Gründung
zweier bedeutender Städte seines Namens, des späteren Nikäa, sowie
des den Eingang zum Hellespont beherrschenden nachmaligen Ale-
xandria Troas sich um jene Gegenden verdient macht, bis nach dessen
Besiegung und Tod bei Ipsos Lysimachos, der Erbauer Lysiniachia's, seinen
schon länger au den Tag gelegteu Wunsch (Diod. XIX, 57 p. in.) nach
Vereinigung beider Küsten unter seiner Herrschaft erfüllt sieht. Mit dem
Verfall der makedonischen Macht üben im Norden die Fürsten Thrakiens 0,
im Süden das neu entstandene Königreich Bithynien «) ihren Einfluss
auf die Beherrschung des Hellespontes aus Die Griechenstädte an der
Küste, deren Freiheit von den Nachfolgern Alexanders Antigonos, wenn
auch im eigenen Interesse, noch am meisten gewahrt hatte, wurden
derselben immer mehr verlustig.
394
Endlich dem römischen Reiche einverleibt, sollte jenes Meer mit
seinen Küsten m trotz mancher grossen Bedrängnisse') zu neuer Be-
deutung und zu neuer Blüte sich erheben, indem Diocletian tür die
Osthälfte des Reiches Nikomedia zu seinem Herrscbersitze erkor und
noch weit mehr, als Constantin der Grosse mit dem durch Umbau,
Erweiterung und Verschönerung veränderten Byzantion dem ganzen
Römerreiche eine neue, später mit seinem eigenen Namen bezeichnete,
glanzvolle Hauptstadt gab
Bemerkungen.
a) Ersteres nach Arr. An. VII, 9, 10 ev&vg [*kv tov 'EXXtjano'vrov
Vfitv tqv noqov SaXuoooxQttxovvtwv iv zip Tore flegadiv avetiraaa,
wo ich statt iioqov noQ&pov lese, so wie auch I, 11, 10.
Letzteres, nämlich SaXuaou q tov 'EXXrjanovrov nach Thuc. II, 96
p. in., wo statt der verderbten Worte: f*ixQl Wtfww &s Ev-
feivov ts novrov xai tov 'EXXqonovT ov zu ändern ist: f*ixQl
Mlaar.q rijg tov Ev^tvov TS hovtov xai tov 'EXXrjariovr ov. vgl. Hdt.
II, 33 f. tbXbvt^ de 6 "loTqog ig &aXaaauv ri?V tov Evgeivov :iovxov.
Und so ist an zwei Stellen des Thuc. I, 128, c. f. riepne ("tvifoa marov
&ii &aXa<rcav und c. 29, p. in. xai anooriXXei 'Agraßatov ini »äXaooav
der erklärende Zusatz rijV tov 'EXXrjanovrov zu ergänzen, sowie zu
niQav &aXa<ro-t}s (c. 129 c. to.) in ähnlicher Weise rt)g tov 'EXXqonovrov,
was die Herausgeber von Schulausgaben oder wenigstens die Lehrer
bei der Lektüre zu erinnern nicht vergessen sollten. An der
zuletzt augeführten Stelle dürfte auch auf das wohin? aufmerksam
gemacht werden, auf Daskyleion , die Hauptstadt des hellcspontischen
Phrygiens und Residenz des jedesmaligen persischen Statthalters — So-
wie in diesen drei letzten Beispielen von einer Ueberfahrt über das
h ellespontische Meer und nicht die Meerenge die Rede ist und
zwar von Byzantion nach Daskyleion und umgekehrt, so handelt
es sich bei Thuc. II, 67 w. um eine solche von Bisanthe (Hdt. VII,
137) nach derselben phrygischen Satrapenstadt Bei Xen. Hell. III, 2, 9
dtxtßaivei (6 JSQXvXXiöag) tov 'EXXtjonovrov ovv rw arqarevfxari ig r*jv
EvQoSurjv xai dui rpiXiag rfjg fig^xrjg nogevSeig xai gevto~9eig v\io 2* ev&ov
a<pixveiTai ig XsQQovqaov x. r. X. wol von Lampsakos nach P c r i n t h o s,
sowie bei Xen. An. VII, 5, 15 von Selymbria nach Lampsakos
(VII, 8, 1 in). So setzt des S. Severus Heer von Byzantion nach
Kyzikos über (Herod III, 2, 1).
Eine bestimmte Andeutung der Propontis findet man bei Arr. An I, 12,
11: og (int. 6 ÜQaxxiog noxapog) (tiutv ix xtov ögvSv rtov 'idaiiov ixdidoi ig
9aXaeaav rr]v pexaj-v xov 'EXXrjonovTov xe xai Ev£eivov novrov (Helles-
pont daselbst im eingeschränkteren Strabonischen Sinne); der Name
Propontis selbst steht bei demselben An. IV, 15, 11 und zwar mitten
zwischen dem des Hellespont und des Pontos.
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395
b) Der Hellespont erhielt als Bestandteil des Perserreiches
ebenso wie das gleichfalls unterworfene thrakiscbe Küstenland am
ägäischen Meere durch König Dareios in seinen bedeutendsten Städten
persische Statthalter. Hauptstelle II dt VII, 106 p. m xaxicxaaav ydg
Bit ngoxegov ravrqg xr\g iXactog vna{>/>u (int. vno Jaoetov) iv r/jl ∨(xr}
(— iv xoig naoa^akaooiotg xfjg Sgij(x^g) xai tov 'EXXijgnovxov navra^y.
Dass unter den letzteren der von Sestos (Hdt. VII, 33 p. m. 78 f.
IX, 115 in. und 115 in.) und der von Byzantion die Hauptrollen
spielten, ist klar.
c) die Hauptst«lle bei Hdt . VII, 95 m. ^EXXnana vxov o*h nXi}*
Jßvdrjvüy — ol öe Xouial ol ix tov n 6 vxov atqaxBvofABvo^ ist offen«
bar verderbt. Das! ol o*h Xotnoi ol ix xov 'EXXuenovxov gelesen
werden müsse, glauie ich in meinem zweiten Herodotischen Programm
(vom Jahre 185?) } 11 und 12 sowol in sprachlicher wie sachlicher
Hinsicht aus Herocbt selbst zur Genüge dargethan zu haben. Uebec
die Bedeutung des Sfamens Hellespont an dieser Stelle sprach ich mich
in folgenden Wortei aus: „Hellesp onti auf cm nomine hoc low non
fretum illitd angusaim , qnod Xerxes rex pontibus junxerit , inteüi-
gendum esse, sed nare illud satis amplum intet Aegatum Ponticumgue,
cujus tres partes praecipuas: Hell espontum proprie sie dictum,
Propontidem aque Bosporum Herodotus (IV , 86. 86) accurate
distinxit, et ex cettum navium longarum numero , quem illius regionis
incolae ad classen regiam miserunt et inde quod non Jonum modo
sed etiam Dorum coloni Graeci Uli nominantur satis apparet Erat
autem Hellespontts , aicut mare Aegaeum, »aXuaang rfjg 'EkXqvtxijg (V,
54 m l vel 'EXXyiöog (VII , 28 m.) pars, multo quidem quam illa
altera minor sed tarnen ipsa etiam Graeci s undique urbibus einet a,
ita ut inter magrus illas universae Graeciae regiones, quas vel potoat
tfjg 'EXXädog cun Herodoto (VII, 15? m.) vel pioi xaiv 'EXXtjvatv cum
Isocrate (Paneg. \ 169 f) dixeris , suo quodam jure referretur. cf.
Thuc. II, 9." Ich kann demnach weder mit H.Stein mich einverstanden
erklären, wenn er in seiner Ausgabe zu dieser Stelle bemerkt: „J/oVrow
hier im engeren Snne von Bosporos, Propontis und Hellespont" noch
mit E. Curtius, wacher in seiner griechischen Geschichte Band II p. 39
des Ausdruckes: „Inwohner des Pontus" sich bedient; denn weder das
Eine noch das Anlere möchte sich irgend rechtfertigen lassen.
d) Der Hellepont als Bestandteil des Gebietes der
athenischen lerrschaft genannt neben den Küstenbewohnern
Kariens, den Dortrn an derselben Küste, Jonien, der Küste Thrakiens
und der Inselwelt Thuc. II, 9. — VIII, 96 p. m. xai iv rowry 'EXXt}o~-
novtog x$ av r\v vvxoig xai 'itavla xai al vrjaoi xai xd /UC/pt Evßotag
xai <og eiiiBlv ij 4$)valu>v doxn näaa. - VIII, 86, c. m. iv y
aatpioxaxa 'loiviav xai "EXXijonovxov cv$vg bIxov ol noXi/Atot Plut. Ale.
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396
C. 26 p. m. sv&vf $xeiv vnq(?xe" «V"1**» 'ImIhv änaoav, 'EXX/jOnovxoy
xui rag v^tsovg. vgl. mit Thuc. VI, 77 c. m. <feifnt «rroi? o'r« ovx "/awfff
ra<Je cftri»' ovV 'EXXrjffnovxioi xai vrjouoxai x. x. X.
Die Steuereintreibung aus dem Hellespont öfter erwähnt Thuc
IV, 75 p. in. ol tiüv dgyvQoXoytay veoiv 'j&qyaivüy axgax^yoi ovreg
nsQi 'EXXqonovTov. Xen. Hell. IV, 8, 35 f.
Erhebung des Zehnten von der Ausfuhr der Schiffe aus dem
Pontos zu Chrysopolis durch Alkibiades Xen. Hell. I, 1 , 22, dagegen
wieder zu Byzantion durch Thrasybulos Jd IV, 8 . 27 § 31 und nur
im Allgemeinen mit angedeutet IV, 8, 34 « xttreaxevteev eV t«5 'EXXyo-
novxy SgaovßovXog.
e) Demosth. JPAi'Z. III §. 18 xiaiv olv v/teis xiydvyevaaix1 av
et ri yivoixo ; r m t 6 v 'EXXrjonovxoy aÄXtxgno&ijyai, x<3
MeyaQtov xai xrjg Evßolag toV 7ioX(fiovv9' vpiv y&'£oS-«i xvqiov, xtp
neXonovyijolovg xdxeivov <pQoyij<xai vgl. mit de cor. §. 71 und specieller
de cor. 87: eneidt] xoivvy ix xyg Evßoiag 6 ^iXinno^ i^Xd^tj — ixegoy
xiva xard xrjg noXetog tnn zt/KTuov 4£tjxfi. tiyuiv J öri aixio ndvxtav
dv&Qwntov nXeiory yQtafisP intiadxxto , ßovX6fieyo< xttg aixonopnekts
xvoiog yevioSkti, naoeX&ü>y ini &Q(cxi]g Bv^ayxtovg inoXiooxei x. x X.
§. 88 aXXu rie tjy 6 ßori^rjaag xoig BvCayxioig xai ooaug at'xovg: xig 6
xioXvaag xov 'EXXrjonovxov dnaXXoxQtu)9r}vai xux"1 txeOovg xovg xonvovg;
vftsig, o) aytgeg 'jfyvaioi x t. X. §. 93 §. 230 §. 241 adv. Leptin. § 60
vgl. mit Plut. Phoc. 14 a. m. Id. Demosth. 17 a. m. Liod. XVI, 74 - 77
— aus welchen teils vollständig mitgeteilten, teils nur angedeuteten
Stellen die Oberaus grosse Bedeutung Byzantions für den Hellespont
erhellt. Aus der herrlichen Stelle über den rct/ur^uot des Dcmostbenes
(de cor. §. 299 -- 303) lernt man auch die wichtigsten Punkte auf
der Getreidestrasse von Byzantion bis zur Hafenstad Athens kenneu:
Prokonnesos, Cherrh onesos , Abydos, Ten^dos, Euböa,
an deren Besitz oder Befreundung soviel gelegen seinmusste.
f) Von dem Einfluss auf die an der Nordküse des Hellespont
gelegenen Städte spricht bereits Xen. Hell. IV, 8, 2> (o &QuovßovXog)
Big xov 'EXXrjanovxov nXevaag xai xrcxafAa&ajy - yaxaadCotxug 'Auddoxov
xe xov 'OdQvotvy ßaaiXia xai Zev&rjv, xov ini &aXaxx[j«Qxorxat uXXyXoig
[Xtv dir]XXa£6v avxovg , 'j&qvaioig <ft tplXovg xai w/jpaxovg inoitjae
yojuit<av xai xovg vno xjj 9o<{Xf] (w0' zu le8en: ?*> xavxß xjt Öp^'xfl)
oixovcag noXeig 'EXXijvifug , cpiXotv ovxtov xovxtov , uuXXov nqoc4rti¥
ay xoig 'A&tjvaioig roV vovv. Womit verglichen werda kann, was Xen
weiter in Betreif der hellespontischen Südküste sagt §. 27:
ii rovxtoy xe xaXdg xai x<ov iv xij 'Aoiq noXtwy did ro ßaaiXea tpiXov
xoig Ufyyaioig ilvui nXtvoag dg BvStlvxtoy x. x. X verliehen mit §.31.
Uebrigens spricht schon Thuc. II, 9ii p. in. u. 67 m. v)j der Ausbreitung
der Herrschaft des Odrysenkönigs Sitalkes bis an den Hjllespont (Bisanthe) ;
vgl. Hdt. VII, 137 c. f.
%
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397
g) Nachdem bereits zur Diadochenzeit ein König der Bithyner
Zibötes nach dem Besitze von Astakos and Kalchedon gestrebt (Dd.
XIX, 60 p. m.) , gründete dessen SobD und Nachfolger Nikomedes I
nahe der Stelle des zerstörten Astakos Nikomedia als Residenz,
während Prnsias I Prusa und statt der zerstörten Städte Kios und
Myrlea Prusias und Apamea erbaute.
h) Umgeben war damals der Hellespont von den Provinzen:
Thracia (später Europa) , Asia (später Hellesponttts) und Bithynia
Der eben erwähnte Namen Hellespont in eingeschränkterer Bedeutung
für die Südwestküste des alten Hellespont, welche Bedeutung man
schon angedeutet findet bei Xen. Hell. 111,4, 11 IV, 3,17 wo zusammen
genannt werden "JttMf, MoXeis , 'EXXtjanovrtut , während dies nach dem
Sprachgebrauch der früheren Zeit wenigstens durch den Zusatz : ol
ini <f«£i« (ionXiovTi) müsste ausgedrückt werden vgl. Hdt. III , 90 m.
VI, 33 in. — Bezüglich des späteren Sprachgebrauches Zosim. I, 43
p. in. xai 7i uq an Xsv a avx s s rov 'EXX^anovtov (ol Zxv&ui) «XQ1
ts tov vA$tti 7i aoevex&s'yTes x. x. X.
i) Schlachten zwischen Severus und Niger bei Kyzikos und bei
Nikäa; dreijährige Belagerung, Eroberung und harte Bestrafung
Byzantions durch Severus; Verödung derselben Stadt durch des
Gallienus Truppen; Einnahme und Plünderung von Kalchedon, Niko-
media, Nikäa, Kios (= Prusias), Apamea, Prusa durch die Gothen
Wenden wir uns nun nach dem bisher Gesagten zu den drei oben
genannten Realwörtef büchern , so sagt uns schon von vornherein die
Trennung in die Artikel Hellespont und Propontis, dass wir nichts zu
finden hoffen dürfen über den gemeinschaftlichen Namen jener beiden
Meeresteile sowie über dasjenige, was sich daran knüpft. Und doch
hätte gerade der Hellespont Veranlassung bieten können zu einem
herrlichen Gesammtartikel, unter welchem sich alles Dahingehörige
würde haben vereinigen lassen , auch die verschiedenen zu nennenden
Städte. Dann würde der Schüler z. B. die Artikel Sestos und AbydoB,
Byzantion und Kyzikos zwar auch einzeln in seinem Wörterbuche
gefunden haben, aber bei jedem dieser Städtenamen nur eine Ver-
weisuug auf den Artikel Hellespont, wo er die weitere Gliederung
dieses Namens und die Verteilung der dahingehörigen Städte kennen
gelernt haben würde. Denn da wir bei Bearbeitung der altbellenischen
Geographie für pädagogische Zwecke schlechterdings von der Blütezeit
der hellenischen Geschichte auszugehen haben , so muss bei einer
geographischen Darstellung des Hellespont die allgemeinste Bedeutung
desselben zur Grundlage gemacht werden, woran die wichtigsten
allmählichen Veränderungen dieses geographischen Begriffs sich anzu-
reihen haben. Durch jene beständigen Verweisungen auf den Gesammt-
artikel wird dem Nachschlagenden so recht eingeprägt, dass von den
oben genannten vier Städten die zwei letzteren, sowie alle sonst der
Propontis zugewiesenen, mit demselben Rechte hellespontische heissen
wie dies mit Sestos und Abydos sowie mit den übrigen an der Meer-
enge selbst liegenden der Fall ist.
Aber auch in den beiden Sonderartikeln finden wir mehr Rücksicht '
genommen auf Unwesentliches als auf das Wichtige und besonders
Hervorzuhebende. So werden zwar die Namen Hellespont und Pro-
pontis erklärt nach dem Woher dieser Benennung, angegeben sind die
heutigen Namen derselben, wir erfahren ferner, dass über die engste
Stelle des Hellespont, zwischen Sestos und Abydos einst Leander
bioQberge8chwommen sei, dass Lord Byron im Jahre 1810 dasselbe
getban habe, dass man das Wasser des H. für kälter und süsser
gehalten als das des Mittelmeeres. Pauly und Lübker schliesson den
Artikel H. mit den Worten: auch hiess so die Gegend am H. (es ist
natürlich blos von der Meerenge die Rede), besonders in Asien (Thuc.
II, 9 Xen. Hell. I, 7, 2). Bei Lübker stehet zuletzt noch die Worte:
(auch heisst) 6 'EXkrjonovrias ein vom H. wehender Wind Hdt. VII, 188.
Dagegen findet sich nichts über die Ausdehnung des hellespontischen
Sundes nach Länge und Breite (insbesondere der engsten Stelle, welche
so oft als Uebergangspunkt dienen musste), nichts aber die wichtige,
die Meerenge beherrschende Lage von Sestos (Strab. XIII p. 591 a. m. u. a.f.
vgl. mit Hdt. IX, 116 m. Thuc. VIII, 62 f. Xen. Hell. IV, 8, 5 a. f.). Ver-
gebens sieht man sich um nach Aufzählung der wichtigsten hellenischen
Städte , welche so durchaus erforderlich ist. Forbiger allein hat (in
Pauly'sR.) für die Propontis vier Städte genannt: Heraklea, Perinthos,
Byzantion und Kyzikos, wovon freilich die beiden ersten in Eine
zusammenfallen. Also drei Städte der Propontis, während wenigstens
zehn aufzuführen waren: die vier megarischen Pflanzstädte (im 0)
Selymbria, Byzantion, Kalchedon , Astakos ; die zwei samischen
(im N.W.) Bisanthe und Perinthos; endlich die vier milesischen
(im S.) Eios, Kyzikos, Artakc und Prokonnesos. Für die Meerenge des
H. möchten ausser den zwei bereits genannten wichtigsten noch gegen
acht Städte zu nennen sein: Sigeion (Rhoeteion), Dardanos, Lampsakos,
Parion, sowie auf der europäischen Seite Eläus, Madytos, Kallipolis
(Krithote), Paktye.
Gänzlich falsch verstanden sind die zwei angeführten Stellen Thuc.
II, 9 und Xen. Hell. I, 7, 2, in denen nur vom Hellespont mit seinen
Städten im weitesten Sinne die Rede ist.
Nicht weiter befremden wird es, wenn wir bemerken, dass wir
auch auf die in den Artikel Hellespont gehörenden, allerwichtigsten
historischen Notizen Verzicht leisten müssen , über die Zeit der Helle-
nisirung dieser Gegenden, über die Herrschaft, welche Persien, Athen,
Lakedämon etc. nach einander über dieselben ausgeübt, über die Ver-
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399
änderungen des Kamens und der Bedeutung des hellespontischen Meeres
und seiner Kasten etc.
Schliesslich thut es uns leid, aussprechen zu müssen, es lasse die
Bearbeitung der erwähnten Artikel in Bezug 'auf Gründlichkeit und
Zweckmässigkeit so Vieles zu wünschen übrig, dass die
Absicht der Herausgeber der Wörterbücher , ein Hülfsmittel zum
leichteren Verständnisse der alten Klassiker zu bieten, in Hinsicht auf
den so lange besprochenen Namen weder durch das grössere Werk,
noch durch die beiden kleineren, für einen grösseren Kreis berechneten,
als auch nur annähernd erreicht zu betrachten sei.
Hof. G. Gebhardt
Stillstische Aphorismen.
IV. Ueber Gedankenarmut.
Wir haben in den vorhergehenden Aphorismen zunächst nur die
wissenschaftlichen Mängel der bisherigen Stillehre betont; ein
in diesen Blättern S. 275 erschienener Artikel über die Gedankenarmut
der Gewerbscbüler veranlasst uns aber, heute auf die Mangelhaftigkeit
der Aufsatzlehre auch in praktischer Hinsicht zu sprechen
zu kommen.
In jenem Artikel wird uns ein recht düsteres Bild von den
Leistungen der Schüler im Deutschen entworfen. Ibre
Aufsätze, sagt der Verfasser, seien dürr und matt, und man sehe es
ihnen an, welch' ein mühevolles Machwerk sie sind. Da sei kein
Schwung der Rede, kaum je eine passende Vergleichung aus dem
alltäglichen Leben zu finden , und wenn sie noch so nahe läge.
Gewöhnlich dürfe der Lehrer zufrieden sein , wenn seine Schüler am
Ende ihrer Studienlaufbahn über ein entsprechendes Thema in leid-
licher Richtigkeit sich auszusprechen verstehen, aber — in rassei-
dürrer Prosa.
Sind dies die Resultate eines systematischen Unterrichts im deutschen
Stil , so finden wir es sehr natürlich , dass man nach den Ursachen
eines solchen Standes der Dinge uud nach Mitteln zur Abhilfe suche.
Denn es ist gewiss ein sehr peinliches Gefühl, solchem Mangel an
Früchten seiner mehrjährigen Arbeit gegenüberstehen zu müssen.
Es fragt sich nun aber, ob die angführten betrübenden Warnehm-
ungen allgemein gemacht werden oder ob sie mehr auf individuellen
Erfahrungen beruhen. Uns wenigstens haben sich so trostlose Resultate
nur als Ausnahmen aufgedrängt; wir sind aber auch noch nicht damit
zufrieden, wenn der Schüler sich mit leidlicher Richtigkeit über ein
400
Thema ausspricht. Weil uüb aber II. Coli. Krällinger in seinem Artikel
versichert, dass so ziemlich jeder, der in die Lage komme, deutsch lehren
zu müssen, in diesen Jamroor einstimme, und dies auch durch vielfache
öffentliche Klagen über geringe Leistungen der Schüler im Deutschen
bestätigt zu werden scheint, so fühlen wir uns bei dem Standpunkt,
den wir der Stilistik und dem stilistischen Unterricht gegenüber ein-
genommen haben , gedrungen , unseren Anschauungen über das auf-
geworfene Thema im Nachfolgenden Ausdruck zu geben.
Was zunächst die von Coli. Erallinger angegebenen Ursachen
der Gedankenarmut betrifft, so sind dieselben leicht als hinfällig
nachzuweisen. Er sagt nämlich selbst, dass auch am Gymnasium über
das besprochene Uebel geklagt wird und H. Ludwig Mayer hat dies
erst jüngst in diesem Bl. S- 323 am Schluss seiner Abhandlung
„Schriftliche Uebungen in der deutschen Grammatik für Sexta"
bestätigt. Wenn dem aber so ist, dann kann weder die schlimme
Einrichtung unserer Gewerbschulen, uoch die reale
Richtung derselben und das Präponderiren- der mathematischen
Fächer noch auch das schlechtere Schüler material an jener
Armut schuld sein. Auch unsere ganze Zeitrichtung kann die
Ursache der beklagten Erscheinung nicht sein; denn die Klagen über
Gedankenarmut sind ja nicht neu.
Keine von den angeführten Ursachen ist daher stichhaltig und
folglich kann auch die Gedankenarmut nicht zur geistigen Eigenart des
Gewerbschülers gehören. Die Gründe müssen anderswo gesucht werden,
denn die aufgeworfene Frage ist vor allem eine psychologische und
mu8S daher zunächst psychologisch geprttft'werden.
Nun ist aber bekannt, dass die Quelle der Gedanken die
Erfahrung ist. Diese kann wieder sein eine äussere = Sinneswar-
nehmungen, Anschauungen u. s. w. und eine innere = Empfindungen,
Gefühle u. s. w. ; oder nach einem andern Gesichtspunkt eine un-
mittelbare = die Anschauung des Gegenstandes selbst, eigne Anschauung,
eigne Erfahrung etc. und eine mittelbare — Abbildungen , Lektüre,
Erfahrungen durch Unterricht etc. Wenn wir daher den Begriff
Erfahrung specialisiren, so ergibt sich: der Mensch bekommt Gedanken
durch Sinneswarnehmungen , Anschauungen, Erlebnisse, Abbildungen,
Lektüre, Unterricht u. s. w. Nun weiss aber jedermann, dass diese ver-
schiedenen Erfahrungen dem Menschen erst allmählich zu Teil werden und
ihre grössere oder geringere Quantität in erster Linie bedingt ist durch
das Alter. Wäre nun alles, was ein junger Mensch von 14 — 15 Jahren
schon erfahren hat, sein bleibendes geistiges Besitztum geworden, so
würde ihm Niemand Gedankenarmut vorwerfen. Allein , wenn der
Schüler im Aufsatz über 9eine Kenntnisse und Erfahrungen Rechenschaft
geben soll , so macht das von ihm geschaffene Produkt nicht selten
den Eindruck der Dürftigkeit, die man mit dem Namen „Gedanken -
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401
armut" belegt Dieselbe tritt — und wir haben hier zunächst die
unteren Kurse im Auge — in doppelter Form auf:
1. Viele Schüler haben von Erfahrungen, die sie täglich machen,
wol einen Totaleindruck, vermögen aber Ober dieEinzelheiten
keinen Aufschluss zu geben.
2. Andere dagegen haben vieles, was sie erlebt und gelernt haben,
im Geiste bewahrt; allein trotzdem erscheinen ihre Aufsätze
gedankenarm, da sie es eben nicht verstehen, ihre Erfahrungen
im Aufsatz praktisch zu verwerten.
Ersterea wollen wir wirkliche , letzteres scheinbare Gedanken-
armut nennen.
Ausser diesen beiden Formen tritt in den oberen Cursen noch
3. eine neue Art von Gedankenarmut sporadisch auf, die darin
besteht, dass Schüler, die vorher den gestellten Anforderungen genügten,
auf einmal Aufsätze liefern, die verh ft 1 tni asm äs sig dürr
und mager sind. Dies ist die Folge einseitiger geistiger Ausbildung
und wir werden sie daher als einseitige Gedankenarmut bezeichnen.
In diesen 3 Formen erscheint erfabrungsgemäss die Gedankenarmut
in der Schule, und wir werden nun versuchen, die Ursachen einer
jeden dieser Arten aufzuzeigen und Mittel zu erwägen, die etwa
geeignet sein dürften, hier abzuhelfen.
1. Ueber wirkliche Gedankenarmut.
Dass die Gedanken aus der Erfahrung entspringen, wurde schon
oben gesagt. Wer daher gedankenreich werden will, muss zusehen,
dass er recht viel erfahre. Es genügt jedoch nicht, sich die Dinge
blos anzusehen*, sondern soll eine Erfahrung bleibendes Eigentum des
Menschen werden , dann muss an ihr erst ein geistiger Process voll-
zogen werden, durch den sie eben in unser Bewusstsein und in unsere
Ideenassociation aufgenommen wird. Dieser geistige Process aber
ist folgender : Wenn ich eine Erfahrung mache , muss ich sie mir
jederzeit in ihre Einzelheiten zerlegen und diese Einzelheiten
mir dadurch zum Bewusstsein bringen. Denn nur das, was ich an
einer Erfahrung unterschieden habe , wird in mein Bewusstsein ein-
gehen ; alles übrige aber geht nicht ein und kann daher nicht mehr
reproducirt werden. Das blosse Anschauen oder Hören hilft daher
dem Schüler nichts, wenn er vergisst, das was er gesehen oder gehört,
in seine Teile zu zerlegen. Sehr richtig sagt daher Cbolevius in seiner
„praktischen Anleitung zur Abfassung deutscher Autsätze in Briefen"
Leipzig 1868 Brief 8: „Ihr seht nichts, weil ihr nicht gewohnt aeid,
zu zerlegen!" und macht die Notwendigkeit des Zerlegens nun an
folgendem Beispiel klar:
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402
„Du hast vor einem Thore der Stadt ein sehr anmutiges Land-
schaftsbild gesehen ; wegen der Weite des Weges warst Du nie bis
dahin gekommen. Bei Deiner Heimkehr rühmst Du dem Freund die
herrliche Gegend. Du drängst in ihn , dass er sich ebenfalls bald
diesen Oenuss bereiten möge. Will er nun aber wissen, was in dem
Grade Deine Verwunderung erregt bat, so hört er wieder nur Exkla-
mationen und einige unbestimmte abgerissene Bemerkungen, aus denen
er nichts machen kann. Du hast zwar einen Gesammteindruck
empfangen, aber Du hast Dir denselben nicht zum Bewusstsein gebracht
und kannst deshalb auch keine Rechenschaft ?on ihm geben, weil Du
es versäumt hast, den Gegenstaud zu zergliedern und in seinen Einzel-
heiten zu erfassen. Wer sich aber diese Tugend zu eigen gemacht,
der wird, wenn ihn eine schöne Gegend ansieht, nicht mit blosser
Bewunderung in's Blaue hinausstarren: er wird nicht blos das Ganze,
sondern auch die Teile warnehmen; ihm kann es daher nicht schwer
fallen, die Reize der Landschaft auf eine geordnete, anschauliche und
erschöpfende Weise darzulegen, wie schon seine Betrachtung und
Auffassung selbst vielleicht unwillkürlich durch eine gewisse Methode
geregelt wurde".
Und was hier von der Betrachtung einer Gegend gesagt ist, das
gilt für alle Sinneswarnehmungen , für alle Erfahrungen. Eine Er-
fahrung, die wir nicht in ihre Einzelheiten zerlegen , hinterlässt nur
einen verschwommenen Totaleindruck und wird kein verwendbarer
geistiger Besitz. Die Ursache jener auffallenden Erscheinung, dass
junge Leute selbst über das , was sie alle Tage erleben , oft keinen
befriedigenden Aufscbluss geben können, ist daher keine andere, als
dass dieselben die Eindrücke, die sie empfangen, .nicht in ihre
Einzelheiten zerlegen, weshalb ihnen diese folgerichtig auch
nicht zum Bewusstsein kommen.
Diese. Zerlegen der Erfahrungen in ihre Einzelheiten erfordert
allerdings eine ziemliche geistige Anstrengung und muss wie jede
andere Fertigkeit erst allmählich erlernt werden; ja es muss so
gründlich erlernt werden, dass es uns zur Gewohnheit wird, so
dass wir jede Erfahrung unwillkürlich und instinktiv in ihre Einzelheiten
auflösen. Damit aber haben wir bereits das Mittel angedeutet , durch
welches die in Rede stehende Art der Gedankenarmut allein radikal
geheilt werden kann, nämlich durch methodische Gewöhnung
ans Zerlegen der Erfahrungen in ihre Einzelheiten.
Aber wird denn dadurch nicht alles zerstückelt? Haben wir denn
schliesslich nicht blos Teile in der Hand, fehlt leider nnr das geistige
Band? Gewiss nicht. Das Zerlegen ist nicht ein Zerstückeln der
Erfahrung, sondern es besteht darin, dass wir an einem Ganzen die
Teileuieses Ganzen unterscheiden, wobei wir uns immer bewusst
403
sind, dass das Unterschiedene ebea Teile jenes Ganzen
Bind. Das Zerlegen ist nämlich eine Thätigkeit , die analytisch
and synthetisch zugleich ist: das Ganze wird in seine Teile
aufgelöst, aber ich bin mir dabei stets bewusst, dass diese Teile
zusammengehören und in ihrer Totalität eben jenes
Ganze bilden. Davon kann man sich jederzeit leicht uberzeugen.
Z. B. nehmen wir an, wir hätten erst jüngst mit den Schülern einen
Spaziergang gemacht. Lassen wir nun den Verlauf dieses Spaziergangs
stilistisch bearbeiten, so wird die Besprechung dieses Themas darin
besteben, dass wir den ganzen Spaziergang in seine Teile zerlegen. Wir
werden also den Schüler nach den Einzelheiten fragen, nach der nächsten
Veranlassung, nach Zeit und Ort^der Zusammenkunft, nach der Art
und Weise, wie man abmarschirte u. s. w. Durch diese Fragen wird
der Schüler gezwungen , den ganzen Spaziergang in seine Einzelheiten
zu zerlegen und sich dieselben dadurch nochmals zum Bewusstsein
bringen. Sind wir dann am Ende angekommen, so fordern wir ihn auf,
den ganzen Verlauf des Spaziergangs im Zusammenhang zu erzählen.
Und siehe! obgleich nur zerlegt wurde, kann er doch alles zusammen-
hängend erzählen, weil er sich eben von Aniang an immer bewusst war,
dass alle Teile nur Teile jenes Ganzen seien; er hat den Vorgang
nicht zerstückelt, sondern nur die Teile an demfelben unterschieden.
Es ist daher nicht zu fürchten, dass auch ohne nachfolgende Syn-
these die Analysis das Ganze zerschneide; doch ist es zur Befestigung
des gesammten Eindrucks zweckmässig, auf die Analysis eine Synthesis
folgen zu lassen.
Damit nun aber die in Frage stehende Art der Gedankenarmut
radikal geheilt werde, ist es notwendig, den Schüler recht oft Ganzes
in seine Teile zerlegen zu lassen, so dass ihm das Zerlegen allmählich
zur Gewohnheit wird. Dazu brauchen wir aber gar keine besonderen
Uebungen anzustellen, denn jeder Unterricht, jede Unterweisung
ist ja thatsächlich allemal auch als eine methodische Schulung im
Zerlegen, Unterscheiden uud Zergliedern. Denn bei jedem Unterricht
wird der Schüler gezwungen , Ganzes in seine Teile zu zerlegen,
Verwandtes und Aehnliches scharf zu scheiden , Ursachen und Wirk-
ungen zu sondern etc. So ist z. B. die Besprechung eines Themas in
der Stilstunde, die Besprechung eines Lesestückes und die Feststellung
des logischen Zusammenhangs nichts anderes als ein solches Zerlegen
des Ganzen in seine Teile. Dasselbe geschieht in der Geometrie-,
in der Geschichts-, in der Geograpbiestunde etc. Kurz jeder Unter-
richt gewöhnt den Schüler methodisch an jene Thätigkeit , von der die
geistige Ausbildung so wesentlich abhängt; ist ihm aber dieselbe ein-
mal zur Gewohnheit geworden, dann braucht er keinen Lehrer mehr,
der ihm alles zurechtlegt, dann ist er reif, sich selber fortzubilden.
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404
Dass aber jeder Unterricht mit der Zeit wirklich diese Aufgabe
erfüllt, wird durch die Erfahrung bestätigt. Denn in je höhere Kurse
der Schüler aufsteigt, um so mehr .wird die hier in Frage stehende
Gedankenarmut verschwinden. Ein specielles Mittel, die Kinder von
Jugend auf an das Zerlegen von Erfahrungen zu gewöhnen , ist der
Anschauungsunterrichjt, der aber die Gefahr in sich trägt, nur
allzuleicht in eine geistige Spielerei auszuarten. Die erste Unter-
weisung im Anschauen , d. i. im Zerlegen, erhält das Kind schon zu
Hause ; denn jede Belehrung , die eine Mutter dem Kinde über das,
was es sieht und hört , gibt , ist thatsächlich nichts anderes als ein
erster Anschauungsunterricht. Kommt das Kind in die Volksschule,
so wird dieser Unterricht methodisch betrieben, aber sehr verschieden,
je nachdem man eben das eine das andere als Zweck desselben
betrachtet (Siehe Karl Richter „der Anschauungsunterricht in den
Elementarklassen" Leipzig 1S69). Bald soll er die Kinder „unterrichts-
fähig machen", bald ihre „Vorstellungen klären, ordnen und erweitern",
bald im „richtigen und gewandten Gebrauch der Sprache üben und
ihren Wortvorrat bereichern" u. s. w. Alles das beweist, dass derselbe
für die Entwicklung des Kindes in vielfacher Beziehung nütztich werden
kann. Seine eigenste Aufgabe aber und das, was für die Weiterbildung
des heranwachsenden* Knaben den bleibendsten Wert hat, scheint uns
eine methodische Gewöhnung an das Zerlegen der Erfahrungen zu
sein. Kommt er diesem Ziel nahe, so ist alles Uebrigo, was man sonst
einseitig als seinen Zweck hervorhob, zugleich miterreicht. Deshalb
soll er sich auch unseres Erachtens nicht blos auf körperliche , im
Raum ausgedehnte Gegenstände be'schränken , sondern sich auch auf
das Zerlegen von Thätigkeiten , Erscheinungen, Erlebnissen, Begeben-
heiten etc. erstrecken, damit nicht der Schüler nur Körper nach ihren
Teilen unterscheiden lerne, vor Begebenheiten, Thätigkeiten etc. aber
ratlos dastehe. Ob es aber zweckmässig sei, nach dem Vorschlage des
Nürnberger Inspektors Feuerlein und wie auch Krallinger will aus der
Schule hinaus, in die Natur selbst zu gehen, darüber Hesse sich wol
streiten. Jedenfalls dürften sich solche Experimente nur für ganz kleine
Schulen empfehlen und würden besser vom Vater, der Mutter oder
einem Kinderfreund unternommen. —
Die eben behandelte Art von Gedankenarmut verliert sich, wie wir
erwähnten, in Folge des fortgesetzten Unterrichts mit der Zeit von
selbst und ist daher weniger bedenklich. Gefährlicher dagegen ist die
Erscheinungsform der Gedankenarmut, die wir jetzt behandeln werden.
Denn diese ist mit den bisherigen Mitteln nicht auszurotten und lastet
wie ein Alp auf Lehrern und Schülern.
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405
2. Die scheinbare Gedankenarmut.
Die scheinbare Gedankenarmut besteht darin , dass der Schaler
über einen Gegenstand so manches zu sagen wüsste, aber nicht die
Fähigkeit hat, seine Kenntnisse auch im Aufsatz zu verwerten.
Diese Art von Gedankenarmut ist es, über welche Coli. Krallinger
klagt, wenn er hervorbebt, dass die Schüler selbst das, was sie doch
offenbar aus der Geschichte und Geographie etc. wissen müssten, nicht
zo benützen verstehen.
Die Ursache dieser Erscheinung liegt aber keineswegs in
dem betr. Fachunterricht, also nicht am Geschicbts-, Geographie- etc.
Unterricht, sondern gerade da, wo man sie merkwürdiger Weise nicht
sucht, im deutschen Sprachunterricht Man glaube doch
nicht, dass man dem Schüler „die nötige Anweisung zur Verwertung
der anderweitig erworbenen Kenntnisse'1 hat zu Teil werden lassen.
Beim heutigen Stand der Stilistik haben wir eben keine genügende
derartige Anweisung. Mit nicht geringem Erstaunen haben wir daher
gelesen (S. 277), „was den stilistischen Unterricht betrifft, so Messe es
nur ein Tröpfchen in» Meer giessi n , wenn wir uns länger dabei auf-
hielten !" Gerade hier ist der Sitz des Uebels, hier muss still-
gehalten werden 1
Man täusche sich nicht länger und gestehe zu , was nicht
länger geleugnet werden kann, dass nämlich die Stilistik, wie sie uns
vorliegt, keineswegs im Staude sei, dem Schüler eine Anleitung zur
Abtastung von Aufsätzen zu sein. Wer dies uur für unsere subjektive
Meinung hält , der lese doch den ersten Brief der bereits erwähnten
Anleitung des Cholevius, welcher den Titel führt: „Dass die gelehrten
Handbücher der Rhetorik einem Schüler wenig Nutzen gewähren"
und begreite danu , dass die Stilistik und Rhetorik keines-
wegs das leisten, was sie versprechen. Eine gründliche
Reform derselben ist dringend uötig und nur von einer solchen
darf man sich eine Beseitigung der acheiubareu Gedankenarmut und
überhaupt eine Besserung der Leistungen der Schuler im Deutschen
erwarten.
Bei der bisherigen Methude kann nicht viel geleistet werden; denn
sie hiltt dem Schüler weder auf methodisch rationellem Weg Gedanken
finden , noch verhilft sie ihm zu einer den logischen Anforderungen
genügenden Disposition; sie ist unfähig, ihn vor Abschweifungen zu
bewahren und leitet ihn im Gegenteil selbst zu solchen au und statt
im logischen Denken methodisch zu schulen, lässt sie seiner Freiheit
und Willkür vollen Spielraum, so dass die deutschen Aufsätze not-
wendig jene durchaus unbeiriedigende Gestalt bekommen, über welche
allgemein geklagt wird. Und wer hat darunter am meisten zu leiden?
Der arme Schüler. Die deutschen Noten drücken beständig seine
BUtt,r f. d. bW. Gymn,- u. Bea]-8cbulw. XI. J»hrg. 28
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1
404
Dass aber jeder Unterricht mit der Zeit wirklich di
erfüllt, wird durch die Erfahrung bestätigt. Denn in je h
der Schüler aufsteigt, um so mehr wird die hier in Fr;
Gedankenarmut verschwinden. Ein specielles Mittel , die
Jugend auf an das Zerlegen von Erfahrungen zu gew<
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Weisung im Anschauen , d. i. im Zerlegen, erhält das
Hau9e ; denn jede Belehrung , die eine Mutter dem
was es sieht und hört , gibt , ist thatsächlich nichts
erster Anschauungsunterricht. Kommt das Kind in
so wird dieser Unterriebt methodisch betrieben, alx
je nachdem man eben das eine oBer das andere b
betrachtet (Siehe Karl Richter „der Anschaum
Elementarklassen" Leipzig 1869). Bald soll er die
fähig machen", bald ihre „Vorstellungen klären,
bald im „richtigen und gewandten Gebraiu.li
ihren Wortvorrat bereichern" u. s w. Alles da
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\oXitevity oder noXirevea&ui ngoaSey uQiozoy
in 1 < yi: ?./.(, ik i ; allein während des Kedens
avv rois dvyaueyois (oyekety noktreveiy zu
tet werden könnte und nun verbessert er das
ut dessen ö u< rovuvy , worauf gauz naturgemäss
Ureter übergehen muss. Um nun diese meine Auf-
Frtigen, muss ich nachweisen 1) dass für den Thera-
Tng da war, sich unrichtig auszudrücken, 2) dass die
reise zu seinem Schaden gedeutet werden musste und
'Veranlassung hatte , sich zu korrigiren und 3) warum
;se Correctio aufgenommen hat.
erkennen, dass Theramenes Veranlassung hatte, sich un-
izudrücken , etwas zu sagen , was er eigentlich nicht sagen
ld nicht sagen durfte , muss man sich die ganze Situation
iwärtigen, in der Theramenes diese Worte sprach. Als Athen
Gysander erobert worden war und sich unter die spartanische
Fmonie beugen musste, wurde daselbst eine aristokratische Regier-
28*
f
äl • »BDI ' D,i.«t>t«,8k
406
sonstigen Leistungen herunter ; ratlos und verzweifelnd steht er da,
weil er trotz allen FUisses nicht vorwärts kommen kann. Die Schuld
von dem allen aher ist die Aufsatzlehre seihst und die ganze Metbode,
wie man den Schüler schult. Wir brauchten nur ein im Lande nicht
unbekanntes Stil buch aufzuschlagen, das „auf dem Boden der Schul-
praxis erwachsen" ist, wie es in der Vorrede heisst und das uns die
bisherige Methode an einem ausgesprochener Massen „aus der Schul-
praxis" herausgenommenen Beispiele vorführt. Würden wir die dem-
selben gebührende Kritik hier beisetzen, so wäre der klarste Beweis
geliefert, dass alles, was wir eben sagten, leider nur zu wahr sei.
Doch Bei dies auf eine eventuelle Provokation verschoben. Dagegen
wollen wir nun kurz andeuten , nach welchen Richtungen hin unseres
Erachtens eine Neugestaltung der Stilistik vor allem angestrebt
werden müsse-
(Schluss folgt.)
Kaiserslautern. M. Schiessl und W. Götz.
Xenopta. Hell. II. 8, 48.
To fiivjoi avv rots övva fiivo iq xai fie& l'nmov xai
per' von ((f wv tuq-.eXeiy diu rovrioy tijv noXtreiav ngoa&sv
uqiOTOV rtyov /urjV c/V«* xai vvv ov (xei(tpnX'Aoiicu.
Es ist ein ganz gewöhnlicher Fehler bei Erklärung der Klassiker,
dass man das psychologische Moment gar nicht oder zu wenig berück-
sichtigt. Es handelt sich nämlich nicht darum, wie in einem bestimmten
Falle die meisten Menschen, wie ein ganz ruhiger, vollkommen
objektiver Mann gehandelt kätte (logischer Zusammenhang), sondern
wie eine bestimmte Persönlichkeit von einem bestimmten Charakter,
von bestimmten Naturanlagen, von einer bestimmten politischen oder
religiösen Ueberzeugung in einem ganz bestimmten Falle, unter ganz
bestimmten Verhältnissen gefühlt, gedacht, gesprochen, gehandelt hat
und handeln musste (psychologisches Moment). Der Mensch ist ja
keine logische Formel, kein abstrakter Begriff, sondern eine lebendige
Persönlichkeit von Fleisch und Blut und er selbst ist, wie auch seine
Handlungsweise, das Produkt von Nnturanlagc , Erziehung und den
Verhältnissen. Von einem Klassiker muss ich aber annehmen, dass er
alle Persönlichkeiten, alle Verhältnisse richtig erkennt, beurteilt und
richtig darstellt. Wie im Drama der Dichter seine Personen ihrem
Charakter nach, den er ihnen gibt, fühlen, sprechen und handeln, wie
er die ans den Persönlichkeiter. und Thatsachen sich entwickelnden
Verhältnisse naturgemäss aus einander hervorgehen lassen muss, so
*
407
. muss auch der Gescbichtschreiber dio Personen und Verhältnisse dar-
stellen, nicht wie sie sein konnten oder sollten, sondern wie sie waren.
Es müsste denn Bein, dass ein Schriftsteller nicht Geschichte, sondern
einen historischen iioman schreiben will, wie das vielfach vorkommt.
Will er aber einen Roman schreiben, dann kann seine Schrift natürlich
keinen historischen Wert mehr beanspruchen, ist aber auch nur an die
Gesetze der Puesic gebunden d. b. er muss seine willkürlich angelegten
Persönlichkeiten consequent durchführen, er muss sie, wie im Drama,
den Verhältnissen und ihrem Charakter entsprechend denken, fühlen
sprechen und bandeln lassen. Wer dies nicht thut, ist kein Klassiker,
sondern ein Stümper. Da aber jede Person nach ihrem Charakter und
nach ihren Verhältnissen bandelt und da der Klassiker sie richtig
auffasst und darstellt , so kann ich mir von vornherein denken , wie
eine bestimmte Persönlichkeit unter bestimmten Verhaltnissen gehandelt
haben muss. Dies gibt dem Leser oder Erklärer den Schlüssel zum
Verständniss der Begriffe und Gedanken. Hiezu kommt natürlich dann
als zweites eben so wichtiges Moment der Text Zusammenhang und zwar
psychologischer Zusammenhang und Text und zwar der Text in allen
seinen , auch den feinsten Nuancirungen , geben das Verständniss, die
Erklärung und die Uebersetzung.
Die oben citirte Stelle wird nun, meines Wissens, allgemein als
corrupt bezeichnet und es werden desswegen verschiedene, mehr oder
weniger glückliche Verbcsserungsvorscbläge gemacht, die ich nicht
angeben will. Ich halte den Text für vollkommen richtig und nehme
nur eine Correctio an, wie sie ja auch sonst vorkommt. Theramenes
wollte nämlich sagen: to fxivxot, <reV roft övrapivoig xai petf Vnnaw
xai fi€i% <tonid<ov ojqieleiv noXatvtiv oder noXireveo&ui nQoadev uqioiov
tjyovfjtjv eivai xai vvv ov nsTufia\'Ao(iai\ allein während des Hedens
fällt ihm ein, dass das ovv tqS$ dwauivoig tocpeXetv noXitsveiy zu
seinem Schaden gedeutet werden könnte und nun verbessert er das
cvv rot? und setzt statt dessen <tui tqvtiov, worauf ganz naturgemäss
noXirevciv in tijV noXiTeiav übergehen muss. Um nun diese meine Auf-
fassung zu rechtfertigen, muss ich nachweisen 1) dass für den Thera-
menes Veranlassung da war, sich unrichtig auszudrücken, 2) dass die
erste Ausdrucksweise zu seinem Schaden gedeutet werden mussto und
dass er also Veranlassung hatte , sich zu korrigiren und 3) warum
Xenophon diese Correctio aufgenommen hat.
Um zu erkennen, dass Theramenes Veranlassung hatte, sich un-
richtig auszudrücken , etwas zu sagen , was er eigentlich nicht sagen
wollte und nicht sagen durfte , muss man sich die ganze Situation
vergegenwärtigen, in der Theramenes diese Worte sprach. A1b Athen
von Lysander erobert worden war und sich unter die spartanische
Hegemonie beugen musste, wurde daselbst eine aristokratische ßegier-
28*
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408
ungsform nach dem Muster der spartanischen eingerichtet. An die
Spitze des Staates traten 30 Männer, gewöhnlich die 30 Tyrannen
genannt, welche eiue Gesetzgebung entwarfen und nach dieser regieren
sollten (Hell II, 3, 2), entsprechend der spartanischen Gerusia. Diese
30 Männer wählten nun 300t» Bürger aus , die natürlich wie sie aristo-
kratisch gesinnt und ihnen ergeben waren. Diese hatten allein politisch«
Rechte entsprechend den Spartiaten, während die übrigen 7000 Bürger
ohne politische Berechtigung waren, gleich den Periüken. Zu dem
Collegium der 30 gehörte nun auch Tberamencs, der nicht unwesentlich
zur Knechtung Athens beigetragen hatte. Allein Theramenes kam bald
in Opposition zu dem Vorstande der 30, Kritias , indem er mit den
Massregeln desselben nicht zufrieden war und im Verdachte stand,
eine Umwälzung herbeiführen zu wollen. Da klagte ihn nun Kritias,
offenbar in Üebereinstimmung mit seinen Collegen, eines Tages in einer
Senatssitzung des Verrates an und 1 eantragte gegen ihn die Todes-
strafe. Es war nun allerdings ein Teil der Senatoren ebenfalls mit der
Wirtschaft des Kritias unzufrieden und fürchtete, dass es kein gutes
Ende nehmen werde, allein Kritias schüchterte sie ein. Eine Abteilung
der spartanischen Besatzungstruppen staud vor dem Rathhause und
junge Leute mit Dolchen Stauden an den Schrankeu im Sitzungssaale,
um der Rede des Kritias den nötigen Nachdruck zu geben.
Da sich nun Theramenes gegen so schwere Anklagen und unter so
misslichen Verhältnissen vertheidigen muss, da nicht nur seine ganze
politische Reputation, sondern sein Leben auf dem Spiele steht, so ist
leicht erklärlich, dass er sich in der Aufregung der Tragweite seiner
Worte nicht sogleich bewusst ist und dass ihm ein Gedanke entschlüpfen
will, der seinen Feinden eine Handhabe gegen ihn geben kann und
dessen Gefährlichkeit ihm erst während des Ausspreebens klar wird
Dass aber der Gedanke avv roig fvntttiytfic uHfekeiv noktzevetv dem
Theramenes gefährlich werden musste uud dass er desshalb Grund
hatte, ihn zu corrigiren, lässt sich ebenfalls aus den Verhältnissen
leicht entnehmen. Xcbstdem nämlich, dass Kritias dem Theramenes
vorwirft, er opponire gegen alle Vorschläge und Massregeln, die er im
Interesse der bestehenden Regierung ''mache, beschuldigt er ihn auch,
dass er ein politischer Achselträger sei, immer seine Freunde verraten
habe und nur seinen Vorteil suche. Und wirklich gehörte auch Thera-
menes zuerst, wie sein Adoptivvater Hagnon, zur demokratischen Partei,
dann ging er zu den Aristokraten über und half mit zur Einsetzung
der 400, später beteiligte er sich am Stnrze der 400, gehörte dann
wieder zur aristokratischen Partei, Hess sich von Lysander zum Unter-
gange Athens missbrauchen und trat in das Collegium der 30. Dess-
wegen hatte er auch, wie ihm Kritias in seiner Anklagerede vorwirft,
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409
den Spottnamen „Cothurn" bekommen, weil dieser für jeden Fuss zu
passen scheint, im Grund genommen aber für keinen recht ist.
Theramenes behauptete nun freilich in seiner Vertheidigungsrede
die er mit vielem Geschick führte, dass er immer im Interesse der
bestehenden Regierung gehandelt habe und dass er auch jetzt wieder
das wahre Interesse der dermaligen Regierung vertrete, weil sie sich
durch ihre extreme Handlungsweise unmöglich machen müsse. Er
verwahrt sich gegen den Vorwurf der politischen Veränderlichkeit, den
ihm Kritias macht und legt dabei , so zu sagen , sein politisches
Glaubensbekenntniss ab. Er gibt zu, dass er seither bald auf der
aristokratischen, bald auf der demokratischen Seite stand; allein dieses
sei, sagt er, nicht aus Principipienlosigkeit, sondern aus Princip
geschehen. Sein Ideal sei eine gemässigte Regierungsform, weder eine
schrankenlose Demokratie «Ochlokratie), noch eine schrankenlose Aristo,
kratie (Tyraunis). Desswegen habe er jede Regierungsform unterstützt-
so lange sie sich in den Schranken der Mässigung gehalten habe.
Sobald sie aber die rechte Grenze überschritten habe, sei er gegen
sie aufgetreten
Allein gegen ihn sprach besonders sein schmähliches Benehmen gegen
seine Mitfrldherrn in der Arginusonsehlaeht, das ihm Kritias vorwirft
und das er nicht widerlegen kann. Als nämlich die Schlacht gewonnen
war, machten sich die athenischen Anführer auf, um ihren Sieg zu
verfolgen, die spartanische Flotte einzuholen und, wo möglich, zu er-
obern oder zu vernichten, den Theramenes aber und den Thrasybulus
beauftragten sie, die verunglückten Athener aufzufischen und zu retten
oder wenigstens ehrlich zu bestatten. Allein es entstand ein solcher
Sturm, dass die athenischen Feldherrn weder die spartanische Flotte
einholen, noch die Verunglückten auffischen konnten. Dieses benutzte
nun die aristokratische Partei, um die siegreichen Feldherrn zu ver-
derben und der elende Theramenes gab sich als Ankläger her. Diese
Handlungsweise hatte seinen politischen Leumund getrübt und den
Beweis geliefert, dass es richtig sei, was ihm seine Gegner vorwarfen,
nämlich dass er immer nur seinen Vorteil suche , dass es ihm nur
darum zu thun sei, eine Rolle zu spielen.
Unter diesen Verhältnisssen will ihm der Satz entwischen arv roff
öw(t[i4voiq tofpekety noXntx'eiv. Dieses musste nun offenbar gegen ihn
sprechen und musste gerade den Beweis liefern, dass er überall an sich
denke. Desswegen corrigirt er sich und muss sich corrigiren, indem
er ovv xoig in efi« rovxwv umwandelt. Er will sagen und muss in
seinen Verhältnissen sagen, dass er eine gemässigte Regierungsform
wünsche, abgesehen davon, ob er an der Regierung Teil habe oder nicht.
Auch die auffallende Stellung von dtn jovxmv r*?V noXireiav statt
rijV diu Tovrutv noXiritcr findet durch den bei der Correctio notwedigen
scharfen Gegensatz ihre vollständige und einzig mögliche Erklärung.
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410
leb glaube also , dass die handschriftliche Lesung ganz richtig,
dass weder etwas zu änderu noch zu ergänzen sei. sondern erkläre die
Stelle als eine einfache, in den Verbältnissen wol begründete Cotrectio.
V
Dillingen. Geist.
Hör. Od. I. 3.
In den neuen Jahrbüchern für Philologie und Pädagogik (Bd 107
und 108, Heft 3 und 4 S 24r> ff.) bestreitet Bartsch die Einheit dieses
Gedichtes Er zerlegt dasselbe in zwei Teile, von welchen jeder ein
fär sich bestehendes Gedicht bilden soll und zwar die zwei ersten
Strophen das Abschiedsgedicht bei der Abfahrt des Virgilius, und die
acht folgenden Strophen ein Gedicht Aber den Frevel der Erfindung
der Schifffahrt und über den menschlichen Frevel überhaupt Es gebe,
sagt er, zwischen den zwei vorhergehenden Strophen und der dritten
Strophe keine Gedanken*ermittelung; denn es liege zwischen denselben
eine Kluft, die durch keine Ergänzung irgend welcher Art überbrückt
werde. Horaz habe nach den zwei ersten Strophen nic hts Anderes thun
können, als ruhig nach Hause zu gehen, statt sich in fremdartigen
Deklamationen zu ergehen.
Ich kann seiner Ansicht und den von ihm vorgebrachten Gründen
nicht beistimmen.
Horaz empfiehlt in der ersten Strophe das Schiff, auf welchem
sein Freund Virgil fährt, der Cypris, den Dioskuren und dem Gotte der
Winde und lässt un9 hieraus und aus der folgenden Apostrophe an
das Schiff selbst und aus der Bitte um Erhaltung des Gutes, das es
aufgenommen hat, die innige Liebe zu seinem Freunde und die Sorge
um denselben erkennen. Erhalte ihn mir, achliesst er, er ist mein
halbes Leben. Was wäre nach dieser Bitte bei den Gefahren, welchen
er seinen Freund durch seine Seereise ausgesetzt sieht, und bei der be-
kümmerten Sorge, mit welcher der Dichter selbst dadurch erfüllt wird,
natürlicher als der Ausbruch in den Ausruf: 0 verwünschte Schiffahrt 1
0 menschlicher Frevel ! Gerade in diesen Ausrufen liegt nun die
Gedankenassociation zwischen der dritten Strophe und den zwei vorher-
gehenden Strophen. Es ist der Uebergang von den Bitten und Wünschen
um Erhaltung eines Gutes in Gefahren zum Vorwurfe gegen denjenigen
und zur Verwünschung dessen, durch das jenea Gut gefährdet wird*
Denn Nichts ist bei irgend einem Leiden , bei einer Not , bei einem
Unglücke, in dem wir uns befinden und Befreiung davon wünschen,
natürlicher, als auf die Ursache, den Urheber derselben zurückzugehen.
Versetzen wir uns in die Wirklichkeit des Lebens. Wenn Mütter im
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411
letzten Kriege ihre Bitten und Wünsche för ihre Söhne aussprachen
und zuletzt ihren bangen Herzenswunsch „Wenn er nur gesund und
glücklich heimkömmt" (Et serves animae dimidium meae) beigefügt
hatten, so fuhren sie nicht selten unmutig klagend fort: „Ja der
Franzos*j, der ist von Eisen und Stein (IM robar et aes triplex . . .);
der kann ungerührten Herzens all das Unglück sehen." ff. Ist diesem
Gedankengange die Gedanken folge in drin horazischen Gedichte nicht
ganz ähnlich oder vielmehr ist sie nicht dieselbe? Man setzo nur statt
Krieg und Sohn Schiffahrt und Freund. Es ist eine Befangenheit, in
die man durch die zwei ersten Strophen versetzt wird, wenn man den
logischen Anscbluss der nächsten Strophe verkennt. Man haftet eben
nur an den Wünschen und Bitten jener Strophen und schliesst damit
ah, ohne der weiteren aufgeregten Gemütsstimmung des Dichters irgend
eine Folge einzuräumen. Wenn daher Bartsch ineint, der Dichter hahe
nach den zwei ersten atrophen nichts Anderes thun können, als ruhig
nach Hause zu gehen \ so erschliesse ich aus dem bisher Erörterten
gerade das voll« Gegenteil. Der Dichter spricht bei der Abfahrt seines
Freundes nicht blos Bitten und Wünsche aus, er ist durch die Gefahren
desselben auch in Sorgen und Unmut versetzt. So bilden denn die
obigen Ausrufe den wesentlichen Inhalt der folgenden Strophen; diese
sind der Nachklang jener und in ihnen verschafft sich erst das gepressto
rlerz des i'ichters Erleichterung. Nehmen wir diese weg, so lassen
wir* den Dichter, fast möchte ich sagen, gedrückten Herzens ersticken.
So ergiesst er sich nun im Folgenden zunächst über die menschliche
Frevelhaftigkeit durch Erfindung der Schiffahrt, und indem er ihre
vielen Gefahren aufzählt und dabei namentlich anf das adriatische Meer
Beziehung nimmt, liegt ebeu darin die Beziehung auf seinen Gegenstand,
auf das, was sein Herz bewegt. Denn auch sein Virgil hat ein Schiff
bestiegen, er geht über das adriatische Meer nnch Griechenland und ist
somit allen den erwähnten Gefahren ausgesetzt. Diese Beziehung ist
es, die denn auch die längere Ausführung rechtfertigt, und sie ist wol
auch das, wovon Weber meint, dass es zwischen den Zeilen zu lesen
sei. Aber keck und waghalsig wie das Menschengeschlecht ist,
schreitet es von Frevel zu Frevel, und so wird ein zweiter Frevel von
dem Dichter angeführt, dio Entwendung des Feuers, die durch ein
neues Heer von Krankheiten so grosses Unheil über die Menschen
brachte. Wer sollt« nicht auch hier zwischen deu Zeilon lesen? Die
Beziehung auf seinen Freund, der Nachteil dieses Frevels für ihn liegt
deutlich vor, denn Virgil ist krank.
•) Napoleon III. gemeint.
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412
Aus dem Erörterten ist ersichtlich , dass der Dichter nicht , wie
Bartsch meint, im Folgenden alles das, womit sein Geist sich in den
zwei ersten Strophen so lebhaft beschäftigte, vollständig vergessen hat.
Allerdings enthalten die folgenden Strophen eine andere Gemüts-
bewegung, aber eine solche, die mit den vorhergehenden Gedanken,
den Wünschen, Bitten und Sorgen in vollem Zusammenhange steht
und aus ihnen sich ergibt.
Die Luftschiffahrt des Dädalus, die seinem Sohne das Leben kostete,
der Gang des Herkules in die Unterwelt, welcher der ganzen Welt-
ordnung entgegen lief, dienen als neue Belege für das frevelhafte
Streben der Menschen , bei dessen Besprechung die Erfindung der
Schiffahrt und dann die Entwendung des Feuers der nächste Zweck
des Dichters war. Die beiden neuen Frevel erwähnt er daher nur
kurz — sie stehen ja nicht unmittelbar in Beziehung zu seinem Gegen-
stande, den Gefahren und Leiden seines Freundes — und nur um eine
Mehrheit von Fällen und damit für seine speziellen Fälle die Geltung
der Allgemeinheit zu gewinnen. Nach Anführung der einzelnen Fälle
spricht er sich nämlich im Folgenden durch Nil mortalibus arduum est *)
allgemein und mit den Worten Coelum ipsum petimus stultitia aufs
Höchste steigernd aus und gewinnt damit den beabsichtigten Schluss.
Das Gedicht zerfällt sonach deutlich in zwei zusammenhängende
Teile mit folgendem Inhalte: i) Wünsche und Bitten für die Seereise*
seines Freundes; 2) Unmut über die menschliche Frevelhaftigkeit Und
zwar zunächst wegen Erfindung der Schiffahrt und dann wegen der
Entwendung des Feuers.
Ich lasse die Uebersetzung des Gedichtes folgen:
Nun soll Cypris die Mächtige,
Sollen, Sterne so klar., nelenens Brüder auch
Leiten dich und der Winde Gott,
Alle fesseln er, frei sei Japyx nur.
Schiff! Virgil ist dir anvertraut
Und du schuldest ihn uns; gib ihn dem attischen
Land, ich flehe dich, unversehrt.
Meiner Seele ist er, schütz' ihn, ihr halbes Sein.
Starres Holz und dreischichtiges
Erz lag dem um die Brust, welcher den schwachen Kiel
Gab zuerst auf dio grimme See
Und nicht scheute den wild stürmenden Afrikus,
•) II. XIII 317 ainv, oi ieatfrai.
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413
Wenn im Kampf mit dem Nord er ringt,
Nicht Hyadenge9türm, auch nicht des Notus Wut,
Der, wie Keiner, auf Hadria
Herrscht, will legen die Flut, will er empören sie.
Welchen Schritt hat gescheut des Tods,
Wer mit trockenem Aug schwimmende Ungeheur,
Wer die wogende See und des
Hohen Donnergebirgs drohende Felsen sah?
Ja, vergeblich hat Land von Land
Durch das scheidende Meer göttlicher Plan getrennt,
Wenn doch über die Fluten hin,
ünbetretbar für sie, frevelnde Schiffe zieh'n.
Keck zu dulden das Schrecklichste,
Stürzt in Frevel der Mensch, wie auch verpönt sie Bind;
Keck trug Japetos Sprosse mit
Arger Tücke der Welt zündendes Feuer zu.
Als das Feuer der Himmelsburg
War entwendet, befiel Siechtum und eine Schaar
Neuer Fieber die Welt, und war
Ferngerückt einst der Tod, seine Notwendigkeit
Nahm, sonst säumend, jetzt raschem Schritt
In die Oede der Luft wagte mit Schwingen sich
Düdal, die nicht der Mensch erhielt;
Durch den Acherou brach Herkules Kraft sich Bahn.
Nichts Unmögliches kennt der Mensch;
Ja den Himmel auch selbst stürmen wir Thoren und
Dulden frevelen Sinnes nicht,
Dass den grollenden Blitz Jupiter niederlegt*).
*) Würde alljährlich an jeder Studienanstalt nur eine Ode des Horaz
von irgend einem Lehrer metrisch übersetzt, so würden die Lehrer der
bayer. Gymnasien in kurzer Zeit in den Besitz einer eigenen Uebersetzung,
zunächst der Oden des Dichters , gelangen Ich würde mich freuen , wenn
der Anfang, den ich mache, eino Veranlassung dazu werden könnte.
/
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414
Horat. Sat. I. 7. 9.
Ad Regem redeo.
Lohrs beanstandet diese Stelle, weil der Dichter weder vorher
allein bei dem Rex verweilt habe, noch von ihm abgekommen sei,
indem er ihn eben noch mit Persius erwähnt habe.
Ich habe mir die Stelle stets in folgender Weise zu erklären gesucht: .
Als Thema wird von dem Dichter die Rache des Persius an dem
Rex aufgestellt. Das ist nun freilich Ironie. Denn das Folgende zeigt,
wie schlecht er Bich gerächt bat, gerade er ist der im hohem Grade
Dlamirte. Von dem aufgestellten Thema aber ist der Dichter durch
die längere Zeichnung des Persius abgekommen, und indem er nach
dieser Abschweifung zu seinem Thena zurückkehrt, konnte er recht
wol sagen: Ad Regem redeo. Denn diess ist gerade so viel, als ob er
sagte: Ad rem jam redeo, i. e. jam dicturus snw, quo pacto Persius
Regia Rupüipus atque venemim ultus sit. Die Aendernng Lohrs' durch
das von ihm in den Text genommene Moliri exitium scheint mir daher
nicht nötig und jedenfalls zu gewaltsam. Ich würde, wenn ich eine
Aenderung für nötig hielte, gerade die Worte Ad rem jam redeo vor-
schlagen. Wenn in diesen Worten bei rem das m wegfiel, so lag durch
Ad re jam redeo die Aenderuug in Ad regem redeo nahe
Die folgende Parenthese gibt mir keinen Anstoss, im Gegenteile,
ich finde sie trefllich nach Zweck und Ausführung, um die zwei Grob-
heitsbelden des Prozesses recht lächerlich zu machen. Der Dichter
räumt den beiden Zänkern gleiches Recht ein wie tapferen Helden und
veranschaulicht diesen Gedanken durch das Beispiel der zwei grössten
homerischen Helden. Was ist natürlicher, als dass die Namen dieser
die Klänge des homerischen Epos in seiner Seele wachrufen? So ahmt
er denn den grossen Epiker nach, und die breite, äebt epische Aus-
führung des erläuternden Falles wird eben durch ihre Umständlichkeit
die herrlichste Parodie. Zu dergleichen Ausführungen aber wird zur
Erhöhung der Lebhaftigkeit der Rede gerade die, ich möchte sagen,
redselige, Parenthese benützt. In ganz gleicher Weise, wie hier, hat
Homer {II. XIII 276 — 287) eine ebenfalls acht/.oilige Parenthese
zwischen den Vordersatz und den nach ihr folgenden Nachsatz ein-
gesetzt. Ich ziehe daher die Parenthese der Verbindung vor, welche
Lehrs den Sätzen gibt, und kann jene auch nicht wegen ihrer Länge
beanstanden.
Kempten. • nannwacker.
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415
Ans der Schulmappe.
Fortsetzung der MiBcellen von A. Kur«*).
19. Andenken für einen jüngst verstorbenen Physiker.
Wer ist unter uns, kann man fragen, der nicht dem Freiburger
Professor J. Müller, dem bekannten Pouillet- Müller, Anregung und
Belehrung verdaukte, insoferne er durstig war nach physikalischen
Kenntnissen? Ein Nekrolog über ihn wird auch in der „Allgemeinen
Zeitung" dahier ersbeinen*') Hier möge eine Stelle aus seinem Briefe
vom 15. April d. J. Platz finden, welcher teilweise durch Miscelle II
(Seite 124) veranlasst wurde, die ich in einem Separatabdrucke an ihn
gesendet hatte: „Mit Ihrer Bemerkung, dass man auch im Unterrichte
wenigstens annähernd richtige Bestimmungen der specifischen Wärme
ausführen könne, erkläre ich mich ganz einverstanden; ich hätte besser
meinen Ausspruch auf S. 26 meines kleinen Aufsatzes, der sich freilich
nur auf genauere Bestimmungen bezieht, zurückgehalten, weil dadurch
manche Lehrer abgehalten werden könnten, die Versuche in der von
Ihnen angedeuteten Weise auszuführen4'
Im weiteren Verlaufe ersucht mich der Briefsteller um die nötigen
Notizen über die Demonstration des Trägheitsmomentes ,,nach der in
meinem Lehrbuche enthaltenen schematichen Darstellung'1, welche auch
am Schlüsse der Miscelle b) (Seite 22) angedeutet ist; „bei Ausarbeitung
einer neuen Auflage meines Lehrbuchs könnte ich nun wahrscheinlich
von diesem Arrangement Gebrauch machen etc.-.
Auch die 6 Miscelle weist auf Muller'scben Ursprung zurück. Es
sind das nur kleinere von den Steinen des Denkmales, das sich J Müller
gesetzt hat; aber viele kleine Steine (ich deuke an die vielen Besitzer
von solchen) geben, wenn passend gefügt, allein schon ein statt-
liches Haus.
♦
20. Fortsetung über das Verhältniss der spezifischen Wärme der Gase*** ).
Wie der (thermische) Ausdehnungscoefficient, so ist auch die spec.
c
Wärme c bei konstantem Drucke und das Verhältniss , wo c, die spec.
ci
Wärme bei konstantem Volum bedeutet, je eineConstante für alle „vollkom-
menen" Gase. Am ausführlichsten »unter den mir bekannten Lehrbüchern
handelt vou diesem - Wüllner, 2. Aufl. 187*, Bd 3, Seite 419-431.
•) S.8. 269-274. ••) Ist erschienen, s. Beilage vom 16. Okt. und
vom 19. Okt •••) S. Miflcelle 15 Seite 271.|
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416
Ich will hier nur ohne oder mit möglichst wenig sogenannter höherer
Rechnung die strikte Formel
c _ log p, — log pt
c, ~~ log pi — log p3
herleiten, wozu ich allerjüngst durch den letzten Aufsatz*) von
f. J. Muller (den seine Freunde mit dem Namen J. Quadrat - Müller
unterschieden) angeregt wurde.
Bekommt die Gewichtseinheit Gases die Wärmemenge db von aussen
zugeteilt, so erfahren ihr Drucke, ihr Volum r, und ihre (absolute)
Temperatur T die Zunahme dp, dv, dT. Die Wärmemenge c,dT oder
C| ifp dp ist zur Erwärm"ng t>ei konstantem Volum und cdT oder
c, j- dv bei konstantem. Drucke nötig; beide sind die Teile von dQ
Bekannt darf ich voraussetzen das Gesetz von Mariotte und Gay Lussac
,npt> p0 v0 (TT T0 , T0 . M
w t = ■^•™™^ = i^tvaaiav-]zt » be"or-
T
gehen. Somit ist d Q — — — (c, v dp -f- c p dv).
Po ^0
Ein spezieller Fall hievon ist der sogenannte adiabatische Process,
dass nämlich kein Wärmeaustausch zwischen dem eingeschlossenen Gas-
quantum und der Aussenwelt stattfindet: dQ — o oder — = — — ^
p cl v
Hieraus erhält man das eine der drei nach Poisson benannten
Gesetze
— - _ 1
~ = (~y* und mit Hilfe von (1) die beiden anderen =
Lässt man also von einem abgesperrten Gasquantum (px T, vt)
wobei Tl gleich der äusseren Temperatur , aber p, grösser als der
äussere Druck ist, plötzlich einen Teil heraus, so dass px und T, auf
pt und T2 herabsinken, so ist nach <2) (^V* = (ffi*
und wenn die innere und äussere Temperatur sich wieder ausgeglichen,
wobei pt auf p3 steigt, gilt nach (1)
•) Poppendorff Ann. Bd 154 S. 113 - 127 (1875) Leider ist dieser
Aufsatz ein nachgelassener des im Januar d. J. kaum 29 Jahre alt ver-
storbenen Züricher Professors.
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417
£ = A
und aus den beiden letzten Gleichungen erhält man durch Elimination
T
von y die
zu beweisende Formel,
21. Die Schallgeschwindigkeit in der Wärmelehre.
(Fortsetzung der Miscellen 15 und 20) Ich habe gerade §. 180 in
Recknagel's Compendium (Stuttgart, Meyer und Zeller 1874) aufge-
schlagen, um die Formel pv~ * abzuleiten, worin p und v die
frühere Bedeutung hoben, n die Anzahl der im Würfel v = x* ein-
geschlossen gedachten Gasinoleküle , m die Masse , u die mittlere
Geschwindigkeit eiues der nach allen Richtungen umherschwirrenden
Gasmoleküle bedeuten. Auf die Fläche x* stossend, da " Moleküle in dem
2 x
Zeitintervallc — , welches zwischen den zwei konsekutiven Stössen
u
desselben Moleküles an derselben Wand verstreicht Also ist die Zahl
der Stösse in der Zeiteinheit und per Flächeneinheit ^— - • Und
«5 x £ X
da ein (elastischer) Stoss die Quantität der Bewegung 2 m u bedeutet,
so ist der Antrieb der Kraft (des Gasdruckes, Zeit = 1).
V — g"^j « 2 w Ii oder pv — — ^—
1
(die lebendige Kraft g- n m u* proportional der absoluten Temperatur
T geset2t, so hat man nebenbei das oben gebrauchte Gesetz von Mariotte
und Gay Lussac als notwendige Folgerung der mechanischen Gastheorie).
Denkt man sich nun mit Stefan*) die Würfel so gestellt, dass die
durch zwei Gegenecken gezogene Diagonale senkrecht zu den Schichtung«'
ebenen der Verdünnung und Verdichtung (bei der Scballfortpßanzung)
1
steht — dann sind alle Moleküle, und nicht etwa bloss - derselben,
in gleicher Weise bei der Fortpflanzung beschäftigt — , so ist u =.
VV$; also pv — nm F*, oder, die Dichte q = ™ eingeführt, F =
IL Das ist Newton's Formel.
Diese bleibt aber bekanntlich hinter der gemessenen Schall-
geschwindigkeit (in der atmosphärischen Luft z. B.) merklich zurück
•) Poppendorfif Ann. Bd. 118, S. 494-496. (1868.)
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418
und Laplace hat dieselbe mit dem oben öfters verzeichneten Faktor -
V — l/— • — mit den Messungen stimmte (zr3J0m rand).
f q c,
Jetzt komme ich wieder auf die genannte Abhandlung von J. J. Müller
zurück, worin letztere Formel als eine einfache theoretische Folgerung
dp
sich ergibt. Es ist nämlich principiell _ J — q der gewöbnliche
(isothermische) Elastizitätsmodul , and durch Vergleicbung mit der
Folgerung p dv 4- t; dp = 0 des Mariotte'schen Gesetzes ersieht man,
p = q.
Nun folgt aus
dT dT
dQ = c, dp -\- c jj- dv = 0 (Miscelle 20)
dp c dp dp e dp c
f = -f oder -3— - = . . r — . a
dv ct dv dv : v et dv : v c,
aber kann der adiabatische Elastizitätsmodul q' genannt
werden, welcher demnach mit dem gewöhnlichen q in der einfachen
Beziehung steht q' = — , qx unter qi und q jetzt die absoluten
Werte verstanden. Also heisst endlich die obige Correktur , welche
Laplace an der Newton'scben Formel vornahm, im Sinne der
mechanischen Wärmetheorie ganz einfach und nach kurzem Nachdenken
so zu sagen selbstverständlich: In der Newton'schcu Formel darf nicht
der gewöhnliche, sondern es muss der adiabatische Elastizitätsmodul
eingesetzt werden.
22. Der elementare „freie Fall" als spezieller Fall.
Ein Stein m fällt aus bedeutender Höhe y (Luftleere) normal zur
Erdoberfläche (4 n r») herab; mit welcher Geschwindigkeit v und nach
welcher Zeit t langt er an?
Lösung :
.0
s-
a r2
mg' dy wo g' = . £J — _ nach Newton's Gesetz.
Also I) t>* = 2 gr* ( -J— + -) = 2^r
Wenn y klein gegen r, so wird v* = 2 gy
Ferner wird = = |/^oder*= -1= |V^EI%
<tt f r + y y<igr ) V y
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419
l /~T~/ r~ r i + y+ Vry + y\
2
Wenn y klein gegen r, 80 wird
• = VrF[^ + ;*0+¥ + »VD]
Ich hatte zuerst den ganzen Logarithmus vernachlässigt, welche
Inkonsequenz im Annäberungskalkul mir zuerst durch die Nichtüber-
einstimmung mit der Formel des freien Falles sich enthüllte. In diesem
Falle müssto man auch das dem Logarithmus vorhergehende Glied
weglassen, wodurch man zu der in gewissem Sinne auch richtigen
Lösung t — o gelangte.
23. Aufgabe über dynamische Stabilität
Eine Mauer hat die Länge l und das Gewicht y der Cubikeinheit;
ihr Querschnitt besteht einfachster Weise aus dem Rechtecke ab und
c b
dem gleichschenkligen Dreiecke -c- : welche Arbeit ist zum Unikanten
m
erforderlich ?
Autwort:
*>ly (a + |^ (V^- + ** — w<>l>ei die Höhe des Schwer-
punktes, sich ergibt aus der Gleichung -f- bx = ab . ~
+ *(• + *>'
Statt dessen rechneten mehrere der besseren Schüler so, als ob
jene Arbeit zerfiele in die zwei Teile: Arbeit der Hebung des Rechteck
Schwerpunktes plus Arbeit der Hebung des Dreieckschwerpunktes (beide
auf die grösstmügliche Höhe). Sie kamen nämlich zu dem Resultate
- * (VF? - 0 +^ " (W -<*+3->)
Durch Fehlen lernt man. Die Vergleichung beider Resultate zeigt,
dass erstens das Rechteck zu hoch gehoben worden, und zweitens dass
ausserdem die Mithilfe des Dreieckes vernachlässigt worden war, dessen
Schwerpunkt zuerst die Vertikale über dem Umkautungspunkte erreicht
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420.
und von da ab fällt, während der Schwerpunkt des Rechteckes noch
gehoben werden mnss.
24. Aufgabe Qber zusammengesetzte Momentenfläche.
Durch eine Polemik Ober die in der 8. Miscelle S. 122 vorgeführte
Momentenfläche ward ich zur Lösung folgender Aufgabe veranlasst:
Ein prismatischer Balken AB vom Gewicht Q und der Länge c
ist an beiden Enden A und B frei aufgelegt und noch durch das
äussere Gewicht P in dem Punkte C belastet, wobei AC — a, BC — b \
0 heissc der Mittelpunkt von AB; a sei grösser als 6
P verteilt sich also auf die Lagerstätte A als P& und auf B &hP° ;
c c
denkt man sich C als Einmauerungstelle, so findet man als die von P
ab
herrührende Momentenfläche das Dreieck ABB mit der Höhe CD — P - .
c
Hinsichtlich Q dient 0 als Einmauerungstelle; ^istaufl gleich-
mässig verteilt; demnach ist OE — die Höhe der Spitze E, in
welcher sich die beiden symmetrischen, zu AB konvexen Parabeläste
schneiden, welche mit AB die daherige Momentenfläche einscbliessen.
Nun sind die aufeinanderfallenden Ordinaten der beiden Momenten-
flächen zu addiren. Die so zusammengesetzte Momcntenrluche hat die
Gerade AB und eine Curve AB als Begränzung, welch letztere augen-
scheinlich zwei Diskontinuitätspunkte besitzt, D' und E' vertikal über
C und O. Auch sieht mau im Voraus, dass die drei Aeste BD , D'E\
E'A zu AB konvex sein müssen.
Zum Ueberflus8e will ich noch die Gleichungen der drei Aeste
ohne Abkürzungen hinschreiben, wobei A als Ursprung, AB als
Abscissenaxe dienen soll:
AE') y = P-- . - + ^ . — yoü^o bis x = 2
ED') y\=P*cb . I + gl . -^JL von * = | bis . = a
D'B) y = P±> . ^ ^ + «| • 7^ ?V V°n
Der sogenannte gefährliche Querschnitt ist entweder in 0 oder
in C; die Entscheidung hierüber liegt in den bezüglichen Ordinaten
OE' ss p| 4- g| und CD' = P~ + Welche von beiden
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421
die grössere , ist dem numerischen Beispiele vorbehalten. Zieht man
statt der Parabene die Geraden (Sehnen) AE' , ED', D'B, so hat
man bei dieser bequemen Annäherung keines der Momente zn klein,
man hat nur stellenweise etwas zu grosse Bieguogsmomcnte verzeichnet,
so dass hieraus uur das Gegenteil einer Gefährdung der nötigen Festig-
keit des Balkens entspringt. Die Gleichungen dieser Geraden auch noch
aufzustellen, halte ich an diesem Orte für entbehrlich.
>
Beziehung zwischen Bild- nnd Gegeustandswelte bei sphärischen
Linsen. Ton C. Bender.
Bei der Entwicklung dieser Beziehung werden folgende Voraus-
setzungen gemacht. Es wird die Dicke der Linse als sehr klein ver-
nachlässigt und es werden nur solche Strahlen in Betracht gezogen,
bei welchen die EintrittBwinkel « und «' sehr klein, also die Sinus-
linien mit den Kreisbogen verwechselt werden können. Die Ablenkung
D ist vom Prisma bekannt, D — « -|- «, _ Anderseits ist
Aussenwinkel <D=:<ö-f<J3, folglich < O + < B = «
+ «» - iß + /»«)•
Ferner « = ßn und «, — /?,*>, wenn mit n der Brechungscoef-
ficient aus Luft in Glas bezeichnet wird.
Also < G-h < B ■ ä ßn «+- fitn — (ß + flt)
oder < ö-f- < 5 = (n - 1) 0 + /*,).
Da ß + = < ÄH- < r, so felgt
<0+< 2> = («• - I) (<a+<r).
Werden die den G, .B, i2, r entsprechenden Bogen gleich
gross angenommen, so kann man die selber als den sie einsch liess-
enden Radien umgekehrt proportional setzen. Man wird daher auch
setzen können ^ -f- — (n - 1) ^-g -f- wobei wir mit den
Buchstaben selber zugleich die Entfernung der betreffenden Punkte
von der Linse bezeichnet haben.
Die gegebene Ableitung der Beziehungen zwischen Bild- und
Gegenstandsweite bei sphärischen Linsen dürfte, indem sie allen un-
nötigen trigonometrischen Apparat ausschliesst, an Einfachheit nichts
zu wünschen übrig lassen. Ihr pädagogischer Wert liegt in dem
direkten Anknüpfen an verhältnissmässig Einfaches und Bekanntes.
felittu f. d. bayer. Gymn.- u. Re*l- Schul w. XL Jahrg. 29
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422
Der Triumphzug des Gerrnanicag. Eine Studie von Anton Lins-
majer. Mönchen 1875
Der Verfasser erklärt im Vorworte, er habe die Tor liegende Studie
MS persönlichem wissenschaftlichem and patriotischem Bedürfnisse
gemacht, er veröffentlich* sie als deutschen Grass aas Bajern znr
Enthüllungsfeier des Hermannsdenkmals im Teutoburger- Walde. „Ich
gewann bei der Untersuchung der Thatsachen Anhaltspunkte, dass raeine
Erwartung (Tacitus möge gegen Strabo Recht behalten, die Gemahlin
and der Sohn des Arminius seien nicht im Triumphzuge des Germanicus
als Gefangene aufgeführt worden) durch den geschichtlichen Sachver-
halt bestätigt werde, und so fohlte ich mich beglückt, weil sich mir ein
dunkler Punkt in der Geschichte zu Gunsten unserer Nationalehre
aufhellte'4. „Der Wunsch", beisst es später, „das störende Gefühl
nationaler Schmach mir bei der Erinnerung an den 26. Mai des Jahres 17
n. Chr. Geburt auf das richtige Mass zu beschränken, trieb mich dazu,
die Nachrichten, die uns aus dem Altertum über den Triumphzug des
Germanicus erhalten sind , zusammenzustellen und mit einander zu
vergleichen"
Zu diesem Zwecke werden nun S. 5 — 9 die auf unsere Frage
bezüglichen Inschriften vorgeführt, S. 9 — 18 die einschlägigen Nach-
richten der alten Autoren ; S 18 — 23 wird die Uebereinstimmung
dieser Nachrichten mit dem Berichte des Tacitus dargethan, jedoch
abgesehen von Strabo; die Zusammenstellung des Strabonischen Berichtes
mit dem des Tacitus und die Be- resp. Ver - urteilung des ersteren
füllt als der Ilaaptteil die übrigen 66 Seiten.
Als Ergebniss der Untersuchungen wird angenommen:
1) Der Triumphzug des Germanicus war ein unberechtigter (S. 42);
2) a) Der Bericht des Tacitus steht mit den Angaben des Strabo
über das Schicksal der Gemahlin und des Sohnes des Arminius in un-
lösbarem Widerspruch (S. 62);
b) Vom wissenschaftlichen Standpunkte aus ist daher die Be-
hauptung , dass die Gemahlin des Arminius und ihr Sohn vor dem
Triumphwagen des Germanicus als Gefaugene geführt wurden, als
historische Wahrheit nicht zu erweisen t S. 88).
Mit dem ersten dieser Resultate hat es keine Not: durch die ein-
stimmigen Berichte des Altertumes, Strabo im Zusammenhalte mit
Tacitus nicht ausgenommen, die der Verfasser in dankenswerter Weise
gesammelt bat, ist dieses ausser allen Zweifel gestellt. Um so
schwieriger wird der Kritik ihre Aufgabe bei dem zweiten gemacht,
zumal , wie wir oben gesehen , die Absicht des Verfassers eine so
anerkennenswerte, ja bestechende ist.
Unbestritten bleibt doch wol, dass der für Rom und die Tiberius-
herrschaft eingenommene und gleichzeitig lebende Asiate und ein Jahr-
hundert später der von tiefer innerer Entrüstung über die Zustände
Roms ergriffene und mit unverkennbarer Vorliebe nach Germanien
ausblickende Römer den in Rede stehenden Triumphzug mit ver-
schiedenen Augen betrachten und nach verschiedenem Massstabe beur-
teilen mu&sten, dass folglich Tacitus von seinem Standpunkte aus gute
Gründe haben mochte, und wäre der allein massgebende auch nur
Gleichgiltigkeit gewesen, eine Sache mit kurzen wol bemessenen Worten
abzutbun, die der redselige Grieche, vielleicht unter dem unmittelbaren
Eindrucke schreibend, einer eingehenderen Erwähnung wert erachtete.
423
Straho'a eigenes Wort ro Myeiv oi> rov p>) ehtevai or)uti6r ianv
mag hier aaf Tacitus volle Anwendung finden.
Der Verfasser freilich urteilt ander« Kr vergleicht die Darstellung
des einen mit der de9 andern Ihr in's Minutiöse und sucht scharfsinnig
Widersprüche zu eruiren, teilweise von betrachtlicher Tragweite, an
die bisher niemand, gedacht.
Wenn auch nicht in Abrede gestellt werden kann, dass hiebei die
Motivirung mitunter auf die Spitze getrieben wird und so ernstes
Kopfscbütteln veranlasst, so gelingt es dem Verfasser vielfach eben so
unleugbar, die gegenteilige Beweisführung sehr zu erschweren oder sie
doch auf das Gebiet zu beschränken, auf dem sich die eigene bewegt,
das der Möglichkeit, im günstigsten Falle der Wahrscheinlichkeit
Es werden aber dabei historische und antiquarische Fragen von nicht
geringer Bedeutung behandelt.
Ich beschränke mich hier auf die kurze Erörterung eines einzigen
Punktes, allerdings desjenigen, in welchen: meines Erachtens dem Ver-
fasser am leichtesten beizukommen ist , mit dem aber auch das zweite
Resultat der Linsniayer'schen Studien steht und fallt: Woher hat Strabo
seine angeblich aller historischen Grundlage entbehrende Notiz?
Creuzers schon wiederholt bekämpfte Annahme, Strabo habe dem
Triumphzuge vom Jahre 17 n. Chr als Augenzeuge augewohnt, be-
streitet L. lebhaft mit weder besseren noch schlechteren Gründen als
jüngst noch Schroeter in seiner Dissertatio de IStrabonis itineribus
p. II glaubhaft zu machen suchte, Strabo habe das Ende seiner Tage
in Rom verlebt. So erwünscht völlige (Jcwissheit wäre über diese zur
Evidenz nicht zu lösende Controverse , so wenig beruht doch auf ihr
allein für unsere Zwecke die Entscheidung. Auch Strabo's Persönlich-
keit wird hier nicht umgangen werden dürfen
Wer Straho's Schriften kennt, wird ihm den von Ritter (Geschichte
der Erdkunde und der Entdeckungen 8 114) zuerkannten „sehr ge-
sunden und geübten Blick" nicU absprechen wollen. Belanglosere
Versehen und vereinzelte erb Midiere lirmmer, wie sie L. teils nach
andern, teils durch selbstangestelitc Beobachtungen vermehrt S 26 und
64 f. vorführt, beeinträchtigen Kitters vollberechtigtes Wort nicht.
\\ ol aber wäre es um .struho's Wert geschehen und es In sse sich von
seinen Schritten als von einem ».höchst schätzbaren Werke" nicht sprechen,
könnte ihni nachgewiesen werden, dass er eine so bestimmt und ib tuillirt
gegebene Nachricht, wie die vom Triuuiphzug des Germanicus lediglich
einem schlecht unterrichteten römischen Kauffabrer nacherzählt habe
(S. 33) , oder gar einem miles gloriosus , iler vielleicht als Quartier-
macher des Germanicus für die ori» ntalische Expedition im Jahre 17
n.Chr. ihm voraus nach Kleinasien ging oder verabschiedet als Matrose
in die Nähe von Silistria kam und dem Strabo vorprahlte, indem er
Namen, die er halb unrichtig gehört oder im Gedächtniss behalten
hatte, in ungeeigneten Zusammenhang bnirhte" (S. 64). So hätte ein
Strabo ge chriftstellert, an dem Forbiger I, 308 „fast übertriebene
Gründlichkeit und Genauigkeit" tadelt, der Blatt um Blatt gegen die
angesehensten Autoren in unerbittlicher Polemik um Wichtiges uud
Nichtwichtiges rechtet 1 So nicht etwa in leichtlebiger Jugend oder über
längst vergangene Zeiten , sondern an der Neige eines erfahrungs-
reichen greisen Alters über eine aller Welt bekannte Prunkfeier, noch
dazu unmittelbar nach Vollendung der Festlichkeiten 1 (S 31) So nach-
dem er 43 Bücher Iotoqixu ü inuit^uju geschrieben als Fortsetzung
eines gleich streitlustigen Historikers, wie er selbst ist, des Polybiusl
29'
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1
424
Vermag ich sonach, patriotische und anderweitige Herzenswünsche
bei Seite gelegt und einzig und allein der historischen Wahrheit zuge-
wandt, das zweite Kesultat der Untersuchung nicht allein als kein end-
giltig genügendes zu bezeichnen (S. 27), sondern rnuss ich dieses viel-
mehr ein für allemal al-> unerweisbar erklären, so bindert das nicht,
die hiemit angezeigte Studie der Leetüre eines thunlichst weiten
Leserkreises angelegentlichst zu empfehlen. Abgesehen von der wol-
tbuenden Wärme für eine ehrenvolle Geschichte unsers weitern Vater-
landes, die allenthalben aus dem Schriftchen spricht, ist dasselbe bis
in's Kleinste planmässig angelegt, durchweg wissenschaftlich gehalten,
vorzüglich geschrieben und für die Behandlung derartiger Fragen
vielfach geradezu mustergiltig Insbesondere werden jüngere Fach-
geooBsen aus den eben so inhaltsreichen als schön ausgestatteten
und sauber corrigirten Blättern in hohem Grade Anregung und
Belehrung schöpfen.
Speier. Mark hauser.
Kleine Grammatik der deutschen Sprache nebst einem Abriss der
deutschen Metrik und Poetik von Dr F. W. R. Fischer. Nicolai'schc
Verlagsbuchhandlung in Berlin. 1875. 5. Auflage.
Ueber die Notwendigkeit eines systematischen Grammatik -
Unterrichts auf Mittelschulen sind die verschiedensten Ansichten in
Umlauf, die in dem Gegensätze von nichts und alles gipfeln. Die
Anhänger der ersteren scheiuen zum Teil die Modernen zu sein,
hoffentlich aber nur desshalb, weil nicht selten durch die Mangel-
haftigkeit der Methode des grammatischen Unterrichts dieser selbst in
Misskredit gekommen ist. Dass deutsche Grammatik auch auf unsern
Gewerbschuleu und ähnlichen Bihiungsanstalten gelehrt werden
müsse, dafür sprechen praktische, nationale und allgemein
pädagogische Gründe. Freilich wäre es ebenso verkehrt, wollte
man, besonders an unsern technischen Schulen, darauf das Haupt-
gewicht beim deutscheu Unterricht legen, so dass die Erstrebung der
praktischen Fertigkeit im Aulsatzschreiben und die Pflege der Leetüre
in den Hintergrund träte.
Das oben erwähnte Büchlein scheint mir zwischen dieser Scylla
und Charybdis glücklich hindurchzuführen. Es enthält auf 75 Oktav-
seiten die wichtigsten Gesetze unserer Muttersprache, an Beispielen
trefflich erläutert Daran schliefst sich in *20 Seiten eine Besprechung
der wichdgsteu Lehren der Metrik und Poetik. Wir haben ein Werkcheu
vor uns, das unter den mir bekannten Büchern ähnlichen Schlages eine
hervorragende Stellung einnimmt Uebtrall last sich die methodische
Sicherheit und Klarheit erkeunen. Für die Brauchbarkeit des Büchleins
dürfte wol schon die Tatsache sprechen, dass es innerhalb einer kurzen
Reihe von Jahren fünfmal aufgelegt wurde.
Welches sind nun die wichtigsten empfehlenden Eigenschaften an
dem Buche? Abgesehen von der Uebersichtlichkeit, welche es
zum guten Teil dem bedeutenden Unterschied der Lettern verdankt,
scheint vor allem eine Erbsünde der meisten üblichen Ge^ammatikeu
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425
abgestreift zu sein, nemlich die unseligen logischen Defini-
tionen von Satz, Sprache, Muttersprache u. s. w. Bekanntlich haben
solche Dinge für die Jugend bis zu einem gewissen Alter nur den Wert
einer Gedäcbtnisquälerei. Definitionen gehören ausserdem weder
wissenschaftlich, noch vom Standpunkt der Methodik aus an den Anfang.
Im vorliegenden Buche ist ganz richtig, wo eine derartige Erklärung
nötig schien, der genetische Weg eingeschlagen. Der Autor stellt sich
in der Regel nicht die Krage „Was ist das Ding?", sondern: „wie
wird es?, was tut es?, oder wozu dient es?u.
Die Anwendung der lateinischen Terminologie und
die Fernhaltung aller orthographischen Neuerungen
schliessen sicher keinen Vorwurf in sich.
Besonders möchten aber die Abschnitte von den Präpositionen
und Konjunktionen, die dem Schulmanne häufig die grössten Schwierig-
keiten bereiten, Erwähnung verdienen. Bei der Lehre von den Präpo-
sitionen bat offenbar das praktische Moment den Ausschlag
gegeben, und daher kommt die Klarheit des betreffenden §. Dass die
Lehre von den Konjunktionen in die Syntax verwiesen ist, zeigt von
pädagogischem Tukt des Autors. Der Abschnitt von der Ableitung der
Wörter hat den Vorzug, dass auf die Bedeutung der wichtigsten
Ableitungssilben 1 ingewiesen ist, so dass der Schüler zum Nach-
denken angeregt wird und nicht geistlos an die Stammsilben seine Vor -
und Nachsilben anklebt.
Doch sind mir auch einige weniger empfehlende Dinge aufgefallen.
So teilt der Verfasser die Lehre von der Rechtschreibung in folgende
vier Abschnitte ein: I Die Umlautung, II. Die Verlängerung, III. Die
Dehnung, IV. Die Schaffung; dazu kommt ein „Nachtrag", welcher
das Notwendigste über die Schreibung einzelner Laute enthält Beim
ersten Blick glaubte lob, die Nummer II müsse mit III zusammenfallen.
Aber bei näherer Iii tracbtiH'g stellte sieb diese Meinung als Irrtum
heraus, denn eh handelt sich dort um die Regel: „Weisst du nicht, ob
du am Ende eines Wortes das Zeichen für einen weichen oder für
einen harten Mitlaut setzen sollst, so verlängere das Wort in irgend
einer Weise".
Demnach ist aber obige Einteilung nicht richtig, da ihr ein ein-
heitlicher Einteilungsgrund fehlt.
Unrichtig ist die Regel über den Gebrauch des Punktes,
welche heisst : „Der Punkt steht nach jedem Satze, welcher einen in
sich abgeschlossenen (iedanken darstellt", denn hienach stellte z. B. der
Sats: „Hätte doch die ganze Welt dieselben moralischen Grundsätze 1"
keinen in sich abgeschlossenen Gedanken dar Auch dürfte es sich
empfehlen, an dieser Stelle die andern Fälle anzugeben, in denen
gleichfalls ein Punkt steht.
An vielen Schwächen scheint mir die Partie vom \kkusativobjekt
zu leiden. „Dor Accusativ", heisst es, „steht bei allen transitiven
Verben". Schlägt man nun 8. 25 auf, um zu erfahren, was denn unter
einem transitiven Verb zu verstehen sei, so erhält man die wenig in-
struktive Weisung, dass diejenigen Verba transitiv seien, welche den
Acc. regieren. Es heisst also obige Kegel auf gut deutsch : „Den
Accusativ regieren die Verba , welche den Accusativ regieren" , eine
Lehre übrigens, die auch zu den Erbsünden unserer Grammatiken zu
gehören scheint. Ich werde bei dieser Manier, den Schüler im Kreis
herum zu führen, stets an den Och=en im Faust erinnert nnd bedauere
die Jungen , welche die Rolle desselben zu Übernehmen haben. Wenn
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man kein gemeinschaftliches Merkmal für diese Kategorie von Verben
findet, so zähle man einfach einige von ihnen auf. Ich sehe auch nicht
ein, was die Erklärung des Wortes „transitiv" in der Etymologie zu
tun hat. Seiten heisst es dann unter. Nr 4, „bei manchen subjektiven
Verben stehe auch ein Accusativohjekt, z B. er starb den Tod für's
Vaterland". Der Heisatz „aber nur in gewissen Verbindungen" liesse sich
mit Leichtigkeit durch etwas Bestimmtes ersetzen. Diese Tatsache tritt
nemlich bekanntermassen da ein, wo das Substantiv dem Begriffe nach
mit dem Verb zusammen füllt (inneres Objekt). Dass dann die Accu-
sative, welche bei Adjektiven und Verben „zur Bezeichnung der Aus-
dehnung von Raum und Zeit, Mass , Gewicht und Wert" stehen , eben-
falls unter den Objekten figurieren , obwol sie „nicht als Objekte zu
betrachten sind", nimmt mich wunder. Map setze sie eben hin, wohin
Bie naturgemäss gehören, unter die Adverbialien.
Zum Schlüsse nur noch eine Bemerkung! Auf Seite 57 findet sich
folgender Passus : x
„b) Das doppelte Objekt. Dem Herrn befehlen wir unsere
Wege. Er schilt mich einen Narren. Ihr beraubet mich
meiner Kinder.
Der erste Satz enthält ein Dativ- und ein Accusativobjekt ; der
zweite Satz enthält zwei Accusativobjekte und der dritte ein Accusativ -
und ein Genitivobjekt." Ich führe diesen ganzen Absatz an, weil in ihm
ein methodisches Prir.cip zur Anwendung gebracht ist, das meiues
Erachtens bei allen Grammatikgesetzen zur Geltung kommen sollte,
nemlich das Anschauungsprincip. Erst Beispiele und dann die
Regel! Das braucht man indes nicht so auszulegen, als müsste man
den Schüler das betr. Sprachgesetz selbst aus dem Beispiele heraus-
finden lassen, sondern dasselbe soll vielmehr vor den Augen des
Schüler 8 von dem Lehrer entwickelt werden. Man könnte dagegen
einwenden, dies Verfahren halte sehr lange auf; allein das so Gelernte
ist dann auch kein blosser Gedächtniskram, sondern lebendiges Eigen-
tum. Gewichtiger könnte vielleicht der Einwurf erscheinen, dass die
Anwendung dieser Methode auf Mittelschulen, also auch an unsern
Gewerbschulen, gewissermassen überflüssig sei, da die aus der Volks-
schule kommenden Knaben die wichtigsten Spracbgesetzc bereits auf
diesem Wege erlernt unH infolge dessen nur eine Auffrischung nötig
haben, die auf dogmatische Weise rascher herbeigeführt werde. Diese
Ansicht hätte etwas für sich, wenn tatsächlich alle in höhere Schulen
Eintretenden dieselbe Vorbereitung mitbrächten, was aber bekanntlich
nicht der Fall ist. Dabei ist ja immer eine abwechslungswcise dog-
matische Behandlung einzelner hiezu besonders geeigneter Abschnitte
Dicht ausgeschlossen.
Für den Fall, dass vorliegendes Büchlein eine weitere Auflage
erlebt, dürfte auf vorstehende Bemerkungen Rücksicht zu nehmen sein.
Es könnte auf diese Weise für Gewerb- und ähnliche Schulen eine
sehr gute Sprachlehre geschaffen werden.
München.
H. Krallinger.
427
Gottfried Ebener'« französisches Lesebuch für Schulen und Erzieh-
ungsanstalten in vier Stufen. Herausgegeben von Georg Storme.
Stufe I, 14. Auflage. Hannover. Verlag von Carl Meyer. 1875.
Die mir vorliegende 1. Stufe dieses Lehrbuches enthalt grössten-
teils Fabeln, leichtere naturgoschichtlicbe Beschreibungen und geschicht-
liche Merkwürdigkeiten abwechselnd mit Dialogen. Haas sich das Buch
als brauchbar erwies, beweist wol der Umstand, dass es bereits in der
14. Auflage erscheint. Dennoch ist es mir nicht einmal klar, ob es
beim Schüler die Erlernung der unregelmässigen Verba voraussetzt
oder nicht, da die am Ende im ausführlichen Wörterverzeichnis« bei-
gesetzten Erläuterungen in dieser Beziehung sehr unbestimmt
sind So wird z. B. Nro 5 gesagt: „vit von wir, v. irr., sehen".
Weiss der Schüler die unregelmässigen Verba bereits, so ist es höchst
verwerflich, ihm durch derartige Erläuterungen zu Hilfe zu kommen;
er schlage, wenn ihn sein Gedächtniss im Stiche lässt, in seiner Gram-
matik nach. Weiss er sie noch nicht, so ist ihm obiger Aufschluss
nicht genügend, um vit übersetzen zu können Diese Unbestimmtheit
setzt sich bis zum Schluss fort; z B Nr. 91: „meurs von mourir, v.irr.,
sterben" Von den Bemerkungen, die der Verfasser über den Gebrauch
des Buches den Lehrern gibt, heisst die erste: „Der Lehrer lese
jeden 8atz seinen Schülern so oft vor, bis sie jedes einzelne Wort
desselben richtig nachzusprechen vermögen. Besonders schwierige
Wörter werden in ein Heft eingetragen und von Zeit zu Zeit wieder-
holt". Wie ist diese Anweisung zu verstehen? Soll der Lehrer den
Schülern diese Lesestücke so und so oft vorlesen, ohne dass diese von
den ersteren präparirt sind? Wie oft würde man ihnen da wol Nr. 7
(Les cr%8 des animaux) vorlesen dürfen ! Oder soll der Lehrer den
Schülern beim Vorlesen die Uebersetzung geben, wobei diese dann die
schwierigen Wörter, die ohnehin alle im Wörterverzeichnisse vom Ver-
fasser Stück für Stück gedruckt gegeben sind, in ein Heft eintragen?
% Kurz, ich glaube, dass das Erste immer die Präparation des Schülers
sein müsse Die übrigen 6 Anleitungen scheinen ganz zweckdienlich; nur
müsste dem französischen Unterrichte, um so zu verfahren, eine gegen
andere Gegenstände hervorragende Anzahl von Stunden zugemessen sein.
München. Dr. Wallner.
Liierarische Notizen.
Piatonis 8y mposium in usum studiosae juventutis et achol-
arum cum commentario critico edidit Georg Fer dinand Bettig.
Halis in libraria orphanotrophei a. 1875. VI und 86 Seiten, gr. 8.
Wenn auch gerade kein liedürfniss zu einer neuen kritischen Aus-
gabe des platonischen Symposions vorlag, so ist doch die vorliegende
trefflich ausgestattete Ausgabe dieses Dialoges, welche für die studier-
ende Jugend und zum Zweck von Vorlesungen bestimmt ist, mit
Freuden zu begrüssen , da sie auf ueuen Kollationen beruht und die
Leistungen neuerer Kritiker eingebend berücksichtigt, so dass hier zu
einem gründlichen Studium des Dialoges eine Fülle von Material
geboten ist. Bei der guten t Ueberlieferung des Textes tritt natürlich
die Konjekturalkritik mebr'iu den Hintergrund — von eigenen Ver-
mutungen des Herausgebers sei erwähnt: 189 B »JJij (Jij£»jaeff$a* für
ijrrij^oSf« , 197 E £v X6X<? statt iv Xoyy und 220 D Uutovw statt
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428
'iwrwv — und die Annahme von Interpolationen, die der Herausgeber
an einigen Stellen zu erweisen sucht, entbehrt meist der Sicherheit.
Eine besondere Aufmerksamkeit ist d*>n grammatischen Fragen ge-
widmet Wie weit man hier den Handschrifteo folgen dürfe, ist schwer
zu bestimmen. Wenn z B. 193 E gegen die Autoritat'der Handschriften
Zvvfjdij geschrieben wird, so erscheint es doch nicht konsequent, wenn
anderwärts den Handschriften so viel Wert beigelegt wird, das9 192 E
die Form «ff eiv, 4 Zeilen zuvor aber d'voiv aufgenommen wird. Oder ist
es wahrscheinlich, dass Piaton iunerhalb weniger Zeilen in den Formen so
wechselte? Eine unpraktische Einrichtung des Buches ist, dass die Zahl
der Zeilen nur von 10 zu 10 statt von 5 zu 5 am Rande bezeichnet ist;
auch hätte eine grössere Sorgfalt auf die Revision des Druckes ver-
wendet werden sollen, da im Texte und im Kommentar nicht wenig
Fehler stehen geblieben sind.
Homers Odyssee Erklärende Schulausgabe von Heinr. Dttntzer
I. Heft II Abteilung. Buch IV — VIII. Zweite , neu bearbeitete
Auflage. Paderborn, Verlag von Schöningh. 1875. 1 M. 50 Pf.
Uebungen zur Repetition der lateinischen Syntax, entworfen von
Dr. Karl von Jan. 2. vermehrte Auflage Landsberg a. W. bei Schäffer
& Comp. 1876. Pr. 70 Pf. Das Büchlein ist von 43 auf 72 Seiten
angewachsen; das Neuhinzugekommene umfasst neben den früheren
Regeln noch die abhängigen Bedingungssätze, die Fragen mit an u. a.
Im üebrigen ist die Einrichtung die gleiche geblieben. Vergl. Bd. X
8. 334 dieser Blätter.
Illustrationen zur Topographie des alten Rom. Mit erläuterndem
Texte für Schulen herausgegeben von Christoph Ziegler, Prof. in
Stuttgart. Drittes Heft, erste und zweite Abteilung Verlag von Paul
Neff. Tafel IX. Möns Capitolinus. X. Möns Palatinus. XL und
XII. Amphitheatrum Flavium (Colusseum).
Aufgaben zum Uebersetzen aus dem Deutschen in's Lateinische
für Secunda in genauem Anschluss an die Grammatik von Ellendt -
Seyflert und an die lateinische Leetüre von Paul Klaue ke Berlin,
Verlag von W. Weber. 1875. 242 S. in 8. Pr. 2 M. 80 Pf. Der
Verfasser geht von dem richtigen Satze aus, dass der Secunda die
Aufgabe zufalle, das grammatische Wissen zu erhalten und zu er-
weitern. Für diesen Zweck (und nur für diesen, nicht auch für
Stilistik) bietet das vorliegende Buch Materialien, ohne dass ein wesent-
licher Fortschritt vom Leichteren zum Schwereren ersichtlich wäre,
aber mit ausdrücklicher Benennung der Abschnitte aus der Gramm.,
auf die sich die Debungsstücke zumeist und zunächst erstrecken. Da
sich die Uebersetzungsstücke an die Klassenlektüre (Liv XXI. XXII. Cic.
Arch, Dqot. Cot. I — TV, Rose. A., Ligar., d. imp. Cn. Pomp., Laelius ;
Sali ) anschliessen , so ist die Phraseologie sehr sparsam und be-
schränken sich die Noten mehr auf Fragen und Warnungen, iu welcher
Hinsicht wohl zu weit gegangen ist, wenn auch die am Schlüsse ange-
hängte „alphabetisch geordnete Erläuterung der Anmerkungen" vielfach
aushilft Die grammatischen Verweisungen beziehen sieb dem Zwecke
und der Anlage des Buches entsprechend auf Ellendt- Seyffert.
Ausführliche Erläuterung des allgemeinen Teiles der Germania
des Tacitus. Von Dt. Otto Baumstark, o. Prof. der Univ. Freiburg.
Leipzig; T. 0. Weigel. 1875. 744 S. in 8. Preis 8 fl. 45 kr. Nach-
dem der Verfasser in der Vorrede die bisherigen Leistungen auf diesem
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Gebiete als ungenügend bezeichnet and damit das Erscheinen seines
Werkes in diesem Umfange begründet, spricht er in den „Vorbemerk-
ungen1' von dem Charakter der „Germania" , ihrer bandscbrittlichen
Ueberlieferung , speziell von der Ueberschrilt und vom „Inhalt" des
allgemeinen Teiles, um dann mit grosser Fach - und Literaturkenntnis
in 27 Kapiteln alle einschlägigen Fragen zu behandeln. Die Ausführ-
lichkeit und Vollständigkeit, mit der das geschieht, verleibt dem Werke
in der Tat den Wert einer kleinen Germania -Bibliothek. In seinem
Urteil über Andersgläubige, unter denen bi sonders Holtzmann schlimm
wegkommt, tritt der Verfasser mit sclbstbewusster Schärfe auf; die
Bedeutung des Buches liegt denn auch mehr in seiner negativen Seite,
soferne gar manche falsche Auffassung und Erklärung aus alter und
neuer Zeit wobl für immer abgethan wird, ohne dass der Verfasser selber
immer zu unumstößlichen positiven Resultaten kommt. Eine auf Ein-
zelnes eingehende Besprechung des bedeutsamen Werkes , dem der
Kommentar zum speziellen Teil in Bälde folgen soll, bleibt vorbehalten.
Anhang zu Homers Ilias »Schulausgabe von K. F. A m eis 3. Heft. Er-
läuterungen zu Gesang VII— IX. von Dr. C. Hentze. Leipzig, Teubner, 1875.
Römische Geschichte in kürzerer Fassung. Von C. Peter. Halle,
Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses 1875. 591 S. in gr. 8.
Pr. 7' t M. Nicht ein Auszug aus der dreibändigen Geschichte Roms
des verdienten Verfassers, sondern eine dnrehaus selbständige Arbeit,
zunächst bestimmt den reifereu Schülern des Gymnasiums als Hand-
buch zu dienen, aber auch für Lehrer wohl brauchbar und dem grösseren
Sebildeteu Publikum sehr zu empfehlen. Unter Verzichtleistung auf
ie Erörterung streitiger Punkte sind die Tbatsachen in einfacher und
klarer Sprache dargestellt und Bedeutung und Zusammenhang derselben
zur Anschauung gebracht. Selbständiges Studium der Quellen und
Hilfsmittel ist bekanntlich ein wesentliches Verdienst, des Verfassers;
darnach ist, wie das grössere Werk, so auch die vorliegende Ausgabe
zu beurteilen, die allen Freunden der römischen Geschichte, eines der
lehrreichsten Teile der Weltgeschichte, bestens empfohlen werden kann.
Die Geschichten des Herodot. Deutsch von Dr. Heinrich Stein.
In 2 Bänden. Oldenburg Ferdinand Schmidt, 1875 Pr. 9 M. Der
verdiente Herausgeber der kommentierten Ausgabe sowie der kritischen
Textausgabe des Herodot hat hier in seböuer Ausstattung eine Ver-
deutschung geliefert, die gebildete Leute ohne Kenntnis der griechischen
Sprache mit einem der interessantesten und anziehendsten Schriftsteller
des Altertums bekannt machen und befreunden , daneben aber auch
Fachgelehrten Dienste leisten kann
Erzählungen aus der Geschichte für den ersten Unterricht in
Gymnasien nnd Realschulen zusammengestellt von Karl Kappes.
5. verb. Aufl. Freiburg i. B. Fr. Wagner'sche Buchhandlung. 1875.
Die neue Aufl. des hier schon wiederholt angezeigten Werkes (s. Bd
V S 60 nnd Bd. 10 S. 32) hat keine wesentlichen Aenderungen erfahren,
wohl aber erhielten ei!izelne§§. cinr schärfere Abgrenzungoder Erweiterung.
Siebentes Jahreshelt des Vereines Schweizerischer Gymnasiallehrer.
Aarau, 1875. Bei U. R. Sauerländer 08 S. iu gr. 8 Das Heft enthält:
1) Protokoll der lünfzehnteu Jahresversammlung in Ölten, Okt. 1874.
Besonders interessant ißt darin ein Vortrag von Prof. K. Thomann
über die Einrichtung der Realgymnasien und die sich daran knüpfende
Discussion. 2) Biographie des Prof. Dr W. Vischer. 3) Verzeichniss
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der im Jahre 1874 erschienenen Programme der Schweizerischen Gym-
nasien. 4) Verzeichniss der eingegangenen Bacher und Schriften.
6) Verzeichniss der Vereinsmitglieder.
Der Mentor. Notiz -Kalender für Schüler für das Jahr 1876.
Altenburg. Verlag3handlung von H. A. Pierer. Pr. 60 Pf. Enthält
ausser dem eigentlichen Kalender u. A. geschichtliche und geographische
Tabellen, historische Notizen für jeden Tag, Tabellen zu Lektionsplanen ,
Schüler- uud Bücherverzeichnissen und sonstigen in ein Tagebuch gehörigen
Aufzeichnungen. Eignet sich vortrefflich für den Weihnachtstisch.
Waltber von der Vogelweide. Schulausgabe mit einem Wörterbuche
von Karl Bartsch Leipzig, Brockbaiis. 1875. Zweck uud Plan wie
bei der im selben Verlag erschienenen, von demselben Verfasser bear-
beiteten Ausgabe des Nibelungenliedes (X. 214 d. Bl ) und der Kudrun.
Schillers Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen.
Zunächst für die obersten Klassen höherer Lehranstalten mit einer
Einleitung und erklärenden Anmerkungen herausgegeben von Dr.
Arthur Jung. Leipzig, Teubner. 1875. 374 S. in kl. 8. Zunächst
für die Hand des Lehrers bestimmt.
Carl Ritter. Ein Lebensbild nach seinem handschriftlichen Nach-
lasse dargestellt von Dr. 0. Krämer, Direktor der Franckischen Stift-
ungen zu Halle. Zweite Ausgabe. Halle, Verlag der Buchhandlung
des Waisenhauses. 1875. I. Teil 458 S. II Teil 320 S. in 8. Unter
Hinweis auf die empfehlende Anzeige der ersten Ausgabe dieses Werkes
Bd. VII S- 288 ff. dieser Blätter sei hier nur erwähnt, dass in
der ganzen Form der Darstellung , abgesehen von einigen Aeusserlich-
keiten und einem Paar gegen Ende hinzugefügter Zusätze, wenig, in
der ganzen Auffassung aber nichts geändert ist Neu sind einige Reise-
briefe aus den Jahren 1846, 1849 und 1853, ferner ein früher gedruckter
Aufsatz Ritters, in welchem er die ersten Eindrücke bei seinem Besuche
in Konstantinopel schildert, wodurch der auf diesen bezügliche Reise-
bericht vervollständigt wird, endlich ein Verzeichniss seiner Schriften,
soweit sie in den Buchhandel gekommen sind. Zur Verbreitung des
interessanten Werkes wird der Umstand wesentlich beitragen, dass der
Preis von 4'/3 Thlr auf 9 Mark ermässigt werden konnte.
Kurz, W., Transparente Tafeln aus dem Gebiete der Mikroskopie
5 Tafeln mit erläuterndem Texte. Pichler's Witwe und Sohn. Wien.
1875 Wir stimmen dem Verfasser vollkommen darin bei , dass die
niedern , mikroskopischen Organismen, deren Kenntniss in unserer Zeit
eine so grosse Ausdehnung und Bedeutung erlangt hat, bei dem Unter-
richte in der Naturgeschichte nicht übergangen werden können, dass es
aber fast unmöglich ist, dieselben einer ganzen Klasse unter dem
Mikroskope vorzuführen. Daher verdient der Gedanke Beachtung,
durch transparente, nach gelungenen Präparaten entworfene Tafeln die
mikroskopische Anschauung zu ersetzen. Die auf den vorliegenden
5 Tafeln dargestellten Gegenstände sind sämmtlich der niedern Tier-
welt unserer Süsswasser entnommen; es sind: eine Vorticelle, eine Hydra,
eine Plumatella , eine Nais und ein Cyclops. Der beigegebene Text
enthält nebst einer Gebrauchsanweisung sachgemässe und gemeinver-
ständliche Erläuterungen. Bei einer Fortsetzung des Werkes, dem wir
im Interesse des naturgeschichtlicben Unterrichts einen raschen Fort-
gang wünschen , möchten wir nur dem Verfasser empfehlen, sich nicht
auf eine , wenn auch genaue Copie des mikroskopischen Präparates zu
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beschränken, sondern gute, auf genaues Studium des Objektes gegründete
Abbildungen zur Ergänzung zu benutzen. Es wäre dies besonders bei
Hydra fusca sehr erwünscht gewesen , wo durch die Lage der stark
kontrahierten Fangarme die Mundöffnung verdeckt erscheint.
Wünsche, Dr. 0., Die Kryptogamen Deutschlands. Nach der ana-
lytischen Methode bearbeitet 1. Heft. Die höheren Kryptogamen.
Leipzig. B. G. Teubner. 1875. Anfängern das Studium der höheren
Kryptogame (der Gefäss - Kryptogamen , Laub- und Lebermoose) zu
ermöglichen und als Einleitung zum Gebrauche der systematischen
Specialwerke zu dienen, ist der ausgesprochene Zweck dieses Büchleins.
Tabellen, in welchen die Pflanzen nach augenfälligen Merkmalen (bei
den' Laubmoosen auch nach ihrem standörtlichen Vorkommen) geordnet
sind, dienen dazu, das Auffindeu der Familien und Gattungen zu er-
leichtern. So wünschenswert dem Anfänger auf so schwierigem Gebiete
solche Erleichterungen sind, so bergen sie für ihn doch auch Klippen,
indem er oft an Nebensächliches sich haltend , ein tieferes Eingehen
auf das Wesentliche sich ersparen zu können glaubt. Damit soll jedoch
ein Tadel gegen das Bestreben des Verfassers nicht ausgesprohen sein.
Nur gegen den Titel „Kryptogame Deutschland s" müssen wir
protestieren. Fast möchte es scheinen, als zähle der Verfasser Bayern
nicht zu Deutschland, denn eine grosse Anzahl der in den bayerischen
Alpen, zum Teil auch durch ganz Süd- Bayern verbreiteter Arten
(besonders Moose) fehlen gänzlich in dem Werkchen. Jedenfalls
wäre die Bezeichnung „Kryptogamen Mitteldeutschlands" die ent-
sprechendere gewesen.
Samuel Schilling's Grundriss der Naturgeschichte. Das Tier-
reich. 12. vielseitig verbesserte und bereicherte Bearbeitung. Breslau
1875. Ein so allgemein bekanntes und weit verbreitetes Lehrbuch
bedarf wohl kaum einer empfehlenden Auzeige. In Beziehung auf die
vorliegende neueste Auflage verdient nur hervorgehoben zu werden,
dass in derselben die Sinnesorgane eine eingehendere Bebandluag
erfahren haben und die Systematik den Resultaten der neueren Forsch-
ungen entsprechend vielfach umgestaltet worden ist
Crapelen, C, Leitfaden für den botanischen Unterricht an mitt-
leren und höheren Schulen. Leipzig. B. G. Teubner 1875. In klarer
und bündiger Darstellung gibt der Verfasser in diesem Werkchen einen
dem Standpunkt der heutigen Wissenscbatt entsprechenden Abriss der
Botanik. Eigentümlich ist demselben die Verbindung der Physiologie
mit der Morphologie, indem bei der Beschreibung der einzelnen Organe
zugleich deren physiologische Bedeutung dargelegt wird. Für Mittel-
schulen, in welchen dem naturgeschichtlichen Unterricht verhältnis-
mässig wenig Zeit gewidmet werden kann, dürfte sich dieser Leitfaden
als ein sehr zweckmässiges Lehrmittel empfehlen. Dabti müssen wir
jedoch voraussetzen (und diese Voraussetzung liegt wohl auch im Sinne
des Verfassers), dass den Schülern auf früheren Unterrichtsstufen eine
gewisse Summe von Anschauungen aus der Pflanzenwelt geboten worden
ist, so dass der vorliegende Leitfaden dazu dienen kann, den botanischen
Unterricht an mittleren und höheren Klassen in zusammenfassender
und zugleich ergänzender Weise zu einem gewissen Abschluss zu bringen.
Leitfaden der Physik von Dr. M. Beetz o Prof u. d.jZ. Dir. des
Polytechnikums in München. V. Auflage. Berlin 1875. Nauck. Vor
3 Jahren erst war die IV. Aufl. erschienen und bestehen die Vcränder-
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ungeu laut Vorwort hauptsächlich in weiterer Ausführung mancher An«
gabeu, welche in den früheren Auflasen nur durch einzelne Stichworte
angedeutet waren" Feiner wurde das Format verkleinert, so dass die
Seitenzahl von 176 auf 272 gestiegen ist. Der Preis von I Thlr. wird
wohl derselbe gehlieben sein. Das Buch verrät seiuen Ursprung ans
einem vollkommen ausgestatteten Laboratorium, welches mit dem Neuesten
Schritt halten kann und will.
Leitfaden für den Anfangsunterricht in der Geometrie an höheren
Lehranstalten von H. Kost ler. Zweites Heft. Der Flächeninhalt der
Figuren. Halle a./S. L. Nebert, 187.">. „Es ist eine Fortsetzung von einem
dem Ref. unbekannten ersten Teile; injjdemselben ward kein neuer Gedanke,
nur eine Zusammenstellung der elementaren Sätze, sowie die einfachsten
Aufgaben über Verwandlungen und Teilungen gefunden.
Lehrbuch der italienischen Sprache von Dr. Armin. Schäfer.
5 Teil: Darstellungen aus dem öffentlichen Leben. 6. Teil: Lesestücke,
nach den Redegattungeu geordnet. Paderborn, Ferdinand Schöningh.
1875. 147 S. in 8.
Vocabulario italiano sintern atico. Italienisches Wörterbuch nach
einer Anordnung, wodurch es als Hilfsbuch der Konversation brauchbar
wird von P. Ph. Alexander S c h 1 i c k u m. 2. verbesserte und stark
vermehrte Auflage. Paderborn, Schöningh. 1875. 448 S. in kl 8.
Ernannt: der vormalige Lehrer an der Gewerbschule in Amberg
Schulz zum Lehrer der Mathematik und Physik an der Kreisgewerbschule
in Bayreuth; zum Lehramtsverweser für Realien in Würzburg der Lebramts-
kand. Loewe; zum Lehrer der Handelswissenschaften an der Geworbschule
in Bamberg der derzeitige Verweser Marstatt; zum Realienhilfslehrer
in Augsburg der Lehramtskand. Bräuninger; zum Lehranitsverweser für
die neueren Sprachen an der Gewerbschule in Neumarkt der Lehramtskand.
Schlund; Ass. Mahl am Ludwigsgymn in München und Asa. Dusch in
Speier zu Studienlehrern in Lohr.
Versetzt: Mathematik- und Realien-Lehrer Eissel von Grünstadt
an die Gewerbpchnle in Zweibrücken; Rcalicnlebror Schiessl von Kaisers-
lantern nach Regensburg; Studicnl hrcr Fr omun n von Landau nach Nürnberg.
Gestorben: Studl. P. Jos. Nag ler in Augsburg.
Nachdem dieses Büchlein von höchster Stelle in das Verzeichnis«
der gebilligten Lehrbücher aufgenommen ist, hält es der Unterzeichnete
für geboten, mehrere nicht mehr rechtzeitig entdeckte sinnstöreude
Fehler nachträglich zu berichtigen.
Seite 12 Zeile 10 von unten lies „die Länge des Schattens".
„ 17 „ ti ,f oben ist nach „anderen" einzuschalten „und
zur erhaltenen Differenz das Azimut von A addirt".
Seite 32 Zeile 4 von oben lies: m — Z — to.
„ 32 „ 1t „ „ „ — Iii m 18 8 anstatt -f- . . .
Statistisches.
Berichtigungen
zu Schelle's Lehrgang der populären Astronomie.
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Seite 56 ist der tropische Monat vor den Drachenmonat zu setzen.
„ 60 Zeile 18 von unten lies „Halbmesser" statt „Durchmesser"
„ 64 „ 2 von oben lies (H - Ä) anstatt * (H - h).
„ 69 setze an Stelle der ersten 4 Zeilen, die hinwegzulassen
sind, die nachfolgende Bemerkung : Die jenseitige Berechnung
der scheinbaren Grösse von Ali unter Voraussetzung der
Grösse deB Sonnenhalbmessers wurde nur unternommen, um
jene bei dem Mangel des erforderlichen Beobachtungsmaterials
wenigstens annähernd zu erhalten. Die Berechnung selbst
mit dem Ergebnisse von 22,8" ist aus Versehen in das
Manuscript übergegangen. Aus dieser Grösse berechnet sich
sodann leicht der Winkel, unter welchem von der Sonne aus
der 860 Ml lauge Erdbai bnusser gesehen wird , oder die
Parallaxe P ~ 8,5".
Fig. XII bei Ä ist die rechte Hälfte des Mondes zu schattiren
und die linke weiss zu lassen.
Der Verfaaaer.
Heinrich Stadelmann, der Poet.
Nachruf von Karl Zettel.
In den ersten Tagen des Weinmondes, welchen er mit manchem
süssen Liede bekränzt hatte, ging Heinrich Stadel mann unter die
Erde. Ein sangreicher Mund ist geschlossen, eiu glühendes Herz bat
ausgeschlagen. — Wer wie ich im Leben und Streben dem Geschiedenen
nahe gestanden ist, darf wol eine Rose weihender Erinuerung auf dem
frischen Grabhügel einsenken.
Der Verlebte war, wenn auch keine originell schöpferische, so doch
eine tiefinnige, reiche Dicbternatur, iudeui er seilet alltäglichen Djngen
einen poetischen Heiz abzugewinnen oder sie hiuwiderum mit demselben
zu bekleiden wusste Seine Muse hatte ein liebemildes Antlitz, und
wenn ja zuweilen düstere Schatten ernster Trauer über dasselbe gleiten
mochten, bald lächelte wieder sanfter Sonnenschein mit allem warmen
Glänze. Sie muntert uns entweder zu freudigem Genüsse des Lebens
auf, indem sie unter himmlischem Lächeln den funkelnden Becher
kredenzt und in die holden Augensterne der Geliebten uns schauen
lässt, oder sie sieht uns auf Augenblicke wehmütig zu, wenn wir im un-
verstandenen, wirren Spiel des Daseins dahintreiben, aber sinnend und
herzgewinnend bleibt sie immer. Diejenigen Gedichte nun, welchen das
Leid seinen Stempel aufdrückte, klingen allerdings aus reichbewegter Inner*
liehkeit heraus; gleichwol hätte niao dem Dichter etwas männlichere
Fassung anwünschen mögen, wodurch dem Schmerz mehr Adel und Weihe
verlieben würde. Seine patriotischen Gesänge dagegen sind grossentcils
von trotziger Kraft und edlem Stolze. Aber insbesondere war Stadel-
mann ein Meister poetischer Kleinbilder, lyrische Gemmen möchte ich
sie heissen , Dichtungen von unvergleichlicher Zartheit. leb erinnere
nur an ein einziges dieser Kleinodien, „Abendläuten", ein Wunderstück,
das auch musikalisch verwertet worden ist. Entschieden weniger Glück
hatte Stadelmann auf dem Gebiete epischer Dichtungsarten. Seinen
Balladen und Romanzon, so formschön sie auch sein und so melodisch
434
sie sich ablesen mögen , fehlt die geniale Verve. Man vermiest die
sichern, festen Zage, die sich nnter Umständen bis zur dramatischen
Plastik J gestalten und steigern müssen. Ich habe hierüber mit dem
Verlebten manche Zeile gewechselt, und er pflichtete mir schliesslich
bei, indem er in scherzhafter Weise zugestand, dass ihm allerdings nur
dann so recht wohl sei , wenn er seinen „frommen" Fegasus auf der
reichbeblümten Au der Lyrik tummeln könne Aber selbst in der
Lyrik ist unser geschiedener Freund von vielen erreicht, von manchen
überragt. Unerreicht, wenigstens in unserer Zeit, steht er auf dem
üebiete der Uebertragung deutscher Poesien iu die Sprache Latiums
und versificierter Uebersetzung antiker Gedichte ins Deutsche. Von
dieser Seite zunächst kannten und würdigten ihn die Kreise der gelehrten
Fachmänner, die Philologen und Orientalisten; neidlos gestanden selbst
viele Koryphäen zu, dass eine solche An - und Nachempfindung, wie
Stadelmann ihrer lühig sei, unterstützt von einer unglaublichen
Sicherheit und Gewandtheit in der lateinischen Ausdrucksweise, geradezu
in Stuunen versetze. Oder wer, um Bekanntes anzuziehen, sollte die
zwanzig „römischen Elegien" von Götbe in der lateinischen Uebertraguug
Stadelmanus lesen, ohne angemutet zu weiden, als ob Glanz und
Duft Ovid'scher Dichtung ihn umwehe? Er mag uns ferner mit eim m
leichtgeschürzten Skolion des Kallistratos beschenken, oder die holde
Liebespein der Sappho nachsingen; er mag des Katull flötende Lieder
uns ans Herz schmeicheln oder die frohen Weisen des liebeseligen
Alten von Teos auf deutscher Lyra wecken: wir glauben unweit der
schimmernden Hallen eines jonischen Tempels zu träumen oder an
einem rieselnden Quell des waldreichen Kithäron zu lagern, bekränzt
mit Kosen und Eptieu, den einen Arm um den leuchtenden Nacken
der schönen Freundin, den andern verlangend ausgestreckt nach dem
winkenden Becher. Aber auch die Harfen des nordischen Inselreiches
tönten seinem Ohre so vertraut und klangen so tief in seine Seele
hinein , dass er es wohl versuchen konnte , Dichtungen englischer und
schottischer Lyriker in glücklicher Auswahl unserm Idiouie zu über-
geben. Während er aber von Felicia Hemans, von Moore und Burns
etc nur wenige auserlesene Lieder übersetzte, widmete er dem britischen
Genius, der, ungehindert durch die Verkeilung von Seite seines Vulkes,
wie ein glänzend Meteor über die Welt geflogen ist, seine warme Liebe
und Verehrung: Byrons lyrische Gedichte in entsprechender Auswahl zu
übersetzen, war unserem Freunde, wie ich ihn kannte, mehr ein Hirzens-
bedürtniss als eine Folge literarischer Studien. „Ks ward mir. dabei
warm ums Herz, und ich habe keine Zeile ohne innere Bewegung
geschrieben", sagt Stadelmann in seinem Vorwort. Schliesslich
möchte ich noch der herrlichen Uradichtung des „Hohen Liedes"
gedenken, iu welchem er das „wunderbar liebliche, gazellenartig dabin-
schwebende Lied" in freien Strophen vor unser entzücktes Ohr führt.
Dass er hiebei , um dem Originale thunlichst gerecht zu werden , die
Feder in glühende Tinten taucht, bedarf wol kaum der Erwähnung.
Wenn ich nunmehr die einzelnen Züge zu einem Gesammtbilde des
Verstorbenen als Dichters verweben will , so mag es sich also erweisen :
In Stadelmann quoll ein reiches, inneres Dichterleben, sodass mit der
Saide seiner Poesie viele poetische Steppen erquickt werden könnten. Seine
Vollkraft jedoch lag in der Nach - und Anempfindung der griechischen
und römischen Lyriker. In allen seinen Produkten aber pulsiert der
Herzschlag eines ganzen Poeten und eines herrlichen Menschen. —
====ö<^cirt*r^o^ ~
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Zn LyslaH und Demosthenes,
Der Vorschlag, den K Hammer zu Lys. 7, 22 (si tp^attg fi ideiv
xrty fioQiuv utfut i^oi ru roik ivvt« uQ/ovrag injyayec ovx «v eräQiav
htei ooi (tKQT*ifuy) im 5ten Hefte dieses Jahrganges S. I98 macht,
für ei ypfatts fi% id'eir oder <pqr<t{ tu io*<av zu lesen: ei tptjyag ue rtjv
uoqIkv atpuyiCot r« x. t X. fjohört jedenfalls zu den glücklichen Ver-
mutungen, die, so einfach sie sind, eben durch ihre Einfachheit, mit
der sie alle Schwierigkeiten ein*>r Stelle lösen, sieb auf den ersten
Klick empfehlen. Nur mit der Art, wie Hammer seine entschieden
richtige Verbesserung der Stelle rechtfertigt, bin ich nicht einverstanden,
indem sie keineswegs durch den Hinweis auf die angeführteu Abschnitte
der Krüger'scben Grammatik unterstützt zu werden braucht, die dazu
kaum geeignet scheinen dürften. Ich glaube im Gegenteil, dass das
Particip des Aorist in ^tjyac in seinem ganz gewöhnlichen Gebrauche
erklärt werden muss, nach welchem es eine Handlung bezeichnet, die
der im Hauptverbum enthaltenen Handlung vorhergegangen ist- Das
Verbum tfttiveiy wird als gerichtlicher Ausdruck gebraucht, wenn man
der Behörde eine Person anzeigt, die man über einer verpönten Hand-
lung trifft und damit beschäftigt findet Es ist demnach offenbar, dass
diese Anzeige (<jp«<rif) dem tnayayeiv xovg aQxovtttg (also der iyijyrioig)
vorangegangen sein musste, und der Satz ist demnach zu übersetzen:
Hättest d-: die Vernichtung des Oelbaumstamines zur Anzeige gebracht,
während ich damit beschäftigt war, und dadurch die neun Archonten
dazu herbeigerufen (— veranlasst, in ich über dieser Tbat wirklich zu
ertappen), so brauchtest du jetzt weiter keine Zeugen.
Eine andere meines Erachteus noch nicht vollständig verbesserte
Stelle findet sich in der vielgclesenen Rede gegen Eratosthenes §. 20.
Sie lautet nach dem Texte »bei Frohberger: o'vrtog eig »J,«"5 r"
XQtjfi€(ia iStjUaQrtevot' , ÜOJlBQ kv gregot ueyaXiov «dixtiuttnov oqyriv
t/ovres, ov tovxujv «$iovg ye oviug rfj nokei, aXXd ndong fxlv
jag xnQ'iyit($ X°Qiytatll'J(tS noXXovg Je 'A&tivaiioy ix ruiv noXeuiuy
Xvaapevnvg t oi o vr (uv tjsiiooiti', ovx öuuitag fjetoixovvTug üaneQ
avToi inoXtxevovzo. Dass die Steigerung hier den Sinn erfordert: „sie
vergiengen sich so gegen uns um des Geldes willen , wie andere es
nicht einmal thun würden im Zorn über erlittenes schweres
Unrecht", und deshalb nach üaneg die Negation ov&' einzusetzen ist,
wodurch sich aus dem vorhergehenden Verbum leichter der Optativ
Blatte L d. b»jrer. Gjrmn.- u. Ee*l-8chulw. XL Jahr*. 30
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436'
ergänzen lägst, bat schon Westermann quatst lys. III, 11 dargethan
und Eanchenstein deshalb mit Recht ot'cP ay i'xfQoi in den Text
gesetzt. In den folgenden Worten nimmt Erohberger ein Anakoluth
an, dessen Härte aber an dieser Stelle in die Augen springt. Da al'e
andern Anakoluthe in des Lysias Reden aus künstlerischer Absicht
oder zur Vereinfachung der Konstruktion angebracht sind, dürfen wir
ihm hier keines zumuten , für das Nachlässigkeit als der einzige nach-
weisbare Grund erscheinen könnte, wenn durch eine so leichte Aender-
ung, wie die Einsetzung einer Partikel ist, das Anakoluth gehoben und
die bei Lysias so beliebte Antithese ov xot'xmv «»«'off ovrug (qua?)
xoiovxujy r^itoaav vollständig hergestellt werden kann. Darum, weil
diese Worte, die ebenso gewiss zusammengehören, wie in §. 5 die
Worte: xoutvxa Xiyovxtg ovxoiavxu noieiy itoX^tmy dadurch auseinander
gerissen würden, ist auch die Interpunktion unrichtig, die Scheibe und
Andere vorgeschlagen haben, indem sie vor xotoiiuiy ein Kolon setzen
Ich glaube, dass statt des nach a$iovg wenig passenden ye nach ov
xovxtay die Partikel <fe einzusetzen ist, die an dieser Stelle ausfiel, wie
in allen Handschriften im Folgenden nach naaaq das durchaus not-
wendige utr. wie in §. 6 nach xtjy fxkv noXiv vetcoSai bei dem Gegen-
satze xrty ico •/']*■ dsUiftai ^Qt^dxtoy das nach ttp einzusetzende de und
in §. 1 die Partikel y«Q fehlt, die nach xoutvxa vor avxoig (vielleicht
richtiger xovxoig) nicht fehlen kann. Die Stelle lautete also nach
meiner Ansicht: o'vxms eis »J/i«? diu r« /q^uuxu i^rtiurtQxayoy , (vaneQ
ovd' ay ixegot /ueyttXwy adixr^uxtoy ogyt]v e^oyxe g , ov xovxojy dt
ß| iovg oyxttg, uXXti — Xvoapiyovs, xoiovxtay qtiutaay.
Zu der bisher unbeanstandeten Stelle in §. 12 der dritten olyn-
thischen Rede des Demosthenes bat M. Miller in dem 4. Hefte S 174 f.
eine Konjektur beigebracht, mit der ich mich durchaus nicht befreunden
kann. Ich halte die Stelle für vollkommen heil und gesund und glaube,
dass Miller hier dem Redner eine falsche Gliederung der Gedanken
unterbreitet und einen Gedanken in diesem Satze erwartet, an den der
Redner nicht gedacht hat. In den Worten desselben tritt nämlich dem
xovxov fxoyov negiyiyyea&ai piXXovxog na&eiy a<ftxa>$ xi keineswegs t'tXXii
xaieigxo Xoinoy - xo xa tieXxiox« Xtyeiy (fotiegioxegoy voit,atu gegenüber,
wie Miller annimmt, wenn er diese Gliederung matt und verschwommen
nennt und übersetzt : zumal da dies allein als Resultat in Aussicht
steht, dass der Redner ungerechter Weise irgend eine Schmach erleidet,
ohne dabei dem Staate zu nützen, aber auch für die Zukunft die
Erteilung eines guten Rates noch gefährlicher macht Miller hat hier
offenbar übersehen, dass der Satz «A/.« x«i — tfoieguntgov notfcoi
einfach den Gegensatz bildet zu (Hfj&'ty de uipeXqaat xd 7ig<cytuuxa,
indem statt dXXu xai avxd gleich der bestimmte Schaden, der
dadurch gestiftet wird, angegeben wird, und somit die dem Demosthenes
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437
geläutige Beträchtlich eines Zu st au des von seiner uegativen und posi-
tiven Jämte auch hier vorhanden ist Der ganz richtige wirkliche
Gedanke des Deniostbcncs ist demnach: Es wird das einzige Resultat
sein, dass der, der diesen Antrag mündlich und schrittlich stellt,
irgend etwas Schlimmeres erleidet, dem Staate aber damit iu keiner
Weise nützt, sondern im Gegenteil auch für die Zukunft ein
freies Wort noch mehr gefährdet, als es jetzt schon der Fall ist. —
Das Fehlen des Artikels vor nufrtiv kann niemand auffallen, welcher
weiss, dass Deuaosthenes nach dem ankündigenden iovto den Infinitiv
weit hantiger ohne Artikel folgen lässt, als mit demselben
Dagegen ist eine Stelle in §. 7 derselben Rede noch immer nicht
in den neuesten Ausgaben so hergestellt, wie sie nach den Spuren der
besten Handschrift gelautet haben muss. Ich habe schon vor Jahren
(in dem Herbstprogramme des Ludwigsgymnasiums vom Jahre 1857)
die Stelle gelegentlich in der meiner Ansicht nach allein richtigen
corm angeführt und ergreife daher hier die Gelegenheit, jetzt erst
meine Ansicht darüber etwas naher zu begründen. l>ie Stelle lautet in
den neuesten jetzigen Ausgaben: ov jQonoy vueic EarQart}yrr
xores 7i«Vr' iaeott vveg 4>tXimov. § 7 vnijQj^oy OXt'yfttot Jvvafiiy nva
xextquetot xui dtextiiV ovtta tti nQuyuuiu ovre 4>iXmnog i&dqQet xoviovs
ot?>' OVtOi 4>i'Ai7inov {7i(m'i«utr *',fislq xuxetfoi ff£of fj/t&( (tyfapr' ?ty
tovP t'uG7iS{> eunädtafj« it i p *u«7»nn» xui dW/f pdf , nnXiv ueydX^y
iqiOQueii' roic iuviov xrcipoic thtiXXayfiitnp nQQf tj/jug ix:ioXe^am dsi>
t»6[A{$u fov$ ay&Qttnovs sx neartos tootiov xui ö narret i&Qt'Xovy,
TiinQtcxiut yvyi ioi& öntoa d^nore. Wir haben hier in § 7 sechs Sätze,
von denen die ersten fünf asyndetisch an die vorausgehenden angereiht
sind, jährend der letzte Satz mit dem vorhergehenden durch xai ver-
bunden erscheint. Betrachten wir aber die einzelnen Sätze, so finden
wir, dass alle aus zwei Gliedern bestehen mit Ausnahme des vorletzten
aus einem Gliede bestehenden. Trotz dieser Mängel in der sym-
metrischen Anknüpfung und Gestaltung der Sätze würde wol niemand
hier an ein Verderbnis« der ursprünglichen Ueberlieferung denken,
da die einzelnen Sätze für sich nichts auffalliges bieten, wenn nicht
die deutlichen Spuren in der besten Handschrift auf ein solches Ver-
derbnis* hinwiesen. Ks hat nämlich 2 ö nuyrsg erst durch spätere
Korrektur, während ursprünglich offenbar unuvtH in der Handschrift
stand und wie nach wvi findet sich in derselben Handschrift rovro
auch nach i^t'Xovy und ist daselbst erst von spaterer Hand getilgt
worden. Sehen wir von dieser späteren Besserung ab, die zwei Sätze
bedeutend verschlimmerte, und folgen wir der ursprünglichen Lesart
der Handschrift, so erhalten wir die beiden letzten Sätze in folgender
Form: ixnoXfin'jaut d'iiv MotttSu mit uy$(toinot>c ix ,/«itoc iqotiov xui
unayieg i&pvAow iovto utUQttxiui yvyi tov»' 6niood/t.ioi e. In dieser
30*
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\
438
ursprünglichen Gestalt der Sätze wird erstens das in dieser Schilderung
so passende lebhafte Asyndeton bis ans Ende beibehalten , zweitens
erscheint auch der vorletzte Satz, wie die andern vorhergehenden, in
doppelter Gliederung, während der aus einem Gliede bestehende letzte
Satz einen kräftigen Abschluss bildet, und endlich wird auch die
Stellung von foi$' nach nsiiQecxrai vwi nicht mehr auffallen, was aller-
dings der Fall ist, wenn der nur durch Verderbniss entstandene Relativ-
satz ö ndyreg i&Qt'Xovy vorhergeht.
Ich lege somit diese längst von mir vorgeschlagene und für
unbedingt notwendig gehaltene Aenderung hier noch einmal dem Urteile
aller Fachgenossen vor, nachdem bisher niemand davon Notiz genommen
hat, ausser der verstorbene verdiente Herausgeber des Demosthenes,
J. Th. Vömel, der in einer brieflichen Mitteilung mir seine volle
Zustimmung zu meinem Vorschlage und den Entscbluss aussprach, bei
einer neuen Auflage denselben in den Text aufzunehmen, was ihm
leider nicht mehr gegönnt gewesen ist.
Kein Verderbniss in der Ueberlieferung, aber eine unrichtige Er-
klärung einer richtig überlieferten Stelle findet man in den bisherigen
Ausgaben im §. 10 der Rede über den Frieden. In dem Abschnitt
§. 4 — 10, in welchem Demosthenes die Fälle aus der früheren Zeit
anführt, in welchen er das Richtige stets erkannt und schlecht und
recht (og&fSs xai dtx«/w?) auch ausgesprochen habe , heisst es bei dem
letzten Falle, in dem die Mitgesandten des Demosthenes den Athenern
die trügerischen Hoffnungen vorspiegelten, durch die sie sich verleiten
Hessen, den Namen der Phokier aus der Friedensurkunde streichen zu
lassen §. 10: ij'Wx« rotte oqxovs — dneiXtj(p6ree '^xofxev ol ngiaßeis, tote
— cvdkv rovrtov ovt' 4ga;iattjoas ovte aiyr^aas iyo) q n v *j c o fim , riXXd
ngoemcjy vpiy, tif o«T Ott fAvqpovsvets, ort xavta ovte oida ovte ngoa-
(foxu), vofx^ta di tov Xiyovta Xygeiy. Während er bei Erzählung des
ersten Falles von sich sagt: ngaitoi xai fxoyos nageX&oiy dytei.ioy
und darauf: -navtes vpeif eyytore ra ßeXtiota elgyxota iue, beim
zweiten Falle aber in ganz ähnlicher Weise xatiduiv Xeonto'Xetuoy —
xaxa igyaCo/neyoy tijV noXiy — nuui /.'hm einoy eis vfiäg und darauf:
tovto y* vfxäs otfitti vvy anavtaq flc&ij o&at, braucht er bei Er-
Zählung des dritten, der jüngsten Zeit angehörigen Falles nicht die
gleiche Form ngoeinov vpiy und beruft sich nicht auf die schon
gewonnene Erkenntniss von der Richtigkeit seiner Angabe, sondern
stellt diesen Erfolg erst in der Zukunft in Aussicht (tpavtia o fia *
— npo«m<uV vfiiy 'ort tavta orte olda ovte ngoodoxiu) und beruft sich
nur auf die Erinnerung der Athener («Jf otd" ort fty^/noyeveie), nicht
aber auf die schon allgemein gewonnene üeberzeugung von der Wahr-
heit seiner Behauptung.
Zu (pnvt'toniu.i gibt Franke die Erklärung: si memoriam illius
temporis reputeti* und in ganz ähnlicher Weise sagt Rehdantz und
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439
nach ihm Westermann: „nämlich ay oxo iqre", wobei Rehdantz noch
hinzufügt: „was 14, 24 und 18, 310 dabeisteht44. Diese Bemerkungen
können nicht zur Erklärung des in dieser Stelle gebrauchten Futurums
fpavrjoo/uui dienen. Hätte Demosthenes an den von Franke gegebenen
Zusatz gedacht, so hatte er diese Form weit eher bei den ersten
Beispielen anwenden müssen, von denen namentlich das erste auf eine
viel frühere Zeit zurückgeht, während das dritte Beispiel der aller-
jüngsten Vergangenheit angehört, deren Erinnerung den Zuhörern,
wie ja der Redner selbst sagt, noch lebhaft gegenwärtig sein muss.
Die Stell.- in 14, 24 aber, auf die sich Rehdantz beruft (in 18, 310 steht
ay <rxon?tT( nicht bei dem dort ganz natürlichen Futurum </e> /ar) hat
mit unserer nichts gemein, da nach ihr sich eine Behauptung als wahr
erweisen »oll, deren Mitteilung der Redner erst ankündigt, die also
nicht, wie die vorliegende, schon gemacht worden ist.
Ich glaube, es muss der auffallende Ausdruck ,<j;n-i«;r (payqaofiat
aus den thatsärblicben Verhältnissen erklart werden, unter denen die
Rede gehalten ist, und die derselben vorhergegangen -ind und folgten.
Demosthenes hatte mit Timarchos im Skirophorion Ol 108, 3 (im Juli 346)
gegen Aeschines wegen Verletzung seiner Pflichten als Gesandter eine
Anklage erhoben , welcher Aescbines eine Anklage gegen Timarchos
wegen unsittlichen Lebenswandels entgegenstellte, damit derselbe im
Kalle der Verurteilung nicht mehr als öffentlicher Ankläger vor Gericht
gegen ihn auftreten könne. In den Herbst desselben Jahres fällt die
Rede über den Frieden, nach welcher bald, wie Demosthenes hoffte,
diese Zwischenklage des Aescbines gegen Timarchos und im Falle
der Freisprechung desselben sein eigener Process gegen Aeschines
zum Austrag kommen sollte, in welchem der an unserer Stelle
besprochene Punkt einen Hauptgegenstand der Anklage bildete. Auf
diesen seinen nach des Demosthenes Ansicht nahe bevorstehenden
Process bezieht sich offenbar da> Futurum tpay^aouai, da sich durch
seine Anklage gegen Aeschines und durch die gehoffte Verurteilung
desselben klar herausstellen werde, dass er damals das Richtige voraus-
gesagt , Aeschines aber trügerische Vorspiegelungen vorgebracht habe.
Dem diesem Process mit Spannung entgegensehenden athenischen Volke
war die in diesem Futurum liegende Berufung auf die bevorstehende
Entscheidung klar und von selbst verständlich, während sie von den
diesen Verhältnissen so fern stehenden bisherigen Erklärern des
Demosthenes aus Nichtbeachtung derselben nicht erkannt worden ist.
Durch die im Winter (am Anfange des Jahres 345) erfolgte Verur-
teilung des Timarchos und die damit verbundene Erstarkung der
macedonischen Partei verzögerte sich auch der Process des Demosthenes
gegen Aeschines, der erst im Jahre 343 zur Verhandlung kam. Wir
begegnen daher auch in dem letzten Abschnitte der im Sommer 344
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440
gehaltenen zweiten pbilippisehen Rede, wie schon Libanios iu seiner
Einleitung dazu bemerkt, deutlichen Hinweisen auf d« n Gesandtschafts-
process, der um diese Zeit wieder mit neuem Eifer von dem Hedner
aufgegriffen wurde, wenn er auch durch die Umtriebe der Gegner erst
ein volles Jahr später seine Entscheidung fand
Ich glaube, dass diese aus den damaligen politischen Verhältnissen
geschöpfte Erklärung das richtige Verständnis^ des Futurum! an
unserer Stelle allein, ohne dass man zu einer künstliehen l»eutung
zu greifen braucht, hinlänglich vermittelt.
München E. Kurz
„Owe war sint verst unden all iu miuiu j»u u (No. 1*8), der Sehn aneii-
gesang, uiclit das llciinntlicd Wulthcis.
Im Auschluss au meinen Artikel in diesen Blattern (V, 214 1 will
ich nun zeigen, dass unser Spruch eine positive Aussage über Walthers
Teilnahme an einem Kreuzzuge nicht enthält, dasb er auf Beine Heimat
nicht bezogen werden kann und dass demnach „otoe IWW 8int ctr-
stounden etc." der Schwanengesang Walthers, nicht aber sein lleiinat-
lied ist.
Kaum kann man den Inhalt unseres Spruches, der nicht ausserhalb
der Reihe jener tiefgehenden Sprüche betrachtet werden darf, die schon
mit dem wiederkehrenden „omc" ihre Zusammengehörigkeit andeuten,
ich sage , kaum kann man den Inhalt unseres Spruches treffender
als Schwanengesang charakterisieren, als wenn man ihn mit R Menzel
in eine Parallele mit Schillers ,,die Ideale1 «teilt ,,Jcues (kann nichts
dich, Fliehende, verweilen etc.) sagt der Jüngling aul der Schwelle des
Mannesalters, dieses (o weh! wohin sind verschwunden etc i der Greis
an der Schwelle des Grabet*. Die Klage, die Klage eiues lebensmüden,
schwarzsehenden Greises ist der Grundton , der den ganzen Spruch
durchklingt. Alles, ach alles, klagt Walther, ist anders geworden,
Land und Leute sind verändert, man kennt mich nicht mehr, man will
mich nicht mehr kennen Alles, alles ist anders gewordeu, aber,
o weh, alles schlimmer, nichts besser! Immer noch erschrecken uns
die Hannflüche, die der heilige Vater sendet; nur wenige denken daran,
die Freuden der falschen Welt dahinzugehen und für ihr Seelenheil
zu sorgen. Und es ist doch so leicht , Vergebung der Sunde zu
erlangen, man braucht ja nur die Fahrt /um heiligen Grabe zu unter-
nehmen, um sündenrein sterben zu können. Ich freilich, ich armer,
kranker, alter Mann, ich kann nicht mehr zum heiligen Grabe wallen;
ich kann mich nur mehr darnach «ebnen. ,, Einst und jetzt1*, wie
Pfeiffer unseren Spruch überschreibt, besingt Wallher, nichts anderes.
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441
Und obwohl ich mir alle Mühe gab, etwas von einem Wiedersehen
darinnen zu lesen, ich konnte nichts finden. Noch kann ich nicht
einsehen , wie man die Verse 9 — 12 einschliesslich als Gedanken
des Wiedersehens betrachten kann. Immer freilich werden diese Verse
im Sinne eines Wiedersehens gedeutet, weil man von der Voraussetzung
ausgebt, Walther habe sieb im Jahre 1228 an dem KreuzzugFriedr.il.
beteiligt. Diese allgemeine Voraussetzung ist aber irrig und zwar aus
zwei Gründen: für's erste belehrt uns die Geschichte anders über den
vermeintlichen Kreuzzug Walthers , sodann gibt uns unser Spruch
keinerlei positive Anhaltspunkte zur Annahme eines Kreuzzuges von
Seile Walthers Die Geschichte lehrt, dass Gregor IX. zu wiederholten
Malen den Bann auf Friedriche Haupt schleuderte, am 29. September,
am 10. und 18 November 1227, und am 23. Marz 1228. In das Jahr
1227 verlegt nun keiner derjenigen, die Walther an einem Kreuzzuge
teil nehmen lassen, unseren Spruch, da in dieses Jahr die strophisch
ahnlichen, „oicr es kamt ein teint etc." (No. 187) fallen, welche
zweifelsohne in der Heimat gedichtet siud, wohl aber in das Jabr 1228.
In diesem Jabre, sagen sie, und bei dieser Gelegeheit habe Walther
auf dem Wege nach Italien seine Heimat wieder gesehen. Aber diess
ist eben nicht nachweisbar. Die Teilnahme Walthers an dem Kreuz-
zug desJubres 1228 ist vorerst unwahrscheinlich, denn: „die Teilnahme
(Waltheis) an dem letzten Zuge 1228 wird aber dadurch unwahr-
scheinlich, dass der Kaiser, der in Italien weilte, sich plötzlich nach
der Kunde von den unter den Muhamedaneru ausgebrochenen Zwistig-
keiten zur Verwirklichung der Fahrt entschloss, und ohne Zuzüge von
Kreuzfahrern aus Deutschland abzuwarten, was bei der Feindschaft des
Papstes und der kriegerischen Stellung der Lombarden wohl ohuedies
eitel gewesen wäre, nur mit dem eigenen sicilischen Heer, aus seinen
treuen Deutschen , zum Teil auch aus Saracenen bestehend , den
II. August 1228 von Otranto aus nach Palästiua hinüberfuhr".
(Programm des Gymnasiums zu Wittenberg, Dr. Dietz ) Die Teilnahme
Waltbers au dem Kreuzzug des Jahres 1228 ist aber nicht nur unwahr-
scheinlich , sondern unmöglich. Denn nun sollten wir aus unserm
Spruch die Gewissheit schöpfen köunen, dass Walther zum heiligen
Qmbe pilgerte, eine Gewissbeit, die man aber nimmermehr aus unserem
Spruch herauslesen kann, man müsste sie denn vorher hineingelegt
haben. Sehen wir die Worte an!
Vers 2b' lautet :
uns sint unsenfte brieve her von Möme körnen.
Hier ist von mehreren Hannbriefen die Rede, entweder von denen,
die im Jabre 1227 uach Deutschland gelangten mit Ausschluss des-
jenigen vom 23. März 1228, oder von jenen mit Einschluss des letzteren.
Ist das Erstere der Fall , so müsste man annehmen , dass Walther
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442
mitten im kalten Winter aufgebrochen sei, was oben niemand ausser
Walther getan hatte, da die andern Kreuziahrer schon im August oder
September 1227 nach Italien kamen , und was selbst ein so leiden-
schaftlicher Verteidiger des Kreuzzuges Walthers, wie R. Menzel, nicht
anzunehmen wagt. „Allein (Menzel p. 33*) es ist im höchsten Grade
unwahrscheinlich, dass der gebrechliche Greis im Januar, in der
strengsten Winterkalte seine Heise antrat". Denken wir uns aber,
dass unter den Briefen jene vom Jahre 1227 sammt dem vom Marz
1228 verstanden sein wollen, also überhaupt die letzten Bannbriefe des
Papstes, dann müsste, der letztere wenigstens, um mich so auszudrücken,
auf telegraphischem Wege nach Deutschland und zu Walthers Heimat
gelangt sein, wenn Walther bis Mai in Italien hätte sein wollen Für
diesen Mouat aber war die Abfahrt nach Palästina festgesetzt, und
Walther konnte, als er von Deutschland aufbrach", nicht wissen, dass
sich diese verzögere, wie es allerdings geschah.
Von einer grossen Schwierigkeit wird ferner die beliebte Auffassung
des 9. und 10. Verses gedrückt.
Die mine gespilen waren, die siut traege und alt.
Ks steht fest, dass wir uns unter einem Vogelweidehof {fogilweida
= aviarium) keine grosse Besitzung, keine Burg mit ragenden Zinnen,
sondern „das einlache Gehöfte eines niederen Dienstmauues in der
Lichtung eines Waides" zu denken haben. Was soll nun zu einer
solchen Heimat Walthers Klage? Auf wessen Gruss soll er denn
gewartet, wem soll er es denn verübelt haben, wenn ihm ein Gruss
verweigert wurde? Woher soll er denn Zeit genommen haben, um so
lange in seiner Heimat weilen zu können, bis er die Gesinnungen seiner
ehemaligen Gespilen erkannt hätte? Es hätte ihm die höchste Eile not
getan und unmöglich hätte er so lange verweilen können, bis er ein
Hecht hatte zu seiner Klage I Und wer sollen denn die Gespilen seiner
Jugend sein? Doch nicht allein die f> — 8jährigen, mit denen er sich
einst an Kinderspielen vergnügte. „Denn die Gespielen und Bekannte,
deren er sich wohl entsinnt und deren lauen Gruss er beklagt, dürfen
nicht auf dem Tummelplatz der allerersten Kinderspiele allein gesucht
werden, deren Erinnerung schwerlich ein' halbes Jahrhundert über-
dauert hätte".
Unbeachtet blieb auch bisher das Wort „her" in Vers 26. Her
bedeutet nichts anderes, als hier, d. h. wo wir uns aufhalten, in
unserer Heimat Und damit stimmt wieder der Gedanke in V 39—51,
wo er klagt, dass er daheim bleiben müsse Schon in seiner Mahnung
an die Ritter, des Krenzzuges nicht zu vergessen, „dar an gedenket,
ritttr, ez ist iuwer dinc", drückt er diess aus, denn ich wüsste nicht,
wie man sich entschiedener von einer Handlung ausnehmen könnte,
als mit diesen Worten. Auch das Wort „mügen" in V 49 verdient
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volle Beachtung. Es ist das französische pouvoir, das englische to ca»,
so dass Waltber uumissverstaudlich damit ausspricht, es sei ihm eine
physische Unmöglichkeit, an einem Kreuzzuge teil zu nehmen.
Habe ich unsern Spruch richtig verstanden, woran zu zweifeln
ich bis jetzt keinen Grund habe, dann kann er nicht auf einer Reise
Waltbers nach Italien gedichtet, auch nicht das Heimatlied, sondern
nur das Schwancnlied Walthers sein Allerdings ist dann auch
die Errichtung einer Gedenktafel Walthers (Hof zur inneren Vogel-
weide bei Waidbruck, in Tyrol) keine wissenschaftliche, sondern eine
politische Tat gewesen, ein Fingerzeig für die Italiener, die in dem
kindlichen Wahn leben, als könnte Italien seine Sprachgrenze gegen
Norden vorschieben
lieber die Heimat Walthers gibt allerdings auch dieser Spruch
keine positive Aussage, so dass man wobl annehmen kann, dass die
Resultate der Untersuchungen über Waltbers Heimat leider noch
immer negative sind.
Landau. Falch.
Stilistische Aphorisiueu.
V. Ueber Gedanke narm ut
(Sehluss.J
Soll die Stilistik die ihr unerlässlich notwendige Neugestaltung
erhalten, so muss vor allem eine neue Compositionslobre
geschaffen werden. Die bisherigen topischen Schemen müssen
über Bord geworfen werden Denn mit diesen kommt die Individualität
des Themas nicht zu ihrem Rechte. Sie passen für zehn Fälle, für
zwanzig andere aber nicht und können in der Regel weder für die
Zahl noch für die Ordnung ihrer Teile einen wissenschaftlichen Grund
angeben. Hieher gehört auch die Chrie, die nichts als ein unbe-
wosster Versuch dessen ist, was wir erstreben müssen, nämlich ein
primitiver Versuch einer heuristisch - dispositionalen Compositions-
methode, aber ohne wissenschaftlichen Wert und ohne Berechtigung.
An die Stelle dieser Schablonen hätte alsdann eine heuristisch«
dispositionale Compositionslehre zu treten, d. h. eine
Compositionslehre, die derartig eingerichtet ist, dass mit der Disposition,
soweit dies nur möglich ist, zugleich die Hauptgedanken und umge-
kehrt mit den Hauptgedanken auch die Ordnung auf einmal gefunden .
und gesetzt wird. Und eine solche Compositionslehre gibt es; denn
die Disposition baut sich nach logiseben Gesetzen auf, die ewig die
gleichen bleiben. Gelingt es, diese Gesetze festzustellen — und sie
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sind nichts anderes als die Gesetze der Entwicklung — , dann ist
dem Aufsatz Schritt für Schritt der einzuschlagende Gedankengang
vorgezeichnet, und die heuristisch • dispositionale Compositionslehre
ist gefunden.
Man darf sich dieselbe indessen nicht so vorstellen, als ob dadurch
die Heuristik oder die Lehre von der Gcdankcnfiiidung ganz
entbehrlich würde, sondern wie es in der Mathematik Nebenrechnungen
gibt, so bleiben auch in der Stilistik noch gewisse Geschäfte übrig,
die selbständig besorgt werden müssen (und die ihrer Natur nnch eine
selbständige Behandlung erfordern), so z. Ii die Aufsuchung der Beweis-
punkte. Dass aber auch hier reformirt werden muss, dürfte bald
klar werden.
Die sogenannte ungeregelte Erfindung, die Gedaukensucht
ohne zu wissen , ob und wie sie dieselben verwerten könne , die ohne
Plan und Methode zu Werk geht (sie erinnert uns immer an den so-
genannten „wilden Stich"), sie muss gleichfalls gänzlich verbannt und
eiue ueue rationelle Metbode an ihre Stelle gesetzt werden. Einen
grossen Schritt vorwärts hat hier schon Kinne getban, iudem er zeigte,
dass, wenn ich ein Urteil zu beweisen habe, die Beweispunkte eigentlich
gar nichts anderes sind, als wesentliche Merkmale, die im Prädikats-
begriff stecken Um sie zu finden, hat mau also nichts weiter zu thun,
als diese Merkmale zu suchen. Freilich die Methode, die Rinne zur
Auffindung dieser Merkmale vorschlägt, ist zu verwickelt und unnatür-
lich und deshalb unpraktisch. Es lasst sich aber leicht eine einfachere
finden und wir werden selbst gelegentlich Vorschläge in dieser
Hinsicht machen.
Was ferner die Kunst, eiuen Beweispunkt auszuführen,
betrifft, so war bisher die Stilistik darauf angewiesen, sich mit Beispielen
zu helfen. Allein was nützte es dem Schüler, wenn ihm der Lehrer
sagte: so etwa musst Du diesen Punkt ausführen! Da sah der Schüler
wol das Ziel, das er zu erreichen hatte, aber der Lehrer war nicht in
der Lage, ihm zu sagen, auf welchem Wege d. h. wie er es erreichen
konnte. Mau darf sich daher nicht wundem, wenn die deutschen Auf-
sätze vielfach dürr und matt ausfallen, wenn man ihnen ansieht, welch
ein mühevolles Werk sie sind
Auch hier muss Rat geschaffen werden. Eine rationelle Compo-
sitionslehre wird hier helfen. Ist der Aufsatz z. B. eine Entwicklung,
so muss auch nach einein ewigen Entwicklungsgesetz jeder Teil eine
Entwicklung repräsentiren , also muss auch jeder Beweispunkt selbst
wieder drei Teile haben, nämlich: 1) den Beweispuukt (Anfang
der Entwicklung), 2) die Begründung desselben (Verlauf), 3) deu
Abschluss (Ende. Letzterer kann als selbstverständlich auch ver-
schwiegen werden — stilistische Ellipse).
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Was die Begründung seihst wieder betrifft, so hilft uns hier die
Logik, nämlich die Lehre vom Schlau uud vom Beweise weiter. Da muss
nun freilich erst wieder gezeigt werden, wie man die Logik für
die Stilistik, für die Ausführung der Beweispunkte, ver-
werten könne. In unsern stilistischen Lohrbüchern fehlt fast nirgends
eine Belehrung über den Syllogismus, über den indirekten Beweis u. s w.
Allein kein einziges Lehrbuch und wir haben deren viele durchsucht
ist uns in die Hand gefallen, das gezeigt hatte, wie man den Syllo-
gismus oder eine andere Schlussweise uueh für den Aufsatz verwerten
könne. Mau begnügte sich vielmehr damit, an einem Beispiele
die syllogistische Schlussform vorzuführen. Man lese ad exemplum
nur die „theoretisch - praktische Anleitung zur Abfassung deutscher
Aufsatze4' von Dr. J. Naumann , Leipzig 1874 , durchaus keines der
geringeren Stilbücher. S. 203 heisst es da wörtlich : „Die strenge Form
des direkten oder ostensiven Beweises heisst Syllogismus oder Vernunft-
schluss. Mau bildet ihn, indem man den zu beweisenden Satz an einen
allgemein giltigen Satz (Obersatz) anlehnt, dann einen den allgemeinen
Begriff verengernden Untersatz bildet uud den zu beweisenden Satz zum
Schlusssatz macht". ( Vergleiche die stilistischen Lehrbücher von Fr. Beck,
Hoffmann u. A.) Was soll nun das für eine Anweisung sein? Weiss
jetzt der Schüler, wie er es machen soll ? Wie soll er jenen allgemein
gütigen Gedanken linden? Oder ist es ganz gleich, welchen Gedanken
er zu Grunde legt? Dann, wo soll er einen den allgemeinen Begriff
verengernden Untersatz hernehmen ? Wie ihn finden? wie erkennen?
II. s. w. Kurz, es dürfte Jedermann einsehen, dass mit Bolchen Kxcerpten
aus der Logik für den stilistischen Unterricht durchaus nichts getban
ist. Man wird es daher als wohlbegründet ansehen, wenn wir sagen,
dass erst gezeigt werden müsse, wie mau die Logik auf die Stilistik
anwende; denn von selbst versteht iich dies, wie so manche Stilistiker
zu glauben scheinen, durchaus nicht Doch kämen wir zu weit, wollten
wir hier auch zeigen , dass sich dieses in einer auch den minder
befähigten Schülern hegreiflichen Weise bewerkstelligen lasse
Nachdem wir nun die Hauptmängel der modernen Stilistik in
heuristischer Hinsicht hervorgehoben haheu, erscheint es uns nicht am
Orte, noch auf kleinen- Schwächen hinzudeuten. Nur auf eines möchten
wir noch aufmerksam machen In stilistischen Lehrbüchern findet man
häutig die Forderung, der Aufsatz müsse vollständig sein und zwar
(lenkt mau dabei an eine absolute Vollständigkeit (bei Rinne
z. B. verlangt dies sogar die Consequenz seiner Theorie). Diese
Forderung ist ein Unding und führt zu widerwärtigen Detaillirungen,
in welchen über den Teilen das Ganze zu verschwinden droht Ver-
nünftiger Weise kann unter Vollständigkeit des Aufsatzes
nur verstanden werden: es darf kein Punkt weggelassen sein,
446
dessen Besp rechung sich der Leser bei der Behandlung
des betreffenden Themas unwillkürlich und mit Recht
erwartet. Genügt der Aufsatz dieser Forderung, so ist er voll-
ständig; absolute Vollständigkeit aber ist unerreichbar und nimmt dem
Aufsatz alleu ästhetischen Heiz.
Wäre nur einmal nach den angezogenen Seiten hin der Reform-
bedürftigkeit der Stilistik ein Genüge geschehen . dann würde jene
scheinbare Gedankenarmut, von der wir oben gesprochen, vollständig ver-
schwinden. Denn dann hätte der Schüler einen sichern Wegweiser,
der ihm Gedanken finden hilft, ihn aber zugleich vor Abwegen
möglichst schützt.
Wir können indess hier uicht abschliessen , ohne noch kurz auf
den methodischen Weg zu sprechen zu kommen, der von Coli.
Krallinger S. 221 ff. zur Beseitigung der Gedankenarmut vorgeschlagen
wird. Man liebt es heutzutage, Stilistik und Grammatik mauchfach
zu vermengen : die Grammatikübungen sollen zugleich Stilübungen
sein und die Stilübungen werden häutig zu Gramroatikübungen gemacht.
Ja die Grammatik soll überhaupt nur praktisch betriebet) werden; um
Einteilungen etc. dürfe man gar nicht mehr fragen Wir halten ein
solches Streben für kein Glück; denn dabei kommt die Grammatik zu
kurz und für den Aufsatz wird sehr wenig gewonnen. Es wäre über-
haupt sehr zu wünschen, dass einmal jene kindlich naive Ansicht ver-
schwinden möchte, die sieb noch in vielen Stilbüchern findet und dahin
geht, dass der Stilunterricht mit Uebungen im Satzbilden
beginnen müsse, daran müssten sieb dann etwa Beantwortungen von
Fragen reihen und so weiter. Man behandelt da den Schüler, der
wenn er in die Mittelschule kommt, doch schon mehrere Jahre eine
Volksschule durchgemacht hat, gerade als wenn sein Geist noch eine
tabula rasa (cf. S. 220) wäre, und der Schüler erat reden und Ge-
sprochenes verstehen lernte, und man vertrödelt die Zeit mit solchen
Tändeleien, die dem Aufsatz nichts nützen. Wir sagen es unumwunden :
Derartige Uebungen halten wir für wertlose Spielereien (cf.
S. 221 „Quelle der Unterhaltung" und S. 276 unten!) und wundern
uns nicht, wenn dabei geklagt wird, dass die Schüler im Deutschen
nicht vorwärts kommen wollen. Sollen befriedigende Fortschritte
gemacht werden, so muss wol sofort mit dem Nacherzählen von
vorerzählten Fabeln, Märchen, Sagen, kleinen Erzählungen und der-
gleichen begonnen werden; dann wird es rasch vorwärts gehen. Dasr
aber solche Uebungen nicht zu schwer sind, hat erst jüngst Herr Miller
in diesen Blättern S. 315 ff. sehr klar und verständlich gezeigt. Wir
können ihm nur beipflichten und möchten deshalb vor den lockenderen
und bequemeren Wegen warnen , auf welche II. Krallinger und
II. L. Mayer einladen. Denn das sollte man wol beachten, dass ein
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Aufsatz nicht ein Conglomerat von Sätzen ist, sondern ein einheitliches,
in sich abgeschlossenes Ganzes. Satzbildungen sind daher keine
Stilübungen.
Was endlich die so oft genannten Vater-, Schön- und Ist-
s ätze betrifft, so ist unsere Ansicht die, dass es in der Grammatik-
stunde ohne Belang ist, ob der Schüler Vater-, Mütter» oder Räuber-
Sätze macht, gerade wie in der Logik es gleich ist, ob man sagt: „Alle
Menschen sind sterblich", oder „Alle Neger sind schwarz'*. Stilübungen
aber sind jene Satzconstruktionen nimmermehr und der Knabe wird
durch derartige Exercitien weder gedankenreicher noch gedankenärmer.
3 Die einseitige Gedankenarmut.
Als eine dritte Art von Gedankenarmut haben wir oben jene
bezeichnet, welche die Folge einseitiger Ausbildung ist und erst im
spätem Scholleben hervortritt.
Dieser Art von Gedankenarmut lässt sich , wenn sie einmal vor-
banden ist, eben weil sie erst spät auftritt, in der Schule wol schwer
mehr abhelfen. Sehr erheblich kann sie aber gemildert werden durch
eine methodische Schulung in der Heuristik und zwar in einer Heu-
ristik, wie wir sie oben geschildert habt n. Natürlich, wenn man dem
Schüler keine gründliche Anleitung zur Ausführung eines Aufsatzes
und der Beweispunkte gibt und bei dem gegenwärtigen Zustand der
Aufsatzlebre auch nicht wol geben kann , wenn man ihn also sich
selbst überlässt , dann muss seine Einseitigkeit schliesslich auch im
deutschen Aufsatz zur Erscheinung kommen. Ist man aber im Stand,
ihm eine Anleitung zu geben, die eine derartige Einseitigkeit überhaupt
nicht aufkommen lässt, sondern ihn fortwährend zwingt, auch auf das
reale Leben, die Geschichte etc. hinüberzublicken und nicht Mos rein
abstrakt das, was vorliegt, auszuführen: dann wird es einem solchen
Schüler auch schliesslich beim Absolutorium nicht an Gedanken fehlen,
wenn auch sein Aufsatz etwas karger werden mag als der anderer, die
sich mehr von einer einseitigen Ausbildung ferngehalten haben —
Zum Schluss wolleu wir noch auf jene Mittel kurz hinweisen,
welche geeignet erscheinen, den Gedankenschatz über-
haupt zu bereichern.
Da Gedankenreichtum durch Erfahrungen erzeugt wird, so ist
alles, was dem Schüler neue Erfahrungen zuführt, was seinen Ideen-
kreis erweitert, als ein Mittel zur Vermehrung des Gedanken Schatzes
zu betrachten.
Ein solches Mittel ist vor allem jeder Unterricht, jede Unter-
weisung; denn jeder Unterricht involvirt eine Stoffzufuhr und sei
dieselbe auch noch so gering.
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Ausserdem gibt es noch eine Reihe anderer Mittel, die man häufig
empfiehlt: insbesondere Privatlckture, Reisen, Besuch von Vor-
trägen, Abbildungen etc. Was nun diese Dinge betrifft, so scheint
uns ihr Wert für die Gedankenvermehruug nicht so unbedingt festzu-
stehen, als man gemeinhin annimmt. Sie involviren zwar auch eine und
zwar massenhafte Stoffzufuhr, allein wir erkannten ja oben, dass das
bloss Anschauen oder Hören den Gt'dankcuscbatz noch keineswegs
bereichere Letzteres setze vielmehr ein Zerlegen des Angeschauten,
Gelesenen oder Gehörteu voraus, und erst dann würden diese Uebungen
gewinnbringend. Nun sind aber die Schüler, namentlich in den untern
Kursen, im Zerlegen uud Unterscheiden noch zu wenig geübt, es ist
ihnen noch nicht zur instinktiven Gewohnheit geworden: folglich
bereichern jene Mittel, wenn der Schüler sich selbst überlassen ist,
den Gedankeuschatz nur wenig; jedenfalls aber nicht in dem Masse,
in welchem man dieses erwartet.
So wird ein Schüler, wenu er ohne Begleitung reist, sehr wenig
lernen, weil er mit offenen Augen und Ohren nicht sieht und hört d.h.
nur einen verschwommenen Totaleindruck in sich aufnimmt- Anders
dagegen, wenn er einen kündigen Führer bei sich hat, der ihn auf
alles aufmerksam macht uud ihn dadurch zwingt, deu Totaleindruck in
seine Einzelheiten oder Teile zu zerltgen. In diesem Fall wird seine
Reise für seine Gedaukenbereicherung grossen Nutzen haben.
Dasselbe ist der Fall, wenn ein Schüler einen Vortrag hört.
Auch hier empfangt er nur einen verschwommenen Totaleiudruck,
weil er eben nicht zerlegt. Daher sind förmliche Vorträge an unsern
Schulen mit Recht verboten. Soll der Schüler von einem Vortrag
Nutzeu haben, so muss unmittelbar danach Jemand mit ihm den ganzen
Vortrag besprechen und ihn auf das aufmerksam machen, was ihm
entgangen oder was er nur mit halbem Ohr gehört bat.
» Ebenso ist es mit Abbilduugen. Lege dem Schüler solche vor,
j-o wird er wol eine Reihe von Bildern in sich aufnehmen, allein sie
sind nicht geklärt; nur Totaleindrücke empfängt er; aber alles ist ihm
ziemlich verschwommen, so dass er schliesslich doch nicht viel mehr
weiss als zuvor. Macht ihn dagegen Jemand auf das und jenes auf-
merksam, zwingt er ihu also zun» Zerlegen des Augeschauten, dann
klärt sich jener verschwommene Totaleindruck; die Bereicherung des
Gedankenschatzes beginnt.
Endlich komraeu wir zur Pri vatlektürc. Ihr Wert für den
deutschen Aufsatz wird ohne Zweifel häutig überschätzt ; ja wie weit
man hier geht, zeigt am besten das bedenkliche Diktum : „Ohne
Privatlektüre kein ordentlicher deutscher Aufsatz44.
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Wie sehr man sich aber hier täuschen dürfte, mag nachfolgende Aus-
einandersetzung dartbun.
Soll die Privatlektüre deu Gedankenschatz bereichern, so müssen
folgende Bedingungen erfüllt werden:
1) Der Schüler muss lesen, um zu lernen, nicht blos um sich
zu unterhalten.
2) Er muss das, was er liest, zerlegen, muss öfters innehalten
und sich Rechenschaft über das Gelesene geben (vergl. Garve's
bekanntes „Weihnachtsgeschenk"), er muss über die Situationen,
über Ursachen und Wirkungen, kurz Obel den logischen Zusammen-
hang und die Disposition des Ganzen sich klar werden.
3) Endlich sollte er bereits so viele Erfahrungen gemacht haben,
dass er alles, was er liest, auch vorsteht.
Nun ist aber bekannt, dass der Schüler in der Regel nicht um zu
lernen, sondern blos um sich zu unterhalten liest. Man besehe sich
nur einmal den Bestellzettel bei der Schülerbibliothek. Was will der
Schüler? Eine schöne Räubergeschichte, eine Indianer-, eine Ritter-,
eine rührende Geschichte etc.: also vor allem Unterhaltung verlangt er.
Bekannt ist ferner, dass er viel zu wenig zerlegt. Einmal hat er
noch zu wenig Uebung in diesem Geschäfte; dann aber will er nur
unterhalten sein Deshalb interessirt ihu vor allem, wie die Geschichte
ausgeht und er stürmt daher, ohne sich irgendwo aufzuhalten, dem
Schlüsse zu, überschlugt ganze Blätter, die etwa das Land und den
Charakter seiner Bewohner schildern — denn das führt ja die Hand-
lung nicht weiter — und ist er endlich am Ende angekommen, und
hat er gesehen, wie die Geschichte ausging — dann schlägt er das
Buch für immer zu und ist um einen Totaleindruck reicher, aber
gelernt bat er sehr wenig, weil er nicht zerlegte. Was hilft ihm nun
das für den deutschen Aufsatz? Sein Gedankenvorrat wurde um so
Weniges bereichert, dass es nicht der Rede wert ist.
Endlich ist auch bekannt, dass die meisten Schüler keineswegs
alles , was sie lesen , auch verstehen. Wir sehen das ja in der Schule
in jeder Lesestunde Hier wird es ihm nun erklärt; zu Hause aber
hüpft er darüber hinweg, da es ihm ja auch um die Einzelnheiten gar
nicht zu thun ist. Und so ist seine Privatlektüre in der Regel
ein Schlendrian, der für den deutschen Aufsatz so
ziemlich wertlos ist.
Wir begreifen daher nicht, wie man behaupten kann : „Ohne Privat-
lektüre kein ordentlicher deutscher Aufsatz". Man lasse sich doch
nicht täuscheu ! So massenhaft die Privatlektüre Gedanken zuführen
könute, so gering ist ihr thatsächlicber Nutzen, weil die psychologischen
Voraussetzungen, von denen letzterer abhangt, nicht erfüllt werden.
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Ganz anders gestaltet sich natürlich die Sache, sobald derjenige,
der Privatlektüre treibt, liest, um zu lernen, sobald er ferner daB, was
er liest, zerlegt und ihm dieses Geschäft schon zur Gewohnheit
geworden ist, sobald er endlich auch Erfahrung genug besitzt, um das,
was er liest, auch zu verstehen. In diesem Stadium aber ist erst der-
jenige angekommen, der die Schule bereits hinter sich hat, oder der
Schüler in den obersten Cursen. In den höchsten Classen eines Gym-
nasiums wird daher der Schüler mit Erfolg Privaticktüre treiben können.
Freilich durften sieb die Ansichten darüber teilen, ob dieses auch im
dritten Curse einer Gewerbschule nach nur zweijähriger Schulung, von
dem Mangel an freier Zeit ganz abgesehen, schon möglich sei.
Der eigentliche Wert der Privatlektüre für den
Schüler scheint uns überhaupt nicht in der Gedankenbereicherung
und weniger auch in der Förderung des Ausdruckes, als vielmehr in
dem Umstände zu liegen , dass dieselbe die Freude an der Beschäft-
igung mit der schönen Literatur , d;\s Wolgefallen am Schönen und
Idealen , an allem Grossen und Erhabenen, erweckt, dass sie
dem Schüler Begeisterung und höheren Schwung , idealeres Streben
einimpft ~ was natürlich voraussetzt, dass sie entsprechend gewählt
wird. Das ist vor allem der Wert, den die Privatlektüre für den
Schüler besonders in den unteren Cursen hat (vgl. auch Quintilian's
Anleitung zur Beredsamkeit I, 8;, und wenn sie das leistet, hat sie
genug gethan. Die Gedankenbereicherung aber muss vor allem der
Unterricht selbst übernehmen
Die angeführten Bedenken werden sich auch durch ein Gontrole
der Privatlektüre nicht heben lassen. Am besten wäre es wohl,
wenn sich biezu das Haus, etwa der Vater des Knaben , herbeiliesse.
Allein wie viele Väter haben Zeit und Lust und auch Bildung genug,
um das Gelesene mit dem Knaben eingehend zu besprechen? Die
Schule selbst aber, wenigstens die Gewerbschule, kann sich auf eine
solche Controle nicht einlassen. Zu einer ständigen und eingehenden
Controle fehlt uns an unseren Anstalten die Zeit; eine blos zeitweise
und oberflächliche aber hat wenig praktischen Wert. Was nützt es
auch , wenn man dann und wann einen Aufsatz über ein Thema aus
der Privatlektüre gibt! Damit ist nicht viel gethan und bei der geringen
Stundenzahl, die dem Deutschen im 3. Curse einer Gewerbschule zuge-
wiesen ist, gibt es wahrlich Dinge, die viel wichtiger sind als derartige
Aufsätze, die in der Regel auch noch oberflächlicher ausgearbeitet
werden, als Themata, die in der Schule besprochen wurden. Damit sei
jedoch nicht gesagt, dass man nicht dann und wann einen solchen
Aufsatz machen lassen soll; aber einen besonderen Wert möchten wir
ihnen nicht beilegen.
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451 •
Damit sind wir am Schlüsse unserer Darlegungen angekommen
und können nur unser ceterum censeo wiederholen, dass eine Refo>m
der Stilistik und des stilistisch on Unterrichts allein im
Stande sei, die Klagen über die geringen Leistungen der Schüler im
Deutschen verstummen zu machen.
Regensburg und Kaiserslautern. M. Sfhiessl und W. Götz.
Schriftliche Uebnngen im Deutschen für Sexta.
Noch einmal muss ich wegen eines nun schon öfter aufgeworfenen
Themas die Feder ergreifen, um auf die Einwendungen, mit welchen
Herr Kol!. Miller gegen meinen Aufsatz (S. 220 ff) aufgetreten ist,
einiges zu erwidern. Es geschieht nur im Interesse der Sache, und
sei der Erfolg dieses meines Strebens, wie er wolle, wenigstens bean-
spruche ich das Verdienst, auf verschiedene Schwierigkeiten und Ob-
liegenheiten hingewiesen zu haben, mit welchen man in der ersten
Klasse der Lateinschule bei dem stilistischen Unterricht sich abzu-
finden hat.
nerr Koll. Miller schreibt, ich traue zehnjährigen Knaben, die noch
dazu die Aufnahmsprüfung in die Lateinschule bestanden und demnach
ein gewisses Mass von Kenntnissen in der deutschen Sprache nachge-
wiesen haben, zu wenig zu, wenn ich Anstand nehme, sie gleich von
vornherein zusammenhängende Stücke schriftlich nacherzählen zu lassen •
sodann nennt er den „erst nach vielen Fragen" zustande gekommeneu
Satz: „Auf der blumigen Wiese etc." gar zu mager für einen Sextaner
und behauptet, bei gehöriger Anleitung könne auch ein Sextaner eine
ganz verständige Beschreibung liefern; ausserdem scheint er sich auch
an der von mir empfohleneu Methode des Herauscxaminierens zu
stossen, wie aus einigen Ausdrücken seines Artikels hervorgeht.
Was nun die erste Behauptung des Herrn Opponenten betrifft, so
kann ich wohl zugestehen, dass es manchmal neun - oder zehnjährige
Knaben gibt, die sofort, nachdem sie eine mässig grosse Erzählung
gehört haben, dieselbe in erträglicher, ja sogar in recht netter Form
niederzuschreiben vermögen. Das sind denn die aufgeweckten, glücklich
begabten, von Haus aus gutgezogenen Schüler. Wenn alle sich so
zeigten, dann wäre es gut Lehrer sein. Das wird mir aber Herr
Koll. einräumen, dass solche Knaben nicht sehr häufig sind; er wird,
wie ich , die Erfahrung gemacht haben , dass man bei der grossen
B'atter f d. b»ycr. Gymn.- u. Rc&l-Schalw. XL Jtbru. 01
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Mehrzahl*), der man doch deshalb die Aufnahme in die Lateinschule
nicht versagen kann, nichts so Erfreuliches, soudern im Gegenteil nur
mehr oder minder ungeordnete Arbeiten zu lesen bekommt. Ausser
den Mängeln in der Interpunktion, die mau allenfalls ignorieren kann,
und abgesehen von Fehlern gegen die Orthographie, die schon bedenk-
licher sind, muss man da alle möglichen logischen uud sprachlichen
Verstösse wahrnehmen, wi# Weglassuug von Haupt- und Hervorhebung
von Nebensächlichem, Verwechslungen z. 13. von Ursache und Wirkung,
gezwungenen oder verkehrtes Gebrauch der Ausdrücke, die9 zumeist
infolge der von mir beklagten mechanischen Anklammerung an den
Wortlaut des Vorgelesenen , ungeschickte oder uurichtige Anwendung
der Konjunktionen , falsche Rektion der Yerba und der Präpositionen,
Provinzialismen, Formfehler. Das kommt eben davon her, dass die
Schüler noch nicht die nötige Herrschaft über ihre Mutter-
sprache, ich meine die Schriftsprache, besitzen. Sehr viele von
ihnen hören zu Hause nur schlecht sprechen, sie haben noch wenig
gelesen, der Lehrstoff der deutschen Schule ist an ihren noch halb
schlummernden Sinnen wie ein Traum vorübergegangen. Woher
sollten sie eine nur einigermassen ausreichende Darstellungsfäbigkeit
haben? — Non kann ich mir bei diesen Schülern noch eine mündliche
Nacherzählung denken und habe sogar nicht viel dagegen einzuwenden,
dass sie, wie in der deutschen Elementarschule, so auch bei uns fleissig
geübt werde; denn hier kann 'der Lehrer ermuntern, anleiten, darauf-
helfen, das Nebensächliche rechtzeitig einfügen, uud hier treten auch
die eben bezeichneten Fehler nicht so scharf hervor, vox emissa perit,
litera scripta mattet. Aber schriftlich (und wir bandeln ja von schrift-
lichen Uebungen) ist die Sache auch deshalb noch viel schwieriger,
weil Sextaner in der Regel nicht sehr rasch schreiben können*,
so da9s sich ihnen die bereits gefassten Gedanken oft unter der Feder
wieder entziehen oder wenigstens verschieben; zudem tritt hier die
Mithilfe des Lehrers in den Hintergrund. Zwei andere Arten der
Uebungen aber, nämlich eine vollständig memorierte Erzählung aus
•) Bei dieser Gelegenheit muss ich im Vorbeigehen auch eines Um-
standes gedenken, der die Leitung einer Sexta bei uns bis jetzt nicht
unbedeutend erschwert hat, nämlich die grosse Alters- und Entwicklungs-
verschiedenheit der in diese Klasse eintretenden Knaben. Während nämlich
ein Teil, berechtigt durch die neue Schulordnung, in, ja bisweilen uuter
dem Alter von 0 Jahren aus der 3. Klasse der deutscheu Schule zu uns
herüberkommt, zählen andere Schüler 10, 11, ja nahezu 12 Lebensjahre
und kommen ans der 4 , 5., ja 0. Klasse der deutschen Schule. Wieviel
macht gerade auf dieser Altersstufe ein Jahr in Hinsieht auf geistige
Entwicklung aus! l>ie Eltern waren eben bisher nicht hinlänglich informiert
über den grossen Vorteil, den ihnen die neue Studienordnuug gewährt-
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I
453
dem Gedächtniss niederschreiben oder ein eben vorgelesenes Stück
neben der mündlichen Wiedergabc durch einen Schüler zugleich von
der ganzen Klasse schriftlich ins Heft eintragen zu lassen , mögen
zwar auch in gewissen Beziehungen gut sein, aber sie werden die
Schüler nicht so weit fördern, als es verlangt werden muss. Wir
stehen also hier vor grossen Schwierigkeiten. Obige Schäden wurden
aber notwendig noch grösser werden, wenn man etwa (wie Herr Koll.
Miller andeutet) der Jugend bei solcherlei Arbeiten nicht gestatten
wollte, sich an den Wortlaut des Vorgelesenen anzuklammern ; da hat
sie erst gar keinen Halt mehr. Und wie wird es in Zukunft mit so
behandelten Schülern sein? Alle jene Fehler auf einmal zu bekämpfen,
ist für den Lehrer eine reine Unmöglichkeit, und die Knaben schleppen
sie fort und fort und laborieren noch in höheren Klassen an mangel-
hafter Auffassung und unkorrekter Ausdrucksweise. Es mögen das
alles auch die Gründe sein , weshalb ein bedeutender Pädagog , wie
der oft citierte Laas, selbst in Quinta noch keine derartige schriftliche
Arbeit leiden will. Das ginge nun freilich zu weit; aber man mutet
den Schülern auch nicht zu wenig zu, wenn man glaubt, darnach
trachten zu müssen, dass sie sich in der Wahrnehmung des Stoffes
üben, bevor sie sich an die selbständige Gestaltung desselben
machen, und dass sie ordentliche Sätze schreiben lernen, bevor
sie zur Abfassung zusammenhängender Stücke schreiten. Da
ist denn auch Korrektur, Unterweisung im Richtigen und Heilung vom
Falschen viel leichter. Alleu Anforderungen aber dürfte Rechnung
getragen werden, wenn man in der von mir angegebeueu Weise die zu
schreibenden Sätze so aus einer Erzählung au einander reiben lässt,
dass sie den Inhalt derselben vollständig wiedergeben. Da wird der
Geist des Knaben in Hinsicht auf Sprache und Materie genugsam in
Anspruch genommen; zudem lässt sich von da aus leicht zum Satz-
gefüge übergehen, indem man mit den Schülern an den ausgearbeiteten
Aufgaben einzelne geeignete Hauptsätze in Nebensätze mit : als , da,
weil, so dass, um zu etc. verwandelt. Ich denke, das ist eine schul-
mässige Anleitung zum Schreiben, während ich die Methode, die
Schüler gleich zur Wiedergabe der Erzählung mit Haupt- und Neben-
sätzen anzuhalten, mehr in das Gebiet der „wilden Praxis" ver-
weisen möchte, mit welcher man noch selten etwas erreicht hat. Mein
Herr Kollega bedenke endlich auch, was man vor der Entstehung der
neuen Schulordnung in Quinta von Knaben verlangte, die in der Regel
über 11 Jahre alt waren. Eben auch Nacherzählungen! Und selbst da
waren wenigstens nach meiner Erfahrung obige Fehler noch lange
nicht ausgetilgt. Will man jetzt brevi manu diese Aufgaben in die
Sexta für zehn- oder neunjährige Knaben herübernchmen? Herr Koll.
meint freilich, es seien „vor allem einfache, klare und leichtfassliche
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Stücke" zum Nacherzählen auszusuchen, und somit sei die Sache für
Sexta geregelt. Aber auch hier kommen nach meiner Ueberzcugung
die oben bezeichneten Gefahren durchaus nicht in Wegfall. Doch sei
dem, wie es wolle! Einerseits hat es mit stilistischen Arbeiten in Sexta
gewiss keine gar so grosse Eile ; andrerseits gebe ich ja selbst den
Schülern zuletzt eben so freie Nacherzähltingen (einfacherer Art) wie
Herr Koll. Miller; nur lasse ich die von mir auseinandergesetzten
Vorübungen vorausgehen.
Ich komme nun an den „mageren" Satz : „Auf der blumigen Wiese etc."
— Das kann man sicher nicht bestreiten, dass die Bildung von
Sätzen eine sehr zweckmässige Ucbung ist. Wenn man nun diese
in der Schule vornimmt, so wird man finden, dass wohl einzelne
Knaben schnell mit mehr oder weniger geeigneten Antworten zur
Hand sind, dass aber viele die ganze Zeit stumm dasitzen und nicht
einen einzigen Gcdankeu produzieren. Fordern wir z. B. die ganze
Klasse auf, einen Satz zu sagen, in welchem der Ausdruck: ,;der
Baum" vorkommt I Gewiss eino leichte Aufgabe ! Es werden da aller-
dings viele Schüler aufstehen und sprechen: „Der Baum blüht; der
Baum trägt Früchte; der Baum verliert im Herbste seine Blätter u. s. w."
Manche aber werden sich nicht melden, um etwas zu sagen; „es fällt
ihnen eben nichts ein". Diese bedürfen doch offenbar des hilfreichen
Arztes , nämlich des Lehrers , der sie mit Geduld und Berechnung
anleitet zum Suchen und Aufweisen, zum Deukcn. und Sprechen. Wie
hilft Herr Koll. Miller solchen Schülern? Vollends aber eine zusammen-
hängende Beschreibung von diesen Leutchen zu verlangen , und wäre
es nur in der Form der Nachbildung, die meinem Herrn Opponenten
vorzuschweben scheint, das wäre schon ziemlich aussichtslos. Dies gilt
von den unentwickelteren unter den Schülern. Bei andern aber müssen
die Einfälle durch Attribute, adverbielle Zusätze ergänzt, bei wieder
andern gezflgelt , geregelt, bei allen aber streng auf die äussere Form,
den Ausdruck geachtet werden, was alles nirgends so gut und leicht
geschehen kann, wie bei der Bildung solcher Sätze. Und sollte irgend
Einem trotz des eben Ausgeführten so ein Satz (Auf der blumigen
Wiese etc.) noch mager erscheinen , so beachte er doch , was die
Schüler bei der Herstellung desselben innerlich gewinnen; ihre noch
wenig regsamen Geister erhalten dadurch mehr und mehr Beweglich-
keit, sie werden mehr heimisch im Reiche der Gedanken, es wird
lichter in ihren Köpfen. Dieses innere Resultat scheint mir keines-
wegs mager zu sein. — üehrigens wickeln sich ja die Fragen und Ant-
worten rasch ab ; man wird in einer Stunde 15 , 20 Sätze mit den
Schülern finden können, ja, man wird sie über ein und dasselbe
Thema (z. B. der Schmetterling) finden lassen können. Da sehe ich
nun nicht, wa9 es Erspriesslicheres gibt. Einer zusammenhängenden
<
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Beschreibung aber stehen ausser auderen Schwierigkeiten auch wieder
jeue entgegen, die ich oben bei der Nacherzählung angegeben.
Noch habe ich die Methode des Ilerausexaminierens zu verteidigen-
Diese ist nicht etwa Ton mir zum erstcnmalc vorgeschlagen, wie ich
überhaupt weit davon entfernt biu , für meine Anträge Neuheit zu
beansprucht.-::. Fragen bildeten vielmehr von jeher einen wesentlichen
Bestandteil eines induktiven Unterrichts. So ersehe ich aus den Lese-
büchern der deutschen Schule (z B. Lese - und Sprachbuch für die
Mittelklassen katholischer Volksschulen, München, im kgl. Central -
Schulbücher -Verlage, 30. Auflage, 1. Abteilung, Seite &, Aufgaben),
dass dort ausdrücklich verlangt wird, der freien Wiedergabe einer
Erzählung ein Abfragen des Inhalts vorauszuschicken. Nun
kann man allerdings darüber streiten , in welcher Reibenfolge die
Fragen zu stellen sind. Meine Ansicht hierüber habe ich bereits aus-
gesprochen ; sie geht dahin , dass man dabei am besten von einem
Funkte ausgeht, den der Schüler vorgebracht hat. Gewandtere Knaben
werden ohnehin beim Anfang der Krzählung beginnen, und das wird
man ihnen gewiss nicht wehren. Wenu übrigens irgend etwas dazu
geeignet ist, den Wortlaut des Vorgelesenen zu durebkreuzeu und so
den Bann des gedankenlosen Nachsagens zu brechen , so sind das
geschickt gestellte Fragen. — Die etwaige „Gestaltungskraft" der
Schüler aber, welcher Herr Kol!. Miller das Wort redet, frei walten
zu lassen , bevor sie hinreichende Hebung in der Sprache haben, halte
ich für bedenklich aus den oben angegebenen Gründen. Erst wenn
sie einmal durch geregelten Uutcrricht, durch des Lehrers Vorbild,
durch geeignete Lektüre sich sprachlich mehr gebildet haben , dann
ist Zeit dazu.
Ich übergebe auch diese Zeilen , wie die früheren , der Prüfung
meiner Amtsgenossen. Wenn einer ohne die von mir gemeinte Vor-
stufe zurecht kommt , so will und kann ich selbstverständlich nichts
dagegen aushaben; doch einen Ausgangspunkt muss jeder Unterricht
haben, und wenn man anfänglich den Schülern etwa auch zu
wenig zutraut, so thut man deshalb noch nicht unklug; denn der Weg
zum richtigen Masse ist hier natürlicher und mehr versprechend
von dem Zuwenig aus, als von dem Zuviel.
München. Ludwig Mayer.
Ans der Turnschuh*.
Trotz der von Einsichtigen anerkannten Vorteile des Turnens für
körperliche Entwickclung und Kräftigung unserer Jugend suchen sich
doch noch von verschiedenen Seiten Vorurteile gegen dasselbe geltend
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I
450
zu machen. Die meisten derselben entspringen allerdings aus Un-
kenntniss der Sache oder aus einer übergrossen Aengstlicbkeit und
Verzärtlungssucht seitens der beteiligten Eltern. Ueber diese kann
man deshalb auch hinweggehen , ohne eine Widerlegung derselben zu
versuchen. Aber anders verhält es sich jenen Bedenken gegenüber,
die sich nicht gegen das Turnen an sich, dessen Nutzen gerne aner-
kannt werden will, erheben, sondern nur gegen einzelne Hebungen,
* deren Vornahme eher schädlich und gefährlich, als nützlich und gesund-
heitsfördernd scheinen will. Solche Bedenken verdienen Beachtung,
und wenn sie von Eltern oder Lehrern auf Grund gemaebter Beob-
achtungen und Erfahrungen beim Turnlehrer vorgebracht werden, so
ist es die Pflicht desselben, die beanstandeten Uebungen vom Programme
des Turnunterrichts zu streichen. Das richtige Mass lernt ja doch
jeder an sich noch so Tüchtige erst durch praktische Erfahrung kenneu.
So will ich im nachfolgenden vier Punkte anführen, über welche
ich teils auf Grund gemachter Beobachtungen und Erfahrungen, teils
(offiziell und privatim) empfangener Mitteilungen zu folgenden An-
sichten gekommen bin :
1) Für die ersten drei Lateinklassen sind Gerätübungen nur mit
Vorsicht und Beschränkung anzuordnen. Keck-, Barren- uud
Kletterübungen, kurz alle Uebuugcn , bei welchen der Schüler die
ganze Schwere seines Körpers zu ziehen hat, sind unbedingt zu
verwerfen. Sie sind für den zarten Körper zu anstrengend, dehnen
die Muskel zu heftig und strengen die innero Organe über-
mässig an. Schon manches Herzleiden, Blutspuckcu uud ähnliche
Uebel sind nach ärztlichen Aussprüchen durch frühzeitige Ueber-
anstrengung herbeigeführt oder befördert worden.
2) Das Emporklettern an einer Stange mit Nachhilfe der Füssc
ist »choo an und für sich unseköu, infolge der dadurch leicht
erweckten geschlechtlichen Erregungen aber höchst bedenklich und
deswegen unbedingt zu verhinderu. Manche Turnlehrer und Eltern
haben in dieser Beziehung schon sehr unliebsame Beobachtungen
gemacht.
3) Der auf manchen Turnplätzen gern geübte Tiefsprung ist
höchstens zu gestatten, keinesfalls aber von jedem Schüler zu
verlangen. Die durch diesen Sprung verursachte Erschütterung
des Unterleibes, auch beim Niederspruug in der Kniebeuge, ist
nicht jedem zuträglich ; manche werden auf diese üebung sofort
unwohl oder müssen sich erbrechen. Anlagen zu Unterleibsleiden
werden durch diese Uebung nur zu leicht befördert.
4) An kalten Wintertagen sehe man darauf, dass die Schüler
nicht erhitzt oder direkt von deu Uebungen weg auf die Strasse
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457
eilen. Denn Katarrh, Lungenentzündung, Rheumatismus siud uur
zu hänhg die Folge von Erkältungen, die auf solche Weise
zugezogen wurden.
Mögen diese in wohlmeinender Absicht vorgetragenen Bemerkungen
bei den Kollegen die gewünschte Beachtung finden und eventuell zu
weiteren Mitteilungen Anlass geben •) I
Straubing. M. Miller.
Neue coiistruttivc Bestimmung voii Itild- nud Gegciistauriwelle bei
sphärischen Hohlspiegeln und Linsen und neue t'oustructiou der
Kegelselinlttslinien.
Wir erinnern zunächst an die bekannte Gleicbuug
u f a ^ b
in welcher b die Bildweite, a die Gegenstandsweite und f die Brenn-
weite des sphärischen Spiegels (Linse) bedeutet. Wir gehon zur Eut-
wickelung einer ähnlichen Gleichung von einem Dreiecke aus, dessen
Seiten c und d sein mögen. Der von diesen Seiten eingeschlossene
Winkel werde rp genannt. Man ziehe durch seinen Scheitel eine
beliebige Transversalo /*, welche den Winkel rp in die beiden Teile
u und v teilt. Es gilt nun die Gleichung:
c . d . sin rp — f (C . sin v -f- d . sin p)
oder
1 sin y sin f*
—) — j ' . T* ' — ; —
Id. stn q> c . stn tp
welche Gleichung in obigo Gleichung 1) übergeht, wenn man setzt
-r-^-.-^— - — * ; **H f* — J \Yir wählen jedoch die Form:
d . stn tp a c . stn rp b
a _ sin <p b _ sin rp
d st« v c stn pt
denn dieselbe zeigt uns, das*, wenn /' die Brennweite eines sphärischen
Hohlspiegels (Convexlinsr) als Transversale dos oben beschriebenen
*) Die Redaktion ist sehr dankbar für die vorstehenden Winke und
Anregungen, die sie der Beachtung der Kollegen empfehlen zu müssen
glaubt. Das Turnen wird leider von einer Seite, die wesentlich kompetent
wäre, darüber mitzureden, wenig oder gar nicht beachtet, von der ärztlichen.
So lange das nicht geschieht, sind die Bedenken mancher Eltern wohl
begreiflich.
Diaitized bv CjOOqIc
458
Dreiecks aufgcfasst wird, die- Bildweite ganz allgemein als Seite eines
Dreiecks gefunden werden kann, dessen andere Seite c ist und dessen
gegenüberliegende Winkel respective tp und u sind. Einen ähulicheu
Satz kann man für die Constructiou der entsprechenden Gegenstands-
weite,' aussprechen. Das 'Auffinden von Gegenstandsweite und dazu
gehöriger Bildweite ist hier das Resultat zweier Constructionen, welche
ausserdem noch das Unbequeme besitzen, duss es nicht leicht geliugt,
zu einer gegebenen Gegenstandsweite die zugehörige Bildweite auf-
zufinden. Diese Uebelstände werden beseitigt, wenn wir tp — 90u
wählen. Es sei zu dem Endo d die eine Kathete eines rechtwinkligen
Dreiecks, welche beliebig gross angenommen werden kann. Die Grösse
der andern Kathete ergibt sich aus der jedesmaligen Constructiou.
Wir wählen den Scheitel des rechten Winkels zum Mittelpunkte eines
Kreises von dem Radius f. Durch den Endpunkt von d ziehen wir
eine Parallele zu c und wählen auf derselbcu einen Tunkt , welcher
von dem Scheitelpunkte des rechten Winkels um die gegebene Gegen-
standsweite absteht. Wir bemerken uns den Durchschnitt der, durch
Verbindung der beiden Punkte entstehenden Linie mit der Peripherie
des Kreises von dem Radius /' und ziehen durch diesen Punkt von dem
Endpunkt der Kathete d eine Gorade, welche auf dem anderen Schenkel
des rechten Winkels die Kathete c abschneidet. Eine Senkrechte in
diesem Schnittpunkte auf diesem Schenkel errichtet, liefert iu ihrem
Durchgänge durch die als Gegenstandsweite gezeichnete Linie den
Bildpunkt. Was die Wahl der Grösse von d anbelangt, so wird man
bei allen Gegenstandsweiten , welche > f auch d > f annehmen.
Bei Gegenstaudsweitcn, welche jedoch <; f, muss man d < /'annehmen.
Lassen wir den Lichtpunkt auf oben beschriebener Parallele aus
dem Unendlicheu kommend, sich dem spärischen Spiegel (Linse) mehr
und mehr nähern, so beschreibt der Bildpunkt eine krumme Linie,
deren Gleichung, bezogen auf die Schenkel des rechten Winkels als
Achsensystem (d als X Achse) :
, { 1 1 ^ . V* 2x ,
«)•••«" {r - d,) + fl - a ~ ' = o
Diess ist die Gleichung einer Kegelschnittslinie, bezogen auf den
Brennpunkt und wir erhalten für
d > f eine Ellipse,
d — f eine Parabel,
d <. f eine Hyperbel.
Die Coordinaten des Mittelpunktes sind:
f* d
Vl = o; xx = ^—^
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t
%
459
Die kleiue Halbachse der Ellipse - * dL—n
Die grosse Halbachse der Ellipse — ^ ^ ^
Der Brennpunkt füllt mit dem Scheitel des rcchtcu Winkels zusammen-
Die Resultate vorstehender, im Auszug wiedergesehener Uuter-
suchuugen lassen die Zusammengehörigkeit der Kegolschnittslinieu
deutlich erkennen, indem es durch die angegebenen Methoden gelingt,
die 3 Kurven zweiten Grades von einem Gesichtspunkt aus mit Hilfe
ein und derselben Constructionsmethode darzustellen, folgende ana-
lytische geometrische Aufgabe dürfte unmittelbar aus dieser Cou-
struetionsmethodo hervorgehen :
Zieht man vom Ii renn punkte einer Kegelschnitts-
linie beliebige Strahlen nach der Kurve, projicirt
diese Hadicn vectoren auf die YAchse des durch den
Brennpunkt gelegten rechtwinkligen Achscusystems und*
verbindet d ie. Endpunkte dieser 1' rojectionen mit einem
bestimmten Punkte* der Hauptachse, so sch neiden letzte re
Geraden die entsprechenden Hadicn vectoren in Punkten,
welche auf einer Kreisperipherie liegen, deren Kadius
gleich dem Parameter der Kurve ist und deren Mittel-
punkt mit dem Brennpunkte der Kurve zusammenfallt.
Nennen wir .1 die grosse Halbachse der Ellipse oder Hyperbel B,
respective B[^—\ die kleine Halbachse dieser Kurven, so fällt
der erwähnte bestimmte Punkt auf der X Achse in die Entfernung
r/r; von dem Anfangspunkte der oben zu Grunde gelegten
VA* - B*
Coordinaten. Bei der Parabel ist diese Entfernung gleich dem Para;
meter derselben.
Speier. C. Bender.
Ueber Maxlma.
Unter allen isoperimetrischen Dreiecken hat das
gleichseitige den grössten Inhalt.
Geht mau aus von dem Satze: Unter allen isoperimetrischen
Dreiecken, welche eine Seite gleich haben, hat das über dieser
Seite gleichschenklige den grössten Flächeninhalt, so lässt sich
immer ein gleichschenkliges Dreieck herstellen, das mit dem ursprüng-
lichen ungleichseitigen, dessen Seiten «, b, c sind, eine Seite gemein
hat und isoperimetrisch ist. Dieses Dreieck ist dann grösser
als das ursprüngliche. Errichtet man nun eine Folge von gleich-
schenkligen isoperimetrischen Dreiecken , von denen das folgende
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2
a
— m
o?
Im
a
— in
2>
4C0
immer den Schenkel des vorhergehenden als Basis hat, so ergeben
b 4- c
sich folgende Dreiecke, wobei ^ m ist.
Basis, Schenkel, Differenz aus Basis
und Schenkel.
La m a — m
2. .» <-!)"— ~
3. °-±m (_!)«
a -|" 3 m 3 a -f 5 «i . _ . 5
4. | 8 1 " iJ
und so fort.
Für das nte Dreieck ergibt sich demnach durch Induction
(— ,1) 11 * Geht mau iu diesem Ausdrucke auf die Grenze
2 n - - 1
über, so ist für n~ 00 ~ — - - o, d. h. 'der Unterschied zwischen
2 n 1
Basis und Schenkel = o, somit das Dreieck gleichseitig. Da aber alle
diese Dreiecke gleichen Umfang haben und jedes folgende grösser ist
als das vorausgehende, so ist das letzte das grösste.
Wollte man für obigen Inductiousscbluss die Richtigkeit nach-
weisen, so könnte dies folgendcrmassen geschehen. Für das (»*■+■ 1)te
Dreieck muss obiger Formel gemäss der Unterschied zwischen Basis
und Schenkel — (- \)n . ° sein. Ist nun für das «te Dreieck
2 "
der Schenkel l, so ist die Ba>is l + ( 1)M ~ 1 a ~ \ folglich
2 n ~ 1
die Basis für das (« + l)te Dreieck l und der Schenkel
2! + (- *)* 1
2 oder l + I) " 1 U m und die
Differenz ^- - ( 1) n 1 a ~~ * - ( l)" " " '".velchcr Aus-
druck dem obigen gleich ist.
Vielleicht ist dieser Beweis, wenigstens für Schüler humanistischer
Anstalten, dem in der Geometrie von Dr. Rccknagel gegebenen
vorzuziehen.
Speier. Deel.
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461
Einiges filier Kegelschnitte.
In Nachstehendem soll gezeigt werden , mit wolchcm Vorteile sich
die symbolische Rechnungsweise verwerten Iiis st und iu welch einfacher
Weise sie die Ableitungen von Sätzen und Gleichungen gestattet,
die auf anderem Wege, ebenso allgemein durchgeführt, nur mit grossen
Schwierigkeiten bewerkstelligt werden können.
Sind f (x,y) — o und <p (x, y) = o die Gleichungen zweier Kegel-
schnitte, so stellt die Gleichung:
f SM — * 9 f«i 9) = 0
alle Kegelschnitte vor, die durch die Schnittpunkte der beiden gegebenen
gehen. Zerfällt nun der zweite Kegelschnitt in ein Liuienpaar, dessen
Gleichung A . B — o sei, so ropräsentirt dio Gleichung:
f {x, y) — X A . B — o
alle Kegelschnitte, welche durch die Schnittpuukte des Kegelschnittes
f (x, y) — o und der Geraden A und B gehen. Lässt man nun die
Geraden A und B sich fortwährend nähern, so dass die Schnittpunktc-
paare derselben mit dem Kegelschnitte /" !/)z-° «ich auch einander
näher rücken; so ist begreiflich, dass, wenn A mit B zusammenfällt,
die Gleichung:
f (*, 80 — X A* — o
alle jene Kegelschnitte vorstellen muss , welche den Kegelschuitt
f (x,y) — o in den Schnittpunkten der Geraden A berühren.
Zerfällt aber auch der Kegelscbuitt / (x, y) — o in ein Liuienpaar
C . 1), so geht obige Gleichung Über in:
0 . D - X A* — o
und stellt olle Kegelschnitte vor, welche die Geraden C und D in den
Schnittpunkten der Geraden A berühren. Für alle diese Kegelschnitte
sind also die Geraden C und 1) Taugenten uud die Gerade A die zu-
gehörige Berührsehnc. Denkt man sich die Gleichungen der Geraden
C, J) , A auf die Normalform gebracht, so drückt die symbolische
Gleichung folgenden Satz aus:
Das Produkt der senkrechten Abstände jedes Punktes eines Kegel-
schnittes von zwei Tangenten ist proportional dem Quadrate des senk-
rechten Abstandes desselben Punktes von der zugehörigen Berührsehne.
Mit Hille der letzten symbolischen GUichung kann man nun auch
die Gleichung des Tangentenpaares feststellen , welches von einem
Punkte o an einen Kegelschnitt F (x, y) — o gezogen werden kann.
Auf jedem andern Wege ist die Ableitung geuaunter Gleichung mit
grossen Umständlichkeiten verbunden , weil man alsdann nothweudig
die Coordinaten der Berührungspunkte der Tangenten hereinziehen
muss, deren Elimination hernach grosse Schwierigkeiten bereitet.
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462
Sei also: C D — X Al — F (x, y) — o die Gleichuug eines Kegel-
schnittes, so ist die Gleichung des Tangenteupaars eines Punktes o:
CJ) — F y) + X A* — o.
Da aber der Punkt o der Schnittpunkt der Tangenten C und D ist
und somit seino Coordinatcu der Gleichung C.D — o genügen müssen,
so besteht auch die Gleichung F (:c„y0) -J- X A0* ~ o, und somit folgt,
nachdem man die Grösse X elimiuht:
F (x, y) A0* - F (x0 yQ) A* - o
als Gleichung des gesuchten Tangentonpaars.
Die feerührschue A ist aber nichts anders als Polare des Punktes
o bezüglich des Kegelschnittes F, also ist:
A =: x l F»(*o) + y\ F'{%) + z\ F(z) - o
A„ = F (x, y0)
Demnach geht obige Gleichung über in:
oder indem man berücksichtigt, dass:
* W + ?/ F (y„) + * 7'" (- ,) ^ xfl 2*" (x) + //o F (y) + *, F' (#)
ist, hat man:
x F' («) + y F' (>,) + j 7'" ( -X * F' (.r„) + y F' (y0) + - F' fojj .
k *M. (*) + y« **' (y) + *0 F' (*,), x0 F* (x0) + y0 F' (y„) + F'
Dringt man die Determinante auf eine höhere Ordnung, indem mau die
Uorizontalrcihe 1, F' (x), F' (x.) hinzufügt, so folgt:
i, F' (x) F' (.£„)
— o
X
y F (//) + z F (-), y F> (y0) + z F'
- *V v/o 2'" (y) + *0 *' (*), Sfo V + *o)
Fügt man nochmals die Ilorizontalrcihe J, 0, F' (y), 7«'' (y„) hinzu,
so hat man:
1, 0, F (y), 7'" (y0)
0, 1, F' («), F' (*„)!
y, - s, 5 F' u), * F> (zn)
y0, — ar,, z(} F* (z), z0 F' (g0)\
~ o
und wenn man abermals die Horizor.talrcihe 1, 0, 0, F' (z)t F'
beifügt und umformt, so folgt:
|i, 0, 0, F' (x), F* (x0)
0, 1, 0, F' (y), F (y0)
0, 0, 1, Fl (z), F' (*°) = o
x, y, z, 0 , 0
** t/o *o» 0 . 0
Setzt man: F {x, yt z) — a*, a;' -}- a,, yl -f oiV ** + 2 aol x y -f-
2 a„z x z -f 2ari y z — o und denkt man sich nun die Elemente der
ersten Vertikalreihe mit a00 multiplizirt und hiezu die a„,fachen Ele-
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463
mente der zweiten und anfachen Elemente der dritten Vertikalreihe
addirt; multiplizirt man ferner die Elemente der zweiten Vertikalreibe
mit und addirt hiezu die anfachen Elemente der ersten und die
anfachen Elemente der dritten Vertikalreihe, und multiplizirt endlich
die Elemente der dritten Vertikalreibe mit ait und addirt hiezu die
anfachen Elemente der ersten und «„fachen Elemente der zweiten
Vertikalreihe, so folgt als Gleichung des Tangentenpaars:
«oo «,, * F' (x) F' (x0)
«.* «,. «„ F' (»/) F' (y0)
a,0 atl a,t F' (j) I<y (*0) = o
F (x) F' (y) F' (*) 0 0
l-P (xQ) F' {yj F' (s0) 0 0
Füllt der Punkt o mit dem Mittelpunkte des Kegelchnittes zu-
sammen, so bestehen die Gleichungen: F' (x,) — o und F' (y0) = o
und es folgt somit für die Gleichung dieses speziellen Tangenten paars,
oder als Gleichung des Asymtotcn paars:
aoo a01 F' (x)
«io «i, F' (y) := o
F' (x) F> (;,) 0
Kehrt man nun wieder zur Gleichung:
C D — X A* — o
zurück, und lässt die Gerade A ins Unbegrenzte rücken, wodurch ihre
Gleichung in eine constante Grösse fibergeht, so folgt :
CD — u — o — F(xy y).
Da nun die Beruhrsehnc A sich im Unendlichen befindet, so gehen
die Tangenten C and D in die Asymptoten über, und es stellt somit
obige Gleichung die einer Hyperbel mit den Asymptoten C und D vor.
Weil aber C D — F (x y) -f- ,« ist , so sieht man , dass sich die
Gleichung des Asymptotenpaars von der des Kegelschnittes nur durch
eine Constante unterscheidet.
Durch Addition dieser Constanten u zur Kegelschnittsgleichung,
geht dieselbe also über in die Gleichung eines Linienpaares, wesshalb
die Gleichung bestehen muss:
!«oo «oi «oi
«10 «II «IS
— o
|«fO «21 «,* + i"l
woraus sich für die Grösse p ergibt:
**00 **01 **0l
[4 =z — al0 au au
!«?0 «21 ««l
Aus der Gleichung: CD — f* — o für die Hyperbel folgt ferner,
wenn man sich die Gleichungen der Asymptoten C und D in der Nor-
malform gegeben denkt, der Satz:
«00 «Ol
«io «ii!
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4G4
Das Produkt der seukrechten Abstände irgend eines Punktes der
Hyperbel von den beiden Asymptoten ist constant..
In der Hauptaxengleicbung 6* x'1 ± a?y* — a? o* — o -eines Kegel-
schnittes stellt bekanntlich b* xx dr «* y* — o die Gleichung des
Asymptotenpaars dar;, denkt man sich nun obige Gleichung auf ein
beliebiges rechtwinkliges Achsensystem trausformirt, so geht der Aus-
druck b* x* ± o* y* im Allgemeinen über in — CD und die ganze
Kegelschnittsgleichung geht sonach über in:
- C . D — a* b* — o
x
so dass also: fi — x a* 6l oder:
a* ö* =r ^
X
ist, wobei x der Transformationsfaktor genannt wird (Grunert, Archiv
der Mathematik und Physik. LVIL Teil. 4. Heft.)
Dieser Transformationsfaktor ergab sich als:
x =r —
!«>o flu
«0|
«II
«tl
Es folgt somit für das Quadrat des Kegelschnittsinhaltes:
J* = 7i» a< &' =
oder:
<*oo
«,0
J = - n
»Ol
«1.
«vi
«0! «II
2
«*0 «»1 ««
Sind ferners C, 2>, — pt — o und Ct l)t — pt — o die Gleichungen
von zwei Hyperbeln, so bat jeder durch ihre vier Schnittpunkte
gehender Kegelschnitt die Gleichung:
(C, 2>, - ,",) - Q (Ct Dt - <u,) = o
Erteilt man der Grösse e insbesonder« den Wert so geht ein Kegel-
schnitt hervor, dessen Gleichung:
ist, welcher immer noch durch die Schnittpunkte der beiden Hyperbeln
geht. Dieser Kegelschnittsgleichung genügen aber ausserdem noch
die CoonliDaten der Schnittpunkte beider Asymptotenpaarc , so dass
also der Satz folgt:
Die Schnittpunkte zweier Hyperbeln liegen mit den vier Schnitt-
punkten ihrer beiden Asymptoten auf einem und demselben Kegelschnitte.
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405
Kehrt man nun nochmals zur symholichen Gleichung
F (x, y) — A* - XCD =z o
zurück und lässt die eine Tangente D ins Unendliche rückeu, so muss
die Gleichung
A* — n C — o
eine Parabel darstellen , da nur ihr eine unendlich ferne Tangente
Zukommt. Die Gerade A muss somit als Berührsehne , ein Durch-
messer der Parabel, also eine Parallele zur Parabelaxe sein.
Aus der Form der Gleichung ergibt sich ferner:
Da« Qnadrat des senkrechten Abstandea eines Punktes der Parabel
von einem Durchmesser derselben ist proportional dem senkrechten
Abstände desselben Punktes von der Tangente der Parabel im End-
punkte des Durchmessers.
Dieser Satz bleibt auch bestehen, wenn die Tangente C zur
Scheite ltangente und A zur Parabelaxe wird.
Wählt man erstere zur y Axe , letztere zur x Axe , so folgt die
bekannte Schcitelgleichung der Parabel: y1 — p x — o.
Aub der Form der Parabelgleichung ergibt sich ferner noch, dass
die drei quadratischen Glieder ihrer Gleichung ein vollständiges Quadrat
bilden müssen, dass, wenn also
«oo «» + <»!. j/,-f-2a01a;jf-r2a0|x + 2 ait y + att = o
die Gleichung einer Parabel sein soll, die Gleichung bestehen muss:
«oo *" + «,, ?/* 2 a01 xy = (V^oo * + K«n y)?
oder:
«Ol = W« «n
woraus sich die bekannte Bedingungsgloichung ableitet
«oo «oi _ 0
«10 «ti
Uegcnsburg. Max Greiner.
M. Tullii Ciceroni8 de Oratore l. tres. Erklärt von Dr. G. Sorof,
Director des k. Pädagogiums zu Putbus. Erstes Bändchen: Buch I.
Berlin. Weidmann'sche Buchhandlung. 1875.
Die von der bezeichneten Verlagsbuchhandlung längst versprochene
Schulausgabe von Ciceros Gespräch über den Redner ist nun endlich
wenigstens in ihrem ersten Teile erschienen. Warum die Herausgabe
so lange auf sich warten Hess, erfahren wir aus der Vorrede. Wenn
iu derselben Sorof die Hoffnung ausspricht, dass die ihm noch während
der Arbeit gewordene Gelegenheit, unsre Schrift mit seinen Primanern
durchzulesen, einigen Ersatz für die lange Verzögerung der Herausgabe
bieten werde, so finde ich diese Hoffnung vollständig gerechtfertigt.
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_466
Man sieht es dem Buche auf jeder Seite an, dass es in und aus de
Schule heraus entstanden ist: durchwegs ist, wenige Kleinigkeiten vic
leicht ausgenommen, in Bezug auf den Umfang sprachlicher ud
sachlicher Erklärungen das rechte Mass eingehalten, der Ausdrucl
klar und präcis, übertlüssige Citate und Verweisungen sind vermieden
nicht selten sind anregende sprachliche Beobachtungen an fzt*Y>racb£
jede Wortkritik dagegen ist mit allem Recht aus den Bemerkungen
unter dem Texte verbannt. Die Einleitung schildert in lichtvoller1
Darstellung von S. VI — XIII die Vorfalle, welche den histor/Vc/ien
Hintergrund unsres Gespräches bilden, dann folgt bis S. XXXIII die
Charakterschilderung derjenigen Männer, welche an dem Gespräche
teilnehmen, von Crassüs bis Caesar. Daran schliesst sich eine Aus-
einandersetzung über Veranlassung, Zweck und Form unsres Werkes,
sowie über die Verdienste, die sich C. in demselben in Bezug- auf
Inhalt und Form erworben hat. Die nötigsten Mitteilungen über die
bandschriftliche Ueberlicierung und die Hauptaufgaben unserer Schrift
seit KUcndt bilden den SrkluSB. Die Inhaltsübersicht enthält eine
vollständige Skizze der Gespräche im erstell Buche auf 5 vollen Seiten,
dagegen sind fortlaufende Inhaltsangaben unter dem Texte , wie in
Piderits Ausgabe, nicht vorhanden. Der tüchtige Lehrer mag allerdings
auch hei der Behandlung eines so schwierigen Gegenstandes ein solches
Hilfsmittel zur Präsenthaltung des Zusammenhangs entbehren könrjefl.-
ein bequemes Mittel, um sich beim Nachschlagen rasch zurechtzufinden,
bleibt es doch immer. Die Herausgabc des Werkes in getrennten
Bändchen bat die Aufnahme der notigen Mitteilungen über die im
Texte vorkommenden Persönlichkeiten u- dgl. unter die fortlaufenden
Anmerkungen nötig gemacht. Ausgesprochen hat S. seine Ansicht Ober
diese Einrichtung nicht; wie mir aber scheint, hat Pidcrit durch die
alphabetische Zusammenstellung der im Texte vorkommenden Realien
und die teilweise ziemlich ausführlichen Citate und Auseinandersetzungen
seinem Buche einen erhöhten Wert gegeben, wenn er auch andrerseits
über das Bedürfniss der Schule mitunter hinausgegangen ist. Im kritischen
Anbang hat sich S. auf ein Verzeichniss seiuer Abweichungen vom
Texte Kaysers und Piderits beschränkt und diesen zum grossen Teil
eine Begründung seiner Ansicht beigefügt: für eine Schulausgabe, die
einen vollständigen kritischen Apparat nicht bieten kann, vollkommen
ausreichend. Bei dieser Gelegenheit .mögen einige Bemerkungen Platz
finden. 16,71 geht dieAenderung von num qua re in namquod meines
Wassens schon in die ältesten Zeiten zurück; 19, 85 ist schon 1871
(Bayer. Gbl. S. 193) von mir das aique omni abundans doctrina vor-
geschlagen worden; 22, 102 ist cx magna h. fr., wie ich glaube, mit
Recht in den Text aufgenommen, aber die Abweichung von K. und P.
im Anhang nicht verzeichnet; ebenso hat 25, 117 K. habet (nach den
Handschr.?) statt habuit und 46, 253 P. das hdschr. ne rcrum quidem
statt ne rei quidem; endlich ist 50, 216 H cloqu. statt etsi und 217 ei,
quos etc. statt et quos etc. meines Wissens zuerst von Bake vorge-
schlagen worden.
Uebrigens gibt auch die kritische Seite von Sorofs Arbeit will-
kommenes Zeugniss von seinem Flciss und seiner Besonnenheit. Mit
Recht bat er eine gute Anzahl der Klammern Kaysers entfern'
und manche unnötige Aenderung zurückgewiesen, so wie er ander-
seits auch vor mancher nötigen Correctur der Vulgata sich BfcM
gescheut hat, vgl. z. B. 18, 81 (et palacstrac): 42, 187 {di*jtda)\
44, 196 (tanta necessitas natura), 58, 246 (wo in quo statt inj*»
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467
noch die einfachste Abhilfe sein dürfte). Wenn ich trotzdem mit de r
Gestaltung des Sorofschen Textes öfters nicht einverstanden bin , so
liegt das in der Natnr der Sache. Insbesondere aber glaube ich, dass
man in der Annahme von Anakoluthen in einer Schrift Ciceros von so
eleganter und gefeilter Ausdrucksweise nicht so weit gehen darf, als
es S. gethan bat- So scheint mir 3, 11 (vgl. Vindiciae Tull. p. 3 f.)
die Erklärung des uberlieferten Textes durch ein Anakoluth ganz
unstatthaft (vgl. G.Progr. Hof 1874, S. 3 ff.), ebenso 12, 53, wo S. das
Anakoluth jetzt anders wie früher in den Vindic. Tull^ fassen will,
und 17, 75 soll ebenfalls das unpassende quae durch eine Kachlässig-
keit des Ausdrucks erklärt werden, sowie 32, 146 das dem non ut etc
entsprechende Glied anakoluthisch noch in die Rection von intellego
hineingezogen sein soll: eine Nachlässigkeit, die man dem geringeren
Schrifsteller kaum zutrauen dürfte (ganz anders verhält sichs §. 154
mit itu — prodesse — obesse). Ebenso glaube ich Perioden, wie 18, 82
und 45, 198 trotz Sorofs Erklärungeu nicht auf Rechnung unsers Schrit-
stellers setzen zu dürfen, und 30, 135 lassen sich die Worte exponam
nobis non quandam — consuetudinis tneae eben nicht so übersetzen,
wie es S. thut, wenigstens nicht auf natürlichem Wege. 23, 108 beweisen
die Beispiele de fin. II, 4, 13 u 8. w. nichts für eine Ergänzung von
ut constet\ ex ist wol zu streichen und mit eiuem Teil der Handschr.
ara istg, statt ita zu schreiben. 31, 139 ist der Schwierigkeit, die in
factum liegt, in der Anmerkung zu in utraque re ausgewichen.
Noch wäre eine Reihe anderer Stellen zu besprechen, in denen meine
Ansicht von der Sorofs abweicht , doch damit würde ich den Raum
und Zweck einer Anzeige überschreiten: ist doch auch die Zahl der
Stellen nicht gering, in denen mir S. seine Vorgänger überholt zu
haben scheint. Manche Unebeuheiten und Versehen geringerer Art,
sowie die nicht eben seltenen Druckfehler, wird der Verfasser teils schon
selbst bemerkt haben, teils bei wiederholter Durchsicht noch finden.
Hof. Rubner.
Cicero Brutus de claris oratoribus. Kür den Schulgebrauch erklärt
von Dr. K. W. Pider it. Zweite Auflage. Leipzig, Teubner. 1875.
Zu den letzten Arbeiten des genannten Meisters auf dem Gebiete
der Erklärung von Cicero 's rhetorischen Schriften gehört die vor-
liegende zweite Auflage der im Jahre 1862 in der Teubner'schen Samm-
lung erschienenen Ausgabe des Brutus. Die grossen Vorzüge, welche
Piderits Arbeiten in praktischer und wissenschaftlicher Beziehung aus-
zeichnen, die Klarheit und Akribie seiner Interpretation, die Besonnen-
heit und Unbestechlichkeit seiner Kritik, sind zu sehr anerkannt, um
weiteren Lobes zu bedürfen. Auch unser Werk gibt Zeugniss von der
Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit des nun verewigten Verfassers; denn
man erkennt deutlich, wie er überall, wo es ihm nötig schien, nach-
gebessert' und nachgetragen und von neuen Beiträgen der Kritik alles,
was ihm wertvoll zu sein schien , wenigstens im kritischen Anhang
geschickt benützt hat.
So ist jetzt §■ 125 der Ausdruck in manibus saebgemässer erklärt,
§. 219 mit Recht wieder zu dem überlieferten solitam (statt solidam)
Blätter f. d. bayer. Gymn.- u. Re*l-8cbulw. IX. Jahrg. 32
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Man sieht es dem Buche auf jeder Seite an , da9s es in und aus der
Schule heraus entstanden ist: durchwegs ist, wenige Kleinigkeiten viel-
leicht ausgenommen , in Bezug auf den Umfang sprachlicher und
sachlicher Erklärungen das recbte Mass eingehalten , der Ausdruck
klar und präcis, Überflüssige Citate und Verweisungen sind vermieden,
nicht -fiten sind anregende sprachliche Beobachtungen angebracht,
jede Wortkritik dagegen ist mit allem Hecht aus den Bemerkungen
unter dem Texte verbannt. Die Einleitung schildert in lichtvoller*
Darstellung von S. VI — XIII die Vorfalle , welche den historischen
Hintergrund unsres Gespräches bilden, dann folgt bis S. XXXIII die
Charakterschilderung derjenigen Männer, welche an dem Gespräche
teilnehmen , von Crassüs bis Caesar. Daran schliesst sich eine Aus-
einandersetzung über Veranlassung, Zweck und Form unsres Werkes,
sowie über die Verdienste, dio sich C. in demselben in Bezug auf
Inhalt und Form erworben hat. Die nötigsten Mitteilungen über die
handschriftliche Ueberlieferung und die Hauptaufgaben unserer Schrift
seit Ellcndt bilden den S< bluss. Die Inhaltsübersicht enthält eiue
vollständige Skizze der Gespräche im ersten Buche auf 5 vollen Seiten,
dagegen sind fortlaufende Inhaltsangaben unter dem Texte, wie in
Piderits Ausgabe, nicht vorhanden. Der tüchtige Lehrer mag allerdings
auch bei der Behandlung eines so schwierigen Gegenstandes ein solches
Hilfsmittel zur Präsenthaltung des Zusammenhangs entbehren können:
ein bequemes Mittel, um sich beim Nachschlagen rasch zurechtzufinden,
bleibt es doch immer. Die Herausgabe des Werkes in getrennten
Bändchen hat die Aufnahme der nötigen Mitteilungen über die im
Texte vorkommenden Persönlichkeiten u. dgl. unter die fortlaufenden
Anmerkungen nötig gemacht. Ausgesprochen hat 8. seine Ausicht über
diese Einrichtung nicht; wie mir aber scheint, hat Piderit durch die
alphabetische Zusammenstellung der im Texte vorkommenden Realien
und die teilweise ziemlich ausführlichen Citate und Auseinandersetzungen
seinem Buche einen erhöhten Wert gegeben, wenn er auch andrerseits
über das Bedürfniss der Schule mitunter hinausgegangen ist. Im kritischen
Anhang hat sich S. auf eiu Verzeichniss seiuer Abweichungen vom
Texte Kaysers und Piderits beschränkt und diesen zum grossen Teil
eine Begründung seiner Ansicht beigefügt: für eine Schulausgabe, die
einen vollständigen kritischen Apparat nicht bieten kann, vollkommen
ausreichend. Bei dieser Gelegenheit .mögen einige Bemerkungen Platz
finden. IG, 71 geht dicAendcrung von nam qua re in namquod meines
Wissens schon in die ältesten Zeiten zurück; 19, 85 ist schon 1871
(Bayer. Gbl. S. 193) von mir das atque omni abundans doctrina vor-
geschlagen worden; 22, 102 ist ex magna h. fr., wie ich glaube, mit
Recht in den Text aufgenommen, aber die Abweichung von K und P.
im Anhang nicht verzeichnet; ebenso hat 25, 117 K. habet (nach den
Handschr.V) statt habuit und 46, 253 P. das hdschr. ne rerum quidem
statt ne rei quidem; endlich ist 50, 216 8t cloqu. statt etsi und 217 ei,
quos etc. statt et quos etc. meines Wissens zuerst von Bake vorge-
schlagen worden.
Uebrigens gibt auch die kritische Seite von Sorofs Arbeit will-
kommenes Zeugniss von seinem Eleiss und seiner Besonnenheit. Mit
Recht hat er eine gute Anzahl der Klammern Kaysers entfernt
und manche unnötige Aeuderung zurückgewiesen, so wie er ander-
seits auch vor mancher nötigen Correctur der Vulgata sich nicht
gescheut hat, vgl. z. B. 18, 81 (et palaestrac) ; 42, 187 (disjecta);
44, 1% (tanta necessitas natura). 58, 246 (wo in quo statt in qua
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noch die einfachste Abhilfe sein dürfte). Wenn ich trotzdem mit de f
Gestaltung des Sorofscben Textes öfters nicht einverstanden bin, so
liegt das in der Natur der Sache. Insbesondere aber glaube ich , dass
man in der Annahme von Anakoluthen in einer Schrift Ciceros von so
eleganter und gefeilter Ausdrucksweise nicht so weit gehen darf, als
es S. getban bat. So scheint mir 3, 11 (vgl. Vindiciae Tull. p. 3 f.)
die Erklärung des Uberlieferten Textes durch ein Anakoluth ganz
unstatthaft (vgl. G.Progr. Hof 1874, S. 3 ff.), ebenso 12, 53, wo S das
Anakoluth jetzt anders wie früher in den Vindic. Tull.^ fassen will,
und 17, 75 soll ebenfalls das unpassende quae durch eine Machlässig-
keit des Ausdrucks erklärt werden, sowie 32, 146 das dem non ut etc.
entsprechende Glied anakoluthisch noch in die Rection von intellego
hineingezogen sein soll: eine Nachlässigkeit, die man dem geringeren
Schrifsteller kaum zutrauen durfte (ganz anders verhält sichs §. 154
mit ita — prodesse — ob esse). Ebenso glaube ich Perioden, wie 18, 82
und 45, 108 trotz Sorofs Erklärungen nicht auf Rechnung unsers Schrit-
stellers setzen zu dürfen, und 30, 135 lassen sich die Worte exponam
nobis non quandam — consuetudinis meae eben nicht so übersetzen,
wie es S. tbut, wenigstens nicht auf natürlichem Woge. 23, 108 beweisen
die Beispiele de fin. II, 4, 13 u s. w. nichts für eine Ergänzung von
ut constet'y ex ist wol zu streichen und mit eiuem Teil der Handschr.
ars istq statt ita zu schreiben. 31, 139 ist der Schwierigkeit, die in
factum liegt, in der Anmerkung zu in utraque re ausgewichen.
Noch wäre eine Reihe anderer Stellen zu besprechen, in denen meine
Ansicht von der Sorofs abweicht , doch damit würde ich den Raum
und Zweck einer Anzeige überschreiten: ist doch auch die Zahl der
Stellen nicht gering, in denen mir S. seine Vorgänger überholt zu
haben scheint Manche Unebeuheiten und Versehen geringerer Art,
sowie die nicht eben seltenen Druckfehler, wird der Verfasser teils schon
selbst bemerkt haben, teils bei wiederholter Durchsiebt noch finden.
Hof. Rubner.
Cicero Brutus de claris oratoribus. Für den Schulgebrauch erklärt
von Dr. K. W. Pider it. Zweite Auflage. Leipzig, Teubner. 1875.
Zu den letzten Arbeiten des genannten Meisters auf dem Gebiete
der Erklärung von Cicero's rhetorischen Schriften gehört die vor-
liegende zweite Auflage der im Jahre 1862 in der Teubner'schen Samm-
lung erschienenen Ausgabe des Brutus. Die grossen Vorzüge, welche
Piderits Arbeiten in praktischer und wissenschaftlicher Beziehung aus-
zeichnen, die Klarheit und Akribie seiner Interpretation, die Besonnen-
heit und Unbestechlichkeit seiner Kritik, sind zu sehr anerkannt, um
weiteren Lobes zu bedürfen. Auch unser Werk gibt Zeugniss von der
Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit des nun verewigten Verfassers; denn
man erkennt deutlich, wie er überall, wo es ihm nötig schien, nach-
gebessert' und nachgetragen und von neuen Beiträgen der Kritik alles,
was ihm wertvoll zu sein schien , wenigstens im kritischen Anhang
geschickt benützt hat.
So ist jetzt §■ 125 der Ausdruck in manibus sachgemässer erklärt,
§. 219 mit Recht wieder zu dem überlieferten aolitam (statt solidatn)
Blatter f. d. bayer. Gjrnn.- u. Real-Scbulw. IX. Jahrg. 32
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zurückgekehrt und §. 200 die emendirte Stelle ut avis c. al. von dem
unnötigen suavi befreit. Erweitert ist ferner die Bemerkung zu
judiciis repeterentur §. 46, während sich im übrigen mit ganz wenig
Ausnahmen die Erweiterungen auf hinzugefügte Belegstellen beschränken,
wie §. 22 zu exquisita, wo es im Citat 175 statt 106 heissen muss,
§. 40 zu ülixi etc., §. 77 zu si corpore valuisset u. a. m. Von den
kritischen Bemerkungen, die früher unter dem Texte standen, ist nun
ein gut Teil in den kritischen Anhang verwiesen , zum Teil vermehrt
durch Angabe der Vermutungen oder Vorschläge anderer Gelehrten,
von denen P. Mähly (Rhein. Mus. N. F. XX) und Feldhügel (Progr.
des Paedag. in Magdeburg 1871) auch in der Vorrede unserer Auflage
nennt: vgl. kr. Anh. §. 31 zu solebat. Hujus, § 40 zu tarn (idem) omatus,
§. 128 zu invidi08a illa quaestione o. s. w. Das Verfahren , den
kritischen Teil der Anmerkungen einem besondern Anhang einzuver-
leiben , scheint mir für Schulausgaben so sehr das richige zu sein,
dass ich sogar diesen Teil für Lehrer und Studierende gesondert
gedruckt sehen möchte. P. hätte , glaube ich , noch einen Schritt
weiter geben und auch Bemerkungen wie §. 59 zu cujus effector und
§. 120 zu eorum phil. sectam, wo es sich um Entfernung von Glossen
handelt, oder §§. 112 (lectu), 191 (centum milium) und 283 (cum esset),
wo der Fehler durch Verschreibung entstanden ist, aus dem fort-
laufenden Commentar entfernen sollen.
Die Einleitung ist unverändert und fast gänzlich correkt abgedruckt.
Im Text ist mir an Versehen aufgefallen: § 131 wieder paene statt
plane und §.154 Etiatn statt Etenim , sowie §. 167 oratione statt
orationes, dann in den Anmerkungen §. 277 zu indicia mortis statt
Galliti8 Galba, abgesehen von leicht corrigirbaren falschen Zahlen in
einigen Citaten. Die erklärenden Indices, deren Wert ich hoch an-
schlage, sind unverändert (wieder Caepasisus S.219) abgedruckt; nur
zu Trasimenus (S. 285) finde ich die richtigere Schreibweise mit Hin-
weis auf die Quelle nachgetragen. Zur Erleichterung für die Schüler
wäre zu C. Gallus §. 90 unter dem Text oder im Register eine Hin-
weis un« auf C. Sulpicius Gallus, ebenso zu Q. Maximus eine solche
auf Q. Fabius Maximus {Allobrogicus) zu wünschen. Ausserdem
fehlen die Artikel Gorgonius (vgl. §. 180), T. Torquatos T. F. (vgl.
§. 345 und pro Plane. 11, 27) und Vestales, worauf §. 236 hingewiesen
ist (vgl. Licinia virgo S. 263) und der Ser. Naevius §. 217, heisst im
Register Cn. Naevius. Im kritischen Anhang ist zu §. 162 (S. 292)
juneta hinter defensio zu streichen. So sparsam auch P. mit sprach-
lichen Bemerkungen im allgemeinen ist (und ich pflichte ihm hierin
nicht ganz bei), so scheint er mir doch mehrere Male des guten zu
viel gethan zu haben. So hätte z. B. zu ut temporibus Ulis §. 27
(nicht 28), zum Sing, fuit §. 30, zu ne-quidem „auch nicht" §. 68,
zu tantamne fuisse §. 219, zu unus t multis und loco „an der rechten
Stelle" §. 274 die Anführung einer oder der andern Stelle genügt, da
die betreffenden sprachlichen Erscheinungen bekannt genug sind; die
Bedeutung von velim §. 249 bedarf wol keiner Hinweisung auf die
Grammatik, wie ich überhaupt bei der grossen Menge der verschieden-
artigsten lateinischen Grammatiken solche Citate immer sehr misslich
finde, abgesehen davon, dass der ordentliche Schüler die betreffende
Regel von selbst auffinden wird.
Dass in Bezug auf die Textkritik meine Ansichten von denen P.'s
öfters abweichen , ist selbstverständlich. Der Raum einer Recension
erlaubt nur eine kurze Besprechung eines kleinen Teils derselben
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4G9
Zu §. 16 babe ich zu bemerken, dass ich mir nicht denken kann, wie
eine Blüte, die von der Sonne ausgebrannt ist, erst noch vor brennendem
Verlangen (siti) nach der in früheren Zeiten vorhandenen Fülle
(Fruchtbarkeit?) verdorren soll. Mir scheint eher bei fetus eine auf
die frühere Ergiebigkeit des geistigen Schaffens hinweisende Bestimmung
• zu fehlen. §. 46 liegt et controversiae essent der Ueberlieferung (et
controversia natura) zu fern; ansprechend ist Jahn's Vermutung
(III. Aufl.): e controversia natam (artem et praeeepta etc.). §. 117
a. Schi, sind Friedrichs (N. Jbb. J873, S. 845 ff.) Gründe gegen die
Ueberlieferung (vgl. die Anmerk. zur Vorrede S. IV) wol zu beachten,
denn C. konnte doch nicht einen Mann medioeris in dicendo nennen,
von dem er eben erst gesagt hat: fuit nullo in oratorum numero und :
sed ut vita sie oratione durus, incultus, horridus, und von dem Brutus
§.118 sagt: in Tuberone nullam [sc eloquentiam) video fuisse (vgl.
§.108: in aliquo numero etiam — medioeres oratores). Ebenso scheinen
mir dessen Gründe gegen devorabatur §. 283 stichhaltig, Purgold's
Vermutung deserebatur aber der Ueberlieferung angemessener. §. 1{0
behalt P. die Lesart der Hdscbr. bei und ergAnzt zu sed illa die voraus-
gehenden Worte laude caruit. Kayser (N. Jbb. 1860, 8. 845) und
Mähly (a a. 0.) weisen mit Recht darauf hin, dass auf diese Weise C.
mit sich selbst in direkten Widerspruch geriethe, da dem Antonius
gleich darauf die propria laus or. in verbis zuerkannt wird. Aber
auch die Piinschiebung des non vor illa (Kayser) oder vor propria
fMähly) hat ihre Bedenken, wie sich bei genauerer Betrachtung ergibt.
Ist diej> Überlieferte Lesart überhaupt richtig, so muss man annehmen,
dass G. die mit illa quae propria etc. angefangene Construction nach
dem längeren Zwischensatz nam ipsum — videtur aufgegeben und
die eigentümlichen Vorzüge des Ant. zum Hauptgedanken gemacht hat.
§. 234 lässt sich zwar das von P. aufgenommene mirum quantum an
sich hören, sieht man aber näher zu, so wird man gestehen müssen,
dass ein weiteres charakteristisches Merkmal der actio des Lentulus
viel besser am Platze ist. Unter den mannigfachen Conjecturen ist
wol die Kayscrs (a. a. 0. S. 846) : admiranda dignitate vcücbat am
ansprechendsten; nur vermisst man eine nähere Bestimmung zu digni-
tote wie corporis oder gestus. §. 253 ist nicht ersichtlich , was mit
cum hinter occupationibus anzufangen ist, wenn man nioht mit Ernesti
die Schlusswortc: hunc facilem — est habendum dem Cicero zuteilt.
Uebrigcns ist die ganze Stelle noch lange nicht genügend erklärt (vgl.
Madvig advers. crit. II, p. 187). §. 306 nimmt Madvig (a. a. 0.) mit
Recht An stobs an der Gegenüberstellung der Sätze]ef*i — rettnebat, tarnen
sublata — videbatur , hilft aber mit attentius (etsi — retinebat), quod
tarnen etc. durchaus nicht gründlich ab. Mir scheint C. ohne
Zweifel geschrieben zu haben: in quo etsi rerum — retinebat , tarnen
hoc etiam commorabar attentius , quod sublat* jam esse etc. Durch
ein VerBeben konnte die Zeile hoc etiam commorabar attentius, quod
leicht um 2 Zeilen zu hoch gerückt werden.
Hof. Rubner.
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Zehetmayr, Seb., Lexicon etymolo gicum Latino etc. -
tanscritum comparativum quo eodem setitentia verbi analogice expli-
caiur. Vindob. Alfr. Holder 1873. VII u. 379 S. Lex. 8.
—
Der Herr VerfaBser dieses Werkes ist den Lesern dieser Blätter
längst bekannt: pflegt er doch nicht selten das Füllhorn seines lingui-
stischen Reichthums in dieselben auszugiessen. In vorliegendem
Werke nun ist das Latein nicht nur mit Sanskrit in Verbindung '
gesetzt, wie schon der Titel, freilich etwas unbestimmt und formlos,
andeutet ; deutlicher wird es , wenn man die reichhaltigen indices
betrachtet, nämlich graecus S. 323 — 33, goticus — 37, german. (sie,
gemeint ist Neuhochdeutsch) — 49, anglicus — 52, slavicus — 53,
gallicu8 et Italiens — 57, Nominum propriorum (wo nachzutragen:
Bismarck 165. 310) — 62, sanscriticus — 379; aber ein Blick in das
Buch selbst zeigt sofort , dass damit der Kreis der berücksichtigten
Sprachen keineswegs abgeschlossen ist , denn keltisch , litauisch , alt-
nordisch , bairisch u. v. a. Dialecte liefern gar oft Stoff zur Vergleich-
ung. Dies Lexicon unterscheidet sich also durch die herbeigezogenen
Sprachen wesentlich von dem andere Zwecke verfolgenden fleissigen
und verdienstlichen Etym. W.B. von Vanicek. Herrn Z. ist es mehr
darum zu tbun , die fremden Verwandten des lateinischen Wortes
aufzuführen als die lateinischen; so ist denn sein Lexicon dem Material
nach auch verschieden von Curtius Grundzügen , welcher bekanntlich
von jeder verwandten Sprache die formell oder semasiologisch
bedeutendsten Vertreter auswählt, um daran literarische Nachweise
und Raisonnement zu knüpfen. Das Aeussere des vorliegenden Werkes
erinnert agegen in seiner Anordnung mehr an die Fülle von Benfey's
W.L. und von Diefenbachs got. Glossar, nur hält es sich in engeren
Rahmen und ist daher übersichtlicher, stellt auch nicht wie die eben-
genannten eine Wurzel an die Spitze, sondern benützt diejenigen lat
Wörter, welche eine Erklärung finden sollen, als Lemmata.
Für wen ist nun das Buch bestimmt? Eine Introductio enttäuscht
uns insoferne, als sie nichts enthält als vier kurze Abschnitte: I. Com-
pendia scribendi (besonders Chiffern für die öfter angeführten Autor-
namen und Werke). U. Literae quaedam vulgo parum notae expli-
cantur, aber nt h e. ta, d> h. e. da, gh.e.scha" führt den Laien ent-
schieden irre ; ' über letzteres vgl. jetzt Ascoli fonologia compar.
p. 38 ff. 50 ff. — III. Cotrigenda (unvollständig). — IV. Delenda. In
dem ersten Abschnitt sollten übrigens genauere Angaben sein als z. B.
Fl. = Fleckeisen , H. — Heyne ; Leo Meier sehreibt sich mit y und
Referent mit ie.
Dass das Buch nicht blos für Sprachforscher bestimmt ist, lässt
sich aus manchen elementaren Nachweisungen scbliessen und man kann
ja mit Empfehlung einiger Vorsicht (brevis esse laboro: obscurus fio)
dasselbe auch z. B Gymnasialschülern recht wol in die Hände geben ;
der Kundige versteht natürlich leicht die Meinung des H. Verf., der
Anfänger wird in manchen Artikeln zweifelhaft sein (lar , ma?ies,
pruina, vester) und muss sich eben achtsam erst einlesen.
Die Anordnung der Artikel ist alphabetisch, jedoch nicht etymo-
logisch, denn sonst müsste manches Wort einem anderen Artikel
einverleibt werden, auf den jetzt nur verwieseu ist. Dies ist jedenfalls
des bequemeren Nachschlagens wegen geschehen, weil sonst auch ein
index latinus nötig wäre. Was die Auswahl der Artikel betrifft, so
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sind Wörter vom alten Latein an bis herab znr Vulgata (leunculus),
gelegentlich auch noch andre cf. eabolus und cojus als Lemma, para-
fredus S. 85, aufgenommen ; ein Princip der Auswahl hat Referent
nicht finden können, es fehlen nämlich viele Wörter: Vollständigkeit
war alao nicht angestrebt ; es scheinen vorwiegend solche aufgeführt
211 sein, über welche der Hr. Verf. Selbständiges oder Neues beibringen
wollte, und dessen findet sich in der That gar vieles Interessante.
Wenn dem Anfänger gleichfalls wirklich gedient sein soll, so w&re
doch ratsam, etwas vollständiger die lateinischen Wörter zu geben;
leicht könnte man Artikel wie „suovelaurilia cf /torpe^o/zvo/*«/*«*'
oder Yiie'clyster darum hingeben. Das letztere scheint seine Aufnahme
fast dem BedQrfniss zu verdanken, bei dieser Gelegenheit Qber Suffix
rij'p, rutQ, tvq zu belehren. Es finden sich nämlich ausser dem Reich-
tum von Heiegen, welche insbesondere auch die Bedeutungsentwicklung
vielseitig beleuchten und so einen wichtigen Bestandteil des Werkes
ausmachen, auch gelegentliche Bemerkungen Qber die Entstehung der
Flezionssuffixa z. B. unter abs, tu, ego, und nicht minder werden die
Wortbildungssuffixa geflissentlich erläutert. Dies ist neben der Erklärung
einer sehr grossen Zahl von Eigennamen aus den verschiedensten
Sprachen, insbesondere auch von mythologischen, ein sehr bedeutendes
Kebenergebniss der aufgewendeten Arbeit. Freilich tritt auch hiebei
wie anderwärts ein gewisser Mangel an Uebersichtlicbkeit in Folge
der Fülle hervor. Die semasiologischen Excurse , welche den Artikeln
oft einverleibt sind und mitunter von der Hauptsache etwas ablenken,
so dass wol einmal der Hr. Verf. selbst mit einem Sed redeamm ad
— (zum Lemma nämlich) wieder einzulenken nötig findet, sind der
Sache nach, wie schon bemerkt, sehr verdienstlich, aber es wäre doch
zu wünsohen, dass bei einer neuen Auflage durch kleineren Druck oder
die Form von Anmerkungen , Parenthesen oder sonstwie die Ueber-
sichtlicbkeit erleichtert würde, wie auch duroh Anwendung der Cursive
zur Unterscneidung des Contextes von blossen Beispielen. Darlegungen
wie die über Flexionssuffixe würden wol noch besser in einen besonderen
Anhang verwiesen ; die wortbildenden Elemente sollten auch regelmässig
als Lemmata aufgeführt sein ; manche sind in anderen Artikeln geradezu
versteckt, so scheint - tfnus nur unter nuper, — trum unter muletrum,
dagegen — Unus, — ivus gar nicht erwähnt zu sein. Unter — idus
wird auf timidus verwiesen , das ausnahmsweise in Art. timeo steckt
und hier wird — idus „ut x>ideturli mit skr. itas griech. cro? gleich-
gesetzt* Manches liesse sich auch vereinfachen, wenn ein Derivatum
unter das benachbarte Primitivum u dgl {regio unter rego) eingereiht
wäre (wie timidus). Der bekannte Uebergang des s zwischen Vokalen
in r (generis, amaverim) wird doch auf seltsamem Umweg durch alt-
nord. reri ex resi = remigavi erläutert h>. 301 findet sich eine Zeile
(virga) als Dittographie.
Bisher war nuu von formalen Seiten des Buches die Rede, welche
in einer zweiten Auflage (vielleicht durch eine reicher ausgestattete
Officio) praktischer eingerichtet werden könnten.
Bezüglich des materiellen Teils muss nun constatirt werden, dass
der vielseitig gelehite Hr. Verf. es verstanden hat, nicht blos Anfängern
und Geübteren, sondern auch Forschern eine reiche Fülle von Belehrung
und Anregung zu geben; die mit Bienenfleiss zusammengetrageneu
Artikel des überreichen Buchs, dem man seinen Reichtum äusserlich
kaum anmerkt, sind auch wo man anderer Ansicht huldigt, immer
anregend. Dass bei solcher Fülle nicht alles unanfechtbar ist, liegt in
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der Natur der Sache, an mancher Stelle wird man wol ein Fragezeichen
an den Rand Betzen müssen und so will der Referent einige der
Beinigen hier zum Schlüsse zur Erwägung vorlegen, mit dem Wunsche,
dass der fleissige und scharfsinnige Hr. Verf. recht bald in di • ange-
nehme Lage kommen möge, in einer zweiten Auflage seines iii.ches
davon etwa Gebrauch zu machen.
Der Artikel „augur cogn. augustus. Gr. V 691 b. Augua- ex
avi-gus der Yogelkieser. cgn. jush = kiesen von gusto" ist trotz
Grimms Autorität sehr zweifelhaft; denn der Vogelflugdeuter ist doch
kein Vogelwähler. Wenn Max Müller Vöries, üb. d. VV. d. $pr. 11228
das Wort von W. gar, gr schreien (garrio yijQvs girren etc.) ableitet,
so könnte man augur als n. Vogelschrei sich gefallen lassen und
augura pU bei Attius könnte eine Stutze zu sein scheinen, allein ein
ma8c. würde eben nur einen Vogelschreier ergeben, was doch ebenso-
wenig zu brauchen ist. Vanicek macht auf die durch Prisciau über-
lieferte altlateinische Nebenform aufmerksam: au~ger; er erklärt „der
heilige Vögel zur Weissagung hält und beobachtet". Referent kann
freilich trotz der tripudia diese Erklärung von gerere nicht sehr stich-
haltig finden ; ohnedies drehen wir uns hier im Kreise, wenn Corssen
Ausspr. II 202 Recht hat , dieses auger selbst nur für Entartung aus
augur oder augor zu erklären. Allein es fragt sich , ob dies Wort
wirklich mit aves zusammenhängt und hier könnte der Vergleich mit
augustus (vgl. venustus von venus) auf ein augua — augur oder augor
führen, das aus der Wurzel ug erwachsen konnte; skr. (vgl. Curtius
N- 1&9) o.jas Kraft, ugras gewaltig , so dass augur vielleicht als der
Starke und Mächtige bezeichnet wäre? Eine regelmässige Erklärung
der zweiten Hälfte, wenn man au-gur teilt, scheint nicht möglich.
Unter litera ist richtig bemerkt: cgn. skr. lina das Ankleben;
ein Hinweis auf linea ist nur vergessen; dort ist das Stammwort Itno
richtig erwähnt, freilich nur, um dann, wie öfters, ein«' minder wahr-
scheinliche Etymologie zur ersteren hinzuzufügen, bis ist aber litera
so gut wie obliteratua , oblitus , oblivio nebst Ittus 4. Deel , litura,
obh'tus, olle vi etymologisch zu Uno gehörig, während das vom Herrn
Verf. nicht behandelte litus {litoris) nicht mit Vanitfek zu linea, sondern
mit Pauly zu xluve zu stellen sein dürfte.
Marc soll nach B. R. „die Welt des Sterbens" sein und somit
zu mori und marcere gehören: hier ist die Kürze wieder dunkel, auch
wäre besser als Gewährsmann Curtius in Kuhn's Zeitschr 1,33 genannt,
und dann nach Art von Vanicek mit G. Curtius G. Z.4 353 eine
vermittelnde Erläuterung der Verwandtschaft mit marcere beigefügt.
Es will übrigens trotzdem nicht natürlich erscheinen, dass die Haupt-
bezeichnung des Meeres von dem Wrelken d h. 1) vor Durst umkommen,
oder 2) Mangel der Vegetation hergenommen sein ßollc. Referent
möchte doch lieber an fiv^u) anknüpfen, dessen Grundbedeutung Strömen
ist, daher vielleicht auch /avqioi stammt, jedenfalls (aoq-^vq-ü> sehr
strömen, rauschen, wozu dann slav. more {po-more Pommern, kelt.
Ar •mor-icai fränk. Mer-ouwe u. s. f. gehören würden.
Hitor wird mit ahd. hneg-enti nitens verglichen; cgn. nicto',
unter diesem wird goth. Jineivan ahd. hniga neigen erwähnt; allein es
ist wol bei nltor (vgl. co-nüi und e-nixa) eher mit Corssen an eine
Ableitnng von genu zu denken: mit den Knieen sich stemmen, dann
sich anstemmen, klettern, endlich allgemeiner: sich anstrengen, streben.
Davon würde meto: und seine Verwandten natürlich zu trennen sein.
Prosper wird nur mit skr. und slav. Wörtern verglichen und
dazu pro-spe-ritas (sie) gestellt unter Verweisung auf Fick, welcher
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dem Ref. nicht zur Hand ist. Dem Ref. ist es von jeher so erschienen,
als ob auszugehen wäre von proapere Die bei Enniua und Varro er-
haltenen Casus sperea und aperibua legen die Vermutung nahe, dass
z. B pro spere res procedit bedeutete: Der Erwartung entsprechend
— günstig; dann konnte nach Analogie von proconaul aus dem geläu-
figen proapere (wie v.i£qhoqos « aus vucq uoqov) ein Nominativ,
schwankend wie puer und puerua , proaper und proaperua , entstehen
oder, wol eher noch, direct aus dem Nomen (nicht aus aperare) jedoch
nicht ohne Eintiuss des Präpositionalausdruckes gebildet werden, wie
ivaiouiu; nach tv «tau, na^ävouot nach nttori vouav u. a Ueber die
Etymologie von apes selbst spricht G. Curtius G Z.* G94 eine Vermut-
ung aus, die weit von skr. aphdra abliegt.
Unter pania wird ausser „messap. ?r «ro? c^n. Paw (besser : cf poaco)
skr. panaaa, dann apanage und panicum erwähnt. Dass es, wie schon
Varro berichtet, von paaco stamme, könnte in aller Kürze erwähnt werden.
In peeco = peco ist das zweite c nicht erklärt; vielleicht hat
Pauli K. Z. 18, 35 Recht, mittels eines pedus (vgl. pejor , peaaimua
peaaum) an skr. pädyate er kommt zu Fall, anzuknüpfen.
Ueber quum wird der doch ungenügende Ausschluss gegeben:
== quam; acc. ntr. Bf. (Benfey). Und doch ist des Ref. Abhandlung
„die Conjunction quom" in der Introductio angeführt. Quom fehlt,
unter cum ist mit Recht nur von der Präposition die Rede.
Satellea ist durch „aatdlyat , aatasyant von eamtarämi = x*iq<o
Corss." nicht genügend erklärt. In Ausspr. II* 210 erklärt Corssen
das Wort ans dem Demin. aatulo~ von W. aat mitgehen; wenig wahr-
scheinlich: Näher liegt (ebenfalls mit Corssen, wenn Ref. nicht irrt)
aa-tell-ea zu teilen wie mil-ea, ped-es, equ-ea, und es abzuleiten von
skr. tili, til gehen, sich bewegen (allerdings verwandt mit tardmi), so
dass aa-tell-itea wörtlich dasselbe wie comitea bedeutet.
Tellua, wozu aubtel Fussfläcbe mit Recht gestellt ist, bezeichnete
wol ursprünglich überhaupt eine Fläche, einen Raum; daher medi-
tull-ium (zusammengesetzt wie franz milieu) Mitte. Dazu mag das
angeführte tj?M« (Nebenform aylia) gehören; aber die gena Tullia
und TJ?*e, rtjXov liegen jedenfalls ferne. Wollte man mit B.R. der
Wurzel noch weiter nachgraben, so würde wol anstatt atar — aterno,
vielmehr atar — arsgeos , orrtQtt , sterilia (öfters Beiwort von tellu8),
atarr zu vergleichen sein; freilich müsste dann im skr., wo talam
Otters in Compositis blos als Raum erscheint (nabhaa • talam) diese
Grundbedeutung früh erloschen sein.
Unter via wird die altüberlieferte Ableitung von vehere zuerst
gegeben , dann fortgefahren : quamqitam vox viae trahi poteat ad [deri-
vata eaae — de] skr. witcaydmi — eo, agot unde (d. h. von ago) ajani
f. via trita. Allein die Ableitung von vi I, pf. viväya liegt doch ferner;
s. Grassmann WB. zum R.V.pg. 1312. 1314; die erstere ist ausreichend:
G. Curtius G.Z.« 192
Unter veto wird zwar das alte voto (Plaut.) erwähnt, dann aber
gesagt: cohaeret c. germ md ge-wet-an conjungere. Allein vom Ver-
binden zum Verbieten ist doch ein weiter Weg; letzteres müsste ja
eher ein Trennen oder Abhalten sein. Die Nebenform vetuere und die
tribua Veturia weist auf vetua hin, so dass vetuere = antiquare auf-
heben , dann verbinden ist , wie 0. Keller in N. Jbb. 107 , 602
dargelegt hat
In „veaper =. ianioa cgn. der West von skr. vasati f. das Ueber-
nachten, die Wohnung" bleibt die zweite Hälfte des Worts unerklärt.
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CurtiuB nimmt die Urform vas-karas an, dies würde auf die Bedeutung:
Umhüllung (Nacht) machend führen; vgl. C6(pog und Ct'tf vQog wegen West.
Ve-stibulum, ubi stare solebant etc. lässt das ve- unerklärt;
es ist wol (mit Keller a. 0.) der Platz des heiligen llcnlfeucrs Vesti-
hulum (von Vesta = iaria) ~ atrium. l>ieses selbst aber düifto mit
zend. ätar Feuer zusammenhängen.
Zweibrücken. Autenrieth.
Ein Votum, betreffend die Reorganisation unserer Go werbschulen.
Von Rektor F. Mann in Kitzingen. Separatabdruck aus der „Gemein-
nützigen Wochenschrift" 1875. Würzburg. Tb ein.
Dieses Votum unterstützt auch die Ansicht derer, welche mit der
Broschüre „der Realunterricbt in Prcussen und Baiern(i eine mehr als
vierkursige und früher als mit dem 12. Lebensjahre beginnende Real-
schule für dringend geboten erachten. Es will auch eine vierkursige
Unterrealschule und zwar für 11— 15jährige Schüler, während es für
die Altersstufe 10 — 11 eine fakultative Vorbereitungsklasse einräumt
Die Oberrealschulc für 15 — 17jährige Schüler würde auch nur in
einem Teile der mit Unterrealscbulen versehenen Städte zu errichten
sein. Aber Mann will die Oberrealscbule nicht als Vorschule, sondern
als Parallelanstalt zur Industrieschule gelten lassen , während nach
unsererer Ansicht wenigstens die „ordentlichen" Schüler der Industrie«
schale die volle Realschule durchzumachen hätten, um dann mit dem
Absolutorium der Industrieschule versehen wie die Absolventen der
beiderlei Gymnasien auf technischen Staatsdienst, auf einschlägige
Lehrämter, auf Oftiziersstellen etc. adspiriren zu können.
In dieser Sorglosigkeit um die Industrieschulen müssen wir den
schwachen Punkt des von Mann vorgeschlagenen Systems erblicken.
So wird, um noch zu zeigen, dass wir die Schrift mit Aufmerksamkeit
und mit grossem Interesse gelesen haben, nur einmal im Vorbeigehen
gesagt: „Sollte, was kaum ausbleiben wird, später der Industrieschule
ein drittes Schuljahr angefügt werden, so wäre entsprechend auch die
Oberrealschule zu einer dreikursigen zu erweitern4'. An einer anderen
Stelle wird der Behauptung gegenüber (die nur von Professoren des
Polytechnikums herrührt und herrühren bann), dass sich die Industrie-
schulen als Vorbereitungsanstalten zum Polytechnikum trefflich bewährt
hätten, durchblicken gelassen, dass die vorgeschlagenen Oberrcalschulen
diesen Zweck besser erfüllen würden, und nicht zugegeben, dass den
Industrieschulen „das Privilegium dieser vorbereitenden Aufgabe auch
dann noch gesichert bleiben mflsste , wenn Gkursige Realschulen im
Sinne unseres Vorschlages vorbanden wären". Dass biemit der geehrte
Verfasser nach Utopien geraten ist, braucht für Kenner der Verhält-
nisse des Polytechnikums und der Industrinschule, beziehungsweise
deren organischer Bestimmungen , nicht auseinandergesetzt zu werden.
Auf das Detail des vorgeschlagenen Stundenplanes endlich soll aus
denselben Gründen nicht eingegangen werden , aus welchen auch die
Lehrerversammlung zu Ostern in München hierauf verzichtete, solange
die Grundlinien der neuen Realschule nicht festgestellt sind.
A. K u rz.
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/
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Eine andere Stimme über das „Votum" sagt:
Das Votum von Rektor F. Mann liefert zur Reorganisationsfrage
der Gcwcrbschulen sehr schätzenswerte Beiträge, und müssen wir vor
Allem das, was der Herr Verfasser über das spätere Eintrittsalter
und die damit zusammenhängende gesteigerte Leistungsfähigkeit der zu
schaffenden Realschulen sagt, als einen Fortschritt gegen anderweitige
Vorschläge begrüssen. Bezuglich des späteren Eintrittsalters von
11 Jahren hebt der Verfasser mit Recht hervor, dass für die Fächer, in
welchen der Schwerpunkt der realistischen Bildung liegt, auch schon beim
Betrieb der ersten Elemente das Verständniss die Hauptsache ist und
mithin die Altersreife eine sehr bedeutsame Rolle spielt. Für's zweite,
weil damit die überwiegende Mehrzahl der Gewerbschulen , welche in
vier kl assige Realschulen umzuwandeln wären , in ihrem Bestände nicht
alterirt würden, während bei einem Schülermaterial von 10— 14 Jahren
die Leistungsfähigkeit und das Ansehen derselben bedeutend sinken,
daher die Einführung solcher Unterrealschulcn gleichbedeutend mit
einer Degradirung der ineisten Gewerbschulen sein würde. Wir stimmen
dem Verfasser vollkommen bei , wenn er sagt , dass gegenüber der
dreikursigen Gewerbschule mit Schülern von 12 — 15 Jahren nur die
vierklassige Realschule mit 11 — 15jährigen Knaben, nicht aber die
mit 10 — 14jährigen ein Fortschritt ist, und dass sich unsere Bevölk-
erung durch die Gewerbschule an die Zeit bis zum Ifiten Jahre
gewöhnt hat. Wenn es im Weiteren heisst : „An dieser Errungenschaft
müssen wir unbedingt festhalten , hinter diese Linie dürfen wir nicht
zurückgeben, wollen wir uns nicht in einen Rückschritt hineinorganisiren,
wollen wir nicht einen hochwichtigen Erwerb preisgeben , wollen wir
nicht, dass ein Teil des bereits zinstragend angelegten geistigen
Nationaleigcnthums in todtes Kapital verwandelt werde" , so wird dies
sicherlich Allen denen , welche einen gedeihlichen Ausbau unserer
Gewerbschulen, nicht aber eine Degradirung derselben wünschen, aus
dem Herzen gesprochen sein.
Als Ergänzung der vierklassigen Realschulen würde eine zwei-
klassige Oberrealschule dienen. Hier wird sicherlich bei Manchen die
Befürchtung aufsteigen , dass eine derartige mit der Industrieschule
gleichlaufende- Anstalt der letzteren eine merkliche Conkurrenz bieten
würde. Der Verfasser glaubt dies nicht, er ist im Gegenteil überzeugt,
dass die Gründung von Oberrealscbulen die Wirkung haben würde,
die Gesammtz'abl derer, welche eine weitergehende realistische Bildung
anstreben, zu erhöhen und weiter, dass die Conkurrenzverhältnisse der
Industrieschulen besser gewahrt sind, wenn dieselben aus circa 40 Unter-
realschulcn gespeist werden, ah wenn sie sich lediglich auf 10 — 12
secbsklassige Realschulen angewiesen sehen. Hiebei drängt sich uns
unwillkürlich die Frage auf, ob es, um allen berechtigten Wünschen
nachzukommen , nicht zweckmässig wäre , an unseren Industrieschulen
allgemeine Abteilungen zu errichten, welche das Pensum der Oberreal-
schulc zu erledigen hätten. Dies hätte noch einen nicht zu unter-
schätzenden Vorteil im Gefolge, nämlich den grösserer Billigkeit
Sind wir bisher mit den Ausführungen des Herrn Verfassers fast
durchweg einverstanden, so ist dies nicht in gleichem Masse der > all
bezüglich des von ihm aufgestellten Lehrplanes. Wir glauben nämlich,
dass man aus letzterem allzusehr den Mathematiker herausfühlt, tlenn
was zunächst ins Auge fällt, ist wol eine Utberladung mit Mathematik.
Es ist ja selbstverständlich, dass in der Realschule die mathematischen
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Fächer in den Vordergrund zu treten haben, aber 27 Stunden in der
vierklassigen und 45 in der sechsklassigeo Realschule dürfte denn
doch etwas zu weit gegangen sein. Ob man schon in der zweiten
Klasse , also bei 12jährigen Knaben , mit Algebra und Planimetrie,
auch Physik kommt bereits dazu , anfangen kann , möchten wir fast
bezweifeln , glauben hingegen , um nur eines zu erwähnen , dass auf
Kosten dieser Gegenstände ein zweistündiger Schönschreibeuntcrricbt
für dieses Alter mehr am Platze wäre Auch in den Naturwissen-
schaften , mit Ausnahme der Katurgeschichte , wird zu viel verlangt
Der Physik in der zweiten Klasse wurde bereits Erwähnung gethan,
dazu kommt in der dritten Klasse , also mit dem 13 Jahre , noch
Chemie. Ein Vergleich mit dem in der Brochüre „Der Realunterricht
in Preussen und Bayern" angegebenen Lehrplan ist gerade hier von
Interesse. Was dort fQr Naturwissenschaften zu wenig, erscheint hier
als zu viel. Der goldne Mittelweg dürfte wol auch hier das Richtige
treffen. Ist für die genannten Fächer ein allzureichlichcr Raum bean-
sprucht , so vermissen wir dagegen etwas , was uns allerdings auch in
der Brochüre „Der Realunterricht in Preussen und Bayern" als eine
Lücke auffiel , nämlich eine gebührende Würdigung der ästhetischen
Aufgabe der Realschule, wir meinen eine gebührende Berücksichtigung
des Zeichenunterrichts Wir haben bereits an einer andern Stelle*)
unser Bedauern ausgesprochen, dass bei einer so hochwichtigen An-
gelegenheit, wie die Reorganisation der Gcwcrbschulen das auf aner
kanut hoher Stufe stehende Realschulwesen Oestreichs gänzlich ignorirt
worden ist, und wir müssen dasselbe bei dieser Gelegenheit wieder-
holen. Wir sind nämlich der Ansicht, dass die östrcichischcn Real-
schulen weit besser organisirt sind und gerade für unsre süddeutschen
Verhältnisse eher als Muster aufgestellt werden können , als die
preussischen und schweizerischen. Oestrcich , das uns in technischer
und kunstgewerblicher Beziehung eingestandener Massen überlegen ist,
widmet, durchdrungen von der grossen Wichtigkeit des Gegenstandes,
dem Zeichnungsunterricht an seinen Realschulen eine weit grössere
(die doppelte) Stundenzahl, als dies nach den erwähnten Lehrplänen
bei uns der Fall sein würde. Wenn nicht abgeleugnet werden kann,
was uns so häufig von kompetenter Seite gesagt wird , dass die Kunst
in der Erziehung des Volkes fehlt, so wäre es doppelt zu beklagen,
wenn an Anstalten, die berufen sind in bescheidenem Masse dazu bei-
zutragen, diese Lücke auszufüllen, wenn, sagen wir, an solchen Anstalten
auch noch dieses Wenige verkümmert werden sollte, was dieselben bis-
her in dieser Richtung zu leisten befähigte Dies wäre aber der Fall,
wenn im Sinne der erwähnten Lchrpläne vorgegangen würde. Man
könnte doch wol billigerweise erwarten , dass das Pensum und die
Stundenzahl für den Zeichnungsunterricht der dreikursigon Gewerb-
schule ohne Verkürzung auf die vierklassige Realschule verteilt werde,
von einer Vermehrung gar nicht zu reden. Gerade in der vierklassigen
Realschule mit Schülern von 11 — 15 Jahren darf mit den Anforder-
ungen im Zeichnen nicht unter das Pensum der dreikursigen Gewerb-
schulen herabgegangen werden, denn einerseits würde dies eine Benach-
teiligung der gewerblichen Interessen im Gefolge haben, weil von hier
aus die meisten Schüler in's Gewerbe übertreten, andrerseits aber auch
•) Augsb. Abdztg. 1875, No. 240.
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die Leistungsfähigkeit der Industrieschulen beeinträchtigen. Wir
wiederholen also, es würde dies ein Rückschritt sein, denn gerade die
Realschule muss dazu beitragen, dass sich die Kunst die Gemeinschaft
der Wissenschaft und damit ihren Einflu9s sowol auf die Industrie, als
auf die Volkserziehung gewinne Lässt sich demnach dem vorliegenden
Lehrplan eine gewisse Einseitigkeit nicht absprechen, so glauben wir
doch, dass derselbe allen billigen Anforderungen genügen würde, wenn
Mathematik and Naturwissenschaften, letztere mit Ausnahme der Natur-
geschichte , zu Gunsten des Zeichnungsunterrichtes, und wol auch des
Deutschen und Schönschreibens eine entsprechende Roduktion er-
leiden würden.
D. P.
Literarische Notizen.
Lateinische Stilistik für die oberen Gymnasialklassen von Dr. Aug.
Haacke. Berlin, Weidmann'sche Buchhandlung. 1875. 368. Pr. 4 AI.
Das Werk, 18G7 ah grammatisch - stilistisches Lehrbuch für den Int.
Unterricht in den oberen Gymnasialklassen erschienen und damals
bestimmt, die Ellendt- Seyffert'sche Gramm, auf stilistischem Gebiete
zu ergänzen , erscheint jetzt unabhängig von dieser Gramm, in um-
gearbeiteter Auflage. Indes ist auch hier die Stilistik nicht von der
Grammatik geschieden , vielmehr im innigen Anschluss an dieselbe
behandelt. Das Material ist sehr reich, so reich, dass das Buch dem
Privatflei8s der Schüler überlassen werden muss; nach unseren ilcr-
maligen Einrichtungen wenigstens wäre nicht abzusehen, wie man auch
nur die Zeit finden sollte, es als obligates Lehrbuch in der Schule
durchzuarbeiten. Dass auch hier wieder die Angabe der Stellen für
die Beispiele unterblieben ist, wird kaum allgemeine Billigung finden.
Lateinisch - deutsches Schulwörterbuch. Von Fr. Ad. Hein ich en.
Dritte umgearbeitete und vielfach verbesserte, sowie vermehrte Auflage.
Leipzig, Teubner. 1875 Die neue Auflage ist noch weiter und konse-
quenter vorgegangen in Bezug auf neuere allgemein als richtig aner-
kannte Orthographie, ausserdem wurde nach Inhalt und Umfang vielfach
verbessert und ergänzt, so dass das Buch, welches für die Lektüre der
Gymnasialscbrift8teller und selbst darüber hinaus vollkommen ausreicht,
an Brauchbarkeit wieder gewonnen hat.
Griechisch - deutsches Schulwörterbuch von Dr. Gust. Ed. B e n s e 1 e r.
Fünfte verbesserte Auflage besorgt von Dr. J. Rieckher. Leipzig,
Teubner 1875. Die neue Auflage ist auf Grund umfassender eigene!
Lektüre des Verfassers vielfach berichtigt und ergänzt. Das Buch erstreckt
sich bekanntlich auf alle in der Schule zu lesenden Klassiker und
(aus guten Gründen) auch noch auf das Neue Testament, und kann nach
Anlage und Ausführung Gymnasialschülern bestens empfohlen werden.
Uebungsbuch zum Ucbersetzen aus dem Deutschen ins Lateinische
für Tertia im Anschluss an die gebräuchlichsten Grammatiken, besonders
an die von Ellendt -Seyffert , von Dr. Herrn. Warschauer. Jena,
Ed. Frommann 1876. 188 S. in 8. Das Buch enthält zunächst eine
ziemliche Anzahl zusammenhängender Uebungsstücke zur Wiederholung
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der Kasuslehre mit Einschluss der Präpositionen, dann über die Syntax
des Verbums in entsprechenden Abschnitten teils Satze, teils wieder
zusammenhängende Aufgaben, endlich wieder eine erkleckliche Anzahl
zusammenhängender Stücke zur Einübung der ganzen Syntax. Koten
unter dem Text sind nicht angegeben ; die wenigen Bemerkungen, welche
am Schlüsse folgen, sowie das Wörterverzeicbniss schützen kaum davor,
dass die Anforderungen für die angenommene Unterrichtsstufe mitunter
zu hoch gestellt erscheinen.
• Lateinische Metrik und Prosodik. Für die Schule zusammengestellt
von Dr. Konrad Bock. Berlin, Weidmann. 1875. 112 S. in 8. Will
die Resultate der neueren metrischen Forschungen für die Schule
nutzbar machen.
Piatonis Phaedo. Recetisuit , Prolegomenis et comwentariis in-
strxixit Martinu8 Wohl r ab. (Vol. L Lekt. II. der Stallbaum'scben
Ausgabe, in 5ter, wesentlich veränderter Aufl ). Leipzig, Teubner 1875.
Griechische Mythologie von L. Preller. Zweiter Band. Die
Heroen. Dritte Auflage von E. Plew Berlin, Weidmann. 1875.
537 S. in 8. Pr. 5 M. Vgl. IX. S. 74. Der zweite Band enthält auch
das Register.
Kurze pragmatische Geschichte der Philosophie von Chr. A. Thilo,
Oberkonsistorialrat. Erster Teil. Geschichte der griechischen Philo-
sophie. Cöthen, Otto Schulze 1876. 305 S. in 8. Den zweiten Teil
hiezu bildet die vor zwei Jahren erschienene Geschichte der neueren
Philosophie (6 M.). Die Principien, nach denen der Verf. gearbeitet,
sind hier und dort die gleichen, nur sind die erläuternden und kri-
tischen Bemerkungen bei der griechischen Philosophie mehr als bei der
neueren in die Darstellung der philosophischen Systeme verwoben.
Thukydides erklärt von J. C lassen Dritter Band. Drittes Buch.
Zweite Aufloge. Berlin, Weidmann. 1875.
Herodotos erklärt von Heinr. Stein. Fünfter Band. Buch VIII
uud IX Namenverzeichnis8. Mit zwei Kärtchen von Kiepert. Dritte
vielfach verbesserte Auflage. Berlin, Weidmann. 1875.
Tili Livi ab urbe condita libri. Erklärt von W. Weissenborn.
Neunter Band. Erstes Heft: Buch XXXIX. XXXX Zweite verbesserte
Auflage. Berlin, Weidmann. 1875.
Priebatsch, Allgemeiner Lehrmittel -Katalog Breslau, 1876
5. mit Rücksicht auf höhere Lehranstalten bedeutend erweiterte Aufl.
Pr. 1 M. Die neue Auflage ist durch Ergänzung und sorgfältige
Berücksichtigung der neuesten Lehrmittel um mehr als die Hälfte
erweitert worden.
Deutsches Lesebuch für die Unterklassen höherer Lehranstalten
von Dr. J. Buschmann. Zweite Abteilung (Quarta, Tertia). Münster.
Ad. Rüssel. 1874. 590 S in 8.« Pr. 4', M. Wie im ersten Teile
(s. X S. 103) rücksichtlich der Auswahl und Anordnung d<'8 prosaischen
Lesestoffes besonders auf den mündlichen Vortrag Rücksicht genommen
ist, so hier auf den „Aufsatz". Der poetische Teil enthält eine reiche
Auswahl der anerkannt edelsten und besten Schöpfungen auf dem Gebiete
der deutschen Nationalliteratur. Die ganze reichhaltige Sammlung darf
zu den besseren dieser Art gerechnet werden.
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Lebren der Weisheit und Tugend in auserlesenen Fabeln, Erzähl-
ungen, Liedern und Sprüchen. Herausgegeben von Dr. Karl Wagner.
26. vermehrte und verbesserte Auflage. Leipzig, E. Fleischer. 1875.
Auch ein Lesebuch, nur nicht zunächst für die Zwecke des deutschen
Unterrichtes, sondern der ethischen Ausbildung zusammengestellt.
E. A. Hahn's althochdeutsche Grammatik nebst einigen Lesestücken
und einem Glossar. Herausgegeben von Adalb. Je'itteles. 4. wesent-
lich verbesserte und vermehrte Auflage. Prag, Tempäky. 1875.
152 8. in 8.
Deutsche Aufsätze verbunden mit einer Anleitung zum Anfertigen
von Aufsätzen und 275 Dispositionen , vorzugsweise für die oberen
Klassen der Gymnasien und höherer Lehranstalten von Jos. Venn.
9. umgearbeitete Aufl. Wiesbaden. 1875 Verlag von Ad. üestewitz.
Bd. V S. 236 f. dieser Blätter ist auf dieses Buch in seiner dritten
Aufl. aufmerksam gemacht; seitdem ist dasselbe von 193 S. auf 361
angewachsen und um 125 Dispositionen reicher geworden. Es hat aber
nicht bloss an Umfang, sondern auch an innerem Werte wesentlich
gewonnen.
Dispositionen und Materialien zu deutschen Aufsätzen über Themata
für die beiden ersten Klassen höherer Lehranstalten. Von Dr. L.
Chol e vi us. Zweites Bändchen. 6. verbesserte Aufl Leipzig, Teubner.
1875 302 S. No 3. 18. 23 49. 69 sind durch passendere Themen
ersetzt, ausserdem sind am Schluss 12 neue angehängt.
Historischer Atlas von Carl Wolff. 18 Karten zur mittleren und
neueren Geschichte, in 3 Lieferungen ä 3 M. Preis der einzelnen
Karten 80 Pf. Berlin, Verlag von Dietrich Reimer. 1875. Die vor-
liegende erste Lieferung des eine Art Fortsetzung des Kiepert'schen
Atlas antiquu8 bildenden Werkes enthält 6 Karten: N. 1) Europa
um das Jahr 500. N. 11) Mitteleuropa nach dem westfäl. Frieden.
N. 12) Europa im Jahre 1721. N 14) Deutschland im Jahre 1789.
N. 15) Deutschland im Jahre 1806. N. 16) Mitteleuropa im Jahre
1812. N. 11. 14. 15, teilweise auch 12 , sind in Folge zu massenhafter
Details weniger gut übersichtlich und leserlich.
Spanien und Portugal. Schulwandkarte von Dr. C Arendts.
Verlag von Franz Halbig in Miltenberg. Preis 8 M. Die Karte ent-
spricht in Hinsicht auf Zeichnung und Kolorierung den Anforderungen
per Schule, sie ist auch in grösserer Entfernung noch gut sichtbar,
im Einzelnen freilich könnte hie und da mehr Sorgfalt gewünscht werden.
Auszüge.
Zeitschrift für d. Gymnasialwesen. 10.
I Ein französisches Urteil über unsere Art und Weise durch den
Unterricht den Patriotismus der Schüler zu erwecken. Von Dr. E. Meyer.
(Der Franzose, H. Michel Breal, Professor am College de France, findet,
dass in Deutsehland (Prenssen) der Unter icht ein energisches „Ensemble"
von Massregeln bilde, um die Seele des Schülers ganz und gar mit der Idee
des Vaterlandes und des Staates (zu erfüllen). — Ueber den Zusammen-
fall von Hochton und Vershebung in den beiden letzten Versfüssen des Hexa-
meters. Von Dr. Schulze. (Im Anschluss zunächst an die Kontoverse
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zwischen Corssen und Ritsehl konstatiert der Verfasser, dass die romischen
Dichter der klassischen Zeit mit Ausnahme von Virgil und Horatius den
Widerstreit zwischen Hochton nnd Versuchung am Ende des Hexameters
im ganzen selten und zwar nur nach bestimmten Kegeln zugelassen haben,
nämlich 1, bei Eigennamen, 2, beim vers. spond. 3, bei enklit. Wörtchen,
und 4, bei que — ).
Jahresbericht: Caesar v. Müller (Schluss ).
11.
I. Homerische Etymologien. Von Dr. Ant. Göbel. "ExttTos, IxqßoXoc,
ixfir>i,i6Xog , txaTrrfsXirqg , ixa£Qvo$ : angenommen wird ein Neutral subst.
to ixoi -z Pfeil. — v>]dvfjosi auf yrj -f- a<f (insatiabilis) zurückgeführt. —
Beiträge zur Erklärung der Vergil Von Dr. Bentfeld. Uebor die Ablativ-
formen capiti, latcri, silici bei Vergil. Zu Aen. VII. 7fil (puleherrima
hello zu verbinden ). — XII. 88 (habendo ist Ablativ, indem er handhabt) —
XII. 101 f. totoque ardentis ab ort Scintillae absistunt soll ein nicht
von Verg. herrührendes Einschiebsel sein. —
Jahresberichte: Lysias. Von H. Röhl. — Sokrates. Von Jacob.
Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien. 10.
I. Beiträge zur Kenntniss des attischen Theaters. Von Otto Benndorf.
VII. (Pansanias I. 20. 1. 2). VIII. (Eine Votivinschrift aus dem Dionysos-
Theater) — Ein neues Zeugniss für die Echtheit der Isokratischen Rede
aus Demonicus. Von J. Wrobel. Im Proemium des Chalcidius an Osius
hat eine Handschrift des richtigen Isocrates statt Socrates, nebst den Kom-
mentar zum lat Timaeus des Chalcidius; in beiden Fällen bandelt es sich
^ber um Citate aus der Rede an Demonicus.
II.
I. üeber einige wichtige Bestandteile des römischen 1 Hauses. Von
Fr. Velis*sky'. Handelt vom atrium, cavaedium und peristylium und
ihrem Verhältniss zu einander.
IV. Franz Hochegger (Nachruf). Von K. Schenk 1.
Statistisches.
Ernannt: zum Lehrer für Zeichnen und Modellieren an der Gewerb-
schule Ingolstadt der Lehramtskanditat L. Schoenlaub; der Lehrer an
der Latein- und Realschule in Kulmbach Merk zum Realienlehrer an der
Kreisgewerbschule in Kaiserslautern; zum Lehrer für neuere Sprachen an
der Gewerbschule in Kempten der derzeitige Verweser Hornung; zum
Realienlehrer an der Gewerbschule in Kaufbeuern der Lehramtskandidat
und derzeitige Verweser Micheler; Lehramtskandidat Meincl zum
Studienlehrer für Arithmetik in Fürth.
Berichtigungen zu den Seiten 416 — 419.
Seite 416 Zeile 7 lies d Q statt db.
„ 41? „ 3 lies Tx statt T.
„ „ „ 12 lies „stossen" statt „stossend".
„ 418 „ 15 lies ein Komma statt des Index vor „unter".
„ 419 „ 10 von unten lies c statt h.
=== ^äruckrbel J- Gottvater *¥. "MÄmI ii Mftichon^ TEeÜineratrMM 187
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