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Full text of "Bayerische Blätter für das Gymnasialschulwesen"

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BAYERISCHE 
BLÄTTER  FÜR  DAS 
GYMNASIALSCHUL 

WESEN 


KP 

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THE  UNIVERSITY 
OF  ILLINOIS 
LIBRARY 


370.5 

1  L 

KAU 


Blätter 


für  das 


Bayerische  Gymnasial- 


und 


Real  -  Schulwesen, 


redigiert  von 


W.  Bauer  &  Dr.  A.  Kurz. 


Eilfter  Band. 


München,  1875. 

J.  Lind  an  er' sehe  Bachhandlung. 

(Schöpping.) 


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•2.  f  *,  ' 


Inhalte  -  Verzeichniss. 


a)  Abhnndluupen. 

Seile. 

Aus  der  Schulmappe,  von  A.  Kur«    .   .   .18  (vgl.  91).  12t.  269.  415 

Aus  der  Turnschule,  von  Id.  Miller   455 

Bemerkungen  zu  dem  Obm'schen  Gesetze,  von  van  Beb  her  .   .  279 

Bemerkungen  zur  Theorie  des  Keiles,  von  Hielmayr  .  .  .  .  153 
Beziehung  zwischen  Bild  •  und  Gegenstandsweite  bei  sphärischen 

Linsen,  von  Bender  •   421 

Der  deutsche  Unterricht  in  der  I.  Lateinklasse,  von  Miller  .  .  74 
Der  Unterricht  in  den  neueren  Sprachen  an  den  Gewerbschulen, 

von  E.  Walther   263 

Die  bayerischen  Gewerbschulen  pro  1874,75,  von  L   71 

Die  Erhöhung  der  wöchentlichen  Stundenzahl  fQr's  Deutsche  in 

der  reorganisierten  Gewerbschule,  von  Schricker  .   .   .   .  217 

Die  Hyksos,  von  Preu   295 

Die  nachteiligen  Folgen  der  Verwechselung  von  Logik  und  Syntax 

für  die  Lehre  vom  einfachen  Satze,  von  Wirth  .  .  .  .  .  347 
Die  schlechte  Aussprache  des  Deutschen  u.  die  nachteilige  Wirkung 

derselben  auf  den  fremdsprachlichen  Unterricht,  v.  Dreser  .  59 
Ein  Beitrag  zur  Bestimmung  von  Approximationswerten  der  reellen 

Wurzel  etc.,  von  A.  Miller   350 

Einige  geometrische  Satze,  von  Hügel  125  (vgl.  190) 

Einiges  über  Kegelschnitte,  von  Greiner   461 

EngUsh  Schools,  von  Wallner     .    .   .   .'   332 

Handschriftliche  Nacbweisungen  zu  Cic.  d.  Oratore  I.  3,  II  v.  Thenn  201 

Homerisches  Allerlei,  von  Riedenauer                          49.  97.  156 

Horat.  Od.  I,  3  und  Sat.  I,  7,  9,  von  Hann  wacker    .    .  410  u  414 

Kleinigkeiten,  von  Stadel  mann   211 

Kritisches,  von  Hammer   198 

Kritisches  zu  Phaedrus,  von  Zorn   1 

Liier,  von  Zehetmay  r   343 

Lionis  V,  26,  10,  von  Geist   207 

„Mensa  est  rotunda",  von  Wirth    16 

Neue  Konstruktion  der  Kogelschnittslinien,  von  Bender    .   .  457 

Ophir  und  Tbarschisch,  von  Preu   193 

Optimus,  von  Zehetmayr   253 

„Owe  war  sint  verswunden",  von  Falch   440 

Schriftliche  Uebungen  im  Deutschen  für  Sexta,  von  L.Mayer  220  u  451 

„  „  „  „  „  „  ,  von  M.  Mil  ler  .  .  315 
„             „      in  der  deutschen  Grammatik  für  Sexta,  von 

L.  Mayer   317 

Severus,  serenus  und  sermo,  von  Zehetmayr   164 

Stilistische  Aphorismen,  v.  Scbiessl  u.  Götz  227.  258.  324.  399.  443 

Ueber  den  Hellespont,  von  G.  Gebhardt   389 

Ueber  den  Umfang  des  historischen  Unterrichtes  auf  Schulen, 

von  Hang  '   1 

Ueber  die  Aussprache  des  anlautenden  sp  und  st  in  den  Schulen, 

von  Falch                                                        266  (vgl.  331) 

Ueber  die  Gedankenarmut  der  Gewerbschuler ,  von  Krallinger  275 

Ueber  Differeoztöne,  von  Bender   145 

[Jeher  Mamma,  von  Heel  .450 


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IV 

Seite. 

Vorschlag  zur  praciseren  Fassung  der  Regeln  über  das  Wesen 

und  den  Gebrauch  des  französischen  Subjonctif,  von  Dreser  165 
Wer  sind  die  „heimischen  Fürsten"  in  dem  Spruche  Walthers  von 

der  Vogelweide  ,,«»e  fr  Agent  mich  vil  dicke  etc".,  von  Falch  214 

Xenoph.  Bell.  II,  3,  48,  von  Geist   4°6 

Zu  apas,  von  Zehetmayr   306 

Zu  Caesar  de  bell.  civ.  II,  17,  2,  von  Soergel    311 

Zu  Ciceros  Briefen  an  Atticus,  von  Fr.  S  chm  idt   109 

Zu  Demosth.  Ol.  3,  12,  von  M.  Miller   174 

Zu   einigen  Stellen   im  Dion  und  Chabrias  des  Com.  Nepos, 

von  Rubner   243 

Zu  Lionis  VII,  6,  2,  von  Geist   70 

Zu  Lysias  und  Demosthenes,  von  E  Kurz   435 

Zum  Foucault'schen  Pendelversuche,  von  8  c  h  e  l  le  60  (vgl.  95  u.  143) 

Zum  Geometrieunterricht,  von  Rudel    120 

Zum  Lehrprogramm  der  Gewerbschule  für  Trigonometrie,  v.  Rudel  76 

Zu  §§.  1  und  2  der  praefatio  des  Livius,  von  Soergel  .    .    .    .  307 

Zur  Aussprache  des  Lateinischen,  von  Meiser   225 

Zu  Theokrit,  von  Zettel   206 


b)  Literarische  Anzeigen  und  Recensiouen. 

(Die  nicht  mit  *  bezeichneten  Werke  sind  unter  den  „Literarischen  Notiien" 

aufgeführt.) 

Abbehusen,  C.  H.,  Tht  First  Story -Book   381 

♦Abi cht  -  Dittmar,  Die  Weltgeschichte  im  Umrisse   179 

•Adelmann,  Prakt.  Lehrbuch  der  franz.  Sprache,  angez.  v.  Zeiss  378 
*Altum  und  Landois,  Lehrbuch  der  Zoologie,  ange/.  von  Dr. 

Fleischmann    185 

Am  eis  —  Hentze,  Homers  Odyssee  43  u.  385 

Arendt«,  Dr.  C,  Spanien  und  Portugal.   Schulwandkarte   479 

Auras  und  Gu  er  lieh,  Deutsches  Lesebuch   291 

•Bardey,  Dr.  E.,  Aufgabensammlung  aus  der  Algebra,  angez.  von 

Dr.  van  Bebber   281 

Bartsch,  K.,  Kndrnn.   Schulausgabe   339 

„         „,  Walther  von  der  Vogelweide.   Schulausgabe  ....  430 

•Baum gart,  Dr.  G.,  Aelius  Äristides,  angez.  von  C  Hannner.  .  130 
Baumstark,  Dr.  0. ,  Erläuterung  des  allg.  Teiles  der  Germania 

des  Tacitus   428 

Beetz,  Dr.  M.,  Leitfaden  der  Physik   431 

Benseler  —  Rieckher,  Griechisch- deutsches  Schulwörterbuch    .    .  477 

Bertram,  W.,  Grammatisches  Uebungsbuch  zum  franz  Unterricht  .  384 

Beule  —  Döhler,  Titus  und  seine  Dynastie   188 

•Blume,  Das  Ideal  des  Helden  und  des  Weibes  bei  Homer    ...  137 

Bock,  Dr.  K ,  Lateinische  Metrik  und  Prosodik   478 

Boehme,  Dr.  G.,  Uebersetzungsaufgaben  ins  Griechische    ....  43 

•Breitinger,  H  ,  Die  französischen  Klassiker,  angez.  v  Jent  .  .  338 
*        „           „,  Die  Grundzüge  der  franz.  Literaturgeschichte  bis' 

1870,  angez.  von  Jent   235 

Bielmayer,  Grundlehren  der  Geometrie   341 

•Brunner  und  Kraus,  Deutsch-lat.  Elemcntarb.,  angez.  v  E.  Lange  371 

Buchholz,  Dr.  E.,  Anthologie  aus  den  Lyrikern  der  Griechen    .   .  188 

♦Büchsenschütz,  Dr.,  Xenophons  Hellenica,  bespr.  v.  Kurz  31  (s.S.  39  f.) 

Buschmann,  Dr.  J.,  Deutsches  Lesebuch   478 

„              „    ,  Leasings  Laokoon  für  den  Schulgebrauch    .    .  141 

Castres  de  —  Klautzsch,  L'art  poetigue  de  Boileau- Desjireavx  .  91 


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V 


Cholevius,  Dispositionen  und  Materialien   479 

Christ,  A.,  Einfache  nnd  doppelte  Buchführung   93 

„         ,  Das  Conto -corrente   291 

C lassen,  J.,  Thucydides   139 

Cosack,  W.,  'Leasings  Laokoon   141 

Crapelen,  C,  Leitfaden  für  den  botanischen  Unterricht    ....  431 

Cron,  Chr.,  Piatons  Verteidigungsrede  des  Sokrates   187 

Der  Mentor,  Notizkalender  pro  1876    430 

•Der  Realnqterricht  in  Preussen  und  Bayern   286 

Die  Naturkräfte  141  u.  340 

•Dietsch,  P.  -  Richter  G. ,  Grundriss  der  allg.  Geschichte,  angez. 

von  G.  Kraus   281 

Di  hie,  Dr.  A-,  Materialien  zu  griechischen  Exercitien   386 

•Draegcr  A.,  Ueber  Syntax  u.  Stil  des  Tacitns,  angez.  v  Eussner  83 

Düntzer,  H,  Erläuterungen  zu  den  deutschen  Klassikern  ....  94 

„         „ ,  Homers  Odyssee.   Schulausgabe  339  u .  428 

Dziatzko,  C-,  Komödien  des  P.  Terentius  Afer    90 

•Ebener  --  Strome,  Franz.  Lesebuch,  angoz.  von  Dr.  Wallner    .  427 

Eichert,  Dr.  0.,  Wörterbuch  zu  Caesars  gall.  Krieg   44 

Enger  —  Gilbert,  Aeschylos  Agamemnon   43 

Fick,  Dr.  A.,  Die  griechischen  Personennamen   291 

•Fischer,  Dr.,  Kleine  deutsche  Grammatik,  angez.  v.  H  Krallinger  424 

Fraenkel  —  Brunnemann,  franz.  Lesebuch,  angez.  v.  Dr.  W^llner  383 

Fritsche,  A.  Th.  H.,  Des  Qu.  Horatius  Elaccus  Sermonen     .   .   .  237 

Frohberger,  H.,  Reden  des  Lysias   187 

Gallenkamp.  Die  Elemente  der  Mathematik   44 

tSenthe,  Dr.  H.,  Aufgaben  für  freie  lat.  Aufsätze   42 

Groebel  —  Götz,  Uebersetzungsübungen  a.  d  Deutschen  in's  Lat-  140 

Grote  fend  —  Ringe,  Materialien  zum  deutsch -lat.  Uebersetzen     .  290 

Grube,  Dr.  A  W.,  Alpenwanderungen   140 

Grundt,  Dr.  Fr.  1mm.,  Hebräische  Elementargrammatik  ....  142 
•Günther,  Dr.  S,  Lehrbuch  der  Determinanten- Theorie,  angez.  v. 

Friedlein   185 

Haacke,  Dr.  A,  Deutsch -lat.  Uebersetzungsaufgaben   290 

„   ,  Lateinische  Stilistik   477 

Halm,  K.,  Cicero's  ausgewählte  Reden                             42.  89  u.  386 

•Härtel,  W.,  Homerische  Studien  I  — III,  angez.  v.  A.  Riedenauer  375 

Härtung,  Dr.  G-,  Stichverse  der  lat  Syntax   89 

Helm,  V.,  Culturpflanzen  und  Hausthiere   175 

Heinichen,  Fr.  Ad.,  Griechisch  -  deutsches  Schulwörterbuch    .    .    .  477 

Heinrich,  A.,  Erster  geographischer  Unterricht   92 

Ho  ff  mann,  Dr.  A.,  Sammlung  planimetrischer  Aufgaben   .    .    .    .  92 

„          K.,  Sammlung  von  Musteraufsätzen   90 

•Holstein,  M.  Tullii  Ciceronis  de  fin.  bon.  et  mal.,  angez-  v.  llubner  133 

Hübner,  J.  G.,  Püanzenatlas   238 

Hübschmann,  Zur  Casuslehre   42 

•Hutzelmann,  Dr.  Chr.,  Hilfsbuch  der  Geschichte,  angez.  v.  Hans  80 

Jakob,  Deutschlands  spielende  Jugend   94 

Jan,  Dr.  K.  v.,  Repetitionsübungen  der  lateinischen  Sprache    .    .    .  428 

Jastram,  J.,  Lebensbilder  und  Skizzen  aus  der  Naturgeschichte  .  .  488 
•Jartsch,  Dr.  H. ,  de  Aristotele  Ciceronis  in  rhetorica  auetore 

qnaestiones,  angez.  von  C.  Hammer                           ....  285 

Jung,  A.,  Schillers  Briefe  über  die  ästhetische  Erziehung  des  Menschen  430 

Kappes,  K.,  Erzählungen  ans  der  Geschichte   429 

Keck  —  Kallsen  —  Sacb,  Bilder  aus  der  Weltgeschichte  .    .    .  339 

•Keller,  L.,  Der  zweite  purische  Krieg,  angez  von  J.  Pistner    .    .  138 

Klaucke,  P.,  Leitfaden  zum  Urbersetzen  a.  d.  Deutschen  ins  Lat.  .  428 


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L  I 


VI 


Seite. 

•Kneiscl,  B.,  Leitfaden  der  historischen  Geographie,  angez.  v.  Unger  132 

Ko  estler,  H.,  Leitfaden  für  den  Anfangsunterricht  in  der  Geometrie  432 

Kopp,  Dr.  W.,  Geschichte  der  römischen  Literatur   140 

Kramer,  Dr.  G.,  Karl  Ritter,  Ein  Lebensbild   430 

Kuenen,  E.,  Die  deutschen  Klassiker  .   .   .  386 

Kurts,  Fr.,  Geschichtstabellen    188 

•Kurz  A.,  Zum  Bericht  über  die  I.Generalversammlung  des  Vereines 

der  technischen  Lehrer   293 

•Kurz  E.  und  Breiteubach  L. ,  Xonophons  Hellenica,  angez.  von 

Hoeger                                                                   230  u.  232 

Kurz,  W.,  Transparente  Tafeln  aus  dem  Gebiete  der  Mikroskopie   ..  430 

Lattmann,  Dr.  J.,  Lateinisches  Uebungsbuch   201 

Lattraann  -  Müller,  Kleine  lat.  Grammatik   290 

„                 „    ,  Griechisches  Uebungsbuch   291 

Lehmann,  Dr.  J.  H.,  Handbuch  der  deutschen  Literntur  ....  90 
Leuchtenberger,  G.f  Dispositionen  über  Themata  zu  deutschen 

Arbeiten  .    .    .    .'   386 

Liebe,  Dr.  0,  Methodische  Grammatik  der  franz.  Sprache     ...  91 

Linn  ig,  Fr,  Der  deutsche  Aufsatz  in  Lehre  und  Beispiel  ....  290 
♦Linsmayer,  A.  ,  Der  Triumphzug  des  Germanicus ,  angez.  von 

Markhauser   422 

Lise,  A.,  Angewnidte  Elnuentarmatberoatik,  angez.  v.  Dr.  van  Bcbber  183 
•Mann,  F.,  Ein  Votum,  betr.  die  Reorganisation  unserer  Gewerb- 
schulen, angez-  von  A.  Kurz   474 

Martus,  H.  C-,  Mathematische  Aufgaben,  II.  Teil   341 

•Meffert,  Dr.  Fr,  Elementarbuch  der  englischen  Sprache,  angez-  v. 

Dr.  Wallner   382 

•Mehlis,  Ür.  Chr ,  Die  Grundidee  dps  Hermes,  angez  v.  Zehetmayr  384 

Meier  Hirsch  —  Bertram,  Sammlung  v.  Beispielen  etc.  a.  d.  Algebra  238 

Menge,  Dr.  G.,  Repetitorium  der  lat.  Grammatik  und  Stilistik  .  .  236 
•Miller,  M.,  Praktische  Uebungen  zum  deutschen  Unterricht,  angez. 

von  Brunner   88 

Müller  -  Frey,  Titi  Livi  ab  urbe  cond.  Hb.  I   385 

•Müller,  L.,  Q.  Uorati  carmina,  angez.  von  Eussner    ....  81 

•Naegelsbach      Baumann,  Uebungen  d.  lat.  Stiles,  angez.  v.  Seholl  180 

Nicolai,  A-,  Lykurgos  Rede  gegen  Leokratos   139 

Nohl,  C.,  Mängel  und  Missstände  im  höher  n  Schulwesen  ....  93 

Osterwald,  K.  W.,  Erzählungen  aus  der  allen  deutschen  Welt  .    .  339 

,  W.,  Q.  Horatius  Flaccus  Lieder   187 

Paralleltabcllen  zur  griechisch  -  römisch  en  Chronologie   42 

•Perthes  H. ,  Lateiniscles  Lesebuch  für  Sexta,  angez.  v.  L.  Mayer  1H0 

Peter,  C,  Römische  Geschichte  in  kürzerer  Fassung   429 

Pfundbell  er,  E.,  Les  poetes  francais   292 

•Piderit,  Dr.  K.  W.,  Cicero  Brutus  de  claris  oratoribus,  angez. 

von  Rubner   467  cf.  237 

•Plattner,  PI.,  Die  Räteis  von  Simon  Lemnius,  angez.  v.  Heiss     .  136 

Priebatsch,  Allgemeiner  Lehrmittelkatalog   478 

Protokoll  der  westfälischen  Dircctorenversaminlung  von  1*73    •    •    .  340 

Rchdantz,  C,  Xenophons  Anabnsis   89 

Rcmacly,  H.  Jos.,  Deutsches  Lesebuch   339 

Rettig,  G.  F  ,  Piatonis  Symposium   427 

•Riedenauer,  Dr.  A.,  Handwerk  und  Handwerker  in  der  homerischen 

Zeit,  angez.  von  Chr.  Adam   23 

•Roth fuchs,  Dr.  Jul ,  Syntaris  ortiata,  angez.  v.  L.  Mayer     .    .  338 

•Sanneg,  F.,  Gramm.  Vorschule  der  lat.  Sprache,  angez.  v.  L.  Mayer  284 

Scherer  und  Schnorbusch,  Griechische»  Uebungsbuch    ....  43 

Schick,  A.  H.,  Hebräisches  Uebungsbuch   237 


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vn 

Satt» 

Schilling  S.,  Grundrisa  der  Naturgeschichte                      340  tu  431 

Schneider,  Dr.  0.,  Isokrates  ausgewählt«  Reden   237 

Schuetz,  Q  Horatius  Flaccus   41 

Schultz,  Dr.  Ferd-,  Kleine  lat  Sprachlehre   89 

„            „      ,  üebungsbuch  zur  lat.  Sprachlehre   43 

Schumann  —  Gantzer,  Lehrbuch  der  Planimetrie   44 

Schuster,  Lehrbuch  der  Poetik   91 

Schuster  —  Hofmann,  Rhetorik  für  höhere  Schulen   140 

•Sickenber ger,  A.,  Loitfaden  der  Arithmetik,  angez.  v.  Himmer  .  136 

Siebentes  Jahresheft  des  Vereines  Schweizerischer  Gymnasiallehrer     ■  429 

Sief  er  t  —  Blass,  Plutarcbs  ausgewählte  Biographien   237 

Soller,  H.,  Der  höhere  Lehrstand  in  Preussen   93 

Sommer,  Fr.,  Leitfaden  beim  ersten  Unterricht  in  der  Algebra  ■  -  92 
*Sorof,  Dr.  G.,  M.  Tullii  Ciceronis  de  Oratore  lib.  tres,  angez. 

von  Rubnei     465 

•Spielraann,  Dr.  A.,  Die  Echtheit  des  plat.  Charmides,  angez. 

von  Meiser   337 

•Sprachwissenschaftliche  Abhandlungen,  angez.  von  Zehetmayr  .   .    •  235 

8tein,  Dr.  H.,  Die  Geschichten  des  Herodot   429 

Stengel,  Dr.  G.,  Chemische  Erscheinungen   341 

*Steup,  Lectures  instructives  et  amüsantes  und  Pleasing  Tales  382  f. 

St  oll,  H.  W.,  Erzählungen  aus  der  Geschichte   42 

„        „    ,  Handbuch  der  Religion  und  Mythologie  •   .       •    •  386 

Suhle  und  Schneidewin,  Griechisch  -  deutsches  Handwörterbuch  .  238 

Sfipfle  —  Gruber,  Anleitung  zum  Lateinschreiben   88 

Temme,  Dr.  A.  J.,  Leitfaden  der  Algebra   237 

Teuffei,  W.  S.,  Aeschylos  Perser   187 

Thilo,  Öhr.  A.,  Kurze  pragmatische  Geschichte  der  Philosophie  .   .  478 

Till  mann  s,  Dr.  L,  Kurze  Regeln  der  griechischen  Syntax    ...  90 

Trappe,  A.,  Schul -Physik  .    .   ,   341 

Traut,  G.,  Englischer  Wortschatz   342 

Trauth,  Dr.  H.  Tb.,  Englisches  Lese-  und  üebungsbuch  ....  342 

•Treu,  A.,  Die  deutsche  Sprachlehre,  angez.  von  Brunner   ....  87 
*U  st  rieh,  Dr.  F.,  Lehrbuch  der  Arithmetik  und  Sammlung  von  arith- 
metischen Aufgaben,  besprochen  von  Schwager  ....    239  cf.  293 

•Vahlen,  J.,  Aristotelis  de  arte  poetica  Uber,  angez.  v.  Meiser    •  85 

Venn,  Jos.,  Deutsche  Aufsätze   479 

Wagner,  Carolus,  Florea  et  fruetus  latini   140 

Wagner,  Dr.  K-,  Lehren  der  Weisheit  und  Tugend   479 

Warschauer,  Dr.  H.,  Deutsch -lat.  Uebersetzungsbuch   477 

•Weck lein,  N.,  Ausgewählte  Tragödien  des  Euripides,  angez.  von 

Bergmann   361 

Weissenborn,  W.,  Titi  Livi  ab  urbe  condüa  libri    .    .    .   .    .  291 

*Wenz,  G.,  Die  Reform  des  geographischen  Unterrichtes    .       .   .  40 

Woelfflin,  E ,  Titi  Livi  ab  urbe  condita  lib.  XXII   385 

*Wohlrab,  Dr.  M.,  Gymnasium  und  Gegenwart,  angez.  v.  Friedlein  83 

Wolff,  C,  Historischer  Atlas   479 

„    ,  G-,  Sophokles  Ajas  .   .    187 

Worpitzky,  Dr.,  Elemente  der  Mathematik    45 

Wuensche,  Dr.  0.,  Die  Kryptogamen  Deutschlands   431 

Wunder  —  Wecklein,  Sophoclis  tragoediae   38ö 

•Zehetmayr  S-,  Lexicon  etymologicum,  angez.  v.  Autenrieth  470  cf.  89 

•Ziegler,  A.,  über  seine  Planimetrie,  von  A.  Kurz   334 

Ziegler,  Chr.,  Illustrationen  zur  Topographie  des  allen  Rom  188  cf.  428 


- 


vni  _ 

c)  Verzeichnis*  der  noter  der  Rubrik  „Statistisches"  vorkommenden 

Personennamen. 

Seite. 
292 
342 
190 
388 
388 
94 
388 
46 
388 
190 
388 
240 
388 
94 
432 
46 
342 
46 
432 
388 
94 
480 
n.  94 
94 
432 
388 
387 
46 
190 
433 
388 
46 
293 
240 
342 
342 
388 
240 
240 
190 
388 
388 
189 
190 
189 
387 
190 
342 
342 
94 
388 
94 
388 
388 
293 
342 


Seite. 

Seite. 

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46 

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.  342 

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94 

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94 

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.  190 

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94 

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46 

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46 

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.  342 

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240 

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46 

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94 

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292 

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46 

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94 

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388 

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.  388 

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480 

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240  f. 

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388 

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46 

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Gerstenecker 

.  342 

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46 

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Goctz  .   .  . 

.  190 

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46  u.  480 

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46 

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342 

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388 

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388 

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388 

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.  388 

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46 

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.  189 

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388 

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46 

Pistner   .  . 

342 

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Hausmann  . 

.  40 

Plank     .  . 

388 

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Hoiss  .    .  • 

.  387 

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46 

Zeitler  .... 

Hellfritzsch 

46 

u.  388 

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387 

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.  293 

Pumplan 

388 

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.  46 

Putz   .    .  . 

46 

Zrenner  .... 

Helmreich  . 

.  388 

Rapp  .    .  . 

293 

Zucker  .... 

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Kritisches  zu  Phädrus. 
L 

I.  2.  23:  Inutilis  quoniam  esset  qui  fuerat  datus. 

So  ist  der  Vers  überliefert  und  so  steht  er  bis  jetzt  in  den  Ausgaben, 
obwohl  quoniam  aus  metrischen  Gründen  bedenklich  ist.  Phädrus 
hat  nämlich  (cf.  Rhein.  Museum  XIII,  p.  197  —  208 :  Langen ,  über  die 
Metrik  des  Phädrus  p.  203  und  Luc.  Müller,  de  re  metrica  poetarum 
Latinorum  p.  416  f.)  sonst  im  zweiten,  dritten  und  vierten  Fuss  den 
Anapäst  nur'  in  vier-  oder  fünfsilbigen  Wörtern,  niemals  aber  so 
gebraucht,  dass  wie  in  quoniam  esset  die  beiden  Thesen  ein  Wort 
für  sich  bilden;  in  den  früheren  Ausgaben  finden  sich  allerdings  da 
und  dort  solche  Anapäste;  aber  sie  sind  bis  auf  quoniam  esset 
sämmtlich  aus  Unkenntniss  obiger  Regel  durch  Conjectur  in  den  Text 
gekommen  und  in  der  bei  Teabner  erschienenen  Luc.  Müller'schen  Aus- 
gabe mit  Recht  wieder  beseitigt.  Von  Müller  aufgenommen  ist  lediglich 
ein  solcher  Anapäst,  das  handschriftlich  überlieferte  quoniam  esset. 
ich  möchte,  obschon  Langen  (p.  205)  meint,  er  könnte  damit  entschuldigt 
werden,  dass  durch  die  Elision  quoniam  und  esset  näher  mit 
einander  verbunden  werden,  auch  den  noch  beseitigt  wissen  und  schlage 
de ss halb  vor,  quodjam  statt  quoniam  zu  lesen. 

2. 

I.  5.  10:  Malo  adficietur,  siquis  quartam  tetigerit. 

Auch  hier  bestimmt  mich  ein  metrischer  Grund  zu  einer  Aenderung 
der  handschriftlichen  Ueberlieferung.  Ueber  die  Elision,  die  bekanntlich 
von  Phädrus  mit  grosser  Sorgfalt  angewendet  ist,  sagt  nämlich  Luc 
Müller  auf  S.  X  der  Vorrede  zu  seiner  Textausgabe:  non  licet  elidi 
jambica  sequente  brevi  nec  magis  copulari  eadem  cum  acuta  praeter 
imperativos  quosdam  ut  puta  hos:  veni  ergo  III.  7.  15,  tace  inquit 
V.  9.  4,  ave  usque  app.  21.  10.  Diese  letztere  Erscheinung,  das  Vor- 
kommen der  Elision  bei  einigen  Imperativen,  hat  Ritsehl,  wie  Müller 
de  re  metr.  p.  284  f.  angibt,  so  erklärt,  dass,  da  in  der  Umgangssprache 
die  jambischen  auf  einen  Vocal  auslautenden  Verbalformen  mit  ver- 
kürzter letzter  Silbe  gebraucht  wurden,  auch  die  jambischen  Dichter 
da  und  dort  diese  Freiheit  sich  gestattet  haben.  Andere  jambische 
Wörter  werden  also  nicht  so  elidirt  und  aus  diesem  Grunde  kann  das 
obige  malo  adficietur  nicht  recht  sein;  ich  halte  desshalb  male  für 

Blitter  L  d.  Uyer.  GymnMiAlw.  XL  Jahrg.  1 


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I 


2 

das  Richtige,  wenn  ich  aach  im  Augenblick  für  male  afßcere  aliquem 
keine  andere  Belegstelle  beibringen  kann  als  Papin.  in  Pandect. 
XXXVII.12.5:  filius,  quem pater  male afflciebat  (Scheller  s.  v. afficere). 

3. 

I.  16.  2:  Non  rem  expedire,  sed  mala  vidcre  txpttit. 

Da  mala  vi  der  e,  wie  die  Handschriften  haben,  auf  keinen  Fall 
richtig  ist,  so  haben  die  Herausgeber  durch  Conjectur  zu  helfen  gesucht. 
G ruters  malum  dare  expetit,  das  Bentley  und  Orelli  gebilligt  haben, 
denen  sich  auch  Eyssenhardt  in  seiner  bei  Weidmann  in  Berlin  erschienenen 
Phädrusausgabe  anschliesst,  ist  (cf.  Langen  p.  203  u.  208)  desshalb 
unrichtig,  weil  Phädrus  den  Jambus  im  fünften  Fuss  überhaupt  nur  in 
ganz  bestimmten  Fällen  und,  wenn  ein  Amphimacer  den  Vers  sch  Ii  esst, 
nüf  so  braucht,  dass  das  vorletzte  Wort  auf  einen  Trochäus  endet 
Sehr  ansprechend  ist  auf  den  ersten  Blick  mala  vitare  expetit, 
wie  Dressler  bat.  Allein  Langen  (p.  203)  hat  bewiesen,  dass  der  Anapäst 
des  vierten  Fusses,  weil  die  beiden  Thesen  ein  Wort  für  sich  bildent 
ein  fehlerhafter  ist,  und  Eckstein  hätte  in  der  von  ihm  besorgten 
vierten*)  Auflage  der  Schulausgabc  von  Job.  Siebeiis  Dressler'n 
nicht  folgen  sollen.  Metrisch  richtig  und  dem  Sinn  angemessen  ist 
Langens  Vorschlag  malum  abigere  expedit,  wo  dann  malum  auf  das 
im  vorhergehenden  Vers  stehende  fraudator  zu  beziehen  wäre;  aber 
für  leicht,  wie  Langen  meint,  kann  ich  die  Emendation  nicht  halten. 
Luc.  Müllers  Conjectur  malum  augere  steht  zwar  der  Ueberlieferung 
nahe  genug,  gibt  aber,  wie  mir  scheint,  nicht  den  rechten  Sinn ;  denn  der 
Gegensatz  von  „rem  expedire,  ein  Geschäft  erledigen",  ist  ja  doch  wohl 
nicht  „den  Schaden  vermehren",  sondern  etwa  „Schaden  zufügen'4  oder 
etwas  ähnliches ;  ich  schlage  desshalb  vor  zu  lesen :  non  rem  expedire,  sed  \ 
mala  inferre  expetit,  was  sich  nicht  allzuweit  von  der  Ueberlieferung 
entfernt  und  den  vom  Zusammenhang  geforderten  Sinn  gibt. 

*■  i 

I.  22.  10  ff.:  Hoc  in  sc  dictum  debent  Uli  agnoscere, 

Quorum  privata  servit  utilitas  sibi  \ 
Et  meritum  inane  jactant  imprudentibus. 

Der  Inhalt  der  Fabel,  zu  der  diese  Verse  als  Nutzanwendung    '  i 
gehören,  ist  kurz  folgender:  Das  Wiesel,  vom  Menseben  gefangen,  bittet 
ihn  um  Schonung,  weil  es  ihm  das  Haus  von  den  lästigen  Mäusen 
reinige.   Dieser  weist  jede  Verpflichtung  zur  Dankbarkeit  zurück,  weil 
es  ja  die  Mäuse  nur  tödte ,  um  sie  sammt  den  Speiseresten,  die  jene 

*)  Ob  auch  in  der  inzwischen  erschienenen  fünften  Auflage  mala  vitar  e 
beibehalten  ist,  kann  ich  nicht  sagen,  da  sie  mir  nicht  vorliegt. 


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3 


benagen,  zu  verzehren,  und  tödtet  das  Wiesel.  Dazu  soll  nun  die 
Nutzanwendung  lauten:  Das  geht  auf  die,  welche  nur  ihrem  Eigennutze 
dienen  und  Kurzsichtigen  gegenüber  (imprudent ibus)  sich  mit 
eitlem  Verdienste  brüsten.  Unmöglich;  denn  der  Mensch  ist  ja  hier 
gerade  nicht  imprudens,  sondern  durchschaut  das  Wiesel.  Luc.  Müller 
liest  daher  imprudentius;  ich  denke  aber,  das  Wiesel  ist  mehr  als 
unklug,  es  ist  unverschämt,  und  schlage  also  vor,  impudentius 
zu  lesen.  Dass  der  Jambus  im  fünften  Fuss  zulässig  ist,  wenn  ein  fünf» 
silbiges  Wort  den  Vers  schlicsst,  bedarf  keines  Beweises. 

5. 

IL  5.  16:  Humum  aestuantem,  come  officium  jactitans. 

So  lesen  die  neueren  Herausgeber  mit  Rigaltius ,  ein  Beweis,  dass 
diese  Emendation  als  die  besste  unter  den  vielen  gilt,  die  gemacht 
worden  sind,  um  der  gründlich  verderbten  Ueberlieferung  jactans  officium 
come  aufzuhelfen.  Der  Zusammenhang,  in  dem  die  Worte  stehen,  ist 
folgender:  ich  brauche  der  Kürze  halber  die  Worte  des  Phädrus  mit 
Weglassung  der  Verse,  die  zum  Verständniss  nicht  nothwendig  sind: 

Caesar  Tiberius  cum  petens  Neapolim 

In  Misenensem  rillam  venisset  suam, 

Ex  alticincti8  unus  atriensibus 

Perambulante  laeta  domino  viridia 

Älveolo  coepit  ligneo  conspergere 

Humum  aestuantem,  come  officium  jactitans. 

An  come  nehme  ich  Anstoss,  weil  ich  bezweifle,  dass  man  die 
geschäftige  Dienstfertigkeit  eines  Sklaven  seinem  Herrn  und  vollends 
dem  Kaiser  gegenüber  come  („artig"  lautet  die  Uebersctzung  in  der 
Ausgabe  von  Siebeiis  —  Eckstein)  nennen  kann;  da  es  vielmehr  dem 
Sklaven  vor  allem  darauf  ankommen  muss,  sich  mit  seiner  Geschäftigkeit 
in  recht  auffallender  Weise  bemerklich  zu  machen,  so  lese  ich  coram 
officium  jactitans,  sich  offen  (recht  in  die  Augen  fallend)  mit  seiner 
Dienstfertigkeit  brüstend. 

& 

II.  8.  11:  Frondem  bubulcus  adfert  nec  ideo  videt. 

Nec  ideo  enthält  einen  bedenklichen  Daktylus  des  vierten  und 
einen  falschen  Jambus  des  fünften  Fusses;  in  den  neueren  Ausgaben 
steht  dafür  nil  ideo;  das  genügt  nun  wohl  den  Forderungen  der 
Metrik,  hilft  aber  nicht  gründlich;  denn  ideo  passt,  wie  mir  scheint 
überhaupt  nicht  in  den  Zusammenhang.  Der  Stallknecht,  welcher  gegen 
Abend  Futter  in  den  Stall  bringt,  in  dem  sich  der  Hirsch  versteckt  hat, 
soll  d  css  halb  d.  h.  also,  weil  er  Futter  trägt,  das  Tbier  nicht  sehen. 
Allein  er  wirft  ja  doch  seine  Bürde  im  Stall  ab;  warum  soll  er  denn 

1* 


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4 


dann  den  Eindringling  nicht  sehen  können?  Dazu  kommt  noch,  dass 
der  Knecht,  wenn  er  den  Hirsch  nicht  sehen  kann,  somit  ausser 
Schuld  ist,  in  die  Fabel,  deren  Pointe  die  ist,  dominum  videre  pluri- 
mum  in  rebus  suis ,  gar  nicht  passt.  Dem  Dichter  komme  es  ja  vor 
allem  darauf  an,  den  Unterschied  zwischen  Miethling  und  Herr  darzu- 
thun;  er  kann  also  den  bubulcus  nicht  entschuldigen  wollen.  Auf  dem 
rechten  Weg,  die  Stelle  zu  heilen,  scheint  mir  Langen  gewesen  zu 
sein,  der  p.  208  sagt:  „Ideo  ist  vielleicht  aus  dem  folgenden  videt 
entstanden  und  hat  das  Richtige  verdrängt.  Ob  sichs  mit  ideo  nun 
wirklich  so  verhält,  wie  Langen  meint,  oder  ob  das  Wort  etwa  als 
Glosse  vom  Rand  in  den  Text  gekommen,  ist  gleichgiltig;  auf  jeden 
Fall  halte  ich  mit  Langen  daran  fest,  dass  ideo  ursprünglich  nicht  im 
Text  stand  und  jetzt  des  Richtige  verdrängt  hat  Dass  es  nec  quic- 
quam  geheissen  habe,  wie  Langen  meint,  bezweifle  ich  und  zwar 
desshalb,  weil  gleich  weiter  unten  v.  14  nec  ille  quiequam  sentit  steht 
und  diese  Wiederholung  lästig  wäre.  Der  Wortlaut  der  Paraphrasen 
des  Romulus  (cumque  foenum  et  frondes  et  omne  genus  pabuli  bübulei 
stdbulo  reponerent,  cervum  non  viderunt)  scheint  mir  darauf  hinzu- 
weisen, dass  der  Vers  ursprünglich  frondem  bubulcus  adfert,  nec 
cervum  videt  gelautet  habe;  damit  würde  auch  die  Objectsellipse 
y.  13  nemo  animadvertit  ihre  Härte  verlieren. 

7. 

II.  ep.  12:  8%  nostrum  Studium  pervenit  ad  aures  tuas. 

Die  schlechte  Auflösung  der  Arsis  des  vierten  Fusses  pervenit  ad 
kann  unmöglich  von  Phädrus  sein;  man  liest  desshalb  vielfach  ad 
aures  pervenit  tuas  in  den  Texten,  und  Langen  p.  208  meint,  es  liege 
auf  der  Hand ,  dass  diess  das  Richtige  sei.  Aber  pervenit  wäre  dann 
aus  einem  metrischen  Grunde  als  Perfect  zu  fassen,  was  dem  Zusammen- 
hang nach  nicht  wohl  angeht,  wenigstens  hart  sein  würde:  si  nostrum 
Studium  .  .  .  pervenit  ...  et  .  .  .  animus  sentit.  Langen  sieht  das 
zwar,  scheint  sich  aber  nicht  daran  zu  stossen.  Luc.  Müller  hat  dess- 
halb ,  um  das  Präsens  zu  retten ,  statt  ad  aures  pervenit  tuas  seine 
Conjectur  ad  aures  cultas  pervenit  in  seine  Ausgabe  aufgenommen, 
was  ohne  Zweifel  metrisch  richtig  ist  und  den  vom  Zusammenhang 
geforderten  Sinn  gibt,  mir  aber  eine  etwas  zu  gewaltsame  Aenderung 
der  Ueberlieferung  zu  sein  scheint.  Was  Metrik  und  Zusammenhang 
anlangt,  ebensogut  als  cultas  und  dem  bandschriftlich  überlieferten 
tuas  näher  stehend  ist  tritas,  wesshalb  ich  ad  aures  tritas  pervenit 
zu  lesen  vorschlage. 

8. 

II.  ep.  17:  Nec  quiequam  possunt}  nisi  meliores  carpere. 
Die  vier  Kürzen   mit  dem  Ictus   auf  der  ersten  Silbe  nisi 
meliores  enthalten  einen  argen  Verstoss  gegen  die  Metrik  und  können 


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ursprünglich  nicht  so  gelautet  haben;  denn  da  schon  Plautus  und 
Terenz  vermieden  haben,  im  Senaf  einer  aufgelösten  Arsia  eine  aufge- 
löste Thesis  folgen  zu  lassen,  kann  Pbädrus  unmöglich  so  geschrieben 
haben,  cf.  Luc.  Müller  de  re  metr.  p.  413:  itaque  LuciUi  Varronisque 
et  Phaedri  studia  metrica  ea  fere  lege  evenere,  ut  vitaretur  his 
quidquid  Plauto  Terentioque  displiceret,  additis  praeterea  observantiis 
pleri8que,  quas  Uli  mediocri  vel  nulla  habuissent  cura.  Mit  Bentley 
den  ganzen  Vers  ohne  Weiteres  als  unächt  auszuwerfen,  was  die  neueren 
Herausgeber  Luc.  Müller  und  Eyssenhardt  tban,  halte  ich  mit  Langen 
für  bedenklich,  zumal  sich  durch  eine  leichte  Aenderung,  wie  mich 
dünkt,  das  Richtige  herstellen  lässt;  ich  lese:  nee  quicquam  possunt 
nisi  majores  carpere. 

9. 

IV.  6.  2 :  Historia  quorum  in  tabernis  pingitur. 

So  steht,  von  anderen  Ausgaben  gar  nicht  zu  reden,  merkwürdiger 
Weise  auch  in  der  von  Orelli,  obwohl  schon  in  der  Editio  princeps 
Pithoeana  durch  ein  Sterneben  zwischen  quorum  und  in  angedeutet 
ist,  dasB  etwas  fehlt;  die  neueren  Herausgeber  haben,  so  viel  ich 
sehen  kann,  Heinsius'  Conjectur  e  t  aufgenommen  und  schreiben  historia 
quorum  e  t  in  tabernis  pingitur.  Da  aber  nicht  recht  einzusehen  ist, 
wie  hier  et  &o  ganz  spurlos  ausfallen  konnte,  so  vermuthe  ich,  es  habe 
ursprünglich  zwischen  quorum  und  in  omni  gestanden,  das  ebensowohl 
bei  der  grossen  Aehnlicbkeit  der  vorhergehenden  und  darauf  folgenden 
Buchstaben  dem  Auge  des  Abschreibers,  als  beim  Vorlesen  dem  Ohre 
des  Nachschreibenden  entgehen  konnte;  ich  lese  also  historia  quorum 
omni  in  taberna  pingitur. 

10. 

IV.  18.  19:  Odore  canibus  anum,  sed  multo,  replent. 

So  schreibt  Luc.  Müller  in  seiner  Ausgabe  in  Uebereinstimmung 
mit  den  Handschriften,  obwohl  die  Herausgeber  längst  an  sed  multo 
AnBtoss  genommen  haben;  aber  Orelli  wird  doch  wohl  Recht  haben 
mit  seiner  Anmerkung:  Partie,  sed  impedit  construetionem.  Dass 
Bothe's  Conjectur  sedulo  replent,  was  Dressler  und  Orelli  billigten, 
zu  verwerfen  ist,  weil  sie  einen  falschen  Jambus  im  fünften  Fuss 
enthält,  hat  schon  Langen  bemerkt;  die  von  ihm  vorgeschlagene  Um- 
stellung replent  sedulo  jedoch  ist,  obwohl  er  das  bestreitet,  wegen 
der  Positionslänge  in  replent  bedenklich,  da  plf  soviel  mir  bekannt 
ist,  beiPhädrus  nirgends  Position  macht;  nur  in  den  fabulae  Perottinae 
steht  einmal  (14,  2;  Orelli  15,  2)  locüples.  Sed  spurco,  wie  Eyssen- 
hardt mit  Bentley  liest,  entfernt  sich  doch  zu  sehr  von  der  üeber- 
lieferung,  als  dass  es  für  wahrscheinlich  gelten  könnte.  Mir  scheint 
odore  canibus  anum  tat  multo  replent,  was  bis  jetzt  meines  Wissens 
noch  von  Niemandem  vorgeschlagen  ist,  das  Richtige  zu  Bein. 


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11 

V.  3.  11  —13:   Hoc  argumento  veniam  dari  docet, 

Qui  casu  peccat,  quam  qui  consilio  est  nocens; 
Hl  um  esse  qua  (m)  vi  8  dignum  poena  judico. 

Der  erste  dieser  Verse  bat  den  Heraasgebern  viel  zu  schaffen 
gemacht;  ich  will  einige  von  den  gemachten  Verbesserungsvorschlägen 
hersetzen;  es  steht  beiOrelli:  hoc  argumentum  veniam  ei  dari  docet; 

bei  Luc.  Müller:  hoc  argumentum  venia  donari  docet ; 
bei  Eyssenhardt:  hoc  argumentum  veniam  dandam 

Uli  docet; 

alle  diese  fahren  dann  fort 

qui  casu  peccant.  Nam  qui  consilio  est  nocens, 
illum  esse  qua(m)vis  dignum  poena  judico. 
Diese  Emendationsversuche  haben,  wie  man  siebt,  das  miteinander 
gemein,  dass  sie  argumento,  um  docet  zu  halten,  in  argumentum  und 
im  folgenden  Verse  des  Sinnes  halber  das  bandschrifsliche  quam  in 
nam  ändern.  Ich  vermuthe  jedoch,  dass  gerade  docet  das  ganze 
Verderbniss  verschuldet  hat,  indem  es  durch  das  nicht  verstandene  und 
in  hoc  argumentum  geänderte  hoc  argumento  in  den  Text  gekommen 
ist  und  dann  natürlich  etwas  anderes  verdrängt  hat;  das  quam  des 
folgenden  Verses  scheint  mir  anzudeuten,  dass  ein  Comparativ  ausge- 
fallen ist;  ich  lese  also: 

Hoc  argumento  veniam  ei  potius  dari, 

Qui  casu  peccat,  quam  qui  consilio  est  nocens ; 

Blum  esse  quavis  dignum  poena  judico. 

12. 

V.  7.  (Or.8)  13—15:  Ut  spectatorum  mos  est  et  lepidum  genus, 

Desiderari  coepit,  cujus  flatibus 
Solebat  excitari  saltantis  vigor. 

Von  den  neueren  Herausgebern  hat  meines  Wissens  nur  Luc.  Müller 
die  handschriftlich  sicher  überlieferten  Worte 

Ut  spectatorum  mos  est  et  lepidum  genus, 
Desiderari  coepit  .  .  . 
(Wie  dies  die  Sitte  deB  schaulustigen  Publicums  und  wie  dies  ein  spass- 
haftes  Völkchen  ist,  Siebeiis  —  Eckstein)  geändert,  wohl  der  Härte  der 
Construction  wegen  und   offenbar  mit  Recht.    Was  er  aber  dafür 
gesetzt  hat 

Ut  spectatorum  mos  est,  id  lepidum  genus 

Desiderare  coepit  .  .  ., 
will  mir  nicht  recht  gefallen,  weil  das  id,  wie  mir  scheint,  etwas 
gesuchtes  hat.   Anderen  geht  es  wohl  ebenso;    denn  es  i3t  ihm  bis 
jetzt,  so  viel  ich  sehe,  niemand  gefolgt.    Geändert  muss  aber,  wie  ich 
glaube,  an  der  Stelle  werden;  vielleicht  ist  zu  lesen 


S*ir\.  .  .  •  -    Drittel  by  Google 


7 


Ut  spectat nr um  come  est  et  lepidum  genus, 
Desiderari  coepit,  cujus  flatibus 
Solebat  excitari  saltantis  vigor. 

Bayreuth.  Zorn. 


lieber  den  Umfang  des  historischen  Unterrichtes  anf  Schulen. 

Der  historische  Unterriebt  hat  heutzutage  fast  überall  die  gebührende 
Würdigung  gefunden.  Es  wird  nicht  leicht  eine  Schule  geben,  in  deren 
Lehrplan  er  fehlt;  man  weiss  ihn  als  ein  wichtiges  Bildungsmittel  für 
Geist  und  Geraüth  des  Schülers  zu  schätzen.  Aber  darüber,  welche 
Theile  des  grossen  von  der  Geschichtswissenschaft  gesammelten  Stoffes 
für  Schulen  auszuwählen,  welche  Gebiete  mit  den  Schülern  zu  durch- 
laufenseien, herrscht  immer  noch  grosse  Verschiedenheit  der  Ansichten. 
Insbesondere  streitet  man  noch  darüber,  ob  auf  Schulen  Universal- 
geschichte zu  lehren  sei,  ob  man  die  Entwicklungsgeschichte  des  ganzen 
menschlichen  Geschlechtes  an  den  Augen  der  Schüler  vorüberführen 
müsse,  oder  ob  man  sich  auf  die  Geschichte  einzelner  Völker  be- 
schranken dürfe.  Die  berufensten  Stimmen  haben  sich  zwar  für  das 
Letztere  ausgesprochen;  aber  man  stösst  mit  dieser  Ansicht  immer 
noch  auf  Widerspruch. 

Wenn  man  die  Frage,  ob  auf  Scholen  Universalgeschichte  zu  lehren 
sei  oder  nicht,  erörtern  will,  so  darf  man,  wie  ich  glaube,  nicht  von 
abstracten  Theorieen,  von  principiellen  Forderungen  über  den  Zweck 
des  Geschichtsunterrichtes  und  ähnlichen  Dingen  ausgehen,  die  man  sich 
vielleicht  für  den  Bpecielleren  Zweck  selbst  erst  construirt  hat,  sondern 
man  muss  auf  die  gegebenen  Verhältnisse  Rücksicht  nehmen,  man  muss  die 
Sache  vor  allem  vom  praktischen  Standpunkte  aus  ins  Auge  fassen. 
Die  Frage  wird  sich  also  zunächst  nicht  so  stellen:  8 ollen  wir  auf 
Schulen  Universalgeschichte  lehren,  sondern:  Können  wir  sie  lehren? 
Es  wäre  ja  freilich  ein  sehr  schönes  Ziel,  dem  Schüler  einen  Ueber- 
blick  zu  geben  über  den  Entwicklungsgang  des  ganzen  menschlichen 
Geschlechtes  oder  ihm  das  Walten  Gottes  in  der  Geschichte  der 
Völker  vor  Augen  zu  führen,  oder  wie  man  sich  sonst  ausdrücken  mag; 
es  wäre  sehr  schön,  nachzuweisen,  wie  sich  der  menschliche  Geist1  unter 
verschiedenen  Bedingungen  verschieden  entwickelt  und  zu  verschiedenen 
Völkerindividualitäten  ausgestaltet  habe;  aber  die  Frage  ist  nur,  ob  wir 
ein  solches  Ziel  unter  den  gegebenen  Umständen  erreichen  können. 
Und  darauf  ist  entschieden  mit  Nein  zu  antworten.  Oder  können  wir 
vielleicht  mit  Gymnasiasten  —  denn  von  diesen  allein  könnte  doch  wohl 
die  Rede  sein  —  ,  also  mit  jungen  Leuten  von  14  —  20  Jahren  in  einem 
4  — 5jährigen  Kursus  bei  einer  ziemlich  beschränkten  Stundenzahl  zu 
einer  derartigen  Kenntniss  der  Universalgeschichte  gelangen,  dass  sich 


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8 


daraus  wie  von  selbst  nun  vor  ihrem  Geiste  das  lebendige  Bild  eines 
geordneten,  planvollen  Ganzen  entwickelt,  dass  sie  die  leitenden  Faden 
erkennen,  die  sich  nach  allen  Seiten  hindurchziehen.  Ich  möchte 
fragen,  wie  viele  Lehrer  es  gibt,  die  eine  solche  Kenntnis-  der  Universal- 
geschichte haben.  Ich  zweifle  gar  nicht  daran,  dass  sich  dieses  Ziel 
scheinbar  erreichen  lässt.  Man  kann  sich  ja  leicht  eine  Philosophie 
der  Geschichte  zurechtmachen,  auch  ohne  die  Geschichte  gründlich  zu 
kennen,  kann  seine  Ideen  den  Schülern  vordociren  und  diese  sie  dann 
gläubig  nachsprechen  lassen.  Aber  was  ist  damit  erreicht?  Wohl  eben 
so  viel,  als  wenn  ich  den  Schüler  Urtheile  über  ein  Buch  nachsprechen 
lasse,  das  er  nicht  gelesen,  oder  wenn  ich  Grammatik  treibe  ohne 
Leetüre.  Alle  Erkenntnis*,  die  nicht  im  Geiste  des  Menschen  selbst 
geboren  wird  und  aufwächst,  die  ihm  nur  von  aussen  so  anfliegt,  ist 
ein  todtes  und  unsicheres  Besitzthum.  Und  es  ist  ein  treffliches  Wort 
von  Roth :  „Welches  noch  so  vornehm  gewordene  und  selbstzufriedene 
Scbulmeisterthum  vermag  die  Natur  unseres  Geistes  umzukehren,  die  vom 
Besonderen  zum  Allgemeinen  aufsteigen  will,  nicht  im  Allgemeinen  das 
Besondere  aufzusuchen  begehrt".  Das  gilt  besonders  von  der  Geschichte. 
Will  man  hier  lebendige  Bilder  geben,  die  das  Interesse  wecken,  auf 
Geist  und  Gemüth  wirken  sollen,  so  muss  man  weder  mit  leeren  Ab- 
stractionen  noch  mit  todten  Notizen  kommen,  sondern  sich  ins  Einzelne 
und  Besondere  vertiefen.  Wie  will  man  aber  das  erreichen,  wenn  man 
Universalgeschichte  lehren  will?  Denn  das  heisst  nicht  Universal- 
geschichte lehren  —  wie  es  die  meisten  unserer  Lehrbücher  der  allge- 
meinen Geschichte  für  die  mittlere  und  neuere  Zeit  machen  —  die 
Geschichte  eines  Volkes  in  den  Vordergrund  stellen,  daran  einzelne 
wichtigere  Begebenheiten  aus  der  Geschichte  anderer  Länder  anknüpfen 
und  diese  unter  sich  durch  ein  paar  Notizen  verbinden.  Ich  habe 
an  und  für  sich  gegen  dieses  Verfahren  nichts  einzuwenden,  wie  ich 
später  zeigen  werde;  aber  man  muss  sich  darüber  klar  werden,  dass 
man  damit  nicht  Universalgeschichte  treibt,  man  muss  die  hohen  Worte 
fallen  lassen  und  muss  den  Schüler  nicht  zu  dem  Glauben  verleiten, 
dass  er  wirklich  das  ganze  Gebiet  der  Geschichte  durchmessen  habe 
und  nun  über  alles  und  jedes  aburtheilen  könne.  Wenn  ich  Universal- 
geschichte lehren  will,  dann  muss  ich  von  dem  Principe  ausgeben,  das 
in  den  Vordergrund  zu  stellen,  was  für  den  Entwicklungsgang  des 
ganzen  Geschlechtes  von  Bedeutung  gewesen  ist,  darein  muss  ich  mich 
vertiefen;  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  kann  mir  leicht  die  Geschichte 
eines  asiatischen  Reiches  wichtiger  sein,  als  die  Geschichte  meiner 
Heimath.   Das  ist  aber  kein  Gesichtspunkt  für  Schulen.  — 

Universalgeschichte  auf  Schulen  zu  lehren,  halte  ich  also  zunächst 
für  unmöglich.  Die  Zeit  reicht  nicht  dazu  aus.  Und  der  Schüler 
des  Gymnasiums  ist  vermöge  seines  Alters  noch  nicht  fähig,  ein  so 


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I 


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ausgedehntes  Gebiet  zu  übersehen ;  die  Menge  der  ihm  zufliegenden 
Tbatsachen  wird  ihn  nur  verwirren  nnd  an  der  richtigen  Erkenntniss 
des  Einzelnen  hindern.  Meint  man  aber,  er  gewinne  auf  diesem  Wege 
wenigstens  die  Kenntniss  einer  grossen  Anzahl  von  Daten,  an  die  sich, 
was  er  später  auf  diesem  Felde  erwerbe,  leicht  anschließen  könne, 
gleichsam  einen  Krystallisationskern  dafür  abgebe,  so  halte  ich  diese 
Hoffnung  für  sehr  illusorisch.  Man  p'röfc  einen  Gymnasiasten  ein  Jahr 
nach  seinem  Abgange  von  der  Schule  über  seine  Geschichtskenntnisse, 
und  man  wird  schwerlich  über  die  Menge  derselben  erstaunt  sein. 
Und  das  ist  leicht  erklärlich  Denn  nur  das  deutlich  Angeschaute  oder 
geistig  Verstandene  wird  leicht  und  dauernd  vom  Gedächtniss  bewahrt. 
Man  wird  also  auch  in  dieser  Hinsicht  nur  durch  Beschränkung  sein 
Ziel  erreichen. 

Universalgeschichte  auf  Schulen  zu  lehren,  scheint  mir  aber  auch 
unnöthig.  Denn  wenn  man  durch  den  Geschichtsunterricht  auf  das 
sittliche  Gefühl  des  Schülers  wirken,  wenn  man  seine  Urtheilskraft 
stärken,  wenn  man  ihn  auch  im  geistigen  Leben  auf  das  Walten 
gewisser  Gesetze,  auf  den  Zusammenhang  zwischen  Ursache  und 
Wirkung  aufmerksam  machen,  wenn  man  Interesse  für  die  Vergangenheit 
nnd  geschichtlichen  Sinn  bei  ihm  wecken  will,  so  kann  man  dies  alles 
eben  so  gut,  ja  viel  besser  durch  das  Eingehen  auf  die  Geschichte 
einzelner  Völker,  als  durch  ein  oberflächliches  Hinblicken  über  die 
Universalgeschichte.  Weiter  aber,  bis  zu  einer  Philosophie  der  Geschichte, 
bis  zur  Nachweisung  leitender  Ideen,  die  zudem  oft  nur  im  Kopfe  ihrer 
Urheber  existiren,  soll  die  Schule  nicht  gehen,  auch  das  Gymnasium 
nicht.  Das  Gymnasium  soll  ja  die  Bildung  des  Menschen  nicht  ab- 
schliessen,  es  soll  nur  einen  tüchtigen  Grund  legen,  Anregungen  geben, 
die  durchs  ganze  Leben  nachwirken,  und  es  soll  für  die  Universität 
vorbereiten.  Wenn  man  aber  das  Ziel  des  Geschichtsunterrichtes  auf 
Gymnasien  so  hoch  stellt,  wie  manche  wollen,  dann  ist  nicht  abzusehen, 
was  der  Universität  noch  zn  thun  bleibt,  und  zu  welchem  Zw,eck  auch 
auf  ihr  noch  allgemein  bildende  Fächer  gelehrt  werden.  — 

Wenn  es  nun  feststeht,  dass  Universalgeschichte  auf  Schulen  nicht 
zu  lehren  ist,  welche  Theile  derselben  sollen  dann  ausgewählt  und  auf 
den  verschiedenen  Unterrichtsstuffen  gelehrt  werden?  —  Ich  werde  bei 
Beantwortung  dieser  Frage  besonders  die  Volksschulen ,  die  Gewerb- 
schulen, die  Lateinschulen  und  die  Gymnasien  ins  Auge  fassen. 

In  der  Volksschule  wird  man  sich  in  Bezug  auf  den  historischen 
Unterricht  die  möglichste  Beschränkung  auferlegen  müssen.  Man  wird 
auf  eine  zusammenhängende  Darstellung  des  Geschichtsverlaufes  gänzlich 
verzichten  müssen.  Ja  ich  glaube,  es  werden  überhaupt  keine  beson- 
deren Lehrstunden  für  diesen  Unterricht  anzusetzen,  und  noch  weniger 
wird  ein  besonderer  Leitfaden  für  denselben  zu  gebrauchen  sein.  Es 
ist  möglich,  dass  das  in  den  Ohren  mancher  Volksschullehrer  wie  eine 


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Ketzerei  klingen  und  dass  man  es  für  einen  Mangel  an  pädagogischem 
Verständnisa  oder  an  Eifer  für  die  Hebung  der  Volksbildung  erklären 
wird ,  wenn  man  derartige  Ansichten  ausspreche.  Denn  man  ist  ja  in 
neuerer  Zeit  bemüht,  die  Volksschule  möglichst  hinaufzuschrauben  und 
hält  es  für  ein  Zeichen  pädagogischer  Weisheit,  ihr  möglichst  unerreich- 
bare Ziele  zu  stecken.  Was  sich  in  einzelnen,  günstig  situirtcn  Stadt- 
schulen mit  Mühe  erreichen  lässt,  will  man  zur  Directive  für  die 
Landschulen  machen.  Ich  kenne  eine  Lehrordnung  für  Volksschulen, 
in  der  ein  Geschicbtspensum  vorgeschrieben  ist,  dessen  Bewältigung 
jedem  Gymnasiasten  Ebre  machen  würde.  Dabei  kommt  es  aber  leicht 
vor ,  dass  aus  solchen  Schulen  Schüler  hervorgehen ,  die  weder  lesen 
noch  schreiben  können.  In  der  Volksschule  kann  der  Geschichts- 
unterricht keinen  andern  Zweck  haben,  als  auf  das  sittliche  Gefühl 
und  den  Patriotismus  belebend  zu  wirken,  Interesse  für  die  Ver- 
gangenheit und  ein  Gefühl  dafür  zu  erwecken,  dass  die  Zustände,  in 
denen  wir  leben,  nach  gewissen  Gesetzen  allmählich  geworden  sind. 
Das  kann  aber  durch  Aufnahme  passender  Stücke  ins  Lesebuch  und 
durch  gelegentliche  Erzählungen  des  Lehrers,  die  sich  an  einen  patrio- 
tischen Jahrestag  anschliessen  oder  die  Einförmigkeit  des  gewohnten 
Unterrichtsganges  einmal  wohlthätig  unterbrechen,  zur  Genüge  geschehen. 
Deswegen  braucht  übrigens  dieser  Unterricht,  wenn  er  sich  auch  nicht 
an  ein  zusammenhängendes  Lehrbuch  anschliesst,  doch  nicht  plan-  und 
systemlos  zu  sein  Der  Lehrer  kann  bei  dem  Lesen  und  Erzählen 
eine  gewisse  Ordnung  einhalten,  und  er  kann  auch,  Boweit  es  möglich 
ist,  zwischen  den  einzelnen  Stücken  durch  passende  Bemerkungen 
einigen  Zusammenhang  herstellen.  Insbesondere  aber  wird  er  in  der 
Geschichte  seiner  Heimath  bekannt  sein,  aus  ihr  werden  seine  Erzähl- 
ungen vorzüglich  entnommen  sein  müssen.  Das  wird  ihnen  Leben  und 
Interesse  geben.  Wenn  er  dann  das  Einzelne  mit  der  Geschichte  des 
Ganzen  so  zu  verknüpfen  weiss,  das?,  die  Schüler  fühlen,  dass  auch 
ihre  klejnen  und  beschränkten  Verhältnisse  in  einem  grossen,  viel 
umfassenden  Zusammenbange  stehen,  wenn  sich  das  Einzelbild  auf 
einem  grossen  und  bedeutungsvollen  Hintergrunde  klar  und  deutlich 
abhebt,  dann  wird  er  seinen  Zweck  vollständig  erreicht  haben.  — 

An  den  Gcwerbschulen  und  verwandten  Anstalten  kann  der  Geschichts- 
unterricht schon  ein  höheres  Ziel  erstreben.  Aber  es  thut  auch  hier 
Beschränkung  noth.  Wir  müssen  uns  an  diesen  Schulen  auf  die 
deutsche  Geschichte  beschränken.  Aus  der  allgemeinen  Geschichte 
können  nur  einzelne  ausgewählte  Partieen  zur  Darstellung  kommen. 
Diese  jedoch  werden  nicht  zu  entbehren  sein.  Es  gibt  ja  eine  Reihe 
von  Begebenheiten,  die  so  tief  auf  den  Entwicklungsgang  der  ganzen 
Menschheit  eingewirkt  haben,  dass  wir  sie  bei  der  Geschichte  keines 
Volkes  übergehen  können.  Es  gibt  andere,  deren  Besprechung  für  das 


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Verstündniss  der  eigenen  Volksgeschichte  unumgänglich  nothwendig  ist. 
Ich  erinnere  nur  an  die  Stiftung  des  Islam,  die  Kreuzzüge,  die  Ent- 
deckung Amerikas,  die  Kegierung  Ludwigs  XIV.  Aber  auf  die  Dar- 
stellung der  griechischen  und  römischen  Geschichte  werden  wir  an  den 
Gewerbeschulen  verzichten  müssen.  Es  wäre  ja  freilich  sehr  wünschens- 
wert, wenn  der  Bildungsstoff,  der  in  der  alten  Geschichte  liegt,  auch 
diesen  Schulen  zu  gute  kommen  könnte.  Und  ich  kenne  recht  wohl 
die  Vorzüge,  die  der  alten  Geschichte  gerade  für  den  Jugendunterricht 
der  neueren  gegenüber  eigen  sind.  Aber  die  Erfahrung  lehrt,  dass 
die  griechische  und  römische  Geschichte,  wo  sie  nicht  von  der  Leetüre 
getragen  und  unterstützt  wird,  vollständig  in  der  Luft  schwebt,  dass 
es  unmöglich  ist,  sie  in  solchem  Falle  zum  Verständniss  zu  bringen, 
oder  auch  nur  ein. tieferes  Interesse  für  sie  zu  erwecken.  Man  sieht 
sich  da  auf  eine  anekdotenhafte  Behandlung  der  Geschichte  beschränkt, 
bei  der  doch  ungemein  wenig  gewonnen  wird.  Man  kann  freilich  auch 
geltend  machen,  es  sei  für  die  Anfänge  der  deutschen  Geschichte  und 
so  manches  in  der  späteren  Entwicklung  unseres  Volkes  die  Kenntniss 
des  römischen  Reiches  und  der  Art,  wie  dasselbe  geworden,  nicht  leicht 
zu  entbehren.  Aber,  was  zu  diesem  Zwecke  wirklich  nöthig  ist,  wird 
sich  doch  auf  wenige  Grundzüge  beschränken  und  in  ein  paar  Stunden 
an  der  Hand  der  Karte  sich  erklären  lassen.  — 

Anders  stellt  sich  die  Sache  natürlich  bei  der  Lateinschule  und 
dem  Gymnasium  Dass  hier  griechische  und  römische  Geschichte  und 
überhaupt  alte  Geschichte,  soweit  sie  zu  deren  Erklärung  nothwendig 
ist,  gelehrt  werden  muss,  wird  niemand  bestreiten  wollen.  Das  Gym- 
nasium hat  ja  die  Aufgabe,  in  das  griechische  und  römische  Alterthum 
einzuführen,  und  zu  diesem  Zwecke  ist  es  natürlich  nothwendig,  dass 
die  in  der  Leetüre  zerstreut  gewonnenen  Kenntnisse  in  eigenen  Geschichts- 
stunden gesammelt,  geordnet  und  erweitert  werden.  Ausserdem  aber 
dürfte  auch  hier  die  Beschränkung  auf  die  deutsche  Geschichte  in  dem 
oben  angedeuteten  Masse  geboten  erscheinen.  Nur  in  der  Geschichte 
der  neuesten  Zeit,  von  der  französischen  Revolution  oder  von  1815  an 
würde  ich  von  dieser  Beschränkung  abgeben.  Denn  ich  glaube  nicht, 
was  man  zu  sagen  pflegt,  dass  diese  Periode  überhaupt  vom  Schul- 
unterrichte auszuschließen  sei,  dass  man  mit  dem  Jahre  1815  aufhören 
müsse,  weil  die  folgenden  Ereignisse  noch  nicht  der  Geschichte  ange- 
hörten und  wir  zu  sehr  noch  in  diesen  Bewegungen  drinnen  ständen, 
um  uns  ein  unparteiisches  Urtheil  darüber  bilden  zu  können.  Was  ist  das 
für  eine  willkürlich  angenommene  Gränze  zwischen  Geschichte  und  Gegen- 
wart! Und  wer  wird  behaupten  wollen,  dass  wir  den  Bewegungen  der 
Reformationszeit  unbefangener  und  kühler  gegenüberständen,  als  etwa 
dem  Kriege  von  1866.  Es  ist  zum  Verständnisse  der  Gegenwart  ganz 
unumgänglich  nothwendig,  auch  die  Zeit  von  1815  bis  auf  den  heutigen 


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Tag  in  den  Schulunterricht  hereinzuziehen.  Es  ist  doch  auch  ein  ganz 
unnatürliches  Verfahren,  bei  einem  bestimmten  Jahre  abzubrechen  und 
den  Schaler  über  die  unmittelbare  Genesis  gerade  der  Erscheinungen, 
in  deren  Mitte  er  selber  lebt,  unaufgeklärt  zu  lassen.  Er  kann  das 
freilich  nachholen,  aber  wie  viele  thun  es!  Und  bei  wie  vielen  fehlt 
aus  diesem  Grunde  ein  tieferes  Verständniss  der  die  Zeit  bewegenden 
Fragen.  Zudem  böte  gerade  diese  Behandlung  der  neuesten  Geschiebte, 
die  besonders  auch  auf  die  Entstehung  der  gegenwärtigen  territorialen 
Verhältnisse  Europas  einzugehen  hätte,  die  beste  Gelegenheit,  auch  die 
geographischen  Kenntnisse  im  Gymnasium  noch  einmal  aufzufrischen. 
Ebenso  könnten  bei  dieser  Gelegenheit  die  wesentlichen  Formen  staat- 
licher Einriebtungen  dem  Schüler  einigermassen  bekannt  werden.  Wir 
pflegen  darin  von  der  Schule  gar  zu  unwissend  gelassen  zu  werden.  — 
Wenn  nun  für  die  mittlere  und  neuere  Zeit  auch  auf  dem  Gymnasium 
nur  die  deutsche  Geschichte  zur  Darstellung  kommt ,  aus  der  allge- 
meinen aber  nur  eine  gewisse  Anzahl  von  Begebenheiten  ausgewählt 
werden  soll,  so  fragt  es  sich,  ob  bei  der  Behandlung  der  deutschen 
Geschichte  nicht  wieder  die  Geschichte  des  Landes  und  Volksstammes, 
dem  die  Schüler  angehören,  also  bei  uns  die  bayerische  Geschichte 
eine  besondere  Berücksichtigung  verdiene.  Es  kann  darüber  wohl  kaum 
ein  Zweifel  bestehen.  Jeder  Lehrer,  dem  es  darum  zu  thun  ist,  das 
Interesse  seiner  Schüler  zu  erwecken,  wird  sogar  die  Geschichte  der 
Provinz  und  der  Stadt,  in  der  er  lebt,  möglichst  betonen,  wird  immer 
zu  zeigen  suchen,  wie  die  grossen  Ereignisse  der  Weltgeschichte  auch 
in  diesen  kleinen  Kreis  ihre  Wellen  hineinwerfen.  Und  die  Entstehungs- 
geschichte des  Landes,  dem  man  angehört,  sollte  einem  doch  billig 
nicht  unbekannt  sein.  Aber  vor  einer  Klippe  wird  man  sich  dabei 
zu  hüten  haben.  Bei  der  Behandlung  einer  speciellen  Landesgeschichte 
verliert  man  sich  gar  zu  leicht  in  Einzelheiten ;  man  geht  in  Dinge  ein, 
die  ohne  Werth  und  Interesse  sind,  die  nur  gemerkt  werden,  um  wieder 
vergessen  zu  werden,  und  verleidet  dadurch  dem  Schüler  den  ganzen 
Unterricht.  Diese  Klippe  ist  auf  unseren  Gymnasien  nicht  immer  ver- 
mieden worden.  Dadurch  ist  mancher  Schaden  entstanden  und  eine  an 
und  für  sich  gute  Sache  vielfach  in  Misscredit  gekommen.  Grosse 
Schuld  daran  trug  vielleicht. die  Vorschrift,  die  bayerische  Geschichte 
in  einem  besonderen  Cursus,  getrennt  von  der  deutschen  zu  behandeln. 
Dadurch  wurde  man  unwillkürlich  genöthigt,  die  vorgeschriebene  Zeit 
mit  Lehrstoff  auszufüllen,  auch  wenn  es  an  wirklich  wissenswerthem 
fehlte.  Glücklicherweise  ist  diese  Bestimmung  in  der  neuen  Lehr- 
ordnung weggefallen ;  die  bayerische  Geschichte  soll  nur  im  Anschlnss 
an  die  deutsche  gelehrt  werden.  Dabei  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass 
man  diu  aus  der  bayerischen  Geschichte  beigezogenen  Thatsachen  zu- 
weilen in  besonderen  Stunden  bespreche  und  im  Zusammenhang  darstelle.  — 


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13 


Eine  weitere  Frage  ist  nun,  in  welcher  Weise  der  geschichtliche 
Lehrstoff  auf  die  verschiedenen  Jahrescurse  der  Lateinschule  und  des 
Gymnasiums  vertheilt  werden  soll.  In  dieser  Beziehung  haben  wir, 
wie  ich  glaube,  bisher  schon  die  richtige  Praxis  beobachtet.  Es  ist  die 
Aufgabe  der  Lateinschule,  dem  Geschichtsunterrichte  des  Gymuasiums 
einen  planmässigen  Vorbereitungsunterricht  vorausgehen  zu  lassen,  in 
dem  die  Elemente  bewältigt  werden  und  in  dem  eine  Summe  von 
Kenntnissen  gewonnen  wird,  die  beim  spätem  Aufbau  des  Geschichts- 
zusammenhangs gleichsam  schon  als  fertige  Bausteine  vorliegen  und 
nun  sofort  zur  Verwendung  kommen  können.  Es  sind  deshalb  auf  der 
Lateinschule  dieselben  Völker  und  Zeiträume  zu  behandeln,  wie  auf 
dem  Gymnasium,  was  noch  den  Vortheil  hat,  dass  dadurch  auch  die 
von  der  Lateinschule  ins  praktische  Leben  übertretenden  Schuler  kein 
Bruchstück,  sondern  ein  Ganzes  haben  Ein  derartiges  wiederholtes 
Durchlaufen  des  gesammten  Lehrgebietes,  doch  unter  verschiedenen 
Gesichts-  und  mit  verschiedenen  Ruhepunkten  ist  von  grossem  Vortheil. 
Denn  es  weiss  jeder  aus  eigener  Erfahrung,  wie  nothwendig  es  gerade 
in  der  Geschichte  ist,  den  Stoff,  den  man  dem  Gedächtnisse  einprägen 
will,  wiederholt  dem  Geiste  vorzuführen.  Die  Gefahr,  die  man  dabei 
vielleicht  befürchten  könnte,  dass  dann  auf  dem  Gymnasium  für  den 
schon  bekannten  Stoff  nicht  mehr  das  volle  lebendige  Interesse  vor- 
handen wäre,  wie  man  es  wünschen  müsse,  würde  nur  dann  bestehen, 
wenn  man  die  Sache  verkehrt  anpacken  würde.  Wenn  man  freilich 
auf  beiden  Unterrichtsstufen  dasselbe  Lehrbuch  im  Gebrauche  hat, 
oder  was  unter  Umständen  noch  verkehrter  sein  dürfte,  auf  der  untern 
Stufe  einen  kürzern,  auf  der  obern  einen  etwas  ausführlicheren  Leit- 
faden, und  wenn  sich  der  Lehrer  vielleicht  darauf  beschränkt,  diesen 
Leitfaden  auswendig  lernen  zu  lassen,  dann  ist  es  freilich  nicht  zu 
verwundern,  wenn  der  Schüler  nach  der  einmaligen  Durchwanderung 
des  Geschichtsgebietes  vollständig  genug  hat  und  auf  eine  Wieder- 
holung dieses  Vergnügens  seinerseits  gerne  Verzicht  leisten  würde. 
Aber  das  liegt  denn  doch  nur  an  der  falschen  Behandlungsweise  der 
Sache.  Nicht  so  soll  die  Lateinschule  das  Geschichtspensum  durch- 
laufen, dass  sie  womöglich  einen  noch  dürftigeren  Auszug,  ein  noch 
nackteres  Gerippe  vor  das  Auge  des  Schülers  stellt,  als  es  dann  auf 
dem  Gymnasium  geschieht;  sie  soll  über  ganze  Abschnitte,  in  denen 
nichts  für  sie  zu  holen  ist,  mit  einem  Schritte  hinwegschreiten,  durch 
einige  Jahreszahlen  oder  Daten  sich  gleichsam  ein  paar  Merksteine 
setzen,  dann  aber  in  anderen  Gebieten,  die  fruchtbarer  für  sie  sind, 
um  so  ruhiger  verweilen,  um  so  behaglicher  sich  niederlassen,  um  so 
schärfer  nach  allen  Seiten  sich  umsehen.  Kenntniss  der  Geschichte 
gewinnt  man  nur  durch  eine  derartige  Vertiefung  ins  Einzelne  und 
Besondere.   Fragen  wir  uns  nur  selber  I   Wer  hat  denn  jemals  durch 


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das  Richtige  finden.  —  Mit  diesen  culturhistorischen  Schilderungen 
könnte  man  schon  auf  den  unteren  Unterrichtsstufen  beginnen.  Man 
brauchte  sie  nur  in  die  Form  von  Einzelerzählungen  zu  kleiden;  statt 
allgemeiner  Erörterungen  z.  B.  über  das  Städtewesen  des  Mittelalters, 
die  freilich  für  einen  Knaben  nicht  passen  mögen ,  müsste  man  eine 
Episode  aus  dem  Leben  einer  Stadt  möglichst  anschaulich  erzählen. 
Tiefer  und  umfassender  aber  würden  sich  natürlich  diese  Schilderungen 
auf  den  oberen  Unterrichtsstufen  gestalten.  Und  ich  bin  überzeugt, 
sie  würden  Geist  und  Oemüth  der  Schüler  mehr  anregen,  dauernder 
ihre  Phantasie  beschäftigen,  sicherer  die  Lust  zu  weiterem  Eindringen 
in  die  Geschichte  wecken,  als  es  der  dürftige  Auszug  von  Feldzugs- 
und Staatengeschichte  zu  thun  vermag,  der  uns  oft  allein  auf  unsern 
Schulen  geboten  wird.  Es  würde  auf  diesem  Wege  vielleicht  auch 
gewonnen  werden,  was  mir  eines  der  wichtigsten  Resultate  des  histor- 
ischen Unterrichtes  scheint,  Ehrfurcht  vor  der  Vergangenheit,  geschicht- 
licher Sinn-  Es  fehlt  uns  daran  so  sehr.  Die  Vergangenheit  erscheint 
vielen  nur  als  der  dunkle  Hintergrund,  auf  dem  das  Bild  der  Gegenwart 
um  so  heller  sich  abhebt.  Wir  vergessen,  dass  wir  auf  den  Schultern 
unserer  Vorfahren  stehen,  lachen  ihrer  Kleinheit  und  wundern  uns 
über  unsere  eigene  Grösse.  Könnten  wir  diesen  selbstzufriedenen 
Sinn  in  den  Herzen  der  Jugend  bannen,  könnten  wir  ein  Gefühl  dafür 
wecken,  dass  es  viel  angemessener  ist,  in  dankbarer  Pietät  zu  unsern 
Vorfahren  aufzuschauen,  als  in  hochmüthigem  Selbstdunkel  auf  sie 
herabzusehen,  könnten  wir  überhaupt  das  Gefühl  der  Pietät  in  der 
Jugend  stärken  —  wir  würden  keinen  geringen  Beitrag  geleistet  haben 
zur  Heranbildung  eines  besseren  Geschlechtes. 

Augsburg.  J.  Hans. 


„Mensa  est  rotunda." 

Bei  der  syntaktischen  Erklärung  von  Sätzchen  dieser  Gattung 
pflegen  zwei  üngenauigkeiten  vorzukommen,  auf  welche  hinzuweisen 
der  Zweck  dieser  Zeilen  ist. 

Die  erste  und  hauptsächliche  Ungenauigkeit  ist  die,  dass  man  est 
für  die  Copula  (Satzband)  erklärt.  Englmann  führt  sogar  ausser  dem 
Verbum  «uro,  welches  als  Satzband  dient,  noch  gegen  20  Verba  oder 
mehr  an,  welche  auch  als  Copula  dienen,  nämlich:  /<>>,  evado, 
exsisto  etc.;  puturi,  appellari,  etc.  Aber  auch  alle  unsere  anderen 
für  den  Schulgebrauch  genehmigten  Grammatiken  haben  diese  oder 
eine  ganz  ähnliche  Ansicht,  und  zwar  die  deutschen  ebenso  wie  die 
lateinischen. 

Diese  Ansicht  ist  von  Logikern  bereits  seit  vielen  Jahren  als  un- 
genau erkannt  und  nachgewiesen  worden.   So  z.  B.  stellt  Ueberweg  in 


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seinem  vielfach  benützten  System  der  Logik  die  Sache  völlig  richtig 
dar.  Das  est  ist  nicht  ein  inhaltsloses  Satzband,  sondern  in  ihm 
stecken  ausser  der  logischen  Copula  auch  noch  die  Begriffe  des  Seins, 
der  Gegenwart  und  der  Bestimmtheit.  Es  gibt  überhaupt  gar  kein 
Verbum,  das  Mos  Copula  wäre,  sondern  in  jedem  Verbum  steckt  viel 
mehr  als  die  Copula.  Der  grammatische  Ausdruck  für  die  logische 
Copula  sind  lediglich  die  Flexionsformen  des  Verbums  und  Nomeng. 
Jedes  Verbum  also,  welches  einer  Flexion  fähig  ist,  kann  als  Copula 
dienen.  Diese  Flexionsformen  genügten  der  Sprache  für  die  Bezeichnung 
der  Copula  in  den  einfachen  nackten  Sätzen,  weshalb  sie  kein  Verbum 
und  überhaupt  kein  Wort  zu  schaffen  brauchte,  das  sich  dem  Beruf 
eines  Satzbundes  ausschliesslich  widmen  müsste. 

Die  zweite  Ungenauig  eit,  welche  bei  der  Erklärung  von  Sätzchen 
wie  mensa  est  rotunda  vorkommt,  besteht  darin,  dass  man  sie  als 
einfache  nackte  Sätze  bezeichnet,  die  blos  aus  Subjekt  und  Prädikat 
bestehen 

Wenn  das  Verbum  est  nicht  blos  Copuladiensft  verrichtet,  sondern 
auch  noch  das  Sein  für  die  Gegenwart  mit  Bestimmtheit  von  mensa 
aussagt,  also  offenbar  Prädikatsfunktion  verrichtet,  warum  sollen  wir  es 
nicht  auch  als  Prädikat  anerkennen?  Ich  halte  es  daher  für  richtiger! 
den  Satz  folgendermassen  zu  konstruieren:  Subjekt?  —  mensa  der  Tisch ! 
—  Prädikat ?  —  est  er  ist !  —  Erweiterung  des  Prädikats  ?  —  rotunda  rund ! 

Diese  Constructionsweise  scheint  mir  nicht  nur  natürlich,  sondern 
auch  nothwendig,  weil  man  durch  andere  Fälle  genöthigt  ist,  das 
Prädikatsnomen  als  Satzerweiterung  gelten  zu  lassen.  Wer  z.  B.  den 
Satz  Cicero  consul  creatua  est  als  einen  einfachen  nackten  erklären 
wollte,  müsste  es  sich  gefallen  lassen,  wenn  man  den  Satz  equus  celeriter 
currit  auch  für  einen  nackten  erklärt.  In  beiden  Sätzen  sind  ja  3  Fragen 
nöthig.  Subjekt?  —  Cicero.  —  Prädikat?  —  er  latus  est.  —  Erweiterung 
des  Prädikats?  —  consul.  Wollte  Jemand  auf  die  Frage:  Prädikat? 
antworten :  consul  creatus  est,  so  müsste  er  beim  zweiten  Satze  auf  die 
Frage:  Prädikat?  antworten:  celeriter  currit. 

Wollen  wir  also  nicht  eine  Begriffsverwirrung  anrichten  und  den 
Unterschied  zwischen  einem  nackten  und  erweiterten  Satz  verwischen 
oder  doch  dem  Schüler  unfassbar  machen,  so  müssen  wir  das  Prädikats- 
nomen bei  den  Verbis  appellari,  dici,  putari,  judicari,  cognosci,  nasci, 
fieri  etc.  als  Satzerweiterung  erklären  und  ebenso  bei  sunt. 

Thun  wir  dies,  so  vereinfacht  sich  die  Grundlehre  vom  Prädikat. 
In  Englinann's  lat  Grammatik  8.  Aufl.  §.  151  Abs.  2  lautet  sie  z.  B. 
jetzt  folgendermassen:  „Prädikat  ist  ein  Verbum  oder  ein  Nomen.  Ist 
ein  Nomen  Prädikat,  so  werden  Subjekt  und  Prädikat  durch  die  Copula 
(Satzband)  esse  sein  mit  einander  verbunden."   Nach  der  richtigeren 

Blätter  t.  d.  b«yer.  GynuuuUlw.  XL  Jahrg.  2 


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18 


Metbode  lautet  die  Regel  sehr  einfach,  nämlich:  „Das  Prädikat  ist 
immer  ein  Verbum". 

Die  Regel  in  §.  157  der  lat.  Grammatik  E.'s  müsste  dann  ungefähr 
lauten:  Folgende  Yerba  haben  gewöhnlich  ein  Prädikatsnomen  bei  sich, 
das  mit  dem  Subjekt  congruiert:  1)  «um,  ich  bin,  fio  und  evado  u.  8.  w. 
2)  die  Yerba,  welche  bedeuten  genannt  werden,   heissen  etc 
Durch  diese  Aenderung  hätte  die  Regel  jedenfalls  keinen  Schaden  gelitten. 

Vorher  müsste  man  die  Bemerkung  anbringen :  Die  Verbindung  zwischen 
Subjekt  und  Prädikat  (Copula)  wird  durch  die  congruierenden  Flexions- 
formen des  Nomens  und  Verbums  ausgedrückt. 

Also  den  Satz  mensa  est  rotunda  möchte  ich  als  erweiterten  und 
est  als  Prädikat  betrachtet  wissen.  Hiegegen  könnte  nun  Jemand 
einwenden:  „Die  prädikative  Bedeutung  von  est  ist  in  solchen  Sätzchen 
für  unser  Gefühl  bereits  so  abgeschwächt,  dass  wir  sie  erst  künstlich 
auffrischen  müssten;  dies  ist  aber  nicht  nöthig".  Gegen  diesen  Einwurf- 
wird gelten  dürfen,  dass  es  immer  noch  an  der  Zeit  sein  könnte,  einen 
angerichteten  Schaden  gut  zu  machen.  Noch  ist  die  Abschwächung 
nicht  so  weit  gegangen  wie  in  der  Benützung  des  Verbums  sein  als 
Hilfszeitwort.  Immer  noch  ist  ein  fühlbarer  Unterschied  zwischen  „Er 
ist  gegangen"  und  „Er  ist  schlank".  Es  wird  nicht  lange  dauern  können, 
bis  in  letzterem  Satze  das  „istu  wieder  seine  ursprüngliche  Bedeutung 
als  selbstständiges  Verbum  erlangt  hat.  Wenigstens  scheint  es  der 
Mühe  werth  zu  sein,  hiezu  anzuregen. 

Wunsiedel.  Wirth. 


Ans  der  Schulmappe. 
Miscellen  von  Dr.  August  Kurz. 

Meine  Freude  am  Gewinne  dieses  Vereinsorgans  für  die  techn  Lehr- 
anstalten zu  bethätigen,  knüpfe  ich  diese  Notizen  an  die  math  -phys. 
Sektionssitzung  der  letzten  Wanderversammlung,  letzte  Ostern  in  Augsburg, 
an.  Wenn  ich  dabei  vorausschicke,  dass  jener  Sitzung  nur  kurze  Zeit 
zugemessen  und  auch  nur  eine  geringe  Frequenz  beschert  war,  so  geschieht 
es  sowol  um  den  Wunsch  nach  grösserer  Berücksichtigung  des  Zweckes 
und  Nutzens  solcher  Sektionsvereinbarungen  auszusprechen ,  als  auch 
um  die  ersten  der  folgenden  Notizen  als  Ergänzung  damaliger  Trak- 
tanden zu  motiviren 

1)  Ueber  das  Rechnen  mit  unvollständigen  Zahlen. 

Dasselbe  findet  in  neuerer  Zeit  mehr  Berücksichtigung.  Aber  der 
Einzelne  vermag  da  dem  Schlendrian  und  der  Gedankenlosigkeit  Vieler 
gegenüber  nur  wenig  auszurichten;  ein  einiges  Zusammengeben,  eine 
Majorität  sollte  erzielt  werden,  die  sich  vielleicht  auch  auf  manche 
Aeusserlicbkeit  oder  Förmlichkeit  zu  erstrecken  hätte,  wenn  diese  auch 
an  und  für  sich  gleichgültig,  aber  doch  dazu  nützlich  befunden  würden, 


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dass  eine  Vielzahl  ausser  1  ich  er  Menschen  die  Einheit  und  Notwendigkeit  . 
begriffen  und  sich  fügten. 

Ich  wiederhole  hier  vor  grösserem  Publikum,  dass  die  Schüler  in 
Ermittelung  erster  Annäherungen  mehr  geübt  werden  sollten.  Als 
Beispiel  diene,  dass  eine  seebsziffrige  ganze  Zahl  mit  einer  zweiziffrigen 
ein  sieben-  oder  achtziffriges  Produkt,  oder  welches  zwischen  1  nnd 
100 Millionen  liegt,  geben;  der  zweite  Schritt  ist  dann  das  Einschränken 
des  Resultates  etwa  zwischen  60  und  70  Millionen,  oder  die  Angabe 
der  Anzahl  der  ganzen  Millionen,  diese  Angabe  genau  bis  auf  einen 
Fehler  von  höchstens  %  Million  auf-  oder  abwärts. 

Dieses  Abschätzen,  so  kann  man's  nennen  gegenüber  dem  voll- 
ständigen Ausrechnen,  reicht  hin  beim  Fehlerkalkul ,  welcher  bei  dem 
Rechnen  mit  unvollständigen  Zahlen  angestellt  werden  kann  und  häufig 
auch  vor  Beginn  des  Ausrechnens  angestellt  werden  sollte.  So  ist  z.  B. 
allgemein  (a/?  -f-  b«)  der  grösstmögliche  Fehler  des  Produktes  ab  aus 
den  beziehungsweise  mit  den  Fehlern  «  und  ß  behafteten  Zahlen  a  und  b, 

oder  auch  ab        +         welche  Form  ganz  analog  ist  dem  Fehler 

(—  +  ^)  des  Quotienten  der  nämlichen  zwei  Zahlen.    Es  sei  das 

spezifische  Gewicht  *  auszurechnen  eines  Körpers,  welcher  a  =  24312 
Milligramme  in  der  Luft  und  21916  im  Wasser  wiegt;  diese  beiden 
Zahlen  sind  mit  dem  Fehler  «  =  0,5  behaftet;   die  Differenz  beider 

b  =  2396  mit  dem  Fehler  ß  =  1 ;  der  Fehler  von  s  =  ~  beträgt  dann 

10.  h^oä  oder  0»°°4  (indem  "  hier  gegenüber  £  nicht  in  Betracht 

kommt).  Man  sieht  daraus,  wie  sinnlos  es  wäre,  die  Division  weiter 
als  bis  zur  dritten  Decimalstelle  zu  treiben.  In  üebereinstimmung 
damit  steht  auch  dio  zu  befolgende  Methode  des  abgekürzten  Dividirens. 

Dass  hiegegen  auch  noch  in  neueren  und  sonst  guten  Büchern  oft 
Verstössen  wird,  kann  Jeder  leicht  finden;  und  dass  das  angedeutete 
Verfahren  ebenso  unterhaltend  und  bildend  als  das  gedankenlose  oder 
„mechanische"  Rechnen  langweilig  und  geisttödtend  ist,  brauche  ich 
t  nicht  auseinanderzusetzen. 

Ebenso  steht  fest,  dass  Vereinbarungen  unter  den  Mittelschulen 
auch  Fortschritte  in  den  Volksschulen  nach  sich  führen;  wie  ich  mich 
erinnere,  manches  Hiebergehörige  erst  als  Gymnasialscbüler,  und  dann 
kaum,  erfahren  zu  haben,  was  man  jetzt  in  den  Primarschulen  von  Städten 
methodisch  betreibt. 

2)  Zum  Unterrichte  in  der  Planimetrie. 
„Wenn  man  von  der  Spitze  eines  gleichschenkligen  Dreieckes  das 
Perpendikel  fällt  u.  s.  w."  —  es  käme  eine  den  Schüler  anziehende 

2* 


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20 


Abwechslang  in  den  Unterricht,  wenn  man  das  Verfahren  bisweilen 
umkehrte  und  sagte:  Setzt  man  zwei  kongruente  rechtwinklige  Dreiecke 
mit  den  homologen  Seiten  zusammen,  so  erhält  man  entweder  ein 
Rechteck  oder  ein  besonderes  Deltoid  oder  zwei  besondere  Rhomboide 
oder  endlich  zwei  gleichschenklige  Dreiecke.  Auch  erhält  man,  wenn  man 
die  Seiten  rechtwinkliger  Dreiecke  so  aueinanderstösst,  dass  je  zwei  homo- 
loge Winkel  Scheitelwinkel  werden,  während  die  andern  homologen  Ecken 
durch  je  zwei  Gerade  verbunden  werden:  einen  Rhombus,  drei  besondere 
Antiparallelogramme  und  zwei  besondere  Rhomboide  (Vullst.  Vierseit). 

Statt  diess  Alles  auf  der  Tafel  erst  zu  zeichnen,  manipulirt  der 
Lehrer  mit  zwei  aus  Carton  ausgeschnittenen  rechtwinkligen  Dreiecken; 
der  Schüler  macht  das  gerne  nach  und  bildet  dabei  seinen  Formensinn. 
Hier  drängt  es  mich,  des  uns  leider  so  früh  entrissenen  Collegen 
A  Ziegler  zu  gedenken,  der  auf  diesem  Gebiete  ebenso  erfinderisch  als 
auch  beflissen  war,  seine  Ideen  der  Collegenschaft  mitzuteilen.  Möchten 
die  kleinen,  aber  doch  so  inhaltsreichen  Büchlein,  die  er  uns  hinter- 
lassen, sein  Andenken  lebendig  erhalten ! 

3)  Das  mathematische  Pendel. 
Das  Pendel,  erinnere  ich  mich,  war  mir  im  ersten  physikalischen 
Unterrichte  als  die  erste  Schwierigkeit  entgegengetreten  und  wirklich 
gilt    es    auch    ein   gewisses    Kunststück,    wenn    man   die  Formel 

t  =  2n  ^/^—  elementar  entwickeln  soll.    Sparen   wir  darum  das 

Schwierige  möglichst  bis  zuletzt,  so  können  wir  von  der  schiefen  Ebene 
her  die  Beschleunigung  g  sin  a  entnehmen,  die  im  Verlaufe  der  Viertel- 
schwingung  bis  zu  Null  abnimmt.    Statt  dessen  werde  als  konstante 

Beschleunigung  der  Mittelwert  *  g  sin  «  benutzt  und  in  die  Formel 
*=  $  (2« (j)f=  \*ina 

eingesetzt.  So  erhält  man  t  =  4  y- ,  worin  statt  der  Constanten  n 

f  8 

allerdings  die  unrichtige  4  steht.  Aber  die  Formel  reicht  hin,  um  die 
bekannten  zwei  oder  vier  Schwingungsgesetze  (Unabhängigkeit  von  « 
und  vom  Gewichte,  beziehungsweise  der  Masse)  abzuleiten. 

L&sst  man  die  Maximalgeschwindigkeit  aus  der  Formel  v  ==  Vifgh 
berechnen,  wobei  für  h  allerdings  die  nach  den  ersten  zwei  Gliedern 

abgebrochene  Binomialreihe  hereinkömmt,  so  wird  v  —  s  V/p  Man 

kann  dann  für  eine  halbe  (oder  einfache)  Schwingung  statt  der  von 
Null  bis  v  variirenden  Geschwindigkeiten  die  konstante  Geschwindigkeit 

^  einführen  und  erhält 


L4* . :-. 


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21 


also  wiederum  die  vorige  Formel. 

DieCon8tantenbe8timmung(7i)  wird  dann  bekanntlich  am  schönsten 
durch  die  Substitution  des  den  Kreisumfang  2s»  mit  konstantem  v 
durchlaufenden  Punktes  ausgeführt  (wozu  die  blosse  Erwägung  von 
zwei  ähnlichen  Dreiecken  berechtigt): 


4)  Das  physikalische  Pendel. 

Noch  schwieriger  steht  die  Sache,  könnte  man  glauben,  mit  dem 
physikalischen  Pendel,  und  ich  will  das  Alter  nicht  verraten,  das  ich 
erreicht,  bis  mir  seine  Formel  bekannt  geworden.  Es  ist  auch  wahr: 
der  Begriff  des  Trägheitsmomentes  gehört  dazu;  dafür  aber  braucht 
man  vom  Mathematiker  keine  konvergente  Reihe  (wie  oben  die  Binomial  - 
oder  die  Cosinusreihe)  zu  entlehnen. 

Nun  zum  Begiff  des  Trägheitsmomentes:  Wer  mit  der  Fallmaschine 
experimentirt,  kann  (ich  möchte  sagen  soll)  zeigen,  dass  Atwood  die 
Fallbeschleunigung  nicht  bloss  in  dem  Verhältnisse  des  Ueber  gewichtes 
zur  Summe  der  an  die  (gewichtlos  gedachte)  Schnur  gebängten  Gewichte 
verkleinerte  —  man  müsste  dazu  auch  die  Rolle  gewicbtlos  denken  — 
sondern  dass  im  Nenner  jenes  Verhältnisses  auch  ein  Glied  auftritt, 
das  von  der  Trägheit  der  Rolle  herrührt  und  welches  man  das  auf  den 
Rollenumfang  reduzirte  Gewicht  der  Rolle  nennen  muss.  (Statt  „Rollen- 
nmfang"  kann  man  hier  auch  „Rollenradius"  sagen.) 

Jetzt  Substituten  wir  statt  des  physikalischen  Pendels  ein  mathe- 
matisches Pendel  von  derselben  Schwingungsdauer,  von  der  Länge  1, 
und  reduziren  sowohl  die  treibende  Kraft  als  auch  die  getriebene  Masse 
auf  diesen  Radius  1.  Erstere  ist,  wie  im  Unterrichte  schon  länger 
vorausgeschickt  worden,  das  statische  Moment  und  kann  man  sich  das 
'  Pendel  um  90°  abgelenkt  (horizontal)  denken,  damit  der  Schüler  an 
(G.  Zo)  erinnert  werde  (G  Gewicht  des  Pendeis,  z0  Abstand  seines 
Schwerpunktes  vom  Aufhängepunkt).  Und  die  Masse  am  Radius  1 
ist  das  Trägheitsmoment  K  und  unterscheidet  sich  von  dem  vorher- 
genannten reducirten  Gewichte  nur  durch  den  Radius  1  und  wie  sich 
die  Masse  überhaupt  vom  Gewichte  unterscheidet,  nämlich  durch  den 
Divisor  g,  die  Fallbeschleunigung.  Nennt  man  endlich  p  die  Beschleunigung 
am  Radius  1  (Winkelbeschleunigung),  so  ist 


genauer  im  Kreisumfang  vom  Radius  1  (Beschleunigung  gleich  Kraft 
durch  Masse). 


am  Radius  1  oder 


Digi 


22 

Um  als  belehrende  Probe  aus  der  Formel  des  physikalischen  Pendels 
wiederum  diejenige  des  mathematischen  zu  erhalten,  nehme  ich  hier 
die,  nächstfolgende  (5te)  Notiz  voraus,  und  setze  zu  diesem  Zwecke 

K  —  mV.  Ferner  wird  dann  z0  =  1  ut  d  t  =  2n  \^  ™^  j  =  271  ' 

5)  Das  Trägheitsmoment  noch  einmal. 

Ich  knüpfte  vorhin  an  die  Fallmaschine  an.  Jetzt  will  ich  diesen 
Begriff  aus  dem  Princip  der  Aequivalenz  ven  Arbeit  und  Wucht0)  ab- 
leiten,  weil  diese  Ableitung,  wie  ich  glaube,  seltener  verwendet  wird 
und  doch  für  den  Anfänger  näher  liegt  als  eine  andere 

Um  eine  Welle  vom  Radius  r  ist  ein  Seil  geschlungen,  an  dessen 
Ende  das  Gewicht  6  hängt;  \ut  dieses  vom  Zustande  der  Ruhe  aus  die 
Falltiefe  h  zurückgelegt  und  die  Geschwindigkeit  v  erlangt,  so  ist 

G.  h  =i  mv'  +  *  l  p  e»  w«, 

wobei  m  die  Masse  des  fallenden  Gewichtes,  p  irgend  ein  Massenteilchen 
des  Cylinders  vom  Radius  g  und  w  die  Winkelgeschwindigkeit  vorstellt. 
Also  ist  auch  v  =  rw,  und  man  kann  schreiben 

2  m  g  h  —  w*  (m  r*       1  p  g) 

Die  eingeklammerte  Summe  stellt  das  gesammte  Trägheitsmoment 
vor;  m  r*  ist  das  Trägheitsmoment  der  im  Umfange  vom  Radius  r 
angebrachten  Masse  m,  und  nach  derselben  Idee  ist  die  2  p  g*  zu 
begreifen.  Fällt  letztere  fort,  so  erhält  man  wieder  die  Formel  des 
freien  Falles  v*  =  2  g  h. 

Schliesslich  erwähne  ich  noch,  dass  ich  vor  einigen  Jahren  in  der 
mechanischen  Werkstätte  der  hiesigen  Industrieschule  einen  Apparat  zu 
Schulversuchen  über  das  Trägheitsmoment  anfertigen  liess,  der  sich  auch 
mit  der  Fallmaschine  verbinden  lässt  und  dessen  Beschreibung  in 
Poggendorff  s  Annalen  der  Physik  niedergelegt  ist. 

6)  Ueber  das  Minimum  der  prismatischen  Ablenkung 
habe  ich  gleichfalls  vor  wenigen  Jahren  eine  elementare  Auseinander- 
setzung in  vorhingenannter  Fachzeitschrift  veröffentlicht  Aber  erst  in 
jüngstem  Sommer  ist  mir  ein  graphischer  Beweis  eingefallen,  dessen 
erste  Hälfte  gewissermassen  in  Müllers  Physik,  (neueste  Auflage)  ent- 
halten  ist     Construirt  man   nämlich   für  einmalige   Brechung  des 

Lichtstrais  nach  der  Formel        1  =     eine  Curve ,  deren  Abscissen 

m//    I  £ 

die  r  und  Ordinaten  die  Ablenkungen  (i  -  r)  sind,  so  bemerkt  man, 
um  gleich  grosse  Stücke  der  Abscissenaxe  fortschreitend,  dass  die 


Obiges  kurze  und  deutsche  Wort  verdiente  Verbreitung.  Ausserdem 
ist  „Energie"  noch  besser  als  die  zur  Zeit  noch  geläufigste,  aber  schleppende 
und  wegen  des  letzten  Wortes  auch  verfängliche  „lebendige  Kraft". 


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23 


Erhebungen  (Differenzen)  der  Ordinaten  nicht  etwa  auch  gleich  gross 
(wie  bei  der  geraden  Linie)  geschweige  kleiner ,  sondern  immer  grösser 
ausfallen.  Die  Curve  erreicht  ihr  Ende  und  Maximum  beim  Winkel 
der  totalen  Reflexion  (für  Luft  und  Glas  ist  r1  nahe  42°)  und,  wenn  der 
Prismenwinkel  a  kleiner  als  r1 ,  so  braucht  sie  für  unsern  Zweck  nur 
bis  r  —  a  fortgesetzt  zu  werden.  Man  zeichne  sie  aber  nochmal,  auf 
dasselbe  AbscissenstQck ,  nur  mit  Vertauschung  von  links  und  rechts. 
Dann  schneiden  sich  beide  Curven  oberhalb  des  Mittelpunktes  des 

Abscissenstückes   (in  r  =  |-)  und  in  dieser  Abscisse  ist  offenbar  der 

tiefste  Punkt  oder  das  M  i  n  i  m  u  m  der  Ordinaten  einer  dritten  Curve, 
welche  aus  den  je  zwei  zusammengehörigen  Ordinaten  durch  Addition 
derselben  konstruirt  ist  und  die  Gesammtablenkungen  vorstellt. 
Denn  es  ist  bekanntlich  die  Gesammtablenkung  gleich  (i  —  r  -f  i1  —  r1), 
wobei  r  r'  =  a  sein  muss.  Dieser  Beweis  scheint  mir,  Rechnung 
und  Zeichnung  wirklich  vorausgeschickt,  nichts  mehr  an  Anschaulichkeit 
zu  wünschen  übrig  zu  lassen. 

Augsburg  im  November  1874 


Handwerk  und  Handwerker  in  den  homerischen  Zeiten,  dargestellt 
von  Dr  Anton  Riedenauer,  k.  Studienlebrer  am  hum.  Gymnasium 
in  WQrzburg.   Erlangen.   Verlag  von  Andreas  Deichert.  1873. 

Die  Fürstlich  Jablonowski'sche  Gesellschaft  zu  Leipzig  stellte  im 
Jahre  1868  eine  Preisaufgabe  auf,  welche  „eine  quellenraässige  Zusammen- 
stellung derjenigen  Orte  des  klassischen  Altertbums,  wo  gewisse  Gewerbs- 
zweige vorzugsweise  geblüht  haben",  verlangte. 

Von  den  eingegangenen  Arbeiten  wurden  zwei  mit  dem  Preis  gekrönt. 
Es  sind  diese  die  Schriften  von  Dr.  Hugo  Rlümner:  „Die  gewerbliche 
Tbätigkeit  der  Völker  des  klassischen  Alterthums"  und  von  B.  Büchsen- 
sch ütz:  „ Die  Hauptstätten  des  Gewerbfleisses  im  klassischen  Alterthum", 
die  nach  dem  der  Behandlung  des  Stoffes  zu  Grunde  gelegten  Eintbeilungs- 
principe  gewisserroassen  im  umgekehrten  Verhältnisse  zu  ihren  Titeln 
stehen,  insoferoe  die  erstere  der  Reibe  nach  die  verschiedenen  Land- 
schaften der  drei  Erdtbeile  vorführt,  wo  gewerbliche  Tbätigkeit  geübt 
wurde,  während  die  andere,  auf  Grundlage  der  Rohstoffe  und  der  daraus 
verfertigten  Fabrikate  die  gleichartigen  Gewerbe  zusammenstellt  und 
bei  jedem  die  Orte  nachweist,  an  denen  dasselbe  besonders  vertreten 
war.  In  demselben  Jahre,  in  welchem  eben  genannte  Preisschriften 
veröffentlicht  wurden,  erschien  von  Bücbsenschütz  ein  zweites  umfang- 
reicheres Werk  ähnlichen  Inhalts:  „Besitz  und  Erwerb  im  griechischen 
Alterthum",  welches  mit  den  anderen  zwei  den  Verfasser  des  oben 
angezeigten  Ruches  während  der  Ueberarbeitung  desselben  überraschte. 
Abgesehen  aber  davon,  dass  jene  Schriften  wegen  def  ungleich  weiteren 
Ausdehnung  der  zeitlichen  und  räumlichen  Grenzen  naturgeraäss  dem 
homerischen  Zeitalter  nicht  die  gewünschte  Ausführlichkeit  widmen 
können,  stellt  sich  unser  Verfasser  im  Gegensatz  zu  Blümner  und 


24 


Büchsenschütz,  welche  die  Geographie  und  das  Material  zum  Leitfaden 
ihrer  Untersuchung  nahmen ,  auf  den  Standpunkt  der  Chronologie, 
indem  er  die  allmählige  Entwicklung  des  Gewerbes  von  den  frühesten 
Anfangen  bis  zur  nachbomerischen  Zeit  unter  gewissenhafter  Benützung 
der  antiken  Quellen  und  mit  Beiziehung  aller  einschlägigen  neueren 
Werke  vorführt,  ohne  sich  jedoch  seines  eigenen  Urtheiles  zu  begeben, 
und  dabei  die  rechtliche  und  soziale  Stellung  der  Handwerksleute 
besonders  berücksichtigt 

Uebrigens  hat  sich  die  Arbeit  des  Verfassers  auch  nur  vorläufig 
auf  die  homerische  Zeit  oder  richtiger  auf  die  Zeit  jener  Entwicklungs- 
stufe, welche  aus  dem  rohen  Naturzustande  in  die  volle  Kultur  über- 
führt und  ungefähr  mit  dem  Ende  des  7  Jahrhunderts  abgeschlossen 
wird,  beschränkt  und  soll  sich  möglicher  Weise  zu  einer  vollständigen 
„Geschichte  des  antiken  Handwerkes"  erweitern,  wovon  sie  dann  das 
erste  Glied  bilden  würde.  i 

Mittlerweile  ist  im  Jahre  1871  von  Dr.  E.  Buchholz*  grossem  auf 
drei  starke  Bände  berechneten  Werke:  „Die  homerischen  Realien" 
der  erste,  die  homerische  Welt  und  Natur  umfassende  Band  erschienen, 
und  wie  Blümner  und  Bücbsenschütz  das  Thema  wenigstens  theilweise 
Riedenauer  gleichsam  vorweggenommen  haben,  so  war  es  diesem  bescbieden, 
einen  guten  Theil  des  zukünftigen  zweiten  Bandes  von  Bucbholz' Werk 
früher  zur  Darstellung  zu  bringen,  da  dieser  nuch  der  übersichtlichen 
Disposition  des  Gesammtinhaltes  in  seiner  ersten  Abtheilung  das  öffent- 
liche Leben  (Staatsverfassung,  Kriegswesen,  Handel  und  Wandel,  Gewerbe, 
Künste  und  Industrie),  in  der  zweiten  das  private  Leben  (Wohnung, 
Nahrung,  Kleidung,  Gesundheitspflege,  Todtenbestattung)  bebandeln  soll. 
Darf  man  von  dem  vorliegenden  Bande  auf  den  folgenden  scbliessen, 
dann  wird  es  an  Ausführlichkeit  und  Gründlichkeit  in  der  Behandlung 
des  Stoffes  nicht  fehlen,  und  dem  eifrigen  Leser  nicht  an  Gelegenheit 
zu  verfolgen,  in  welchen  Punkten  sich  die  Ansichten  der  beiden  Verfasser 
begegnen  und  in  welchen  sie  ihre  Forschungen  auseinanderführen. 

Das  Lob  der  Ausführlichkeit  und  Gründlichkeit  kann  der  Arbeit 
Riedenauers,  die  den  Herren  Professoren  Karl  von  Halm  und  Wilhelm 
Christ  als  ein  Zeichen  dankbarer  Gesinnung  gewidmet  ist,  ebenso  wenig 
vorenthalten  werden.  Das  Material  ist  mit  grossem  Fleisse  zusammen- 
getragen und  klar  gesichtet,  von  den  neueren  Erscheinungen,  insoweit 
sie  dem  Verfasser  zugänglich  waren,  gewissenhafter  Gebrauch  gemacht, 
die  Quelle,  aus  der  geschöpft  wurde,  nebst  sonstigen  Anmerkungen,  die 
nicht  selten  die  treffendsten  Gedanken  enthalten ,  grösserer  Ueber- 
sichtlichkeit  wegen,  und  um  von  der  Lektüre  des  Kontextes  weniger 
abzuziehen,  an  das  Ende  des  Buches  verwiesen.  Und  zwar  verfuhr  der 
Verfasser,  dessen  überall  zu  Tage  tretende  Bescheidenheit  ungemein 
wohlthuend  wirkt,  bei  Angabe  der  literarischen  Hilfsmittel  und  aller 
benützten  Schriften  mit  einer  solchen  Akribie,  dass  er  selbst  fürchtet, 
hierin  eher  zu  viel  als  zu  wenig  getban  zu  haben.  Bezüglich  der  mit- 
unter sich  widersprechenden  oder  wenigstens  sich  zu  widersprechen 
scheinenden  Notizen  war  er  redlich  bemüht,  unter  Aufwand  von  viel 
Scharfsinn  und  Gelehrsamkeit  den  Kern  der  Sache  herauszuschälen. 
Dabei  konnte  es  nicht  ausbleiben,  dass  er  auf  dem  Wege  der  Forschung 
und  Vergleichung  mitunter  zu  einem  von  Anderen  abweichenden  Resultate 
gelangte.  Wenn  man  ihm  auch  hierin  nicht  allewegs  beipflichten  kann, 
so  bleibt  ihm  doch  sicherlich  das  Verdienst,  manche  herkömmliche 
Anschauung  berichtigt,  manche  dunkle  Stelle  aufgeklärt  und  zu  weiterem 
Forschen  die  Anregung  gegeben  zu  haben.   Die  Darstellung  selbst  ist 


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schlicht  and  fem  von  aller  Sucht  zu  prunken,  der  Druck  dentlich  und 
leicht  leserlich;  die  da  und  dort  unterlaufenden  Schreibfehler  nnd  Un- 
gleichheiten in  der  Wortschreibung  hat  der  Verfasser  selbst  theilweise 
berichtigt,  tbeils  durch  orthographische  Meinungsverschiedenheiten  der 
Korrektoren  und  seinen  Aufenthalt  im  Auslande  entschuldigt 

In  der  Einleitung  entwickelt  der  Verfasser  nach  dem  Vorgange 
von  Roscher  und  Rau  den  Begriff  Gewerksarbeit,  die  vom  Haus- 
fleiss  zum  Handwerke  und  von  diesem  zur  Industrie  fortschreitet. 
W&hrend  von  letzterer  in  jener  Kulturperiode  nicht  gesprochen  werden 
kann,  trägt  er  kein  Bedenken,  die  Frage,  ob  es  damals  ein  Handwerk, 
nämlich  jene  Gewerkthätigkeit  gegeben  habe,  „welche  wesentlich  mit 
individuellen,  persönlichen  Arbeitsmitteln  zwar  für  fremde ,  aber  nicht 
für  allgemeine,  sondern  für  individuelle  Bedürfnisse  arbeitet,"  ent- 
schieden zu  bejahen  und  schliesst  auf  das  Vorhandensein  berufsmäs- 
siger Gewerksarbeit  schon  aus  den  Handwerksbenennungen ,  besonders 
aus  den  konkreten  Namen  mit  dem  Suffix*)  et»,  sowie  aus  dem  Um- 
Stande, dass  nach  dem  Vorbilde  des  Hephästos  und  der  Athene,  welche 
den  Göttern  verschiedene  Werke  ihrer  Hunde  liefern,  ebenso  die  Men- 
schen nicht  bloss  für  ihren  eigenen  Bedarf,  sondern  auch  für  andere 
nnd  zu  deren  Bequemlichkeit  auf  Bestellung  gearbeitet  haben. 

Alle  diese  werden  unter  der  Kategorie  der  StjutovQyoi,  Gemeinde- 
arbeiter,  Tusammengefasst,  ein  Begriff,  der  sich  übrigens  nicht  nur  auf 
die  Handwerker  in  unserem  Sinne,  sondern  auch  auf  andere  noblere 
Dienstleistungen,  wie  die  der  Seher,  Aerzte,  Sänger  und  Herolde  er- 
streckt. Wenn  man  bedenkt,  wie  nach  homerischer  Ansicht  das  Streben 
nach  Erwerb  nichts  weniger  als  etwas  Entehrendes  hatte,  und  dass  man 
—  wofür  Riedenauer  freilich  keinen  bindenden  Beleg  beizubringen  ver- 
mag, da  alle  hieher  bezüglichen  Stellen  einer  anderen  Deutung  fähig 
Bind,  —  geschickte  Demiurgen  aus  der  Ferne  berief,  so  kann  die  Ab- 
lohnung  der  Arbeit  wohl  keinem  Zweifel  unterliegen.  Diese  scheint, 
wo  es  auf  eigentliches  Entgelt  ankommt,  unter  dem  Einfluss  des  phö- 
nizischen  Barren  Verkehrs  im  Zuwägen  von  Metall,  namentlich  von  Gold- 
talenten, in  dem  letzten  Theil  unseres  Zeitalters  selbst  in  Bezahlung 
gemünzten  Geldes,  sonst  aber  gewöhnlich  in  blosser  Verköstigung,  in 
Verleihung  von  Haus  und  Hof  oder  eines  Stückes  Landes  bestanden  zu 
haben,  das  naturgemäss  das  Haupt  der  Gemeinde  verlieh,  soferne  der 
Dieost  der  ganzen  Gemeinde  gegolten  hatte.  Wenn  es  nun  aber  auch 
Handwerker  und  Handwerksthätigkeit  gab,  wie  schon  die  zahlreichen 
von  dem  Geschäfte  selbst  hergenommenen  Eigennamen  bei  Homer  be- 
weisen, so  darf  doch  auf  der  andern  Seite  nicht  vergessen  werden,  dass 
viele,  selbst  Fürsten,  den  berufsmässigen  Gewerbsleuten  gewissermassen 
ins  Handwerk  pfuschend  eigenhändig  ihren  Hansbedarf  besorgten,  und 
dass  von  einer  Durchführung  der  Arbeitstheilung  keine  Rede  war,  in- 
dem mehreren  später  getrennten  Gewerkstbätigkeiten  eine  und  dieselbe 
Werkstatt  Raum  bot. 

Um  den  Stand  der  Demiurgen  zu  bestimmen,  gibt  der  Verfasser 
eine  von  Wachsmuth  und  8chömann  theilweise  abgehende  Gliederung 


*)  Ob  sich  der  geistreiche  und  feine  Unterschied  der  homerischen 
Wörter  auf  evs  und  oc  zur  Bezeichnung  einer  zufälligen  und  dauernden 
oder  berufsmässigen  Beschäftigung  aufrecht  erhalten  lässt,  scheint  doch 
als  fraglich. 


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der  gesammten  Staatsangehörigen  in  der  ältesten  Zeit  und  stellt  den 
den  Fürsten  untergeordneten,  in  Edle  und  Gemeinfreie  geschiedenen 
Staatsbürgern  einerseits  die  Leibeigenen ,  anderseits  die  Fremden  in 
ihrer  Eigenschaft  ah  Gäste  oder  Beisassen  oder  Theten  (?)  gegenüber. 
Jeder  der  fünf  Klassen  konnten  die  eingebornen  Demiurgen  angehören, 
wenn  es  gleich  in  der  Natur  der  Sache  liegt,  dass  mit  Ausnahme  der 
Seher  und  Aerzte,  von  denen  viele  fürstlichen  Geschlechtes  waren,  die 
meisten  Demiurgen  zu  den  Gemeinfreien  zählen  mochten.  Bezüglich 
der  aus  der  Fremde  gekommenen  Demiurgen  nimmt  Riedenauer  an, 
dass  sie  als  Gäste,  £eVot,  unter  dem  Schutze  des  Gastrecbtes  standen 
und,  wenn  besonders  brauchbar  und  beliebt,  durch  Grundbesitz  belohnt 
wurden,  ja  damit  zugleich  die  übrigen  Rechte  eines  Bürgers,  Gemein - 
oder  Edelfreien,  und  nach  der  Analogie  von  Bellerophon,  Pelops  und 
anderen  durch  Heirat  den  Eintritt  in  eine  Familiengenossensehaft 
erhielten  Eine  Bestätigung  seiner  Ansiebt  von  der  persönlichen 
Freiheit  aller  Demiurgen,  die  erst  in  der  späteren  homerischen  Zeit 
und  zwar  zunächst  in  Staaten  mit  aristokratischer  Verfassung  Einbusse 
erlitten  zu  haben  scheint,  findet  er  in  der  Vergleichung  mit  der 
altattischen  Ständeeintheilung,  der  zufolge  der  Adelsklasse  eine  doppelte 
gleichberechtigte  Gemein-Bürgerklasse,  die  der  Geomoren  und  Demiurgen, 
Passivbürger  ohne  entscheidende  Bedeutung  in  Staatsangelegenheiten, 
gegenüberstand. 

Bezüglich  der  Achtung,  welche  die  Demiurgen,  beziehungsweise 
die  eigentlichen  Handwerker  genossen,  folgert  der  Verfasser  mit  Recht 
schon  aus  der  Tbeilnahme  der  Götter  und  Fürsten  an  gewerklichen 
Hantirungen,  dass  sie  im  homerischen  Zeitalter  eine  sehr  ansehnliche 
und  unbestrittene  war;  später  bis  zur  historischen  Zeit  sei  in  Folge 
der  Einwirkung  aristokratischer  Staatsformen  und  in  dem  Grade,  als 
man  hei  der  Arbeit  vorwiegend  den  Lohn  und  Gewinn  in  Anschlag 
brachte,  das  Handwerk  nicht  nur  in  der  Achtung  gesunken,  sondern 
es  habe  sich  auch  in  der  Demiurgia  allmählig  eine  Scheidung  in 
Demiurgen  (öffentliche  Diener,  wie  Herolde,  Sänger,  Seher)  und  Hand- 
werker im  eigentlichen  Sinne  (Banausen)  vollzogen.  Uehrigens  dürfte 
biebei  das  Arbeiten  nach  Lohn  und  Gewinn  weniger  zu  betonen  sein; 
denn  das  Stteben  nach  Erwerb  und  Besitz  hatte  auch  in  der  früheren 
Zeit  durchaus  nichts  Entehrendes  und  war  ein  stark  ausgeprägter  Zug 
der  homerischen  Helden  und  Personen. 

Der  folgende  Abschnitt  handelt  von  den  wirtschaftlichen 
Bedingungen  des  Gewerbebetriebes,  welche  in  der  homerischen 
Periode,  deren  entferntesten  Grenzstein  Minos  bezeichnet,  als  noch 
unvollständig  entwickelt  und  mehr  nur  vorbereitet  und  angebahnt 
erscheinen.  Der  Gewerbsbetrieb  bestimmt  sich  aber  durch  das  Absatz- 
gebiet oder  den  Markt,  dieser  hinwiederum  durch  die  Bevölkerungs-  - 
masse  und  die  Bequemlichkeit  und  Sicherheit  des  Verkehrs.  Für  die 
Uebervölkerung  der  griechischen  Landschaften  sprechen  die  zahlreichen 
Wanderungen  und  die  von  den  Kolonien  sowohl  als  von  dem  Mutter- 
lande ausgehenden  Pflanzorte.  Der  Verkehr ,  zwar  durch  Räubereien 
vielfach  gefährdet,  aber  doch  durch  die  Heiligkeit  des  Gastrechtes  bis 
zu  einem  gewissen  Grade  geschützt,  wurde  zu  Lande,  noch  mehr  aber 
zur  See  vermittelt;  und  wenn  für  den  Landbandel  hesonders  Korinth 
den  ältesten  Stapelplatz  abgab,  so  bildeten  Jolkos  und  das  an  der 
Wasserstrasse  der  Kopais  gelegene  Orchomenos  den  Mittelpunkt  des 
Verkehres  zur  See.  Vollends  über  das  europäische  Festland  hinaus 
lassen  sich  nach  Imbros,  Lemnos  und  Thrazien,  sowie  nach  anderen 


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InBein  des  ägäischen  Meeres  lebhaft  befahrene  Seewege  verfolgen. 
Mochten  auch  von  den  Griechen  im  Gegensatze  zu  den  industrielleren 
Phöniziern  als  Tauschobjekte  Torherrschend  Bodenerzeugnisse  und  Roh- 
stoffe in  den  Verkehr  gebracht  werden ,  so  fanden  doch  auch  schon 
Gewerksprodukte,  namentlich  Töpferwaaren,  von  Böotien,  Euböa,  Aegina 
und  Korinth  in  sehr  früher  Zeit  auf  weitere  Ferne  Absatz.  Dieser 
aktive  Handel,  welcher  fast  das  ganse  hellenische  Mittelalter  hindurch 
auf  blossen  „Eigenumsatz"  beschränkt  blieb,  nahm,  und  mit  ihm 
Gewerbfleiss  und  Handwerk,  einen  mächtigen  Aufschwung,  als  seit  dem 
achten  Jahrhundert  der  Verfull  der  phönizischen  Seemacht  dem  griech- 
ischen Handel  freiere  Bahn  schuf,  entstandene  Gasthäuser  und  ver- 
besserte Verkehrsmittel  in  dem  Reisenden  das  Gefühl  grösserer 
Beruhigung  erweckten,  das  Ansehen  der  delphischen  Amphiktyonie, 
sowie  schriftliche  Gesetzgebungen  eine  zuverlässigere  Rechtssicherheit 
begründeten  und  in  den  damals  erstehenden  grossen  Städten ,  dem 
natürlichen  Sitze  technischer  Produktion,  sieb  Tyrannen  erhoben, 
welche  durch  Prachtbauten  Veranlassung  zur  Anregung  und  Blüthe 
der  mannigfaltigsten  Gewprbe  gaben. 

Nach  der  hier  in  kurzem  Auszug  gegebenen  Darstellung  der 
allgemeinen  Verhältnisse  gebt  der  Verfasser  im  2.  Theil  auf  die 
homerische  Gewerkthätigkeit  im  einzelnen  über,  welche 
er  nach  einer  Vorbemerkung  darüber,  was  die  Griechen  etwa  aus  der 
wenig  fortgeschrittenen  gemeinschaftlichen  Kultur  der  Arier  mitgebracht 
haben,  in  Geschäfte  mit  unentwickelter  Arbeitstheilung 
und  in  entwickelte  Gewerbe  zerfällt. 

Dorthin  beziehen  sich  diejenigen  Arbeiten,  welche  den  notwendigsten 
Lebensbedürfnissen  dienen,  die  Gewinnung  und  Zubereitung  von  Wasser, 
Holz,  Fleisch,  Brod,  Kleidung,  Beschäftigungen,  welrhe,  da  sie  sich 
als  Hau8fleiss  darstellen  und  auf  den  Hausbedarf  und  eigenen  Verbrauch 
beschränken,  verhälinissmässig  kurz  abgetban  werden.  Nur  die  Spinn  - 
und  Webearbeit,  das  eigentliche  Tagewerk  der  homerischen  Frauen, 
ist  nach  dem  Gleichnisse  der  Spinnerin  zu  scbliessen ,  welche  ihren 
Kindern  damit  das  Brod  verdient,  wie  es  scheint.,  schon  in  alt- 
homerischer Zeit  banausisch  betrieben  worden  und  läset  so  auch  die 
blühende  Wollenmanufnktur  Milets  gegen  Ende  der  Periode  verstehen. 
Das  Färben  feiner  Wollenstoffe  führt  Riedenauer  mit  Curtius  auf  die 
Phönizier  als  Lehrmeister  der  Griechen  zurück. 

Von  den  entwickelten  Gewerben  setzt  er  den  Tekton  wegen 
seiner  Vielseitigkeit  voran,  da  er  ebenso  als  Steinbauer  wie  als  Zimmer- 
mann, als  Schiffbauer  und  Wagner,  ah  Drechsler  und  Schreiner,  als 
Elfenbein-  und  Silberarbeiter  fignrirt.  In  späterer  Zeit  dehnte  sich 
die  Bezeichnung  vollends  auf  alle  Handwerker  überhaupt  aus.  Mir  aber 
scheint  es,  als  habe  rixrtov  diesen  allgemeinen  Begriff  schon  in  der 
homerischen  Periode  gehabt;  denn  da,  wo  nicht  schon  der  Zusammen- 
hang unmittelbar  ergibt,  um  welches  Gewerbe  es  sich  handelt,  erscheint 
das  Wort  in  Begleitung  eines  stofflichen  Genitivs  ((fovgwv,  vnmv)  oder 
Adjektivs  (xepao$6of) ,  so  dass  man  es  mit  unserem  Meister"  oder 
„Mann"  (Schreinermeister ,  Zimmermann)  vergleichen  könnte,  gerade 
wie  auch  Homer  statt  xixxwv  das  Wort  ayfo  in  der  Verbindung  agfta- 
Tonqyos  avtjQ  substituirt.  Ferner  vermag  ich  es  nicht,  mich  gegen  die 
Auffassung  der  Scholien  zu  sträuben,  welche  den  Tekton  bei  Homer 
auch  als  Baumeister  bezeichnen.  Wenn  Paris  seinen  Palast  selbst  mit 
den  besten  Tektonen  aufführt,  so  kann  dieses  wohl  keinen  anderen  Sinn 
haben,  als  dass  er  bei  dem  Bau  die  Rolle  des  „Bauherrn"  gespielt  hat, 


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nach  dessen  Wünschen  und  Ideen  der  Architekt  die  Pläne  erat  entwirft 
Und  wie  nahe  berühren  sich  Architekt  und  Zimmermeister  selbst  in 
unserem  modernen  Zeitalter!  In  letzterer  Bedeutung  und  überhaupt  als 
Arbeiter  in  Holz  tritt  freilich  der  Tekton  am  häufigsten  auf,  ja  selbst 
als  Bildschnitzer  (xixtüiv  &m#ä%%uv).  Weiter  unten  bringt  Riedenauer 
selbst  gewissermassen  die  Baukunst  mit  der  Holzschnitzerei,  also  den 
dqxirixTMv  mit  dem  rixrujv  in  Verbindung,  insoferne  er  beide  Kunst- 
gewerbe in  den  Dädaliden  ihre  Vertretung  und  älteste  Bezeugung  finden 
lässt.  Dass  die  griechische  Baukunst  unter  orientalischem  Einfluss 
stand,  der  von  Phönizien  aus  über  Kleinasien  den  Weg  nach  Hellas 
gefunden,  ist  ein  oft  ausgesprochener  Gedanke  Sonst  spricht  der  Ver- 
fasser den  Tekton  in  seiner  verschiedenen  Berufstätigkeit  von  jeder 
fremden  wesentlichen  Beeinflussung  frei  mit  Ausnahme  der  Elfenbein- 
arbeit, wozu  der  Orient  schon  den  Stoff  liefern  musste.  Wenn  wir 
aber  mit  diesem  entschieden on  Ausspruche  das  zusammenhalten ,  was 
er  nach  dem  Vorgange  Brunn's  Seite  124  bemerkt,  dass  nämlich  in 
dem  griechischen  Kunstgewerbe  der  Metallurgie  zwischen  Aegypten 
via  Phönizien  und  Assyrien  einerseits  und  dem  asiatischen  und  euro- 
päischen Griechenland  andrerseits  ein  Zusammenbang  unverkennbar 
sei,  und  damit  den  von  Ikmalios  aus  Holz  gedrechselten  Stuhl,  bei 
welchem  Elfenbein  und  Silber  zur  Verwendung  kam,  in  Verbindung 
bringen,  so  scheint  es  doch,  als  ob  der  Tixrtoy  ebenso  gut  als  der 
xakxevg,  wenn  auch  der  Natur  der  Sache  nach  in  geringerem  Grade, 
weil  er  verhältnissmässig  weniger  in  das  Kunstgebiet  hinüberspielt, 
vom  orientalischen  Geschmack  beeinflusst  war 

In  dem  langen  Kapitel,  welches  dem  Metallarbeiter  gewidmet 
ist,  gebt  der  Verfasser  von  der  Ansicht  aus,  dass  Bergbau  auf  Kupfer 
oder  Erz,  dem  ältesten  und  am  meisten  gebrauchten  Metalle  im 
griechischen  Lande,  schon  in  vorhomerischer  Zeit  in  Griechenland 
wenn  vielleicht  auch  nicht  von  den  Griechen,  so  doch  von  den  Phöniziern 
betrieben  worden  sei.  Von  Kupfer  sei  der  Name  /«Axof  zunächst  auf 
das  spröde  Erz  (Bronze),  dann  auf  das  Eisen  und  jedes  andere 
Metall  übergegangen,  wie  auch  ^«Axft'«  den  Metallarbeiter  Oberhaupt 
bezeichne.  Qieser  mit  Hammer,  Zange,  Blasbalg  und  Schmelzofen 
nach  dem  Muster  des  Hephästos  ausgestattet,  tritt  bald  als  Waffen- 
schmied auf,  indem  er  den  Helden  glänzende  Rüstungen  aus  Erz  ver- 
fertigt und  aus  dem  zu  Stahl  erhärteten  Eisen  Angriffswaffen  schmiedet, 
oder  zum  Zwecke  des  Schmuckes  und  für  friedliche  Beschäftigungen 
Spangen,  Arm  -  und  Halsbänder,  Haarnadeln,  Messer,  Beile,  Sicheln 
und  anderes  Hausgeräthe  liefert,  bald  als  Zinngiesser  und  Blechschmied, 
bald  als  Gold-  und  Silberarbeiter,  mag  auch  seine  Fertigkeit  in  dieser 
Eigenschaft  nur  in  der  Herstellung  des  einfachsten  Frauenschmockes 
und  darin  besteben,  daas  er  zubereitetes  Gold  und  Silber  (Goldblech) 
auf  anderes  Metall,  Holz,  Horn,  Elfenbein  aufnietet  oder  aus  geschla- 
genen dünnen  Blättern  Draht  zu  Troddeln,  Helmbüschen  und  Netzen 
schneidet.  Alle  feineren  Artikel,  welche  der  dekorativen,  mit  dem 
Handwerk  noch  in  enger  Verbindung  stehenden  Kunst  angehören  und 
die  damals  wegen  der  Seltenheit  des  Edelmetalls  sich  wohl  nur  im 
Dienste  der  Fürsten  fanden,  verweist  Riedenauer  in  ausländisches 
Gebiet,  wie  ja  nicht  wenige  von  diesen  gefeierten  Arbeiten  geradezu 
als  pbönizisebe  oder  ägyptische  Produkte  bezeichnet  werden,  und  lässt 
sie  durch  Schenkung  oder  noch  öfter  durch  den  phönizischen  Handel 
zu  den  Griechen  gelangen. 


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Nachdem  er  noch  dem  -/u/.xevs  wegen  Verarbeitung  des  nach  Gold 
geschätztesten  Metalles,  nämlich  des  Messings,  für  die  hesiodeische 
Hustung  des  Hercules  die  Holle  eines  Spänglers  oder  Gürtlers  zuge- 
wiesen und  die  am  Eude  des  Zeitraumes  auftauchenden,  für  das  Metall  - 
gewerbe  wichtigen  Erfindungen  des  Metalllötbens  und  Erzgusses 
gewürdigt  hat,  stellt  er,  um  zu  bestätigen ,  wie  das  metallurgische 
Kunstgewerbe  von  Osten  her  gefördert  wurde,  alle  diejeuigen  Land- 
schalten und  Städte  zusammen,  in  welchen  nach  den  Überlieferten 
Nachrichten  die  Metallurgik  zu  besonderer  Bluthe  kam. 

Da,  gelangen  wir  von  Lydien  und  Phöntzien  und  besonders  Karien 
nach   Rbodus  und  Kreta  als   einem   der  ältesten  Betriebsorte  von 
Erzarbeitern ,   die  dort   sogar  eine  eigene  Gemeinde,  Cbalketorion, 
bildeten    Auf  dem  griechischen  Festlaude  treffen  wir  Erzarbeit ,  und 
zwar  überwiegend  von  den  Phöniziern  iKadmos)  beeinflusst,  in  Böotien, 
wo  ein    Sohn    des   Minyerkönigs    Albamas   zu   Urchomenos  geradezu 
Cbalkos  beisst,  und  auf  der  leicht  zugänglichen  Insel  Euhöa,  wo  wir 
dem  Berge  und  der  Stadt  Cbalkos,  der  ältesten  dieses  Namens,  begegnen. 
Auf  einem  Theile  der  lns»*l  wurde  auch  Kiseo  gefunden  und  so  trefflich 
behaudelt,  dass  in  späterer  Zeit  die  Schwerter  aus  den  Werkstätten 
von  Cbalkis  und  Aidepsos  den  besten  Klang  hatten.  An  Argos  knüpfen 
sich  die  metallbelegten  Wände  der  Tbolen  und  die  nach  auswärts  zum 
Muster  dienenden  Waffen  und  Misebkrüge;  an  das  durch  Eisenberg- 
werke und  Eisenhämmer  belebte  Lakonien  der  mit  Erz  getäfelte  Tempel 
der  Athene  und  die  Sage  der  Erfindung  von  Helm,  Speer  und  Schwert; 
an  Elis  der  Goldschmied  Laerkes  und  ebeufalls  der  Name  einer  Stadt 
Chalkis;  Sikyon  wird  schon  durch  seinen  älteren  Namen  Telchinia  als 
Heimat  uralter  Schmiedeinnungeu  bezeichnet;  Korintbs  blübeude  Industrie 
aber,  welche  die  Rohstoffe  von  auswärts  bezog  und  diese  namentlich 
zu  empästisebem  Gerathe  verarbeitet  zu  haben  scheint,   spricht  die 
durch  Technik  hervorragende  Kypseloslade  und  die  ebenso  in  späterer 
Zeit  bezeugte  Fabrikation  weithin  berühmter  Helme.    Attika,  besonders 
Athen  mit  seinem  uralten  Volksfeste  der  Cbalkeen  und  seinem  Hephä- 
steion  auf  dem  Kolonos  der  Agora  stand  in  Bezug  auf  Erzbetrieb  wahr- 
scheinlich mit  Euböa  in  Verbindung  und  lieferte  nebst  verschiedenen 
Schmuckgegenständen,  unter  welchen  die  Zikadeunadeln  und  Kleider- 
spangen die  Hauptartikel  ausmachten,  gehämmerte  und  genietete  Drei- 
füsse,  sowie  andere  eherne  Weihgeschenke  in  den  Handel.    Von  den 
Inseln  werden  als  Betriebsorte  der  Metallarbeit  hervorgehoben  Lemnos 
mit  der  sagenhaften  Pflege  des  Hephästos  durch  die  Sintier,  Lesbos  mit 
seinen  später  allgemein  bekannten  Krateren,  Cbios,  welches  den  Erfinder 
des  Löthens,  Samos,  das  die  Urheber  des  Erzgusses  zu  seinen  Mit- 
bürgern zählt.    Das  mit  letzterer  Insel  stammverwandte  Aegina  beher- 
bergte Pbeidons  Münzstätte,  welche  zunächst  Silber,  bald  auch  Gold 
prägte,  und  trieb  später  bekanntlich  einen  grossartigen  Handel  mit 
Galanterie-  Waaren,  der  auch  für  frühere  Zeiten  schon  eine  ausgedehnte 
Industrie  voraussetzt. 

An  den  Metallarbeiter  reiht  der  Verfasser  noch  den  Leder  er  und 
Töpfer.  Wenn  auch  die  homerischen  Leute  für  ihre  gewöhnlichen 
Bedürfnisse  das  Leder  selbst  gerbten  und  verarbeiteten,  gab  es  doch  für 
die  Anfertigung  besserer  Arbeiten,  wie  für  Schilde,  Sturmbauben, 
namentlich  in  dem  durch  Rinderzucht  blühenden  Böotien  schon  hand- 
werksmässige  Lederer  und  scheint  sich  im  Laufe  des  Zeitraumes  auch 
die  Schuhmacherei  zu  einem  selbstständigen  Gewerbe  ausgebildet  zu  haben. 


30 


Besonders  interessant  ist  der  die  Töpferei  behandelnde  Abschnitt, 
für  welchen  Conze  an  die  auf  Melos  gefundenen  Gefässe  anknüpfend 
äusserst  schätzbares  Material  geliefert  hat.  Dieser  lehrt  uns,  dass 
die  schon  im  2.  Jahrtausend  vor  Christus  von  den  Griechen  selbstständig 
ausgebildete  Kerameutik  zur  Zeit  der  Entstehung  der  homerischen 
Gedichte  bereits  in  eine  zweite  Phase  eingetreten  sei  und  Thongefässe 
mit  Malereien  geliefert  habe,  welche  an  assyrische  Produkte  erinnern. 
Diesen  Eintluss  assyrischer  Zeichnungen  denkt  sich  Riedenauer  veran- 
lasst durch  Muster  an  Metallwaaren  oder  Webereien,  welche  phönizische 
Händler  verbreiteten,  oder  selbst  durch  Ausübung  des  Töpferhandwerks 
und  der  Thonmalerei  von  Seiten  der  in  Griechenland  angesiedelten 
Phönizier.  Dieses  Handelsvolk  habe  Tbongescbirr  nie  nach  Griechenland 
eingeführt,  sondern  imGegentheil  aus  verschiedenen  griechischen  Land- 
schaften exportirt. 

Bezüglich  der  bei  Homer  vorkommenden  Gefässe  unterscheidet 
der  Verfasser  mit  Recht  zwischen  den  Herrenhäusern  und  geringeren 
Leuten,  indem  er  in  jene  vorzugsweise  aus  Metall  gefertigte  Gefässe 
für  die  innere  Einrichtung  verlegt,  während  er  diesen  ausschliesslich 
Thongeschirr  einräumt,  welches,  wenn  zum  reinen  Gebrauch  dienend 
unbemalt,  zum  Zweck  der  Zierde  aber  bemalt  war.  Besondere  Betriebs- 
orte  für  Töpferei  vennutbet  er  von  vornherein  in  denjenigen  Land- 
schaften Griechenlands,  welche  Wein  erzeugten,  da  dieser  in  grossen 
irdenen  in  die  Erde  halb  eingegrabenen  Krügen  aufbewahrt  wurde. 
Weil  nun  aber  der  Weiubau,  wie  tbeils  bei  Homer  ausdrücklich  bezeugt 
ist,  theils  aus  den  vielen  Orts-  und  auch  Personennamen  mit  dem  Stammo 
/w,  sowie  aus  den  mitDionysoR  zusammenhängenden  Sagen  und  Kulten 
geschlossen  werden  muss,  über  viele  Landschaften  und  Inseln  Griechen- 
lands verbreitet  war,  so  wird  man  nicht  fehl  gehen,  wenn  man  eine 
ziemlich  bedeutende  Ausdehnung  des  Töpfergewerbes  annimmt.  Aehnliches 
mag  von  der  besonders  auf  Samos,  Chios  und  in  Attika  blühenden 
Oelbaumzucht  gelten.  An  Stoff  zur  Verarbeitung  fehlte  es  nicht;  denn 
auf  Melos  und  Samos,  in  Euböa,  Böotien,  Attika,  Aegina,  Korinth  und 
anderen  Orten  gab  und  gibt  es  theilweise  noch  heute  die  herrlichsten 
Thonlager,  welche  die  Bewohner  von  selbst  zum  handwerksmässigen 
Betriebe  der  Kerameutik  einluden 

Den  Schluss  der  Gewerbe  bilden  die  Beschäftigungen  der  Fischer 
und  Schiffer,  welche  wohl  nie,  sicher  nicht  anfänglich  getrennt 
waren,  da  das  Wort  dXttvg  eigentlich  nur  den  Bewohner  der  Meeres- 
küste bezeichnete  und  in  Gegensatz  zum  Binnenländer  stellte.  Gleich- 
wohl hat  es  schon  im  homerischen  Zeitalter  gewerbsmässige  Fischer 
und  Schiffer  oder  Fährer  gegeben.  Jene  übten  ihr  Gewerbe  mit  Angel 
und  Netz,  selbst  mit  der  Harpune,  holten  durch  Untertauchen  Austern 
und  fischten  zum  Zweck  der  Färberei  an  verschiedenen  Küsten  und  im 
Euripus  die  Purpurschnecke.  Für  die  Bedeutung  der  Fischerei  schon 
in  früherer  Zeit  sprechen  die  alten  Münzen  mit  dem  Fiscbsymbol, 
welches  viele  Inseln  und  an  den  Ufern  des  Pontus  gelegene  Städte 
ihrem  Wappen  beigeprägt  haben,  ja  Curtius  nimmt  sogar  an,  da9S 
gerade  durch  die  Gelegenheit  reichlichen  Fischfanges  die  griechische 
Kolonisationsthätigkeit  nach  jenen  Gegenden  gezogen  worden  «sei. 

Der  Fischer  ist  aber  nicht  nur  mit  Fischer-,  sondern  auch  mit 
Scbiffergeräth  ausgestattet;  denn  er  übte  am  natürlichsten  auch  den 
Beruf  eines  Seefahrers.  Neben  ihm  bestand  eine  zweite  Klasse  gewerbs- 
mässiger Schiffer,  die  Fährleute,  welche  zwischen  näher  gelegenen 
Punkten  den  Verkehr  vermittelten.   Weiter  gehende  Seefahrten  werden 


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31 


beglaubigt  durch  den  zwischen  Itbaka  und  den  Sikelern  betriebenen 
Sklavenhandel,  sowie  durch  die  Unternehmungen  der  Minyer  nach 
Osten  und  der  Phokäer  nach  Westen.  In  Folge  der  räumlich  und 
zeitlich  immer  mehr  zunehmenden  Seefahrten  bildete  sich  ein  besonderer 
Schifferstand,  der  bis  zum  Schluss  des  hellenischen  Mittelalters  zu 
einer  zahlreichen  Bürger- Klasse  herangewachsen  war. 

Den  Inhalt  seiner  Abhandlung  resumirt  der  Verfasser  in  folgenden 
Worten:  „Am  Anfang  des  Zeitraumes  erscheint  auch  der  Haudwerker 
als  etwas  ausserordentliches;  seine  durch  andauernd  gleichmässige 
Beschäftigung  erworbene  Geschicklichkeit  gegenüber  den  anderen 
berechtigte  ihn  dazu.  Weiterbin  steigerte  sich  diese,  angeregt  durch 
asiatische  Vorbilder  und  dieselben  selbstständig  benützend,  zur  Kunst; 
da  trat  die  einfache  Handwerksleistung  zurück,  weil  sie  etwas  gewöhn- 
liches wurde;  der  höhere  Respekt  blieb  nur  an  der  Kunst  und  dem 
Kunsthandwerk  haften.  Für  das  Handwerk  als  solches  aber  wurden 
förderlich  die  Erweiterung  der  Absatzgebiete,  welche  das  aufblühende 
Seewesen  bewirkte,  und  die  Erleichterung  von  Kauf  und  Verkauf, 
welche  die  Münzprägung  gewährte,  und  so  bildete  sich  der  üebergang 
zur  Massenproduktion  aus." 

Indem  wir  hie  mit  von  dem  Buche  Abschied  nehmen,  wünschen  wir 
dem  Verfasser  aus  ganzem  Herzen,  es  möge  sich  sein  Gesundheits- 
zustand dauernd  bessern,  damit  die  Fortsetzung  seines  Werkes,  welches 
allerdings  eine  volle  Manneskraft  in  Anspruch  nimmt  /  keine  Störung 
erleide.  Denn  von  dem  Marksteine  der  Entwicklung  des  Handwerks  an, 
wo  er  uns  verlässt,  dehnt  sich  im  Gegensatz  zu  dem  eben  behandelten 
in  vielen  Beziehungen  mageren  Zeitraum  das  Feld  mit  dem  massen- 
haften Stoff  unendlich  aus,  und  wenn  Büchsenschutz  und  Andere  gerade 
in  diesem  Gebiete  rüstig  vorgearbeitet  und  Nachfolgern  die  Bahn  geebnet 
haben,  so  erschweren  sie  gewissermassen  diesen  ihr  Werk  dadurch, 
dass  sie  die  Mitwelt  berechtigen,  gesteigerte  Anforderungen  an  dasselbe 
zu  stellen. 

Landshut.  Adam. 


Zur  grammatischen  Erklärung  von  Xenophon's  Hellenika  mit  Rück- 
sieht  auf  die  Ausgabe  von  Dr.  Büchsenschütz. 

Ehe  ich  die  grammatische  Erklärung,  die  Xenophon's  Schrift  durch 
die  Ausgabe  von  Dr.  Bücbsenschütz  gefunden  hat,  näher  beleuchte, 
will  ich  noch  seine  Erklärungen  zu  I,  3,  13;  I,  4,  1  und  7  und  seine 
Antwort  auf  meine  Erwiderung  bezüglich  seiner  ganz  unberechtigten 
Kritik  meiner  Bemerkung  zu  I,  4,  7  besprechen,  welche  Stellen  ein 
eigentümliches  Licht  auf  die  chronologischen  Kenntnisse  des  Verfassers 
und  das  von  ihm  gegen  mich  eingeschlagene  Verfahren  werfen. 

Während  er  I,  3,  13  in  einer  langen  Anm.  die  im  Ganzen  gleich- 
giltige  Form  des  Namens  des  völlig  unbekannten  Philodikes  behandelt, 
erwähnt  er  kein  Wort  über  Pasippidas,  der  nach  seinem  Text  als  lace- 
dämoniseber  Gesandte  aufgeführt  wird,  obgleich  I,  1 ,  32  dessen  Ver- 
bannung aus  Lacedämon  berichtet  ist  Statt  ferner  aus  der  Erwähnung 
des  Hermokrates  an  dieser  Stelle  zu  ersehen,  dass,  wie  dies  auch  aus 
andern  Gründen  ersichtlich  ist,  die  von  ihm  (S.  9  der  Einleitung)  ange- 
nommene Chronologie,  nach  der  diese  Vorgänge  ins  Jahr  408  fallen, 
anrichtig  sein  mus9,  wird  die  Beteiligung  desselben  an  der  Reise  der 


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32 

— — —  « 


athenischen  Gesandten  gegen  das  ausdrückliche  Zeugniss  Xenophon's 
unwahrscheinlich  genannt-  Kerner  wird  I,  4,  1  zu  dem  offenbar  falschen, 
gauz  unerklärlichen  Zusatz  oi  iiXXot  uyytXot,  die  Vermutung  ausgesprochen, 
dass  man  dabei  an  Personen  denken  kann,  die  der  König  mit  Aufträgen 
nach  Kloinasien  schickte  (also  in  Begleitung  des  Cyrus,  der  als  Stell- 
vertreter des  Königs  sich  eben  dahin  begibt)!  Zu  I,  4,  7  ertenf»,  iviavtoi 
XQeis  tjoav  aber  wird  bemerkt,  dass  die  Schwierigkeit  der  Zeitrechnung, 
da  es  drei  Jahre  später  <im  Herbst  40?»)  kein  Heer  der  Athener  mehr 
gab,  auf  Verderbnis»  der  Stelle  schlieSM-n  lasse  Auch  diese  >chwierigkeit 
ist  aber  nur  eine  Folg«  der  falschen  Zeitbestimmung  des  Hrn  H.,  nach 
welcher  der  Anfangspunkt  der  angegebenen  Zeit  in  den  Herbst  408 
statt  409  lallen  soll  ich  habe  darum  ausdrücklich  in  meiner  Ausgabe 
bemerkt,  dass  die  Gesandten  vom  Herbst  409  jedenfalls  bis  zum 
Winter  407,6  oder  bis  ins  Jahr  400  bei  Pbarnabazo*  gewesen  sind, 
dass  übrigens  das  dritte  Jahr  nicht  als  abgelaufen  angenommen  zu 
werden  braucht,  obgleich,  seihst  wenn  man  drti  volle  Jahre,  also  bis 
zum  Herbst  406  annimmt,  die  von  Hrn  Dr.  B.  angegebene  Schwierigkeit 
bei  meiner  Zeitrechnung  nicht  vorhanden  ist  Und  doch  bemerkte  Hr. 
B.  in  seiner  Keceusion  iS.  282),  dass  von  mir  die  chronologische 
Schwierigkeit  mit  dem  Bemerken  abgetbau  werde,  das  dritte  Jahr 
brauche  nicht  als  abgelauleu  angenommen  zu  werden.  Als  ich  aber 
Hrn.  Dr  B.  erwiderte,  dass  nach  der  von  mir  angenommenen  Chrono- 
logie, nach  der  die  Rückkehr  des  Alcibiades  ins  Jahr  406  (nicht  407) 
zu  setzen  ist  (die  Gesandtschaftsreise  also  in  den  Herbst  409  fällt), 
eine  chronologische  Schwierigkeit  gar  nicht  vorbandet!  ist,  und  in  meiner 
Bemerkung  daher  die  Verschiedenheit  der  Annahme,  die  bezüglich  der 
Dauer  der  drei  Jahre  besteht,  ausdrücklich  als  gleicbgiltig  bezeichnet 
wird,  antwortete  Hr.  B.  in  unbegreiflicher  Weise:  „Die  iu  Abrede  gestellte 
Schwierigkeit  ist  doch  da;  denn  am  Anfange  des  Kapitels  steht  deutlich 
a.  406  und  die  Begebnisse  des  Juhres  408  können  uicbt  409  geschehen 
sein;  ausserdem  bleiben  drei  Jahre  doch  drei  Jahre".  Hier  weiss  man 
wirklich  nicht,  hat  man  an  verstellte  und  absichtliche,  oder  an  wirkliche 
Unkenntnis  der  Sachlage  zu  denken.  Hat  Hr.  Dr  B.  wirklich  nicht 
gesehen,  oder  nicht  sehen  wollen,  dass  der  Ausdruck  i  <  ">)//  61  ivmvxoi 
TQcti  ita«v  nicht  von  dem  Jahr  408,  das  am  Anfange  des  4.  Kap.  steht, 
sondern  notwendig  von  dem  Zeitpunkt  ausgehen  muss,  seit  welchem  die 
Gesandten  der  Athener  bei  Pharnabazos  verweilten,  der  im  3  Kap. 
§  13  angegeben  ist  und  nach  meiner  Zeitrechnung  mit  dem  Herbst 
409  beginnt;  und  weiss  Hr.  B.  wirklich  nicht,  oder  stellt  er  sich  nur, 
als  ob  er  es  nicht  wisse,  dass  der  Grieche  bei  solcher  Zeitrechnung  die 
Jahre,  in  die  der  Anfangs-  und  Endpunkt  einer  Handlung  fällt,  als 
voll  mitzuzahlen  pflegt,  so  dass,  wo  er  von  drei  Jahren  spricht,  die 
wirklich  verstrichene  Zeit  manchmal  kaum  anderthalb  Jahre  beträgt. 
Wie  er  nach  dieser  Bemerkung  davon  wirklich  keine  Kenntnisa  zu 
haben  scheint,  so  verwechselt  er  auch  VII,  1,  1  offenbar  den  römischen 
und  griechischen  Jahresanfang,  indem  er  zu  vOtfyf  Ire*  bemerkt: 
„Es  ist  jedenfalls  das  Jahr  369  v.Chr.,  aus  dem  schon  im  vorigen  Kapitel 
Vorfälle  mitgeteilt  waren,  so  dass  die  Beziehung  des  Wortes  vartQov 
nicht  klar  ist".  Da  am  Schlüsse  des  6.  Buches  Ereignisse  aus  dem 
Winter  und  Frühjahr 369,  also  aus  dem  dritten  Jahre  der  102  Olym- 
piade erzählt  sind,  und  das  7.  Buch  mit  den  Begebnissen  des  Sommers 
(Juli),  also  des  vierten  Jahres  derselben  Olympiade  beginnt,  istXeno- 
phon  doch  berechtigt,  von  einem  neuen  Jahre  au  sprechen,  und  wundern 


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33 


muss  man  sich  nur,  wie  der  Erklärer  eines  Werkes  über  griechische 
Geschichte  so  lange  Jahre  (seit  der  ersten  Auflage)  sich  mit  einem  so 
leicht  zu  lösenden  Zweifel  tragen  konnte. 

Wer  eine  griechische  Schrift  für  den  Schulgebrauch  zu  erläutern 
unternimmt,  sollte  vor  Allem  in  den  verschiedenen  Gebieten  der 
griechischen  Grammatik  wol  bewandert  sein ,  um  dem  Schüler  manch- 
mal die  nötige  Anleitung  zu  geben,  wie  er  die  Gesetze  der  Sprache, 
die  er  sich  bereits  angeeignet  hat,  zu  einer  richtigen  Erklärung  des 
Schrifstellers  verwerten  kann.  Dies  gilt  vor  Allem  von  der  in  der 
griechischen  Sprache  so  fein  ausgebildeten  Lehre  von  den  Zeiten ,  von 
deren  richtigem  Verständniss  so  oft  das  richtige  Verständniss  eines 
ganzen  Satzes  abhängt.  Ueber  die  Kenntnisse  nun,  die  Hr.  Dr.  Büchsen- 
schütz von  dem  griech  Sprachgebrauche  in  der  Anwendung  der  Tempora 
besitzt,  gibt  er  selbst  den  besten  Aufschluss  in  der  Recension  meiner 
Ausgahe  (Berliner  Zeitschr.  f.  d.  Gymn  - Wesen  17.  Jhrg.  1873),  wo  er 
S  283  wörtlich  sagt :  „Sehr  augenfällig  ist  das  Bemühen,  die  Bedeutungen 
des  Imperfects  und  des  Aoristes  auseinanderzuhalten,  ein  Bemühen,  das 
bei  unserer  noch  wenig  befriedigenden  Kenntnis*  der 
Grundsätze,  nach  welchen  der  griechische  Sprachgebrauch  in  der  An- 
wendung dieser  Tempora  verfahrt,  zwar  recht  dankenswert  ist,  aber 
doch  in  der  vorliegenden  Ausgabe  wenig  genug  geleistet  hat."  Wie 
wenig  befriedigend  allerdings  die  Kenntniss  der  erwähnten  Grundsätze 
bei  Hrn.  Dr.  B.  noch  ist,  beweist  er  selbst  alsbald  in  augenfälliger 
Weise,  indem  er  S.  284  in  Abrede  stellt,  dass  „das  Imperfekt  deswegen 
gesetzt  werden  könne,  weil  mehrere  dasselbe  thaten"  und  durch  die 
Behauptung,  „dass  die  längere  oder  kürzere  Dauer  doch  nie  auf  die 
Wahl  des  Tempus  von  Einfiuss  ist".  Dies  leugnet  Hr.  B.  angesichts 
so  klarer  Fälle  wie  III,  1,  3,  wo  trotz  seines  Widerspruches  an  wieder- 
holte Aufforderungen,  die  von  verschiedenen  Städten  Kleinasiens  an 
Sparta  ergiengen,  gedacht  werden  muss  und  auch  von  allen  Historikern 
und  Erklärern  Xenophon's  gedacht  worden  ist,  oder  II,  2,  17,  wo  vou 
dem  Berichte  des  einzelnen  Theramcnes  ttnqyyeiXs  gebraucht  ist,  während 
II,  2,  22  von  mehrfacher  Berichterstattung  mehrerer  Gesandten  anny- 
yeXXoy  steht,  oder  IV,  1,  12,  wo  nach  xuXiotopev  avrov  im  Folgenden 
ixäXei  gebraucht  ist,  weil  der  Ruf  nicht  nur  an  Spithridates,  sondern  auch 
an  die  andern  zu  ihm  Gesendeten  ergeht.  Ich  selbst  habe  allerdings 
in  meiner  Ausgabe  nichts  Neues  geleistet  und  auch  nichts  Neues  leisten 
wollen,  da  mich  die  in  den  Grammatiken  aus  den  Schriften  der  attischen 
Schriftsteller  gezogenen  Grundsätze  vollständig  befriedigen  und  verweise 
der  Kürze  wegen  nur  auf  die  gute  Zusammenstellung  des  bezüglichen 
Gebrauchs  des  Imperfekts  in  dem  Programme  von  Prof.  n  D.  Müller 
(Syntax  der  griech.  Tempora,  Göttingen  1874,  S.  20  f.),  wo  derselbe  mit 
genügenden  Beispielen  belegt  ist  Wenn  übrigens  Hr.  B.  findet,  dass 
solche  Bemerkungen  für  den  Schüler  unnötig  sind,  so  rührt  dies  daher, 
dass  unsere  Ansichten  von  dem,  was  für  denselben  nötig  ist,  auch  sonst 
himmelweit  verschieden  sind. 

Nur  eine  Bemerkung  zu  I,  1,  19  muss  ich  gegen  die  schroffe  Art, 
mit  der  sie  von  Hrn.  Dr.  B.  ohne  Angabe  eines  Grundes  verworfen 
wird,  in  Schutz  nehmen.  Die  Stelle  lautet:  ol  dh  Kv$ixrtvoi  —  id ixovxo 
Tovs  ' ASrivtilovs .  'AXxißuiifrjS  cTi  fAtlvas  ttvxov  i'ixoaiv  rtutQitg  xai 
YQtjuarct  noXXtl  Xrtßtov  ntiQtl  rtSiv  [KvZixtjt'oiv  ovdbv  uXXo  xaxov 
iQyaoa  ptvog  iv  rjj  noXet  aninXevaev  eis  JlQOixopvtiaov.  Unmittel- 
bar darauf  aber  heisst  es  von  Perinth  und  Selybria:   IUq(v&i<h  piv 

BUUter  f.  <L  Uyer.  Gymnamlw.  XI.  Jahrg.  3 


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34 


eloed  4$avT  o  eis  ro  aoxv  ro  arQttronsdoy.  IriXvßQiavoi  dh  idi- 
Savro  fii*  ovy  /(>>'tu<au  de  l&oaav.  Hr.  Dr.  B.  bemerkt  zu  dem  doch 
jedem  Schüler  auffallenden  Unterschied  in  dem  Gebrauche  der  Tempora 
an  diesen  Stellen  in  seiner  Ausgabe  —  nichts,  Ober  meine  Bemerkung 
aber  sagt  er  in  seiner Recension:  Das  Seltsamste  finden  wir  I,  1,  19 
„idifoyro  >  das  Imperfekt  scheint  in  Verbindung  mit  der  folgenden 
Angabe  ovdky  —  iv  xp  noXei  anzudeuten,  dass  Ale.  die  Stadt  mit 
Einquartierung  verschonte,  um  die  Bürger  sich  und  seiner  Vaterstadt 
geneigt  zu  machen".  Da  Xenophon  den  allgemeinen  Ausdruck  avrov 
gebraucht,  der  sich  auch  auf  die  Umgebung  von  Cyzikus  beziehen  kann, 
und  zu  tQyaoafitvos  mit  Ergänzung  des  Objekts  (avTovs)  ausdrücklich 
iv  rp  noXet  hinzufügt,  so  übersetze  ich  den  Satz:  Alcibiades  aber  blieb 
zwar  20 Tage  daselbst  und  erhob  hohe  Kriegssteuern,  fuhr  aber  darauf, 
ohne  ihnen  eine  weitere  Belästigung  in  der  Stadt  (durch  Einquartierung) 
auferlegt  zu  haben,  ab  nach  dem  Prökonnese.  Mit  dieser  Auffassung 
stimmt,  abgesehen  davon,  dass  an  eine  Zerstörung  oder  Plünderung  der 
Stadt  oder  an  eine  Misshandlung  ihrer  Einwohner  nicht  leicht  gedacht 
werden  kann,  ganz  und  gar  der  folgende  Satz  üto(y&i»i  de  eiaede^ayro 
eis  t6  uatv  ro  axQttione&ov ,  wenn  man  den  Gebrauch  von  &o~tv,  wie 
er  mehrfach  (vgl.  IV,  5,  1  u.  3)  in  Xenophons  Geschichte  erscheint, 
berücksichtigt,  wo  es  stets  die  Stadt  selbst  im  Gegensatze  zu  deren 
Umgebung  oder  dem  zu  ihr  gehörigen  Gebiet  bedeutet,  und  wenn  man 
ferner  die  Anwendung  des  Kompositums  eiatdi^uyro  im  Aorist  mit  dem 
Imperfekt  in  idtfoyTo  vergleicht  =.  „die  Perintbier  aber  mussten  das 
Heer  in  die  Stadt  selber  zur  Einquartierung  aufnehmen"  (vgl.  über  den 
•  Ausdruck  arQaro.iedoy  für  Heer  meine  Bern,  zu  I,  3,  1  und  17).  Ich 
glaube  nicht,  dass  meine  Erklärung  des  Imperfekts  idixovTo,  nach  der 
die  Einquartierung  zwar  angeboten,  von  Alcibiades  aber,  um  die  wichtige 
Handelsstadt  wieder  für  Athen  günstig  zu  stimmen,  nicht  angenommen 
wurde,  einem  Sachverständigen  so  seltsam  erscheinen  wird,  wie  sie 
Hrn.  Dr.  It.  erschienen  ist.  Leicht  ist  es  fürwahr,  während  man 
selbst  über  den  Gebrauch  der  verschiedenen  Tempora  bei  demselben 
Verbnm  in  einer  und  derselben  Stelle  nichts  beibringt,  die  von  einem 
andern  nach  den  Gesetzen  der  griechischen  Sprache  gegebene  Erklärung 
aus  ihrem  notwendigen  Zusammenhange  herauszugreifen  und  ohne 
alle  und  jede  Begründung  als  seltsam  zu  bezeichnen.  Viel  selt- 
samer sind  manche  Bemerkungen  des  Hm  B.  über  den  Gebrauch  der 
Tempora,  wie  die  über  das  Particip  des  Präsens  VII,  4,  5  lXe$ey  öti  — 
ßotj&wy  nttQeir, :  „Das  Particip  Präsentis  steht  zuweilen  in  dem  Sinne 
der  Absiebt,  indem  der  Beginn  der  beabsichtigten  Thätigkeit  in  leb- 
hafter Darstellung  in  die  Gegenwart  gerückt  wird."  Das  Richtige 
ist,  dass  die  Thätigkeit,  die  im  Particip  des  Präsens  ausgedrückt  wird, 
bereits  begonnen  haben  muss,  oder  im  Augenblicke  wirklich  schon 
beginnt  Dass  die  Nichtbeachtung  der  Tempuslehre  öfters  Hrn.  Dr.  B. 
zu  ganz  falschen  Erklärungen  verleitete,  habe  ich  schon  früher  (Bd.  10 
S.  330)  an  zwei  Beispielen  dargetban ;  das  Unglaublichste  und  wirklich 
Seltsamste  aber  findet  sich  in  der  Bern.  I,  3,  19  zu  dtdovm:  „Präsens 
bietorikum,  welches  auch  in  die  indirekte  Rede  aufgenommen  ist". 
Jedermann  wird  hier  doch  bei  der  Verwandlung  in  die  direkte  Rede 
in  didoym  daB  Imperfekt  edidov  erkennen,  nur  Hr.  Dr.  B.  lässt  die 
widersinnige  Erklärung  in  drei  Auflagen  unverändert  stehen.  Dabei 
findet  sieb  eine  Verweisung  auf  I,  7,  5,  wo  zu  uXioity  gesagt  ist:  „der 
Optativ  Präs.  in  indirekter  Rede,  wo  man  ein  Imperfekt  der  direkten 
voraussetzt,  findet  sich  auch  II,  2,  17  und  III.  3,  b  (es  scheint  darnach 


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35 


fast,  als  ob  er  sich  sonst  nirgends  so  fände  1).  Man  könnte  vermuten, 
als  sei  dies  ein  Herübernehmen  des  Präs.  histor.  in  die  indirekte  Rede. 
Vgl.  zu  3,  19."  Der  Verfasser  scheint  in  seinen  Phantasien  wirklich 
von  dem  historischen  Präsens  förmlich  verfolgt  zu  werden,  dass  es  ihm 
zu  so  absonderlichen  Erklärungen  der  einfachsten,  allbekannten  Gesetze 
der  Tempuslehre  dienen  muss. 

Wie  über  das  historische  Präsens  muss  Hr.  B.  auch  von  einer 
Epexegese  ganz  eigene  Ansichten  haben,  weil  er  1,5,  9  TutaacpiQvovg 
Xiyovxog ,  antg  avxog  inolsi  neioSeig  vrt1  AXxtßtadov,  exoneiv,  öncog  xöiv 
'EXXqvtov  fit)#i  oi'rwtg  ia/i<Qoi  toaiv  (T.  sagte  ihm,  or  möge  das  im 
Auge  haben,  was  er  selbst  immer  zu  bewirken  gesacht  habe,  nämlich 
dass  kein  Volk  in  Griechenland  zu  grosse  Macht  beritze)  den  Finalsatz 
mit  3 n OK-,  den  ich  als  Epexegese  zu  dem  Relativ  üneg  erklärte,  schlechter- 
dings nicht  als  solche  anerkennen  will  und  merkwürdiger  Weise  in 
seiner  Antwort  auf  meine  Erwiderung  (S.  793)  sagt:  „Man  mag  den 
betreffenden  Satz  drehen ,  wie  man  will,  so  wird  nichts  daraus,  als  ein 
Finalsatz,  där,  sei  es  von  inoiei,  sei  es  von  «xorr(»>  abhängt; 
ein  solcher  ist  keine  Epexegese,  vorausgesetzt,  dass  Hr.  K.  nicht  unter 
Epexegese  etwas  anderes  versteht,  als  andere,  das  aber  kann  ich  doch 
nicht  wissen".  Was  ich  darunter  verstehe,  konnte  Hr.  Dr.  B.  erfahren, 
wenn  er  sich  in  griechischen  Grammatiken  iz.  B.  Kühner  II  §.  562,  2) 
oder  bei  andern  F>klärern  (z.  B  Frohberger  zu  Lys.  30,  28)  darnach 
umgesehen  hätte;  ganz  neu  aber  ist  jedenfalls,  dass  der  Finalsatz  auch 
von  inoiei  abhängen  kann.  Es  macht  sich  eben  Hr.  Dr.  B.  über  Sätze 
mit  o'jiwj  überhaupt  ganz  eigene  Gedanken  So  z.  B.  sagt  er  zu  VII,  3,  11 
xovxov  £%oi  xig  ay  i  i:\ity  ö.fwc  ov  dixaiov  iattv  ano9aveiv\  „Ein  Satz 
mit  outug  steht  zuweilen  statt  eines  Satzes  mit  ort  nach  einem 
Verbum  sentiendi  oder  declarandi."  Es  scheint  nach  dieser  Fassung 
seiner  Anm.  Hr.  B.  nicht  gesehen  zu  haben,  dass  dieser  Satz  (wie  die 
andern  in  der  Anm.  aufgeführten)  ein  indirekter  Fragesatz  ist  statt  ;i«ic 
ov  iLxmot  icn  xovxov  «noitttvtiv ;  Ferner  heisst  es  zu  II,  3,  33  nuig  ov 
(<?$i)  <fv'/M;r<ott(u}  tag  fÄfj  xai  i'uus  xavxo  tfvvaofH}  noiijaai  ;  „nach  Verbis 
der  Furcht  selten  statt  des  blossen  /ur,,  häufiger  Öruag  m]  mit  dem  Futurum." 
Die  Worte  enthalten  eine  seltsame  Konfusion,  da  gpviUrrrM$a4  „sich  in 
Acht  nehmen"  nicht  geradezu  zu  den  verbis  timendi  gehört,  aondern 
ganz  gewöhnlich  die  Konstr.  mit  wg  (Ö.itog)  u>'t  und  Konj.  (oder  Optativ) 
oder  Indikativ  Futuri  nach  sieb  zieht.  Umgekehrt  sollte  III,  3,  3  zu 
avXtt^aa9tti  fxn  bemerkt  sein,  dass  hier  der  Begriff  der  Furcht,  der  in 
dem  Verbum  liegen  kann,  hervorgehoben  ist. 

Auch  als  Verbesserer  der  Grammatik  tritt  Hr.  Dr.  B.  an  einer 
Stelle  auf,  indem  er  zu  IV,  8,  5  u.  6 xovxovg  lays  xov  ixn$;/Xijx9ai  auf 
Grund  einer  unhaltbaren ,  von  Dindorf  aufgestellten  Theorie  gegen  alle 
Grammatiker  und  Handschriften  des  Xenophon,  Thucydides,  Plato, 
Isokrates,  Demosthenes  n.  a.  die  Negation  beim  Infinitiv  mit  rov 
getilgt  wissen  will.  Deshalb  hat  er  wol  auch  11,2,10  ivafiitov  oy&eplav 
etvai  ataxfiqittv  xov  [irj  rtafkety  r"  ov  xiuiogovfAiyoi  inoirjoav,  aXXa  did 
rtjv  vßQiy  rlSixovv  die  entschieden  falsche,  weil  unerklärliche  Lesart 
ei  fi>j  naSeiv  aufgenommen,  hütet  sich  aber  wolweislich,  dieselbe 
auch  nur  mit  einem  Worte  zu  erläutern,  und  lässt  so  den  Schüler  rat- 
los vor  dem  unlösbaren  Rätsel  stehen,  dem  Satze  einen  vernünftigen 
Sinn  abzulocken.  Dr  Breitenbach  hat  zwar  in  seiner  ersten  Ausgabe 
(Gotha  1853)  einen  Versuch  der  Lösung  gemacht,  in  der  neuen  Ausgabe 
bei  Weidmann  aber  denselben  aufgegeben  und  gleichfalls  rov  tun 
geschrieben.  —  In  den  Worten  ö  ov  r  i^uwo  o  v/x  e vot  ijiolrtc«y  erkennt 

3» 


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36 


Hr.  B.  merkwürdiger  Weise,  wie  er  sagt,  noch  immer  nicht  trotz  des 
Gegensatzes  («')  diu  tijk  vßqiv  »/ii^tr  und  trotzdem  dass  das  folgende 
ixtfoots  auf  die  Lacedämonier  hinweist,  die  Anspielung  auf  die  Tötung 
der  gefangenen  Athener  durch  Lysander  (II,  1 ,  32),  obgleich  dort  aus- 
drücklich Rache  als  Motiv  dafür  angegeben  wird ,  gegenüber  der  §.  3 
geschilderten  grausamen  Behandlung  verschiedener  Städte  und  Inseln 
von  Seite  der  Athener,  und  macht  es  mir  sogar  zum  Vorwarf,  dass  ich 
nach  Andern,  die  das  längst  erkannt,  in  meinen  Bemerkungen  zu  der 
Stelle  darauf  verwiesen  habe,  indem  er  S.  284  sagt:  „Bedenklich  ist 
die  Erläuterung  zu  II,  2,  10,  da  nicht  von  einerjeinzelnen  That,  sondern 
von  einem  wiederholt  beobachteten  Verfahren  die  Rede  ist".  Mit  dem 
Aorist  inoinauv  wird  eben  auf  die  einzelne  Tbat  der  Lacedämonier 
angespielt,  mit  dem  Imperfekt  tjdixovy  dagegen  das  wiederholt  beobachtete 
Verfahren  der  Athener  bezeichnet 

Nichts  ist  so  widersinnig,  dass  es  nicht  doch  Xenophon  von  Hrn.  B. 
zugemutet  wird,  wie  z.B.  I,  2,  8  ißotjfyany  atpiaxv  (wofür  iß.  *E<r»?<xfoic 
zu  setzen  ist)  gegen  die  Grammatik  und  den  Sinn  heissen  soll  „sie 
halfen  sich  selbst1' ,  was  dann  so  viel  sein  soll  als  „sie  schickten  sich 
zur  Verteidigung  der  Stadt  an";  oder  VII,  3,  10  t(  4/uoi  noXefmarsqog 
i,y  f<  vfiiy}  wo  xi  heissen  soll  „um  wie  viel",  während  der  Satz 
bedeutet:  warum  sollte  er  für  mich  ein  gefährlicherer  Feind  gewesen 
Bein,  als  für  euch?  Das  Aergste  aber  wird  dem  Xenophon  dadurch 
zugemutet,  dass  er  wirklich  V,  3,  13  in  dem  mit  xal  yao  beginnenden 
Hauptsatze  statt  avTip  geschrieben  haben  soll:  iavrw  di  (£iyoi  rjoay) 
öl  üucf  i  UqoxXecc,  wozu  es  in  der  Anm.  heisst :  „iavrß,  weil  der  begründende 
Satz  aus  dem  Sinne  des  Agesilaus  genommen  und  dieser  dem  Gedanken 
nach  Subjekt  des  Hauptsatzes  ist",  wozu  als  Beispiel  der  himmelweit 
verschiedene  Satz  aus  Anab.  III,  5,  25  angeführt  wird:  oix  «£<oV  im 
ßaoiXei  (Kjuiui  rovg  i(p*  iavroy  trrQarsvouirovs  1  Da  darf  man  sich 
ireilich  nicht  wundern,  dass  Hr.  Dr.  B.  kein  Verständniss  zeigt  für  die 
frehtige  Auflassung  des  Pronomens  aJro?,  wo  es  als  Pronomen  des 
Gegensatzes  an  bevorzugter  Stelle  steht,  und  dass  er  mich  darum  tadelt, 
weil  ich  in  meinen  Bemerkungen  darauf  aufmerksam  mache,  wie  z.  B. 

II,  4,  33  ol  db  Anxcdaifioytoi,  inei  ttt'r  t&p  noXXoi  iriTQtooxoiTO ,  priXa 
nutofieyoi  aiiextoQovy,  nachdem  unmittelbar  vorher  erzählt  wurde,  dass 
Pausanias  mit  den  Seinen  mehrere  Feinde  getötet  und  die  andern  heftig 
verfolgt  hatte,  wo  aber  trotzdem  Hr.  B  (S.  247)  den  Gegensatz^  zu 
avxtSv  nicht  erkennen  will,  oder  wenn  ich  I,  4,  16  zu  rot?  <f  avrov 
f/ßgoig,  wozu  Hr.  B.  gar  nichts  bemerkt,  auf  die  grammatische  Regel 
(z  B.  Krüger  47, 9, 12)  verweise,  nach  der  der  Genitiv  avrov  unmittelbar 
zwischen  Artikel  und  Substantiv  im  Sinne  von  ipsius  steht,  so  dass 
damit  nicht  die  politischen,  sondern  die  persönlichen  Gegner  und 
Neider  des  Alcibiades  bezeichnet  werden.  Dass  ich  bei  III,  4,  12  ini  rov 
avrov  oixiay  auf  diese  Parallelstelle  (I,  4,  16)  verweise,  ist  doch  gewiss 
nicht  auffallend,  wie  es  Hr.  B.  findet;  auffallend  ist  nur,  dass  er  bei  dem 
ganz  verschiedenen  Falle  VII,  1 ,  20  ol  aXXot  avr<öv  avfiua/ot  auf 

III,  4,  12  zurückweist  und  demnach  nicht  weiss,  dass  diese  Stellung 
von  avrov  oder  einem  Personalpronomen  statthaft  ist  und  sich  häutig 
genug  findet,  wenn  das  Substantiv  noch  ein  anderes  Attribut  bei  sich 
hat.  So  hat  er  auch,  wie  er  es  gewöhnlich  macht,  wenn  er  die  Un- 
gerechtigkeit  eines  Tadels  zugeben  muss,  nicht  seiner  Unkenntniss  der 
Gesetze  über  die  Wortstellung,  sondern  einer  Unklarheit  meines  Aus- 
druckes es  zugeschrieben ,  dass  er  die  Bemerkung  zu  III,  1,  11  6  ayijo 
cot  6  ifxos  nicht  verstand,  die  doch  verständlich  und  klar  genug  lautet: 


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37 


Die  Stellung  dos  tonlosen  Pronomens  (aoi)  zwischen  die  grammatisch 
zusammengehörigen  Worte  betont  diese  im  Gegensatze  zum  folgenden  sy<6. 

Eine  grammatische  Kegel  muss  klar  ausgedrückt  und  vor  Allem 
richtig  Bein.  —  Von  dem  Reitergefecbt  vor  Mantinea  heisst  es  VII,  5, 1? 
ovd'ty  ovTüß  ßQtt%v  önXoy  "/'"'»  V  ov%*  i$i*vovvTo  aXXyXtoy.  Der  Satz 
schildert  die  Hitze  der  Reiter,  die  nicht  aus  der  Ferne  mit  den  Lanzen 
kämpften,  sondern  so  nahe  aufeinander  eindrangen,  dass  sie  sich  mit  den 
kürzesten  Waffen  wirklich  erreichten;  ebenso  besagt  die  Parallelstelle 
aus  X.  Komm.  II,  2,  8  ovx  ein«  —  ovdey  4qpy  w  ßtr^vt-'h,.  dass  seine 
Mutter  sich  wirklich  nie  über  ein  von  ihm  gegen  sie  gesprochenes  Wort 
zu  schämen  hatte.  Hr.  Dr.  B.  aber  bemerkt  zu  ^  ovx  i^ixyovyro: 
„Relativsätze  an  Stelle  von  Folgesätzen  stehen,  selbst  wenn  sie  eine 
angenommene  Folge  bezeichnen,  zuweilen  im  Indikativ"  Mit 
dieser  hegel  weiss  der  Schüler  nicht,  was  sonst  nach  der  Ansicht  des 
Um.  B.  stehen  könnte  oder  sollte,  und  wird  zu  dem  falschen  Glauben 
verleitet,  dass  hier  eine  angenommene  Folge  bezeichnet  ist.  Dem  näm- 
lichen Ausdruck  „zuweilen"  begegnen  wir  VI,  1,  5  nag1  iftoi  ovdeig 
uia:t<,<f>(jn,  öong  fit}  ixayog  iany  iuoi  tau  noyeiy  „In  Relativsätzen,  die 
eine  notwendige  Bestimmung  enthalten,  findet  sich  meistenteils  die 
Negation  ov,  zuweilen,  wenn  der  Inhalt  nur  ein  gedachter  ist,  /uif". 
Hier  ist  nicht  klar,  was  Hr  B.  unter  einer  „notwendigen  Bestimmung" 
sich  denkt;  versteht  er  aber  darunter  eine  solche,  wie  sie  in  obigem 
Relativsatze  enthalten  ist,  die  notwendig  vorbanden  sein  muss,  wenn 
etwas  anderes  eintreten  soll,  so  ist  seine  Regel  falsch,  denn  in  solchen 
Relativsätzen  steht  immer  tf.  Zu  dem  dem  vorigen  ähnlichen  Relativ- 
satze II,  3,  12  öaoi  avy^deaav  iavroig  [tri  ovxeg  roiovtoi,  ovdiy  »/jf^opro 
lautet  die  alle  Grammatik  förmlich  verhöhnende  Bemerkung  des  Hrn. 
Dr.  B :  „Das  Particip  nach  ovvoida  bat  als  Negation  bald  ov,  bald  p >?'". 
Ebenso  gut  und  sogar  richtiger  konnte  Hr.  Dr.  B.  sagen :  In  negativen 
Sätzen  setzt  der  Grieche  bald  ov\  bald  pr,! 

Nor  in  Kürze  will  ich  so  grobe  Verstösse  erwähnen,  wie  VII,  4,  8 
die  falsche  Erklärung  für  das  Fehlen  des  Artikels  bei  dem  Prädikat 
vfiiitQoi  tpiXoi;  die  falsche  Erklärung  von  i;i«yeX9nSy  IV,  8,  35,  in 
welchem  Verbum  nicht  d  i(,  sondern  ttyd  sich  auf  el$  rd  Sq>j  bezieht, 
bii  aber  den  feindlichen  Zweck  andeutet;  die  falsche  Beziehung  der 

VI ,  1 ,  7  zu  ri  gesetzten  und  bei  gadlms  zur  Betonung  dieses  Wortes 
wiederholten  Partikel  dv  zu  dem  hypothetischen  oder  kaussalen  Particip 
qpoßovficyos  oder  VI,  2,  28  zu  dem  Particip  inurrgetpae ,  das  einen 
temporalen  Satz  enthält;  die  Verwechslung  des  Aktivs  mit  dem  Medium 
z.  B.  in  xaxaouandy  und  xuraaiatnaoSkii  V,  4,  7;  die  mehrfache  falsche 
Auffassung  von  wart  oder  tag  mit  Inf.  als  „unter  der  Bedingung  dass" 
(z.B.  III,  I,  10;  VI,  3,  17),  während  an  den  Sellen,  wo  es  wirklich  die 
Bedingung,  unter  welcher  etwas  gewährt  wird,  bezeichnet  (V,  2,  38  u. 

VII,  1,  42),  dies  nicht  erkannt  wird,  —  aber  was  soll  man  dazu  sagen, 
wenn  dem  Xenophon  nur  durch  falsche  grammatische  Erklärungen 
solche  Eigentümlichkeiten  aufgebürdet  werden,  die  bei  keinem  attischen 
Schriftsteller  sich  finden,  ja  geradezu  gegen  alle  Gesetze  der  griechischen 
Sprache  Verstössen?  Dabin  gehört  die)Uebersetzung  der  Stelle  V,  4,  20 
<poßov/ieyoi,  ei  pqdeyec  «XXoi  jj  avroi  noXe^oiey  Toig  Aaxedai/noyioif 
„es  möchte  niemand  anders  als  sie  die  Lacedämonier  bekämpfen" ,  mit 
der  falschen  Bemerkung:  „Die  Verba  der  Furcht  haben  zuweilen  ei 
und  fi  ur,  statt  pn  und  w  ov>  nacn  Bich",  während  der  Satz  mit  ei  hier 
ein  einlacher  Konditionalsatz  ist,  sonst  aber  ein  solcher  Satz,  wo  er 
wirklich  unmittelbar  von  einem  Verbum  der  Furcht  abhängt,  nur  ein 


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38 


indirekter  Fragesatz  sein  kann;  dahin  gehört  ferner  VI,  3,  11  die 
Uebersetzung  von  iog  „wie  sehr  auch",  was  diese  Konjunktion  niemals 
bedeuten  kann,  oder  die  ganz  unglaubliche  Verkehrtheit  bei  der  Stelle 
VII,  5,  26,  wo  o  Seog  ovxwg  inoitjoev,  olorc  mit  folgendem  Indikativ 
steht,  auf  VI,  5,  4  zu  verweisen,  wo  uiare  mit  Infinitiv  auf  nouiv 
folgt,  wornach  Hr.  B.  offenbar  von  der  nach  allen  Gesetzen  der  Sprache 
unmöglichen  Annahme  ausgeht,  dass  beide  Folgesätze  in  gleicher  Weise 
von  noietv  abhängig  sind,  während  der  letztere  ein  transitiver,  der 
entere  (im  Indikativ)  ein  adverbialer  Folgesatz  ist,  indem  zu  itoiqaev 
das  Objekt  (avro)  zu  ergänzen  ist.  Das  sind  Verstösse,  die  nicht  in 
dritter  Auflage  noch  in  einer  Ausgabe  stehen  sollten,  die  zum  Gebrauche 
in  Schulen  bestimmt  ist! 

Schliesslich  will  ich,  weil  Hr.  B.  selbst  mich  dazu  herausgefordert 
bat,  noch  das  Urteil,  das  ich  über  seine  Kenntnisse  von  der  Lehre  der 
Partikeln  gefällt  habe,  rechtfertigen,  und  zwar  sowol  aus  dem,  was  er 
darüber  verschweigt,  als  aus  dem,  was  er  darüber  sagt.  Bei  wirklich 
seltenem  Gebrauche  einer  Partikel,  wie  IV,  8,  36  bei  (6g  uhv  iXeyero, 
oder  bei  Partikelverbindungen  wie  <T  ovr  (z.  B.  VII,  4,  12),  die  der 
Schüler  gerne  falsch  anwendet  und  selten  richtig  versteht,  schweigt  Hr. 
Dr.  B  ,  ja  sogar  in  der  Stelle  V,  4,  55,  wo  er  ovv  in  der  Mitte  einer 
Periode  am  Anfange  eines  Nachsatzes  in  den  Text  seiner  Ausgabe  auf- 
genommen hat,  verliert  er  kein  Wort  über  diesen  dem  Schüler  gewiss 
weder  aus  seiner  Grammatik,  noch  aus  der  Lektüre  bekannten  Gebrauch 
der  Partikel;  dagegen  ist,  wo  er  zu  einer  Partikel  eine  Bemerkung 
macht,  dieselbe  fast  durchweg  schief  und  verkehrt.  So  glaubt  er  z.  B., 
dass  III,  1,  5  fiiv  nach  owtjyays  wol  zu  tilgen  sei,  weil  vor  dem  Gegen- 
satz (yyana  dt  i  der  durch  den  erklärenden  Satz  unterbrochene  Gedanke 
in  neuer  und  erweiterter  Form  aufgenommen  ist.  Aus  gleichem  Grunde, 
weil  der  in  anderer  Form  folgende  Gegensatz  von  ihm  nicht  erkannt 
wurde,     r  d  V ,  1 ,  10  avrog  pir  irriger  Weise  verglichen  mit  iycS  fiiv 

IV,  \  7.  Auch  wo  nach  stehendem  Brauche  die  Partikel  (xiv  statt  zu 
dem  Gegensatze  zu  der  diesem  vorantretenden  Konjunktion  (ort)  oder 
Kopula  (tiai)  gesetzt  ist,  bat  er  diesen  in  der  Regel  nicht  erkannt  wie 

V,  2,  30,  VI,  3,  15.  So  ist  ihm  auch  in  xai  ovrot  VI,  4,  25  die  deut- 
liche Beziehung  des  xai  nicht  klar  geworden  (=  sein  Zweck  war  vielleicht, 
dass  diese  beiden  Staaten  gleichfalls  wie  die  nördlichen  Staaten  Griechen- 
lands seiner  bedürfen  und  dadurch  von  ihm  abhängig  werden  sollten), 
und  VI,  4,  30  ist  aus  Verkennung  der  richtigen  Beziehung  des  xai  in 
naQqyyetke  de  xai  tig  orQttrevaofAevoig  in  der  Anm.  eine  falsche  Satz- 
konstruktion angegeben,  da  xai  von  atQaxevaotidvotg  nicht  getrennt  und 
vor  QexxaXoig  gesetzt  werden  durfte,  ohne  den  Sinn  zu  zerstören. 
Während  er  ferner  meine  Erklärung  von  xai  —  und  zwar  da,  wo  es 
wirklich  so  übersetzt  werden  kann,  nicht  gelten  lässt,  übersetzt  er  es 
selbst  so  an  der  Stelle  II,  4,  2,  wo  es  dies  nicht  heissen  kann,  weil  es 
hier,  wie  vor  ndw,  nur  zur  Steigerung  von  pdXa  dient.  Zu  der  Stelle 
V,  3,  10  xai  xtg  av  crrij  SCxrj  ehj\  wird  zu  xai  auf  die  Stelle  II,  3,  47 
verwiesen,  die  mit  jener  gar  nichts  gemein  hat,  da  in  ihr  xai  in  der 
Mitte  des  Fragesatzes  Stent.  Zu  II,  4,  6  wird  bemerkt:  „xeü  —  de' 
aber  auch,  dagegen  dt  —  xai  und  auch",  während  das  Verhältniss 
gerade  um  gekehrt  ist,  da  immer  auf  der  voranstehenden  Partikel  der 
Hauptnachdruck  ruht.  Zu  IV,  5,  9  dXX1  olda  ut'v  wird  über  die  in 
attischer  Prosa  ungebräuchliche  Partikelverbindung  dXXd  utr  gesprochen 
und  dieselbe  mit  dXXd  fiyv  verglichen,  während  aXXd  die  ganze  Gegen- 
rede einleitet  und  (xtv  nur  zu  otda  gehört   Zu  VII,  1,  24  wird  anter 


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39 


den  Verbindungen  synonymer  Partikeln  auch  o^utuj  (Aivxoi  aufgeführt 
u.  8.  w.  Nach  solchen  Bemerkungen,  sowie  nach  dem  Abschnitt  seiner 
Recension,  in  dem  er  sich  über  meine  Bemerkungen  zu  einigen  Partikeln 
äussert,  wird  jeder  Kundige  mein  Urteil ,  dass  Hr.  B.  offenbar  für  die 
Partikeln  kein  Verständniss  besitzt,  vollkommen  gerechtfertigt  finden. 

Nach  solchen  eigenen  Leistungen  auf  dem  Gebiete  sachlicher, 
sprachlicher  und  grammatischer  Erklärung ,  wie  sie  sich  aus  der  hier 
und  im  letzten  Hefte  des  vorigen  Jahrganges  mitgeteilten,  nichts 
weniger  als  vollständigen  Auswahl  aus  einer  Masse  unrichtiger  Bemerk- 
ungen ergeben,  kann  ich  von  Hrn.  Dr.  B.  kein  sachkundiges,  unbefangenes 
Urteil  über  meine  Arbeit  erwarten,  obwol  niemand  weiter,  als  ich, 
davon  entfernt  ist,  das  „unbedingteste  Lob"  dafür  zu  beanspruchen,  wie 
dies  Hr.  B.  mir  in  seiner  Antwort  S.  793  unterbreitet  Wie  wenig  er  dazu 
berechtigt  war,  beweist  der  Umstand,  dass  ich  ein  Urteil  über  meine 
Ausgabe  im  Lit.  Ccntrbl-  (1873,  Nr  19)  für  ein  anerkennendes  erklärte 
und  noch  immer  dafür  halte,  über  das  Hr.  B.  sich  triumphierend  äussert, 
dass  er  sehr  befriedigt  wäre,  wenn  noch  mehr  solche  Urteile  über  mein 
Buch  gefällt  werden  sollten.  Es  lautet  dasselbe:  „Geben  wir  uns  nun 
Rechenschaft,  ob  die  hier  gebotene  Erläuterung  mässigen  Ansprüchen 
der  Schule  genügt.  Dies  mag  gerne  zugestanden  werden.  Schüler  der 
Klassenstufe,  auf  welcher  sonst  Xenopbons  Anabasis  gelesen  zu  werden 
pflegt,  werden  das  Nötige  zum  Verständniss  des  Schriftstellers  in  kurzer 
Darstellung  finden''.  Wenn  der  vielleicht  durch  übermässiges  Lob 
verwöhnte  Hr.  Dr.  B.  dies  Urteil  für  kein  anerkennendes  hält,  so 
erkläre  ich,  dass  ich  gerne  mit  der  Anerkennung  mich  bescheide,  dass 
in  meinem  Buche  wirklich  geleistet  ist,  was  ich  zunächst  damit  leisten 
wollte,  was  mir  aber  von  Hrn.  B.  auf  durchaus  ohne  Ausnahme 
haltlose  und  durch  nichts  begründete  Ausstellungen  hin  in  der  Schluss- 
bemerkung seiner  Recension  völlig  abgesprochen  wird. 

leb  will  mir  nun  zwar  nicht  anmassen,  die  Leistungsfähigkeit  des 
Hrn.  Dr.  B.  zu  kennen,  wie  er  das  bezüglich  meiner  thut,  wenn  er 
sagt,  ich  habe  jedenfalls  in  der  Ausgabe  das  Beste  geleistet,  was  ich 
zu  leisten  vermochte,  sondern  ich  will  im  Gegenteil  annehmen,  dass  er 
Besseres  zu  leisten  im  Stande  ist,  als  er  in  dieser  Ausgabe  geleistet 
hat;  die  Fähigkeit  aber,  über  eine  Ausgabe  Xenopbons  ein  voll  gütiges 
Urteil  abzugeben,  muss  ich  ihm  nach  seiner  eigenen  Leistung  auf  diesem 
Felde,  wie  sie  in  dritter  Auflage  hier  vorliegt,  absprechen;  weshalb  ich 
ihm  hiemit  auch  einen  unbeschränkten  Freibrief  dafür  ausstelle,  über 
meine  Arbeiten  auf  diesem  Gebiete  sich  in  beliebigen  Aeusserungen  zu 
ergehen,  da  ich  dieselben  fortan  unerwidert  lassen  werde 

München.  Emil  Kurz. 


Erklärung. 

„Auf  S.  328  ,  330,  und  332  bat  Herr  Kurz  bei  Besprechung  von 
Xen.  Hell.  III,  1,  23;  IV,  2,  5  und  VII,  2,  15  Bemerkungen  gemacht, 
in  denen  jeder  Leser,  namentlich  nach  den  Anfangsworten  des  Artikels 
und  der  Tendenz  desselben,  die  Beschuldigung  erkennen  wird,  dass  ich 
Breitenbach's  Anmerkungen  zu  Xen.  Hell,  ausgeschrieben  habe.  Ich 
mache  darauf  aufmerksam,  dass  der  Theil  von  Breitenbachs  Ausgabe, 
welcher  jene  Stellen  enthält,  im  J  1863,  meine  Ausgabe  bereits  1860 


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erschienen  ist.  Von  Herrn  Kurz  erwarte  ich  eine  deutliche  und 
bestimmte  Erklärung,  welchen  Sinn  jene  von  ihm  gemachten  Andeutungen 
haben  sollen." 

Berlin.  B.  Büchsenschütz. 


Erwiderung. 

Auf  vorstehende  Erklärung  des  Hrn.  Dr.  Büchsenschütz  erwidere 
ich,  dass  ich  „fleissige  Benützung"  früherer  Leistungen  auf  dem  Gebiete 
der  Erklärung  oder  Textkritik  eines  Schriftstellers  im  Ernst  als 
„Verdienst"  anerkenne,  wenn  dieselben  selbständig  verarbeitet  sind,  dass 
ich  aber  Unselbständigkeit  Hrn.  Dr.  Büchsenschütz  nirgends  zur 
Last  gelegt  habe.  S.  330  und  332  wollte  ich  nur  erwähnen,  dass  Hr. 
Dr  B.  bei  seinen  irrigen  Erklärungen  von  IV,  2,  h  und  VII,  2,  15 
nichts  als  die  gleiche  Erklärungsweise  des  Dr  l.reitenbach  für  sich  hat, 
ohne  dass  ich  dabei  die  Priorität  derselben  betonte,  die  ich  allerdings 
bei  diesen  Stellen  und  auch  bezüglich  der  Stelle  III,  1,  13  irrtümlicher 
Weise  annahm,  da  der  erste  Teil  von  Breitenbachs  Ausgabe  schon 
im  J  1853  erschienen  ist.  Ich  will  Hrn.  Dr  Büchsenscbütz  keinen  Vor- 
wurf machen,  den  ich  selbst  als  ungerechtfertigt  anerkennen  niüsste,  und 
hätte  als  Bearbeiter  einer  ähnlichen  Ausgabe  seine  Arbeit,  wie  seit  den 
vielen  Jahren,  in  denen  ich  mich  mitXenophons  Hellenika  beschäftige,  so 
auch  jetzt  ganz  unbesprochen  gelassen,  wenn  Hr.  Dr.  Büchseuschütz 
mich  nicht  durch  die  Art  der  von  ihm  an  meiner  Ausgabe  geübten 
Kritik  und  durch  seine  Antwort  auf  meiue  Erwiderung  dazu 
genötigt  hätte. 

Emil  Kurz. 


G.  Wenz,  die  Reform  des  geographischen  Unterrichts  in  Schulen, 
Seminarien  und  anderen  Unterrichtsanstalten.  München,  Theodor 
Ackermann.  1874. 

Mit  dem  Motto:  „Ohne  Kartenkenntniss  kein  Verständniss  für  die 
Erd-  und  Völkerkunde",  ist  in  der  vorliegenden  Schrift  auf  28  Seiten 
ein  Vortrag  veröffentlicht,  welchen  der  Verfasser  der  Hauptsache  nach 
in  einer  der  Sektionen  der  21.  allgemeinen  deutschen  Lehrerver- 
sammlung zu  Breslau  gehalten  hat.  Der  Zweck  des  Vortrags  geht 
dabin,  zu  erörtern,  dass  mit  der  bisher  noch  mehrfach  üblichen  Methode 
des  Geographie -Unterrichts  nach  Lehrbüchern  ohne  Karten  und  Karten- 
kenntniss, oder  unter  geringer  und  irriger  Benützung  derselben  ge- 
brochen werden  müsse,  und  dass,  wenn  anders  die  Geographie  als 
Bildungsmittel  des  jugendlichen  Geistes  in  den  Schulen  Erfolg  haben 
soll,  ihr  die  Kenntniss  und  Zugrundlegung  guter  und  geeigneter  Karten 
vorangehen  und  zur  Seite  stehen  muss. 

Dass  die  Geographie  eine  Wissenschaft  sei,  stellt  der  Verfasser 
an  die  Spitze  seiner  Erörterung.  Wir  können  nur  wünschen,  dass 
dieser  Satz  auch  allgemeine  Geltung  erhalten  möge.  Es  wird  sodann 
die  wahrhaft  stiefmütterliche  Behandlung  dieses  Lehrgegenstandes  in 
allen  Unterrichtsplänen  von  der  Elementarschule  an  bis  zur  Universität 
hinauf  wegfallen.  Wenn  man  die  herrlichen  WTorte  Herders  über  den 
Wert  und  die  Stellung  der  Geographie  unter  den  übrigen  Wissen- 


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schalten  liest,  so  muss  man  in  der  That  staunen  aber  die  geringe 
Beachtung,  welche  gerade  in  den  manschenden  Kreisen  des  Schul- 
wesens die  Geographie  findet,  wie  aus  den  verschiedenen  Schul  -  und 
Studienordnungen  klar  hervorgeht.  Wir  stimmen  darum  mit  dem  Ver- 
fasser vollständig  darin  Uberein,  dass  eine  Reform  des  geographischen 
Unterrichte«  eintreten  muss,  und  zwar  nach  Innen  und  Aussen.  Nach 
Innen  besteht  diese  Reform  darin,  dass  vor  Allem  diejenigen,  welche 
später  Geographie  zu  lehren  haben,  also  die  Lehrer  der  Elementar- 
schulen, die  Realienlehrer  an  den  technischen  Schulen  und  die  Studien- 
lehrer auf  eine  andere  Weise  als  bisher  in  das  umfassende  Gebiet  der 
Geographie  eingeführt  werden,  damit  durch  sie  dann  der  bisherige 
Mechanismus  in  der  Behandlung  der  Geographie  in  den  verschiedenen 
Schulen  beseitigt  nnd  eine  lebensfrische  und  wahrhaft  bildende  Unter- 
richtsweise in  diesem  so  ergiebigen  Lehrgegen Stande  an  deren  Stelle 
gesetzt  werde.  Nach  Aussen  aber  hat,  und  damit  wird  der  Verfasser 
uns  sicherlich  beistimmen,  diese  Reform  darin  zu  bestehen,  dass  man 
dem  Unterrichte  in  der  Geographie  die  gehörige  Zeit  und  das  dem 
Alter  und  der  Fassungskraft  der  Schüler  entsprechende  Material  zu- 
weist. Es  wäre  sehr  sehr  leicht,  in  dieser  Beziehung  eine  bunte 
Blumenlese  der  verschiedenartigsten,  oft  diametral  entgegengesetzten 
An-  and  Verordnungen  zusammenzustellen. 

Was  nun  speciell  die  Kartenkenntniss  beim  geographischen  Unter- 
richt betrifft,  so  hat  der  Verfasser  gestützt  auf  eine  Reihe  von  Aus- 
sprüchen competenter  Männer  ganz  recht,  wenn  er  sie  als  Grundbedingung 
eines  gedeihlichen  Unterrichtes  erklärt.  Die  Art  und  Weise,  wie  er 
diese  seine  Behauptung  durchführt,  indem  er  sieben  Stufen  des  geo- 
graphischen Unterrichtes  annimmt,  bat  hauptsächlich  Bezug  auf  die 
Elementarschule,  bietet  aber  auch  für  Real-  und  Lateinschulen  eine 
Reihe  von  guten  Anhaltspunkten  und  Bemerkungen.  Jeder  Lehrer  der 
Geographie  wird  die  Schrift  mit  Interesse  lesen  und,  wenn  er  auch 
nicht  Alles  geradezu  als  notwendig  unterschreibt,  doch  manchen 
nützlichen  Wink  darin  finden,  besonders  bezüglich  des  mehr  mathe- 
matischen Teiles  der  kartographischen  Darstellung,  wozu  die  beige- 
gebenen Tafeln  die  Anleitung  geben.  Wir  empfehlen  deshalb  die 
Schrift  allen  Fachgenossen  zur  Durchsicht  und  Beherzigung.  L. 


Literarische  Notizen. 

Q.  Horatius  Flaccus.  Erklärt  von  Herrn.  Schütz.  Erster  Teil: 
Oden  und  Epoden.  Berlin,  Weidraann'sche  Buchhandlung.  1874. 
395  S.  in  8.  Preis  3  M.  Die  Ausgabe,  die  neben  der  Nauck'schen  und 
Düntzer'schen  gewisB  von  vielen  ersehnt  wurde,  führt  sich  auch  als 
Schulausgabe  ein.  Sie  beginnt  mit  einer  (leider  sehr  klein  gedruckten) 
Einleitung,  das  Notwendigste  aus  dem  Lehen  des  Dichters  und  eine 
gedrängte  metrische  Uebersicht  enthaltend.  Der  Text  beruht  grössten- 
teils auf  der  kritischen  Ausgabe  von  Keller  und  Holder,  die  Ortho- 
graphie fast  durchweg  auf  den  Grundsätzen  Brambachs.  In  den 
Erklärungen  ist  das  Bestreben  nach  Klarheit  ersichtlich;  den  Gedanken- 
gang der  Gedichte  überall  darzulegen,  hielt  der  Verf.  mit  Recht  für 
unnötig;  es  ist  das  eine  Arbeit,  die  der  Herausgeber  nicht  für  den 
Schüler  machen  soll.  Besondere  Berücksichtigung  hat  die  Feststellung 
der  Zeitverbältnisse  gefunden.    Wird  man  mit  all  dem  sich  gerne 


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einverstanden  erklären,  so  darf  man  doch  wohl  fragen,  ob  sich  der 
ausgedehnte  Gebrauch,  welcher  von  der  Text- Kritik  teils  in  den 
Noten ,  teils  in  dem  82  Seiten  umfassenden  kritischen  Anhang  gemacht 
wird,  in  einer  Schulausgabc,  und  wenn  sie  auch  ihrer  Natur  nach  für 
die  obersten  Klassen  bestimmt  ist,  rechtfertigen  lässt  N&heres  Ein- 
gehen auf  Einzelnes  soll  spaterer  Gelegenheit  vorbehalten  bleiben. 

Ciceros  Reden  für  S.  Roscius  und  über  das  imp  des  Cn.  Pompejus. 
Erklärt  von  Karl  Halm.  7.  verbesserte  Auflage  Berlin,  Weidmann. 
1874.  Es  wurden  7ur  Rede  für  S.  Roscius  aus  der  fünften  Aufl  der 
Orationes  selectae  von  Mädvig  und  aus  den  Lectiones  Tullianae  von 
.  Alfr.  Eberhard  mehrere  Berichtigungen  und  Zusätze  entnommen,  ausser- 
dem für  die  Textrevision  derselben  Rede  eine  neue  Vergleichung  des 
cod.  Par.  n.  6369  benützt. 

Griechische  Geschichte  von  Ernst  Curtius  Erster  Band.  Bis 
zu  den  Perserkriegen.  4  verbesserte  Auflage.  664  S.  Pr.  7  Mk.  — 
Zweiter  Band.  Bis  zum  Ende  des  pcloponnesiscben  Krieges.  4.  Aufl. 
841  S  Pr.  9  M.  —  Dritter  Band.  Bis  zum  Ende  der  Selbständigkeit- 
Griechenlands.   3.  verbesserte  Auflage.   816  S.    Pr  9  M. 

Aufgaben  für  freie  lateinische  Aufsätze  und  für  Uebungen  in 
lateinischer  Versification  Aus  Fr.  Ellendts  Nachlasse  mit  Vorwort 
und  Einleitung  herausgegeben  von  Dr.  Herrmann  Genthe.  Berlin. 
Weidmann'. seht'  Buchhandlung.  1874.  36  S.  in  8.  Die  Themen  sind 
zahlreich  (244  für  Aufsätze,  127  für  Uebungen  im  Versmachen)  und  gut 
gewählt,  aber  es  bat  fast  den  Anschein,  als  ob  die  Einrichtung  unseres 
altsprachlichen  Unterrichtes  immer  mehr  von  der  Möglichkeit  solcher 
Uebungen  abführte. 

„Zur  Casuslehre"  von  Dr.  H.  Hübsch  mann  München,  Acker- 
mann. 1874.  —  Das  gelehrte  Werk  bespricht  im  ersten  Teile  die 
Geschichte  der  CasuBlehre  und  zwar  in  der  alten  Grammatik;  dann 
die  Casuslehre  unter  dem  Einfluss  Humboldt'scher  Sprachwissenschaft, 
drittens  die  Casuslehre  in  der  modernen  Grammatik.  Im  zweiten  Teile 
wird  eben  so  gründlich  und  anziehend  behandelt  die  Lehre  von  den 
Casus  in  der  Sprache  des  Avesta,  dann  die  Lehre  von  den  Casus  im 
Alt  persischen ,  hierauf  die  Präpositionen  im  Zend  und  Altpersischen, 
schliesslich  die  Casuslebre  im  Mittel-  und  Neupersischen.  —  Das  Werk 
wird  sicherlich  den  verdienten  Beifall  des  gelehrten  Publikums  finden. 

Erzählungen  aus  der  Geschichte  für  Schule  und  Haus.  Von  H. 
W.  Stoll.  Erstes  Bdchen:  Vorderasien  und  Griechenland.  2.  Aufl 
Zweites  Bdchen.  Römische  Geschichte.  2.  Aufl  Leipzig,  Teubner. 
1874.  Pr.  ä  1  Mk.  50  Pf.  Was  von  der  1.  Aufl.  dieser  Erzählungen 
S.  227  des  IX.  Jhrg.  dieser  Blätter  gesagt  wurde,  dass  sie  sich  besonders 
für  Schulbibliotheken  unterer  und  mittlerer  Klassen  eignen,  gilt  auch 
von  der  neuen  Auflage. 

Drei  Erzählungen  aus  dem  griech.  Altertume  für  reifere  Schüler 
der  Gymnasien  und  Freunde  klassischer  Bildung  von  Dr.  C.  G.  Wilisch. 
Leipzig,  Teubner.  1874.  Pr.  1  Mk.  20  Pf.  Entspricht  dem  auf  dem 
Titel  ausgesprochenen  Zwecke. 

Paralleltabellen  zur  griech. -rumischen  Chronologie.  Leipzig,  Teubner. 
1874.  54  S.  in  16.  Pr  75  Pf.  Sehr  geeignet,  um  die  Zahlen  einer 
Chronologie  Bchnell  in  die  der  andern  zu  übersetzen. 


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43 

Uebungsbuch  zur  lateinischen  Sprachlehre,  zunächst  für  die  untern 
Klassen  der  Gymnasien  bearbeitet  von  Dr  Fried.  Schultz  Zehnte, 
verbesserte  Ausgabe.  Paderborn,  Ferd.  Schöningh.  1874  .  294  S  in  8. 
Ohne  wesentliche  Aenderungen  ist  die  neue  Auflage  lediglich  im 
Einzelnen  berichtigt. 

Uebungsbuch  zur  griechischen  Sprachlehre  für  die  Quarta  und 
Tertia  der  Gymnasien  bearbeitet  von  Scher  er  und  Scbnorbusch. 
Paderborn,  Ferd  Schöningh  1875.  284  S.  in  8.  Pr.  20  Sgr.  Das 
Buch ,  welches  sich  an  die  griech.  Grammatik  derselben  Verfasser  an- 
schliesst,  dient  zum  Uebersetzen  in  das  Griechische  und  aus  dem 
Griechischen.  Begonnen  wird  mit  ganzen  Sätzen,  die  notwendigen 
Vokabeln  sind  für  die  ersten  36  §§.  aus  einem  am  Ende  des  Buches 
angebängten  Vokabel nverzeichniss,  des  weiteren  aus  dem  deutsch. -griech 
oder  griech.  -  deutschen  Wörterverzeichniss  zu  erholen.  Kurze  An- 
merkungen unter  dem  Texte  sollen  nicht  bloss  die  Uebersetzung 
erleichtern,  sondern  auch  die  wichtigsten  syntaktischen  Regeln  allmählich 
zum  Bewußtsein  bringen.  Schon  in  den  früheren  Uebungsstücken  sind 
griech.  Hexameter  und  Trimeter  zur  Einübung  der  Formen  und  zum 
Memorieren  mitgeteilt.  Das  eigentliche  Uebungsbuch  erstreckt  sich  nur 
auf  148  S.,  gemischte  (deutsch -griech.)  Beispiele  fehlen  ganz.  Die 
andere  Hälfte  nehmen  die  verschiedenen  Verzeichnisse  ein,  wobei  wieder 
das  griech. -deutsche  überwiegt  In  syntaktischer  Hinsicht  dürfte  schon 
früh  den  Schülern  zu  viel  zugemutet  sein. 

Homers  Odyssee.  Für  den  Schulgebrauch  erklärt  von  Dr.  K.  A  meis. 
Erster  Band.  Erstes  Heft  Gesang  I  —  VI.  Sechste  berichtigte  und 
vermehrte  Auflage,  besorgt  von  Dr.  C.  Hentze.  Leigzig,  Teubner. 
1874.  Pr.  1  Mk.  30  Pf.  In  lexikalischer  Hinsicht  sind  Kürzungen 
eingetreten ;  dagegen  ist  die  Ausgabe  erweitert  in  Folge  einer  grösseren 
Berücksichtigung  der  neuen  Untersuchungen  über  die  Einheit  der 
Odyssee.  —  Zweiter  Band.  Zweites  Heft.  Gesang  XIX  —  XXIV. 
Fünfte,  vielfach  berichtigte  Auflage,  besorgt  von  Dr  C.  Hentze. 
Pr  1  Mk.  30  Pf  Die  vorgenommenen  Aenderungen  betreffen,  abgesehen 
von  Einzelheiten  der  Erklärung,  besonders  den  Zusammenbang  der 
Erzählung,  in  dessen  Auffassung  Ameis  durch  das  Bestreben  die  Einheit 
der  Darstellung  möglichst  festzuhalten  zu  mancher  unhaltbaren  Er- 
klärung geführt  wurde;  ferner  die  Fragen  wegen  der  Lokalitäten  des 
homerischen  Hauses  in  X,  in  welcher  Hinsicht  sich  der  Verf.  fast 
durchweg  an  Gerlach  (das  Haus  des  Odysseus,  Philol.  XXX  p.  603  ff.) 
angeschlossen  hat. 

Herodotos.  Für  den  Schulgebrauch  erklärt  von  Dr.  K.  Abi  cht. 
Erster  Band.  Erstes  Heft.  Buch  I  Nebst  Einleitung  uuil  Uebersicht 
über  den  Dialekt.    Dritte  Auflage.    Leipzig,  Teubner.  1874. 

Aufgaben  zum  Uebersetzen  ins  Griechische  Für  die  obern  Klassen 
der  Gymnasien.  Von  Dr.  Gottfr.  Böhme.  Fünfte,  verbesserte  Auflage. 
Leipzig,  Teubner.  1874.  307  S.  in  8.  Die  neue  Aufl.  bietet  keine 
weit  gehenden  Aenderungen,  weder  methodisch  noch  rücksichtlich  des 
Materials;  doch  zeigt  sich  überall  die  nachbessernde  Hand.  Ein  paar 
Nummern  (213,  214)  sind  durch  neue  ersetzt  worden 

Aeschylos  Agamemnon.  Mit  erläuternden  Anmerkungen  heraus- 
gegeben von  Robert  Enger.  2.  Aufl.,  umgearbeitet  von  Walther 
Gilbert.   Leipzig,  Teubner.   1874.   Der  neue  Herausgeber  hat  unter 


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Einhaltung  der  von  Enger  aufgestellten  Graodsätze  namentlich  dem 
grammat.  Verständnisse  des  Schülers  etwas  mehr  nachgeholfen  Auch 
sonst  sind  die  Abweichungen  von  der  ersten  Aufl.  sehr  beträchtlich, 
da  die  grossen  Fortschritte  der  Aeschyloskritik  in  den  letzten  20  Jahren 
nicht  unberücksichtigt  bleiben  durften.  Ausserdem  bat  die  Ausgabe 
einen  kritischen  Anbang  und  ein  Verzeichniss  der  noch  von  Enger 
für  die  nene  Aufl.  vorgenommenen  Aenderungen  als  Beinahe  erhalten. 
Der  langsame  Absatz  der  ersten  nicht  ungünstig  aufgenommenen  Aus- 
gabe zeigt  schon,  dass  wenig«  Lehrer  sich  entschliessen,  Aescbylos  mit 
den  Schülern  zu  lesen ;  ob  trotz  der  Erleichterungen,  welche  die  neue 
Ausgabe  vielfach  bietet,  fortan  ein  häufigerer  Gebrauch  davon  gemacht 
wird,  mu8s  die  Zukunft  lehren. 

Vollständiges  Wörterbuch  zu  den  Commentarien  des  Cajus  Julius 
Caesar  vom  Gallischen  Kriege.  Von  Dr  Otto  Eicher t.  Mit  einer 
Karte  von  Gallien  zur  Zeit  Caesars.  4.  revidierte  Aufl.  Breslau, 
Kern's  Verlag  (Max  Müller)  1874  478  S.  in  16.  Pr.  12  Sgr.  Das 
Büchlein  ist  bekannt;  die  neue  Aufl  hat  keine  nennenswerten  Ver- 
änderungen erfahren. 

W.  Gallenkamp,  die  Elemente  der  Mathematik,  4.  Aufl.: 
1  Tbeil  (Arithmetik  und  Algebra,  1.  Abthrilung  Planimetrie),  Iserlohn, 
Verlag  von  J  Baedeker  1874.  —  Logische  Anordnung  des  Stoffes  und 
wissenschaftliche  Strenge  in  dessen  Behandlung  sind  von  dem  bekannten 
Verfasser  in  erster  Linie  berücksichtigt.  Dies  gilt  insbesondere  von 
der  Planimetrie,  in  welcher  die  Kapitel  der  Kongruenz,  der  Grössen- 
und  Formenvergleichung  geradliniger  Figuren,  dazu  der  Abschnitt  vom 
Kreise  in  durchsichtiger  Darstellung  besprochen  werden,  die  eine 
glückliche  Gabe  des  Verf.  zu  sein  scheint  und  das  Verständniss 
ungemein  erleichtert.  Wie  bei  K.  Snell  ist  in  lichtvoller  Weise  z.  B. 
die  Frage  erörtert,  durch  wie  viele  und  welche  Stücke  ein  Dreieck 
vollständig  bestimmt  ist,  von  welchen  Elementen  die  Grösse,  von 
welchen  die  Form  eines  geradlinigen  ebenen  Gebildes  abhängig  wird; 
mit  grösster  Sorgfalt  aber  ist  das  Verbältniss  der  Kreisperipherie  zum 
Durchmesser  eingeleitet  und  festgestellt.  Der  ganze  Stoff,  in  dessen 
Bereich  auch  die  Aehnlichkeit,  Polarität  und  Potenzialilät  der  Kreise 
gezogen  ist,  wickelt  sich  auf  140  Seiten  ab,  und  die  Art,  wie  er  verar- 
beitet erscheint,  ist  für  Lehrer  beachtenswert. 

Dr.  H.  Schumann,  Lehrbuch  der  Planimetrie,  2.  Aufl. 
bearbeitet  von  Dr.  R.  Gantzer.  Berlin,  Weidmann'sche  Buchhandlung. 
1874.  —  Von  dem  vorigen  weicht  dieses  Lehrbuch  sehr  wesentlich  ab. 
Es  ist  breiter  gehalten,  die  Beweise  sind  fast  sämmtlich  ausführlich 
gegeben,  die  Schüler  auf  das  eigene  Nachdenken  und  Nachschlagen 
weniger  angewiesen;  den  einzelnen  Abschnitten  ist  zwar  kein  Uehungs- 
material  beigegeben,  dafür  jedesmal  auf  die  Sammlung  von  Gandtner 
und  Junghans  hingewiesen  Den  Schluss  bildet  eine  Anleitung  zur 
Lösung  geometrischer  Aufgaben  mit  Hilfe  algebraischer  Analysis, 
illustriert  durch  sechs  Probleme.  Zu  dem  sei  die  Bemerkung  erlaubt, 
a*  -+-  s* 

dass  sich  x  =  — — —  eleganter  und  einfacher  konstruieren  lässt,  wenn 
man  auf  AB  =  s  die  BC  =  a  senkrecht  errichtet,  wodurch  x  = 


AC 
2  s 


oders:  AC=  ^  AC  :  xwird.  Zieht  man  jetzt  durch 


s 


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45 


die  Mitte  0  der  AC  die  OD  I  AC,  so  ist  x  —  AD  und  A  DBC  das  ver- 
langte. Im  übrigen  empfiehlt  sich  das  Buch  durch  eine  naturgemässe 
Anordnung  des  Lehrstoffes  und  durch  präcise  Form  im  Ausdruck.  — 

Dr.  Worpitzky,  Elemente  der  Mathematik,  drittes  und 
viertes  Heft  (Planimetrie).  Berlin,  Weidmann'sche  Buchhandlung. 
1874.  Diese  Arbeit  tritt  als  Versuch  auf,  der  Mathematik  die 
Berechtigung  zu  ihrem  sprüchwörtlich  gewordenen  Ruf  wieder  herzu- 
stellen, nachdem  die  erziehlichen  Wirkungen  des  mathematischen 
Unterrichtes  durch  die  Erkenntniss  beeinträchtigt  worden  sind,  dass 
die  Euclidischen  Axiome  keinen  ausreichenden  Unterbau  der  geo- 
metrischen Wissenschaft   bilden.    Die  Abweichungen    von  dem  her- 

gebrachten  Wege  sind  daher  mannigfach  und  betreffen  nicht  allein  die 
inführung  der  Bewegung  in  die  geom.  Betrachtungen,  sondern 
vornehmlich  die  der  Ebene  und  den  Begriff  des  Winkels  (jede  aus 
zwei  geraden  Teilen  bestehende  Linie  heisst  Winkel),  endlich  die 
Aufstellung  von  Axiomen  (z.  B.  es  gibt  kein  Dreieck,  in  welchem 
jeder  Winkel  kleiner  wäre  als  ein  beliebiger  klein  gegebener  Winkel); 
die  Parallelentheorie  folgt  dem  Abschnitt  über  die  Kongruenz  der 
Dreiecke,  und  es  bedarf  daher  für  die  Winkelsumme  des  Dreieckes 
fast  sechs  Seiten,  um  bis  zur  Erkenntniss  durchzudringen,  dass 
dieselbe  =  2R.  —  Auf  jeden  Fall  ist  des  Verf.  Versuch  ,  die  peinliche 
Lücke  in  der  Lehre  von  den  Parallelen  auszufüllen,  der  Beachtung 
wert,  sein  Lehrbuch  selbst  aber  bei  den  streng  durchgeführten  Beweisen 
vor  sehr  vielen  anderen  geeignet,  dem  8chaler  das  Lernen 
zu  erleichtern. 


Auszüge. 

Zeitschrift  für  die  Österreich.  Gymnasien.   6.  7. 

L  Grammatische  Unsersuchungen  von  J.  La  Roche.  -  Behandelt 
eine  Reihe  von  Spracherscheinungen,  über  welche  die  griech.  Grammatiken 
entweder  stillschweigend  hinweggehen,  oder  doch  nichts  vollkommen 
richtiges  bieten.  —  Kritische  Studien  zu  Eur.  Helene.  Von  K.  Sehen  kl. 
—  Teilt  die  Abweichungen  des  Cod.  abbatiae  Florentinae  2664  von  Cod. 
Laurentianus  mit.  —  Poseidon  als  Sternbild.  Eine  Erklärung  der  Stelle 
llias  XIII.  1  -  38.   Von  A-  Kriechenbauer  in  Znaim. 

8. 

I.  Ergänzungen  zum  lat.  Lexicon.  Von  C.  Paucker  in  Dorpat.  — 
Emendationes  in  Theodoro  Prisciano.  (Medici  antiqui  latini  ed.  Aldus. 
Venet.  1547).   Von  demselben. 

IV.   Bericht  über  die  Innsbrucker  Philologenversararnlung. 

9. 

I.  Die  Rede  des  Anchises  bei  Vergil.  (Aen.  VI.  756  —  853).  Von 
Dr.  Gebhardi  in  Posen.  —  Beiträge  zur  Erklärung  de*  Vergil.  Von  Dr. 
Bentfeld  in  Salzburg.  (Aen.  I.  126  ist  alto  nicht  Dativ;  I.  181  ist 
pelago  Ablativ;  II.  8  ist  caelo  Abi).  —  Zu  Xen.  An.  I.  7.  12,  8.  22. 
IV,  7.  3.  V.  1.  1,  2.  2,  4,  10-20.    Von  Henrych ow  ski. 

Der  „Jahresbericht  des  philolog.  Vereins  zu  Berlin"  behandelt 
Xenophon  I.  Anabasis.    (Referent  Nitsche.) 


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46 


Zeitschrift  für  d.  Gymnasialwesen.   9.  10. 

I.  Pädagogische  Zankäpfel.  Von  Dr.  Sanr  in  Darmstadt.  Zur  Frage 
der  Reform  des  höheren  Schulwesens  (Abgesehen  von  den  Vorschlägen  ist 
die  Begründung  mitunter  eine  sonderbare).  —  Scbulgrammatik  und  Sprach- 
wissenschaft. Von  Dr.  Wendt  in  Karlsruhe.  Offener  Brief  an  H.  Dr.  Jul. 
Jolly  in  Würzburg  (Verf.  will  in  der  Einführung  der  Sprachwissenschaft  in 
die  Schulgrammatik  nicht  so  weit  gehen  als  Dr.  Jolly).  —  Catulls  Lesbia. 
Von  Dr.  Schulze  in  Grünberg  (Gegen  die  Aufstellungen  von  A.  Riese  in 
Fleckeisens  Jahrbb.  1872  S.  747  ff.  gerichtet).  -  Zur  Erklärung  des  Ver- 
gilius  von  Dr  Carl  Nauck  (Zu  Aen.  IV.  178.  193.  246).  - 


Statistisches. 

Ernannt:  Studl.  Binder  in  Landau  zum  Subrektor  in  Ludwigs- 
hafen; Ass.  Osberger  in  Erlangen  (Konk.  1873)  zum  Studl.  in  Fürth; 
zu  Assistenten:  Lehramtskandidat  Patin  in  Erlangen,  Haupt  in  Würz- 
burg, Hellmuth  und  Hellfritzsch  in  Bamberg,  Barthel  in  Passau, 
Georgii  in  Kaiserslautern,  Heuberger  in  Amberg,  Wilh.  Meyer  in 
Eichstätt,  Hailer  in  Regeosburg,  Pöblmann  und  Simonsfeld  am 
Realgymn  in  München,  Birklein  und  Deschaner  am  Realgymn.  in 
AugBburg,  Degenhart  am  Realgymn.  in  Würzburg,  Kettler  am  Real- 
gymn. in  Nürnberg;  Grandauer  zum  Klassverweser  in  Weissenburg; 
Schleussinger,  bisher  Lehrer  am  Kolleg  in  Diedenhofen  (Konk.  1868), 
zum  Studl.  in  Ansbach;  Putz,  L.  für  Chemie  und  Naturg. ,  zum  Rektor 
der  Gewerbschule  in  Passau;  Lehramtsverw.  Lehmann  zum  L.  für  neuere 
Sprachen  und  Lehramtsverw.  Götz  zum  L.  für  Realien  an  der  Gewerbsch. 
in  Kaiserslautern;  Lehramtsverw.  Neu  zum  L.  für  Math  und  Phys.  an  der 
Gewerbscbule  in  Landau;  Lehramtsverw.  Meyer  zum  L.  für  Chemie  und 
Naturg.  an  der  Gewerbschule  in  Zweibrücken;  Lehramtsverw.  Knörzer 
zum  L  für  Realien  an  der  Gewerbsch.  in  Amberg;  Vikar  Rosenhauer 
zum  L.  für  prot.  Rel.  an  der  Gewerbsch.  Regensburg;  Vikar  Herold  zum 
L.  für  prot.  Rel.  an  der  Gewerbsch.  in  Fürth;  die  Lehramtsverw. :  Ducrue 
zum  L  für  Math,  und  Phys  an  der  Gewerbsch.  Bayreuth,  Schlumberger 
für  Zeichnen  an  der  Gewerbsch.  W ansiedel,  Hartwig  für  Math,  und 
Phys.  an  der  Gewerbsch.  Nürnberg;  Lehramtskand.  Micheler  als  Verw. 
für  Realien  an  der  Gewerbsch.  Kaufbeuern;  Gymn.-Prof.  Dr.  Hausmann 
in  Speier.. tum  Lycealprofessor  in  Dillingen. 

Versetzt:  Ass.  Emminger  von  Kempten  nach  Augsburg  (St  Steph.). 

Enthoben:  Rector  der  Gewerbschule  Bamberg,  Dr.  Schneider; 
Assistent  der  Industriesch.  Nürnberg,  Deibler. 

Quiesciert:  Subr.  Dr.  Stolz  in  Pirmasens;  Studl.  Hess  in 
Nördlingen. 


Gedruckt  bei  J.  Gotteawinter  *  Mossl  in  München,  The*tineritraMe  18. 


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Homerisches  Allerlei. 

(3.  IX.  Bd.  SS.  163  ff.  and  Wi  ff.). 
III. 

Vom  Purpur. 

1.  Farben  bei  Homer  überhaupt. 

Farben  werden  in  den  homerischen  Gedichten  folgende  erwähnt: 

1)  Aevxog  vom  bellen  Lichtglanz  (z.  B.  S  185;  C  45),  vom  durch- 
sichtigen Wasser  (V  282),  von  der  Hautfarbe  (A  573  u.  in  XsvxojXeyos), 
von  der  Milch  (J  434),  vom  Mehle  (2"  560),  vom  Schnee  (K  437),  vom 
Staube  (E503),  von  weisser  Wolle  (r  103),  von  Geweben  (2: 353;  /J426).  — 

2)  Aeig  loeis  „lilienweiss"  von  der  Hautfarbe  des  Aias  (.V  830).  — 

3)  Jftflaf,  xeXaiyos  als  Gegensatz  des  ersten  obigen  in  verschiedener 
Verwendung:  von  der  Farbe  der  Schafwolle  (rl03;  K215;  x  527)  und 
des  Peches  (J  277),  vom  Blut  ( J  149)  und  von  geröteter  Haut  (T  246; 
n  175),  von  Trauben  (Z  502)  und  vom  Wein  (c  265),  von  der  Asche 
(Z  25;  f  488),  oft  vom  Schiffe,  vom  Wasser  und  der  Meereswoge 
(B  825;  V  603),  von  der  Erde  (B  699;  £  97),  von  der  Nacht  (Z  486) 
und  vom  Abend  («  423),  vom  Tode  (Ii  834;  p  92)  und  häufig  von  den 
Keren,  endlich  von  Schmerzen  (J  117;  191).  —  4)  „Pechschwarz" 
—  J277.  —  5)  .-liSaXoe *.<;,  eigentlich  „russig"  vom  rauchgeschwärzten 
Saal  ufld  vom  Staub  (I  23).  —  6)  floJUo?  heisst  das  Haupthaar  der 
Greise  (X  74;  J2  516),  der  Wolf  (K  G34),  das  Meer  {J  248;  M  284; 
T229;  J580;  *  410),  das  Eisen  (l  366).  -  7)  Sftv&oi  sind  die  Haare 
verschiedener  Personen  und  einmal  der  Rosse.  —  8)  Nach  der  Pflanze 
xQoxof  (S  348)  sagt  der  Dichter  xQoxo.ienXos  von  der  Eos  d.  h.  von 
der  Farbe  des  Morgenrotes  (ft  I  ;  T,  1  uud  sonst).  -  9)  AfqXa>\p  „apfel- 
farbig" vom  reifen  Weizeu.  —  lOJ^-ß/pos  ist  die  bleiche  Farbe  eines 
Erschrockenen  (r  35;  X  529),  ebenso  -  11)  /AupoV  K  376  ;  0  4, 
und  daher  von  der  „blassen"  Furcht  selbst  gesagt  (H  479);  sonst: 
„blassgrüu,  grüngelb"  (vgl.  Düutzer  in  Kuhn's  Ztscbr.  f.  vgl.  Sprachf. 
XIV,  S.  183*):  von  der  jungen  Saat  (n  47),  vom  Honig  (A  631;  x  234) 
und  darum  vergleichsweise  als  Zeichen  der  Frische  (t  320  ;  379).  Hie- 
ber ist  auch  etwa  zu  stellen  —  12)  otVwi/'  vou  der  Farbe  d^s  unru  i  i^en 
Meeres  (¥>  316;  «  183;  ß  421)  und  gewisser  Stiere  (N  703;  v  32). 
13)  H t  q  o  1 1  d  i\  i  von  Punkten  der  Fernsicht  (41 770 1,  vom  M^ere  (ß  16  3) 
von  Grotten  und  Bergspitzen  tu  80  ,  233  und  sonst).  —  14)  'Yariv- 
Sivov  Sy&oc  C  231 ;  i//  158;  vgl  o  v«xiy9oS  S  348.  -  15)  'lo\  is, 
letA&nst  iofyffpqc,  das  ist  veilchenblau,  veilchendunkel  (s.  Düntzer 
in  Kuhn's  Zeitschr.  a.  O.XIV,  S.  184),  8cbw»rzblau  (vgl.  Böckh,  Explic. 

Blätter  f.  d.  b*yer.  OymnMialw.   XI.  Jahrg.  4 


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50 


ad  Pind.  Ol.  VI,  30)  beisst  das  ruhige  Meer  (A  298;  e  56)  und  das 
stürmische  Meer  (*  107),  das  Eisen  (<P  850)  und  Schafwolle  in  natür- 
lichem Zustande  (*  426  und  darnach  auch  &  135).  —  16)  Kvavcos 
von  dichten  Wolken-  und  Menschenhaufen  (E345,  <P188;  </282,  1166), 
von  Kopf-  und  Barthaaren  und  Augenbrauen  (H  176,  X  402,  n  176; 
^528,  0  102  und  in  verschiedenen  Zusammensetzungen,),  dann  von  der 
Erde  (u  243,  daz.  Ameis  Anhg.),  ferner,  mit  f*4Xag  erklärt,  von  dem 
xdXvuua  der  The tis  (£93)  und  von  dem  Bug  der  Schiffe  (Ob93  u.  6.); 
dabei  gedenke  ich  der  xvdveot  dgaxorrts  an  Agamemnons  kyprischer 
Rüstung  und  der  xvuvin  xanerog  auf  dem  Schilde  des  Achill  mit  Be- 
wusstsein  nicht,  kann  mir  aber  nicht  versagen,  auf  die  vortreffliche 
akademische  Abhandlung  von  Lepsius :  „Ueber  Metalle  in  den  ägypt- 
ischen Inschriften"  (Berlin.  1871.  Phil  -bistor.  Abt.  S.  27  -  143) 
aufmerksam  zu  machen,  wem  dieselbe  etwa  noch  nicht  zur  Hand 
gekommen  sein  sollte.  Endlich,  um  alles  zu  übergehen,  was  blos  den 
Lichtglanz  hervorhebt,  ist  zu  nennen  —  17)  die  Rosen  färbe,  welche 
auffallender  Weise  nur  an  der  (ioifo<faxTvXo(  'tfw'c  erw&hnt  ist,  und  — 
18)  anderes  Rot. 

Die  meisten  dieser  Namen  habe  ich  absichtlich  nicht  verdeutscht. 
Denn  was  Göthc  in  seiner  Geschichte  der  Farbenlehre  von  den  Farben- 
benennungen der  Griechen  und  Römer  im  allgemeinen  sagt,  dass  sie 
nicht  fix  und  genau,  sondern  beweglich  und  schwankend  seien,  das 
gilt  noch  in  ganz  besonderem  Grade  von  den  Bezeichnungen  in  den 
homerischen  Gedichten.  Ich  weiss  nicht,  wie  es  anderen  geht;;  in  mir 
steht  diese  Ueberzeugung  immer  wieder  fest,  so  oft  ich  die  obigen 
Farbebezeicbnungen  für  sich  und  im  Vergleiche  unter  sich  betrachte; 
dieser  Ansiebt  kann  ich  mich  nicht  erwehren  trotz  A.  Schusters  Dar- 
stellung in  seinem  zur  Darlegung  eines  ästhetischen  Stilgesetzes  ausge- 
führten Aufsatze:  „Homers  Auffassung  und  Gebrauch  der  Farben"  (in 
Berlin.  Zeitschr.  f.  Gyran.-W.  [1861]  XV,  S.  712  ff  ).  Ich  finde  mich 
darin  noch  mehr  bestärkt,  nachdem  V.  Hehn  (Culturpflanzen  und  Haus- 
siere S.  164  f. ;  176  f.)  uns  wahrscheinlich  gemacht  hat,  dass  vielleicht  wol 
der  Dichter,  nicht  aber  auch  seine  griechischen  Zeitgenossen  einzelne  dieser 
Farben,  wie  die  der  Rose  und  der  Lilie,  des  Veilchens  und  des  Safrans 
aus  eigener  Anschauung  kannten.  Indes  ist  es  nicht  meine  Absicht, 
diese  sämmtlichen  Farbennamen  des  näheren  zu  untersuchen;  ich 
bedarf  des  obigen  Verzeichnisses  nur  beiläufig  als  einer  Musterkarte, 
woraus  ich  nur  die  letzte  Nummer  mit  noch  unbestimmt  gelassenem  Dessin 
zu  einer  genaueren  Prüfung  ausgewählt  habe. 

Noch  einer  anderen  Beobachtung  wegen  halte  ich  diese  Zusammen- 
stellung für  notwendig.  Alle  die  oben  aufgeführten  Farben  ausser  der 
letzten  Nummer  sind  (und  das  ist  eben  der  Hauptgrund  der  schwan- 
kenden Bezeichnung  und  kreuzweisen  Verwendung)  überall  nur  als 


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51 


natürliche  Farbeerscheinungen  (subjektive  Farben)  erwähnt;  die  Art 
und  die  Menge  des  einfallenden  Lichtes,  dann  der  Standpunkt  des 
Beschauers  ändern  die  Erscheinung  nach  der  einen  oder  andern  Seite 
hin  zum  üebergange  ins  Dunklere  oder  Hellere,  mit  mannigfachem 
Schüler.  Dieses  war  schon  Aristoteles  und  Theophrastus  klar.  So  ist 
hier  besonders  beachtenswert,  dass  Rot  und  Schwarz  in  einander 
spielen  und  eines  für  das  andere  insoferne  zu  stehen  kommt,  als  mit 
beiden  das  Dunkle  herhorgehoben  wird.  Beispiele  dafür  hat  Döderlein 
im  „Homerischen  Glossar"  Nro.  2151  und  2464  besprochen,  während 
H.  Düntzer  (in  Kuhn's  Zeitschr.  XIV.  B,  S.  183  ff.)  unter  dem  gemein- 
schaftlichen Begriff  „dunkel"  folgende  homerische  Wörter  zusammen- 
stellt: atäakeoi,  (ti9otftj  dyoq>SQogf  ij«0o£t<fjjff  jioeidijg,  ioBigy  xvttveog, 
xeXaivof,  fittag  und  auch  noXiog.  „Homer  liebt  es  eben",  sagt  Düntzer, 
„oft  die  Farbe  nicht  bestimmt  zu  bezeichnen,  sondern  nur  ihre 
Dunkelheit  hervorzuheben,  woneben  der  schimmernde  Glanz  wol 
bestehen  kann". 

Unter  den  homerischen  Farben  macht  hievon  vielleicht  eine,  aber 
nicht  unbestrittene  Ausnahme  die  xvavonet«  rQuneta.  (Vgl.  Lepsius 
a.  a.  0.  S.  56  ff.,  u.  „Handwerk  und  Handwerker  in  den  homerischen 
Zeiten"  S.  93  nebst  Anm.  126  [S.  197]  und  187  [S.  205  f.]).  Ganz 
gewiss  wird  das  Kot  nicht  blos  als  Farbeerschein ung  von  den  Gedichten 
genannt,  sondern  auch  als  objektive  Farbe,  als  Färbestoff  und  als 
künstliche  Färbung,  nur  auch  da  wieder  nicht  jedes  Rot.  Erstlich 
fehlt  das  den  Uebergang  zum  Blonden  bezeichnende  hvqqos  noch 
ganz,  und  nur  sein  Zwillingsbruder  nvQoog  bedeutet  dort  als  Substantiv 
den  Feuerbrand.  *Eqv&q6s  ist  mir  nur  von  natürlicher  Farbeer- 
scheinung z.  B.  des  Blutes,  Weines,  Nektars,  Kupfers  erinnerlich  (*  21 
=  £484;  (93,  165;  T38;  I  365  u.  a.),  wie  das  schon  vorhin  erwähnte 
Rosenrot  und  das  Blutrote:  q>oiyiog ,  <poiy6gt  tpotvqeig,  datpoiyeog 
und  datpoivos  (IJ  159;  2  538;  a  97),  auch  von  der  Haut  der  Schakale 
(A  474),  Löwen  und  Schlangen,  wobei  es  teils  mit  aioXog  wechselt 
{B  308  und  M  202 ;  220  neben  M  208) ,  .teils  mit  aX&uv  zusammensteht 
{K  23).  In  ausschliesslicher  Verwendung  als  Färbestoff  kommt  der 
fiiXrot  vor  und  dieser,  vielleicht  nicht  zufällig,  nur  oder  erst  in  der 
Odyssee  (*,  125)  und  im  Schiffskatalog  (B  637).  Endlich  stossen  wir 
auf  die  Bezeichnungen  yoiyixi,  yotrixoeig  und  noQ<pi>Q  sog. 

Es  ist  wol  rasch  gesagt:  Das  ist  der  Purpur;  und  Commentare, 
wie  Lexika,  soweit  ich  sie  kenne,  setzen  das  einfach  ein.  Aber  es  ist 
meines  Erachtens  nicht  ebenso  leicht  zu  erweisen,  vielmehr  nur  eine 
Präsumption  aus  dem  späteren  Sprachgebrauch.  Von  wie  vielen  Wörtern 
ist  aber  der  Begriff  ein  anderer  in  der  homerischen,  ein  anderer  in  der 
späteren  Zeit!  Geht  mau  von  der  letzteren  und  ihren  Schriftstellern 
aus,  wie  Sam.  Bochartus  in   seinem  opus  grandis  eruditioni*, 


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Hierozoicon  sive  Bipartitum  opus  de  animalibus  8.  Scripturae  (Lon- 
din.  1663.  Francofurt.  1675)  P.  II,  l.  V,  c  X  et  XI  thut,  welcher, 
für  seinen  Zweck  genügend,  sich  fast  ausschliesslich  auf  die  Lexieo- 
grapben  stutzt;  wie  Pasc.  Amati  in  seinem  Libellus  de  restitutione 
purpurarum  (Lucae  1781),  welcher  zumeist  an  Aristoteles  sich  anlehnt 
und  nur  2  homerische  Stellen  nebenbei  benützt;  wie  J.  N  Bischoff 
in  seinem  „Versuch  einer  Geschichte  der  Färberkunst"  (Stendal  1780), 
welchem  es  um  die  Manipulation  zu  thun  ist;  so  musste  man  entweder 
die  homerischen  Stellen  ignorieren  oder  den  späteren  Sinn  kurzweg  hinein» 
tragen.  Wir  wissen  ja  aber,  dass  wir  Homer  zuvörderst  aus  sich  selbst 
erklären  müssen.  Diesen  Grundsatz  wird  die  übrige  ebenso  alte  Litera- 
tur, in  dem  sogleich  zu  nennenden  Werke  verzeichnet,  aber  mir  bis 
jetzt  nicht  zugänglich,  auch  nicht  befolgt  haben.  Dem  besten  Buche 
über  Purpur,  das  wir  haben,  der  musterhaften  Schrift  von  W  A  Schmidt: 
„Forschungen  auf  dem  Gebiete  des  Alterthums.  I "  (Berlin.  1842.) 
lag  ihrem  Zwecke  nach  das  homerische  Gebiet  fern.  Dazu  kam  seitdem, 
was  C.  W.  Lucas  in  seinen  prächtig  geschriebenen  und  inhaltlich  von 
Ddderlein  schon  belobten,  in  unserer  Frage  aber  ungenügenden  Quaes- 
tionea  lexilogicae  (Bonn.  1835)  p  153  sqq.,  Göbel  in  der  Berliner 
Zeitschr.  f  Gymnasialwesen  (1855)  IX  Bd.  8.  532  ff  und  Döderlein 
im  Homerischen  Glossar  III  S.  329  -  32  Ober  die  Materie  sagen ,  und 
das  macht  eine  weitere  Untersuchung  nicht  überflüssig. 

2.  rf-oivixi,  tf ot  v  ix  o  1 1  (  in  sprachlicher  E  ntw  ickel  ung. 

Für  diese  Ausdrücke  ist  es  zu  meinem  Zwecke  glücklicherweise 
nicht  notwendig,  die  strittige  Frage  der  Etymologie  von  qpoiVtf  end- 
giltig  zu  entscheiden,  ob  also  +oiWx<j  das  „Palmenland"  benenne,  wofür 
sich  Movers  (Phönizier  II,  IS.  3  ff)  entschieden  hat,  wobei  aber  freilich 
gar  nicht  wahrscheinlich  ist,  dass  die  Griechen  die  Palme  zuerst  in 
Pbönizien  gesehen  hätten*),  oder  ob  Phönizien  das  „rote  Land",  „das 
Land  der  Roten"  bedeute,  welche  Ansicht  Movers  unter  den  ihm  ent- 
gegenstehenden für  die  wahrscheinlichste  erklärt,  und  Schegg  in  seinem 
„Gedenkbuche"  II  S  220  durch  Vergleicbung  des  ägyptischen  Namens 
Ta-dsr  ~  „das  rote  Land"  wieder  aufgenommen  hat,  oder  ob  4>oiyixes 
ägyptischer  Parallelname  mit  kanaanitr-chem  Ka  dm  onaim  in  dem  Sinne 
von  „Alte,  Urbcwohner"  sei,  wio  P.  Tarquiui  in  seinem  Vortrage  Deila 
iscrisione  —  di  S.  Marco  e  della  origine  de1  Fenici  (Roma.  1868) 
wahrscheinlich  zu  machen  sucht,  oder  welche  der  sonstigen  Deutungen, 
von  Movers  a  0.  verzeichnet,  den  Vorzug  verdiente.  Nur  das  eine 
ist  uns  hier  von  Bedeutung  —  und  das  steht  fest  — ,  dass  die  Bezeichnung 

*)  Döderlein  (Glossar  III  Nro.  2213)  leitet  daher  richtiger  die  griechische 
Bezeichnung  für  Palmbaum  von  Phönizien  her  d.  i.  „phönizischer  Baum"; 
s.  jetzt  auch  V.  Hehn,  Cnlturpflanzen  und  Hansthiere  S.  182. 


■Htyixt)  nach  dem  Zeugnisse  Sanchuniatbon's  bei  Eusebius  (Praep-  ev. 
I,  9t  10)  älter  ist  als  die  Sage  des  trojanischen  Krieges,  und  dasB  in 
jener  Zeit,  wo  die  Griechen  auch  noch  nicht  eine  ungefähre  Gemein- 
schaft in  Europa  bildeten,  jenem  Schiffervolk  Chanaans  nicht  wol  durch 
die  Griechen  und  noch  dazu  an  den  verschiedenen  Orten  des  griechischen 
Landes,  wo  ihre  frühzeitigen  Spuren  in  Orts-,  zumal  Hafennamen 
erhalten  sind«),  als  Jonien,  Karien,  Lykien,  Kreta,  Jos,  Kythera, 
Korinth,  Epirus,  Böotien,  Messenien  und  Sicilien,  ebenso  auch  im 
fernen  Arabien,  nicht  gleichmässig  derselbe  Name  beigelegt  werden 
konnte  oder  beigelegt  worden  wäre,  wenn  jenes  Volk  denselben  nicht 
schon  mitbrachte.  Dem  steht  auch  der  Umstand  nicht  entgegen,  dass 
die  llias  ausser  zwei  jüngeren  Stellen  die  Phönizier  gar  nicht  erwähnt, 
sondern  nur  die  Sidonier,  während  V  t  743  und  in  der  Odyssee  (denn 
J5f,  321  verdient  als  offenbares  Einschiebsel  gar  keine  Berücksichtigung) 
Phönizier  und  Sidonier  unbefangen  als  Gattung  und  Species  neben- 
einander aufgeführt  werden.  Genauer  betrachtet  ist  eben  die  Sache  so, 
dass  die  Sidonier ••)  genannt  sind,  wo  er  sich  um  die  Urheberschaft 
industrieller  Kenntnisse  und  Produkte,  die  Phönizier  *•*),  wo  es  sich  um 
deren  Vertrieb  und  Einfuhr,  um  Handel  und  Verkehr  überhaupt  handelt. 
Zumeist  erhellt  dies  aus  ¥f,  743:  (xp^r^a)  JttfoVet  nokvdaiduXot  et 
rjffxqoay,    <£o«V»xf  c   d"  ityov   ttv$Qt$   in1  tjSQOnSäa  novxov  arijorty   d'  iv 

Xifiivecai.  Und  die  yvypj  <Poiyi<xaa  (o  417)  in  des  Eumaios  Vater- 
haus sagt  von  sich  (v.  425):  ix  phy  £i<f<öyos  noXvx*kxov  sü/o^uat  eZva*. 
Also,  wie  es  der  Natur  und  der  Geschichte  der  Verhältnisse  gemäss  ist: 
Die  Phönizier  im  allgemeinen  waren  und  galten  für  Händler,  aber 
nicht  alle  für  Handwerker  und  Kunstverständige;  der  letztere  Ruf 
haftete  nur  einem  Teil  der  Phönizier,  speciell  den  Sidoniern  eigentümlich 
an.  Es  ist  aber  vielleicht  nicht  ganz  überflüssig,  zu  erinnern  nicht  nur 
dass  diese  homerischen  Erwähnungen,  was  bekannt  ist,  aus  der  Zeit 
der  sidonischen  Vorortschaft  (also  von  1600  —  1100  v.  Chr.) 'stammen 
oder  ein  Nachklang  daraus  sind,  sondern  auch,  was  ich  wenig  oder 
nicht  beachtet  finde,  dass  ebenso  wie  in  den  unmisverständlichen  biblischen 


•)  Ich  habe  bier  vor  allem  die  Namen  *<nvixovqy  <f>oiyixtj  (=  Karien 
and  Jos),  Gowixatoy,  Gowixioy,  4>otytxig)  4>oivixuv  im  Auge. 

••)  Z  289  ff.  f  743.  cf  618.  v  285  (i.  e.  Itdoyü}  als  Endziel  der 
Handelsreise),   o  425. 

[S  321.]  V  743  f.  v  272.  {  288.  *  415;  419;  425  coli.  417. 
—  <f,  83  f.  erwähnt  *otWxi?  und  £t<toytoi  rein  als  geographische  Begriffe 
nebeneinander;  ebenso  steht  y  291  4>tnyixri. 


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Berichten*),  so  auch  bei  Homer  „Sidonier"  als  Stammesbezeicbnung 
zu  betrachten  ist,  welche  die  Alt-Tyrier  mit  einschloss.  Nun  aber  ist 
beim  Zusammen  treffen  eines  naiven  Volkes  mit  fremden  Kaufleuten  die 
erste  Frage  naturgemäss  nicht:  Wer  hat  Eure  Waaren  fabriziert?, 
sondern:  Wer  seid  Ihr?  Der  Name  Phönizier  musste  folglich  den 
Griechen  eher  bekannt  werden  und  näher  liegen  als  „Sidonier". 

Also  die  Etymologie  von  4-oiyixeg  ist  für  meine  Untersuchung  irre- 
levant Der  Name  selbst  aber  war  den,  Griechen  früher  als  jede  Phöni- 
zisebe  Stammesbenennung,  somit  vor  Abfassung  der  Ilias  bekannt,  ja, 
wir  dürfen  wol  sagen,  vor  Niederlassung  der  Achaier,  der  ältesten  im 
Peloponnes,  welche  etwa  um  das  14.  Jahrhundert  geschehen  sein  mochte 
(s  Kouge  in  Rev.  archeol.  (1867)  tom.  XVI,  p.  93)  Nach  dem  Er- 
örterten ist  (poivixi  f  f/ei  n  6g)  in  den  homerischen  Gedichten  einfach  die 
„phönizische"  Farbe,  eine  Lokalbezeichnung,  wie  deren  im  Handel  zu 
allen  Zeiten  vorkommen,  z.  H.  Mokka,  Kaschmir  u  dgl.  (Aehnlich 
Wolf  ad  J,  141;  Lucas  U.  p.  211.)  Nach  einer  andern  Seite  hat 
dieselbe  ihr  Analogon  in  der  Phoinix  als  einem  musikalischen  Instrument, 
wovon  Her.  IV,  192  und  Athen.  XIV  p.  (537,  b  sprechen.  Unwillkürlich 
werden  wir  an  das  „türkische  Garn"  erinnert,  womit  ebenfalls  nicht 
der  Stoff,  sondern  nur  die  Farbe  qualifiziert  zu  werden  pflegt.  Diese 
phönizische  Farbe"  ist  nun,  ausser  dem  einmal  in  der  Odyssee 
erwähnten  Mennig,  die  einzige,  welche  in  den  homerischen  Gedichten 
und  das  zweifellos  deutlich,  als  Färbestoff,  als  künstliche,  als  aufge- 
tragene Farbe  vorgeführt  wird,  wie  auch  Büchsenschütz  (Hauptstätten 
des  Gewerbefleisses  S  83,  2)  in  kurzer  Andeutung  hervorgehoben  hat 
Es  ist  ein  roter  Färbestoff  in  den  Händen  der  Frauen  von  Karien 
undMäonien,  welche  Elfenbein  damit  färben  oder,  wie  der  Dichter  noch 
es  ausdrückt,  „beflecken"  ((foiyixi  ptpvp  J,  141)  Das  Beflecken  ist  ja 
die  ursprünglichste  Färberei.  Wir  sind  darum  nicht  nur  berechtigt, 
sondern  genötigt,  die  gleiche  Vorstellung  von  dem  nämlichen  Färbestoff 
vorauszusetzen,  wenn  der  Dichter  Z  219  einen  „phönizisch  glänzenden" 
Leibgurt  dem  Grossvater  des  Diomedes,  H  305  dem  Aias  zuschreibt, 
dann  einen  „phönizisch  glänzenden"  Hombusch  dem  Troer  Dolops 
(0  538*»)  beilegt,  ferner  einen  derartigen  Rindsledergurt  am  Ehebett 

*)  Ueber  diese  s.  Movers,  Phöniz.  II,  1  S.  86  f.;  92  f.;  man  vgl.  von 
den  dort  gesammelten  Stellen  bes.  1  Mos.  10,  15;  49,  13.  Jos.  13,  4;  6 
Eicht  3,  8.  1  Kön.  5,  6  vgl.  mit  2  Samuel  5,  11  Wenn  Movere  *  0 
S.  93  dieses  richtige  Verhältnis  in  dem  Schol.  v  285:  Zitfoyitjy,  tijV  rijg 
Ii&iovog  xajQttv,  rrjv  4>oivixriy  angedeutet  findet,  so  mnsa  ich  sagen,  dass 
ich  damit  vielmehr  die  nämliche  falsche  Gleichstellung  von  Itforlq  und 
<f>oty(xrj  in  Homer  hineingetragen  sehe,  wie  ich  die  Noten  bei  Suid.  und 
Hesych.  Sidoviog'  *o*Vt£  für  homerische  Mis  Verständnisse  halte. 

**)  Von  Aristarch  wegen  des  viov  tpoivixi  <paetv6y  mit  der  Diple 
versehen. 


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des  Odysseus  (tp  201)  anbringen  lässt  und  dies  jedesmal  durch  <po(ytxi 
tpaeiyoy  ausdrückt  (an  allen  4  Stellen  am  Verschluss,  wie  auch  qpofrtxi 
pipyp)-  Drei  Mal,  gleichfalls  zu  Ende  der  Verse  (A  133;  f  500  und 
<p  118)  wird  je  eine  ^A«»*'«  q>otyix6eaocc  vorgeführt,  getragen  von  Nestor, 
von  dem  Aitolerführer  Thoas  und  von  Telemach.  Nur  in  dem  Gesänge 
von  den  Leichenspielen,  welcher  ganz  oder  doch  grossenteils  jüngeren 
Datums  ist,  findet  sich  cpoiv^  und  yoiyaoeig  als  blosse  Farbeerscheinung, 
jenes  auch  formell  ein  homerisches  «n«S  BlQufxivoy*)  als  Adjektivum 
zur  Schilderung  eines  Pferdes  (lP  454 :  (Vnnov)  öq  to  fthy  aXXo  xocoy 
qpotVtf  tjy,  iy  dk  fieTto7i(pXevx6y  oijp'  irdTvxTo),  dieses  zur  Versinnbildung 
blutunterlaufener  Striemen  der  Faustkämpfer  (<P  717:  ayntopytc 
«i'futrt  cpoiytxoeaoai).  Endlich  an  der  ebenfalls  jüngeren  Stelle  X  424 
—  \f.  271  bietet  das  Heiwort  ffotytxonaQpoi  von  den  Schiffen  im  Zusammen- 
halt mit  fjuXronaggot  t,  125  eine  Verwendung  für  Mennigrot. 

Dies  der  homerische  Sprachgebrauch  in  8,  beziehungsweise  12  Stellen. 
Was  ist  daran  zu  beobachten ,  und  was  lehrt  er  über  das  Wesen  der 
phöniziscben  Farbe?  Und  hiebei  selbst  wiederum  haben  wir  wol  aus- 
einander zu  halten  die  Fragen:  Was  dachten  die  Griechen  sich  unter 
der  „pbönizischen  Farbe"  und:  Was  erhielten  sie  thatsäcblich  von  den 
Händlern  unter  jener  Etiquette?  Denn  nur  darnach,  wie  sich  ein  Volk 
einen  Begriff  denkt,  entwickelt  sich  dessen  Sprachgebrauch,  und  lässt 
sich  umgekehrt  aus  dem  letzteren  nur  schliessen  auf  die  Volksvorstellung 
von  einer  Sache.  Mir  fiel  Viererlei  auf:  Diejenigen  Stellen,  welche, 
man  msg  über  den  oder  die  Verfasser  der  Gedichte  denken  was  man 
will,  als  die  ältesten  unangezweifelt  dastehen,  enthalten  die  Bezeichnung 
tpoivixh  nur  jüngere  Stellen  die  Adjektivform  (poiyixoeooa ,  zweitens 
jene  nämlichen  ältesten  Stellen  und  eine  der  Odyssee  reden  von 
gefärbtem  Elfenbein,  Leder  und  Ko'shaar,  nur  die  Odyssee  und  K  von 
gefärbter  Cblaina;  drittens  wurde  mit  „pböniziscber  Farbe"  bereits 
ausserhalb  Pböniziens  von  Karern  und  Lydiern  gefärbt,  wenigstens 
Elfenbein ;  viertens  alle  diese  Stellen  in  ihrem  Zusammenhalt  meinen 
einen  bestimmten  Färbestoff,  welcher  aus  der  einen  Stelle  J141  als  rot 
erkennbar  ist,  und  nur  die  zwei  Stellen  aus  sowie  die  eine  aus  X 
verwenden  den  Ausdruck  für  eine  Farbeerscheinung,  die  letzte  speciell 
für  die  des  Rötels.  Dies  kann  nun  aber  die  Grundbedeutung  nicht 
sein;  denn  Mennig  ist  keine  eigentümlich  phönizische  Farbe.  Als  solche 
kann  auf  Grund  der  biblischen  Ueberlieferung,  wovon  später,  nur 
Scharlach  oder  Purpur  in  Frage  stehen.  Von  Scharlach  versteht  es  das 


•)  Auch  sonsther  habe  ich  nur  Simon  C  frg  17  (Bergk*):  (*n  ßaXp 
olvixaq  ix  ^eiguiy  luaytag;  Eur   Hell.   181:  <po(yixae  ne'./Äovf,  Uerc. 


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geringwertige  Schol.  Villois.  z.  J  141  und  Eust.  ibid.  (vol.  1,  p.  456),  dann 
Schmidt  a  0.  S.  100  f.  und  Büchsenschütz  (Hauptstätten  S.  84, 8),  beide 
veranlasst  durch  die  nur  von  der  späteren  Zeit  geltende  Glosse  des 
Hesych.  v.  xo'xxof  i£  ov  r6  opoiyixovy  ßanrertu.  Das  Richtige  wird 
sein:  Das  Wesen  der  „pbönizischen"  Farbe  kannten  die  althomerischen 
Griechen  gar  nicht;  denn  an  der  einzigen  Stelle,  wo  er  der  „phöni- 
zischen" Färbung  als  Handlung  gedenkt  (./  141),  lässt  der  Dichter 
diese  nicht  durch  phönizische  und  doch  auch  nicht  durch  griechische 
Hände  vollziehen.  Die  einzig  zutreffende  Uebersetzung  im  Sinne  Homers 
ist  darum  „phönizisch".  Freilich  dürften  die  homerischen  Griechen, 
wie  wir  am  Schluss  sehen  werden,  in  den  meisten  Fällen  nur 
Scharlach  von  den  schlauen  Phöniziern  eingetauscht  haben,  aber 
gehalten  haben  sie  die  „phönizische"  Farbe,  als  sie  darüber  zu 
reflektieren  anfingen,  für  Purpur.  Gegen  die  Vorstellung  von  Scharlach 
in  den  damaligen  Griechenköpfen  tritt  entschieden  der  ältere  und  der 
gesammte  Sprachgebrauch  auf,  welcher,  wie  oben  dargelegt  ist,  schon 
in  den  homerischen  Gedichten  das  Wort  zu  der  Vorstellung  „rot" 
überhaupt  verallgemeinerte.  So  einmal  verallgemeinert  hätte  das  Wort 
nicht  bald  nachher  einen  neuen  Spezialbegriff ,  den  von  „Purpurrot'« 
an  sich  fixieren  können,  am  allerwenigsten  einen  solchen,  für  welchen 
in  der  nämlichen  Zeit  ein  anderer  Spezialausdruck  aufkam.  Wenn 
also  jenes  diesen  Begriff  irgend  einmal  gehabt  hat,  wie  aus  der 
späteren  Zeit  leicht  zu  erweisen  ist,  so  muss  dies  der  ursprüngliche 
gewesen  Bein. 

Der  naebbomerische  Sprachgebrauch  bestätigt  zunächst  die  zu- 
vor erst  spurweise  beobachtete  Verallgemeinerung  und  Verflachung 
des  Begriffes.  Lassen  wir  die  ijV«a  qoivixoevra  Scut.  Herc.  95  (von 
Thiersch  verdächtigt),  die  <poiyixox(t6xu  £wV«  Find.  Ol.  VI»  39,  die 
tpoivix6ß(t7iTu  taS-tifuae.  bei  Aisch.  Eum.  982  und  den  xi&üya  <potvixeov 
des  Persers  Massistios  bei  Her.  IX,  22  und  viele  andere  Stellen,  wo 
Purpur  wahrscheinlich,  aber  nicht  direkt  erweishar  ist,  ausser  Ansatz, 
so  sehen  wir  das  Gesagte  an  der  zu  tfoivixi  gebildeten  Femininform 
rpoivioat}-vjux«o't  Sim.  fr.  109,  2;  (foiviaaa  tpX6$  Pind.  Pyth.  I,  24, 
<foivioaa  SQrtixitüv  (tyeXa  rcrvpw  Pyth.  IV,  205,  dann  an  ( *  Aq^s)  uiuutt 
(füinxoe«;  Scut.  Herc.  194,  an  xoqv$uXX«s  (f  oivixeiuoyaq  Kpicharm.  bei  Ath. 
IX  p.  398,  d,  an  tpoiytxoneStt  (jr^w'trjQ)  Pind.  Ol.  VI,  94,  wozu  Böckh 
nachzulesen,  an  (potyixooreQourjs  Z$v(  Ol.  IX,  t>,  an  dem  </  <>trixür$i  um- 
riQ  Pyth.  IV,  64,  an  den  tpoiyixiots  qoöois  Jsthm.  III,  37,  den  <poivixo- 
Qo(fot(  Äc//iwVffffft  frg.  95,  2,  dann  aus  Aisch.  ÜQofi.  Xv6u.  frg.  b.  Strab. 
I  p.  33:  (potvixoneSov  r*  eQvfr(>äs  Uqov  ysvfia  ^uXtcaa/jg.  Von  Späteren 
sei  nur  noch  erwähnt  die  bildliche  Redensart  Arist.  Acharn  319  f.:  ri 
tfet&6fi€<x9a  litjy  Xi&wv  —  fit]  ov  xuxu^aivtiv  roV  Hv6qu  tovtov  ig  (poiyi- 
xiöa  (vgl.  dazu  Schol.);  Aristot.  Hist  An.  VIII,  3:   (poiyixoCy  Xoyov 


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l/wv  (aiy&aXog)  und  Polyb.  XII,  2,  4:  6  <fi  xaQrtog  (xov  Xuxov)  — 
av£ttv6fievoc  ifh  xtp  f*ky  YOtSfUtTt  yiyyexai  tfoivixovg.  Uebereinstimmend 
damit  bedeutet  IqpojWffao*  i.  e.  (foiyixjw,  welches  in  den  homerischen 
Gedichten  ganz  fehlt,  später  wo  es  sich  findet,  wie  Her.  VIII,, 77;  Soph. 
Ai.  110;  frg.  462,  b,  2  nur  allgemein:  „rot  färben". 

Und  dorh  sind  wir  wieder  genötigt,  wenn  Her.  I,  98  von  (powixitp 
el'fitcfi  in  gottesdienstlicher  Verwendung  bei  den  Aegyptern  spricht, 
dies  speziell  von  Purpur  zu  verstehen,  noch  mehr  Xen.  An.  I,  2,  20 
den  Ausdruck  rpoiyixtaxijg  von  den  Persern,  welche  ganze  Purpurkleider 
tragen  durften,  zumal  wenn  man  Cyr.  VII,  1,  2  xiT("°l  <potyixotg  von  des 
Kyros  Umgebung  und  VIII,  3,  3  vergleicht:  ovdey  (peid6tueyog  ovts 
noQ<pvQt<fu)v  ovxe  oQtfvivtüv  ovxe  tfotvixititav  ovxe  xuQvxivtov  luaxitjy  (8. 
dazu  Weiske),  vollends  sind  von  Purpur  zu  verstehen  in  dem  Berichte 
des  Chares  bei  Athen.  XII  p  538,  d,  welcher  das  Hochzeitsfest  Ale- 
xanders  des  Grossen  beschreibt,  die  Worte:  xaxeaxevaaxo  cf*  6  oJxog 
noXvxeXüig  xui  fieyaXongentSg  luartotg  re  xai  n&oviotg  itoXvxeXioiy,  vno 
de  tavttt  TioQtpvQois  xai  <poiyixoig'  xQvaovtfiot.  Und  wem  das  alles  nicht 
genügen  sollte,  der  wird  nimmermehr  Aber  die  Worte  des  Ktesias  (frg. 
57  Müll,  aus  Phot.  Bibl.  und  frg.  77  aus  Ael.  v.  h.  IV,  46  )  hinwegkommen. 
Leider  muss  ich  mir  des  Umfanges  wegen  versagen,  die  wichtige  Stelle 
im  Wortlaut  hieherzusetzen  Ktesias  spricht  dort  von  dem  indischen 
Baume,  welcher  die  Cochenille- Schildlaus  trägt;  dafür  hat  es  Delaval 
und  Beckmann  und  Heeren  genommen  und  nach  ihnen  Bäbr  ad  CteB. 
p.  323.  Davon  gebrauchte,  wie  aus  den  verschiedenen  Exzerpten 
zweifellos  hervorgebt,  Ktesias  die  Ausdrücke  ay$og  (noQ<pvQovy) ,  i£ 
ov  noQtpr'Qtt  oder  nootpvQÜ  Ifxuxia  ßänxexai.  Die  Inder  zerreiben 
nämlich  jene  Insekten  xai  ßaniovaty  iuuxia  tfQiyixii  oder  xdg  cfoivixidug 
xui  xovg  vu  cviuig  /huj>  ag,  Ferner  nennt  Ktesias  jene  Tierchen 
iyv&Qa  äaneg  xtvydßugi,  um  einen  anderen  Passus:  <poiyixovy  iotiy, 
igv&Qoy  nayv,  nicht  zu  betonen,  und  nennt  den  daraus  bereiteten  Stoff, 
welcher  selbst  dem  Perserkönig  überreicht  wurde,  besser  als  den  ein- 
heimischen persischen,  ovdiy  yrtoy  xyg  'EXXrtyix!}g  (noQtpvQug)  und  xwv 
(ctfoftiytay  xvSy  Zaqfutyixuiy  o£vx£qu  xai  xyXavyeoxe\>a.  So  könnte  die 
Ausdrucksweise  von  Ktesias  nicht  gewählt  sein,  wenn  ihm  nicht  <fotvt- 
xovg  als  Purpurfarbe  festgestanden  hätte.  Und  so  wurden  alle  die 
persischen  Scharlachgewänder  von  den  Griechen  als  Purpur  aufgefasst 
und  betrachtet.  Wenn  wir  also  hier  jedes  Verständnis  für  Verschieden- 
heit von  Scharlachfarbe  als  solcher  und  von  Purpur  fehlen,  vielmehr 
nooxfvou  und  tpotyixeog  zur  Bezeichnung  des  ersteren  abwechselnd  für 
einander  eintreten  sehen,  wie  kömmt  es  ferner,  dass  Aristoteles,  wo  er 
diese  beiden  Begriffe  in  der  Farbenlehre  als  Gegensätze  behandelt  (8.  nach- 
her im  3  Abschnitt),  zur  Bezeichnung  des  hellen  Rot  statt  yoiyixeog  nicht 
vielmehr  geradezu  xoxxtyog  wählt,  während  doch  sein  Zeitgenosse,  der 


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58 


Komiker  Dromo  bei  Ath.  VI  p.  240,  d  mit  den  Worten  iQvÖQoreQov 
xoxxov  das  Scharlachrote  im  Sprichwort  kennt,  gleichzeitig  der  Komiker 
Eubalos  bei  Ath.  II  p.  66,  d  den  xCxxov  Krtdiov  hervorhebt,  und  Kalli- 
xenos  Rhodios  ib.  V  p.  196,  b  (im  3  Jahrb.)  von  einem  ovQavioxy 
xoxxtvoßaq:Ei  ncQiXsvxot  spricht?  Ks  ist  nur  so  erklärlich,  dass  qpotWxto; 
noch  Dicht  mit  xoxxivos  identisch  galt  Noch  von  einer  andern  als  der 
oben  geltend  gemachten  Seite  her  erbellt  aus  dieser  Darstellung  und 
Ausdrucksweise  des  scharf  beobachtenden  und  distinguiert  nden  Philo- 
sophen, dass  ffotvixoeis  noch  im  4.  Jahrb.  nicht  schlechtweg  gleich 
xoxxivoc  war.  Aristoteles  konnte  diesen  Ausdruck  gar  nicht  gebraueben 
wollen.  Die  Naturbeobachtung  in  dem  beschriebenen  Falle  zeigt  gar 
keine  Scharlachfarbe,  sondern  eine  mildere  Nuance,  wofür  absichtlich 
tpoiytxoeis  gewählt  ist.  Es  ist  also  nicht  nur  an  sieb  wahrscheinlich, 
dass  „phönizisch  -  rot"  die  den  Phöniziern  eigentümliche  d.  h.  von  ihnen 
zuerst  auf  dem  ägäiscben  Meere  verbreitete  Kunstfarbe,  den  Purpur  in 
seiner  roten  Nuance  bezeichnete;  der  Sprachgebrauch  lehrt  die  Ent- 
wickelung  des  Begriffes  qpoiVixi,  tfotytxoeis  vom  Speziellen  (Purpurrot) 
zum  Allgemeinen  (Rötliches  i ,  worin  noch  tpoiyixeog  rieh  anschliesst, 
während  für  das  zum  Palmbaum  gehörige  nur  tpoivixtios ,  und  als 
Topikon  im  geographischen  Sinne  <t>oivixix6e,  #oiWxtos,  4>otvixeios}  4>ot- 
vixijws  in  Gebrauch  kamen.  Endlich  haben  wir  noch  eine  ganz 
besonders  lehrreiche  Bemerkung  von  Theophrastus,  welcher  Hist.  plant. 
III,  16,  1  (ed.  Schneid.)  sagt:  tptqei  <fc  (o  jiquos)  xai  nagd  ijjV  fluXavov 
xoxxov  riva  cfniiixuCy.  Die  Worte:  „eine  Art  pbönizisebroten  oder 
Purpur  -  Scharlach4'  sind  eine  direkte  Spur,  dass  man  anfieng,  roten 
Purpur  und  Scharlach  im  Sprachgebrauch  in  Parallele  zu  setzen,  noch 
später  wurden  wirklieb  beide  für  identisch  genommen  (s  W.  A.  Schmidt, 
Forschungen  auf  dem  Gebiete  des  Altertbums  I.  S.  101  coli.  Hes.  s  v. 
x6xxo{  <poLvixovv  /pujjua  und  anderen)  Die  Vergleichung  von  „Phöni- 
zisch-Rot"  und  Scharlach,  die  Prüfung  des  ersteren  auf  Scharlach 
oder  Purpursaft  fiengeu  die  Griechen  im  täglichen  Leben  naturlich  viel 
früher  an.  Um  jetzt  nur  auf  dem  Boden  der  Sprache  zu  bleiben, 
haben  wir  dafür  ein  sehr  hübsches  Beispiel  an  Simon,  fr.  54:  tpotvixeov 
laxiov  (des  Thetens)  vygt^  7t«fvgtueyoy  npuo's  ay$ei  .  .  .  iQ&aXXov 
Wie  man  dieses  Bruchstück  auch  übersetze ,  bestätigt  es  das  oben 
Dargelegte.  „Scharlachsegel"  gibt  eine  unerträgliche  Tautologie,  ist 
also  falsch  „Purpurrotes"  oder,  was  ich  für  das  richtigere  halte, 
„phönizischrotes  Segel  mit  der  Scbarluchblüte  gefärbt"  beweist  aber 
nur:  jenes,  dass  man  im  5.  Jabrh.  Scharlach  mit  rotem  Purpursaft 
identifizierte  oder  confundierte,  dieses,  dass  man  das  „phönizisch  Rote" 
nicht  mehr  leichtgläubig  hinnahm  und  doch  auch  nicht  ausschliesslich 
Scharlach  darin  sah. 

(Fortsetzung  folgt  ) 


59 


Die   schlechte  Aussprache  des  Deutschen  und  die  nacht  heilige 
Wirkung  derselben  auf  den  fremdsprachlichen  Unterricht. 
Mit  wahrer  Freude  ist  es  zu  begrüssen ,  dass  nun  endlich  einmal 

die  technischen  Anstalten  so  weit  gekommen  sind,  ein  Organ  zu  besitzen, 

• 

in  welchem  wir  das  Interesse  unserer  Schulen ,  die  an  Lehrer  und 
Schüler  gestellten  Anforderungen,  die  Vor-  und  Nachtheile  der  einen 
oder  der  anderen  Metbode,  überhaupt  das  noch  Wünschenswerte 
besprechen,  und  das  ßewährte  gegenseitig  austauschen  können.  Wollte 
man  dies  früher  thun,  so  musste  man  sich  entweder  an  ein  im  engeren 
Vaterlande  erscheinendes  politisches  Blatt  wenden,  was  nicht  immer  rath- 
sam ist,  da  gewisse  Dinge  nicht  für  das  grosse  Publikum  passen ;  oder  man 
musste  seine  Zuflucht  zu  einer,  in  einem  anderen  Theile  Deutschlands 
herausgegebenen  pädagogischen  Zeitschrift  uehmen.  Im  letzteren  Falle 
war  anzunehmen,  dass  der  Leserkreis  in  Bayern  nur  ein  beschränkter 
sei,  dass  unsere  inneren  Angelegenheiten  den  Betheiligten  nicht  zur 
Eenntniss  kommen,  mithin  der  Zweck  ein  verfehlter  seiu  würde. 

Auch  ist  es  uns  allen,  die  wir  an  technischen  Anstalten  thätig  sind, 
gewiss  erwünscht,  eingehendere  Nachrichten  von  unseren  Schwester- 
anstalten, den  Gymnasien  und  Lateinschulen,  von  den  dort  gepflogenen 
wissenschaftlichen  Bestrebungen  und  Forschungen  zu  vernehmen  und 
Nutzen  daraus  zu  ziehen,  so  wie  dann  mancher  Kollege  jener  Anstalten 
bei  uns  einen  Gegenstand  finden  wird,  den  er  seiner  Beachtung  für 
würdig  hält 

Wenn  ich  am  Eingange  der  an  Lehrer  und  Schüler  gestellten 
Anforderungen  Erwähnung  gethan,  so  hatte  ich  allerdings  die  zuweilen 
etwas  „hochgestellten"  Anforderungen  im  Auge;  jedoch  soll  in  dieser, 
von  mir  aufgestellten  Behauptung,  die  allseits  getbeilt  wird,  wie  sie  denn 
auch  schon  zum  Gesammtausdruck  geworden  ist,  durchaus  nichts 
Gehässiges  liegen.  Lesen  wir  ja  auch  von  Reformvorschlägen  für  Gym- 
nasien und  Realschulen  von  vielen  norddeutschen  Schulmännern  in 
Folge  der  Verbandlungen,  die  im  preussischen  Unterrichtsministerium 
über  die  Reorganisation  der  Mittelschulen  gepflogen  wurden.  Dass 
überall,  gleichviel  in  welcher  Branche,  Verbesserungen  vorgenommen 
werden  können  und  müssen,  da  wir  es  nur  annähernd  zur  Vollkommen- 
heit bringen,  ist  eine  anerkannte  Wahrheit;  dass  durch  öftere  Besprech- 
ungen und  Vorschläge  gar  Manches  geklärt  und  Verbesserungen 
wesentlich  gefördert  werden,  bedarf  keiner  näheren  Beweisführung. 

Nach  diesen  digressiones ,  die  dem  Rev.  Lawrence  Sterne,  M. 
A.  gemäss,  „unbestreitbar  der  Sonnenschein,  das  Leben,  die  Seele  des 
Lesens  sind,"  komme  ich  zur  Sache.  Neben  meinen  Leidensgefährten, 
den  Lehrern  der  neueren  Sprachen,  ziehe  ich  die  Realienlehrer  noch 
in  Mitleidenschaft :  je  grösser  das  Kontigent,  desto  leichter  die'  Kriegs- 
führung, unter  der  Bedingung  natürlich,  dass  dasselbe  gut  einexerziert 


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60 


ist.  Vorausschicken  muss  ich  noch,  dass  die  Aussprache  des  Franzö- 
sischen in  der  Pfalz,  nach  früheren  Aeusserungen  zu  scbliessen,  von  den 
Herren  im  jenseitigen  Bayern  für  excellent  gehalten  wird.  Ganz  falsche 
Ansicht!  Zur  kleinen  Genugthuung  für  unsere  Pfälzer  kann  ich  eben  so 
wenig  verschweigen,  dass  man  seiner  Zeit  hier  eine  Gesellschaft  Herren 
mit  dem  Beinamen  „Mitglieder  des  französischen  Casinos"  bezeichnete 
Erstaunt,  neu-  und  wissbegierig  zu  gleicher  Zeit,  etwas  derartiges  in 
Speyer  zu  finden,  besuchte  ich  das  öffentliche  Lokal,  in  welchem  die 
Gesellschaft  ihre  Niederlassung  hatte,  um,  wenn  thunlich,  mich  als 
Mitglied  aufnehmen  zu  lassen.  Eitel  Täuschung!  Ks  waren  Herren, 
die  den  vollklingenden,  alt -bayerischen  Dialekt  ausgeprägt  sprachen. 

Nun  könnte  wol  der  in  Sterne's  Tristram  Shandy  bewanderte 
Leser,  dem  Lessing,  Götheetc.  hohe  Anerkennung  gezollt  haben  (Tristram 
natürlich  nicht,  auch  dem  Leser  nicht,  sondern  Sterne),  denken,  es 
bestehe  der  ganze  Artikel  nur  aus  digressiones ,  ohne  welche  er  sonst 
nichts  wäre,  wie  die  Geschichte  von  Tristram,  die  in  der  That  nicht 
zu  Ende  geführt  ist:  dagegen  müsste  ich  mich  feierlich  verwahren,  da 
ich  jetzt  wirklich  „ad  rem1'-  komme,  und  zwar  mit  dem  Wunsche,  der 
Leser  möge  ein  wenig  „moelle",  wenn  nicht  scienttfique ,  so  doch 
„pratique"  herausfinden,  wie  Rabelais,  der  lustige  Pfarrer  von 
Meudon,  seligen  Angedenkens,  ähnlich  sagt.  — 

Die  meisten  Fehler  werden  bei  der  Aussprache  der  Vokale  gemacht. 
Bei  sehr  vielen  Leuten  ist  das  Aussprachegefübl,  wenn  ich  mich  so 
ausdrücken  darf,  ausserordentlich  schlecht  ausgebildet.  Das  findet 
sich  nicht  nur  in  den  unteren  Schichten  der  Bevölkerung  bewährt, 
wo  es  einiger massen  zu  entschuldigen  wäre,  sondern  auch  in  den 
Klassen  der  Gesellschaft,  die  eine  gediegenere  Schulbildung  genossen, 
bei  vielen  Lehrern  sogar.  Bei  den  letztern  ist  durchaus  kein  Ent- 
schuldigungsgrund geltend  zu  machen.  Wenn  wir  uns  nicht  Mühe 
geben,  uns  einer  reinen  Aussprache  zu  befleissigen ,  wer  soll  es  denn 
eigentlich  thun?  —  Viele  Leute  sind  geneigt,  eine  gute,  reine  Aus- 
sprache geradezu  für  affektirt  zu  erklären.  So  wird  der  Süddeutsche 
oft  den  Norddeutschen  der  Ziererei  schuldigen,  der  st,  sp,  etc.  am  An- 
fange eines  Wortes  nicht  wie  seht,  schp  ausspricht.  Welches  das 
richtigere  ist,  bleibt  immerhin  eine  noch  zu  lösende  Frage,  obgleich 
einige  Grammatiker,  Heyse  unter  andern,  sich  für  einen  leisen  Anflug 
von  sch  vor  t  und  p  entscheiden.  Nun  frage  ich  ganz  einfach,  was  ist 
denn  der  Gegensatz  von  einem  leichten  Anfluge  von  sch?  Etwa  wie  das 
französische  j?  Das  letztere  bringen  die  meisten  Deutschen  vor  Vokalen 
kaum  richtig  heraus,  geschweige  denn  vor  t  oder  p;  es  ist  in  der  That 
ganz  unvereinbar.  Wenn  wir  z.  B.  im  Plattdeutschen  anstatt  waschen 
(mit  dem  Zischlaute)  was-chen  (ch  —  k)  aussprechen  hören,  so  müssen 
wir  nicht  vergessen,  dass  es  im  Altdeutschen  toascan,  im  Altsächsischen 


I 

61 


toaskan  hiess,  und  dass  sich  diese  Aussprache  im  Volksmunde  fort- 
gepflanzt hat 

Ich  komme  auf  die  Vokale  zurück.  Wenn  manche  Leute  kaum 
einen  hörbaren  Unterschied  zwischen  a  und  o  machen,  (quod  guidem 
quäle  sit,  etiam  in  multis  discipulis  animadverti  potest  t ,  und  dann 
einen  Laut  mit  dem  andern  verwechseln,  so  ist  es  wahrlich  nicht  zu 
erstaunen ,  dass  es  den  Meisten  wie  ein  böhmisches  Dorf  vorkommt, 
wenn  ich  behaupte,  dass  der  Vokal  a  schon  an  und  für  sich  zwei 
Laute  hat,  eine  Behauptung,  die  nicht  vereinzelt  dasteht.  —  „Jakobi 
und  später  auch  R.  v.  Baumer  (Ges.  sprachw.  Sehr.  p.  165)  machen 
darauf  aufmerksam,  dass  bei  den  langen  Vokalen  häufig  nicht  blos  die 
Quantität,  sondern  auch  die  Qualität  des  Vokals  eine  andere  sei,  als 
bei  den  entsprechenden  Kürzen.  Das  a  in  Vater  sei  nicht  blos  ein 
längeres,  sondern  aueb  ein  lautlich  anderes  als  in  Gevatter.'*  (Das 
natürliche  System  der  Sprachlaute  von  Dr.  H.  B.  Rumpelt.)  Ebeuso 
verhält  es  sich  in  Schwan  und  Satz;  so  wie  sich  denn  derartige 
Beispiele  noch  gar  manche  anführen  Hessen.  Das  erste  ist  das  tiefe, 
das  zweite  das  hohe  a.  Dasselbe  ist  im  Französischen  noch  ausge- 
prägter der  Fall.  Keinem,  nur  einigermassen  gebildeten  Franzosen 
wird  es  einfallen,  das  a  in  vase,  base,  hasse f  las,  ohne  der  a  mit  accent 
circonflexe  zu  gedenken  (päte,  äme,  male,  äne),  so  auszusprechen  wie  in 
glacet  datte,  ami,  lärme.  —  Um  diesen  Unterschied  den  Schülern  bei- 
zubringen, muss  man  sich  unsägliche  Mühe  geben,  selbst  wenn  sie  nur 
in  wenig  Fällen  mit  Erfolg  gekrönt  ist.  --  In  den  französischen  Nasen- 
lauten klingt  der  a-laut  etwas  tiefer  als  in  dem  Deutschen.  - 

Das  deutsche  e  bat  wenigstens  zwei  verschiedene  Laute,  denn  es 
unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  „ehe,  wehe,  stehen,  Schnee,  Thee, 
kennen"  etc  anders  ausgesprochen  werden  als  „er,  der,  Lerche,  Erbe, 
wessen"  etc.  Das  französische  £  (mit  accent  aigit) ,  die  Endungen  er, 
es  und  ed,  sowie  die  Präfixen  ef,  es,  ex  haben  wol  alle  den  geschlossenen 
c-Laut.  In  den  Wörtern  aller,  allies ,  pied,  the,  de"  klingt  das  franzö- 
sische e  wie  in  kennen,  ehe.  Was  die  Wörter  anbelangt,  die  mit 
ef,  es,  ex  etc.  anfangen,  gibt  freilich  Prof.  Sachs  in  seiner  Aussprache- 
bezeichnung einen  etwas  offeneren  e-  Laut  für  diese  Präfixen  an,  während 
Prof.  Mätzner  den  des  i  (mit  accent  aigu)  annimmt.  Soviel  ich  mich 
jedoch  erinnere,  habe  ich  während  meines  Aufenthaltes  in  Paris  -  die 
französische  Schweiz  oder  Belgien  kann  ich  nicht  wol  als  massgebend 
anerkennen  —  eine  Nuance  nicht  unterscheiden  können.  Ich  glaube 
demnach  auch  annehmen  zu  dürfen,  dass  es  nicht  falsch  ist  in 
effarer ,  essai,  exaucer  etc.  ef,  es  und  ex  mit  demselben  Laute  auszu- 
sprechen wie  in  den  angeführten  Endsilben.  Das  e  in  er,  wer  ent- 
spricht im  grossen  Ganzen  dem  französischen  offenen  e  (ohne  accent 
grave)  mit  darauf  folgendem,  zu  derselben  Silbe  gehörigen  Konsonant. 


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62 


Dieses  e  wird  demgemäss  in  beffroi,  bec,  blessure,  netteti  etc.  denselben 
Ton  haben  wie  in  den  Wörtern  wer,  er  Das  französische  e  am  Ende 
einsilbiger  Wörter  wie  in  le,  me,  te,  se,  que  ist  keinem  deutschen 
Laute  analog. 

Von  dem  deutschen  t  kann  angenommen  werden ,  dass  es  durch 
das  Hinzutreten  von  verschiedenen  vokalischcn  und  konsonantischen 
Lauten  in  seiner  Aussprache  keine  Aenderung  erleidet.  Zwar  glauben 
auch  hier  Jakobi  und  R.  von  Räumer,  dass  ein  lautlich  qualitativer 
Unterschied  zwischen  dem  t  in  binnen  und  Bienen  bestehe;  meiner 
Ansicht  nach  ist  die  scharfe  Distinktion  nicht  nöthig,  was  auch  von  dem 
französischen  t  geltend  gemacht  werden  kann. 

Von  dem  Vokale  o  lässt  sich  vielleicht  ein  kleiner,  lautlich  quali- 
tativer Lautunterschied  aufstellen ,  jedoch  soll  derselbe  nicht  mit  den 
Haaren  herbeigezogen  werden.  Hat  das  o  in  Wohnung,  loben, 
wollen  denselben  Laut  wie  in  morgen,  Sorgen,  offen?  Immerhin 
gehört  ein  feines  Sprachgefühl  dazu,  um  einen  nur  merklichen  Unter- 
schied hervortreten  zu  lassen.  Was  das  Französische  anbelangt,  so  ist 
der  Unterschied  etwas  merklicher:  Das  lange,  geschlossene  o  in 
doser,  gros,  mot  klingt  etwas  anders  als  das  sonore  o  in.  corps, 
8 ort,  mot. 

Das  deutsche  u  hat  keine  zwei  verschiedene  Laute ,  ebenso  wenig 
das  franzosische  ou,  das  demselben  entspricht. 

Nun  zu  den  Umlauten.  Das  deutsche  ä  wird  in  den  einzelnen 
Theilen  der  Pfalz  „abscheulich"  ausgesprochen,  ganz  plärrend, 
während  in  andern  Strichen  die  Leute  kaum  im  Stande  sind ,  es  von  e 
zu  unterscheiden.  Einen  zweifachen  Laut  hat  ä  ganz  gewiss:  in 
plärren,  Närrin,  ist  der  offene  ä-Laut  deutlich  zn  erkennen; 
in  Läden,  Mädchen,  Gläschen,  der  halboffene.  Im  Französischen 
bestehen  auch  die  beiden  Laute,  die  auf  verschiedene  Weise  entstehen: 
entweder  durch  e  mit  darauf  folgendem,  zu  derselben  Silbe  gehörenden 
Konsonant,  durch  e  mit  accent  grave  und  circonflexe,  oder  durch  ai, 
aiey  ay,  aye,  ey,  (ai  auch  theils  wie  t  mit  accent  aigu)  Das  offene  e 
wird  dem  deutschen  ä  ziemlich  analog  in  personne,  verger,  acces,  peche, 
faire,  eile,  palette,  verre  gesprochen;  das  halboffene  wie  in  peine, 
baieine,  etc.  —  Die  entsprechenden  französischen  Nasenlaute  sind 
schärfer,  halten  desswegen  keinen  Vergleich  aus. 

Das  deutsche  ö  hat  zwei  verschiedene  Laute:  öde,  tödten,  klingen 
anders  als  Oerter,  Förster,  Mörder,  Rösslein,  öffnen.  Das 
erste  ist  das  geschlossene,  das  zweite  das  offene ö.  In  meunier,  vcut, 
peut  finden  wir  das  geschlossene  ö  repräsentirt;  in  moeurs,  fleur, 
pleure  das  offene. 

Der  Umlaut  n  hat  im  Französischen  denselben  Laut  wie  im 
Deutschen. 


63 


Ich  gehe  nun  zu  den  einzelnen  Lautverwechselungen  des  Schülers 
bei  der  Aussprache  der  Vokale  über;  nur  diejenigen  Lautverwechsel- 
ungen, die  in  den  beiden  Sprachen  analog  gemacht  werden ,  werde  ich 
berühren  und  Beispiele  anführen. 

I.    Verwechselung  von  e  und  ä. 

Wie  bei  der  Aussprache  folgender  deutschen  Wörter  oft  schlecht 
unterschieden  wird  zwischen  *  und  d  in  gebe,  gäbe;  bete,  bäte; 
sehe,  sähve;  redlich,  räthlich;  Beeren,  Bären;  Ehre, 
Aehre;  Meere,  Mähre;  Rheder,  Räder;  Seele,  Säle,  so 
werden  vor  allen  Dingen  von  den  Schülern  die  Verbalendungen  im 
Französischen  ganz  schrecklich  verwechselt,  dass  einem  manchmal  die 
Galle  dabei  überläuft.  Die  Endungen  er,  es,  e  werden  wie  die  Endungen 
ais,  ait,  aient  gesprochen  und  umgekehrt.  Das  e  mit  accent  grave  und 
circonflexe  wie  e  mit  aigu;  die  Substantiv-  und  Adjekiv- Endungen 
eile ,  enne,  erre,  esse,  ette  wie  e  mit  accent  aigu  gesprochen.  In  Folge 
dessen  werden  verwechselt :  fallumai  mit  j'allumais ;  parli  mit  parlais ; 
je  serai,  je  serais-,  ße,  faxt;  m&t,  mais\  de  (digitus),  dais  (vom  deutsch. 
Dach);  hi,  haie;  ite",  itait;  piche  (peccatum),  pechi  (piscatum);  pe 
(Anhaltestein),  paix ;  mailler  (macula),  maillet  (malleus).  — 

II.  Verwechselung  von  e  und  ö. 

Deutsch:  beschweren,  beschwören;  flehe,  flöhe;  hehre,  höre;  Lehne, 
Löhne;  lesen,  lösen;  Sehne,  Söhne.  —  Französisch :  ble,  bleu;  de,  deux; 
fee,  feu;  Uez,  Heu;  tief,  neuf;  nez,  noeud;  seiet,  cieux;  pet,  peu.  (Die 
Verwechselung  der  beiden  letzten  Wörter  ist  wenig  ästhetisch  und  wird, 
sollte  sie  in  einer  Töchterschule  vorkommen,  eine  allgemeine  Entrüstung 
hervorrufen).  — 

III.  Verwechselung  von  *  und  ü. 

Deutsch:  Biene,  Bühne;  ßiebel,  Bübel  (Bübchen);  Kiefer,  Küfer; 
Kissen,  küssen;  liegen,  lügen;  missen,  müssen;  riechen,  rügen;  viele, 
fühle.  —  Französisch:  cri,  cru  (credere)',  giron  (vom  deutsch,  ger), 
juron  (jurare);  lit,  lue  (Hefe),  Zu;  mit  (mied),  mue  (mutare);  ni  (nee), 
nu  (nudus);  pie  (pico),  pu\  scie  (secare),  «u;  qui,  cul.  — 

Nun  blieben  noch  einige  Konsonanten  zu  erwähnen,  die  in  beiden 
Sprachen  gleich  schlecht  ausgesprochen  werden;  es  sind  dies  b  und  p, 
d  und  t,  s  in  seinen  verschiedenen  Nuancen  und  g  und  k  (frz.  c). 

Die  Erfahrung,  dass  b  sehr  häufig  wie  p  gesprochen  wird,  auch 
zuweilen  umgekehrt,  machen  wir  alle  Tage;  ebenso  verhält  es  sich 
mit  d  und  t,  und  ähnlich  mit  g  und  k  (c).  i'ann  kommt  noch  das 
Widerliche  mit  der  p-  und  t-  Aussprache  hinzu,  dass,  wenn  die  jungen 
Leute  den  einen  oder  den  andern  Laut  im  Französischen  gut  aus- 
sprechen wollen,  man  immer  einen  Holzhacker  zu  hören  glaubt,  der 


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64 


sich  anschickt ,  ein  knorriges  Stück  Holz  mit  Wucht  zu  spalten.  —  Vor 
den  flüssigen  Lauten  ist  p  und  t  am  schwierigsten  auszusprechen.  „In 
Norddeutschland  finden  wir  diese  Verwechselung  nicht;  in  Mittel« 
deutshiand  (Sachsen,  Thüringen,  Franken)  verschmelzen  beide  zu  einem 
Mittelpunkte.44  (Dr.  Rumpelt,  d.  natürliche  System  etc  p.  55)  Aus 
eigener  Erfahrung  kann  ich  dieser  Aufstellung  vollkommen  beistimmen.  — 
Wörter,  welche  mit  b  und  p  anfangen  und  gleichklingend  sind,  wird 
es  nur  wenige  im  Deutschen  geben,  während  das  Französische  mehr 
aufzuweisen  hat. 

I    Verwechselung  von  b  und  p. 

Es  fallen  mir  von  b  und  p  nur  die  Verwechselungen  zwischen 
babbeln  und  Pappeln,  Briefe  uud  prüfe  ein;  dagegen  stehen 
mir  im  Französischen  mehr  zu  Gebote,  die  ich  anführe:  balai,  palais ; 
bain,  pain;  battt  (battre),  patte;  beau,  peau;  belle,  pelle  (pala);  biere, 
pierre;  beurre,  peur;  blanche ,  planche ;  boeufs,  peu;  bon,  pont; 
bu,  pu  etc. 

Einige  Sätze,  in  welchen  die  Verwechselungen  noch  augenschein- 
licher hervortreten,  lasse  ich  folgen:  j*ai  achete  un  balai  (palais); 
tu  as  pris  un  bain  (pain);   il  a  bu  un  peu  ipet)  de  biere  (pierre)  etc. 

II.    Verwechselung  von  d  und  t. 

Im  Deutschen  erinnere  ich  als  gleichklingend  an  Dose,  tose, 
Daal  (Seeroannsausdruck)  und  Thal.  —  Französisch:  da,  in  oui-da! 
und  tas;  dard,  tard;  dam  er ,  tancer  {tentu;,;  de,  the;  dalle,  thalle 
(Lagerstamm  der  Flechten);  dent,  tant;  don,  ton;  d'oü,  Thou  (president 
de);  dos,  tot;  droit,  trois. 

III.   Verwechselung  von  g  und  k,  französisch  c. 

Wenn  ich  behaupte,  dass  g  in  Grieche,  Greise  und  Gnade 
beinahe  gerade  so  gesprochen  wird  wie  k  in  Kriege,  Kreise  und 
Knabe,  wird  es  schwierig  sein,  das  Gegentheil,  zwar  zu  behaupten, 
aber  nicht  zu  beweisen.  Der  Unterschied  dieser  zwei  Laute  wird  erst 
dann  merklich  werden,  wenn  der  Aussprechende  darauf  aufmerksam 
gemacht  worden  ist,  und  sich  einige  Male  in  der  Aussprache  der  beiden 
Wörter  geübt  hat  (ohne  einige  Versuche  ä  la  Holzhacker  wird  es  für 
manchen  Schüler  kaum  gehen);  —  leichter  wird  es  mit  der  Aussprache 
von  „im  Lande  Gosen  kosen  sie,"  sein.  —  Aus  dem  Französischen 
führe  ich  einige  Wörter  an,  die  leicht  in  der  Aussprache  verwechselt  werden : 
gage,  cage;  gland,  clan  (schottisches  Wort);  glose,  („schwer  zu  er- 
klärendes Wort"),  close;  gout,  coup  ;  grager  (mit  dem  Maniok -Reib- 
Eisen  zerreiben),  cracher;  grain,  crin  [crinis);  gris,  cri  (quiritare); 
grosse,  crasse  (beide  von  crassus);  ongle,  oncle.  —  Einige  Sätze  zur 
Illustration:  II  a  deux  oncles  (ongles)  qui  <mt  toujours  mal  ä  la  tete. 


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65 


II  Im  a  dontU  un  bon  coup  (goöt)  de  bäton.  Vagriculteur  shme  le 
grain  (crin).  Cette  annee  il  y  avait  beaucoup  de  glands  (dam)  dans 
la  foret.    Que  cette  femme  est  grosse  (crasse)! 

Zum  leidigen  *  als  Schluss !  Sehr  lehrreich  ist,  was  Dr.  Rumpelt 
über  den  s- Laut  3agt,  jedoch  kann  ich  hier  nicht  Alles  anführen,  da 
sonst  mein  Gegenstand  noch  einige  weitere  Seiten  in  Anspruch  nehmen 
würde,  uud  ich  befürchte,  dass  der  Andrang  der  Schreibenden  ein 
grosser  sein  wird.  Beiläufig  empfehle  ich  allen  Kollegen  den  Artikel 
über  8  (p.  69)  nachzulesen.  Ueberhaupt  bietet  das  Buch,  das  in  Halle, 
im  Verlag  der  Buchhandlung  des  Waisenhauses  erschienen  ist,  für 
Linguisten  vieles,  sehr  schätzenswertbes  und  die  Sprach  -  Wissenschaft 
wesentlich  förderndes  Material. 

Dr.  Kumpelt:  „Hinsichtlich  dieser  jetzt  üblichen  Aussprache  des 
Buchstabens  s  in  Deutschland  sei  Folgendes  bemerkt:  Anlautend 
wird  derselbe  vor  Vokalen  in  ganz  Norddeutschland  als  f  gesprochen 
(d.  h.  weich,  oder  milde),  also  fand,  ßlber,  fonne,  ßn  (filius),  fauer,  fer 
(valde))  ebenso  in  Holland,  nur  dass  hier  der  Laut  auch  graphisch 
fixirt  wurde:  zand,  zilver,  zon.  In  ganz  Süddeutschland  dagegen  gilt  s, 
also  wie  bei  den  Engländern  und  den  romanischen  Völkern,  so  dass  die 
obigen  Beispiele:  sand,  silber  {s  =  scharfes  s)  lauten.  —  Was  den 
Inlaut  betrifft,  so  gilt  hier  vor  Vokalen  in  Norddeutschland  durchweg 
der  milde  Laut^),  alsoi2o/e,  leife,  Haifa  in  Süddeutschland  gilt  vielfach 
hier  auch  der  harte  Laut,  doch  vermag  ich  dabei  keine  landschaftliche 
Grenze  anzugeben1;  in  manchen  Tbeilen  Mitteldeutschlands  tritt  ein  schwan- 
kender Laut  ein.  Vor  Konsonanten  (p,  t)  wird  inlautend  im  ganzen  Norden 
und  auch  im  Südosten  reines  s  gesprochen,  also  Last,  Fest,  ist,  Kost.11 

Nach  meiner  Erfahrung  ist  die  Aussprache  des  s  am  Anfange  der 
Wörter  vor  Vokalen  hier  zu  Lande  und  noch  weiter  südlich  sehr 
schwankend:  bald  hört  man  den  scharfen,  bald  den  milden  Laut; 
manchmal  ein  widerliches  Zischen.  Bei  der  Aussprache  des  Französischen 
wird  der  Unterschied  am  merklichsten;  nur  sehr  wenig  Schüler  sind 
im  Staude  scharfes  *  am  Anfange  eines  Wortes  vor  Vokalen  richtig 
auszusprechen,  wodurch  dann  oft  sehr  ungereimte  Begriffsverbindungen 
entstehen.  Ganz  besonders  ist  dies  bei  der  Bindung  der  Wörter  der 
Fall.  —  Nous  avons,  nous  savons;  vous  avez ,  vous  savez;  ils  ont, 
ils  sont;  les  arts,  les  Czars  (cz  —  s  habe  ich  in  Frankreich  t  heil  weise 
aussprechen  hören);  les  o,  les  eaux,  les  sots\  les  Honneurs,  les  son- 
neurs;  les  o»,  les  sauces;  les  ondes,  les  sondes;  les  ours,  les  sources; 
baiser,  baisser  ;  poison,  poisson. 

Auf  die  sonstigen  Fehler,  die  bei  der  Aussprache  des  Französischen 
noch  gemacht  werden,  gehe  ich  nicht  näher  ein,  da  das  Deutsche  keine  Ana- 
logie  mehr  bietet;  was  das  Englische  anbelangt,  so  hielt  ich  es  für  zweck- 
mässiger, mit  demselben  und  dem  Deutschen  keinen  Vergleich  anzustellen. 

Blätter  L  d.  b*yar.  QymiMuialw.    X.  Jahrg.  5 


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66 


Nachdem  ich  nun  auf  die  Hauptfehler  bei  der  Aussprache  des 
Deutschen  aufmerksam  gemacht,  und  die  sich  daraus  nothwendiger 
Weise  ergebenden  Konsequenzen  für  den  fremdsprachlichen  Unterricht 
nachgewiesen  habe,  gehe  ich  auf  den  Ursprung  des  Uebels  zurück, 
das  in  der  Elementarschule  seinen  Sitz  bat.  Sie  ist  es,  welche  die 
Grundlage  zur  richtigen  Aussprache  legen  muss:  dass  dies  jetzt  noch 
in  geringem  Massstabe  geschieht,  wird  uns  durch  unsere  Schüler  am 
deutlichsten  bewiesen.  So  lange  in  der  Elementarschule  nicht  mit 
aller  Macht  der  schlechten  Aussprache  des  Deutschen  entgegengetreten 
wird,  haben  wir  eine  sehr  schwierige  Aufgabe;  doch  kann  dem  Uebel 
einigermassen  dadurch  gesteuert  werden,  dass  alle  Kollegen  an  unsern 
Anstalten,  vor  allem  aber  die  Realicnlebrer,  ihr  Scherflein  zur  Hebung 
einer  erträglichen  Aussprache  im  Deutschen  beitragen,  damit  unsere 
jungen  Leute,  in  der  Schule  wenigstens,  anderwärts  mögen  sie  reden 
wie  ihnen  der  8chnabel  gewachsen  ist,  es  dahin  bringen,  ein  lautlich 
reines  Deutsch,  wenn  auch  oft  in  unbeholfener  Satzverbindung,  sprechen. 
Dass  dann  der  Unterricht  in  den  fremden  Sprachen  gefördert,  uns 
manche  Stunde,  die  wir  auf  fortwährendes  Korrijiren  der  vitiösen  Aus- 
sprache verwenden  mQssen ,  erspart  wird  —  dass  in  Folge  dessen  die 
gewonnene  Zeit,  die  wir  so  nötlüg  haben,  da  unser  Pensum,  wie  alle 
andern,  ein  sehr  grosses  ist,  besser  verwerthet  werden  kann,  brauche 
ich  kaum  zu  erwähnen.  Schliessslich  arbeiten  wir  ja  doch  nur  für  das 
bessere  Gedeihen  unserer  Schulen,  wenn  wir,  Einer  dem  Andern,  so 
viel  als  möglich  in  die  Hand  arbeiten. 

Speyer.   Dr.  Dreser. 

Zum  Foueaulfschen  Pendelversuche. 

Unter  diesem  Titel  bringt  Herr  Collega  Dr.  Bielmayr  in  dem  8. 
und  9.  Hefte  des  10.  Bandes  unserer  Vereins  -  Blätter  eineu  Artikel, 
in  welchem  behauptet  und  nachgewiesen  wird,  dass  die  in  mehreren 
Lehrbüchern  aufgenommene  elementare  Ableitung  des  Ablenkungs- 
winkels des  Foucault'schen  Pendels  als  auf  unrichtigen  Voraussetzungen 
beruhend  nicht  den  berechtigten  Anforderungen  entspräche,  und  gelangt 
zu  dem  Urtheile,  dass  der  elementare  Beweis  für  die  betreffende  Formel 
aus  dem  Unterrichte  auszuschliessen  sei-  So  gerne  ich  mich  damit 
einverstanden  erkläre,  dass  überhaupt  jeder  unklare  Beweis  und  jede 
unhaltbare  Theorie  vom  Unterrichte  ferne  gehalten  werden  solle,  so 
halte  ich  es  in  dem  gegebenen  Falle  dennoch  nicht  für  geboten,  dass 
das  von  Dr.  B.  gefällte  Urtheil  vollzogen  werde,  und  ich  befreunde 
mich  um  so  weniger  mit  dem  Vollzuge,  als  ich  vielmehr  die  Ueber- 
zeugung  trage,  dass  dann  auch  noch  eine  Reihe  anderer  Beweise  und 
Darstellungen,  die  wir  in  dem  elementaren  Unterrichte  der  Mathematik 
und  Physik  nicht  gerne  vermissen  würden,  dasselbe  Urtheil  treffen 
müsse.   Ich  erinnere  in  dieser  Beziehung  nur  an  die  elementare  Com- 


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planation  und  Cnbatur  der  Kagel,  an  die  Fall  •  und  Wurfgesetze,  an  die 
elementare  Entwicklung  der  Schwingungsdauer  des  mathematischen 
Pendels  u  a.  Es  lassen  sich  allerdings  diese  Aufgaben  nicht  in  jeder 
Beziehung  mit  dem  Foucault'schen  Pendelversuche  vergleichen ,  aber 
sie  stimmen  doch  in  dem  einen  Punkte  damit  überein,  dass  wir  uns 
bei  denselben  Voraussetzungen  erlauben,  die  in  der  Wirklichkeit  nicht 
bestehen,  so  dass  wir  gegenüber  den  Ergebnissen  der  elementaren 
Ableitungen  kaum  den  Verdacht  des  Mangels  an  Genauigkeit  und 
mathematischer  Strenge  unterdrücken  könnten  ,  wenn  uns  nicht  für  die 
bezügliche  Richtigkeit  derselben  die  höhere  Mathematik  die  evidentesten 
Beweise  liefern  würde. 

Und  nun  zur  Sache-  Ich  möchte  in  dem  Folgenden  gegenüber  dem 
Urtheile  des  Hrn.  Dr.  B.  darlegen,  dass  die  elementare  Ableitung  der 
Gleichung /*  =  «nintp  für  das  F.  P.  sich  in  demselben  Grade  evident  und 
streng  führen  lasse  als  diejenige  bei  den  oben  bezeichneten  Aufgaben, 
und  bemerke  vor  allem  nur,  dass  ich  den  jenseits  beanstandeten  Paralle- 
lismus der  Schwingungsebenen  ebenfalls  als  gänzlich  fehlerhaft  verwerfe. 

Gesetzt,  es  werde  das  Pendel  aus  der  Ruhe -Lage  gebracht,  und 
zwar  so,  dass  die  erste  Schwingung  die  Richtung  xy  annimmt,  so  wird, 
wenn  der  Aufhängepunkt  während  der  ersten  Schwingung  von  a  nach  b 
bewegt  wird,  das  Pendel  resp  die  horizontale  Tangente  der  Gegen- 
schwingung die  Richtung  yz  anneh.uen,  und  während  der  folgenden 
Schwingung,  indem  der  Aufhängepunkt  von  b  nach  c  vorrückt,  die 
Richtung  zu  u.  s.  f.,  wobei  vorausgesetzt  wird,  dass  aom  einen  Theil  der 
auf  die  Horizontalebene  von  a  abgewickelten  Kegelfläche  vorstellt, 
welche  die  Verbindungslinie  ao  zwischen  dem  Aufhängepunkte  a  und 
dem  Durchschnitte  des  Horizontes  mit  der  verlängerten  Erdaxe  während 
einer  vollständigen  Umdrehung  beschreibt  Die  Schwingungsrichtungen 
des  Pendels  lassen  sich  also  durch  die  Zickzacklinie  xyzu  ....  dar- 


die  Geraden  xy  und  zu. 
Hiernach  gestaltet  sich  die  elementare  Ableitung  der  Gleichung 
für  das  F.  P.  etwa  in  der  folgenden  Fassung.   Es  seien  ay  ||  cu  die 


stellen ,  deren  Schwer- 
linien als  senkrechte 
Gerade  zur  Ebene  der 
abgewickelten  Kegel- 
fläche parallel  sein 
müssen.  Hieraus  folgt, 
dass  je  zwei  Schwing- 
ungs  -  Richtungen  nach 
Ausschluss  der  Gegen- 
schwingun  ebenfalls  pa- 
rallel sind,  in  der  Figur 


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Richtungen  der  Tangenten  zu  zwei  aufeinander  folgenden  Pendel- 
schwingungen; dann  gibt  offenbar  die  Differenz  der  Winkel 

ocu  —  oay  —  aoc  ß. 
die  in  der  Ebene  aom  nachweisbare  Ablenkung  der  Schwingungsrichtung. 
Man  erhält  also  durch  Multiplikation  mit  der  Anzahl  der  während  einer 
vollkommenen  Umdrehung  des  AulhängepunkteR  stattfindenden  Pendel- 
Schwingungen  einerseits  als  Summe  aller  Bogen  ac  den  abgewickelten 
Parallelkreis,  anderseits  als  Gesammtablenkung  den  Winkel  der  abge- 
wickelten Kegelfläche.  Bezeichnen  wir  den  Halbmesser  des  Parallel- 
kreises mit  q  und  die  übrigen  Grössen  mit  Rücksicht  auf  die  Figur, 
so  ergibt  sich  der  Ablenkungs  -  Winkel  des  Pendels  bei  Annahme  einer 
24  stti  ml  igen  Beobacbtungszeit  aus  der  Gleichung: 

ß      _    2  p   71  Q 

Gleichung  ß  =  360°  sin  <p  folgt  Nach  dieser  Ableitung  erweist  sich 
die  Azimutbewegung  des  Foucault'schen  Pendels  als  eine  Summe  von 
kleinen  Ablenkungen,  die  nicht  etwa  annäherungsweise,  sondern  voll- 
kommen genau  den  Winkel  der  mehrfach  erwähnten  Kegelfläche  bildet. 

Für  die  Richtigkeit  dieses  Ergebnisses,  mittelbar  also  auch  für  die 
Zolässigkeit  des  bei  der  Ableitung  angewandten  Verfahrens  sprechen 
merkwürdiger  Weise  auch  die  von  Dr.  B.  erkannten  aber  nicht  gelösten 
Widersprüche  zwischen  dem  von  Hullmann  ebenfalls  ausgesprochenen 
Satze  bezüglich  der  Azimutgeschwindigkeit  des  F.  P.  und  den  Folger- 
ungen aus  der  von  demselben  angegebenen  Gleichung 

sin  rt  sin  q> 


sin  ß  — 


^Xl   —    *in*  2  <p   sin  ~ 


von  welcher  mir  Hr.  Rector  Dr.  Fricdleir.  seine  einfache  Ableitung 
gütigU  mitgetbeilt  hat.  Schon  bei  oberflächlicher  Discussion  erweist 
sich  diese  Gleichung  als  unbrauchbar,  wenn  man  «  ==  180°  setzt.  Dies 
gilt  ohne  Ausnahme  für  alle  Orte  zwischen  Pol  und  Aequator,  und  nur 
ausnahmsweise,  ich  möchte  sagen,  zufällig,  nicht  für  den  Pol  selbst. 
Zudem  ist  es  klar,  dass  die  Gleichung,  wenn  man  darin  nach  und  nach 
a  =  90°,  60°  und  30°  setzt,  bei  beispielsweise  gleichbleibendem  <p  =  30° 
verschiedene  Ablenkungsgeschwindigkeiten  geben  muss,  Geschwindig- 
keiten, die  sich  jener  aus  der  Gleichung  ß  —  «  sin  y  um  so  mehr 
nähern,  je  kleiner  «  genommen  wird.  Unter  obiger  Voraussetzung 
berechnet  sich  z.  B.  die  9tündliche  Ablenkung  bei  a  —  90°  auf  ß  =  6°  32' 

„  «  =  6(1°  /J=6°46' 
„  «  =  30«  „  ß-V  17,' 
während  sich  aus  der  einfachen  Formel  der  Grenzwerth  von  7°  301 
berechnet.    Es  zeigt  sich  also,  dass  die  Formel  für  sin  ß  bei  unver- 
änderlichem;©; verschiedene  Ablenkungs  -  Geschwindigkeiten  gibt,  je  nach- 


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69 


dem  der  Versuch  auf  kürzere  oder  längere  Zeit  ausgedehnt  wird,  was 
doch  gewiss  als  absurd  erscheint;  zugleich  aber  auch,  dass  die  Grenze 
der  constanten  Ablenkungsgeschwindigkeit  uur  unter  der  Bedingung  aus 
der  Formel  hervorgeht,  dass  der  Winkel  a  verschwindend  klein  genom- 
men wird.  Ist  dieses  nicht  der  Fall,  so  erkennen  wir  zunächst  aus 
der  Rechnung,  dass  sich  der  aus  der  Gleichung  für  sin  ß  ergebende 
Winkel  dem  ebenen  Winkel  aoc  nähert  (ac  als  Sehne  des  Parallelkreis- 
bogens genommen),  und  erst  bei  unendlicher  Verkleinerung  des  Parallel- 
kreisbogens ac  dem  Kegelflächenelemente  über  demselben  Damit 
dürften  sich  denn  auch  die  von  Dr.  B.  angedeuteten  Widersprüche 
gelöst  haben,  und  es  rechtfertigt  sich  die  Vermuthung,  dass  die  von 
Hullmann  ausgeführte  mir  zur  Stunde  nicht  bekannte  Ableitung  der 
Formel  für  «in  ß,  der  die  Bewegung  des  Aufbängepunktes  des  Pendels  in 
2  zu  einander  normale  Drehungen  zerlegt,  an  die  Bedingung  geknüpft 
ist,  dass  der  Ablenkungswinkel  des  Pendels  dadurch  entsteht,  dass  der 
Aufhängepunkt  in  der  Sehne  und  nicht  in  dem  Bogen  06  sich  bewegt. 

Es  erübrigt  mir  noch  einigen  Bedenken  vorzubauen,  zu  welchen 
meine  Ableitung  der  einfachen  Formel  Anlass  geben  könnte,  und  die  in 
Dr.  B.'s  Artikel  zum  Theil  bereits  ausgesprochen  sind.  Die  Ableituug 
wurde  vorgenommen  unter  der  Voraussetzung  der  vollkommenen  Kugel- 
gestalt der  Erde  und  der  Unveränderlichkeit  der  Rotationsgeschwindig- 
keit des  in  verschiedeuen  Breiten  schwingenden  Pendels.  Nachdem 
Dr.  B.  nichts  gegen  die  erste  Voraussetzung  einzuwenden  scheint,  so 
erlaube  ich  mir  nur  die  Zulässigkeit  der  zweiten  Annahme  besonders 
zu  betonen.  Zunächst  wird  man  annehmen  dürfen,  dass  die  Differenzen 
der  Rotationsgeschwindigkeiten  des  Pendels  verschwindend  klein  sind, 
weil  man  das  Pendel  so  kurz  annehmen  kann,  dass  der  während  der 
Schwingung  durchlaufene  Bogen  ac  beliebig  klein  ausfällt;  denn  die 
bei  dem  Foucault'schen  Versuche  aussergewöhnliche  Pendellänge  bleibt 
hier  ausser  Betracht,  weil  diese  Länge  nicht  durch  die  Theorie  bean- 
sprucht wird,  sondern  nur  wegen  des  praktischen  Vortheiles,  die  unver- 
meidlichen Widerstände  bei  den  Schwingungen  möglichst  zu  beseiügen. 
Abgesehen  davon  wird  man  jene  Differenzen  vorzugsweise  da  in  Betracht 
zu  ziehen  haben,  wo  deren  Einfluss  auf  die  Richtung  des  schwingenden 
Pendels  am  bedeutendsten  ist.  Dieses  ist  aber  unstreitig  am  Pole  der 
Fall  und  zwar  in  der  Art,  dass,  wie  Dr.  B.  ganz  richtig  anführt,  jene 
Aenderungen  bei  hinreichender  Länge  des  Pendels  zuerst  elliptische 
und  später  sogar  kreisförmige  Centrifugalschwingungen  erzeugen  würden. 
Da  wir,  um  eine  derartige  Abweichung  hervorzubringen,  nicht  mit  dem 
Meter,  sondern  nach  Mondfernen  zu  messen  hätten,  so  scheint  Dr.  B. 
geneigt,  auch  von  dieser  Abweichung  am  Pole  Umgang  nehmen  zu 
wollen.  Aber,  warum  soll  man  denn  von  derselben  nicht  auch  Umgang 
nehmen,  wenn  es  sich  um  Orte  handelt,  die  zwischen  Pol  und  Aequator 


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ocu  —  oay  —  aoc  =:  ß. 
die  in  der  Ebene  aom  nachweisbare  Ablenkung  der  Schwingungsrid 
Man  erhält  also  durch  Multiplikation  mit  der  Anzahl  der  wahrend 
vollkommenen  Umdrehung  des  Authäogepunktes  stattfindenden  l»i 
Schwingungen  einerseits  als  Summe  aller  Bogen  ac  den  abgewic 
Parallelkreis,  anderseits  als  Gesammtablenkung  den  Winkel  der 
wickelten  Kegelflache.    Bezeichnen  wir  den  Halbmesser  des  Pa 
kreises  mit  g  und  die  übrigen  Grössen  mit  Rücksicht  auf  die 
so  ergibt  sich  der  Ablenkungs  -  Winkel  des  Pendels  bei  Annahme 
24stündigen  Beobachtungszeit  aus  der  Gleichung: 
ß           2  q  n  q 

360  ~~  2~ao  n  ~  ^  =  8in  V»  woraua  die 
Gleichung  ß  -  360°  sin  <p  folgt    Nach  dieser  Ableitung  erweis 
die  Azimutbewegung  des  Foucault'schen  Pendels  als  eine  Summ 
kleinen  Ablenkungen,  die  nicht  etwa  annäherungsweise,  sondern 
kommen  genau  den  Winkel  der  mehrfach  erwähnten  Kegelfläche 
Für  die  Richtigkeit  dieses  Ergebnisses,  mittelbar  alBo  auch  I 
Zulässigkeit  des  bei  der  Ableitung  angewandten  Verfahrens  ipi 
merkwürdigerweise  auch  die  von  Dr.  B.  erkannten  aber  nicht  p 
Widersprüche  zwischen  dem  von  Hullmann  ebenfalls  auagespr 
batze  bezüglich  der  Azimutgeschwindigkeit  des  P,  P.  und  de., 
ungen  aus  der  von  demselben  angegebenen  Gleichung 
sin  ß  —  **n  a  *»'»  <P  

\A   -   *in*  2  <p  »in  l4' 
von  welcher  mir  Hr.  Rector  Dr.  Friedleir.  seine  einfach 
gü.igU  mitgetheilt  hat.    Schon  bei  oberflächlicher  Disc 
sich  diese  Gleichung  als  unbrauchbar,  wenn  man  «  =  |S 
gilt  ohne  Ausnahme  für  alle  Orte  zwischen  Pol  und  A« 
ausnahmsweise,  ich  möchte  sagen,  zufällig,  nicht  I 

'Ü8,finS     ?  da8S  ^  GI*ichu^  «»»  n,an  ,1 
«  =  «1».  60"  und  :W  setzt,  bei  beispielsweise  gleic 
versrh.edene  Ablenkungsgeechwindigkeiten  gebe, 
koite,,,   die   sich  jener  aus  der  Gleichung  \ 
nahem,  Je  kleiner  «  genommen  wird,    ünte  — 
berechnet  sich  z.  B.  die  stündliche  Ablenkung  b- 


während  sich  aus  der  < 
berechnet.  Ks  zejgt  8ich 
änderlichem;^  verschie 


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■ 


f4/75. 

Diebe  Zusammen- 
bei  Beginn  des 
I  welche  uns  die 
lugegangen  Bind, 

tn  4 

;on  7 
ren  5 
7. 

Jichstätt,  welche 
\t  und  Kissingen 

257  ordentliche 
und  Assistenten, 
»rgiebt. 


eilung, 

g  und 
Fortbild  ungsscbulen, 


I;  bievon  kommen 
Kb  der  gewerblichen  und 

r 

lr  gewerblichen  Abteilung, 


ts   der   Handels  •  Abteilung, 


w 

mt  Abteilung, 
Peilung, 

Abteilung, 

erblichen  und  Handels- Abteilung, 
kurs. 

en  Schulen  und  Kreise  ist  aus  der 
n  zu  ersehen. 


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70 


liegen,  da  dort  deren  Grösse  und  Einfluss  doch  mehr  and  mehr 
abnimmt,  je*  mehr  mau  sich  dem  Aequator  nähert? 

Wenn  Dr.  B.  mit  den  von  ihm  genannten  Autoren  behauptet,  dass 
die  Entwicklung  der  Gleichung  für  die  Ablenkung  des  F.  P  nur  durch 
die  höhere  Mathematik  ausführbar  sei,  so  hat  derselbe  vollkommen 
recht,  soferne  er  zugleich  die  Anforderung  stellt,  dass  alle  die  oben 
berührten  Abweichungen  in  Folge  secundärer  Wirkungen  in  Rechnung 
gezogen  werden  müssen,  weil  sie  unter  allen  Verhältnissen  einen 
bemerkbaren  Einfluss  auf  das  Ergcbniss  des  Experimentes  ausüben 
würden.  Sind  aber  diese  Einflüsse  von  der  Art,  dass  sie  in  allen  uns 
zugänglichen  Verhältnissen  durch  die  unvermeidlichen  Fehler  der 
Instrumente  und  der  Beobachtung  selbst  überwogen  werden,  so  scheint 
es  mir  durchaus  nicht  unzukömmlich  ,  eine  so  interessante  und  für  die 
Wissenschaft  so  ruhmvolle  Entdeckung,  wie  das  Foucault'sche  Pendel, 
von  dem  Nimbus  der  höheren  Mathematik  entkleidet  auch  den 
gelehrten  Mittelschulen  zugänglich  zu  machen. 

Kempten.  Schelle. 


Zu  LIt:  VII,  5,  2. 

Capit  consilium  rudis  quidem  atque  agrestis  animi  et,  quamquam 
non  civilis  exempli,  tarnen  pietate  laudabile,  möchte  ich  at  statt  et 
vorschlagen. 

Um  seinen  Vater  von  der  drohenden  Gefahr  zu  befreien,  geht  der 
junge  Manlius,  ohne  dass  es  Jemaud  weiss,  in  die  Stadt,  begibt  sich 
augenblicklich  zu  dem  Hause  des  Tribunen,  lässt  sich  anmelden,  wird 
zu  ihm  in  sein  Schlafzimmer  geführt,  zieht  seinen  Dolch  und  droht  . 
ihm,  er  werde  ihn  ermorden,  wenn  er  ihm  nicht  schwöre,  dass  er 
seinen  Antrag  zurückziehen  wolle. 

Vergleichen  wir  nun  mit  dieser  Situation  die  citirte  Stelle.  Durch 
et  wäre  offenbar  rudis  quidem  atque  agrestis  animi  und  laudabile 
verbunden.  Da  das  Adjektiv  eine  Eigenschaft  bezeichnet  und  der  Qua- 
litätscasus (Gen.  oder  Abi.)  ebenso  eine  Eigenschaft  ausdrückt,  so  können 
sie  natürlich  mit  einander  verbunden  sein.  Also  gegen  die  Verbindung 
der  beiden  Begriffe  kann  man  Nichts  einwenden;  nur  können  sie  nicht 
copulativ,  sondern  sie  müssen  unbedingt  adversativ  verbunden  werden. 
Dass  zwischen  beiden  Begriffen  ein  direkter  Gegensatz  besteht,  sagt  nicht 
blo8  der  Gedanke,  sondern  auch  das  beigesetzte  quidem.  Der  Gegensatz 
ist  also  schon  grammatisch  durch  die  Sprache  ausgedrückt.  Laudabile 
bildet  offenbar  einen  doppelten  Gegensatz:  einmal  zu  rudis  quidem 
atque  agrestis  animi,  angedeutet  durch  quidem  —  at;  dann  zu  civilis 
exempli,  bezeichnet  durch  quamquam  -  tarnen.  Et  halte  ich  für  unmöglich. 

Geist. 


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Die  bayerischen  Gewerbschulen  pro  1874/75. 

L  Im  Nachfolgenden  geben  wir  eine  übersichtliche  Zusammen- 
stellung des  Standes  der  bayerischen  Gewerbschulen  bei  Beginn  des 
Schuljahres  1874  75.  Nach  dieser  Uebersicht ,  für  welche  uns  die 
Notizen  durch  die  Freundlichkeit  der  k.  Rektorate  zugegangen  sind, 
zählt  Mayoni  im  Ganzen  39  Gewerbschulen,  nämlich 

in  Oberbayern  4  in  Oberfranken  4 

in  Niederbayern  3  in  Mittelfranken  7 

in  der  Pfalz  5  in  ünterfranken  5 

in  der  Obperpfalz  4  in  Schwaben  7. 

Von  diesen  39  Schulen  sind  2,  Neumarkt  und  Eichstätt,  welche 
erst  mit  dem  laufenden  Schuljahre  in's  Leben  traten,  und  Kissingen 
noch  nicht  vollständige  dreikursige  Anstalten. 

Es   wirken    an   den  Gewerbschulen   im  Ganzen  357  ordentliche 
Lehrer  und  Lehramtsverweser,  sodann  193  Hilfslehrer  und  Assistenten, 
so  dass  sich  eine  Gesammtzahl  von  450  Lehrkräften  ergiebt. 
Neben  der  gewerblichen  Abteilung  haben 

22  Schulen  eine  Handels- Abteilung, 
2  Schulen  eine  landwirtschaftliche  Abteilung, 
2  Schulrn  eine  mechanische  Abteilung, 
1  Schule  eine  baugewerkliche  Abteilung  und 
9  Schulen  einen  Vorbereitungskurs. 

Ausserdem  bestehen  an  mehreren  Anstalten  Fortbildungsschulen, 
welche  die  Sonntagsschule  vertreten. 

Die  Gesammtzahl  der  Schüler  beträgt  5321;  bievon  kommen 

2512  auf  den  gemeinschaftlichen  I.  Kurs  der  gewerblichen  und 

Handels  -  Abteilung, 
1420  auf  den  II.  und  III.  Kurs  der  gewerblichen  Abteilung, 

(952  —  II.  K.   468  —  III  K.) 
725   auf  den  II.  und  III.  Kurs  der  Handels  -  Abteilung, 

(525-11  K.   200-111  K.) 
28  auf  die  landwirtschaftliche  Abteilung, 
31  auf  die  mechanische  Abteilung, 
83  auf  die  baugewerkliche  Abteilung, 

136  auf  Hospitanten  der  gewerblichen  und  Handels -Abteilung, 
386  auf  den  Vorbereitungskurs. 

Die  Verteilung  auf  die  einzelnen  Schulen  und  Kreise  ist  aus  der 
nachstehenden  Tabelle  des  Näheren  zu  ersehen. 


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72 


TS  11  m 

me 

2  a.  3. 

Schalerzahl  der  abrigen 
Abteilangen. 

Vorschule  39 

Vorschale  34 
Landw.  Abtlg.  9 

Vorsch.  74,  ldw.  Abtlg.19 
Vorschule  65 

Vorschule  51 

Vorschule  26 
Vorschule  24 

|               2.  Schalerzahl. 

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I  Handels- 
'  Abteilung. 

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Gewerbl. 
Abteilung. 

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1.  Lehrerzahl. 

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Lehr- 
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Ver- 
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Schulen 

München   .  . 
Freising    .  . 
Ingolstadt  .  . 
Traunstein 

Summe 

Passau  .    .  . 

Straubing  .  . 
Summe 

Kaiserslautern 
Landau  .    .  . 
Neustadt    .  . 
Speyer  .    .  . 
Zweibrücken  . 
Summe 

Regensburg  . 
Amberg .    .  . 
Neu  markt*)  . 
Weiden  .   .  . 
Summe 

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Ober- 
bayern 

Nieder- 
bayern 

Pfalz 
Iberpfalz 

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73 


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Bayreuth  .  . 
Bamberg   .  . 
Hof  ...  . 
Wunsiedel .  . 
Summe 

Irnberg  .  . 
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nkelsbühl   .  1 
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•langen   .  . 
Irth    .    .  . 
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Summe 

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Augsburg  .  . 
Kaufbeuern  . 
Kempten    :  . 
Lindau  .    .  . 
Memmingen  . 
Neuburg    .  . 
Nördlingen  . 
Summe 

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Ober- 
franken 

Mittel- 

f  rankpn 

Unter- 
franken 

Schwaben 

74 


Der  deutsche  Unterricht  In  der  1.  Lateinklasse. 

Zu  den  wichtigsten  Neuerungen,  welche  die  Schulordnung  vom 
20.  Aug.  d.  Js.  gebracht  hat,  gehört  die  Errichtung  eines  5.  Kurses  an 
der  Lateinschule,  in  welchem  Knaben  vom  neunten  Jahre  an  regel- 
mässigen Vorunterricht  in  den  Fächern  der  Lateinschule  erhalten  solleu. 
Dieser  Unterricht  hat  sich  enge  an  die  Anforderungen  der  4.  Klasse 
der  Volksschule  anzuscbliessen  und  in  innigem  Zusammenhange  mit 
den  Anforderungen  der  nächsten  Klasse  der  Lateinschule  zu  stehen 
Es  ist  klar,  dass  durch  diese  Einrichtung  die  Knaben  unter  der  Leitung 
eines  Fachmannes  tüchtiger  für  die  Studienlaufbahn  vorbereitet  werden, 
als  das  bisher  der  Fall  sein  konnte,  da  diese  Vorbereitung  häufig  durch 
mangelhaften  Privat-  oder  sogenannten  Vorunterricht  von  Berufenen 
und  Unberufenen  gegeben  wurde  Aber  nicht  minder  klar  ist  es,  dass 
jene  Lehrer,  welchen  der  Unterricht  und  die  Erziehung  dieser  jungen 
Anfänger  anvertraut  ist,  ein  schweres  Stück  Arbeit  zn  bewältigen 
bähen.  Denn  die  Erfahrung  aller  Jahre  hat  bewiesen,  dass  die  Knaben 
von  der  Volksschule  leider  nur  zu  häufig  mangelhaft  vorbereitet 
in  die  Lateinschule  (auch  in  die  Gewerbe-  und  Präparandenschulen) 
eintreten,  arm  an  Begriffen  und  Anschauungen,  verlegen  im  Ausdrucke 
und  mit  sehr  wenig  Sinn  für  Ordnung  und  Disciplin.  Diese  betrübende 
Wahrnehmung  macht  sich  natürlich  jetzt  im  Vergleiche  zu  den  früheren 
Jahren,  wo  der  Eintritt  vor  dem  vollendeten  10.  Lebensjahre  nicht 
zulässig  war,  noch  fühlbarer. 

Wenn  nun  schon  bisher  von  einsichtsvollen  Pädagogen  auf  die 
Leitung  des  Unterrichts  und  die  Handhabung  der  Schulzucht  in  der 
1.  Lateinschule,  als  der  grundlegenden  und  für  die  Folgezeit  einfluss- 
reichsten,  das  grösste  Gewicht  gelegt  wurde,  so  gilt  dieses  selbstver- 
ständlich in  noch  höherem  Grade  von  der  nunmehrigen  I.  Klasse. 

Diesem  Umstände  gegenüber  haben  sich  schon  von  verschiedenen 
Seiten  —  und  zwar  nicht  von  solchen,  welche  der  Lateinschule  abge- 
neigt sind  oder  blos  dem  Scheine  nach  urteilen  —  laute  Zweifel 
erhoben,  ob  „Philologen"  im  Stande  seien,  Knaben  dieser  Altersstufe 
zu  unterrichten  und  zu  erziehen  Man  berief  sich  hiebei  auf  „die  oft 
gemachte  Wahrnehmung,  dass  die  gelehrten  jungen  Philologen  weder 
Lust  noch  Geschick  hätten,  mit  den  Anfangsgründen  sich  herumzu- 
schlagen; dass  sich  die  gelehrten  Herren  nicht  darein  finden  könnten, 
von  der  Höhe  ihres  Wissens  herabzusteigen,  sondern  meist  zu  doktrinär 
und  deshalb  den  Kindern  meist  unverständlich  wären.  Dies  aber 
komme  vorzugsweise  daher,  weil  die  Philologen  zwar  viele  Kennntnisse 
sich  zu  erwerben  gehalten  wären,  in  Bezug  auf  die  Praxis  der  Schule 
aber  beim  Antritte  eines  Lehramtss  keine  Vorbildung  hätten".  Daran 
wurde  sogar  dio  direkte  Forderung  gereicht,  den  Unterricht  im  Deutschen 
—  denn  darauf  beziehen  sich  namentlich  jene  „oft  gemachten  Wahr* 


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75 


nehmungen  und  Erfahrungen"  und  wo  möglich  auch  im  Rechnen 
einem  „praktisch  gebildeten"  Manne,  einem  Volksschullehrer  zu 
übertragen. 

Diesen  Zweifeln  und  Behauptungen  gegenüber  müssen  wir  nun 
zwar  einräumen ,  dass  sie  allerdings  hier  und  dort  als  gerechtfertigt 
erscheinen  dürften,  und  dass  gerade  im  Bezug  auf  den  deutschen 
Unterricht  hier  und  dort  vieles  zu  wünschen  übrig  ist.  Denn  es  ist 
richtig,  dass  zwar  in  den  alten  Sprachen  die  Wege  durch  die  Erfahr- 
ungen mehrerer  Jahrhunderte  nach  allen  Seiten  geebnet  sind,  so  dass 
.  der  junge  Lehrer  nur  dem  erprobten  Wege  mit  sicherem  Auge  für  die 
praktischen  Bedürfnisse  im  Einzelnen  zu  folgen  braucht;  dass  es  aber 
anders  ist  mit  dem  Uuterrichte  im  Deutschen:  hier  muss  der  Lehrer, 
blos  das  vorgesteckte  Ziel  vor  Augen ,  den  eigenen  Weg  einschlagen 
und  die  Mittel  selbst  schaffen,  wie  er  seine  Schüler  zu  einem  Ziele 
führen  und  bringen  soll  Gleichwol  liegt  die  Möglichkeit,  auch  in 
diesem  Unterichtszweige  dem  jungen  Lehrer  gewisser  Massen  den  Weg 
zu  ebnen  und  somit  ihn  in  den  Stand  zu  setzen,  auch  in  diesem 
wichtigen  Zweige  des  Unterrichtes  schon  gleich  von  vorneherein  im 
Besitze  einer  festen  und  sicheren  Methode  Erspriesliches  zu  leisten, 
nicht  so  ferne.  Man  gebe  nämlich  nur  den  Candidaten  der  Philologie 
Gelegenheit  (oder  vielmehr  lege  ihnen  die  Verpflichtung  auf)  sich  neben 
ihrer  theoretischen  Ausbildung  auch  praktisch  für  das  Lehrfach  vorzu- 
bereiten. Dies  aber  würde  durch  Errichtung  einer  praktischen  Uebungs- 
6cbule  am  Sitze  der  Universität  ermöglicht,  wo  die  angehenden  Lehrer, 
gleichwie  dies  bei  den  Seminarscbulen  des  Volksscbulwesens  der  Fall 
ist,  in  Bezug  auf  die  Methodik  des  Unterrichtes  praktische  Anleitungen 
erhalten.  Der  junge  Lehrer  würde  sich  dann  ungemein  leichter  in 
der  Schule  zurecLt  finden  können ,  namentlich  beim  deutschen  Unter- 
richte, und  wäre  nicht  der  Gefahr  ausgesetzt,  erst  durch  jahrelanges 
Experimentiren  sich  bestimmte  Grundsätze  für  seine  Methode  zu  bilden. 

Dass  aber  dadurch  sowol  die  Sache  des  Unterrichtes  gefördert 
würde  als  auch  die  oben  berührten  Zweifel  und  Klagen  über  die 
mangelhafte  Erteilung  des  deutscher.  Unterrichtes  an  Knaben  von  neun 
und  zehn  Jahren  gründlich  beseitigt  würden,  ist  wol  nicht  in  Abrede 
zu  stellen.  Und  im  Interesse  des  Ansehens  der  Lateinschule  wäre  das 
sehr  dringend  zu  wünschen.  Denn  die  Substituirung  eines  Nicht- 
philologen  schiene  ein  Unding  Denn  warum  sollte  sich  nicht  ein 
„Philolog"  bei  seine«-  wissenschaftlichen  Durchbildung  auch  jene  Ge- 
wandtheit im  Unterrichten  und  Erziehen  neun-  und  zehnjähriger 
Knaben  verschaffen  können,  wie  ein  methodisch  gebildeter  Lehrer  der 
Volksschule?  Ja,  ich  gehe  noch  weiter,  und  behaupte,  dass  gerade  der 
„Philolog"  einzig  und  allein  im  Staude  sei,  Knaben  dieser  Altersstuffe 
in  methodischer  und  pädagogischer  Beziehung  in  einer  für  »eine  weitere 


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76 


Ausbildung  entsprechenden  Weise  in  die  Bahn  der  Studien  einzuführen 

—  wenn  er  die  nötige  Begabung  und  Umsicht  besitzt;  dass  dagegen 
ein  Nichtphilologe,  so  tüchtig  er  auch  sonst  in  seinem  Wirkungskreise 
sein  mag,  auf  diesem  Felde  zu  wirken  nicht  berufen  ist.  Für  diese 
Behauptung  sprechen  schon  jene  oben  angedeuteten  Mängel  der  in  die 
Lateinschule  Neueintretenden.  Ferner  möchte  ich  einen  weiteren 
Gedanken  zu  erwägen  geben,  der  mir  nicht  minder  dafür  zu  sprechen 
scheint,  und  der  die  eben  ausgesprochene  Behauptung  so  zu  sagen 
ex  consecutione  beweist.  Ich  führe  nämlich  die  Worte  eines  auf 
dem  Gebiete  der  Pädagogik  sehr  bekannten  und  geachteteu  Mannes  an, 
der  mir  über  diesen  Punkt  wörtlich  folgendes  schrieb:  „Ich  bilde  mir 
immer  ein,  dass  der  Satz:   .An  ihren  Früchten  sollt  ihr  sie  erkennen' 

—  auf  unsere  Schulen  die  beste  Anwendung  findet.  Wenn  wir  einen 
Vergleich  anstellen  könnten  zwischen  Schülern,  welche  nach  einer 
bestimmten  Zahl  von  Jahren  an  die  Lateinschule  gegangen  und  ein 
Jahr  bei  uns  , gesessen* sind,  und  solchen,  welche  dieses  Jahr  noch 
an  der  Elementarschule  zugebracht;  ich  glaube  man  dürfte  alles  darauf 
wetten,  dass  diejenigen,  welche  dieses  Jahr  bei  uns  zugebracht ,  die 
andern  im  Deutschen  um  ein  Gutes  überflügelt  haben.  Zu  dieser  Probe 
wäre  ich  jederzeit  bereit;  so  sicher  vertraue  ich  auf  den  wirksameren 
Unterricht  bei  uns.  Mögen  auch  die  philologischen  Lehrer  teilweise 
viel  zu  wünschen  übrig  lassen  —  wie  denn  in  der  That  die  Verwendung 
unerfahrener  Lehrer  in  der  I.  Klasse  zu  beklagen  ist  -  so  thut  hier 
schon  die  ganze  Einrichtung  des  Unterrichtes,  die  Verbindung  mit 
einer  fremden  Sprache,  das  Systematische  und  Geordnete  in  Methode 
und  Zucht  das  Ihrige."  Die  Grundlagen  und  Ziele  des  Unterrichts  und 
der  Erziehung  an  der  Lateinschule  sind  eben  andere  als  an  der  Volks- 
schule, und  wie  für  das  gedeihliche  Wirken  an  dieser  durch  besondere 
Uebungsschulen  vorbereitet  wird,  so  sollten  auch  für  das  gedeihliche 
Wirken  an  jenen  durch  eigene  Uebungsschulen  die  Candidaten  der 
Philologie  vorbereitet  und  eingeübt  werden 

Straubing.  Miller. 


Zorn  Lelirprogranim  der  Gewerbschulc  für  Trigonometrie. 

An  der  Gewerbscbule  sind  laut  Programm  die  Elemente  der 
Trigonometrie  zu  lehren,  demnach  Aufgaben  nur  über  des  rechtwinkelige 
Dreieck  zu  lösen;  alle  anders  eingekleideten  Aufgaben  sollen  stets 
auf  rechtwinkelige  Dreiecke  direkt  zurückgeführt  werden,  ohne  Benützung 
irgend  welcher  Formeln  lösbar  sein  und  gelöst  werden.  Aus  diesem 
Grunde  ist  von  der  Entwicklung  goniometrischer  Sätze  Umgang  zu 
nehmen ,  dafür  aber  die  Bedeutung  und  den  Gebrauch  der  Funktionen 


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77 


an  thunlichst  viel  Beispielen  zu  zeigen.  Sollen  nun  diese  Beispiele  das 
Interesse  für  die  Sache  stets  rege  erhalten,  so  dürfen  sie  sich  nicht 
lediglich  um  die  rein  geometrische  Figur  des  Dreiecks  oder  selbst  des 
Vielecks  bewegen,  sie  müssen  aus  allen  Gebieten  der  Anwendung 
gewählt  werden.  Eine  reiche  Abwechslung  zu  finden,  ist  auch  nicht 
schwer.  Wenn  aber  solche  Aufgaben  nicht  immer  die  einfachsten 
Lfigenverhältnisse  von  Strecken  in  ihren  Bedingungen  enthalten  und 
dadurch  wieder  eintönig  werden  Rollen,  so  liegt  es  im  Wesen  derselben, 
sie  meist  auf  verschiedenen  Wegen  lösen  zu  können.  Die  Endresultate 
sind  dann  zuweilen  in  der  Form  verschieden  und  ihre  Identität  ist  nur 
durch  goniometrische  Gleichungen  zu  erweiRen. 

Dieser  Missstand  trat  mir  zum  ersten  Male  praktisch  entgegen, 
als  ich  den  Schalern  die  bekannte  Anfgabe  zu  lösen  gab,  die  Höhe 
einer  Wolke  zu  bestimmen  aus  der  Höhe  h  eines  Hügels  oder  Tburmcs 
über  einem  See,  dem  Elevationswinkcl  a  der  Wolke  und  dem  Depressions- 
winkel  ß  des  Spiegelbildes  derselben.  Die  Aufgabe  ist  gerade  im  Sinne 
obigen  Lebrprogrammes  sehr  geeignet,  zu  zeigen,  wie  man  auf  ver- 
schiedene Weise  rechtwinkelige  Dreiecke  herstellen,  trigonometrische 
Funktionen    einführen  kann.    Man  gelangt  nun  beispielsweise  hier  auf 

zwei  Wegen  zum  Ausdrucke  h.      K  -  *   auf  einem  dritten  zu 

tg  ß  —  tg  «' 

h.  +         Die  drei  Lösungen  sind  gleich  einfach,  kurz,  direct 

sin  (p  —  «)  6  6  ' 

zum  angegebenen  Ziele  führend  und  sollten  meiner  ücberzeugung 
gemäss,  desshalb  den  Schülern  nicht  vorenthalten  werden.  Wird  die 
Aufgabe  im  Unterricht  bearbeitet,  so  müssen  doch  die  Schüler  auf  diese 
verschiedenen  Wege  aufmerksam  gemacht  werden  und  damit  nothwendig 
auch  auf  die  verschiedenen  Resultate ;  Ifisst  man  die  Arbeit  als  Haus- 
aufgabe oder  Probearbeit  fertigen,  so  ergibt  sich  bei  einem  Theil  der 
Schüler  ohnehin  von  selbst  eine  andere  Lösung  als  bei  den  übrigen; 
jedenfalls  muss  dem  Schüler  gezeigt  werden,  wie  die  eine  Lösung  in 
die  andere  übergeht,  warum  sie  nur  in  der  Form  verschieden  sind. 
Dazu  sind  aber  die  goniometrischen  Funktionen  der  Summe  und  Differenz 
zweier  Winkel  nöthig,  etwas  ausserhalb  des  Programmes  Liegendes, 
hie  und  da  eben  dess wegen  geradezu  Verpöntes. 

Es  sei  ferne  von  mir,  etwa  einer  Erweiterung  des  Lehrstoffes  das 
Wort  reden  zu  wollen ;  bei  der  Uebcrfülle,  dem  Vielerlei,  worunter  wir 
mit  den  Schülern  leiden,  wäre  dies  wahrlich  unverantwortlich.  Ich 
möchte  nur  dem  Lehrer  das  Recht  gegen  den  Buchstaben  gewahrt 
wissen,  als  Excurs  eine  derartige  Entwicklung  durchführen  zu  dürfen, 
ohne  dass  der  Schüler  die  Resultate  als  solche  sich  zu  merken  hätte. 
Bei  der  geringen  Zeit,  die  auf  Trigonometrie  verwendet  werden  kann, 
haben  wir  ja  keine  Gelegenheit,  diese  Gleichungen  durch  den  Gebrauch 


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78 


einzuüben,  sie  worden  als  todter  Formelkram  dem  Gedächtniss  eingeprägt ; 
dass  dieses  Schlimmste  bei  Aufnahme  der  Goniometrie  in  das  Lehr- 
programm heraufbeschworen  worden  wäre,  das  ist  nicht  zu  verkennen. 
Jedoch  ergibt  sich  die  Grundlage  der  Goniometrie,  die  im  oben  ange- 
führten Falle  genügt  und  aus  welcher  ertorderlichen  Falles  Ableitungen 
als  vorübergehende  Uebungsbeispiele  zu  zeigen  \>äreu,  auch  so  einfach, 
so  naturgeraäss  und  zwingend  Man  darf  nur  mit  Pfaff  („Die  ebene 
Trigonometrie"  Erlangen,  Deichert;  als  Schulprogramm  in  Broschüren- 
form nur  wenige  Seiten  umfassend)  die  ganze  trigonometrische  Drei- 
eckslehre als  die  algebraische  Aufgabe  auffassen,  aus  3  Gleichungen 
3  Unbekannte  zu  bestimmen.  Zwischen  den  Seiten  und  Winkeln  des 
Dreiecks  ergeben  sich  durch  Projection  je  zweier  Seiten  auf  die  dritte 
jene  3  Gleichungen.  Hier  muss  nun  die  Frage  auftauchen,  wie  sich 
der  scheinbare  Widerspruch  zwischen  Algebra  und  Geometrie  löst, 
der  entsteht,  wenn  die  3  Winkel  gegeben,  die  3  Seiten  zu  suchen  sind. 
Und  damit  ist  dann  die  oben  geforderte  Grundlage  gewonnen,  ohne  ein 
neues  Gebiet  betreten  zu  müssen,  gerade  als  notwendiger  Abschluss 
des  betretenen. 

Diese  kurze  Notiz  soll  andeuten,  wie  manchmal  über  das  gegebene 
Programm  hinaus  kurze  Abschweifungen  nötuig  werden.  Wenn  aber 
das  Programm  für  den  Lehrer  absolut  bindend  sein  soll,  so  kann  dies 
bei  aller  sonstigen  innern  Güte  desselben  auch  im  betreifenden  Punkte 
doch  der  Sache  seihst  Eintrag  thun. 

Augsburg.  Rudel. 


Bibliotheca  philologica  classica.  Verzeichniss  der  auf  dem  Gebiete 
der  classischen  Alterthumswissenschaft  erschienenen  Bücher,  Zeitschriften. 
Dissertationen,  Programm -Abhandlungen,  Aufsätze  in  Zeitschriften  und 
Hecensionen.  Beiblatt  zu  dem  Jahresberichte  über  die  Fortschritte  der 
classischen  Alterthumswissenschaft  von  Conr.  Bursian.  1874  1.  Semester, 
gr.  8.    (88  S .)    Berlin  1874,  Calvary  &  Co.    Einzelpreis  Mark  2. 

Die  bekannte  Verlagshandlung  von  Calvary  &  Co.  hat  sich  ent- 
schlossen, der  neuen  von  Bursian  geleiteten  Zeitschrift  über  die  Fort- 
schritte der  classischen  Alterthumswissenscbaft  eine  bibliotheca  philo- 
logica beizugeben,  die,  sonst  der  von  W.  Müldener  bearbeiteten  ähnelnd, 
vor  dieser  den  Vorteil  voraus  hat,  dass  sie  die  Recensionen  über  die 
in  ihr  verzeichneten  Bücher  mitteilt.  Begrüssen  wir  auch  das  neue 
Unternehmen  mit  lebhafter  Freude,  so  kann  uns  das  natürlich  nicht 
abhalten,  offen  die  vielfachen  Mängel  und  Versehen  des  vorliegenden 
Heftes  etwas  näher  zu  beleuchten,  in  der  Hoffnung,  dass  in  der  Folge 
der  Bearbeiter  auf  die  Zusammenstellung  der  künftigen  Bändchen  eine 
grössere  Sorgfalt  und  Akkuratesse  verwenden  werde. 

Wir  können  zunächst  der  bibliotheca  den  Vorwurf  bedeutender 
lnconsequenzen  nicht  ersparen.    Wurde  einmal  bei  Angabe  der  Recen- 


79 


sionen  der  Verfasser  derselben  genannt,  weshalb  geschah  es  nicht 
durchweg?  Es  scheint,  als  habe  der  Verfasser  hier  seinem  Belieben 
völlig  freien  Lauf  gelassen.  Bekanntlich  sind  die  Recensionen  in  der 
Jenaer  Literaturseitang  regelmässig  mit  dem  Namen  des  Recensenten 
versehen;  der  Verfasser  der  bibliotheca  aber  nennt  denselben  bald, 
bald  nicht.  Es  fehlen  z.  B.,  um  nur  einige  wenige  Beispiele  anzu- 
führen, S.  12  die  Namen  von  Joh.  Oberdick  (Aeschylus  von  Timm)  nnd 
Alfr.  Eberhard  (Apollodor  von  Hercher).  Dasselbe  findet  bei  anderen 
Zeitschriften  statt.  Ab  und  zu  sind  auch  die  Angaben  weder  genau 
noch  vollständig.  So  hat  E.  Bährens  nur  Band  2  der  madvig'schen 
Adversaria  recensiort.  Celsus'  wahres  Wort  von  Keim  ist  ausser  den 
angeführten  Recensionen  noch  besprochen  von  lloltzmann  in  Sybels 
bistor.  Zeitschrift  XVI  S  1  —  12  und  von  J.  J.  M(üllcr)  im  philolog. 
Anzeiger  VI  2.  M.  Hertz'  Abhandlung  über  Ammianus  Marcellinus 
zeigte  Wölfflin  in  der  Jenaer  Literaturzeitung  n.  23  an.  Nicht  selten 
sind  noch  Schriften  des  Jahres  1873,  augenscheinlich  der  erst  später 
erschienenen  Besprechungen  halber  (mehrfach  freilich  auch  ohne  jeden 
ersichtlichen  Grund),  verzeichnet;  nach  welchem  Principe  aber  dabei 
verfahren  wurde,  ist  uns  unklar,  wenigstens  ist  nur  ein  kleiner  Bruch- 
teil derselben  registriert  worden.  Eine  ähnliche  Inconsequenz  zeigt 
sich  auch  bei  den  Sammelwerken.  Bisweilen  ist,  wie  bei  Krügers 
kritischen  Analekten  S.  7,  der  Inhalt  genau  notiert,  bei  anderen  fehlt 
diese  wünschenswerte  Angabe  ganz:  man  vergleiche  nur  S.  7  (Lösch- 
horn), S.  15  (Dissertationes),  S.  80  (Baer)  u.  a. 

Die  eigentliche  bibliographische  Akribie  fehlt   dem  Unternehmen 
noch  in  hoiieni  Grade.    So  werden  S.  28  beide  Abhandlungen  über 
Ammian  Adolph  Kiessling  zugeschrieben,  obwol  die  letztere  von  Gustav 
Kiessling  herrührt.    S  11  lesen  wir  T  (für  F)  K.  Hertlein,  S.  13  A. 
(für  R),  S.  32  S  (für  Jul.)  Arnoldt,  S.  14  B  (für  Rud  )  Schmidt,  S.  16 
J.  (statt  Otto)  Carnuth,  S.  21  A.  Ludwig  (für  Ludwich )  und  Dechert 
(für  Dechent),  S.  23  C.  (für  Emil)  Schnippel,  S.33  E.  (für  Ad.)  Eussner, 
S.  36  C.  (für  Emil)  Bährens  und  C.  (statt  Ed  )  Wölfflin.  Delbrücks 
Recension  des  lexicon  etymologicum  von  Zehetmayr  ist  in  No.,15  nicht 
21  der  Jenaer  Literaturzeitung  abgedruckt,  die  von  Hertz  über  Occioni's 
literarische  Dilettanten  nicht  in  No  21 ,  sondern  30.    Der  Verfasser 
von  „Ein  Missverständniss  des»  Tacitus;<  heisst  Kaufmann  nicht  Kau  finan. 
Den  Lucrez  zu  edieren  begann  Bockemüller  nicht  Bockmüller.   S.  50 
ist  Savelsberg  nicht  Savesberg  zu  lesen.    S.  51  fehlt  bei  Schröter  die 
Bezeichnung  des  Druckortes,  und  ebenda  ist  Trnsta  nicLt  Trusta  die 
Chiffre  eines  Pseudonvmus.  Menge's  Programm  de  auetoribus  cominen- 
tariorum  de  bello  civtli  qui  Caesaris  nomine  feruntur  besprach  nicht 
Hertz,  sondern  Hartz.    Sauppe's  Abhandlung  Ober  die  Lebenszeit  des 
Lucrez  ist  unseres  Wissens  bis  jetzt  noch  nicht  gedruckt    Meiser  (S  23) 
schrieb  nicht  über  den  Gorgias,   sondern   über  den  Kriton  Piatons. 
Käsebier,  de  Callimacbo  umfasst  nur  18  Seiten,  S.  19-  32  enthalten 
eine  mathematische  Abhandlung  von  Hütt.  S.  44  ist  gedruckt  L.Meyer, 
zur  Harmonie  des  Tacitus:  es  ist  natürlich  Germania  zu  substituieren, 
und  ebenda  wird  Hirschfeld's  Elogium  des  M'  (nicht  M  )  Valerius  Maximus 
ohne  Weiteres  unter  Valerius  Maximus  gesetzt.    S.  6 »  steht  E  Döhle, 
Caesar  und  seine  Zeitgenossen.  Mnn  ahnt  kaum,  dass  damit,  „S.  Delorme, 
Caesar  u.  s.  Z.    Eine  Betrachtung  der  römischen  Sitten  gegen  das 
Ende  der  Republik,  deutsch  bearbeitet  von  Ed.  Döhler"  gemeint  sein 
könne.  Ja,  S.  16  wird  eineMiscelle  Ungers  zum  Panegyriker  Eumenius 
dem  griechischen  Autor  Eumenes  unterstellt.    Lorey's  Programm  über 


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die  Schwierigkeiten  der  Anwendung  de»  griechischen  Metrums  auf  die 
lateinische  Spruche  ist  nicht  in  Hannover,  sondern  in  Hameln  erschienen. 

Auch  in  Betreff  der  rein  bucbl.ändbrischen  Seite  df*r  neuen  Biblio- 
thtca  müssen  wir  den  Bearbeiter  iiitten,  sich  einer  genaueren  Sorgfalt 
zu  befleissigen.  Es  ist  im  höchsten  Grude  unangenehm,  dass  eine 
grosse  Anzahl  kleiner  Gelegenb<  iisschriften  hier  oft  zu  bedeutend 
höheren  Preisen  angesetzt  sind  ,  als  bei  den  eigentlichen  Verlegern. 
So  die  Schrift  C.  Jacob) 's  über  Dionysius  von  Halic,  Rebdantz'  (S.2I) 
de  Ttntlyfitt  vocabclo  apud  oratores  atticos,  Dinse's  Beitrage  zu  Plutarcb, 
Pohle's  und  Vollbrecht's  Schriften  über  Xenophon,  Wacbsmuth's  de  Zetwne 
citiensi,  l'rocksch's  consecutio  tetnporum  bei  Caesar,  Schüssler's  de 
codice  Curtii  oxoniensi,  A.  Kinke's  über  Horaz,  Bursian's  emendatioties 
hyginianae  u.  a.  m. 

Gera,  Mitte  November  1874.  R.  Kluszmann. 


Hülfsbuch  der  Geschichte  für  Mittelschulen  von  Dr.  Chr.  Hutzel- 
mann, kgl.  Lehrer  an  der  Gewerbschule  zu  Fürth.  2.  Thlr.  Nürnberg. 
Verlag  der  Friedr.  Korn'schen  Buchhandlung.  1874 

An  Lehr-  und  Hülfsbüchern  der  Geschichte  haben  wir  keinen 
Mangel  Es  scheint  vielmehr  die  Produktion  derselben  sich  von  Jahr 
zu  Jahr  zu  steigern  Und  mit  der  Zeit  wird  jeder  Lehrer  sich  selbst 
seinen  Leitfaden  schreiben.  Ich  will  auf  die  mancherlei  Gründe  dieser 
Erscheinung  nicht  naher  eingehen.  Es  kann  sie  jeder  ohne  Mühe  selbst 
finden.  Nur  darauf  will  ich  hinweisen,  das*  diese  massenhafte  Leit- 
fadenproduetion ,  neben  den  schlechten,  doch  auch  manche  gute  und 
berechtigte  Gründe  hat.  Es  ist  nämlich  auch  der  beste  Leitfaden  nur 
für  einen  bestimmten  Kreis  von  Schulen  tauglich.  Sobald  man  ihn  in 
einem  anderen  Kreise  anwendet,  wird  er  zwar  nicht  absolut  schlecht, 
verliert  aber  eine  grosse  Anzahl  seiner  Vorzüge.  So  glaube  ich  z.  B., 
dass  es  einen  vortrefflichen  Leitfaden  für  Lateinschulen  geben  kann, 
der  für  Gewerbschulen  durchaus  unpraktisch  ist.  Denn  es  hat  eben 
jede  Art  von  Schulen  ihre  besonderen  Bedürfnisse  Und  ich  glaube, 
dass  ein  Lehrbuch  der  Geschichte  für  norddeutsche  Schulen  unüber- 
trefflich sein  kann  ,  dem  doch  wesentliche  Mäugel  anhaften,  sobald  wir 
es  in  Süddeutachland  gebrauchen.  Denn  die  Auswahl  der  Ereignisse 
darf  in  beiden  Fällen  keineswegs  die  gleiche  sein.  Ich  kann  es  des- 
halb durchaus  nicht  tadeln,  wenn  man  in  jedem  einzelnen  deutschen 
Lande  sich  besondere  Lehrbücher  zu  schaffen  sucht.  Und  ich  wünsche 
nur,  dass  wir  für  Bayern  ebenso  vortreffliche  Bücher  besässen,  wie 
deren  Norddcutschland  schon  mehrere  besitzt.  —  Aus  einem  Gefühle 
des  Mangels  in  dieser  Richtung  mag  auch  das  vorliegende  Buch  ent- 
standen sein.  Aber  wenn  es  auch  manche  Vorzüge  hat,  so  können  wir 
ihm  doch  nicht  nachrühmen,  die  bestehende  Lücke  schon  ausgefüllt  zu 
haben.  Der  Verfasser  war  offenbar  von  dem  lobenswerthen  Streben 
beseelt,  den  Geschichtsunterricht  möglichst  anschaulich  und  lebendig 
zu  machen.  Er  hat  zu  diesem  Zweck  eine  grosse  Anzahl  von  Notizen 
beigezogen,  die  man  in  den  gewöhnlichen  Lehrbüchern  zu  vermissen 
pflegt.  Und  er  hat  damit  dem  Lehrer  manchen  dankenswertben  Wink 
für  seine  weiteren  Ausführungen  gegeben.  Man  könnte  zwar  sagen, 
solche  Notizen,  wie  z.  B.  die  über  die  ägyptischen  Bauten  (1.  Th  S.  17) 


81 


seien  vom  Lehrer  mündlich  zu  geben.   Allein  ich  halte  es  doch  für 

St,  menn  man  sich  mit  den  mündlichen  Ausführungen  an  den  Leit- 
ion anschliessen  kann,  und  ich  bin  deshalb  für  solche  Dinge  stets 
dankbar  Nur  möchte  in  der  Herbeiziehung  dieser  Notizen  Dicht  überall 
das  rechte  Mass  gehalten  sein ;  etwas  Beschränkung  hätte  der  Verfasser 
sich  auferlegen  sollen.  Oder  was  soll,  um  nur  eines  zu  erwähnen,  in 
einem  Hülfsbuch  für  Mittelschulen  die  Bemerkung,  dass  Aristoteles 
der  Schöpfer  der  Logik  sei?  —  Ueberhaupt  scheint  mir,  dass  in  der 
Auswahl  des  Stoffes  eine  grössere  Beschränkung  hätte  stattfinden  sollen. 
Auch  in  den  grossgedruckten  Partieen  des  Buches,  die  doch  das  Wichtigste 
enthalten  sollen,  was  der  Schüler  sich  merken  muss,  findet  sich 
manches,  was  füglich  hätte  wegbleiben  können,  wenigstens  wenn  man 
sich  das  Buch  für  Gewerbscbulcn  bestimmt  denkt.  — 

Der  Verfasser  war  ferner  bestrebt,  sich  möglichst  kurz  zu  fassen, 
in  möglichst  wenig  Worten  möglichst  viel  zu  sagen.  Und  es  ist  ihm 
das  in  einzelnen  Partieen  recht  gut  gelungen.  Aber  zuweilen  hat  er 
sich  durch  das  Streben  nach  Kürze  verleiten  lassen,  auf  die  Correctheit 
und  Klarheit  des  Ausdrucks  zu  verzichten.  Das  sollte  in  einem  für 
die  Hand  der  Schüler  bestimmten  Buche  nicht  der  Fall  sein.  Ueber- 
haupt darf  da  die  Rücksicht  auf  die  Kürze  nicht  zu  weit  getrieben  werden. 
Man  darf  da  nicht  Sätze  bilden,  wie  „Nun  Arbeit"  (11,36)  oder  „Durch 
Einwanderer  macht  sich  fremder  Einfluss  geltend;  pbönizischer  Einfluss 
sicher,  ägyptischer  unsicher,  oder  erst  später  "  (1,  49)  Das  macht  den 
Eindruck,  dass  man  das  Concept  des  Lehrers  vor  sich  hat,  der  sich  für 
seine  mündlichen  Ausführungen  einige  Notizen  gemacht  hat.  Aber  ein 
Leitfaden,  den  die  Schüler  in  die  Hand  bekommen,  muss  sorgfältiger 
stilisirt  sein.  Störend  war  es  mir  noch,  dass  der  Verfassser  in  den 
erzählenden  Partieen  mit  dem  Präsens  und  Imperfectum  ganz  principlos 
wechselt  Man  lese  nur  folgenden  Satz:  „Karls  Abwesenheit  veran- 
lasste wiederholt  einen  furchtbaren  Aufstand.  779  und  780  schlägt 
er  ihn  nieder;  viele  licssen  sich  taufen;  Sachsen  nnd  Slaven 
erkennen  Karl  als  Schiedsrichter  an".  — 

Weiter  auf  einzelnes  einzugeben,  verbietet  mir  der  mir  zugemessene 
Raum.  Ich  glaube,  dass  das  Buch  recht  brauchbar  werden  wird,  wenn 
es  der  Verfasser  noch  einmal  gründlich  umarbeitet  und  mit  Sorgfalt 
darauf  achtet,  die  einzelnen  Abschnitte  sowohl  in  Bezog  auf  Auswahl 
des  Stoffes,  wie  auf  Stilisirung  gleichmässiger  zu  gestalten.  —  Die  dem 
Buche  beigegebenen  Kärtchen  sind  nicht  sehr  gelungen.  Die  Verlags- 
handlong  möge  sich  die  Karten  ansehen,  die  dem  Grundriss  der  Welt- 
geschichte von  Andrä  (Kreuznach,  Voigtländer)  oeigegeben  sind,  dann 
wird  sie  ein  Muster  dafür  haben,  wie  derartige  Beilagen  beschaffen 
sein  müssen.  — 

Augsburg.  J.  Hans. 


Q  Eorati  Flacci  cartnina.  Lucianus  Mueller  recognovit.  Lipsiae 
in  aedibus  B.  G.  Teubneri.   MDCCCLXX1V.   2  Bl.  &  362  S.  kl.  8. 

In  geschmackvoller  Ausstattung  liegt  die  niedliche  Ausgabe  des 
Horaz  von  Lucian  Müller  vor,  deren  ganze  Erscheinung  an  die  bei 
S.  Hirzel  in  Leipzig  verlegten  Ausgaben  des  Catullus,  Tibullus  und 
Propertius,  des  Vergilius  und  des  Horatius  von  M.  Haupt  oder  an  die 
zierliche  Ausgabe  der  cartnina  amatoria  des  Ovidius,  die  L.  Müller  bei 

Blätter  f.  d.  b»yer.  GymnMialw.   XI.  Jahrg.  6 


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82 


Gärtner  in  Berlin  besorgt  bat,  erinnert  Das  Titelblatt  ist  mit  einem 
Stiebe  nacb  einem  in  der  Solitudc  bei  St.  Petersburg  aufbewahrten 
Sardonyx  geschmückt,  den  L.  M.  auf  den  Rath  des  Archäologen 
L.  Stephani  gewählt  hat.  Dem  sauber  gedruckten  Texte  folgen  als 
willkommene  Zugabe  C  Suetoni  Tranquilli  vita  Q.  Horati  Flacci, 
ein  Index  der  horaziseben  Diebtungen  nach  den  Anfangs  worteu ,  dann 
auf  vier  Seiti.u  Schemata  der  Metra  Horatiana  und  eudlich  nach  eiuer 
kurzen  Bemerkung  des  Herausgebers  ein  Verzeichniss,  welches  Doctorum 
ex  arbitriis  not  ata  enthält. 

Der  Text  ist  im  Ganzen  nach  der  von  L.  M.  in  der  Bibliotheca 
Teubneriana  1869  besorgten  Recognition  wiedergegeben.  Ausser  den 
dort  bezeichneten  Interpolationen  in  den  Oden  finden  sich  in  der  neuen 
Ausgabe  noch  zwei  Strophen  nach  Peerlkamps  Vorgang  athetiert,  aem- 
lich  I,  22,  13  —  16,  wo  auch  Meineke  ein  Einschiebsel  annimmt,  und 
II,  4,  9  —  12.  Von  den  in  der  früheren  Aasgabe  stehenden  Kreuzen 
der  Kritik  sind  die  I,  2,  21  der  Vermuthung  von  Bäbrens  iaeuisse 
ferro  statt  aeuisse  ferrum-,  I,  12,  31  der  von  den  Itali  S  XV  gebotenen 
Lesart  di  sie  voluere  statt  cum  8.  v.:  III,  4,  10  der  Emendation  von 
Bährens  limina  pergulae  statt  Urnen  Apuliae  gewichen,  mit  welcher  sich 
die  von  Göttling,  Madvig  und  W.  Herbst  gefundene  Aendernog  limina 
villulae  nahe  berührt  Die  übrigen  Discrepanzen  der  neuen  Recognition 
von  der  früheren  sind:  I  6,  2  aliti  nach  Passerat  statt  alite\  20,  10 
tu  Uqucs  nacb  G.Krüger  statt  tum  bibes;  31,  9  Calenam  nach  Bentley 
statt  Calena',  II  8,  3  unco  turpior  ungut  nach  Horkel  statt  uno\  19,  24 
horribtlisque  nach  Bentley  statt  horribilique ;  III  4,  46  umbras  nach 
Bentley  statt  urbes\  9,  9  regit  Chloe  nacb  Peorlkamp  statt  Chloe  regit  ] 
10,  8  duro  nach  Bentley  statt  puro;  16,  7  risisset  nach  Bentley  statt 
risissent]  19,  12  miscentor  nacb  Rutgers  statt  miscentur;  24  ,  39  polo 
nach  einem  ungenannten  Urheber  statt  solo;  27,  41  quam  porta  nach 
Sanadon  statt  quae  p.;  IV  1,  16  militiae  signa  feret  tuae  nach  Meineke 
statt  signa  feret  militiae  tuae;  10,  2  bruma  nach  Bentley  statt  pluma. 
Eigene  Aenderungen  hat  Müller  nur  HF  29,  7  contempnatur  statt 
contempleris ;  IV  1,  9  in  domu  statt  in  domum  (domo)  und  II,  28  Bel- 
lerophonten  statt  Belleropfiontem  neu  in  den  Text  gesetzt.  Diese 
wenigen  Mittheilungen  über  das  von  L.  Müller  in  den  Oden  befolgte 
kritische  Verfahren  mögen  als  Probe  genügen,  mit  welchem  Tacte  die 
Textkritik  überhaupt  in  dieser  elegantesten  Taschenausgabe  des  elegan- 
testen römischen  Dichters  geübt  worden  ist. 

E  u  s.8  n  e  r. 


Ueber  Syntax  und  Jstil  des  Tacitus  Von  A.  Dräger.  Zweite, 
verbesserte  Auflage.  Leipzig,  Druck  und  Verlag  von  B.  G.  Teubner. 
1874.   XV  &  120  S.  8 

Seit  dem  Erscheinen  des  ersten  Heftes  der  „Untersuchungen  über 
den  Sprachgebrauch  der  römischen  Historiker"  (Güstrow  1860)  ist  Dräger 
unermüdlich  auf  dem  Gebiete  der  lateinischen  Syntax  thätig  gewesen, 
indem  er  einerseits  seine  Studien  in  concentrischen  Kreisen  bis  zu  dem 
Umfange  erweiterte,  dass  sieb  daraus  das  kühne,  noch  unvollendete 
Werk  einer  „Historischen  Syntax  der  lateinischen  Sprache"  gestaltete, 
andrerseits  dieselben  innerhalb  eines  enger  umgrenzten  Gebietes  zum 
Abschlüsse  brachte.   Als  Programm  des  Pädagogiums  zu  Putbas  wurde 


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83 


1866  „die  Syntax  des  Tacitus"  herausgegeben;  vervollständigt  und 
ergänzt  erschien  diese  Arbeit  1868  als  selbstständiges  Buch  „Leber 
Syntax  und  Stil  des  Tacitus".  Indem  Referent  dem  Wunsche  der 
Redaction  dieser  Blätter  entsprechend  Ober  die  vor  Kurzem  erschienene 
zweite  Auflage  dieses  Werkes  berichtet,  darf  er  sich  eines  allgemeinen 
Urtbeils  tut  halten,  da  Drägers  Leistung  nicht  nur  beim  ersten  Erscheinen 
von  der  Kritik  mit  Beifall  aufgenommen  wurde,  sondern  inzwischen 
auch  durch  den  Erfolg  sich  in  selteucr  Weise  bewährt  hat,  so  dass  eine 
neue  Autlage  schon  nach  verhältoissmässig  kurzer  Zeit  nötbig  geworden 
ist.  Wenn  der  Verfasser  dieselbe  als  eine  verbesserte  bezeichnet  hat, 
so  kann  er  dies  sowohl  im  Hinblick  auf  die  Umarbeitung  einzelner 
Paragraphen  des  syntaktischen  Theiles,  als  auch  auf  die  aberall  einge- 
fügten Nachträge "  und  Veränderungeu  begründen,  welche  nach  der 
Angabe  des  Verfassers  nach  Tausenden  zählen.  Dadurch  ist  auch  der 
Umfang  der  neuen  Ausgabe  gegenüber  der  ersten  hei  gleicher  Aus- 
stattung um  ein  volles  Neuntel  gewachsen.  In  dem  zweiten  Theile  des 
Buches,  welcher  den  Stil  des  Tacitus  behandelt,  beträgt  die  Zahl  der 
Abweichungen  von  der  ersten  Ausgabe  etwa  hundert,  welche  zumeist 
in  kleineren  Zusätzen,  namentlich  in  nachgetragenen  Beispielen  bestehen. 
Hiebei  sind  übrigens Aenderungen  untergeordneter  Art  z.B.  der  Ortho- 

Sraphie  bei  cum  statt  quum  (aber  nicht  S.  100)  nicht  mitgerechnet, 
lanche  Abweichung  der  neuen  Auflage  ist  auch  durch  Weglassung 
einzelner  Bemerkungen  oder  durch  bestimmtere  und  vorsichtigere 
Fassung  derselben  (vgl.  S.  84,  86,  102,  103,  104)  entstanden.  Selten 
war  es  nothwendig,  ein  Citat  zu  berichtigen;  ein  Mal  ist  ein  richtiges 
durch  Auslassung  irrig  geworden,  nemlich  S.  102  sind  die  Worte 
formam  ac  figurata  nicht  aus  Germ.,  sondern  aus  Agr  46  entnommen. 
Von  den  neu  aufgenommenen  Stelleo  ist  die  aus  Gell.  XVI 11  (nicht  10), 
3  S  87  hinter  „dann  u.  s.  w."  zu  setzen  Eigentliche  Irrthumer  zu 
berichtigen  ist  der  Verfasser  nur  ausnahmsweise  veranlasst  gewesen, 
wie  wenn  nunmehr  S.  88  von  der  Anastrophe  der  Präpositionen  gelehrt 
wird,  dass  sie  „in  den  kleinen  Schriften  und  den  Historien  noch  selten" 
sei,  während  die  erste  Auflage  S.  77  diesen  Gebrauch  den  kleinen 
Schriften  abgesprochen  und  erst  den  Historien  zugewiesen  hatte.  Während 
die  erste  Auflage  unter  den  Wörtern,  die  zuerst  bei  Tacitus  vorkommen, 
S  96  auch  intectus  (unbedeckt)  und  guggredi  aufgenommen  hatte,  gibt 
die  neue  Ausgabe  S.  108  richtig  an,  dass  sich  dieselben  schon  bei 
Sallustiub  finden.  Während  früher  S.  98  die  Phrase  flumen  transcendere 
ann.  4,  44  als  <r//a£  slQnpivov  bezeichnet  war,  werden  jetzt  S.  110  noch 
weitere  Beispiele  derselben  aus  test.  5, 24  und  Liv.  epit.  105  angeführt. 
Manche  Aenderung  ist  durch  neue  Erscheinungen  der  Tacitusliteratur 
z.  B.  S.  85,  100  und  besonders  (durch  Wölfflins  ausgezeichnete  Jahres- 
berichte im  Philologus  XXV,  XXVI  und  XXVII)  S.  116  hervorgerufen 
worden;  doch  scheint  die  betreffende  Specialliteratur  von  dem  durch 
umfassendere  Studien  beanspruchten  Verfasser  nicht  vollständig  ausge- 
beutet zu  sein 

Münnerstadt.  Adam  Kussner. 


Gymnasium  und  Gegenwart.  Von  Dr  Martin  Woblrab.  Separat- 
abdruck aus  der  II.  Abth.  der  N.  Jahrbücher  für  Philologie  1874.  - 

Der  Verfasser  beabsichtigt  mit  diesem,  im  wärmsten  Interesse  für 
die  Sache  veröffentlichten  Schriftchen  eine  Revision  der  für  das 

6* 


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84 


höhere  Scbulw  eaen  giltigen  Principien  und  betrachtet  dazu 
das  Gymnasium  im  1.  Theil  in  seiner  Beziehung  zu  den  andern  höhern 
Schulen,  im  2.  für  sich.  Die  Vertiefung  der  mathematischen  und 
naturwissenschaftlichen  Kenntnisse  und  ihre  Anwendung  auf  das  Leben, 
sowie  der  gesteigerte  Verkehr  der  Culturvölker  haben  nach  dem  Verfasser 
Fachschulen  und  Realschulen,  letztere  als  Concurrenten  mit  den  Gym- 
nasien ins  Leben  gerufen  Ohne  näher  auf  die  Fachschulen  einzugehen, 
stellt  dann  derselbe  die  Realschulen  als  die  Schulen  hin,  in  welchen 
vorzüglich  Mathematik  und  Naturwissenschaften  betrieben  werden,  die 
Gymnasien  als  die,  in  welchen  dies  von  Latein  und  Griechisch  gilt, 
während  die  modernen  Sprachen  beiden  gemeinsam  seien  *).  Letzteren 
vindiciert  er  eine  allseitige  Entwicklung  der  geistigen  Kräfte,  findet 
aber,  dass  sie  dem  Leben  gegenüber  langsam  ihrem  Untergang  sich 
zuneigen,  ersteren  miest  er  einseitige  Verstandesbildung  und  Schärfung 
der  Sinne  bei  und  zweifelt  nicht,  dass  ein  mächtiger  Aufschwung 
ihnen  beschieden  ist.  Darum  ist  es  für  ihn  nur  eine  Frage  der  Zeit, 
dass  die  Mediciner  ihre  Vorbildung  in  den  Realschulen  suchen,  aber 
er  steht  auch  nicht  an,  den  zunächst  vorhandenen  Realschulen  eine 
solche  Leistung  noch  abzusprechen.  Als  sichere  Besucher  des  Gymna- 
siums betrachtet  er  die  Theologen,  Juristen,  Philosophen,  Historiker, 
Philologen,  und  ein  Jahr  in  Prima  einer  Realschule  nach  dem  Maturi- 
tätsexamen  könne  auch  zur  Mathematik,  Naturwissenschaft  und  Medicin 
führen  •*).  An  dem  —  also  doch  wohl  noch  eine  geraume  Zeit  fort- 
dauernden? —  Gymnasium  sei  der  Hauptlehrer  der  Philologe,  der 
Verwalter  des  geistigen  Erbes  von  Generation  zu  Generation,  und 
zwar  der  altclassischen,  der  an  den  einfachen,  jugendfrischen 
Verbältnissen  der  Alten  am  bessten  die  Jugend  zum  Verständniss  der 
menschlichen  Dinge  hinleite.  Die  hiebei  gewonnene  Bildung  bestehe 
in  richtigem  Sprechen,  Schreiben,  Lesen.  Aber  diese  werde  auch  in 
der  Muttersprache  nur  durch  den  Betrieb  einer  fremden  Sprache  und 
zwar  am  Bessten  des  Lateinischen  mit  Beiziehung  des  Griechischen 
gewonnen.  Es  müsse  aber  Lateinisch  und  Griechisch  geschrieben 
und  gesprochen  werden.  Das  Vorwiegen  der  Lektüre  sei  die 
Bresche  der  Neuzeit  in  das  früher  segensreicher  wirkende  Gymnasium, 
von  dessen  Classikern  freilich  die  Zeit  immer  mehr  abfalle  wegen 
der  Blütbe  der  eigenen  deutschen  Literatur  und  der  bedeutenden  Rolle 
der  französischen  und  englischen  Literatur.  Endlich  gebe  das  Gym- 
nasium nicht  bloa  im  allgemeinen  mehr  brauchbare  Durchschnitts- 
menschen als  es  früher  gegeben  habe,  sondern  die  gelehrte  Bildung 


•)  Nicht  uninteressant  ist,  dass  für  Bayern  diese  Charakteristik 
nicht  gilt.  Bei  uns  bat  das  humanistische  Gymnasium  das  Griechische 
für  sich,  das  Realgymnasium  die  Naturwissenschaften,  Religion, 
Latein  (bis  auf  die  Privatlektüre) ,  Deutsch ,  Geschichte ,  Geographie  haben 
beide  gern  ein,  und  endlich  bat  das  Realgymnasium  ein  .1  ehr  in  Mathe- 
matik, Französisch,  Englisch,  Zeichnen!  Wir  haben  also  bereits  einen 
mächtigen  Aufschwung  als  Thatsache! 

•*)  In  Bayern  muthet  man  den  humanistischen  Absolventen  doch  nur 
einen  uro  ein  Jahr  längeren  Besuch  des  Polytechnikums  zu.  Aber  ist  nicht 
auch  damit  ein  Zurückbleiben  —  nm  nicht  zu  sagen  Herabsinken  — 
der  Leistungsfähigkeit  des  einst  zu  allen  Berufen  in  erster  Reihe  und  in 
kürzester  Zeit  vorbildenden  Gymnasiums  handgreiflich  gegeben? 


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85 


sei  besonders  eine  Anleitung  zur  Wahrhaftigkeit,  Selbstverläugnung, 
Uneigennützigkeit,  den  bessten  Eigenschaften  für  Diener  des  Staates 
wie  der  Kirche.  —  Es  verdient  Beachtung,  was  der  Verfasser  sagt  und 
man  stosse  sich  nicht  an  den  Sparen  matter  Hoffnungen»  für  das 
Gymnasium.  Möge  vielmehr  das  Hebel  in  seinem  wahren  Grande  bald 
erkannt  and  das  Gymnasium  mit  den  frischen  Quellen  des  Lebens  zu 
freudigem  Hoffen  verbunden  werden! 

Hof.  Friedlein. 


Arittotelis  de  arte  voetica  Uber.  Iterum  recensuit  et  adnotationt 
crifc'ca  oim*  /oÄanne*  FaAlen.  BeroZin«  aptid  Fronct>ct*m  7aA- 
lenwm  MDCCCLXXIV.    XV  und  246  S.  8. 

Mit  Spannung  wird  jeder  Freund  des  Aristoteles  die  neuerschienene 
Ausgabe  der  Poetik  von  Vahleo  in  die  Hand  genommen  haben.  Von 
diesem  Gelehrten,  der  dieser  schwierigen  Schrift  des  Aristoteles  ein 
vieljäbriges  Studium  gewidmet,  der  in  seinen  „Beitragen"  den  Gedanken- 

fang  des  Buches  in  klarer,  nur  allzu  breiter  Weise  verfolgt  und  im 
iinzelnen  entwickelt  und  schon  früher  den  Text  durch  eine  ausgezeichnete 
Emendation  (c.  18  xQareio&ai  Btatt  xpore?<r£a*)  bereichert  hatte,  war 
eine  gediegene  Leistung  zu  erwarten.  Und  wer  möchte  nicht  an  der 
Hand  dieser  hübschen,  glänzend  ausgestatteten  Ausgabe  dieses  kurze 
aber  einzige  Werk  des  grossen  Philosophen  mit  doppeltem  Eifer 
studieren? 

Vahlen  ist  von  dem  Plane  seiner  ersten  Ausgabe  (1867),  der,  wie 
er  selbst  bekennt,  auch  bei  wohlmeinenden  M&nnern  keinen  Beifall 
fand,  abgegangen  und  bietet  in  dieser  zweiten  gänzlich  veränderten 
Auflage  den  Text  nach  der  besten  Handschrift,  die  Varianten,  die  für 
die  Erklärung  nötigen  wichtigsten  Belegstellen  und  eine  ausführliche 
mantissa  adnotationis  grammaticae  (S.  85  —  241  )  Dieser  gramma- 
tische Anhang  hätte  nichts  an  seinem  Werte,  wohl  aber  viel  an  seinem 
unverhältnissmäs8igen  Umfang  verloren,  wenn  die  fortgesetzte  Polemik 
gegen  Spengel,  die  ja  in  einer  solchen  Ausgabe  am  wenigsten  am 
Platze  war,  unterblieben  wäre.  Es  macht  keinen  angenehmen  Eindruck, 
wenn  ein  so  besonnener  Kritiker  and  Aristotelesforscher  wie  Spengel 
bei  jeder  Gelegenheit  geschulmeistert  wird.  Was  soll  es  auf  dem  so 
schwierigen  Gebiete  Aristotelischer  Kritik  heissen,  wenn  Vahlen  sich 
stolz  in  die  Brust  wirft  und,  als  wäre  er  sich  eigener  Unwandelbarkeit 
und  Unfehlbarkeit  bewusst,  das  instabile  Judicium  Spengeiii  (S  232) 
tadelt?  Ist  es  nicht  derselbe  Vahlen,  der  heute  anders  urteilt,  als  er 
früher  arteilte?  Hat  er  nicht,  am  nar  ein  Beispiel  anzuführen,  „zur 
Kritik  Aristotelischer  Schriften"  S.  6  über  eine  Stelle  von  Cap.  5 
bemerkt:  „Gleich  irrig  ist  die  Meinung  derjenigen,  welche  die  Worte 
t*iXQl  porov  (a£tqov  pcyaXov  als  Interpolationszuthat  aas  dem  Texte 
zu  entfernen  heissen,  wie  derjenigen,  welche  dieselben  als  keiner 
Aenderung  bedürftig  in  Schutz  nehmen"  und  hat  er  nicht  jetzt  dennoch 
diese  Worte  als  keiner  Aenderung  bedürftig  in  Schutz  genommen, 
indem  fiixQov  /ueyaXov  bedeuten  soll  spatium  magnum  sive  fine*  ampli  ?  1 
Vorher  hatte  er  dafür  jMttffi  rot?  piTQt?  xa&6Xov  und  Beiträge 
III,  326  auch  noch  f*exQi  f*oyov  u4qovs  /xeyäXov  vermutet!  Und  was 
ihm  früher  unmöglich  erschien  (Beiträge  IV,  393:  „Es  leuchtet 
schon  jetzt  ein  and  wird  aas  der  folgenden  Erörterung  noch  deutlicher 


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werden,  dass  mit  Xiav  drjXov  ort  —  unmöglich  der  Nachsatz  zu  dem 
vorangegangenen  beginnen,  sondern  dass  darin  nur  ein  weiteres  Glied 
des  Vordersatzes  enthalten  sein  kann,  daher  ich,  im  Uebrigen  der 
Ueberlieferurg  treulich  folgend,  ein  <fi  vor  SiiXov  eingesetzt  habe"), 
das  scheint  ihm  jetzt  in  der  neuen  Ausgabe  möglich.  Es  soll  dabei 
nicht  verkannt  werden,  dass  Vahlen  eine  hervorragende  grammatische 
Begabung  zeigt,  ein  feines,  überaus  sorgfältiges  sprachliches  Beobachtungs- 
talent, ein  Hauptvorzug  seiner  Ausgabe,  dessen  er  sich  selbst  gar  wohl 
bewusst  ist  (vgl.  den  Schluss  seiner  praefatio)  Aber  es  ist  zu  bedauern, 
dass  ihn  diese  seine  grammatische  Richtung  in  der  Kritik,  wie  in  der 
Erklärung  auf  eine  falsche  Bahn  geführt  hat.  Er,  der  früher  selbst 
nicht  wenig  an  dem  überlieferten  Texte  gerüttelt,  sucht  nun  jeden 
Buchstaben  der  Ueberlieferung,  als  wäre  er  unmittelbar  von  Aristoteles 
geschrieben,  mit  pedantischer  Gewissenhaftigkeit  und  bis  zum  Absurden 
festzuhalten,  und  sollte  der  gesunde  Sinn  des  Lesers  sich  dagegen 
sträuben,  so  überschüttet  er  ihn  aus  seinem  grammatischen  Füllhorn 
mit  einer  Menge  von  Beispielen,  dass  sich  derselbe  im  ersten  Augen- 
blicke genötigt  sieht,  der  grammatischen  Autorität  sich  blind  zu  unter- 
werfen. Sieht  man  aber  näher  zu,  so  wird  man  gar  bald  finden,  dass 
die  Beispiele  oft  trügen  und  was  dort  möglich  ist,  deshalb  nicht  auch 
hier  erlaubt  ist.  Der  Beweis  hiefür  kann  hier  nicht  in  eingehender 
Weise  geführt  werden ,  fast  jede  Seite  fordert  in  der  Kritik  wie  in  der 
Erklärung  zum  Widerspruche  heraus 

Mit  dem  allgemeinen  Princip,  das  der  Herausgeber  in  der  Kritik 
befolgte,  uns  ein  möglichst  getreues  Abbild  der  besten  Ueberlieferung 
zu  geben  —  quasi  quoddam  simulacrum  (S.  VIII)  —  kann  man 
sich  völlig  einverstanden  erklären  und  es  verdient  dies  unsere  volle 
Anerkennung,  denn  was  soll  aus  den  Klassikern  werdeu,  wenn  es 
erlaubt  ist,  sie  so  zu  bebandeln,  wie  etwa  G.  Andresen  den  dialogus 
de  oratoribus  des  Tacitus,  der  in  einer  Schulausgabe  in  42  Kap.  seine 
78  Emendationen,  wenn  ich  recht  gezählt  habe,  ohne  weiteres  in  den 
Text  aufgenommen  hat?  Auch  das  ist  im  Interesse  der  Klarheit  und 
Durchsichtigkeit  nur  zu  loben,  das  der  Leser  nicht  mit  einer  Masse 
wertloser  Varianten  geplagt  wird,  woran  ja  so  viele  kritische  Ausgaben 
leiden,  wiewohl  Vablens  Behandlung  der  Apographa  für  den  nicht 
genügt,  der  sich  über  den  Wert  und  das  Verhältnis*  der  einzelnen 
Handschriften  näher  unterrichten  will.  Aber  wenn  im  Text  nur  die 
handschriftliche  Ueberlieferung  gegeben  werden  soll  —  so  genau,  dass 
z  B.  nach  der  Handschrift  c.  14  arexytoregoy  in  den  Text  gesetzt 
wird,  c.  16  aber  areyroregai  —  und  von  Textesverbesserungen  nur 
das  aufgenommen  werden  soll,  was  absolut  sicher  ist  (S  XIV:  „jpo*ut 
autem  in  textu  quae  certa  haberem") ,  so  begreift  der  unbefangene 
Leser  nicht,  wie  einige  mehr  als  zweifelhafte  Vahlensche  Conjecturen 
ohne  weiteres  in  dem  Text  erscheinen  und  mit  der  besten  Ueberlieferung 
auf  gleiche  Linie  gesetzt  werden  sollen,  wie  die  Ergänzung  von  Öoa 
c.  11  und  c  26  (S.  25  und  70)  oder  von  Jjr«?  dy  c.  15  (S  32)  u.  a 
Mag  man  dies  als  eine  menschliche  Schwäche  des  Herausgebers  milder 
beurteilen,  so  begreift  man  dagegen  schlechthin  nicht  und  kann  sich 
dieses  Verfahren  nur  als  eine  Schrulle  oder  als  Versehen  erklären, 
dass  c.  26  (S.  75)  x«i  roiavr'  airu  not^ara  in  den  Text  gesetzt  ist, 
die  allein  richtige  Lesart  der  Vulgata  ober  xniroi  rttvxn  ro  noijuaxu, 
die  ja  Vahlen  selbst  in  seiner  ersten  Ausgabe  in  den  Text  aufnahm 
und  auch  in  seinen  Beiträgen  IV,  402  als  richtig  anerkannte,  nicht 
einmal  unter  dem  Texte  in  den  Noten  erwähnt  wirdl  Die  Vermutungen 


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anderer  Gelehrten  werden  nnr  spärlich  angeführt,  so  dass  es  nicht 
consequent  erscheint,  wenn  c  22  (S.  54)  zu  dem  Aeschyleischen  Verse: 
<f>«yi6«ivtt  JJ  tuov  oaQxas  iaSiet  nodos  auf  einmal  drei  Vermutungen  (von 
Böckb,  Hermann  und  Nauck )  zur  Ehre  gelangen,  mitgeteilt  zu  werden: 
gerade  un  einer  Stelle,  wo  jede  Vermutung  unsicher  ist. 

Von  der  Sucht  des  Herausgebers,  alles  zu  halten  und  alles  zu 
erklären,  nur  ein  Beispiel.  Am  Schlüsse  des  6.  Cap.  ist  überliefert: 
i?  6*'e  oxpig  tf/v %aytoyix6v  /UtV,  tire^ytoraroy  o*k  xui  tjxiartt  otxeiov  rrjs 
noiijrtx/,?,  tos  yttQ  jrjs  TQuytpöius  dvvufits  xai  ityev  uytöyos  *«*  vuo- 
xQirtov  iaxty  Hiezu  macht  Vahlen  S.  115  —  118  eine  lange  An- 
merkung und  sucht  uns  zu  beweisen,  indem  er  nach  seiner  Art  acht 
Beispiele  anführt,  dass  tos  y«Q  hier  so  viel  sei  wie  das  einfache  causale 
tos.  Ich  kann  hier  nicht  auf  die  Betrachtung  der  einzelnen  Beispiele 
eingehen  und  bemerke  nur  so  viel,  dass  mir  diese  Annahme  durchaus 
verkehrt  scheint.  Die  Stelle  ist  sicher  nicht  richtig  überliefert,  tos  war 
aber  nicht  mit  den  Apographa  in  jj  zu  verbessern,  sondern  aus  dem 
vorangehenden  Worte  noupixys  war  zu  tos  die  Silbe  *<r  zu  ergänzen 
und  zu  It-sen:  tatos  yttQ  i*is  TQttytpöins  o*vyuf4is  xai  ayev  uytavos  xai 
vnoxQirtöy  teriv.  —  tatos  y^Q  steht  in  der  Poetik  selbst  noch  zweimal: 
c  25  tatos  yttg  ovxt  ßiXxtov  (S.  65)  und  tatos  y«Q  ov  xoi's  tjfnoyovs 
Xiyei  (S.  67).    Ebenso  sagt  Aristoteles  Pol  r  11,  1282a  33:  opoltos  dtj 

TIS  tty  Xvoett  xui  xuvxqy  xqy  anoQtay'  tatos  y**Q  *Z*1  xtti  Tttvz1  OQ&toS- 

Weitere  Stellen  finden  sich  bei  Bonitz  (index  Aristotelicus),  der  über 
diesen  bekannten  Gebrauch  von  tatos  bemerkt:  „sed  saepe  tatos  tum 
dubitantis  est,  sed  cum  modestia  quadam  asseverantis". 

leb  führe  zum  Schlüsse  nur  noch  ein  Beispiel  an,  um  zu  zeigen, 
wie  Vahlen  in  der  Erklärung  dem  gesunden  Menschenverstand  ins 
Gesicht  schlägt,  um  ja  über  alle  Schwierigkeit  hinwegzukommen  und 
überall  die  schönste  Uebereinstimmung  in  der  aristotelischen  Darlegung 
zu  entdecken.  Aristoteles  sagt  gegen  Ende  des  25.  Cap.  ($.71):  oXtos 
<fi  to  advyaroy  fihy  tiqos  xtjy  noi^atv  ij  uqos  to  ßiXxtov  jj  -iQos  rijV 
äo£uv  det  äyayeiy.  Er  spricht  daun  der  Reihe  nach  1.  von  tiqos  rtjy 
iioiqaty,  2.  von  dem  ßiXxtoy  und  3.  von  >iqos  «  tpnaty  (—  tiqos  rijV  66^uv). 
Jedermann  wird  also  hier  drei  Glieder  erkennen,  Vahlen  aber  besteht 
hartnäckig  darauf,  es  sei  hier  nur  von  einer  Zwei  gliederung  die  Rede. 
Darüber  lässt  sich  nun  nicht  mehr  streiten;  denn  wenn  die  höhere 
Kritik  ex  cathedra  decretieren  darf,  1  — |—  1  — |—  1  sei  fortan  nicht  mehr  3, 
sondern  2,  dann  hört  alle  Kritik  und  alle  Discussion  auf,  dann  beginnt 
auch  hier  das  Opfer  des  Verstandes  — 

'  Der  Druck  des  Buches  ist  musterhaft  korrekt.  Der  Accentfehler 
peTQlaCoy  statt  f*£TQidtoy  steht  nicht  allein  in  den  kritischen  Noten 
S.  57  und  in  der  mantissa  adnotationis  gramm.  S.  199,  sondern  findet 
sich  schon  in  den  Beiträgen  III,  328.  - 

München.  Dr.  C.  M  eis  er. 


Die  deutsche  Sprachlehre  als  Grundlage  zur  Stilistik,  zugleich  ein 
Anfgabeoschatz  zu  Sprach-  und  Aufsatzübungen  etc.  von  A.  Treu. 
2.  Aufl.   Tübingen  1874. 

Ein  Buch,  dessen  Anordnung  unergründlich  ist,  empfiehlt  sich 
wenig;  noch  schlimmer  aber  steht  es,  wenn  eine  solche  tudis  indige- 


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staque  moles  ein  Schulbuch  sein  will.  Leider  trifft  dies  bei  Treu's 
Sprachlehre  zu.  Zur  Begründung  dieses  harten  Urteils  mögen  einige 
Andeutungen  hier  stehen.  Das  Kapitel  über  die  Deklination  ist  eine 
lanx  satura  ohne  gleichen;  auf  S.  12  ist  die  lledc  von  Befehl-  und 
Wunschsätzen,  aber  erst  S.  13  wird  die  Definition  des  Satzes  gegeben; 
§.  7  folgen  plötzlich  stilistische  Uebungen  (meist  Beschreibungen)  und 
die  Analyse  eines  Gedichtes  ;  an  die  Fürwörter  schliessen  sich  Briefe 
an  und  —  eine  Kaufmannsrecbnung;  bei  den  begründenden  Binde- 
wörtern wird  der  Stabreim  erwähnt  und  dgl  Auf  S.  8  ist  zu  lesen, 
dass  die  meisten  Hauptwörter  (männl.  und  sächl.  Geschlechts)  auf  el, 
er  und  en  in  der  Mehrzahl  meist  unverändert  bleiben  ( Also  Dat.  PI. 
den  Stiefel?)  —  Der  unparteiische  Beurteiler  darf  übrigens  nicht  ver- 
gessen zu  erwähnen  ,  dass  die  Beispiele  meist  sehr  treffend  sind  und 
die  Analysen  (cfr.  §.  44)  und  stilistischen  Kapitel  (z.  B.  §.  7  A.)  Lob 
verdienen.  In  der  Hand  des  Lehrers  kann  das  Buch  manches  Gute 
stiften ;  es  einem  Schüler  in  die  Hand  zu  geben,  wäre  bedenklich. 

München.  A.  Brun  nur. 

Praktische  Uebungen.  Methodisches  Hilfsbuch  zum  deutschen  Unter- 
richt an  den  unteren  Klassen  der  Mittelschulen  von  Max  Miller 
(Straubing  im  Selbstverlag  1874.  *) 

Das  Büchlein  enthält  zunächst  20  Kabeln  von  Lessing  mit  Anmer- 
kungen, welche  Fragen  teils  über  den  Inhalt  der  Lesestücke,  teils  über 
grammatische  Dinge  enthalten;  ob  mit  den  Fragen  letzterer  Art  alle 
Lehrer  einverstanden  sind,  steht  dahin.  An  die  Lesestücke  schliesst 
Bich  ein  mit  grossem  Fleiss  bearbeitetes  Wörterverzeichniss  an,  welches 
sehr  verwendbare  Erklärungen  der  in  den  Fabeln  vorgekommenen  Wörter 
bietet.  Ein  Anhang  gibt  „Beiträge  zur  Behandlung  der  Redeteile". 
Der  zweite  Teil  des  Werkebens  enthält  eine  „Anleitung  zum  deutseben 
Aufsatz".  Schon  in  ihrer  jetzigen  Gestalt  werden  sich  die  „Praktischen 
Uebungen"  dem  Lehrer  als  brauchbar  erweisen;  die  Bedeutung  des 
Scbriftchens  liegt  übrigens  darin,  dass  es  den  Keim  zu  einem  brauch- 
baren Lesebuch  für  die  unterste  Klasse  unserer  Lateinschule  enthält 
Möge  der  Verfasser,  der  mit  so  richtigem  Blicke  den  für  unsere  jüngsten 
Schüler  passendsten  Lehrstoff  herausgefunden  hat,  diesen  Gedanken 
nicht  aus  dem  Auge  verlieren  I 

A.  Brunner. 


Literarische  Notizen. 

Praktische  Anleitung  zum  Lateinschreiben.  In  zwei  Abteilungen 
bearbeitet  von  Karl  Friedr.  Siipfle.  Zweite  Auflage  bearbeitet  von 
Professor  von  G  ruber.  Erste  Abteilung  Karlsruhe.  Ch.  Th.  Groos. 
1874.  229  S.  in  8.  Die  vorliegende  erste  Abtbeilung  umfasst  die  Lehre 
vom  einfachen  Satz.  Die  neue  Auflage  ist  keine  durchgreifende  Um- 
arbeitung, vielmehr  bat  der  nunmehrige  Herausgeber  unter  Festhaltung 
des  bisherigen  Planes  sich  darauf  beschränkt,  die  zum  Teil  etwas 
weitläufig  gehaltenen  Auseinandersetzungen  zweckmässig  zu  verkürzen, 
immmerhin  ein  Fortschritt. 


*)  Mittlererweise  unter  die  gebilligten  Lehrbücher  aufgenommen- 


Kleine  lateinische  Sprachlehre,  zunächst  fOr  die  untern  und 
m itt  1  e r n  Klassen  der  Gymnasien  bearbeitet  von  Dr.  Ferd.  Schultz. 
14.  verbesserte  Ausgabe.  Paderborn,  Schöningb.  1874  274  S.  in  8. 
Pr.  1  Mk-  75  Pf.  Die  neue  Auflage  hat  einzelne  Berichtigungen  uud 
Zusätze,  teilweise  auch  eine  grössere  Uebersichtlichkeit  in  der  An- 
ordnung erhalten. 

Stichverse  der  lateinischen  Syntax  aus  klassischen  Dichtern  gesam- 
melt von  Dr.  Gustav  Härtung.  Leipzig,  Teubner.  1874.  64  8.  in  kl  8. 
Pr.  75  Pf.  Eine  hübsche  Beispielsammlung,  von  der  wohl  ein  Teil 
beim  Unterrichte  mit  Auswahl  verwendet  werden  kann;  ein  anderer 
Teil  freilich  bedürfte  m  viel  Erklärung,  um  auf  der  Unterricbtsstufe, 
auf  welcher  die  lateinische  Syntax  gelehrt  wird,  und  aus  dem  Zusammen- 
hang gerissen,  verstanden  zu  werden 

Lateinische  Grammatik  für  Gymnasien  und  Realschulen  von 
Dr.  Johannes  von  Gruber.  Erster  Teil.  Formenlehre.  5.  Aufl. 
Leipzig.    Teubner,  1874. 

Zebettuayr's  Lexieon  etym.  (Wien,  Holder)  ist  im  Nro.  41 
des  „literarischen  Centraiblattes"  besprochen.  Dasselbe  hebt  namentlich 
den  „grossen  Flciss"  hervor,  mit  dem  der  Verfasser  seiner  Aufgabe, 
nach  Wurzel  und  Suffix  die  Wörter  etymologisch  zu  erklären ,  gerecht 
zu  werden  gesucht  hat  und  ,  seine  Arbeit",  wird  dann  noch  angefügt, 
„ist  ohne  Zweifel  dankenswert".  Als  „Fachmann"  führt  Hr.  Recensent 
als  wenigstens  zweifelhaft  Zehetmayr's  Erklärung  von  Severus ,  sere- 
nus  an*).  Ein  Zusammenhang  von  ä-pcm  mit  pü  wird  dann  namentlich 
in  Abrede  gestellt.  Die  Analogien  seien  in  „geradezu  verwirrender 
Menge  beigebracht".  „Die  Verfolgung  der  einzelnen  Wortstämme  bis 
herab  in  die  neueren  Sprachen  und  Dialekte  füllten  das  Buch  mit 
zwar  interessantem,  aber  überladendem  Stoffe'  Nach  seinen  Ausstell- 
ungen schliesst  der  Recensent:  Gleichwol  ist  das  Buch,  zumal  da  es 
mit  sorgfältigen  Indices  ausgestattet  ist,  recht  brauchbar.  Niemand, 
der  den  Forschungen  auf  indogermanischem  Sprach- 
gebiete ferner  steht,  wird  in  ihm  nachschlagen,  ohne 
reiche  Belohnung  aus  ihm  zu  schöpfen. 

Cicero's  ausgewählte  Reden  erklärt  von  Karl  Halm.    V.  Bdcben. 
Die  Rede  für  T.  Annius  Milo,  für  <^u.  Ligarios  und  für  den  König 
DejotaruB.    Siebente,  verbesserte  Auflage.    Berlin,  Weidmann.  1874 
Wie  jede  Auflage,  so  weist  auch  diese  neue  Verbesserungen  im  Ein- 
zelnen auf. 

Xenophons  Anabasis.  Erklärt  von  C.  Rehdantz  Zweiter  Band. 
Buch  IV  —  VII.  Dritte,  verbesserte  Auflage.  Berlin,  Weidmann. 
1874.  Die  methodische  Einrichtung  dieser  Ausgabe  darf  als  bekannt 
vorausgesetzt  werden.  Die  Verbesserungen  beziehen  sieb  auf  Einzel- 
heiten. Nicht  unerwähnt  kann  bleiben,  dass  der  Notendruck  in  den 
neuen  Ausgaben  der  Weidmonn'schen  Sammlung  fast  bedenklich  für  die 
Augen  ist. 

Herodotos  erklärt  von  Heinrich  Stein.  Dritter  Band.  Buch  V 
und  VI.    Dritte,  verbesserte  Auflage.    Berlin,  Weidmann.  1874. 


*)  Der  Verfasser  des  „Lexieon"  wird  uns  vielleicht  eine  kurze  Be- 
gründung seiner  Erklärung  zugehen  lassen  D  Red. 


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Ausgewählte  Komödien  des  P.  Terentius  Afer.  Zur  Einführung  in 
die  Leetüre  der  altlateiniscben  Lustspiele  erklärt  von  Carl  Dziatzko. 
Erstes  Bändeben.  Phormio  Leipzig,  Teubner.  1874.  Die  Ausgabe 
scbliesst  sieb  nach  Zweck  und  Einrichtung  an  die  anderen  zu  dieser 
Sammlung  gehörigen  an.  Eine  Einleitung  gibt  das  Notwendigste 
über  die  Vorgeschichte  der  alt  klassischen  Komödie,  über  das  Lehen 
und  die  literarische  Tbätigkeit  und  Bedeutung  des  Terentius.  über  die 
Aufführung  der  Stücke,  endlich  die  Prosodie.  Angefügt  ist  eine  Ueber- 
sicht  der  Metra  und  ein  kritisch -exegetischer  Anhang.  Möge  die  Aus- 
gabe dazu  beitragen,  dass  ein  auf  den  Gymnasien  einst  viel  gelesener, 
seit  längerer  Zeit  aber  ganz  ausser  Kurs  gesetzter  Autor  wieder  reak- 
tiviert werde,  der  dem  Schüler  nicht  bloss  das  antike  Leben  näher 
rückt,  sondern  auch  das  historische  Verständniss  der  lateinischen 
Sprache  vermittelt. 

Kurze  Regeln  der  griechischen  Syntax,  zum  Gebrauche  in  oberen  Gym- 
nasialklassen, zusammengestellt  von  Dr.  Ludwig  Till  mann  s.  Teubner 
1874  8.  56  S.  „Die  Ueberzeugung,  dass  die  griechische  Syntax  von  Schülern 
des  Gymnasiums  aus  kurzen  Regel  Sammlungen  besser  gelernt  wird,  als  aus 
ausführlichen  Grammatiken",  die  sich  nach  dem  Vorworte  des  Verfassers 
immer  mehr  zu  verbreiten  scheint,  dürfte  kaum  jemals  die  Mehrheit  der 
Lehrenden  für  sich  gewinnen  Wie  schwierig  es  ist,  mit  der  in  solchen 
Regelsammlungen  notwendigen  Kürze  auch  die  nötige  Verständlichkeit 
und  Richtigkeit  zu  verbinden,  beweist  auch  dies  Büchlein  des  in  allen 
Gebieten  der  griechischen  Syntax  wolbewanderten  Verfassers;  denn 
neben  manchen  treffenden  Bemerkungen  finden  sich  darin  doch  auch 
viele  Regeln,  die  nur  zu  halbem  Verständniss  und  damit  zu  verkehrter 
Auffassung  führen  müssen,  z.  B  §31:  Genitivus  qualitatit  wie  im 
Lateinischen,  §81,  86,  121,  134  Die  wichtige  Präpositionslehre  ist 
auf  nicht  ganz  zwei  Seiten  doch  etwas  gar  zu  kurz  abgefertigt.  Aufge- 
fallen ist  die  auch  §  114  wiederholte  Regel  in  §  13<\  dass  Nebeusätze 
nach  Nebcntemporibus  aueb  Optative  mit  «V  in  den  blossen  Optativ 
(ohne«»')  verwandeln  können,  und  die  Aufnahme  der  rein  dichterischen 
Ausdrücke  oiingreiy  und  fuvecttvtw  in  §§  36  und  38.  Die  Beispiele 
sind  meist  gut  gewählt;  ganz  ungeeignet  scheint  nur  das  zweite  Beispiel 
in  §  121.  Der  Druck  ist  ziemlich  rein ;  nur  findet  sich  ötterB  ov  statt 
ov  und  in  §  127  dreimal  tag  statt  a»c  —  Für  Schüler,  welche  die 
griechische  Syntax  schon  kennen  gelernt  haben,  dürfte  sich  das  Büchlein 
zur  Wiederholung  der  wichtigsten  Regeln  trefflich  eignen 

Sammlung  von  Musteraufsätzen  für  die  mittleren  Klassen  der 
Gymnasien,  Keal-  und  höheren  Bürgerschulen  herausgegeben  von  Dr. 
K.  Hoffmann.  Berlin,  1874.  Verlag  von  Wilb.  Schultze  230  S.  in  8. 
Die  „Musterstücke"  sind  unverändert  aus  verschiedenen  Werken  von 
ungleichem  Werte  herübergenommen  und  nach  den  Gebieten,  aus 
denen  sie  entlehnt  wurden,  geordnet.  Unter  der  grossen  Anzahl  befinden 
sich  immerhin  viele,  die  sich  zur  Reproduktion  eignen;  andere  dürften 
besser  in  einem  Lesebuch  Platz  finden. 

Handbuch  der  deutschen  Literatur.  Eine  Sammlung  ausgewählter 
deutscher  Dichter  und  Prosaiker,  von  der  ältesten  Zeit  bis  auf  die 
Gegenwart,  nebst  literargesebichtlichen  und  biographischen  Notizen  für 
höhere  Unterricbtsanstalten  und  Freunde  der  deutschen  Literatur 
herausgegegen  von  Prof.  Dr.  J  A.  Lehmann  Zweite,  unveränderte 
Auflage.   Zwei  Teile  in  einem  Bande.    Leipzig,  T.  0.  Weigel  1874. 


91 


Preis  1  Tblr  15  Sgr.  Der  erste  Teil  enthält  die  Poesie  (577  S  ),  der 
zweite  Teil  die  Prosa  (512  S)  Das  Ganze  ist  geeignet,  die  Entwicklung 
der  deutschen  Literatur  durch  Probestücke  von  der  ältesten  bis  auf 
die  neueste  Zeit  zur  Anschauung  zu  bringen  und  das  Interesse  an 
der  deutschen  Literatur  und  dem  deutschen  Vaterlande  zu  fördern. 
Der  Inhalt  ist  sehr  reich  ,  der  Preis  im  Verhältniss  dazu  sehr  mässig. 
Kurze  literarhistorische  Notizen  vermitteln  gleichsam  den  Zusammen- 
hang zwischen  den  verschiedenen  Perioden,  die  einzelnen  Autoreu  sind 
mit  den  wesentlichsten  biographischen  Daten  eingeführt.  Wenig  Wert 
haben  in  solchen  Sammlungen  die  aus  Dramen  mitgeteilten  Bruchstücke. 

Lehrbuch  der  Poetik  für  höhere  Lehranstalten.  Von  Dr.  Chr.  Fr. 
Alb.  Schuster.  Clausthal.  Grosse'scbe  Buchhandlung.  1874.  83  S. 
in  8.  Das  Büchlein  schliesst  sich  eng  an  die  in  demselben  Verlage 
erschienenen  trefflichen  Hoffmann'schen  Lehrbücher  für  den  deutschen 
Unterricht  an.  Der  Verfasser  stellt  sich  auf  den  Standpunkt,  den  auch 
unsere  neueste  Schulordnung  einnimmt,  dass  die  Belehrung  über  Fragen 
der  Poetik  auf  unseren  Schulen  nicht  systematisch,  kursusmässig  zu 
behandeln,  sondern  zunächst  und  vorzugsweise  aphoristisch,  gelegent- 
lich, an  die  Lektüre  der  klassischen  Dichter  geknüpft  sein  soll.  Er 
verlangt  aber,  und  das  gewiss  mit  Hecht,  dass  das  gelegentlich 
Erörterte  zu  einem  Ganzen  znsammengefasst  werde,  in  welchem  der 
wissenschaftliche  Zusammenbang  des  Einzelnen  dem  Schüler  zum  klaren 
Bewusstbein  gelange;  er  verlangt  eine  abschliessende  Belehrung  über 
gewisse  Begriffe  und  Gesetze,  auf  denen  der  Unterschied  der  verschie- 
denen Dichtungsarten  beruht.  Lassen  wir  die  Frage  dahingestellt,  ob 
die  Poetik  besser  auf  aphoristischem  oder  systematischem  Wege 
bebandelt  wird:  das  Büchlein  ist  im  einen  wie  im  andern  Falle  mit 
Nutzen  zu  gebrauchen.  Es  beschränkt  sich  auf  das  Wesentliche, 
berücksichtigt  stets  das  praktische  Bedürfniss  des  Schulunterrichts  und 
empfiehlt  sich  durch  gedrängte  Form  der  Darstellung,  übersichtliche 
Zusammenstellung  des  Lehrstoffes,  Hinweis  auf  die  Quellen  und 
Betonung  des  ästhetischen  Momentes. 

L'art  poetique  de  Boileau-Despriattx,  avec  des  notes  explicatives, 
littiraires  et  philologiques  par  G.  H.  F.  de  Castres.  Nouvelle 
edition  soigneusement  revue  et  corriqee  par  A.  Klautzsch.  Leipzig, 
C.  A.  Koch.  1874  .  63  S.  in  8  Preis  10  Ngr.  Die  Noten  (unter  dem 
Text)  sind  französisch  geschrieben,  ziemlich  reichlich,  durchaus  sach- 
licher, nicht  sprachlicher  Natur. 

Methodische  Grammatik  der  französischen  Sprache.  Elementar- 
kursus. Mit  Zugrundelegung  des  Lateinischen  bearbeitet  und  mit 
Uebnngsaufgaben  versehen  von  Dr  Otto  Liebe,  Oberlehrer  am  k.  Gym- 
nasium zu  Chemnitz.  Leipzig,  Druck  und  Verlag  von  B  G.  Teubner. 
1874.  Das  Büchlein  ist  für  solche  Anstalten  bestimmt,  an  welchen  das 
Lateinische  einen  Hauptgegenstand  des  Unterrichtes  bildet.  Es  enthält 
auf  103  Seiten  die  Formenlehre  des  Nomens  und  des  regelmässigen 
Verbums,  wobei  die  Beziehungen  zur  lateinischen  Grammatik  soweit 
berücksichtigt  sind,  als  sich  ein  praktischer  Nutzen  daraus  ergibt. 
Der  Wortschatz  aller  zu  lernenden  Vokabeln  —  Noten  stehen  nemlich 
unter  dem  Text  der  Aufgaben  nicht  -  ist  auf  etwa  700  beschränkt, 
über  welche  am  Ende  des  Werkchens  ein  Register  mit  Angabe  der  §§., 
in  welchen  sie  sich  finden,  angehängt  ist. 

Collection  of  British  and  American  Standard  Authors,  XII. 
A  Stlection  from  Thackeray's  „English  Humorist*",  „Miscellanies  and 


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Roundabout  —  Papers".  1874.  131/,  Ngr.  Die  Einrichtung  wie  bei 
übrigen  Stacken  dieser  von  Dr.  Ahn  herausgegebenen,  bei  E.  Fleischer 
in  Leipzig  verlegten  Sammlung 

Dr.  Franz  Sommer,  Leitfaden  beim  ersten  Unterricht  in  der 
Algebra.  Leipzig,  Druck  und  Verlag  von  B.  G.  Teubner  1874.  — 
Begreiflich  ist  es  bei  dem  ersten  Unterricht  in  der  Mathematik 
vornehmlich  der  algebraische  Lehrstoff,  welcher  dem  Anfänger  Schwierig- 
keiten bietet.  Die  Gesetze  nun  der  7  Operationen  ausführlicher  zu 
besprechen,  als  dies  der  enge  Rahmen  eines  Lehrbuches  gestattet,  ist 
der  Zweck  dieser  Schrift.  Mit  Recht  hebt  dabei  der  Verfasser  zwei 
Punkte  hervor,  dass  nemlich  der  Schaler  bei  den  Beweisen  methodisch 
verfahre  und  dass  er  eine  algebraische  Formel  abersetzen  lerne 
Er  unterscheidet  bei  jeder  einen  algebraischen  Satz  aussprechenden 
analytischen  Gleichung  das  formelle  und  das  wirkliche  Resultat  der 
Rechnung;  wie  die  Richtigkeit  des  letzteren  jedesmal  festgestellt  wird, 
den  Einblick  in  das  zu  beobachtende  Verfahren  legt  er  in  so  aber- 
zeugender Weise  blos,  dass  dieses  selbst  auch  minder  Begabten  ein- 
leuchten muss.  Dieser  Leitfaden  wird  daher  aberall,  wo  er  zur  Ein- 
fahrung gelangt,  nicht  verfehlen  Nutzen  zu  stiften. 

Dr.  August  Hoffmann,  Sammlung  planimetrischer  Aufgaben, 
2.  Auflage,  Paderborn,  Druck  und  Verlag  von  Ferdinand  Schöning h. 
I87;>.  —  Sammlungen  dieser  Art  kennt  die  mathematische  Literatur 
mehrere,  darunter  vorzügliche,  wie  jene  von  Gandtner  und  Junghans. 
Meist  jedoch  entbehren  sie  einer  durchgreifenden  Methode,  durch 
deren  Eenntniss  der  Schüler  befähigt  wird,  an  die  Lösung  geo- 
metrischer Aufgaben  mit  Aussicht  auf  Erfolg  heranzutreten.  Die 
stets  gleiche,  leicht  zu  fassende  allgemeine  Methode,  welche  der 
Konstruktion  der  hier  aufgenommenen  Aufgaben  zu  Grunde  liegt, 
bildet  einen  Vorzug  dieser  Sammlung,  der  nicht  hoch  genug  ange- 
schlagen werden  kann  und  noch  durch  das  besondere  Gewicht  erhöht 
wird,  das  der  Verfasser  auf  die  Determination  legt,  für  welche 
allgemein  giltige  Regeln  aufgestellt  sind.  Referent  benützt  gerade 
dieses  Buch  mit  Vorliebe,  und  ist  der  Ueberzeugung ,  dass  es  auch 
seine  Col legen  befriedigen  werde;  es  ist  eine  Frucht  mehrjähriger 
Erfahrung  und  reicher  Sachkenntniss. 

Erster  geographischer  Unterricht.  In  Fragen  und  Antworten.  Für 
die  erste  Klasse  der  Mittelschulen  und  für  die  oberen  der  Volks-  und 
Bürgerschulen.  Von  Anton  Heinrich,  k.  k.  Professor  am  Ober- 
gvmnasinm  in  Laibach.  Mit  68  in  den  Text  gedruckten  Figuren,  Karten 
und  Bildern.  Wien  1874,  Verlag  von  A.  Pichler's  Witwe  und  Sohn. 
142  8.  in  8.  Den  Schaler  in  der  untersten  Klasse  der  Mittelschule  über  die 
Gestalt  der  Erde  und  ihr  Verbältniss  zum  Weltall  in  allgemeiner,  aber 
klarer  Weise  zu  unterrichten,  ist  gewiss  keine  leichte  Autgabe.  Daher 
verdient  jedes  Lehrmittel,  das  sich  als  Ziel  setzt,  den  ersten  Unter- 
richt in  der  Geographie  in  fasslicher  Form  zu  bieten,  Beachtung. 
Der  Verfasser,  der  eine  reiche  Erfahrung  im  Lehrfacbe  und  eine 
richtige  Erkenntniss  für  die  Bedürfnisse  und  die  Leistungsfähigkeit 
der  Schüler  besitzt,  wendet  in  seiner  kurz  gefassten  Darstellung  über 
die  Erdgestalt  und  die  Erdoberfläche  die  katechetische  Lehr- 
methode, wie  es  dem  Referenten  erscheint,  mit  Erfolg  an.  Im 
1.  Abschnitt  handelt  er  über  die  Vorkenntnisse  aus  der  physischen 
Geographie,  im  2.  Abschnitt  über  die  mathematische  Geographie,  im 


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3.  Abschnitt  über  die  Erdoberfläche  und  im  4.  Abschnitt  aber  die 
topische  Geographie.  Beim  ersten  geographischen  Unterricht  erleichtern 
Abbildungen  in  der  Hand  des  Schülers  das  Verst&ndniss  ungemein. 
Die  68  in  den  Text  gedruckten  Figuren,  Karten  und  Bilder  dienen 
zum  grössten  Teil  dazu,  die  Kenntnisse  zu  erweitern  und  zu  befestigen, 
nicht  aber  die  blosse  Schaulust  zu  befriedigen.  Die  Genauigkeit  in 
den  statistischen  Angaben  —  dem  ausgezeichneten  „Lehrbuche  der 
Geographie  von  Dr.  H.  Gutbe,  2  Aufl.,  Hannover  1872"  entnommen  — 
und  die  schöne,  zweckentsprechende  Ausstattung  dienen  dem  Büchlein 
zur  Empfehlung 

A.  Christ,  din  einfache  Buchführung  theoretisch  und  praktisch  — 
mit  wesentlichen  Verbesserungen  und  Control -Einrichtungen  5.  ver- 
mehrte Auflage.   Elberfeld,  Sam.  Lucas,  und 

A.  Christ,  die  doppelte  Buchführung  theoretisch  und  praktisch  etc., 
unter  besonderer  Berücksichtigung  der  Actiengesellscbaften.  Elberfeld, 
Sam.  Lucas.  Unmittelbar  aus  der  Praxis  hervorgegangen,  geben  diese 
Lehrbücher  die  einfache  Buchführung  in  vervollkommneter  Gestalt,  sowie 
auch  die  Grundzüge  der  doppelten  Buchhaltung,  logisch  geordnet,  in  sehr 
klarer,  verständlicher  Weise.  Da  sie  den  Stoff  für  sämmtliche  Sparten 
des  Geschäftsbetriebes  eingehend  behandeln,  dürften  sie  sich  sowol  zur 
Einführung  an  Lehranstalten  als  auch  zum  Selbstunterricht  bestens 
empfehlen. 

L.  Baum  blatt,  Buchführung  für  Gewerbe,  Handel  und  Landwirt- 
schaft Zur  Benützung  beim  Unterricht  in  Gewerbe  - ,  Handels  -,  Industrie 
und  Fortbildungsschulen.   Mannheim  L  Schneider.  1874. 

L.  Baumblatt,  Handelskunde  für  Handels-,  Gewerbe-  und  Fort- 
bildungsschulen, sowie  für  Industrieschulen.  2.  Auflage.  Mannheim 
L.  Schneider.  1874. 

Der  höhere  Lehrerstand  in  Preussen.  Culturhistorische  Skizze 
von  Herbert  S  oller.  Berlin,  Robert  Oppenheim.  1876.  34  S.  in  8. 
Preis  75  Pf.  Die  Darstellung  macht  zwar  den  Eindruck,  dass  die 
Farben  etwas  stark  aufgetragen  sind;  aber  wenn  man  auch  einiges  in 
Abzug  bringt,  bleibt  immer  noch  so  viel  übrig,  dass  wir  in  Bayern 
mit  Befriedigung  auf  die  einschlägigen  Verhältnisse  bei  uns  blicken 
können.  Denn  manches  von  dem,  was  der  Verfasser  drückend  empfin- 
det und  darum  bitter  tadelt,  haben  wir  nie  gehabt,  anderes  längst 
überwunden.  Man  möchte  fast  glauben,  dass  man  im  Norden  doch 
auch  einiges  von  uns  lernen  könnte.  Das  Schriftchen  wird  namentlich 
solchen  empfohlen,  welche  in  dem  Wahne  leben,  dass  dort  alles  vor- 
trefflich sei. 

Mängel  und  Missstände  im  höheren  Schulwesen.  Von  Cl.  Kohl. 
Neuried  und  Leipzig.  Heuser'sche  Buchhandlung  1874.  Der  Ver- 
fasser sucht  den  Grund  der  Uebelstände  zunächst  und  zumeist  in  dem 
Mangel  an  tüchtigen  Lehrern,  den  er  hinwiederum  damit  erklärt,  „dass 
l)  unsere  Philologen  auf  der  Universität  zu  wenig  das  studieren,  was 
sie  als  Lehrer  dereinst  lehren  müssen,  und  2)  dass  sie  auf  der  Univer- 
sität nicht  lernen,  wie  man  lehrt  und  erzieht".  Er  verlangt  daher, 
dass  der  Staat  Gelegenheit  biete,  an  der  Universität  auch  Pädagogik 
und  Methodik,  und  nicht  bloss  theoretische  zu  erlernen,  und  macht 
Vorschläge  für  die  Einrichtung  eines  pädagogischen  Seminars.  Man 
kann  nicht  läugnen,  dass  das  Schriftchen,  das  mit  den  Lehrern  streng 


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in's  Gericht  geht,  viel  beherzigenswertes  enthält,  wenn  auch  anderes, 
x.  B  was  es  über  den  ersten  fremdsprachlichen  Unterricht  sagt,  wenig 
Anklang  finden  wird. 

Erläuterungen  zu  den  deutschen  Klassikern.  Leipzig.  Verlag  von 
Eduard  Wartig,  1874.  Preis  p^r  Bandeben  75  Pf.  24.  B&udchen. 
Klopstorks  Oden  1.  Von  Heinrich  Düntier.  Zweite,  neu  durch- 
gesehene Auflage.  Der  Erklärung  der  Odeu  geht  eine  längere  Ab- 
handlung (82  Seiten)  „Klopstock  als  lyrischer  Dichter"  voraus.  Ausser 
diesem  sind  noch  weitere  5  Händchen  zur  Erläuterung  Klopstock'scher 
Oden  bestimmt. 

Deutschlands  spielende  Jugend.  Eine  Sammlung  von  mehr  als  430 
Kinderspielen,  auszuführen  im  Ereien  und  im  Zimmer.  Herausgegeben 
von  F.  A.  L  Jakob.  2.  vermehrte  und  sehr  verbesserte  Auflage. 
Leipzig,  Eduard  Kummer-  1875  4.10  S.  in  8.  Der  Verfasser,  ein 
alter  Turner  aus  der  L.  Jahn'scben  Zelt,  hat  sein  reiches,  wolgeordnetes 
Material  teils  aus  andern  älteren  Schriften  ähnlichen  Inhalts,  teils  aus 
dem  Volke  geschöpft.  Der  Begriff  „Kinderspiel"  ist  im  weitern  Sinne 
aufgefasst,  so  dass  auch  für  Erwachsene  etwas  abfällt.  Eltern,  Lehrer 
und  Erzieher  können  für  alle  Zeiten  und  Verhältnisse  Passendes 
daraus  schöpfen;  in  die  Hände  der  Kinder  gehört  es  schon  deshalb 
nicht,  weil  diese  sonst  versucht  sein  könnten,  das  nur  der  Erholung 
dienende  Spiel  zur  Hauptbeschäftigung  zu  machen. 


Statistisc  Los. 

Enthoben:  Der  Lehramtsverweser  für  neuere  Sprachen  an  der  Gewerb- 
schule  Landau,  Eber  lein. 

Quiesciert:  Auf  ein  weiteres  Jahr  Prof.  Maurer  an  der  Industrie- 
schule München;  ständig  der  zeitlich  quiescierte  Rektor  der  Gewerbschule 
Zweibrücken,  Marz  all;  Prof.  Dr.  Zaun  er  in  Eichstätt. 

Ernannt:  Lcbramtskand.  Friedr.  Mayer  (Konk.  1872)  zum  Studl. 
in  Ansbach;  Lehramtskand.  Kühnlein  (Konk.  1873)  zum  Studl.  in  Neu- 
stadt a  H. ;  Wolpcrt  als  Lehrer  für  neuere  Sprachen  an  der  Ge werb- 
schule Landau;  Pfarrexp.  Zeit ler  als  Lehrer  für  katholische  Religion 
an  der  Gewcrbschule  Wunsitdel;  \ Lehraiutsverw.  Lehert  zum  Lehrer 
für  neuere  Sprachen  an  der  Gewerbschule  Weiden;  Studienlehrer  Ferdi- 
nand Schöntag  in  Regensburg  zum  Gymn  -Professor  in  Speierl; 
Ass.  Krebs  in  Bamberg  (Konkurs  1871)  zum  Studienlehrer  in  Regensburg; 
Ass.  6  eher  er  in  Speier  (Konk.  1871)  zam  Studienlehrer  in  Edenkoben; 
die  Lebramtsverw.  Schneider  zum  Lehrer  für  Chemie  und  Naturgeschichte 
an  der  Gewerbschule  Traunstein,  Bö h  Inländer  zum  Lehrer  für  Zeichnen 
und  Modellieren  an  der  Gewer bscbule  Kissingen;  Lehramtskand.  Schmidt 
zum  Lehrer  für  Zeichnen  an  der  Gewerbschule  Landshut. 

Versetzt:  Der  Lehrer  für  Mathematik  und  Physik  an  der  Gewerb- 
schule Lindau,  Rietz,  an  die  Handelsschule  in  München;  Prof.  Britzl- 
mayr  von  Speier  nach  Eichstätt. 

Gestorben:  qu.  Professor  Borscbt  in  Speier;  Studienlehrer  Heinrich 
Cron  in  Ansbach. 


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95 


B  erich  tigungeo. 
Seite  20  Zeile  10  v.  u.  lies  t  =  2.  4  l/i  statt 

-•Vi" 

Seite  22  Zeile  17  v.  o.  lies  Ipf  statt  2>p. 


Die  in  meinem  Artikel  über  das  Foucault'sche  Pendel  angegebenen 
Wertbe  von  ß  ergeben  sieb  aus  der  in  dem  8.  nnd  9.  Hefte  des  X.  Jahr- 
ganges fehlerhaft  angegebenen  Gleichung  für  ritt  ß,  die  ich  nicht  vertrete. 
Nachdem  dieselbe  berichtigt  ist,  ergeben  sich  natürlieh  auch  andere 
Zahlenwerthe  für  ß.    Dieselben  berechnen  sich 

bei  a  =  90°  auf  ß  =  b°  37', 
„  «  =  60°   „   ß  —  6°  35', 
„   «  ~  30°   „   ß  =  7°  15*. 
Im  Uebrigen  besteht  keine  Veranlassung  zu  einer  weiteren  Ver- 
änderung. Schelle. 


Was  Seite  45  unter  9  steht,  gehört  als  11  zur  „Zeitschrift  für  das 
Gymnasialwesen",  Seite  46. 


Der  Sterbkasse- Verein  für  die  Lehrer  an  den  technischen  Unter- 

ricbtsanstalten  in  Bayern. 

Der  Sterbekasse  -  Verein  für  die  Lehrer  an  den  technischen  Unter- 
richts -  Anstalten  iu  Bayern  zählte  am  Schlüsse  des  Jahres  1873  in  39 
Obmannscbaften  377  Mitglieder.  Zu  diesen  kamen  im  Jahre  1874  noch 
23  neue  Mitglieder  dazu,  während  7,  und  zwar  4  durch  Tod,  3  durch 
freiwilligen  Austritt,  abgingen,  so  dass  der  Verein  das  Jahr  1874  mit 
393  Mitgliedern  schliesst.  Mit  Ausnahme  der  Gewerbschule  Mem- 
mingen sind  sämmtliche  Realgymnasien,  Industrieschulen,  Gewerb- 
schulen und  Landwirthschaftsschulen ,  wenn  auch  oft  nur  durch  einige 
Kollegen,  im  Verein  vertreten. 

Die  Einnahmen  betrugen  im  Jahre  1874  fl.  3099.  3  kr  ,  die 
Ausgaben  fl.  2425.  14  kr.  Der  Vermögensstand  entziffert  fl.  2578. 
12  kr.  Hieven  sind  fl.  617  45  kr.  für  den  nächsten  Todesfall 
reserviert,  das  Uebrige  bildet  den  Reservefond,  welcher  nach  Abzug 
von  78  fl.  12!kr  Baarbestand  der  Kasse  mit  i960  fl  27  kr.  verzinslich 
angelegt  ist.  Während  seines  nunmehr  9jährigen  Bestehens  zahlte  der 
Verein  für  42  Todesfälle  die  Summe  von  37752  M.  an  die  Hinter- 
bliebenen aus.  L. 


Gedruckt  bat  J.  Gotte*winlM  *  MömI  in  München,  ThcatiuerstraMe  18. 


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Einladung 

zur  I.  Generalversammlung  des  Vereins  der  Lehrer  an 
den  technischen  Unterrichtsanstalten  Bayerns. 

Nach  dem  Beschlüsse  der  VI.  Wanderversammlung  der  Lehrer  an 
den  technischen  Unterrichtsanstalten  Bayerns  soll  die  I.  Generalver- 
sammlung unseres  Vereines  in  München  abgehalten  werden. 

Da  sich  nun  die  Mehrzahl  der  VereinBmitglieder  für  die  Abhaltung 
dieser  Versammlung  während  der  diesjährigen  Osterferien  ausgesprochen 
hat,  so  wird  dieselbe  von  dem  geschfiftsführenden  Ausscbuss  auf 

Dienstag  den  30.  nnd  Mittwoch  den  31.  März  1.  J. 

festgesetzt. 

Die  Vorversammluog  findet  am  Dienstag,  den  30.  Marz  Abends 
8  Uhr  statt. 

Da  unter  anderem  besonders  auch  die  Berathung  und  Besch luss* 
fassung  über  die  Vereinsstatuten  einen  wichtigen  Gegenstand  unserer 
Verhandlungen  bilden  werden,  so  legen  wir  ein  Exemplar  des  von 
der  letzten  Versammlung  provisorisch  angenommenen  Entwurfes  bei. 

Abänderungsvorschläge,  sowie  anderweitige  Aufträge,  die  auf  der 
Generalversammlung  oder  in  den  SectionsMtzungen  zur  Besprechung 
kommen  sollen,  erbitten  wir  uns  spätestens  bis  26.  Februar. 

Anmeldungen,  sowie  etwaige  Aufträge  hinsichtlich  der  Wohnungen 
wollen  längstens  bis  20.  März  an  den  Realienlehrer  der  Krei9gewerbschule 
München,  Herrn  J.  Wollinger,  Blumenstrasse  17,  gerichtet  werden. 

Weitere  Aufschlüsse  über  das  Versammlucgslocal  und  dgl.  werden 
in  unserem  Vereinsorgane  bekannt  gegeben,  sowie  sie  auch  Dienstag, 
den  30.  März  im  Gebäude  der  Ereisgewerbscbule  München,  Damen- 
stiftsgasse 2/z  bereitwillig  ertbeilt  werden. 

Im  Interesse  der  Sache  hofft  man  auf  möglichst  zahlreiche  Be- 
theiligung der  geehrten  Herren  Kollegen. 

Augsburg,  den  26.  Januar  1875. 

Der  geschäftsführende  Ausschuss: 

Pfeiffer. 


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Homerisches  Allerlei. 

III    Vom  Purpur. 

(Fortsetzung.) 

3.  noQtpvqeoq  sprachlich  betrachtet. 

Schwieriger  liegt  die  Frage  bei  noQ<pvQeog,  dessen  Etymologie 
ebenfalls  nicht  über  allen  Zweifel  erhaben,  aber  für  eine  entscheidende 
Antwort  unterzulegen  ist.  Dieser  Stamm  ist  bei  Homer  34,  bezw.  30mal 
verwendet,  in  15  Fällen  von  Stoffen,  in  15  von  anderen  Verhaltnissen. 
Vergleichen  wir  zuerst  die  letzteren  15  Stellen  der  homerischen 
Gedichte,  so  fällt  auf,  dasB  die  nämlichen  Gegenstände  bald  schwarz,  ptXas, 
xeÄaivo'f,  bald  noQyvQeos  heissen,  so  das  frisch  fliessende  Blut  xtXat- 
ve<pes  (J  140)  und  piX**  (ib.  149;  vgl.  auch  A  303;  n  441);  die  damit 
befleckten  Gegenstände  werden  dann  v  141  ff.  dem  phönizisch  gefärbten 
Elfenbein  verglichen,  und  die  Erde  wird  davon  (P  361)  münzt  nog- 
(fv^tio  benetzt.  Der  Tod  heisst  II  834  und  u  92  piXuc  (s.  Ameis  z.  d. 
St.),  aber  E  83;  JZ  334;  Y  477  ganz  in  demselben  Zusammenbang 
7ioQ<pvQios.  Wird  ferner  P  551  von  einer  .logtpvQiQ  yeg>^Xfj  geredet, 
so  £  22  von  einer  ptXaiya.  Und  wenn  ebendurt  P  547  die  Wolke 
der  noQtpvqii}  im;  im  Gleichnis  gegenüber  steht ,  so  wird  auch  diese 
verführerische  Epithesis  paralysiert  durch  A  26  f..  wo  an  den  Xqicow 
die  xvayeot  Squxoyrtq  veranschaulicht  werden  sollen;  dass  dies  der 
Farbe  gilt,  ist  wenigstens  die  wahrscheinlichste  Erklärung.  Dem  päXay 
xvfitt  (daXdaanO  V  693  (cf.  n  64;  16)  steht  gegenüber  xv/ut  ;,og- 
<pvQtov  SaXctootje  (A  482  =^  ß  428;  X  243;  v  85),  äXu  noQtpvQiw  {II 
391),  nupyrotov  —  xifxa  —  ziotafioto  (*  326).  Darunter  Bind  doch 
Verhältnisse,  wie  der  Tod,  die  Wolke,  das  Meer,  bei  welchen  an  eine 
wirklich  rote  Farbe  gar  nicht  gedacht  werden  kann ;  es  muss  sich 
zunächst  nur  um  das  „Dunkle"  bandeln.  Düntzer's  oben  erwähnte 
Beobachtung  war  also  auch  auf  das  Wort  noQfpvQw  auszudehnen,  und 
dieses  ist  in  den  obigen  Stellen  Ausdruck  einer  subjektiven  Farbe. 

Das  Gefundeue  stimmt  sodann  mit  der  wahrscheinlichsten  Etymologie 
des  Wortes.  —  Nämlich:  „Dunkel"  als  Grundbedeutung  hatDöderlein  im 
Homer.  Glossar  III  S.  331  ebenfalls  schon  angenommen,  wenn  auch  seine 
Ableitung  von  yoQvvsty  unhaltbar  ist.  (Verwandtschaft  besteht  natürlich.) 
A.  Fick  im  „Vergleichenden  Wörterbuch  der  indogermanischen  Sprachen" 
(Göttingen.  1870  S.  140),  welchem  G.  Curtius  (Grunds,  der  gr.  Et. 
8.  2843)  zustimmt,  erkannte  das  Wort  richtiger  als  Intensivform  ent- 
sprechend dem  Skr.  jarbhur,  zurückzuführen  auf  die  W.  bhur  mit  der 
Bedeutung:  „sich  heftig  bewegen".  In  der  That  gebraucht  Homer  das 
Verbum  /io^upc"'  »»r  von  der  unruhigen,  aufgeregten  Beweguni?  des 
Meeres  (S  16)  und  vergleichsweise  des  Herzens,  der  Gedanken  (*  551 ; 
BUtier  L  d.  b»yer.  GymnuUlw.  XL  J«hr».  7 


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i  427  =  572;  *  309).  Das  war  auch  Aristarch's  Anschauung  laut 
Schol.  Villois    z.  S,  16:  etta&ey  öxtty  «e/'i»'  xiyqfiaxos  ij 

Xaooa,  ur).(  i  tlfiv  cfto  ftexaipigei  irxi  xov(  xaxd  i/>»/jjV  fiegifxyüyxaf  xai 
TaQaoeofityovg*).  Ebenso  spricht  sich  Lobeck  in  Path.  Elena.  I  p  160 
aus;  am  ausführlichsten  hat  diesen  Begriffsübergang,  wenn  auch  von 
einem  unrichtigen  Etymon  aus,  erörtert  und  begründet  C.  W  Lucas 
in  seinen  nach  ihrem  Princip  so  wenig  beachteten  quaestioms  lexilogicae, 
wovon  §§.  115  sqq.  hieher  gehören.  Man  vgl.  noch  A-  Fulda,  Unter- 
suchungen über  die  Sprache  der  homerischen  Gedichte  I  S.  40  f.  An 
eine  Färbung  dabei  zu  denken,  ist  nicht  der  geringste  Anlass.  Aber 
aus  der  unruhigen  Meeresbewegung  erklärt  sich,  wie  noQ<pvQeoe  zur 
Farbebezeichnung  werden  konnte.  Die  aufgeregten  Meereswellen  sind 
trübe  und  dunkel  (s.  oben  Aristarch);  werden  die  Wellen  von  Sonnen- 
strahlen getroffen ,  so  gibt  ihnen  die  Brechung  des  Lichtes,  besonders 
der  am  Morgen  oder  Abend  schwach  einfallenden  Sonnenstrahlen  einen 
rötlichen  Schimmer;  das  Dunkle  schillert  ins  Rote.  Zum  Ueberflüss 
hat  Aristot.  d.  color.  c.  2  diese  Beobachtung,  welche  man  natürlich 
längst  vor  ihm  gemacht  hat ,  und  welche  die  Reiseaden  der  Neuzeit 
wiederholt  haben,  bezeugt:  <paivtrai  ök  xai  i}  »dXaxxa  rropyrpoewfijf, 
oxav  xd  xvuaxu  pex  e  ta  g  ifo'  fxe  v  a  x«r«  rijV  syxXiaiy  axtuc&p  »pof  ydq 
xov  xavxiji  xXioudv  aa&eveit  al  xov  rtXiov  uvyai  TigoaßdXXovaat  noiova 
<t  an  Fad  et  t6  /peu^«  (tXovQyiq  (über  den  letzten  Ausdruck  =  noQqjvgeov 
gleich  nachher  ein  mehreres)  Ist  das  nicht  dasselbe,  was  200  Jahre 
früher  Simonides  mit  poetischer  Kürze  angedeutet  in  den  Worten 
noQyvQiag  dX6(  dfiyixagaoaofjt'vas  (frg.  51)?  (Vgl.  Ameis  £.  ß  428. 
Oöthe,  Farbenlehre  §.  57.  Lucas  1 1.  p.  190  mit  anderer  Argumentation 
§§.  133  sqq).  Das  aufgeregte  Meerwasser,  xvpa  nogtpvQeoy  ist  also,  je- 
nachdem,  beides:  dunkel  und  rotschillernd 

Aus  dem  Bisherigen  ist  soviel  klar,  dass  noQ<pv(>$os  zuerst  und 
noch  bei  Homer  keine  bestimmte  Farbe,  und  dass  es,  entgegen  Fried - 
reich's  Annahme  (Realien  S.  332*),  keinen  Färbestoff  bezeichnete,  sondern 
nur  einr  Farbeerscbeinung,  nämlich  die  des  unruhigen  Meeres,  welches 
bald  ganz  dunkel,  bald  rötlich  schimmernd  erscheint.  Dieser  Gebrauch 
bleibt  bei  den  Dichtern,  soweit  die  uns  erhaltenen  Reste  ein  Urteil 
gestatten ,  vorherrschend  bis  auf  Aischylos  ,  wie  folgende  Zusammen- 
stellung gegenüber  den  wenigen  später  vorzuführenden  Stellen  ausweiset. 
Man  beliebe  zu  beachten:  Allem,  frg.  53:  iiogyvgiag  dX6s  Theogn.  v. 


•)  In  gleichem  Sinne  Schol.  E  z  ß,  428  und  Schol.  B,  E,  Q,  Vulg  z.  <f, 
427,  desgleichen  Eust.  z.  d  St.  und  z.  ß,  428,  wo  zu  lesen  ist  xo  de 
noQfpVQtoy  yxeiwxiu  xjj  SaXdaafl,  o$ey  dXtnogopvga  nagd  xoig  naXtuoig, 
aXixkvaxtt,  aXovgyd,  nog<pvgä  (nicht  nog<pvgd,  b.  Schweigh.  z.  Athen.  XII 
p.  525,  d.) 


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1035:  noQ(pvQirjq  —  Xipvqq.  v.  828:  noQtpvoiovz  ategxtvovs  zum  Kopf- 
schmuck bei  Festgelagen,  also  von  Rosen  zu  verstehen.  Simon,  frg.  51 
(8.  oben);  frg.  72:  nootpvQiov  dJ  dno  axofjuttoi  leiaa  tpioyäy  naQ$4vos. 
Pbrynich.  b.  Ath.  XIII  p.  604:  Xa/unsi  cP  ini  noQtpvQiutq  nttQ^ai  (pug 
iQtaros  von  der  Schamröte.  Anakr.  frg.  2,  3:  noQtpvQfy  'j(pQodiin 
gegenüber  den  .Vt/>gp«i  uwummttt.  Find.  Pyth.  IV,  183:  nregoioiy 
noQ<pvQ60K,  Nem.  XI,  28:  noQtpvQiois  igveoiy,  Ol  VI,  55:  u»y  gay&ttoi 
xrti  7itt(jmoQ<fv<}<n$  ttxxiot.  [Atsch.  Suppl.  629:  Xiina  noQ<pvQoetdei.] 
Immerhin  zeigen  diese  Stellen  auch  schon  eine  Verschiedenheit  von 
dem  erkennbaren  homerischen  Gebrauch ;  die  Verwendung  von  noQtpv- 
otoi  verbreitet  sich  von  dem  dunkelroten  Schiller  der  Meereswellen 
bis  zur  sanften  Röte  eines  feinen  menschlichen  Antlitzes  und  dem 
Schiller  der  hellfarbigen  Violen  (vgl.  über  diese  V.  Hehn,  Cultur- 
pflanzen  und  Haustiere  S.  173).  Den  Zeitgenossen  des  Sophokles  war 
dann  die  ursprüngliche  Vorstellung  von  nogyroeos  bereits  entschwunden, 
und  sie  verstanden  solche  dichterische  Stellen,  wie  die  aufgeführten, 
lediglich  als  Vergleiche  mit  dem  wirklichen  Purpur.  Darüber  sind 
wir  direkt  belehrt  durch  die  schlechten  Witze,  welche  Athenaeus 
(XIII  p.  604,  a  und  b)  aus  den  'r.mdijfiiai  des  Dichters  Jon  aufbewahrt  hat. 

Wenn  wir  also  den  homerischen  Gebrauch  allein  beachten,  oder 
auch  wenn  wir  jenen  der  ältesten  Lyriker,  wie  wir  ihn  überwiegen 
sehen  ,  danebenstellen  und  bedenken,  dass  in  der  Dias  ausser  einer 
einzigen  Stelle  alle  Farbebezeichnungen  nur  subjektive  sind,  so  recht- 
fertigt nichts,  die  spezielle  Bedeutung:  „Purpur"  vorauszusetzen;  keine 
einzige  der  17  genannten  Stellen  hat  diesen  Begriff  zur  notwendigen 
Voraussetzung,  im  Gegenteil  es  wäre  unnatürlich,  wenn  die  Griechen, 
welche  zweifelsohne  das  Meer  früher  kennen  lernten  als  den  Purpur, 
von  diesem  eine  Eigenschaft  auf's  Meer  übertragen  hätten,  und  es 
wäre  unerklärlich,  wie  aus  dem  Grundbegriff  Purpur  heraus  das  Wallen 
des  Meeres  hätte  noQtpvgeiy  genannt  werden  sollen.  Wol  aber  ist  in 
dem  erörterten  homerischen  Gebrauch  der  Ursprung  der  späteren 
gewöhnlichen  Bedeutung  von  nogyvQa  ersichtlich  und  erklärlich;  denn 
wol  ist  es  natürlich,  dass  die  Griechen,  den  Schiller  des  Purpurs 
kennen  lernend,  diesen  mit  dem  längst  gekannten  Schiller  der  Meeres- 
wellen verglichen.  Wie  passend  sogar  zu  einer  solchen  Begriffsent- 
wickelung dieser  Stamm  verwendbar  war,  kann  nicht  verkennen,  wer 
sich  gegenwärtig  hält,  was  schon  Bocchart  1.1.  II  p.  733  1.  30  ange- 
deutet, dann  1.  51  wieder  aufgehoben,  Schmidt  (a.O.  8.  149  f.,  127  und 
besonders  157)  schärfer  durchgeführt  hat*),  daas  zum  Wesen  des  Purpurs 
das  Rote  nicht  gehört,  sondern  „das  glänzende  schillernde  Farbenspiel" 


*)  Amati  1 1  c  XXVH  p  36  sq.  erkennt  in  dem  Schiller  wenigstens 
einen  Hauptvorzug  des  Purpurs. 

7* 


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t  427  =  672;  x  309).  Das  war  auch  Aristarch's  Anschauung  laut 
Schol.  Villois  z.  S,  16:  eitadey  öxay  «'p*'?*'  XapßuvQ  xiyrjfAaxog  >}  $ß- 
Xttooa ,  (AzXnyifciv'  dto  fAixatpiQBi  ini  xovg  xaxii  if/v^tjy  (AtQifuvüvxttg  *°* 
raQaaoo^iivovg*).  Ebenso  spricht  sich  Lobeck  in  Path.  Elem.  I  p  160 
aus;  am  ausführlichsten  hat  diesen  BegrifFsübergang,  wenn  auch  von 
einem  unrichtigen  Etymon  aus ,  erörtert  und  begründet  C.  W  Lucas 
in  seinen  nach  ihrem  Principso  wenig  beachteten  quaestiones  lexilogicae, 
wovon  §§.  115  sqq.  hieher  gehören.  Man  vgl.  noch  A.  Fulda,  Unter- 
suchungen über  die  Sprache  der  homerischen  Gedichte  I  S.  40  f.  An 
eine  Färbung  dabei  zu  denken ,  ist  nicht  der  geringste  Anlass.  Aber 
aus  der  unruhigen  Meeresbewegung  erklärt  sich ,  wie  nogipvgeog  zur 
Farbebezeicbnung  werden  konnte.  Die  aufgeregten  Meereswellen  sind 
trübe  und  dunkel  (s.  oben  Aristarch);  werden  die  Wellen  von  Sonnen- 
strahlen getroffen ,  so  gibt  ihnen  die  Brechung  des  Lichtes,  besonders 
der  am  Morgen  oder  Abend  schwach  einfallenden  Sonnenstrahlen  einen 
rötlichen  Schimmer;  das  Dunkle  schillert  ins  Rote.  Zum  Ueberflnss 
hat  Aristot.  d.  color.  c.  2  diese  Beobachtung,  welche  man  natürlich 
längst  vor  ihm  gemacht  bat ,  und  welche  die  Reisenden  der  Neuzeit 
wiederholt  haben,  bezeugt:  tpaivexai  Sk  xai  i?  &äXaxxa  nogqivQoeiSijg, 
oxav  Ter  xvfiaxu  fi  er  e  <a  g  i  (  6  u  e  v  «  xaxri  x*jy  eyxXiaiy  axiua&fj  ngog  yog 
tov  xavxyg  xmouov  no&evetg  al  xov  rtXiov  avyai  ngoaßaXXovoai  notovai 
(faireaOat  To  xgaifja  aXovgyig  (über  den  letzten  Ausdruck  =  noQtpvQSO? 

gleich  nachher  ein  mehreres)    Ist  das  nicht  dasselbe,  was  200  Jahre 

früher  Simonides  mit  poetischer  Kürze  angedeutet  in  den  Worten 
vogcpvgittg  nXog  d^rfixugaaao^iyng  (frg.  51)?  (Vgl.  Ameis  z-  ß  428. 
Oöthe,  Farbenlehre  §.57.  Lucas  11.  p.  190  mit  anderer  Argumentation 
§§.  133  sqq).  Das  aufgeregte  Meerwasser,  xvua  nogrfvgeoy  ist  also,  je- 
nachdem,  beides:  dunkel  uud  rotschillernd 

Aus  dem  Bisherigen  ist  soviel  klar,  dass  nogyvgeog  zuerst  und 
noch  bei  Homer  keine  bestimmte  Furbe,  und  dass  es,  entgegen  Fried- 
reich's  Annahme  (Realien  S.  332*),  keinen  Färbestoff  bezeichnete,  sondern 
nur  eine  Farheerscbeinung,  nämlich  die  des  unruhigen  Meeres,  welches 
bald  ganz  dunkel,  bald  rötlich  schimmernd  erscheint.  Dieser  Gebrauch 
bleibt  bei  diu  Dichtern,  soweit  die  uns  erhaltenen  Reste  ein  Urtfil 
gestatten,  vorherrschend  bis  auf  Aischylos  ,  wie  folgende  Zusa: 
Stellung  gegenüber  den  wenigen  spater  vorzufahrend»  ;  Stellen  ausweiset 
Man  beliebe  zu  beachten:  Alkm.  frg.  53:  nogy  vgt'ug  tiXog    Theogn  v 


•)  In  gleichem  Sinne  Schol.  E  z  ß,  428  und  Schol. 

427,  desgleichen  Enst.  z.  d    St.  und  z.  ß,  428 
7iog<pvgtoi>  ojxeimrftt  Tfj  daXtiaafl,  o$ey  ttAuf 
aXixivox€<1  uXovgydj  nogavga  (nicht  nogtr. 
p.  525,  d.) 


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1035:  noQtpvQin  —  Xifirn.  v.  828:  nootpvoiovs  <ne<pavov<  zum  Kopf- 
scbmack  bei  Festgelagen,  also  von  Rosen  zu  verstehen.  Simon,  frg.  5t 
(s.  oben);   frg.  72:  noQyvoeov  <P  cm«  oro>oro£  Uiaa  pcoraV  7rap£<V<*. 
Phrynich.  b.  Ath.  XIII  p.  604:   kirnst  <P  6ü  noQtpvQiuig  n^tl 
SotoTog  von  der  Schamröte.    Anakr.  frg.  2,  3:  nootfvq^  '^oWi'r, 
gegenüber  den  tft^o?«»  xw«#nuW*s.   p»nd.  PyfÄ.  IV,  183:  nreoofrtr 
nopojvpfotf,  iVew  XI,  28:  7ioQ<pvoiois  Ipv6<ni/,  0J  VI,  05;  fer  |«vS«J*« 
x«i  nupnoQfpvQoig  axviai.     [Atsch.   Suppl.  629:  Up*,  nop^ep^jii 
Immerhin  zeigen  diese  Stellen  auch  schon  eine  Verschiedenheit  von 
dem  erkennbaren  homerischen  Gebrauch ;  die  Verwendung  von  nop«»- 
pco4  verbreitet  sich  von  dem  dunkelroten  Schiller  der  Meereswellen 
bis  zur  sanften  Röte  eines  feinen  menschlichen  Antlitzes  und  dem 
Schiller  der  hellfarbigen  Violen  (vgl.  über  diese  V.  Hehn  Colfur- 
pflanzen  und  Haustiere  S.  173).    Den  Zeitgenossen  des  Sophokles  war 
danu  die  ursprüngliche  Vorstellung  von  nopp/p*  bereits  entschwunden 
und  sie  verstanden  solche  dichterische  Stellen,  wie  die  aufgeführten' 
lediglich  als  Vergleiche  mit  dem  wirklichen  Porpur.  Darüber  sind 
wir  direkt  belehrt  durch   die   schlechten  Wit«,  welche  Athenäen* 
(XIII  p.  604,  a  und  b)  aus  den  '  llntJ^ut«,  des  Dichters  Job  aufbewahrt  hat 
Wenn  wir  also  den  homerischen  Gebrauch  allein  beachten,  oder 
auch  wenn  wir  jenen  der  ältesten  Lyriker,  wie  wir  ihn  fiberwiegen 
sehen,  danebenstcllen    und  bedenken,  dass  in  der  Was  anaer  eiaer 
einzigen  Stelle  alle  Farbebezeichnungen  nur  subjektive  «üd,  *>  recht 
fertigt  nichts,  die  spezielle  Bedeutung:  „Parpur"  raranaaeiat* ;  keine 
einzige  der  17  genannten  Stellen  bat  diesen  BegrÜ  aar  im  m  jw, 
Voraussetzung,  in.  Gegenteil  es  wäre  unnatdrüdi,  wen  dir  ßiiedkM 
welche  zweifelsohne  das  Meer  früher  kennen  kram  ah 
von  diesem  eine  Eigenschaft  auf's  Meer  fikraq 
wäre  unerklärlich,  wie  aus  dem  Grundbegriff»* 
des  Meeres  hätte  noQopvQety  genannt  werdet  «te 
dem    erörterten   homerischen  Gebraocn 
gewöhnlichen  Bedeutung  von  nop^vft  en 
wol  ist  es  natürlich,  dass  die  Gritthaa. 
kennen  lernend,  diesen  mit  dem  Jitpr, 

Heu  \t  i  L-lichen  Wie  passend  m 
Wickelung  di»-s<  r  Stamm  verwendbar 

nulf,  m 


100 


und  dass  man  nur  iu  Folge  des  geschichtlichen  Ganges  der  Parpar- 
färberei an  die  irrtümliche  Vermengung  von  Rot  und  jeglicher  Purpur- 
sorte  sich  gewöhnte,  statt  dies  auf  den  tyrischen  Purpur  xor*  ifo/ijV 
richtig  zu  beschränken.  Nun  halte  man  noch  daneben,  wie  Plin.  IX, 
38,  62  die  Erscheinung  des  tyrischen  Purpurs  schildert,  je  nachdem 
man  ihn  von  vorne  oder  von  der  Seite,  zumal  gegen  die  Sonne 
gehalten,  besah. 

Aus  Homer  heraus  können  wir  hienach  auch  Stoffe  und  Kleidungsstücke, 
wenn  ihnen  das  Prädikat  togy  vgeog  beigelegt  wird,  für  nichts  anderes 
erklären,  keine  andere  Eigenschaft  daran  erkennen  als  eine  subjektive 
Farbe,  die  des  Dunklen  und  ins  Rote  Schillernden  oder  einen  Schiller 
überhaupt.  Lucas  11.  p  199  hat  darum  seine  im  wesentlichen  gleiche 
Ansicht  durch  eine  Zusammenstellung  der  sonstigen  homerischen 
Bezeichnungen  von  „Glanz"  an  den  Stoffen  gestützt  (Z  289;  o  105. 
E  315;  Z  295  =  o  108.  C  38;  X  189;  x  337.  K  156:  cf.  Lucas  §•  144). 
Die  betreffenden  Stellen  sind  r  126:  dinXaxa  nog<pvg£nv  am  Webstuhl 
der  Helena  in  Troie;  &  221:  nog<pvgeov  (*£yn  rpdgog  des  Agamemnon; 
&  84  des  Ody8$eus;  I  200*  xdnrt<si  nogtpvgioiai  über  den  xltopoi  in 
AchiH'8Zelt;  &796;  ninXot  zum  Umhüllen  des  Aschenschreines;  £644: 
tfyea  nogyvgea  bei  Achill  in  die  Bettstellen  gelegt  und  mit  ranijrff 
und  *W<u  überdeckt,  ebenso  &  297  f  im  Palast  des  Menelaoe;  x350 
über  den  #(>oVoi  der  Kirke;  115  (u.  154):  x^alvttV  nogyvgirjy  des 
Telemacb,  und  t225:  x*-aiv(tv  nogtpvgfyy  ovXyy  äinXijy  desOdysseus; 
vgl.  v.  241  f.:  dinXaxa  xaXtjy  iiogyvgsqy.  S-  372:  <S(patg«y  nog<pvg£qy 
der  Phäaken ;  v  151 :  xdnqxas  nogfpvgiovg  über  die  Thronoi  im  Palast 
zu  Ithaka  gebreitet.  Vergleichen  wir  also  diese  14,  eigentl.  13  mit  den 
obigen  17,  bezw.  15  Stellen,  so  kommen  wir  mit  unseren  Schlüssen  immer 
noch  um  keinen  Schritt  weiter  als  vorhin ;  :togtpvgtog  könnte  wol  an  jenen 
13  Stellen  „purpuren"  von  wirklicher  Färbung  heissen;  aber  an  den 
andern  Stellen  heisst  es  das  entschieden  nicht.  Und  da  wir  sonst 
keinen  Anhaltspunkt  haben,  dass  nog<pvgeog  bei  Homer  einen  doppelten 
Gebrauch  habe,  müssen  wir  diejenige  Bedeutung  als  die  alleinige 
annehmen,  welche  zweifellos  ist  Ja  es  wäre  ein  wunderlicher  Zufall, 
dass  das  Substantiv  7i<>g<fvga,  wenn  es  existiert  hätte,  bei  Homer  nicht 
zu  lesen  ist.  Man  wird,  denke  ich,  nicht  entgegenhalten  die  Namen  J/on- 
<pvgovaaa  und  JIog<pvgig  fürKythera  und  Nisyros.  Denn  wenn  es  heisst 
Steph.  Byz.  S.v.  Kv&ygtf  vrt<iog  duo  Kvdrjgov  xov  <f>oivixog'  ixaXttxo  cf* 
Jlogtpvgovaaa  Sid  16  xdXXog  ro  nagd  xtoy  nogtpvguiv  (1.  xüv  nag*  avxft 
nog<pvg<Zy),  <og  *  AgioxoxiX*ig,  und  S.  v.  Niovgog'  —  ixaXsixo  xai  Uogtpvgig 
dno  xiZv  iv  aJrjj  nogtpvgwv,  so  folgt  schon  aus  dieser  Ausdrucksweise 
gar  nicht,  dass  dies  die  älteren  und  jenes  die  jüngeren  Namen 
gewesen  seien.  Im  Gegenteil,  wie  Kythera  zuerst  eine  phönizische 
Niederlassung  war  (s.  Her.  I,  105),  so  musste  es  auch  zuerst  einen 


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101 


pbönizischen  Nainen  haben,  wofür  Kythera  so  gewiss  zu  gelten  hat 
als  der  Name  des  nahen  Kothon  (—„Klein",  vgl.  Movers,  Pböniz.  II,  2 
S.  270  A.  32),  uud  Nisyros  ist  mit  diesem  Namen  wenigstens  B  676 
schon  genannt,  also  doch  vor  dem  8.  Jahrb.,  in  welches  nach  den  sorg- 
faltigen Untersuchungen  Niese's  Uber  den  Schiffskatalog  die  Abfassung 
dieses  homerischen  Stückes  fällt.  Die  Bezeichnung  „Purpurinsel"  wird 
darum  gar  nicht  eine  geographische  gewesen  sein,  sondern  nur  ein 
Zuname,  welcher  für  Kythera  vielleicht  gerade  erst  von  Aristoteles 
herrührt.  Indes  kehren"  wir  zurück.  Döderlein  a.  a  0.  (III  S.  331) 
hat  daher  mit  Recht  erklärt,  dass,  nach  den  homerischen  Stollen  für 
sich  zu  urteilen,  es  unentschieden  bleiben  muss,  ob  Homer's  noQtpvqea 
ei'fiaxa,  tpagea,  rrm^ref,  Qtjyt«,  /Ä«**'«t  schon  gerade  purpurrot  oder 
überhaupt  dunkel  gefärbt  waren".  Nicht  einmal  d»s  (iefärbtsein 
ist  gewiss,  geschweige  eine  decidierte  Farbe.  „Dunkel"  waren  sie,  wie 
das  aufgeregte  Meer,  sei  es  durch  die  natürliche  Farbe  der  Wolle 
(wovon  sogleich  nachher),  sei  es  durch  einen  dunklen  Schiller,  ähnlich 
dem  Meere,  sei  es  durch  die  Färbung  in  phönizischer  Tuuke.  Für 
Letzteres  lässt  sich  anführen  die  parallele  Ausdruckweise  K  133  f.: 
xXaivav  —  (poivixoeooay  dmXijv,  ixiaii^  otXq  <P  inevij*o$e  hi^vn  und 
r  225:  x^u'yay  noQtpvQi'riv  ovlriv  —  dmX!}»>,  noch  mehr  aber  die  Be- 
zeichnung des  Blutes  als  nogcpvQeov  (P  361)  und  seine  Yergleicbung 
mit  dem  phönizUcben  Rot  (J  141). 

Der  Gebrauch  des  Wortes  noqtpvQeos  ist  durch  alle  Teile  der  Iii as 
und  Odyssee  verbreitet.  Das  gilt  nicht  von  dem  Ausdruck  aXinoQtpvQot, 
welcher  schon  als  Compositum  für  jünger  gelten  muss  und  auch  nur 
zweimal  in  der  Odyssee  vorkömmt,  einmal  vom  Gespinnste  (^Xaxccra 
f  53  =  306)  und  einmal  vom  Gewebe  (<paQea  v  108)  ausgesagt.  Eine 
Veranlassung  zu  dieser  Neubildung  musste  also  vorliegen,  and  das  war, 
soviel  die  Zusammensetzung  selbst  vermuten  lässt,  eine  Verwischung 
des  Grundbegriffes,  welcher  durch  die  Zusammensetzung  wieder  aufge- 
frischt wurde.  (Zusammensetzungen  mit  «At  —  hat  Homer  auch  sonst 
einige).  Aber  auch  diese  Zusammensetzung  bewahrte  den  Grundbegriff 
so  wenig  als  etwa  eine  Fixierung  der  Bezeichnung  des  Purpurs  darin 
nachweisbar  wäre.  Denn  einerseits  stehen  die  ^Xaxartt  dXinoQfpvqa 
C53  gleich  der  r,Xaxuxq  io$*>i(pts  elgos  l/owa«  &  135  und  diese  wiederum 
den  oteg  —  <faevtuaXXoi  ioöveykg  elgog  ixoyJB^  (*  f.,  man  vgl.  ot* 
fjittaivav,  nafAfiiXava  K  21. ,  x  527;  525),  daher  ich  oben  annahm,  dass 
unter  nog<pvQeog  auch  die  natürliche  dunkle  Farbe  der  Wolle  verstanden 
sein  konnte;  andererseits  treffen  wir  bei  den  ältesten  Lyrikern  wieder 
die  Wendungen  wie  aXtn6(>q>vQog  etctQog  ogvtg  Alkm.  frg.  21 ,  4  und 
ouffitt  ttXinoQtpvQov  Xifiyyg  Arion.  frg.  v.  18,  und  erst  bei  Anakr.  frg 
138  ist  uns  abermals  ein  «XutoQipvQov  qiyog  überliefert,  zu  welchem  sich 


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dann  wol  auch  unter  den  Anacreontea  Nro  35,  2:  dXi:toQtf>vQo^  td/itjaty 
▼ergleichen  lässt. 

In  dem  Compositum  nXmoQtpvQos  liegt  also  einerseits  selbst  wieder 
eine  Bestätigung  dessen,  dass  noQtpvQcoe  nicht  von  anfang  an  die  wirkliche 
Purpurfarbe  als  solche  benannte,  weil  man  an  uXi  nicht  zu  erinnern 
brauchte,  wenn  man  die  Purpurschnecke  zuvor  kannte,  und  sie  dem 
Stamm  noQtptQ  -  den  Namen  statt  umgekehrt  gegeben  hätte,  andererseits 
allerdings  auch  eine  gewisse  Specialisierung  des  Wortes  oder  ein 
erster  Ansatz  dazu,  insofern  es  eine  Farbe,  die  nicht  dem  Meere 
gleicht  oder  nicht  vom  Meere  stammt,  als  Gegensatz  durchblicken  lässt. 
Eine  weitere  Combination  lässt  sich  leider  daran  nicht  knüpfen;  denn 
nun  verschwindet  das  Wort  so  zu  sagen  ganz  aus  unseren  Literatur- 
zeugnissen und  daher  wol  auch  so  ziemlich  aus  dem  Gebrauch,  bis  die 
Lexicographen  und  Scholiasten  darauf  wieder  zu  sprechen  kommen, 
was  natürlich  gar  kein  Beweis  eines  fortgesetzten  Lebens  ist  Wir 
können  darum  auch  deren  Deutungen  keinen  grossen  Wert  beilegen, 
auch  wenn  Poll  VII,  58  von  der  persischen  Kleidung  sagt:  6  <fe  xuv&vq 
6  fihv  ßaalXetof  tlXinoqtpvQos ,  6  <f  'e  rtSy  «XXtov  /lOQyvQovs,  welche  Stelle 
vielmehr  wie  ein  MisverBtändnis  von  Xen.  Cyr.  VIII,  3,  13  sich  aus- 
nimmt.  Gerade  in  dieser  zeugnislosen  Zeit  aber  geschah  die  Begriffs- 
wandlung des  Wortes,  seine  erste  bestimmte  Verwendung  für  Purpur. 
Denn  anstatt  dXinogfpvgos  erscheint  vom  6.  Jahrhundert  an  das,  wie  mir 
scheint,  aus  ihm  abgekürzte  dXovQytjs  und  dessen  Sippe  zur  Bezeichnung 
des  Purpurnen.  Die  Composition  alt  -  egyo  konnte  doch  diesen  Begriff 
so  wenig  unmittelbar  entwickeln,  als  ihn  »aXaaaovgyo  - <■  entwickelt  hat; 
dieses  hat  immer  vom  5.  Jahrh.  an,  wo  es  zuerst  bei  Charon  hist.  frg 
10:  reif  —  9-uXnaaovQyuiv  riytts  (gleich  ol  tiXteif  nachher)  begegnet, 
bedeutet,  was  seine  Bestandteile  aussagen :  die  Arbeit  des  Fischers 
oder  des  Grosshändlers;  so  bei  Ephor.  fr.  60:  iwy  dy&pajnwv  ^aXarxovp- 
yovvrtov  i/xnogutwg,  bei  Xenophon,  Polybius,  Lucian.  '  JXovQyqs  dagegen 
finden  wir  zuerst  im  6.  Jahrh.  bei  Xenophanes  frg.  3  (Bergk):  nava- 
XovQyia  g>agea  von  den  tausend  Aristokraten  der  Kolophonier  (vgl. 
Theopomp.  b.  Athen.  XII  p.  626,  c),  bei  Ätsch.  Ag.  920  und  zwar 
sogleich  mit  der  Bedeutung:  „purpuren",  und  so  ist  es  doch  nicht 
wol  anders  denkbar,  als  dass  mittels  des  Durchgangs  durch  die  Form 
aXtnoQ(pvgo(  erst  dem  Worte  tiXovoyijs  und  gleichzeitig  dem  Stamm 
noQtpvQ-  die  specielle  Bedeutung  „Purpur"  gesichert  wurde  in  noQ- 
tpvga,  noQ(pvQeog  und  noQtpvQevat. 

BoQ<pvQa  in  dieser  Form  und  zur  zweifellosen  Benennung  des 
Purpurs  mittels  dieses  Stammes  erscheint  für  uns  zuerst  bei  Alkman, 
welcher  von  Geburt  ein  Asiatc  war,  im  frg.  65:  ov  yuQ  nog(pvga( 
xoeoq  xooos,  äar'  afdvyaa^ai  (ob  man  hier  dpvyao&at  in  seiner  genauen 
Bedeutung:  „von  6ich  abwehren"  oder  nach  dem  Grammatiker  Aristophanes 


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103 


im  Schal  e.  H.  E  266  gleich  dem  einfachen  atisfyaoSai  zu  verstehen 
habe,  macht  hier  keinen  Unterschied.)  IIog<pvg«  kann  hier  ebensogut 
die  Purpurschnecke,  als  metonymisch  die  Purpurfarbe  oder  der  Purpur- 
zeug sein,  just  wie  die  Römer  mit  purpura  und  wir  im  Deutschen  mit 
„Purpur"  uns  gewöhnt  haben  Wie  aher  das  auch  zu  verstehen  sei, 
so  steht  fest,  dass  die  Purpurschnecke  ihren  griechischen  Namen 
spätestens  im  7.  Jahrb  erhalten;  denn  nogtpvga  ist  gleich  xdyxn  noQ~ 
(pvQu,  und  eine  andere  Ellipse  kaum  denkbar.  Wie  zufällig  und  mangel- 
haft aber  unsere  Ueberlieferung  ist,  sehen  wir  daraus,  dass  die  nächste 
evidente  Spur  der  Purpur  Schnecke  erst  durch  eine  Stelle  des 
Aischylos  (Ag.  959)  und  dann  ein  Fragment  des  Sophokles  (Past.  frg. 
b.  Sc?wl.  Ar.  Equ.  1147):  xrjfiolot  nXexzoig  nogq)vgct(  eibalten  ist. 
Doch  lehrt  uns  noch  aus  der  Zwischenzeit  des  6.  Jahrhunderts  ein  Zeugnis, 
dass  noQyvQevetv  vom  Färben  mit  Purpur  gesagt  worden.  'AxovaiXaos 
cFc  iy  negi  yeveaXoyiwv  7iog<pvgev9qyal  (pqow  vno  tfc  !h(Xda<ftjs  (sc 
ro  <tiga6  sive  roV  paXXdy):  Schol.  Apoll  Rh.  IV,  1147.  Denn  diese 
ungewöhnliche  Ausdrucksweise  soll  nichts  anderes  bedeuten  als  wenn 
Schol  Eur.  Med.  5  sagt:  Udyxgvaov  (fegag'  —  xai  £ift<uyiJt](  dk  iv 
loi  etf  xov  flooEid'ioya  i  in  u>  (frg.  21  ,  Bergk.)  dno  xiCy  iy  rfj  &aXda<jß 
nogtpvQüiy  xf  j>n<üu,'+ai  avr6  Xiytt.  (nogg>vgioy  ist  hier  doch  wol  statt 
nog<pvg<ov  zu  lesen)  Eine  Bestätigung  dessen  liefert  uns  der  Inhalt 
des  sybaritischen  Gesetzes  (aus  dem  6.  Jahrh.,  worüber  nachher  mehr) 
bei  Athen  XII  p.  521,  d  (Phylarch.  frg  45),  wodurch  sie  rot/V  tijV  nog- 
tfvgav  xijy  SuXaxxiav  ßdnxoyxag  xai  xot>g  sladyovxas  dxeXets  inoirioay, 
in  welchen  Worten  wahrscheinlich  der  Gesetzestext  verwendet  ist.  In 
diesen  Worten  Alkmans,  des  AkuBilaos,  des  sybaritischen  Rechtes  und 
des  Sopkokles  kann  der  Begriff  nogtpvga  nichts  anderes  als  Purpur  im 
eigentlichen  Sinn,  den  Färbestoff  oder  damit  Gefärbtes  bedeuten. 
Dazu  kömmt  nun  das  Fragment  Sappho's  b-  Ath.  IX  p.  410,  e  (Nro  44 
b.  Bergk),  aus  welchem,  so  schwierig  die  Stelle  im  ganzen  ist,  doch 
soviel  hervorgeht,  dass  von  /etpo'^ßxrp«  nogtpvga  oder  nogtpvgas  als 
Kopfschmuck  asiatischer  Frauen  die  Rede  war,  welche  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  als  Geschenke  aus  Phokaia  (anv  4>aixdac)  der  Aphrodite 
geschickt  waren.  Danach  dürfen  wir  unbedenklich  frg.  64  ebenfalls 
hieher  ziehen,  welches  nogtpvgiav  x^duvy  dem  Eros  zuschreibt,  ferner 
der  Zusammenstellung  wegen  Bakchyl.  fr.  28:  ovxe  /ptxrof  otJre  koq- 
tpvgeot  xdnrtxe$ ,  Simon,  frg.  37,  12:  iy  aogtpvgiq  /AaWcf*  des  Kindes 
Perseus;  und  Pind.  Pyth.  IV,  114:  anagydvoig  iy  nogtpvgiois  von  einem 
forstlichen  Kinde.  Endlich  ist  überaus  deutlich  und  wichtig  Atsch  Ag. 
910:  nogtpvgoaxgmxog  ndgos,  957:  nogtpvgas  naxeSy  und  959:  (SvXctoaa) 
xgitpovoa  noXX^g  nogtpvgaq  iadgyvgoy  xtjxiffa  nayxaivittxov  sl/Lidxtoy 
ßatpds.  Beachten  wir  an  dieser  Stelle  zugleich  das  iadgyvgoy ,  welches 
v.949  in  den  Worten  dgyvgtoytjzovf  vtpds  betont  ist,  und  die  nur  schwer 


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104 


überwundene  Ängstliche  Scheu  des  Königs  vor  der  göttergleichen  Ehre, 
Ober  Purpur  zu  schreiten  |v.  946  ff  :  xai  toitrde  iußaiyovr*  oXovq- 
yt'otv  &$d>y  fiij  Tif  npöott&ey  .  ««reu»'  ftdXot  <p»6yoq-  noXXrj  yup  aidatf 
tlftarotp&opeiy  nooiv  tp^eiqovia  nXovxoy  aQyvgtoyijrovs  &  v<pns):  so 
drängt  sich  unwillkürlich  eine  Ahnung  auf,  welch'  kostbares  Gut  noch 
Aiscbylos  und  seine  Mitbürger  um  die  Mitte  des  5.  Jahrhunderts  (Auf- 
führung des  Agamemnon  Ol  80,  2)  in  dem  echten  Purpur  erkannten. 
Denn  ein  andermal  \Eum.  982)  sieht  derselbe  nur  etwas  Herkömm- 
liches in  den  tpoiyixoßanra  io&r^ttta  an  den  Teilnehmern  der  Eume- 
nidenprozession. 

Indes  kehren  wir  vorläufig  zur  Geschichte  des  Begriffes  toptpvpeos 
zurück.  Nachdem  wir  dessen  Identifizierung  mit  dXovpye'f  soeben  bei 
Aischylos  (v.  946)  gesehen  haben,  welche  auch  Aristoph.  Equ.  967, 
Plat  d.  rep.  IV  p.429,  d  wegen  der  Zusammenstellung  mit  devoonotds, 
wozu  Harpocratio  s.  h.  v.  zu  vergleichen ,  und  Bonst  ersichtlich  ist, 
erübrigt  die  Untersuchung,  welche  specielle  Farbe  jetzt  noptpvpeos  und 
dXovpyijg  bezeichneten.  Hinreichende  Lelehrung  gibt  darüber  Aristoteles 
d.  color.  C.  2:  Kard  ftky  ro  (jmXkov  xai  »jrror  (^Qtoudrtay  tpayraoiai\, 
äonep  ro  tfoiyixovy  xai  ro  dXovpyiq'  —  616  ro  /ue'Xay  xai  axiegoy  rw 
tputi  fttyvv/jsvov  tpoiyixovy.  ro  ytip  fiiXay  fiiyyvfxeyov  ry  re  rov  tjXiov 
xai  rtp  rino  rov  nvpot  (ptori  9eu>pov/*ey  dei  yiyvopevov  tpoivixovv.  —  ro 
o*'  dXovpykf  ev«y9is  pkv  yiverat  xtti  Xafjinpov,  orav  r$  ftcrpiy  Xevxijt  xai 
oxifQtp  XQa»tZaiy  do$eyeis  al  rov  qXiov  avyai.  d"to  xtti  nepi  dvatoXdg  xtti 
dvatti  6  drtQ  noptpvgoeidtjg  loriv  ore  tpatverai,  [nepi  dvaroXijy  xai  dvaty 
ovtoq  xov  ijXtov]  *).  dodereis  ydp  ovaat  rare  futXiQra  npdq  axiegoy  ovxa 
rov  atga  ngooßdXXovaiy.  tpaiverai  di  xai  »;  3«A«rr«  nogtpvgoetdtjs,  öray 
ro  xvfiura  fitreutgiZofieyu  x.  r.  X.  (wie  oben  s  98).  Und  etwas  später: 
fjttXatyofiiytay  (r<uV ßorgvuty)  ro  tpoiyixovy  eis  ro  tuavgyes  fteraßdXXei.  Ueber- 
einstimmend  hiemit  ist  die  Beschreibung  der  Regenbogenfarben  meteorol. 
III  c.  4,  woraus  ich  mich  auf  folgenden  Satz  beschränken  will:  ro  de 
rov  Xv%yov  tpiZf  ov  Xevxov,  uXXd  nogtpvgovv  tpaiverai  xvxXm  xai  iguodeg, 
tpoiyixovy  d'  ov  cor»  ydg  fj  re  btyis  oXiyn  j  dvaxXoifxeyt) ,  xai  uiXay  ro 
ivonrpo*.  Es  lässt  sich  also  mit  Bestimmtheit  sagen ,  dass  tpoiyixoeis 
und  uopipvpeos  den  roten  Schimmer  bezeichnen,  aber  jenes  das  Hellrote 
(o'fv,  wie  ffoirtxtd"  o$eiay  ndyv  Arist.  Pac.  1173),  dieses  ebenso  wie 
dXovpytjf  das  Dunkelrote.  Soweit  es  sich  also  um  wirklichen  Purpur 
bandelt,  ist  tpoiyixoetf,  die  rote,  dem  Scharlach  ähnliche,  aber  mildere 
Nuance,  nogtpvgeos  die  Sorte,  in  welcher  das  Dunkle  das  Rote  überwiegt, 
oder  mit  Ktesias  (s.  2.  Abschnitt)  zu  reden,  jenes  ist  igv&goy  ndyv,  äonep 
xiyydßaQt,  o'ftf  xai  wXavyt's,  dieses  nogtpvga  ßiAeiu  (frg.  72  Müll.,  aus 
Ael.  H.  A.  IV,  36). 


•)  Sind  die  eingeklammerten  Worte  nicht  einer  Glosse  entstammt? 


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J05 

Bis  jetzt  haben  wir  den  Begriff  nootpvoeoe  in  der  Art  sich  ent- 
wickeln sehen ,  d.iss  er  vom  Allgemeinen  zum  Besonderen  übergieng 
(also  umgekehrt  wie  bei  q>oinx6eis),  dass  das  Unbestimmte  sich  in  einem 
engeren  Kreise  fixierte  und  präcisierte.    Aus  der  Bedeutung:  dunkel 
(wie  das  bewegte  Meer),  ergab  sich:  rötlich  schillernd  wie  die  beleuchtete 
Meereswelle,  und  diese  Vorstellung  wurde  auf  die  ähnliche  Erscheinung 
des  Purpurs  übertragen,  keinesfalls  später  als  im  7.  Jahrhundert  v.Chr., 
wol  aber  froher,  v i e  1 1  ei c h t  in  der  Zeit,  da  die  Odyssee  und  Ilias  K 
entstanden.    Hier  aber  geschah  diese  Vergleichung  und  Uebertragung, 
wenn  sie  geschah,  noch  mehr  unbestimmt  und  andeutungsweise,  doch 
entstand  daraus  allmählich  eine  Benennung  von  Farbe  und  Färbestoff, 
welche  bei  Alknian  und  Sappho  vollzogen  und  stehend  erscheint  sowol 
von  der  Purpurschnecke  als  von  Purpurzeug:  I.  Phase  der  Begriffsent- 
wickelung; die  Farbe  dieses  Purpurs,  haben  wir  ferner  erkannt,  war  ein 
dunkler  Schiller,  worin  das  Dunkle  das  Rote  Oberbot.  In  einer  II.  Phase 
erhielt  dieser  Farbename  eine  Anwendung  in  verschiedenem  Sinne, 
speciell  nnd  generell     Soweit  nämlich  die  Betrachtung  eben  geführt 
hat.  haben  wir  aus  dem  anfangs  ganz  vagen  Wort  bis  zum  7.  Jahrh. 
v  Chr.  einen  sehr  speciellen  Namen  herauswachsen  sehen,  welcher 
einen  Gegensatz  zu  <poivtx6eis,  dem  Hellroten,  bildete.    Um  die  Belege 
hiefflr  nochmals  in  Erinnerung  zu  bringen,  beliebe  man  ausser  Alkman 
und  Sappbo  besonders  Aisch  Ag.  957  neben  946,  und  Arist.  d.  color. 
c.  2  zu  vergleichen.    Nun  nehmen  wir  noch   hinzu  aus  dem  5.  oder 
4.  Jabrh  Diokles  com.  b.  Ath  III  p.  86,  c.  und  Speusippos  ebenda» 
welche  beide  ebenso  wie  Aristoteles  selbst  und  viel  später  Strabo 
(III  p.  145)  die  noQtpvoai  als  Sorte  neben  den  xqovxes,  den  Spendern 
der  hellroten,  scharlacbäbnlichen  Buccinfarbe,  erwähnen;  in  gleichem 
Sinne  stellten  gleichzeitig  der  Komiker  Plato  und  der  Geschichtschreiber 
Chores  noQtpvoovs  und  tpoivixovs  zusammen,  jener  in  dm  Versen  bei  Ath 
II  p.  48,  b. :  x«r'  4r  xXivaig  iXeq?ayr6noaiv  xai  ffrorifAitoi  nootpvQoßanr<nc 
xtty  y  ot  vir  im  attotiiavixaioiv  xoo/jr^uuevoi  xaraxeivrai ,  dieser  in  dem 
Fragment  bei  Ath.  XII  p.  538,  d  :  xftreaxexaato  6  oixog  {roxi  AXeJ-avÖQov) 
-  IfittTioig  *e  xai   Ö9oviot<;   v.oXvTtXioiv ,   vno  de  xavta    HOQ  (f  i  (jo  xat 
qwtrunOe  /ptHrot>eVi.    Ebenfalls  nur  der  echteste,  dunkle  Purpur  kann 
verstanden  werden,  wenn  Ephippos  b  Ath  XII  p  537,  c  erzählt,  dass 
Alexander  bisweilen  rijV  rotl  "AfxfAuyog  nooqtvoida  angelegt  und  fast 
täglich  xfapvö«  re  rruQtpvQtff  xai  /irtuy«  (ieaoXevxov  getragen  habe. 
Der  aisehyleiseben  Zusammenstellung  begegnen  wir  ganz  wieder  im 
3.  Jahrh.  bei  Phylarchos  in  Ath.  XII  p.  539,  f.:    iyompe  de  xai  rote 
AXi^avdoog  rais  iv  Itt>y(q  noXeai  xai  nodHrots  Xtois,  fmwf  avrip  noo- 
rpvoay  anoareiXiooiv  %&eXe  ydo  tov(  itaioovq  ariayrag   dXovoyd c 
ivdvcat,  aroXas,  ebenso  bei  TJieopompos  im  15  Buch  seiner  Historien 
(Ath.  XII  p  526,  c):  /tAfot*  tp^aiv  aydoas  (rtuy  KoXo(p(oyi<oy)  dXovoyeit 


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106 

tpoQovvrae  axoXag  a<rr%<noX$tv'  öye  xai  ßaoiXevoi  aixnviov  tot1  tjv  (nämlich 
im  6.  Jahrh.  ungefähr)  xai  neQurnovdaoxoy'  iaoaxaoiog  ya(t  rjy  q 
71  o  Q,op  V  Q€t  71QOS  aQyvgoy  i£ex  afou«V»j.  Und  nicht  anders  erwähnt 
KUarchoa  b.  Ath.  VI  p.  25;'),  e  von  einem  Kinde  noorpvQovv  uutpixanoy 
auoQyivy  (so  fein  nämlich,  s.  Schweighäuser  ad  h.  1.)  xaXvpfiaxi  ntQi- 
EtXqfAuivoy  TtQoaxetfäXaitt  d"  c?/e  tqiu  f**y  —  ßvaaiya  naQaXovoyij. 

Ein  Teil  dieser  Zeugnisse  von  Alkman  bis  Aristoteles  lehrt  aber 
zugleich,  dass  noQopvga  schon  in  dieser  Zeit  nicht  mehr  blos  eine 
Species  des  Purpurs,  die  dunkle  Sorte,  benannte;  es  war  daneben  auch 
Gattungsname  geworden.  Ein  Erklärungsgrund  dafür  mag  sein,  dass 
der  dunkle  Purpur  nur  von  der  Schnecke  zu  gewinnen  war,  also  — 
Schneckenpurpur,  andere  Schnecken  aber  auch  hellen  Saft  geben. 
Dazu  war  qpoiyi^  t  die  ursprüngliche  Benennung  des  hellen  Purpurs, 
ein  gar  unhandliches  Substantiv ,  welches  man  gerne  durch  vuQtpvQu 
ersetzen  mochte.  Und  es  ist  vielleicht  nur  Zufall,  aber  es  ist  doch  so, 
dass  wir  bis  Ktesias  nur  uoQtfVQu,  nicht  auch  nooyvQeog  vom  hellen 
Purpur,  sohin  generell  gebraucht  finden.  Der  Gattungsbegriff,  wie 
ihn,  rückwärts  verfolgt,  die  Wendungen  bei  Diodor.  XVII,  70:  noXv- 
i  f'/.fti  ia&^res  —  S  «  X  «  a  a  i « i  c  noQtfVQaiq  —  h  exoixilue'yai,  bei  Strabo 
XVI  p.  757 :  naoaiv  q  Tvgia  xu  XX  io  x  y  n  o\q  q>  v  q  u,  oder  1  Makk.  4,  23 : 
vaxivboy  xai  noQtpvnav  &aXaottiav  voraussetzen,  tritt  auch  zu 
Tage  in  dem  Fragment  von  Duris  b  Ath  XII  p.  535,  f.:  iftßan,g  (xov 
.ItipijTQiov)  niXqpa  XufApävtoy  xt\g  noXvreXc<rr€tr*]g  noQxpvQag  und 
dem  von  Phylarchos  (8.  oben  S .  103) :  xovg  r  *o  4  $ay  r  $v  9aXax- 
Tiav  ßduTovraq.  Nun  gehört  aber  dieses  sybaritisebe  Gesetz  seinem  Inhalte 
nach  ins  6.  Jahrh.  r.  Chr.;  und  dass  Pbylarchos  davon  auch  den  Wort- 
laut bewahrt,  ist  wenigstens  nicht  um  dieses  Ausdrucks  willen  bedenklich, 
nachdem  im  b.  Jahrhundert  h'esias  iv  '\vSixoig  (frg.  72)  von  nooqpvQq  rp 
ßa&vTUTfl  sprechen,  ferner  opotvtxovs,  wie  oben  im  2.  Abschnitt  S.  57  zuer- 
kennen, als  eine  Art  der  jioQfpvqa  behandeln,  und  (fr.  57,  21  aus  Phot.  Bibl. 
LXXII)  schreiben  konnte:  nuqd  6h  Tag  n^ytig  xovtov  xov  uora^ov  (seil. 
tov  'Yndoxov)  l<rr*  uctpvxog  av9og  noQrfVQovy,  i£  ov  noorpvoa  ßdnxtxui, 
ovfhv  jjrrov  rrjg  'EAAfjvtxijc,  aXXd  xai  noXv  evay9e<rxe'()u  liier  lesen  wir 
nicht  nur  nopopvQa,  sondern  auch  noQfpvoeog  als  Gattungsbegriff  in 
so  weitem  Umfang  verwendet,  dass  es  nicht  bloss  das  Coccin  der 
Trompetenschnecke  einschlicsst,  sondern  geradezu  den  indischen  Kermes 
für  sich  bezeichnet.  Wir  dürfen  uns  also  nicht  wundern,  wenn  anderswo 
die  Conchylienaorten  ebenso  benannt  werden,  aber  das  ist  beachtenswert, 
dass  das  Wort  eine  dieser  Sorten,  eine  rötliche  den  andern,  und 
ferner  wieder  die  dunkelrote  andern  dunkeln  Sorten  gegenüber  stellt, 
also  in  neuem  und  doch  zugleich  altem  Sinn  als  Speciesname  auftritt. 
Demokritoa  von  Ephesos  lehrt  uns  das.  Weil  die  Stelle  für  die  Purpur- 
.    frage  überhaupt  sehr  wichtig  und  zugleich  schwierig  ist,  möge  sie  ganz 


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107 


hier  Platz  finden    *Ev       itQorsQut  neol  tov  it>  'Eytoip  vaov  bei  Athen. 
XII  p.  525,  c.  erzählt  Demokrit:  r«  de  xmv  'ituvcov  (t/tax ut)  toßa<pij  xai 
noQffVQÜ  xai  xooxiva  gofAßoig  vtpavtä  —  xai  oaQtinets  firjXtvoi  xai  nop- 
(pvooi  xai  Xevxoi,  \ol  <fi  dXovgyeli].  xai  xaXaaiqeie  xoQiv9iovQysis'  eiai  de 
al  [Akv  ,ioQ<pvQui  xovxtov,  eil  de  ioßayets,  al  de  vaxivSwai'  Xdßot  d1  av 
xai  (pXoyivaq  xai  9aXa<r<roeidete.  Später:  ol  de  xiy/Qoi  y,i,uari  nop- 
(f*'i>'i>  Httvres  eis  f,V  eioto  uoiqav  ap/Aar*  i/ovaiv  dvd  tiiaov.    Alle  hier 
genannten  gefärbten  Stoffe,  ausser  vielleicht  dem  safrangelbenj,  sind 
Purpur,  worüber  nach  W.  A  Schmidt  a.  a.  0.,  diesen  in  einem  Punkte 
berichtigend,  H.  Barth,  de  Coritithiorum  commereio  et  mercatura  (Dies. 
Berol  1844)  p.  23  sqq.  des  näheren  gehandelt  hat    Es  kann  nnn  nach 
der  Zusammenstellung  der  Farben  im  allgemeinen  als  sicher  ange- 
nommen werden,  dass  das  dreimal  wiederkehrende  noQtpvQovs  jedesmal 
eine  rote  Purpursorte  meine.    Welche   an   erster  Stelle,   muss  ich 
dahingestellt  sein  lassen.    An  zweiter  Stelle  ist  zuerst  Xevxoi  mit  den 
zwei  andern  Farben  zusammen  im  Sinne  von  ueooXevxoi  zu  fassen;  denn 
nach  Ktesias  d.  r.  Pers.  fr.  43  (6.  Hesych  8.  v.)  ist  adQants  tl  ixos 
/iro/V  tieodXevxos,  und  nach  Poll.  Onom  p.  730:  6  de  odgamg  Mqdtav  ti 
tpoQqfia,  .loQtpvQovs  ueaoXevxoq  /ira>V.    Es  sind  also  bei  Demokrit  nicht 
dreierlei,  sondern  einerlei  caodneis  gemeint,  an  welchen  je  ein  weisser 
mit  einem  gelben  und  roten  Streifen  wechselte.    Was  für  Rot?  Ist  ol 
de  dXov^yeis  echt,  so  wäre  schon  durch  diesen  Gegensatz  des  tyrischen, 
dunkelroten  Purpurs  das  noQyvooi  als  Hellrot  fixiert    Ich  halte  nun 
freilich  die  eingeklammerten  Worte  für  Glosse  zu  dem  misvertandenen 
noo(pvQoi;  so  zusammenhangslos  stehen  sie  im  Text,  ja  so  widerspruchs- 
voll.   Denn  hätte  der  Autor  selbst  ihnen  diese  Stelle  angewiesen,  so 
könnten  sie  doch  nicht  das  noQtpvoot  allein  variieren),  sondern  würden 
eine  weitere  Art  ganz  dunkelroter  oaQanets  aufführen,  und  das  wider- 
spricht dem  Begriff  dieses  Kleidungsstückes.  Aber  auch  dann,  nach  ans- 
stossung  der  3  Wörter,  kann  nog<pvQoi  neben  der  hellen  Conchylienfarbe 
Gelb  an  demselben  Stoffe  schwerlich  etwas  anderes  als  die  rote  Con- 
chylienfarbe bezeichnen  d.  i  nach  Schmidt:  Blaurot').  Am  sichersten 
fühlen  wir  uns  an  der  dritten  Stelle  Derookrits.    Denn  Janthin  und 
Hyakintb  sind  nach  Schmidt- Barth  zwei  der  3  üblichen  Blattapurpur- 
sorten.    Was  liegt  also  näher  als  dass  nogqivQoi  hier  die  dritte  dieser 
Sorten,  den  blutroten  =  tyrischen  —  lakonischen  Porpur  andeute, 
dass  sohin,  was  uns  sehr  interessant  ist,  in  Korinth  gerade  diese  drei 
feinsten  und  gesuchtesten  Sorten  vorzüglich  fabriziert  wurden. 


*)  Die  gleiche  Zusammenstellt: ng  der  Farben  erscheint  bei  Hippiaa  von 
Erythrä,  welcher  (b.  Äth.  VI  p.  259,  c)  den  Tyrannen  von  Erythrä  in  des 
Ortygea  Gesellschaft  dtadt'^axa  tu',Xiva  xai  noQtpvoä  zuschreibt. 


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108 


Doch  es  ist  notwendig  und  erlaubt  abzubrechen  mit  der  Bemerkung, 
dass,  weil  noQ<pvQeog  zugleich  Gattungsbegriff  wurde,  yotWxeof  natürlich 
von  da  an  seltener  erscheint  und  zuletzt,  aber  kaum  vor  dem  3.  Jahrb. 
wegen  der  Aebnlichkeit  der  Farben  mit  Scharlach  identifiziert  wurde. 
(S.  Schmidt  a.  0.  S.  101  und  oben  2.  Abscbn.  S.58)  Dadurch  mochte  es  auch 
veranlasst  sein,  dass  no{i(f  i\>  < »j  endlich  sogar  die  hellrote  Species  echten 
Purpurs  bezeichnete.  Diese  spätere  Entwickelung  ist  von  W  A.  Schmidt 
in  der  belobten  Schrift  dargestellt,  welcher  sozusagen  mit  ängstlicher 
Gewissenhaftigkeit  den  verwickelten  Knäuel  der  vielerlei  Unterschiede 
von  Purpursorten ,  wie  sie  im  Laufe  der  Zeit  aufkamen,  nicht  durch- 
gehauen, souderu  glücklich  gelöst  hat.  Den  vorausgegangenen  Sprach- 
gebrauch hat  Schmidt  nicht  genau  beobachtet  (es  kam  für  ihn  nicht 
darauf  an),  und  wenn  er  daher  (S.  100)  sagt,  „das  Altertum  hielt  Coccin- 
und  Purpurfarbe  stets  auseinander;  mit  der  ersteren  ist  die  sogenannte 
Punische  oder  phönizische  Farbe  identisch",  so  ist,  wie  wir  gesehen 
haben,  das  Gegenteil  richtig  und  Schmidts  Behauptung  nur  vom  römischen 
Altertum  giltig.  Nichts  weiter  hat  Amati  1.1.  c.  XVI  sq.  bewiesen 
Nach  diesem  späteren  Gebrauch  allerdings,  sagt  Schmidt  richtig 
(S.  118),  bezeichnet  „noftyvQa  zwar  im  weitereu  Sinne  jede  Art  von 
Purpur,  und  im  weitesten  selbst  das  Buccin  (die  Farbe  der  Trompeten- 
schnecke); im  engeren  Sinne  aber  die  aus  reinem  Purpursaft  bereiteten 
und  daher  dunkeln  Farben,  im  Gegensatz  zu  den  aus  verdünntem  Saft 
entstehenden  und  daher  hellen ;  im  engsten  endlich  die  mit  Buccin 
präparierten  im  Gegensatz  zu  den  buccinlosen.  In  den  beiden  letzten 
Fällen  ist  also  noQcpvQtt  der  Gegensatz  von  conehylium,  und  überdies 
in  dem  engsten  zugleich  synonym  mit  blatta  und  äXovQyos,  so  dass  nicht 
nur  blatta  und  akovQyoc,  sondern  auch  purpura,  im  Gegensatz  zu 
conehylium,  die  beiden"  (richtiger  drei)  „buccinierten  künstlichen  Haupt- 
purpurfarben ,  den  tyriseben,  den  Amethyst  oder  Janthin-  und  (nach 
ßarth's  Berichtigung)  den  Ilyakinthpurpur  bezeichnet".  Wie  weit  sich 
diese  Unterschiede  rückwärtB  verfolgen  lassen ,  habe  ich ,  da  es  ander- 
wärts, auch  im  Thesaurus  des  H  Stephanus  nach  der  neueren  Ausgabe 
noch  nicht  geschehen  ist,  nachzuweisen  gesucht,  und  daraus  eine 
Bestätigung  dafür  gewonnen,  dass  der  Begriff  tpoivixi  sich  nach  und 
nach  verallgemeinert  und  verflüchtigt,  noQyvQeos  aber  sich  verdichtet 
und  specialisiert  hat.  Dieser  Entwicklungsgang  bezeugt  sobin,  dass  es 
richtig  ist  in  den  homerischen  Gedicbten  einen  engen  Begriff  von 
<po(vixi  und  einen  unbestimmten  von  noQ<pv^eos  anzuerkennen. 


(Schluss  folgt.) 


109 


Zu  Cicero's  Briefen  an  Atticus. 

Wenn  irgend  welche  Schrift  aus  dem  classischen  Alterthum,  so  sind 
uns  Cicero's  Briefe,  besonders  die  an  Atticus,  mangelhaft  überliefert. 
Alt  sind  die  Klagen  darüber  und  alt  die  Versuche  der  Gelehrten ,  den 
Mängeln  des  Textes  durch  Herbeiziehung  neuer  Handschriften,  oder 
wo  auch  diese  den  Dienst  versagten ,  durch  eigene  Conjecturen  abzu- 
helfen. Für  uns  scheint  nicht  blos  die  glückliche  Zeit  des  Findens 
vorüber  zu  sein  ,  aueh  die  von  den  Philologen  früherer  Jahrhunderte 
benützten  Handschriften  sind  tbeilweise  wieder  verloren  gegangen. 

Von  summt  liehen  auf  uns  gekommenen  Handschriften  ist  es  so  viel 
wie  ausgemacht,  dasB  sie  aus  einer  gemeinsamen  Quelle  geflossen  sind, 
als  deren  älteste  Abschrift  uns  der  Codex  Mediceus  erhalten  ist;  denn 
Stellen,  die  uns  in  einer  Handschrift  fehlerhaft  überliefert  sind,  finden 
sich  in  ähnlicher  fehlerhafter  üeber lieferung  in  allen  andern  Hand- 
schriften. Von  dieser  gemeinsamen  Quelle  der  Briefe  an  Atticus  scheint 
mir  dies  festzustehen,  dass  sie  nicht  von  einem  vorliegenden  Exemplare 
abgeschrieben,  sondern  dictirt  worden  sei.  Denn  der  uns  überlieferte 
Text  enthält  viele  Fehler,  die  nur  dnrch's  Dictiren  entstanden  sein 
können.  Wer  vor  sich  Liegendes  falsch  liest,  wird  eben  so  häufig 
Vocale  wie  Consonauten  falsch  lesen  ;  wer  Vorgesagtes  nachzuschreiben 
hat,  wird  die  Vocale,  den  laut  klingenden  Theil  der  Rede,  nicht  so 
leicht  missverstehen  als  die  Consonanten,  den  stummeren  Theil.  Wenn 
also  häufig  in  irgend  einer  Schrift  die  Vocale  richtig  wiedergegeben 
sind  und  die  Fehler  in  der  Setzung  von  falschen  Consonanten  liegen, 
mithin  statt  der  richtigen  gleich  oder  ähnlich  lautende  Wörter  gesetzt 
sind,  dann  werden  wir  schliessen  dürfen,  dass  diese  Schrift  irgend  wem 
in  die  Feder  dictirt  worden  sei.    Man  beachte  folgende  Stellen. 

IV,  6,  3:  Sed  ille  non  miser,  nos  vero  ferri.  Orelli 
begnügt  sich  mit  der  Conjectur  von  manus  2  des  Mediceus:  ferrei. 
Dies  könnte  nur:  hartherzig  bedeuten,  was  nicht  in  den  Zusammenhang 
passt.  Boot  hat  richtig  vermuthet:  miseri:  Er,  der  verstorbene 
Lentulus,  ist  nicht  schlimm  daran,  aber  wir  sind's.  Statt  miseri  hat 
der  Schreiber,  dem  nur  noch  die  Endung  des  dictirten  Wortes  im  Ohre 
nachklang,  vielleicht  auch  vom  v.  rangehenden  vero  etwas  beeinflusst, 
das  sinnlose  ferri  geschrieben. 

V,  11,  5:  Sed  ego  harte,  ut  singuli  dicunt,  aV«£tav  von 
Gronov  richtig  geändert  in:  ut  Siculi  dicunt 

V,14,l:  Antequam  aliquo  loco  consedero,  neque  longas 
a  nie  neque  Semper  mea  manu  Hieras  exspectabis;  quum 
autem  erit  spatium,  utrumque  est  dabo.    Die  sinnlosen  Worte : 


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est  dabo  sind  sicher  ein  missverstaudenes :  pr  aestabo,  wie  Victorius 
corrigirt  hat. 

V,  21,  11:  H<n  tat  us  sunt;  detivi  etiam  ist  die  ursprüngliche 
Lesart  des  M.;  corrigirt  ist:  decium  etiam;  jüngere  Handschriften 
haben:  demum  etiam.  So  ist  der  Fehler  immer  grosser  geworden. 
Der  gedankenlose  Schreiber  verstand  and  schrieb  so  statt:  petivi. 

VI,  1,  3:  Quem  ego  omni  studio  de  auetore  s  um  com  - 
plexus,  quem  etiam  amare  coeperam;  sed  dico  revoeavi 
me.  Dass  dico  fehlerhaft  sei,  kann  Niemand  bestreiten.  Die  alten 
Herausgeber  Hessen  es  weg.  Dass  es  aus  dem  von  Wesenberg  in  den 
Text  aufgenommenen  illico  oder  vielleicht  noch  wahrscheinlicher  aus 
dem  von  Orelli  vermutheten  cito  entstanden  ist,  wieder  durch  ein 
Mis8vcrständniss  des  Schreibers,  ist  klar. 

VI,  1,3:  Noli  enim  putare  me  quidquam  maluisse 
quam  ut  mandatis  facerem.  Ernesti  und  Schütz  lesen :\quam  ut 
mandarat  is  facere  Doch  was  soll  hier  is'l  Viel  wahrscheinlicher 
ist  Wesenberg's  Vermuthuog:  quam  ut  mandatis  satisfacer  em 
Wie  leicht  konnte  der  Schreiber  nach  mandatis  das  satis  überhören 
oder  glauben,  der  Dictirende  wiederhole  nur  die  Endung? 

VIII,  12,  2:  Nam  certe  neque  tum  peceavi,  cum  impa. 
ratam  Capuam,  non  solum  ignaviae  delectus,  sed  etiam 
perfidiae  suspicionum  fugiens  aeeipert  nolui.  Dass  igna- 
viae delectus  suspicionem  recht  schworfällig  und  unverständlich 
wäre  für:  negligentiae  in  delectu  habendo  suspicionem, 
ist  längst  erkannt ;  man  liest  entweder:  ignaviae  delictum  oder: 
ignaviae  dedecus;  letzteres  verdient  den  Vorzug;  denn  das  band- 
schriftlich überlieferte  delectus  ist  weiter  nichts  als  ein  missver- 
standenes dedecus 

IX,  15,  4:  Mandata  C aesaris  quae  rogas  nulla  habeo; 
et  descripta  attulit  illa  e  via,  misi  ad  te.  Die editio  Romana 
prineeps  gibt  für  et  descripta  —  quae  descripta.  Beide  Les- 
arten sind  nicht  zu  erklären.  Wir  vermissen  ein  Subjekt  zu  attulit; 
dieses  steckt  im  verderbten  descripta.  Das  richtige  fand  Turnebus: 
quae  Aegypta  attulit  illa,  e  via  misi  ad  te.  Dass  Aegypta 
ein  tabellarius  des  Cicero  war,  beweist  VIII,  15:  Epistolas  mihi 
tuas  Aegypta  reddidit.  Auch  hierist  et  oder  quae  descripta 
ein  falsch  verstandenes:  quae  Aegypta. 

X,  4,  8:  Ejus  int  eritum  finem  Uli  fore.  Dass  für  Uli  der 
Zusammenhang  belli  verlange:  Curio's  Ansicht  geht  dahin,  dass  der 
Bürgerkrieg  blos  mit  dem  Untergange  des  Pompejus  enden  könne  und 
werde,  hat  schon  Manutius  erkannt.  Da  Uli  leicht  ein  missverstandenes 


Iii 


belli  Bein  kann,  verdient  des  Manutius  Conjectur  den  Vorzug  vor 
Orelli's  Vermuthang:  mali. 

X,  10,  5:  Ego  vero  vellunt  ridiculo,  oder:  velo  ridiculo, 
sinavis  non  erit,  eripiam  me  ex  istorum  parricidiis.  Für 
das  dictirte:  vel  lintriculo  hat  der  Schreiber:  vel  ridiculo 
verstanden  und  velo  und  vellunt  sind  bereit«  Verbesserungsversuche 
der  sinnlosen  handschriftlichen  Lesart. 

XI,  7,  7:  Utinam  Uli,  qui  prius  illum  vi  debunt, 
me  apud  illum  velint  ad  tu  tum  oder:  actutum,  letzteres 
natürlich  ein  Missverständniss  für:  adjutum. 

XI,  14,  3:  Ad  Minucium  parentum  acribam.  Das 
fehlerhafte  parentum  wurde  bereits  von  Gronov  in  Tarentum 
verbessert. 

XI,  24,  1:  Quae  du  dum  ad  me  et  quae  etiamadme 
visat  T ulli  am  de  me  scripsisti.  Richtig  Victorius:  et 
quae  etiam  ante  bis  ad  Tulliam  de  me  scripsisti 
Wer  eine  vor  sich  liegende  Handschrift  entziffert,  kann  schwerlich  auf 
das  sinnlose:  ad  me  visat  kommen,  wohl  aber  ein  gedankenloser 
Schreiber  das  dictirte :  ante  bis  ad  so  verstehen  und  schreiben. 

XIII,  20,  4:  Quidquamne  me  putas  curare  in  toto 
nisi  ut  ei  ne  desim  Für  das  fehlerhafte:  in  toto  liest  Lambin  : 
in  vita;  indessen  ist  kaum  begreiflich,  wie  aus  in  vita  die  falsche 
Lesart:  in  toto  hätte  entstehen  können.  Hingegen  vermuthet  Orelli 
mit  gröaster  Wahrscheinlichkeit:  in  foro.  Das  folgende :  id  ago 
scilicet,  ut  judicia  videar  tenere,  lässt  vermuthen,  dass 
Cicero  auch  hier  von  seiner  Wirksamkeit  als  Redner  gesprochen  habe. 
Zudem  konnte  sehr  leicht  ein  missverstandenes  foro  zu  toto  werden. 

Es  Hessen  sich  noch  manche  Stellen  anfahren,  an  welchen  der 
ursprüngliche  Text  dadurch  hergestellt  wurde,  dass  man  an  die  Stelle 
der  falsch  überlieferten  Worte  ähnlich  klingende,  so  ziemlich  aus  den  näm- 
lichen Vocalen  bestehende  setzte ;  indessen  erachte  ich  durch  die  bereits 
angeführten  den  Beweis  für  erbracht,  dass  sich  in  der  handschriftlichen 
Ueberlieferung  der  Briefe  an  Atticus  Fehler  finden,  welche  durch 's 
Dictiren  entstanden  sein  müssen ,  und  theile  nur  noch  einige  Stellen 
mit,  welche  ich  selbst  durch  Anwendung  des  nämlichen  Verfahrens  zu 
verbessern  suchte;  mit  wie  viel  Glück,  mögen  Gelehrtere  entscheiden. 

II,  4,  2.  Clodius  ergo,  ut  ais,  ad  Tigranem? 
vel  im  Syrpiae  conditione.  Syrpiae  hat  den  gelehrten 
Herausgebern  viel  zu  schaffen  gemacht.  Ein  Syrpias  ist  uns  nicht 
bekannt.  Gronov  vermutbete:  Scepsii  conditione  und  dachte 
an  einen  gewissen  Metrodorus,  natione  Scepsius,  den  Mithridates  der 


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Grosse  wegen  einer  Treulosigkeit,  die  er  als  Gesandter  begangen  hatte, 
hinrichten  liess.  Wenn  es  auch  nicht  dem  mindesten  Zweifel  unterliegt, 
dass  Cicero  für  seinen  Todfeind  Olodius  den  frommen  Wunsch  hegte, 
es  möge  ihm  bei  dieser  Gesandtschaft  eben  so  ergehen  wie  dem  Metro  Jörns, 
und  wenn  auch  dieser  eine  so  bekannte  Persönlichkeit  war,  dass  Cicero 
ihn  mit  Scepsius  bezeichnen  konnte,  wie  kann  Cicero  nach  diesem 
Wunsche  fortfahren:  sed  facile  patior?  „leb  wünsche  ihm  den 
Tod;  aber  ich  gebe  es  gerne  zu"?  Wo  wäre  der  Gegensatz,  den  sed 
voraussetzt?  Das  nämliche  Bedenken  steht  auch  der  von  Wesenberg 
aufgenommeneu  Lesart:  Zopyri  entgegeu.  Metzger  folgt  Popma's 
Conjectur :  l  e  lim  surripi  e  a  conditione,  und  übersetzt :  ,,Es 
wäre  mir  lieb,  in  solcher  Weise  heimlich  von  daunen  zu  kommen ;  doch 
ich  lasse  mir's  gefallen"  Was  lässt  sich  Cicero  gefallen?  Was  soll 
eaconditione?  In  gleicher  Weise  wie  Clodius?  Müsste  dies  nicht 
vielmehr  cadem  conditione  heissen?  So  sind  also  auch  durch 
diese  Äenderung  die  Schwierigkeiten  nicht  gehoben. 

Wie  ist  das  sinnlose  Syrpiae  entstanden?  ich  denke,  der scriba 
oscitans  habe  so  geschrieben  statt:  acire  quae,  so  dass  also  zu 
verbessern  wäre :  v  e  lim  s  cire  quae  conditio  neu;  denn  con- 
ditione s,  nicht  conditione  ist  die  älteste  Lesart  des  Mediceus. 
Mit  Annahme  dieser  Lesart  sind  alle  Schwierigkeiten  gehoben:  Ich 
möchte  gerne  wissen,  welches  die  Bedingungen  seien ,  unter  denen 
Clodius  die  Missiou  an  den  Tigranes  übernommen  hat.  Aber,  obgleich 
ich  dies  nicht  weiss,  lass  ich  ihn  doch  gerne  seines  Weges  ziehen; 
denn  wenn  er  geht,  brauche  ich  mich  für  jetzt  uicht  zu  entfernen  und 
mir  ist  es  gelegner  den  Antritt  der  libera  legatio  für  einige  Zeit 
hinauszuschieben.  Die  Auslassung  des  8  int  oder  fuerint  wird 
niemand  im  Briefstile  beanstanden  dürfen;  und  dass  Cicero  ein  Interesse 
haben  musste,  diese  Bedingungen  zu  wissen,  liegt  auf  platter  Hand; 
denn  sie  konnten  ja  ihn  selbst  betreffen. 

III,  12,3.  Licet  tibi,  ut  scribis,  8  i  g  ni  f i  c  ar  im,  ut 
ad  m  e  v  enir  es ,  s  i  do  na  tarn  ut  intelligo  de  r  e  i  s  ti  c 
prodejse,  hic  ne  verbo  quidem  lev  ar  e  m  e  po  s  8  e.  So 
die  sinnlose  Lesart  des  Mediceus,  welche  jüngere  Codices  und  die 
Herauageber  in  verschiedener  Weise  .zu  verbessern  suchten:  ut  ad 
me  venire  s  Sidona,  oder  Dodona,  tarnen  intelligo  .  .  . 
Zu  Sidona  bemerkt  Schütz  ganz  mit  Recht:  nihili  est;  denn 
wie  sollte  Cicero,  der  jetzt  seiner  baldigen  Zurückberufung  aus  dem 
Exil  gewiss  ist,  an  eine  Reise  nach  Sidon  denken?  Und  wenn  Atticus 
ihn  in  Sidon  besuchen  sollte,  musste  doch  vor  allem  er  selbst  in  Sidon 
Bein.  Ebensowenig  beabsichtigte  weder  Cicero  noch  Atticus  eine  Reise 
nach  Dodona;  nirgends  ist  in  den  Briefen  aus  dieser  Zeit  davon  die 
Rede.  —  Popma's  Conjectur:  in  Macedoniam  und  Tunstall's:  id 


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113 


o  mit  tarn  tarnen  weichen  so  weit  von  dem  überlieferten  Texte  ab, 
dass  sie  schon  desswegen  unwahrscheinlich  sind  Der  scriba  oscitans 
hat  hier  wieder  ein  grobes  Versehen  begangen;  es  wurde  ihm  dictirt: 
ut  ad  me  Roma  venire  s:  tarn  en  .  .  dafür  bat  er  geschrieben : 
ut  ad  mc  Dona  venires;  tarnen...  So  soll  wirklich  im 
Codex  decurtatus  des  Bosius  gestanden  haben  Sämmtliche  Abweichungen 
der  Handschriften  erklären  sich  als  Kmendationsversncbe  des  ihnen 
vorliegenden  Dona.  Zudem  verlangt  der  Zusammenhang  geradezu 
Roma  :  „Wenn  ich  in  meinem  vorigen  Briefe  Dir  auch  angedeutet  habe, 
Du  möchtest  aus  Rom  zu  mir  kommen,  so  sehe  ich  doch  ein,  dass  Du 
dorten  mir  thatsächlicb  von  Nutzen  sein  kannst,  während  Du  hier  ganz 
überflüssig  wärest".  Wo  anders  konnte  Atticus  dem  Cicero  nützlich 
sein  als  zu  Horn,  wo  eben  jetzt  Cicero's  Schicksal,  seine  Zurückberufung, 
sich  entscheiden  musste? 

III,  20,  I.  Ego  huic  spei  et  exspectationi  quae 
nob  i  8  proponitur  m  a  x  i  m  a  e,  tarne  n  v  olui  pr  aestolari 
apud  te  in  Epiro  Was  soll  hier  tarnen?  „Die  Ansichten, 
die  sich  mir  eröffneten,  wollte  ich  dennoch  bei  Dir  abwarten".  Trotz 
welcher  Umstände?  Nirgends  werden  uns  diese  genannt.  Dass  eine 
significatio  impatientiae ,  quo  reditum  exapectabatt  in  tarnen  liegen 
sollte,  halte  ich  mit  Boot  für  unmöglich  Diese  significatio  könnte  nur 
in  t  andern  enthalten  sein.  Und  so  ist  eben  für  tarnen  zu  lesen: 
huic  spei  et  exspectationi  quae  nobis  proponitur 
maximae  t  andern,  volui  .  .  „Gern  wollte  ich  die  Aussichten, 
die  sich  mir  endlich  einmal  mit  grösster  Bestimmtheit  eröffnen,  bei  Dir 
in  Epirus  abwarten,  aber  ich  kann  jetzt  meinen  Aufenthalt  nicht  ver- 
ändern". Auch  IV,  2,  4  ist  von  Hofmann  das  unpassende  tarnen  in 
tan  dem  verändert  worden.  Die  Verwechslung  der  beiden  Wörter 
war  jedenfalls  sehr  leicht  möglich. 

IV,  1,7.  Qui  si  sustulerint  religionem,  aream 
praeclaram  habe  bim  u  s;  superficiem  consules  ex 
8  e  na  tu  8  consulto  aestim  abunt;  sin  aliter.  demo- 
lientur,  suo  nomine  l  o  c  abunt;  rem  tot  am  aestima- 
bunt.  Eins  von  beiden  ist  möglich:  entweder  das  von  Clodius  an 
der  Stelle  des  eingerissenen  Ciceronianischen  Hauses  erbaute  Heilig- 
thum wird  mit  Genehmigung  des  Priestercollegiums  eingerissen,  der 
Platz  an  Cicero  zurückgegeben  und  demselben  eine  Entschädigungs- 
summe für  sein  zerstörtes  Haus  stipulirt,  oder  wenn  die  Entscheidung 
des  Collegium8  anders  ausfällt,  wenn  das  von  Clodius  errichtete 
Heiligthum  nicht  entfernt  werden  darf,  muss  area  und  superficies 
zusammen  in  Accord  gegeben,  eine  Schätzungssumme  im  Ganzen 
festgestellt,  Cicero  für  beides  entschädigt  werden.  Dieser  einzig 
möglichen  Auffassung  der  Sachlage  widerstrebt  vor  allem  demolientur. 

Blätter  f.  d.  b»7er.  OymnMialwr.    XI.  J*hr«.  g 


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114 


Wenn  die  Entscheidung  des  Collegiums  anders  ausfallt,  dann  werden 
sie  eben  das  von  Clodius  errichtete  Heiligthum  nicht  einreissen.  Wenn 
wir  demolientur  stehen  lassen,  sind  wir  geradezu  genöthigt,  vor  dem- 
selben ein  non  in  den  Text  zu  setzen,  was  allerdings  auch  an  noch 
andern  Stellen  ausgefallen  ist.  Ich  glaube  indessen,  d&ss  demolientur 
Oberhaupt  zu  streichen  ist;  es  scheint  mir  aus  dem  an  den  Band 
gesetzten  Citat  aus  dem  folgenden  Briefe:  porticum  Catult  restüuendam 
locarunt ;  illam  porticum  redemptores  statim  sunt  demoliti,  an  falscher 
Stelle  in  den  Text  gerathen  zu  sein.  Wir  werden  deshalb  wohl  ein 
Recht  haben,  das  demolientur  wieder  zu  entfernen.  Suo  nomine 
ist  ein  missverstandenes:  uno  nomine  Nicht  in  ihrem  Namen 
werden  die  Consuln  die  Veraccordirung  bewerkstelligen,  sondern  beides, 
area  und  superficies,  werden  sie  uno  nomine  als  einen  Posten,  unter 
einem  Titel  aufwerfen  und  für  das  Ganze  eine  Summe  festsetzen.  Wenn 
Metzger  glaubt,  man  könne  bei  demolientur  und  loc  abunt  als 
Objekt  sich  den  durch  Clodius  Bau  nicht  in  Anspruch  genommenen 
Theil  des  Bauplatzns  denken,  so  ist  dagegen  einzuwenden,  dass  Cicero 
sich  nicht  mit  der  Zurückgabe  eines  T heiles  vom  Bauplatze  begnügt 
haben  würde  und  dass  für  demoliri  die  Bedeutung:  „aufräumen  lassen" 
wohl  nicht  nachzuweisen  sein  wird:  dass  aber  ein  Einreissen,  denn 
dies  ist  die  einzige  Bedeutung  des  demoliri,  von  irgend  welchen  Theilen 
des  Cicerouianischen  Hauses  nicht  mehr  nöthig  war,  denn  dies  hatte 
Clodius  gründlich  besorgt.  —  Mit  der  vorgeschlagenen  Lesart:  sin 
ali  t  er,  uno  nomine  l  o  c  abunt,  rem  t  o  tarn  a  c  s  t  i  m  a  b  u  n  t, 
sind  alle  Schwierigkeiten  gehoben. 

IV ,  18 ,  S :  quae  (epistolae )  tan  tum  habent  my  s  teri- 
o  r  um,  ut  eas  ne  librariisquidemferecommittamus. 
Lepidum  quo  excidat:  consules  flagrant  infamia. 
Lepidum  quo  excidat  betrachtet  Metzger  mit  andern  als  eine 
Art  Einleiturg  zum  folgenden  und  übersetzt:  „Das  mag  eine  artige 
Geschieht e  werden:  den  Consuln  .  .  ."  Das  ist  indessen  aus  zwei 
Gründen  nicht  möglich.  Für's  erste  vermissen  wir  ein  Futurum,  da 
ja  von  dem  Verlaufe,  den  die  Sache  nehmen  wird,  die  Rede  sein  müsste; 
zweitens  hat  excidere  nicht  die  Bedeutung  vou  evenire,  sondern  heisst 
eben  nur:  entfallen.  Audere  haben  diese  Worte  zum  vorangehenden 
gezogen  und  sie  als  verderbt  zu  verbessern  gesucht:  ne  dictum 
quod  excidat,  oder :  ne  lepidum  quid  excidat.  Indessen 
ist  nicht  ersichtlich,  wie  daraus  die  falsche  Lesart  entstanden  sein 
kann.  Viel  wahrscheinlicher  ist  zu  schreibeu:  trepidi  num  quo 
ex  ci  d  ant.  Daraus  konnte  durch  ein  Missverständniss  des  Schreibers 
sehr  leicht  die  falsche  Lesart  entstehen.  Zudem  geben  sie  den  vom 
Zusammenhang  verlangten  Sinn:   „Nicht  einmal  einem  Schreiber  vor- 


"5 

traue  ich  in  der  Regel  meine  Briefe  an,  ängstlich,  sie  möchten  irgend 
wohin,  in  unrechte  B&nde  gurathen". 

Auch  an  einer  andern  Stelle  scheint  mir  lepide  statt  trepide 
geschrieben  zu  sein:  VIII,  14,  3:  De  Domitio  varia  au4imus, 
modo  esse  in  Tiburti  hau  d  lepidt,  quo  cum  Ltpidus 
acces  si  s  8  e  ad  urbem.  Stürenburg  ändert:  modo  esqe  in 
Tiburti,  haud  lepide;  modo  j  am  lepidiua,  accessisae. 
Aber  dem  Cicero,  der  sich  in  seiner  Verlegenheit,  ob  er  sich  dem  Caesar 
in  Rom  stellen  solle  oder  nii  bt,  den  Domitius  zum  Vorbild  nehmen  will, 
kommt  es  nicht  darauf  an,  ob  Domitius  mehr  oder  weniger  artig  handle, 
sondern  darauf,  ob  derselbe  Muth  genug  besitze,  dem  Caesar  ferne  zu 
bleiben;  denn  dann  ist  er  gesonnen,  es  auch  so  zu  machen.  Ks  ist 
auch  hier  zn  lesen :  modo  esse  in  Tiburti  haud  trepide, 
modo  cum  tr  ep  i  di  8  ad  urb  em  accessisse:  „Bald  höre  ich, 
er  halte  sich  furchtlos  auf  seinem  Landgute  auf,  bald,  er  habe  sich 
mit  andern  ängstlichen  Seelen  der  Stadt  genähert". 

VII  ,7,1.  Illud  putato  non  ad  8  er  ib  i  s.  Das  sinnlose 
putato  ist  sicher  aus  profecto  entstanden:  illud  proiecto 
non  adscribis 

VII,  11,  1.  Unam  mehercule  tecum  apricationem  \n 
illo  lucrativo  tuo  sole  mal  im  quam  omnia  istius 
modi  regna.  Das  unpassende  lucrativo,  wofür  man  auch 
Luc  retin  o  schrieb,  ist  jedenfalls  in  matutino  zu  ändern,  woraus 
es  entstanden  sein  wird. 

VIII,  2,  -V  Si  qua  erunt,  doce  me,  quomodo  esse 
ef fug  er  e  possim.  Das  sinnlose  esse  ist  jedenfalls  durch  ein 
Mißverständnis*  des  Schreibers  aus  dextre  entstanden:  wie  ich 
geschickt  loskommen  kann. 

VIII,  15,  1.  Aut  h  e  mo  ni  8  fug  am  tendis,  jedenfalls  ent- 
standen uns :    AI  cm  ae  oni  8  f  u  g  am  t  e  n  d  i  8 

IX,  5,3  Eo  igitur  si  quid  apud  Homer  um,  ist  zu 
ändern  in :  Ego  igitur  quid,  si  apud  Ho  me  r  u  m .  „Ich  also, 
was  soll  ich  tbun,  wenn  bei  Homer  Achilles,  dem  sein  sicherer  Tod 
für  diesen  Fall  vorausgesagt  war,  doch  keinen  Augenblick  zweifelt,  den 
gefallenen  Gefährten  zu  rächen?" 

IX,  10,  6.  Quod  quaeris  a  me  fugamne  fidam  an  moram 
defendam  utiliorem  putem.  Dnss  defendam  verderbt  ist,  wird 
niemand  in  Abrede  stellen;  aber  auch  fidam  ist  unrichtig.  Für  Cicero 
gibt  es  in  dieser  Sache  nur  ütilitätsrücksichten :  utiliorem  putem; 
an  einen  Abfall  von  Pomp  ejus  denkt  er  nicht;  er  ist  Pompejaner, 
mag  er  in  Italien  bleiben  oder  nicht;   desshalb  ist  nicht  einzusehen, 

8* 


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116 


wie  sich  in  der  Flucht  eine  besondere  fides  zeigen  könnte.  Fi  dam 
ist  sieber  ein  missverstandenes  citam  und  dtfendam  ein  missver- 
standenes lentam;  fugamne  citam  an  moram  lentam  utili- 
orem  putem.  Die  Antwort  des  Atticus  im  folgenden:  Ego  vero  in 
praesentia  subitum  discessum  et  praeci pitem  profecti' 
onem  .  .  bestätigt  die  vermuthete  Lesart. 

XIV,  16,  4.  Puto  si  quid  in  ho m ine  pudoris  est,  prae- 
staturum  eum,  ne  spero  quodam  modo  despendatur.  Spero 
ist  schon  in  der  editio  Romano  in  sero  corrigirt.  Das  unpassende 
quodam  modo  ändert  Wesenberg  in:  cum  damno.  Indessen  sollen 
ja  nicht  Rücksichten  auf  einen  etwaigen  Verlust  den  Flaminius 
bestimmen,  sondern,  ai  quid  in  homine  pudoris  est,  sein  Ehr* 
gefühl.  Ich  halte  es  für  sehr  wahrscheinlich,  dass  quodam  modo 
durch  ein  Missverständniss  des  Schreibers  aus  Montano  entstanden 
sei:  ne  sero  Montano  dep  endatur.  Im  vorausgehenden  ist  er- 
wähnt, dass  es  sich  um  eine  Angelegenheit  des  Montanus  bandle; 
an  diesen  musste  also  die  Zahlung  geleistet  werden. 

XV,  20,  2  Oenus  illud  interitus,  quo  casurus  esU 
foedum  duces  et  quasi  d  enuntiatum  ab  Antonio  ex  hac 
nassa  exire  constitui.  Da  es  sich  nicht  um  ein  Motiv  des 
Atticus,  sondern  des  Cicero  handelt,  ist  Boot's  Aenderung  von  duces 
in  ducens  zu  billigen.  Die  unverständlichen  Worte:  quo  casurus 
est,  wurden  von  Popma  geändert  in:  quo  causae  cursus  est, 
wie  mir  scheint,  nicht  richtig.  Die  Art  von  Untergang,  welche  Cicero 
vermeiden  will,  kann  nicht  durch  seine  causa  selbst  bedingt  sein, 
sonst  müastc  er  ja  die  causa  verlassen,  um  diesem  zu  entgehen;  quo 
casurus  est  ist  nichts  weiter  als  ein  missverstandenes:  quod  pas~ 
surus  est:  „Die  Art  von  politischen  Tod,  wie  sie  Antonius  gestatten 
will,  halte  ich  für  schimpflich  und  uns  gleichsam  von  ihm  angedroht". 
Gestatten  und  androhen  schliessen  sieb  ja  nicht  aus;  was  Antonius  als 
eine  Concession  an  die  Gegenpartei  auffasst,  ist  dem  Cicero  bereits  ein 
angedroltps  Uebel.  Antonius  würde  die  Gegenpartei  wohl  nicht 
bekriegt  haben,  wenn  sie  dadurch,  dass  sie  ihn  in  allen  Stücken 
hätte  gewähren  lassen,  freiwillig  auf  ihre  Existenz  verzichtet  hätte. 
Daa  ist  wohl  illud  genus  interitus,  quod  passurus  est. 

Nürnberg.  Friedrich  Schmidt 


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117 


Conjnicirte  DnrchmegHcr  eine»  Kegelschnittes. 

Haben  zwei  Durchmesser  eines  Kegelschnittes  die  Eigenschaft, 
dass  der  Pol  des  einen  Durchmessers  dem  andern  angehört,  so  heissen 
dieselben  conjugirt.  Da  aber  die  Pole  der  Kegelschnittsdurchmesser 
unendlich  ferne  Punkte  sind,  so  folgt  schon  aus  der  Definition  für  die 
conjugirten  Durchmesser,  dass  die  Kegelschnittstangenten  in  den  End- 
punkten eines  Durchmessers  parallel  seinem  conjugirten  Durchmesser 
sind  und  dass  alle  einem  Durchmesser  parallele  Sehuen  durch  den 
conjugirten  Durchmesser  halbirt  werden. 

Obige  Definition  der  conjugirten  Durchmesser  gibt  nun  ein  einfaches 
Mittel,  aus  der  Gleichung  eines  beliebigen  Kegelschnittsdurclimessers 
sich  sofort  die  seines  conjugirten  Durchmessers  abzuleiten 

Sei  nämlich  die  Gleichung  eines  Kegelschnittes  in  homogenen 
Coordinaten ; 

f  (x,  y,  z)  -  a«,  x«  +  an  y*  +  a„  z«  +  2  a,,  x  y  +  2  a0,  x  z  + 

2  alt  y  z  =  o 

und  differentiirt  man  dieselbe  partiell  nach  den  Variablen  x,  y,  z,  so 

erhält  man  die  Gleichungen: 

f1  W  =  2  (aoo  x  +  a*  y  +  a«  z)  =  o 
f1  (J)  -  2  (a10  x  -f  an  y  +  alf  z)  =  o 
f1  (z)  =  2  (a,0  x  +  a,,  y  -+•  a„  z)  =  o. 
Löst  man  die  Gleichungen  V  (x)  —  o  und  f1  (y)  —  o  nach  den 

Grössen  -  und  1  auf;  so  erhält  man  bekanntlich  die  Coordinaten  des 
z  z 

Kegelschnittamittelpunktes  und  demzufolge  müssen  die  beiden  letzten 
Gleichungen  Durchmesser  den  Kegelschnittes  darstellen. 

Folglich  stellt  die  Gleichung:  P  (x)  -  X  P  (y)  =  o  bei  veränder- 
lichem Werthe  der  Grösse  X  alle  möglichen  Kegelschnittsdurchmesser  dar. 

Seien  nun  x0,  y0,  o  die  homogonen  Coordinaten  des  unendlich 
fernen  Punktes  irgend  eines  Kegelschuittsdurchmessers,  dessen  Gleichung 
nach  Obigem :  (a«,  x  +  a01  y  + a*  z)  -  X  (a01  x  -f-  au  y  +  alt  z)  =  o 
ist,  so  hat  man  die  Gleichung:  (a^  x,,  a01  y0)  —  X  (a«,  ,x0  -f-  »,i  y0)  —  o 
oder:  ^  (a«,  -  X  a«,,)  +  y0  (a,,  -  X  an)  =  o. 

Die  Gleichung  der  Polaren  des  unendlich  fernen  Punktes  ist  aber: 

*o  f1  (*)  +  yo  f1  (y)  =  o 
oder:  P  (x)  (a01  -  X  a,,)  —  V  (y)  (a«,  —  X  a©,)  =  o,  nachdem  man 

aus  den  beiden  letzten  Gleichungen  die  Grössen     undy0  eliminirt  hat. 
Somit  stellen  die  Gleichungen  : 

I»  (x)  -  X  P  (j)  =  o  und  P  (x)  -  ^  P  (y)  =  o  (1) 

»oi  —  *  an 

zwei  conjugirte  Durchmesser  des  Kegelschnittes  dar. 


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118 


Die  zweite  Gleichung  kann  man  auch  auf  die  Form 
[(a'o,  -  »oo  »n)  7  -  (»oo  »»  -  »o,  ao,}]  +  X  [(a«01  -  a^  au)  x  — 

(»11  »ot    ~  »Ol  =  0 

»no  » 
»00  »ll  »*oi 


und 


i» 


Ol 


bringen  und  da  die  Ausdrücke  — — 12 — 

»00  »II 

bekanntlich  die  Coordinaten  <r  und  ß  des  Kegelschnittsmittelpunktes 
sind,  so  geht  obige  Gleichung  aber  in: 

(y  -  ß)  +  X(x  -  «)  =  o; 
80  dass  also  auch  die  Gleichungen : 

P  (x)  —  *  P  (y)  =  0  und  (y  -  ß)  -f  X  (x  —  «)  =  o  .  .  .  .  (2) 
für  jedem  Werthe  von  /  ein  paar  conjugirter  Durchmesser  repräsentiren. 

Setzt  man  für  die  Grösse  X  insbesondere  die  Werthe  o  und  ©Ö,  so 
ergeben  sich  die  Gleichungen : 

P  (x)  —  o  und  j  —  ß  ~  o 
P  (y)  =  o  und  x  —  «  —  o 

Es  entsprechen  also  den  Durchmessern,  welche  durch  die  Gleich- 
ungen P  (x)  =  o  und  P  ty)  =  o  dargestellt  werden,  als  conjugirte 
Durchmesser  die  zu  den  Coordinatcnaxen  parallelen  Durchmesser  des 
Kegelschnittes;  folglich  sind  also  auch  die  in  den  Endpunkten  der 
Durchmesserp  (x)  =  o  und  P  fyj  o  an  den  Kegelschnitt  gezogenen 
Tangenten  parallel  den  Coordinatenaxen 

Sind  nun  durch  die  Gleichungen: 
P  (x)  -  X,  P  (y)  =  o    P  (X)  —  A,  P  (y)  =  o    P  (x)  -  X3  P  (y)  =  o 


P  (x)  - 


»00 


^1  »Ol 


P(y) -o    P  (x) 


a~_Z_^»o,fMy)_0 

»Ol         *»  »u 


»Ol    —   ^|  »11 

°0|   "~  A3  "ll 

drei  beliebige  Paare  conjugirter  Durchmesser  gegeben  und  bildet  man 
die  Determinante : 


X  » 
1  *1 


»oo  ^i  »o 

»Ol   "~  »11  *i 
a00  A»  ~0l  *f 


*1  + 


-i-  X 


•oi 


'11 


so  wird: 
kD 


»00   *3  »Ol  ^3* 

»oi       »ii  X3 


*3  + 


»00 

»Ol  *1 

»01 

--  »ii  V 

»oo 

»Ol  *t 

»Ol 

-  ».i  V 

»00 

-    »Ol  ^ 

»Ol 

-  »,i  V 

,  1 
,  1 


'OH 


*1        »Ol   *»  i  »00        »11  »l'l  »ll  Xl 


»00   At        »Ol  »00  —  »M  »Ol     —    »11  K 

»00   *3  "~  »Ol    X3?»  »00     "  »ll  V»    »Ol  *'l  *3 

wobei  der  Faktor  k  ==  (a01  -  an  Xt)  (a01  —  a„  Xt)  (a*,  —  a„  X3)  ist. 

Subtrahirt  man  nun  die  atlfachen  Elemente  der  ersten  Vertikal- 
reihe von  den  a01fachen  der  zweiten  Vertikalreihe,  so  ergeben  sich 


Diqit 


Googl 


119 


gerade  die  anfachen  der  letzten  Reihe  and  somit  ist  die  Determinante 
D  identisch  gleich  Null,  woraus  der  Satz  folgt: 

Die  Paare  conjugirter  Durchmesser  eines  Kegelschnittes  sind  in 
Involution.  £liminirt  man  aus  den  Gleichungen  zweier  conjugirter 
Durchmesser  die  willkürliche  Grösse  A,  so  erhält  man  bekanntlich  die 
Gleichung  des  Doppelstrahlenpaars  der  Involution,  welches  offenbar 
nichts  anders,  als  das  Asymptotenpaar  des  Kegelschnittes  ist. 

So  ergibt  sich  denn  durch  Elimination  der  Grösse  i   aus  den 
Gleichungen  (I)  die  Gleichung  des  Asymptotenpaares : 

an  P  (x)«  -  2  a*  P  (x)  f»  (y)  +  a*  P  (y)*  =  u 
oder  in  Determinantenform : 

»OOI  »o,,  V  (x) 

»,0,        ffr)     =o  (3) 

P  (x),  P  (y)  o 

Ebenso  folgt  aus  den  Gleichungen  (2)  für  das  Asymptotenpaar 
die  Gleichung: 

(z  -  «)  P  <x)  +  (y  -  ß)  P  (y)  s  o  4). 

Unter   den  sämmtlichen  conjugirten  Durch messerpaaren  gibt  es  . 
aber  insbesonders  ein  Paar  Durchmesser,  die  zu  einander  senkrecht 
stehen  and  welche  die  üauptaxen  des  Kegelschnittes  genannt  «werden. 

Ihre  Gleichungen  werden  also  erhalten,  wenn  man  die  Gröase  X  so 
bestimmt,  dass  die  Durchmesser,  deren  Gleichungen: 

P  (x)  -  X  P  (y)  =  o  und  P  (x)  -  *°°    '  *       P  (y)  -  o 

»oi  —  *  »11 

sind,  auf  einander  senkrecht  stehen,  so  dass  also: 

»oo      *  »oi   1 

aoj  —  A  a,,  A 

ist,  oder: 

A,  _  »oo  ~  hfx-i=0  .  .  .  (5). 
»•i 

Sind  x,  und  A,  die  Wurzeln  dieser  quadratischen  Gleichung,  so 
sind  die  Gleichungen  der  Hauptaxen: 

P  (x)  -      P  (y)  =  o  und  f  (x)  -  X,  P  (y)  =  o. 
Demnach  ist  die  Gleichung  des  Hauptaxenpaares : 

P  (x)'  -<*,  +  *,)  f.  (x)  P  (y)  +  A,  A,  f»  (y)«  =  o 

oder: 

a.,  P  (x)«  +  (a,,  -  aj  f»  (x)  P  (y)  -  a»,  P  (y)«  =  o  (6). 

Diese  Gleichung  laset  sich  auch  noch  auf  die  Form  bringen: 
P  (X)  [a01  P  (x)  -  ^  P  (y)]  -  P  (y)  [a,,  P  (y)  -  alt  P  (x)]  =  o 
er: 


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118 


Die  zweite  Gleichung  kann  man  auch  auf  die  Form 
[(»'o,  ~  »oo  »n>  7  -  (»oo  »«   -  »oi  »ot)l  +  *  [(»'oi 

(»II  »0!    ~  »01  «i»)]  =  0 

»01  »lt  » 


M 


»ll)  *  - 


bringen  und  da  die  Ausdrücke 


i^oj  and  »oi  »ot  r  *™  hi 


»00  a 


11 


Ol 


»00  aii  —  *  Ol 


bekanntlich  die  Coordinaten  «  und  ß  des  Kegelschnittsmittelpunktes 
sind,  so  geht  obige  Gleichung  Qber  in: 

(y  -  ß)  +  X  (x  -  «)  =  o; 
so  dass  also  auch  die  Gleichungen: 

f»  (x)  —  X  f  (y)  =  o  und  (y  -  ß)  -f  X  (x  -  «)  =s  o  .  .  .  .  (2) 
für  jedem  Werthe  von  X  ein  paar  conjugirter  Durchmesser  rep rasen tiren. 

Setzt  man  für  die  Grösse  X  insbesondere  die  Werthe  o  und  °S  so 
ergeben  sich  die  Gleichungen : 

P  (x)  =  o  und  y  —  ß  —  o 
P  (y)  =  o  und  x  —  a  —  o 

£s  entsprechen  also  den  Durchmessern,  welche  durch  die  Gleich- 
ungen P  (x)  ss  o  und  f1  (y)  ™  o  dargestellt  werden,  als  conjugirte 
Durchmesser  die  zu  den  Coordinatcnaxen  parallelen  Durchmesser  des 
Kegelschnittes ;  folglich  sind  also  auch  die  in  den  Endpunkten  der 
Durchmesser  P  (x)  =  o  und  f1  (y)  —  o  an  den  Kegelschnitt  gezogenen 
Tangenten  parallel  den  Coordinatenaxen 

Sind  nun  durch  die  Gleichungen: 
P  (x)  -  X,  P  (y)  =  o    P  (x)  -  Xt  P  (y)  =  o    P  (x)  -  A,  P  (y)  =  « 


P  (x)  - 


t**—1^  P(y)^o   P  (x)  -  ^ 


K  »oi 


»Ol  ^|  »11 


»Ol         A»  »11 


b£  P  (y)  =  o 

A3  »11 


P    (X)  -  "°° 
»o, 

drei  beliebige  Paare  conjugirter  Durchmesser  gegeben  und  bildet  man 
die  Determinante: 


D 


so  wird: 


»00  ^|  »Ol  *V 

»oi        »n  "l 

»00  »Ol  V 


L.2L  1 


°01 

»OU  ^3 


»,i  K 

»Ol  V 


»Ol  »11  ^3 


X3  +  3 

»01 


»oo 

»Ol  *1 

»01 

»11  *i 

»00 

—  »oi  K 

»0, 

—  a,, 

»oo 

»Ol  *s 

aM  A3 


,  1 
,  1 
,  1 


aoo  ^1        »Ol  ^l"'  »00        »11  ^i*»  »II 

kD  —    aon  A,     a0,  A.,',  a^,     atJ  A,*,  a()l 

»oo  »oi  Aj*>  »00    "  »ll  ^j*>  n"| 

wobei  der  P'aktor  k  =  (a01   -  an  A,)  (a0l  —  a„ 
Subtrahirt  man  nun  die  a„fachen  Klei 

reihe  von  den  a0lfachen  der  zweiten 


»„  K 


Serade  *  -ÜL 

^a^S""«  -  


 <«>  ia 

»»ckBit^  r  J/.  &  ******* 


1 


"«•he»  and  S£*  ?»  P«r  iiarchnfe»«!  * 

Änf  einander  8eilkrechf  v 

trecbt  stehen,  »o 

*H  oder:  ^4^  = 


(2>  Är  da,  Atl 

rl   —  _ 

4) 


 ^ 


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120 


oder : 


Sind  wieder  «  und  ß  die  Coordinaten  des  Kegelschnittsmittelpunktes, 
so  folgt  für  die  Gleichung  des  Hauptaxenpaares : 

f*  (x)  ly  -  ß)  ~  P  (y)  (*  -  «)  =  o 
x  -  a  y  —  ß 
V  (x)  f*  (y) 

Aus  den  Formen  der  Gleichungen  (4)  und  (7)  geht  direkt  hervor, 
dass  das  Hauptaxenpaar  die  Winkel  des  Asymptotenpaars  halbirt  und 
von  letzterem  harmonisch  getrennt  wird.  Den  Gesetzen  der  Involution 
zufolge  wird  aber  auch  jedes  beliebige  Paar  conjugirter  Durchmesser 
von  dem  Asymtotenpaare  harmonisch  getrennt. 

RegenBburg.  Max  Greiner. 

Zum  Georaetrieunterriclit. 

Erweitert  man  den  planimetrischen  Satz:  „Die  Mitten  der  Seiten 
und  Diagonalen  eines  Vierecks  sind  Eckpunkte  dreier  Parallelogramme 
(Par.)  mit  einem  gemeinsamen  Mittelpunkt",  für  die  räumliche  Geometrie 
so  kommt  man  zur  Form:  „Die  Mitten  der  6  Kanten  eines  windschiefen 
'  Vierecks  Tetraeders  (Tetr)  —  sind  die  Ecken  eines  Octaeders  mit 
paarweise  parallelen  Seitenflächen,  also  mit  sich  im  Schwerpunkt  des 
Tetr.  hafbirenden  Achsen".  Untersucht  man  nun  im  weitern  Verlaufe 
überhaupt  die  Schnittfiguren,  welche  parallel  zu  zwei  Gegenkanten 
sind,  ihren  Umfang,  Iuhalt,  die  Bedingungen  ihres  Auftretens  als  Raute, 
Rechteck,  Quadrat,  so  kann  das  zuerst  sich  ergebende  Resultat  auch 
so  ausgesprochen  werden:  „Beschreibt  ein  Par  ,  welches  parallel  mit 
seiner  ersten  Ebene  verschoben  wird ,  mit  dreien  seiner  Eckpunkte 
3  Seiten  von  2  Paar  Gegenkanten  eines  windschiefen  Vierecks  — 
Tetr.  — ,  80  beschreibt  sein  vierter  Eckpunkt  die  vierte  Seite  jener 
beiden  Paare,  während  das  dritte  Paar  Gegenkanten  die  Seitenrichtungen 
des  Par.  hat".  Projicirt  man  ferner  durch  Parallelstrahlen  auf  eine  dem 
Par.  parallele  Ebene,  so  ergibt  sich  der  planiraetrische  Satz:  „Heschreiben 
3  Eckpunkte  eines  Par  3  der  Seiten  von  2  Paar  Gegenseiten  eines 
Vierecks  (dessen  Diagonalen  auch  als  Gegenseitenpaar  betrachtet),  so 
beschreibt  der  vierte  Eckpunkt  des  Par  die  vierte  Seite  der  beiden  Paare; 
das  dritte  Paar  Gegenseiten  ist  den  Seiten  des  Par.  parallel".  Dieser  Satz 
lässt  sich  dann  zur  Lösung  der  Aufgabe  beuützen,  einem  beliebigen  Viereck 
ein  Par.  einzubeschreiben,  dessen  2  Seitenrichtun^en  gegeben  sind. 

Dies  zur  Anregung,  um  Lehrer  mit  grösserer  Erfahrung  im  Unter- 
richt zur  Mittheilung  weiterer  Beispiele  zu  veranlassen,  in  welchen 
sich  Sätze  der  ebenen  und  räumlichen  Geometrie  durch  Proj ectionen, 
(Methode  der  darstellenden  Geometrio,  wie  der  Geometrie  der  Lage) 
in  Verbindung  bringen,  aus  einander  ableiten  lassen.  Es  ist  dies  für 
den  Unterricht  doch  so  fruchtbringend. 

Bamberg.  K.  Rudel. 


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121 


Aus  der  Schulmappe. 

Fortsetzung  der  Miscellen  von  A.  Kurz*). 
Wenn  ich  diese  Notizen  fortsetze,  so  will  ich  nicht  vergessen,  dass 
die  Mitteilung  einer  jeden  nur  durch  einen  wenn  auch  kleinen  Oedanken, 
der  auf  eigenem  Felde  gewachsen  sein  soll,  berechtigt  wird  Dieser 
Kleinheit  soll  auch  der  in  diesen  Blattern  beanspruchte  Platz  entsprechen. 
Dann  braucht  der  nichtinteressirte  Leser  nicht  viel  zu  überschlagen 
und  der  Eklektiker  findet  unter  den  kleinen  Absätzen  leichter  seine 
Ilaltpunkte.  Die  Sprachv*eise  wag  einem  kurzen  Briefstil  oder  dem 
Gespräche  von  ( ollegen  nahekommen,  die  sich  in  kurzbemessener  Zeit 
über  mehrere  vorgelegte  Punkte  verständigen  wollen. 

7.    Vom  Stosse. 

Wenn  die  beiden  ganz  unelastisch  gedachten  Körper  M  und  m  mit 
den  Geschwindigkeiten  C  und  c  auf  einander  stossen,  so  geht  bekanntlich 

an  Wucht  verloren  die  Grösse  *  .  (C  -  c)*.    Beim  Ein- 

rammen  eines  Pfahles  m  ist  c  —  o  und  das  Verhältniss  der  verlornen 

zur  anfänglichen  Wucht  wird        ™ — .  ( Die  verlorne  Wucht  kommt  in 

M  -f-  m 

Erzitterungen,  in  Zersplitterungen  und  in  Erwärmung,  das  sind  nach  neuerer 
Anschauung  auch  Vibrationen  der  Körpermoleküle,  zum  Vorschein) 
Autenheimer  benützt  diesen  Ausdruck  in  seiner  sehr  empfehlenswerten 
Sammlung  von  ,. Aufgaben  über  mech  Arbeit",  Stuttgart  Cotta  1871, 
zur  Bestimmung  des  dem  Einrammen  sich  widersetzenden  Erddruckes  W. 
Verbinde  ich  die  Nummern  «0  und  109  dortselbst,  so  wird  die  Arbeit 
des  von  der  Höhe  h  herabfallenden  Rammklotzes,  für  welchen  P  ^  Mg, 
während  q  :=  mg  das  Gewicht  des  Pfahles: 

p.h  =  (p  +  «)t+  wt  +4  •M5^m„1  c'- 

wobei  t  die  (geringe)  Eindringungstiefe  des  Pfahles  vorstellt. 

A.  vernachlässigt  (P  f  q)  t  stillschweigend  gegen  Wt,  und  mit 
Benützung  von  C*  —  2g  h  wird 

P.  h  =  W.  t  +  £±  hi 

Als  numerisches  Beispiel  wird  P  =z  500  Kilogramm,  q  =  333 
(3  Pfähle  auf  1000),  h  —  3  Meter,  und  t  =  0,02  gesetzt,  woraus  W  5= 
45000  Kilogramm  resultirt 

m 

Dagegen  ist  nun  einzuwenden,  dass  obiger  Ausdruck  y£~_£  m  vor" 
aussetzt,  die  Masse  m  könne  frei,  ohne  Widerstand,  dem  erhaltenen 


*)  88.  18  -  28. 


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122 


Stowe  Folge  leisten,  was  nahezu  beim  ersten  Stoss  des  Rtanamklotzes 
gelten  mag,  aber  bei  den  folgenden  Stössen  immer  unrichtiger  wird 
Dann  kann  man  für  den  ersten  Stoss  nicht  (P  -|—  q)  t  gegen  W  t 
fortlassen,  indem  letzteres  auch  fortfallen  möchte;  und  fnr die  weiteren 
Stösse  verwächst  der  Pfahl  gleichsam  mehr  uud  mehr  mit  dem  Erdboden, 
und  man  müsate  sich  in  der  letzteren  Gleichung  ein  wachsendes  q  denken. 
Wirklich  sieht  mau  auch  die  Molekulararbeit  zunehmen  —  jedoch  ich 
kann  um  so  eher  abbrechen,  als  auch  die  Elastizität  herzu  kömmt,  die 
Erscheinung  verwickelt  zu  macheu.  Der  Erdwiderstand  oder  die 
Tragkraft  W  ist  einfacher  und  für  die  Praxis  genügend  auf  statischem 
statt  auf  dem  dynamischen  Wege  zu  ermitteln. 

8.   Weisbach's  Momentenfiäche. 

So  nenne  ich  letztere,  da  ich  sie  nur  in  der  bekannten  „Mechanik" 
von  Weisbach  gefunden  zu  haben  mich  erinnere  und  geneigt  bin,  ihm 
die  erste  Conception  derselben  zuzuschreiben.  Wenn  nämlich  ein  gewicht- 
loser Balken  gedacht  wird,  der  horizontal,  von  der  Länge  1,  an  einem 
Ende  eingemauert,  am  andern  frei  #und  mit  dem  Gewichte  P  belastet 
ist,  so  nennt  man  P.  1  das  Bruch moment  (an  der  Einmauerungsstelle): 

P.  i  ist  das  Biegungsmoment  in  der  Mitte  u  s  w.    Alle  diese  Werte, 

als  Ordinaten  auf  den  zugehörigen  Punkten  der  Abscisse  (von  der  Total- 
länge 1)  aufgetragen,  bilden  die  „Moment entfache" .  die  im  gegebenen 
Falle  als  rechtwinkliges  Dreieck  mit  den  Katheten  1  und  PI  erscheint 
Wenn  aber  der  Balken  durch  eine  auf  seine  Länge  1  gleichmäßig 
verteilte  Belastung  G  angestrengt  ist,  so  ergiebt  sich  als  Bruchmoment 

1   G  1  und  als  Biegungsmoment  am  mittleren  Querschnitte  ^  Gl  u.  8.  w. 

Man  sieht  leicht  ein,  dass  statt  der  vorigen  Hypotenuse  nunmehr  ein 
Parabelbogen  die  Momcntenfläcbe  deckt  und  -zwar  welcher  seinen 
Scheitel  am  freien  Ende  des  Balkens  hat,  während  die  Parabelaxe 
vertikal  steht. 

Während  also  die  Momentenfläche  von  aussen  gesehen  konkav 
erscheint,  ist  nun  aber  bei  Weisbach  eine  verkehrte,  konvexe  Curve 
gezeichnet;  er  versäumte  wol  die  Curve  um  ihren  Heimatschein  zu 
befragen.  Irre  ich  nicht,  so  hat  sich  das  Versehen  auch  in  der  seit 
dem  Tode  W.  erscheinenden  (vielleicht  schon  ganz  erschienenen)  Neu- 
Auflage  und  Bearbeitung  des  mit  Recht  geachteten  Werkes  erhalten, 
von  welchem  ich  vor  einiger  Zeit  unaufgesebnittene  Lieferungen  kurz 
besehen  habe. 

9.   Hydrostatisches  und  Allgemeines. 

Damit  der  Schüler  der  spezifischen  Vorteile,  welche  der  Unterricht 
in  den  exakten  Wissenschaften  zu  bieten  vermag,  teilhaftig  werde,  und 


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123 


zwar  auch  dchon  bei  der  ersten  ünterricbtsstufe,  dazu  bedient  sieb  der 
Lehrer  erstens  der  Beschränkung  auf  das  Wichtigste,  was  dann  um  so 
gründlicher  nach  allen  8eiten  durchgenommen  werden  kann,  und  zweitens 
einer  scharfen  Gränzmarkirung,  welche  die  entweder  nach  der  gewählten 
Betrachtungsweise  (oder  überhaupt  noch  nach  dem  Standpunkte  der 
Wissenschaft)  unlösbaren  (oder  ungelösten)  Probleme  zu  nennen  nicht 
-  unterlägst,  so  weit  sie  wenigstens  dem  Bebandelten  und  der  Fassungs- 
kraft des  Schülers  genug  nahe  liegen.  Als  Beispiel  diene  der  Seiten- 
druck des  Wassers.  Das  vertikale  Rechteck  b  h,  b  die  Niveaulinie,  kann 
da  erschöpfend  behandelt  werden:    es  ist  die  Richtung  des  Druckes 

horizontal;  die  Grösse  des  Druckes  -5-1  weil  u.  s.w.;  und  der  Angriffs- 

b 

punkt  oder  auch  Mittelpunkt  des  Druckes  ist  in  der  Abscisse  -^und 

2 

der  Ordinate  (Tiefe)  ^  h,  welch  letztere  bekanntlich  aus  dem  Schwer- 
punkte des  Dreieckes  abgeleitet  wird,  das  ähnlich  wie  die  Momenten- 
fläche in  Nr.  8  konstruirt  wird  (aber  jetzt  „Drnckfläche"  genannt 
werden  müsste).  Andere  ebene  Figuren,  oder  auch  nur,  wenn  das 
Rechteck  die  obere  Seite  b  nicht  mehr  im  Niveau  aber  noch  diesem 
parallel  hätte,  fallen  in  ein  besonderes  collegium  mechanictB,  woselbst 
sie  noch  grossenteils  auch  auf  sogenanntem  elementaren  Wege  erledigt 
werden  können;  soweit  diess  nämlich  mit  den  Triigbeits-  und  statischen 
Momenten  der  Fall  ist.  (Analogie  mit  der  reducirten  Länge  des 
physikalischen  Pendels).  Reifere  Schüler  mögen  etwa  auch  im  ersten 
Physik  -  Unterrichte  noch  die  Entwicklung  der  Formel  vertragen 
z0  2  b  z.  J  r.  —  2  b  z.»  J  z.  (z  die  variable  Tiefe,  z0  die  Tiefe  des 
Schwerpunkt«  der  vertikalen  Wandfigur) 

Um  das  stabile  und  labile  Gleichgewicht  eines  schwimmenden 
Körpers  zu  zeigen,  beschränkt  man  sich  auch  ausdrücklich  auf  das 
Rechteck.  Am  Schwerpunkte  des  Rechteckes  und  am  Schwerpunkte 
des  eingetauchten  Teiles  desselben  wirken  dann  die  beiden  entgegen- 
gesetzt gleichen  Kräfte  (vertikal),  welche  nach  eingetretener  Störung 
des  Gleichgewichtes  ein  Kräftepaar  bilden.  Dieses  strebt  beziehungs- 
weise das  Rechteck  wieder  in  die  frühere  Gleichgewichtslage  zurück- 
zuführen oder  noch  weiter  von  derselben  zu  entfernen.  (Für  den  Fall 
des  indifferenten  Gleichgewichtes  ein  schwimmender  Baumstamm.)  Das 
„Metacentrum"  hat  sich  bekanntlich  den  allgemeinen  strengen  Anforder- 
ungen nicht  stichhaltend  erwiesen  und  ist  auch  im  vorigen  einfachen 
Falle  mindestens  überflüssig;  seine  Einführung  kämi  da  schon  gegen- 
über dem  wichtigen  Grundbegriff  des  Kritftepaars  als  Künstelei 
erscheinen. 


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124 


10.   Zur  Erklärung  vou  Foucault's  Pendelversuch. 

Gestern  las  ich  im  neuesten  Hefte  der  in  gedeihlichem  Wachstum 
begriffenen  Zeitschrift  für  math.  und  naturw.  Unterricht  von  Hoffmann, 
Hand  6  Seite  46  —  48,  Ausstellungen  über  den  gewöhnlichen  kurzen 
Beweis  der  Formel  v  =s  w  sin  <jp,  in  welcher  v  und  w  die  Rotations- 
gesch windigkeiten  der  Pendelebene  und  der  Erde  und  <jp  die  geogr. 
Breite  des  Beob.  Ortes  ist.  Indem  nämlich  der  Bogen  des  betreffenden 
Parallelkreises,  den  man  sich  so  klein  als  man  will  vorstellen  darf, 
sowol  als  Mass  von  v  als  von  w  mit  den  bezüglichen  Radien  r  cot  y 
und  reo  19  betrachtet  wird :  begehe  man  einen  kleinen  Fehler,  welcher 
beim  Uebergange  von  der  unendlich  kleinen  auf  eine  endliche  Zeit 
unendlich  oft  wiederkehre  ;  daher  Bedenken  und  Aufforderung  an  die 
Leser  um  Mitteilung  eines  von  solcher  Bedenklichkeit  freien  Beweises. 

Dieses  Bedenken  schwindet  nun  gleich  vor  der  Formel  n  (a  -|-  «) 
=  na-f-n«,  in  welcher  n  die  Anzahl  jener  Wiederkehr,  a  das  fragliche 
Linienelement,  «  der  bei  der  Wahl  des  letzteren  begangene  Fehler  ist; 
denn  wer  zugibt,  dass  «  gegen  a  verschwindet,  sieht  ohne  Weiteres, 
dass  ebenso  auch  n«  gegen  na  verschwindet.  Das  Uebersehen  dieses 
Schlusses  könnte  durch  (a  -{-  n«)  fonnulirt  werden. 

Bei  dieser  Gelegenheit  habe  ich  den  a.  a  0.  citirten  Aufsatz  von 
Crahay  in  Popp.  Ann.  Bd.  88  Seite  477  -  4*1  durchgesehen;  es  ist 
da  dasselbe  Beweiaverfabren,  dargelegt,  aber  sehr  umständlich,  was  schon 
daraus  erhellt,  dass  auf  den  vier  Seiten  von  wesentlich  Weiterem  nicht 
die  Rede  ist. 

11.    Messende  Schul  versuche  aus  der  Wärmelehre. 

In  dem  gerade  vorbin  citirten  Journalhefte  sagt  J.Müller  Seite  26: 
„Wenn  auch  nicht  die  Rede  davon  sein  kann,  wirkliche  Bestimmungen 
der  spezifischen  Wärme  beim  Unterrichte  auszuführen  -".  Diesem 
Ausspruche  gegenüber  finde  ich  in  meiner  Schulmappe  den  Versuch 
vom  Jahre  1872  notirt:  10  Gramm  Messing  (ein  Stück  aus  dem  Gewicht- 
satze) wurden  aus  siedendem  Wasser  (99°  Celsius)  in  das  Wasserqnantum 
von  20  gr.  verbracht,  dessen  Temperatur  hiedurch  von  18  auf  21° 
stieg.  Also 

10  x  (99  -  21)  =  20.  1.  (21     18)  oder  x  =  0,08. 
Richtiger  wäre  0,09;  aber  einen  Fehler  von  12  "0  darf  man  'ich  wol  bei 
einem  solchen  Schulversuche  gerne  gefallen  lassen  (er  kann  sogar  zur 
weiteren  Belehrung  der  Schüler  verwendet  werden). 

Auch  ein  doppelt  so  grosser  Fehler,  von  25%,  darf  noch  nicht 
abschrecken ,  bei  einem  Apparate  z.  B.  wie  Lavoisier's  Eiskalorimeter. 
Hierüber  habe  ich  mir  im  Nov.  1874  notirt: 


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125 


Ein  Stück  Blei,  332  gr.  98°  Celsius,  gab  21  cub.cent  m.  Schmelz- 
wasser; also 

392  x.  98  =  21.  80,  woraus  x  .=  0,04  statt  0,03 
sich  berechnet. 

In  der  Naturforschung,  an  der  Gränze  der  Wissenschaft,  gibt  es 
Fälle,  in  denen  man  sich  mit  noch  viel  geringeren  Annäherungsgraden 
wenigstens  einstweilen  begnügen  niuss. 

x 

12.   Das  Exponentialgesetz  y  =  a.  b  , 

welches  im  math.  Schulunterrichte  insbesondere  unter  dem  Namen 
der  Logarithmen  einen  grossen  Bruchteil  der  Zeit  in  Anspruch  nimmt, 
ist  auch  im  Unterrichte  der  Mechanik  und  Physik  nicht  selten  anzu- 
rufen. Zur  Betonung  seiner  Wichtigkeit  rekapitulirte  ich  öfters  mit 
den  Schülern  die  Fälle  seines  Vorkommens  und  fanden  wir,  mit 
dem  Vorbehalte  noch  von  Auslassungen,  in  der  Mechanik:  die  Ketten- 
linie; Spannungen  eines  um  einen  testen  Cy linder  gewundenen  Seiles, 
bei  Berücksichtigung  der  Reibung;  Querschnitte  eines  auf  absolute  oder 
rückwirkende  Festigkeit  angestrengten  Trägers,  bei  Berücksichtigung 
des  Eigengewichtes  und  gleicher  Beanspruchung  aller  Querschnitte. 

In  der  Physik  findet. mau:  die  Abnahme  des  Luftdruckes  beim  Er- 
steigen der  Himmelsleiter;  wie  auch  bei  der  Kvakuationspumpe  (confer 
Compressionspumpe) ;  die  Tonleiter  der  gleichschwebenden  Temperatur; 
Absorption  überhaupt  und  z.  B.  des  Lichtes;  Leitung  der  Wärme ; 
angenähert  und  innerhalb  gewisser  Temperaturgräuzen  auch  die  Spannung 
des  Wasserdampfes;  Intensitätskurve  (Biot)  bei  einem  Magnetstabe; 
Zerstreuung  der  Elektrizität. 

Stoff  genug  dazu,  dass  sich  der  math.  und  physik.  Unterricht 
einander  in  die  Hände  arbeiten.  Auch  erinnere  ich  mich  biebei  einer 
schönen  Stelle  aus  der  Vorrede  zur  „Theorio  der  Elastizität  fester 
Körper"  von  Clebsch,  in  welcher  dieser  erfahrene  Mathematiker  es 
ausspricht,  wie  math.  Fragen,  unmittelhar  angegriffen,  oft  fremdartig 
und  dunkel  erscheinen  ,  aber  uns  befreundet  entgegenkommen,  wenn 
wir  sie  in  dem  farbenreichen  Gewände  physik.  Anwendung  kennen 
•  gelernt  haben. 


Einige  geometrische  Bitze. 

Bei  Verfolgung  eines  bestimmten  Zieles  gelangt  man  häufig  neben- 
her zu  ganz  besonderen  Beziehungen,  welche  vorher  unsere  Aufmerk- 
samkeit entweder  nicht  weiter  beanspruchten ,  oder  sich  derselben 
vollständig  entzogen  hatten.  Dieserart  gelangte  ich  zu  einigen 
geometrischen  Beziehungen,  welche  vielleicht  Manchem  meiner  Herren 


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126 


Collegen  des  Lesens  werth  erscheinen  und  dessbalb  hier  Platz 
finden  mögen. 

1)  Bekanntlich  tbeilen  sieb  die  drei  Mittellinien  eines  Dreiecks 
in  dem  Verbältnisa  2:1;  weniger  bekannt  durfte  sein,  dass  sich  auch 
die  drei  Winkelhalbirungslinien ,  und  ebenso  die  drei  Höhen  unter 
ziemlich  einfachen  Verhältnissen  schneiden 

a)  Es  seien  AB  =  c,  BC  =  a,  CA  =  b  die  Seiten,  AA',  BB1,  CC 
die  Winkelhalbirungslinien  eines  Dreiecks,  S  ihr  —  bekanntlich 
gemeinsamer  —  Schnittpunkt,  so  ergibt  sich  unter  Anwendung  des 
Satzes:  „Die  Winkelbalbirungslinie  eines  Dreiecks  theilt  die 
dem  Winkel  gegenüberliegende  Seite  in  zwei  Abschnitte,  die  sich 
wie  die  anliegenden  Seiten  zu  einander  verhalten" 

aus  A  CCA:  1)  CS:  SC1  =  a  :  BC« 
aus  A  CC»B:  2)  CS:  SC  =  b:  AC  - 

3)  CS:  SC»  =  a:  BC1  — b:AC  und  hieraus  nach  der 

Proportionslehre 

4)  CS:  SC       (a  -f-  b)  :  (BC1  +  AC)  d.  h. 
C3 :  SC1  —  (a  +  b)  :  c 

Analog  erhielte  man  BS  :  SB1  =  (a  +  c)  :  b 
und  AS  :  SA»  =  (b  +  c)  :  a 
mit  Worten:  Jede  W  i u k  el h a  1  b ir u  ngsli n i e  eines  Drei- 
ecks wird  von  den  beiden  andern  so  getheilt,  dass 
ihr  vom  Scheitel  des  Winkels  ausgehender  Abschnitt 
zum  andern  sich  verhält,  wie  die  Summe  der  ein- 
schließenden  Seiten  zur  gegenüberliegenden  Seite. 

Es  ist  hier  vorausgesetzt,  dass  sich  die  drei  Winkelhalbirungs- 
linien in  einem  Punkte  schneiden;  ohne  diese  Voraussetzung  könnte 
man  folgenden  Weg  einschlagen: 

CC  &  BB«  sollen  sich  in  S  schneiden;  daun  wäre  wegen  CC 

1)  a;  b  =  BC1 :  AC  woraus 

2)  (a  +  b)  :  (BC  f  AC)  =:  a :  BC1  =  b :  AC1  oder 

2)  (a  -f  b) :  c  =  a :  BC  —  b  :  AC ;  aus  A  CCB  ist  aber  wegen  BS 

3)  CS: SC  —  a:BC  somit  aus  2)  &  3) 

4)  CS :  SC  =  (a  +b ) :  c. 

Hieraus  Hesse  sieb  nun  weiter  beweisen ,  dass  sich  die  drei 
Winkelhalbirungslinien  in  einem  Punkte  schneiden;  denn  ange- 
nommen, die  Winkelhalbirungslinic  AA'  schnitte  die  CC1  in  S> ,  so 
erhielte  man  analog  CS1 :  S'C  ^  (a  -fr-  b) :  c,  welche  Proportion  mit 
der  vorigen  nothwendig  CS  —  CS',  SC  =:  S'C1  zur  Folge  hätte. 

b)  Die  drei  Höhen  eine|s  Dreiecks  theilen  sich  gegenseitig 
in  Abschnitte,  deren  Rechtecke  oder  Producte  ein- 
ander gleich  sind. 


127 


Sind  wieder  AB  —  c,  BC  —  a,  CA  =  b  die  Seiten,  AA1,  BB», 
C(  1  die  sich  in  S  schneidenden  Höhen  eines  Dreiecks,  so  folgt  ans 
der  Aehnlichkeit  der  Dreiecke  BC'S  und  CB'S: 
BS :  CS  — -  SC1 :  SB1  oder  BS.  SB1  —  CS.  SC1 ;  analog  erhielte  man 

AS.  SA1  —  CS.  SC1; 
der  Werth  dieses  Productes  ergibt  sich 

__  a'  +  b'-  c'   a'-b'  +  c*    -  a'  +  o'  +  c'  JL 
2  2         '  2  '  Ai" 

Für  d ab  Ycrhaltniss  der  Abschnitte  fände  sich 

AS:  SA»  —  b.  AB1 :  A  B.  A'C  =  c.  AC :  A'C.  A'B 
BS :  SB1  —  c.  BC1 :  B'C.  B'A  =  a.  BA' :  B'A.  B'C 
CS  :  SC1  —  a.  CA» :  CA.  C'B  —  b.  Cü' :  C'B  CA. 
„Während  somit  die  Aufgabe,  zwei  Rechtecke  von  gegebenen 
Umfängen   und  gleichem  Inhalte  aber  jeweils  zu  zeichnen,  ver- 
schiedene Auflösungen  bieten  wird,  gibt  die  Aufgabe:  „drei  Recht- 
ecke zu  zeichneo,  welche  bei  gleichem  Inhalt  gegebene  Umfänge  haben41 
nur  eine  Auflösung,  wenn  die  hier  enthaltene  Bedingung  hinzutritt". 

2)  Fällt  man  aus  irgend  einem  Punkte  (der  Einfachheit  halber 
innerhalb)  eines  Dreiecks  ABC  Lothe  auf  die  Seiten,  so  ist  die  Summe 
der  Producte  aus  je  einer  Seite  und  ihrem  ersten  Abschnitt  gleich  der 
Summe  der  Producte  aus  je  einer  Seite  und  ihrem  zweiten  Abschnitt; 
diese  Summe  ist  ausserdem  constant,  d  h.  sie  ist  gleich  der  halben 
Summe  der  Quadrate  der  drei  Seiten.  Sind  C,  A1,  B1  resp.  die  auf 
den  Seiten, AB,  BC,  CA  liegenden  Fusspunkte  der  Lothe,  so  hat 
man  also: 

AB  .  C'B      BC  .  A'C  -f-  CA  .  B'A  =  AB  .  CA  +  BC .  A'B      CA  .  B'C 

AB«  -|-  BC*  -fr  CA« 
2 

Für  ein  gleichseitiges  Dreieck  wird  demnach  die  Summe  der  der 

3 

Reihe  nach  geraden  oder  ungeraden  Abschuitte  —  ^  a. 

Die  vorher  genannte  Summe  ist  demnach  auch  gleich  der  Summe 
der  Producte  aus  je  einer  Seite  und  ihrem  ersten  oder  resp.  zweiten 
durch  die  zugekörige  Höhe  erzeugten  Segment. 

3)  Legt  man  durch  zwei  Eckpunkte,  etwa  B  &  C,  eines  Dreiecks 
ABC  Parallele,  welche  den  umschriebenen  Kreis  resp.  in  D  &  E 
schneiden,  und  verbindet  diese  Schittpunkte  mit  den  andern  Eckpunkten 
des  Dreiecks,  wobei  AD  &  BE  sich  in  F  schneiden  sollen,  so  ist  Dreieck 
AFE  oc  Dreieck  BFD  oo  Dreieck  ABC.  Der  Satz  wird  insbesondere 
einfach  und  hat  eine  bekannte  Beziehung  zwischen  CD,  AD  &  BD  zur 
Folge,  sobald  Dreieck  ABC  gleichseitig  ist. 


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128 

4)  Wenn  man  aus  den  Endpunkten  eines  Durchmessers  AB  Lothe 
auf  eine  Sehne  CD  fällt,  so  schneiden  diese  Lothe  nach  entgegen- 
gesetzten Richtungen  gleiche  Stücke  von  der  Sehne  ah. 

Man  gelangt  zu  diesem  Satze  durch  Aufstellung  eines  Sehnen- 
vierecks ACBD,  dessen  eine  Diagonale  ein  Durchmesser,  dessen  andere 
Diagonale  diese  Sehne  ist;  stellt  man  nach  Fällung  der  Lothe  alle 
Proportionen  auf,  welche  sich  aus  je  zwei  ähnlichen  Dreiecken  ergeben, 
vereinigt  je  zwei  derselben  und  bildet  aus  diesen  Vereinigungen  wieder 
eine  einzige,  so  lautet  dieselbe,  wenn  wir  mit  BE  und  AF  die  Lothe 
bezeichnen,  CE:ED  —  DF  :  CF,  woraus  sich  ohne  Schwierigkeit 
CE  =  DF  und  DE  -  -  CF  ergibt. 

5)  Wenn  man  zwei  Gegenseiten  eines  Sehnenvierecks  AßCD,  etwa 
AD  &  BC,  bis  zu  ihrem  Schnittpunkt  E  verlängert,  entsteht  ein  dem 
Dreieck  ABE  ähnliches  Dreieck  CDE,  so  dass  sich  mit  Hülfe  dieser 
Aehnlichkeit  sowohl  die  Verlängerungen  CE  und  DE,  wie  auch  die 
Inhalte  dieser  Dreiecke  und  damit  der  Inhalt  des  Sehnenvierecks  selbst 
aus  seinen  vier  Seiten  verhältnissmässig  bequem  berechnen  lässt.  Gilt 
za  gleicher  Zeit  für  dieses  Viereck  die  Bedingung,  dass  sich  demselben 
auch  ein  Kreis  einbeschreiben  lasst,  so  4cann  dieser  ein  beschriebene 
Kreis  kein  anderer  als  der  dem  Dreieck  ABE  zugleich  einbeschriebene 
sein.  Erwähnenswert  i  scheinen  mir  folgende  Werthe  für  den  Fall,  dass 
das  Viereck  ein  Sehnen-  und  Tangenten- Viereck  zugleich  ist.  Sind 

nämlich  a,  b,  c,  d  seine  Seiten,  so  findet  sich  i        1/abcd ;  r  — 

l/(ab  -f-  cdM  ac-hbd)  (ad  -|-bc)  j  Kabcd 

4i  :  f  —  a~+b  +  c  +  d    '»    U  (Aaü" 

gentenabschnitt  der  Seite  AB  gegen  A  gelegen)  —  a  .  b  ^_  d;  tb  —  b  . 
a  b  .  c 

r+;5  fc  =  e  r+-d5  to  =  d  r+7 

Als  Abstand  der  Fusspunkte  der  aus  den  beiden  Mittelpunkten 
auf  eine  Seite  gefällten  Lothe  erhält  man  das  Product  der  halben 
Soite  mit  dem  Quotienten  aus  Differenz  durch  Summe  der  an- 
liegenden Seiten. 

6)  In  einem  mir  zufällig  zu  Händen  gekommenen  Schrifteben 
(Taschenbuch  der  Geometrie  von  Hauptmann  Bienenfeld,  Stahel'sche 
Buchhandlung,  Würzburg,  1869)  ist  die  Aufgabe  gelöst,  ein  gleich- 
schenkliges A  in  ein  gleichseitiges  zu  verwandeln  Die  Lösung  ist 
interessant;  in  der  Beweisführung  fehlt  die  Correctur.  Diese  Aufgabe 
und  ihre  Lösung  lässt  aber  eine  nicht  zu  unterschätzende  Verallge- 
meinerung zu,  die  sich  unter  bestimmten  Rücksichten  selbst  auf  Vier- 
und  Vielecke  erstrecken  wird.   Nach  dieser  Verallgemeinerung  lautet 


••)  hier  also  H= 

a  +  c 


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129 


die  Aufgabe:  Ein  Dreieck  I  in  ein  einem  Dreieck  II  ähnliches  Drei- 
eck III  zu  verwandeln.   Die  Auflösung  wird  lauten: 

Zeichne  Qber  einer  Seite  des  Dreiecks  I  als  Grundlinie  ein  dem 
Dreieck  II  ähnliches  Dreieck  IV,  ziehe  in  beiden  die  Höhe  für  diese 
Grundlinie,  errichte  über  der  grösseren  dieser  Höhen  einen  Halbkreis, 
welcher  von  der  durch  die  Spitze  des  niedrigeren  Dreiecks  zur  Grund- 
linie gezogenen  Parallelen  in  E  geschnitten  werden  soll,  so  ist  die  Ver- 
bindungslinie dieses  Punktes  E  mit  dem  Fusspuokt  der  grösseren  Höhe 
die  homologe  Höhe  des  gesuchten  Dreiecks,  d  h.  trage  diese  Verbindungs- 
linie auf  der  einen  oder  andern  Höbe  von  ihrem  Fusspunkte  aus  ab, 
wodurch  C1  entstehen  soll,  und  ziehe  durch  C1  Parallele  zu  den 
Seiten  des  Dreiecks  IV,  welche  die  gemeinsame  Grundlinie  in  A'  &  B1 
schneiden  sollen,  so  ist  A1  B1  C  das  gesuchte  Dreieck. 

Zum  Beweise  wende  man  die  Sätze  an:  „Aehnliche  Dreiecke 
verhalten  sich  etc."  und  „Wenn  man  aus  einem  Punkte  der  halben 
Peripherie  ein  Loth  auf  den  Durchmesser  fällt,  so  ist  dieses  Loth  etc.". 

7)  Als  ich  mir  vor  einiger  Zeit  die  Aufgabe  stellte,  die  Grösse 
der  Centrailinie  des  einem  Dreieck  um-  und  einbeßchriebenen  Kreises 
zu  bestimmen,  fand  ich  die  Bestätigung  meiner  Vermuthung,  dass  die 
Grösse  der  Radien  die  Länge  der  Centrailinie  allein  schon  bestimme; 

es  ergab  sich  nämlich  für  diese  Centrailinie  JIM1'  —  r«  —  2r r»  Die 
hier  ermöglichte  Elimination  der  Dreiecksseiten  weist  einerseits  darauf 
hin,  dass  diese  beiden  Kreise  bei  derselben  Centrallinie  zugleich 
mehreren  (eigentlich  unendlich  vielen)  Dreiecken  gleichzeitig  genügen,  an 
denen  jedoch  je  3  einander  congruent  sind,  andererseits  wieder  darauf, 
dass  durch  Angabe  je  zweier  der  Grössen  MM1,  r,  r1  die  dritte  nicht 
mehr  in  unserem  Belieben  steht,  dass  also  z.  B.  bei  gegebenen  Radien 
die  Centrale  eine  bestimmte  Grösse  hat  etc.  Die  obige  Relation  bietet 
Anlass   zu   mancherlei    Schlüssen,   z.   B.    für   MM1   =   o  wird 

r1  =:  rr,  d  h.  das  Dreieck  muss  regulär  sein ;  für  MM1  —  -  V  n  (n-2) 
i  n 

wird  r1        -  .  r ;  für  MM»  =  r  gibt  es  kein  Dreieck,  da  dann  r1  —  o 
n 

ist;  je  kleiner  r1  gegen  r  ist,  um  so  grösser  wird  mm1,  d.  h.  der  ein- 
beschriebene Kreis  rückt  um  so  näher  an  die  Peripherie  des  um- 
schriebenen Kreises,  je  kleiner  sein  Radius  ist  etc. 

Zieht  man  die  Seiten  in  die  Betrachtung  herein,  so  wird  ihre 
mögliche  Grösse  durch  die  beiden  Sehnen  des  umschriebenen  Kreises 
begrenzt  sein,  für  welche  das  Apothem  r*  ±  MM1  ist;  im  Grenzfalle 
selbst  erhält  man  je  ein  gleichschenkliges  Dreieck.  Von  einer  dieser 
Grenzen  ausgehend  lässt  sich  die  Zu-  oder  Abnahme  der  Grundlinie 
bei  ihrer  Wanderung  um  den  innern  Kreis  leicht  aus  dem  durch  ihre 

Blätter  f.  d.  bayer,  Oymn.-  u.  Real  -  Schul  w.   XL  Jahrg.  9 


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130 


vorige  und  neue  Lage  eingeschlossenen  Bogen  des  umschriebenen 
Kreises  feststellen. 

In  nahezu  analoger  Weise  bestimmt  sich  der  Werth  für  die  Centrale 
des  einem  Viereck  um  -  und  einbeschriebenen  Kreises  durch  die  Gleichung 

MM1'  =  r'  +  2r>8  -  ^-f,  unter  e  &  f  die  Diagonalen  des  Vierecks 

verstanden.  Es  müssen  demnach  auch  dieselben  zwei  Kreise  für 
verschiedene  Vierecke  gleichzeitig  gelten;  die  Bedingung  für  diese 
Vierecke  ist  aber,  dass  das  Product  oder  Rechteck  aus  ihren  Diago- 
nalen einen  constanten  Werth  hat,  und  dass  —  zur  Vermeidung  einer 
Drehung  der  Centrallinie  um  den  Mittelpunkt  des  umschriebenen 
Kreises  —  die  Schnittpunkte  der  Diagonalen  in  einen  Punkt  zusammen 
fallen.  Eines  dieser  Vierecke  ist  ein  Antiparallelogramm  und  kann 
somit  den  Ausgangspunkt  zur  Bestimmung  der  anderen  Vierecke  bilden. 
Die  Frage  aber,  ob  und  warum  diese  Vierecke  ein  und  denselben 
Diagonalen  —  Schnittpunkt  haben,  musste  ich  bei  der  mir  kurz  zuge- 
messenen Zeit  vorerst  noch  offen  lassen. 

Neustadt  a./H.  Dr.  Hügel. 


Baumgart,  Hermann  Dr.,  Aelius  Aristides  als  Repräsentant  der 
sophistischen  Rhetorik  des  zweiten  Jahrhunderts  der  Kaiserzeit. 
Leipzig.   Teubner.  1874. 

In  dieser  Schrift  behandelt  der  Verfasser  in  eingehender  und 
trefflicher  Weise  den  berühmten  Rhetor  Aelius  Aristides.  In  der  Ein- 
leitung kritisirt  er  seine  Vorgänger  und  weist  im  Gegensatz  zu  Bern- 
hardy's  glänzender  Schilderung  von  der  sophistischen  Beredsamkeit 
des  zweiten  Jahrhunderts  n.  Chr.  und  insbesondere  von  Aristides  dem- 
selben die  richtige  Stelle  zu,  indem  er  zeigt,  wie  hinter  der  gesuchten 
Form  Mattheit  und  innere  Hohlheit  sich  verberge.  Wenn  aber  der 
Verfasser  die  Lehrer  des  Aristides  erwähnt,  so  wäre  es  wohl  nicht 
unpassend  gewesen,  auch  seine  Schüler  namhaft  zu  machen.  Zu  diesen 
gehörte  z.  B.  Apsines ,  der  ihn  öfters  in  seiner  rix^n  anführt:  Speng. 
p.  343.  10  bei  Erwähnung  von  heiligen  Reden,  eine  Notiz,  die  offenbar 
aus  den  Reden  des  Aristides  herrührt;  dann  p.  348.  21.  ola  nokka  7taQy 
'j4Qt<rie(dfi't  p.  353.  1.  w'c  iv  t<Z  Iooxyuiei  'jyioreiäov  u.  s.  w. 

Im  ersten  Kapitel  wird  die  Stellung  des  Aristides  zur  alt- 
griechischen Literatur  und  sein  feindseliges  Verhältniss  zur  Philosophie 
seiner  Zeit  besprochen.  Indem  nemlich  Aristides  annahm,  dass  Philosoph 
und  Sophist  im  Grunde  dasselbe  sei,  identirlcirte  er  die  alten  Sophisten 
mit  den  neuen  und  wendete  seine  Polemik  an  die  Adresse  der  gesammten, 
eigentlichen  Philosophie,  namentlich  der  Platoniker.  Gegen  Plato  selbst 
leitet  er  vielfache  Verdächtigungen  aus  dessen  Verkehr  mit  Diou  her, 
wie  er  auch  die  Briefe  überall  mit  Vorliebe  als  echt  citirt  und  gegen 
Plato  verwendet. 


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131 


In  einem  zweiten  Kapitel  behandelt  der  Verfasser  das  Wesen  der 
sophistischen  Rhetorik.  Das  Urtheil  aber,  dass  die  Sophistik  als  solche 
in  feindlichem  Gegensatze  zu  allen  wissenschaftlichen  Bestrebungen 
gestanden  sei,  ist  zu  strenge,  wenn  nicht  ungerecht.  Dasa  bei  der  Ab- 
nahme des  politischen  und  socialen  Lebens  im  2.  Jahrhundert  der 
Kaiserzeit  ein  solcher  BlQtenkranz  von  geistigen  Produkten  wie  in  der 
klassischen  Zeit  nicht  mehr  möglich  war,  versteht  sich  von  selbst. 
Aber  sind  denn  die  r^/*»/  eines  Hermogenes ,  die  ixQoyv^vuanata  eines 
Theon,  Aphthonios ,  die  ausgezeichneten  Schriften  eines  Tiberius, 
Demetrius,  Menander  gegen  wissenschaftliche  Bestrebungen  gerichtet? 
Conseqoent  mü^ste  man  dann  auch  die  gleichzeitige  römische  Literatur 
verurtheilen.  Ebenso  hat  der  Verfasser  Richtung  der  Zeit  und  Charakter 
der  Person  verwechselt,  wenn  er  den  Aristides  als  einen  Menschen 
bezeichnet,*  dessen  Grundzug  es  sei,  den  Schein  statt  des  Wesens  zu 
verehren,  und  dessen  Consequenz  und  Kraft  darin  bestehe,  die  Kunst, 
Irrthum  statt  Wahrheit  zu  verbreiten,  auf  die  Höhe  zu  bringen. 
Richtiger  ist  des  Verfassers  Urtheil  im  dritten  Kapitel,  indem  er  den 
Aristides  als  einen  in  der  Weise  seiner  Zeit  gläubigen  Asklepiosdiener 
auffasst,  der  aus  der  Religion  ein  Feld  für  seine  Rhetorik  macht,  woraus 
dann  natürlich  wie  immer  wunderliche  Dinge  entstehen.  Man  wollte 
eben  damals  auf  den  Boden  des  alten  Götterglaubens  zurückgeben; 
dieser  genügte  aber  dem  verwöhnten  Gaumen  nicht  mehr,  desseu 
Neigungen  der  Asklepios«  und  Serapisdienst  in  besonderem  Grade 
zusagte.  Dieser  Pietismus  entstand  bei  Aristides  durch  seini-  lange 
Krankheit,  in  der  er  sich  nach  der  Vorschrift  der  Orakel  und  Träume 
des  Asklepios  behandeln  Hess.  Auch  bierin  steht  der  Rhetor  nicht 
vereinzelt,  was  der  damals  herrschende  Neuplatonismus  mit  seinen 
Extasen  beweist  —  Im  vierten  Kapitel  werden  dei  Aristidea  Götter- 
reden behandelt,  im  fünften  seine  Krankheit  und  die  heiligen  Reden, 
die  gleichsam  eine  Geschichte  seiner  Krankheit  bilden  Denn  er  stellt 
diese  als  Eingebungen  des  Gottes  hin;  den  grössten  Theil  liefert  ihm 
der  Traumverkebr.  Eine  richtige  Ansicht  des  Verfassers  ist  aurh  die, 
dass  Menander  seine  xixvn  huftutturiSv  nach  des  Aristidea  Reden 
verfasst  habe.  Nur  wäre  zu  wünschen  gewesen ,  dass  dieses  weiter 
ausgeführt  worden  wäre.  —  Im  sechsten  Kapitel  endlich  bespricht  der 
Verfasser  die  äussere  Form  der  Krunkheitsgeschichte  in  den  heiligen 
Reden  und  findet  den  Schlüssel  zum  Verständniss  der  Geschichte  des 
Rhetors  in  der  Ergründung  seines  inneren  Seelcnzustandes.  In  dem- 
selben Athcm  freilich  sucht  der  Verfasser  den  Schwerpunkt  seines 
Charakters  in  dem  beispiellosen  Grade  von  Selbstbespiegclung  und 
ausschweifender  Ruhmsucht  Es  ist  eben  Aristides  ein  Kind  seiner 
Zeit,  und  es  ist  ihm  gur  nicht  zum  Vorwurfe  anzurechnen,  wenn  er  bei 
der  damals  herrschenden  Schwärmerei,  die  hei  ihm  sich  durch  seine 
lange  Krankheit  noch  steigerte,  Dinge  zum  Vorschein  brachte,  über 
die  wir  uns  wundern  bei  der  jetzt  herrschenden  Nüchternheit. 

In  der  zweiten  Abtheilung  untersucht  der  Verfasser  die  Frage  der 
rirrttt  QrjToQixnC  des  Aristides,  die  er  gegen  Spengel  u.  a.  diesem 
Rhetor  zutheilt,  indem  er  die  ganze  Schrift  für  einen  Entwurf  hält. 
Sehr  scharfsinnig  und  richtig  benutzt  er  dazn  die  Stelle  p.  461  luvra 
f*ey  ow  iy  jois  Jwxovovm  als  eine  Bemerkung,  die  der  Verfasser  zu 
seinem  eigenen  Gebrauche  hinzugefügt  habe  d  h.  dies  für  die  Zuhörer 
oder  hierüber  mündlich  Näheres  Damit  stimmt  auch  vortrefflich  der 
fragmentarische  Charakter  dieser  Schrift. 

9* 


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132 


Wenn  nun  über  das  Ganze  ein  ürtheil  gefällt  werden  soll,  so  stehe 
ich  nicht  an,  abgesehen  von  einigen  Mängeln,  die  Schrift  als  eine  sehr 
gute  Arbeit  zu  begrüssen  und  den  Wunsch  beizufügen,  der  Verfasser 
möge  ähnliche  dunkle  Stellen,  deren  es  besonders  in  der  Literatur 
der  Rhetorik  der  Kaiserzeit  so  viele  gibt,  mit  demselben  Geschicke 
und  demselben  Scharfsinne  aufhellen.  Denn  dass  das  Studium  der 
Technik  der  Rhetoren  noch  sehr  wenig  betrieben  wird,  sieht  man  schon 
daraus,  dass  der  sonst  so  verdiente  Rehdantz  negi  (xe&6^ov  deivortiroe 
„von  der  Gewalt  der  Methode"  übersetzt*)  statt  von  der  Methode  der 
JeivoTqs:  eine  sonderbare  Illustration  für  den  Herausgeber  des  £ff«if 
dWoVffroff. 

Günzburg.  C.  Hammer. 


Leitfaden  der  historischen  Geographie  von  B.  Kneisel.  I.  Zur 
alten  Geschichte.  Berlin,  Weidmannsche  Buchhandlung.  1874.  gr.  8. 
IV,  128  Seiten. 

Mit  vorliegender  Schrift  will  Verfasser  den  Schülern  der  Secuuda 
einen  auch  ohne  Lehrer  brauchbaren  Abriss  in  die  Hand  geben, 
welcher  dem  Lehrer  verstattet,  in  der  Klasse  sich  auf  Repetition 
zu  beschränken ,  dem  Schüler  aber  anstatt  einer  statistischen  Nomen- 
clatur  ein  territoriales  Bild  der  alten  Welt  liefert,  das  die  Oertlichkeiten 
durch  Beschreibung  der  Lage  und  der  Ueberreste  seinem  Interesse 
näher  bringt. 

Der  praktische  Werth  dieses  Planes  ist  nicht  zu  verkennen  und 
vermissen  wir  in  dieser  Beziehung  nur  die  Beigabe  der  modernen 
Namen;  was  die  Ausführung  des  Planes  anlangt,  so  darf  die  wichtigste 
Partie,  der  eigentlich  geographische  und  beschreibende  Theil,  im  Ganzen 
und  Grossen  als  wohlgelungen  angesehen  werden.  Die  geschichtlichen 
Erläuterungen  fordern  hie  und  da  zum  Widerspruch  heraus,  z.  B.  (wir 
beschränken  uns  des  Raumes  wegen  auf  Griechenland)  die  Bemerkungen, 
dass  der  Achelous  die  Grenze  zwischen  Aetolern  und  Akarnanen  bildete 
und  dass  Amphissa  sich  des  lokrischen  Namens  schämte,  sind  bloss  für 
die  nachclassische  Zeit  richtig;  Pydna  war  keine  eigentlich  hellenische 
Stadt,  daher  auch  nicht  mit  Methone  auf  gleiche  Linie  zu  stellen; 
bei  Thessalien  hätte  schärfer  hervorgehoben  und  einheitlicher  zusammen- 

Sefasst  werden  sollen,  welchen  Theil  die  Thessaler  bewohnten  und  wie 
ie  Perioekenvölker  sich  zu  ihnen  verhielten.  Die  Ableitung  der  feind- 
seligen Stellung  von  Orchomenos  und  Plataiai  zu  Theben  aus  der  Ver- 
schiedenheit der  Abstammung  ist  von  zweifelhaftem  Werth  und  enthält 
jedenfalls  nicht  den  Hauptgrund;  noch  problematischer  und  daher  für 
ein  Schulbuch  abzuweisen  ist  der  Zweifel  an  der  nationalen  Identität 
der  Thesproter  älterer  Zeit  mit  den  späteren. 

In  formeller  Beziehung,  was  die  Schreibung  der  alten  Namen 
betrifft,  wäre  strengere  Consequenz,  und  überhaupt  der  Darstellung 
schärfere  Durcharbeitung  zu  wünschen  gewesen;  man  vgl.  z.  B.  was 
über  das  geographische  Verhältniss  von  Herakleia  zum  Oeta  und  den 
Thermopylen  (S.  12),  über  Taphos  und  die  Taphier  (S.  13),  über  die 


*)  In  der  neuen  Ausgabe  berichtigt.   D.  Red. 


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133 


Frage,  ob  Megaris  zu  Mittelgriechenland  oder  zum  Peloponnes  zn  rechnen 
(S.  27),  gesagt  wird;  Lamia  liegt  nicht  westlich  vom  Winkel  des  ma- 
lischen Busens  (S.  12);  das  Citat  S.  33  liefert  einen  hinkenden  Ver- 
gleich zwischen  Tegea  und  Uri. 

Hof.  Unger. 


M.  Tullii  Cictronis  de.  ßnibus  bon.  et  mal.  I.  V  für  den  Schul- 
gebrauch erklärt  von  Dr.  H.  Holstein.  Leipzig,  Teubner  1873 
(XI  und  284  S.  8).#) 

Die  vorliegende  Bearbeitung  von  Ciceros  Werk  über  die  Grundlage 
der  Ethik  will  vorzugsweise  dem  Bedürfnisse  der  Schule  dienen.  Die 
Frage,  ob  sich  diese  Schrift  überhaupt  zur  Schullektüre  eigne,  bei 
Seite  lassend,  wollen  wir  zusehen,  was  unsere  Ausgabe  insbesondere 
für  die  Schule  leistet  und  in  wie  ferne  etwa  Aenderongcn  wünschens- 
wert!) wären. 

Die  nur  9  Seiten  umfassende  Einleitung  enthält  in  lichtvoller, 
der  Fassungskraft  des  Schülers  angepasster  Darstellung  so  ziemlich 
alles ,  was  zur  Einführung  in  die  Schrift  zu  wissen  nöthig  ist.  Die 
Grundlage  für  den  Text  bildet  die  Zürcher  Ausgabe  von  Baiter  (1861) 
mit  Beiziehuug  des  bei  Tauchnitz  (1863)  erschienenen  Textes.  Die 
Abweichungen  vom  erstgenannten  Text  sind  -im  Anhange  mitgetheilt 
mit  Angabe  derjenigen  Autoritäten,  auf  welche  sich  die  bezüglichen 
Aenderungen  stützen. 

Tritt  schon  bei  einem  Blick  auf  dieses  Verzeichniss  die  überwiegende 
Autorität  Madvigs  (I.  Ausg.  1839,  II.  1869)  vor  Augen,  so  ist  dies 
noch  mehr  in  den  Anmerkungen  unter  dem  Texte  der  Fall.  Es  sind 
nicht  nur  sehr  häufig  die  kritischen  und  erklärenden  Bemerkungen 
aus  Madvigs  meisterhafter  Bearbeitung  entweder  w.örtlich  oder  im 
Auszug  wiedergegeben,  sondern  es  ist  auch  viel  häufiger  Madvigs  Auf- 
fassung vertheidigt  gegen  fremde  Ansicht  als  ein  Wort  dagegen  gesagt. 
Im  allgemeinen  kann  ich  mich  mit  diesem  Standpunkt,  den  man  den 
conservativen  nennen  kann,  zumal  in  einer  Schulausgabe  einverstanden 
erklären;  indessen  scheinen  mir  da  und  dort  die  Beobachtungen  anderer 
Gelehrter  doch  zu  wenig  berücksichtigt  zu  sein.  So  scheint  mir  H. 
ohne  Notb  I,  63  von  dem  hdschr.  viam  abgegangen,  III,  7  inanem 
hinter  vulgi  dem  Zusammenhang  nicht  angemessen  und  III,  11  quodni 
statt  quod  H  geschrieben  werden  zu  müssen,  worüber  Müllers  observ. 
p.  I.  und  II.  nachzulesen  Bind.  Ferner  dürfte  I,  64  Bockel  (Thurgauer 
Frogr.  1863)  die  handschriftliche  Lesart  ab  eadem  illa  gegen  Madvig's 
ab  eodem  Mo  richtig  vertheidigt  haben. 

Ebenau  scheint  mir  Unger  (Piniol  XX)  ganz  recht  zu  haben,  wenn 
er  II,  27  quin  rede  cup.  in  qui  rede  cup.  verwandelt,  wenn  er  ferner 
II,  37  statt  quam  quaerimus  schreibt  quod  quaerimus  und  II,  45  ratio 
hinter  eademque  streicht  und  natura  als  Subject  ergänzt.  Doch  sind 
diess  Punkte,  die  mehr  in  das  Gebiet  subjektiven  Ermessens  gehören. 
Wichtiger  scheint  mir  ein  anderer  Punkt,  den  kürzlich  Meusel  (Z.  f. 
G.  W.  XXVIII,  Juli)   anschaulich   dargelegt   hat.    H.  hat  nämlich 


*)  Durch  nicht  zu  beseitigende  Hindernisse  verspätet. 


■ 


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* 


134 


sämmtliche  kritische  Bemerkungen,  soweit  sie  nicht  in  das  besprochene 
Verzeichniss  Her  discrep.  scriptur.  fallen,  unter  die  fortlaufenden 
Anmerkungen  eingereiht  und  damit,  wie  mich  dünkt,  der  Brauchbarkeit 
des  sonst  mit  vieler  Sachkenntniss  und  klarem  Urtheil  geschriebenen 
Commentars  einigen  Eintrag  gethan.  Die  meisten  der  Schüler  freilich 
■werden  solche  Bemerkungen  unbeachtet  lassen,  mancher  aber  wird 
auch  verführt  werden,  die  Ansicht  des  Verfassers  für  ganz  unanfechtbar 
zu  halten  und  sich  selbst  in  Besitz  derselben  besonders  klug  zu  dünken, 
während  der  Lehrer  gar  manchmal  sich  versucht  fühlen  wird,  die 
fragliche  Ansicht  zu  verwerfen.  Derartige  Bemerkungen,  namentlich 
wenn  sie  polemisirender  Art  sind,  scheinen  mir  in  einen  besonderen 
Anhang  verwiesen  und  für  das  Bedürfniss  des  Lehrers,  der  nicht 
immer  die  verschiedenen  Zeitschriften,  Programme  u.  dgl.  zur  Hand 
haben  kann,  eingerichtet  werden  zu  müssen.  Dann  wird  allerdings, 
wie  M.  bemerkt,  am  besten  für  die  Schüler  eine  besondere  Ausgabe 
ohne  diesen  Anhang  veranstaltet  werden.  Ebenfalls  im  Interesse  der 
Schule  hätte  II.  vielleicht  besser  die  häufigen  Notizen  über  Personen, 
Oertlichkeiten  u.  s.  w.  in  den  index  nominum  aufgenommen,  der  bloss 
ein  Verzeichniss  der  erklärten  Personen-  und  Ortsnamen  enthält. 
Nicht  nur  die  Uebersicht  über  den  betreffenden  Artikel,  sondern  auch 
die  Controle  über  den  Fleiss  der  Schüler  wäre  dadurch  erleichtert. 
Sehr  einverstanden  dagegen  hin  ich  damit,  dass  H.  die  Inhaltsangabe 
einem  jeden  Abschnitte  eines  Buches  unter  dem  Texte  vorgesetzt  und 
auf  dieselbe  besonderen  Fleiss  verwendet  hat  Es  bleibt  wohl  dem 
Schüler  immer  noch  genug  zu  thun  übrig,  wenn  er  an  der  Hand  dieser 
vereinzelten  Angaben  sich  den  Zusammenhang  eines  ganzen  Buches  oder 
grösseren  Theiles  desselben  zurechtlegen  und  präsent  erhalten  will. 

Sachlich  finde  ich  den  Commentar,  wie  schon  oben  angedeutet, 
mit  grosser  Sorgfalt  und  Sachkenntniss  ausgearbeitet.  Im  Umfange 
der  Anmerkungen  ist  durchschnittlich  weise  Maass  gehalten,  und 
besonders  wird  es  der  Lehrer  dem  Verfasser  Dank  wissen,  dass  er 
nicht  leicht  die  Gelegenheit  zu  einer  feinen  sprachlichen  Bemerkung 
sich  hat  entgehen  lassen.  Eigene  Conjecturen  hat  II.  nur  wenige  auf- 
genommen, worüber  Liter.  Centraiblatt  1874,  Nr.  25  zu  vergleichen  ist, 
so  wie  namentlich  in  Bezug  auf  Sprachliches  Z.  f.  G.  W.  XXVIII, 
September  und  October. 

Wenn  ich  hier  noch  einige  Bemerkungen  mittheile,  so  geschieht 
diess  in  dem  Bestreben,  ein  ganz  kleines  Scherflein  zur  Vervoll- 
kommnung des  tüchtigen  Buches  beizutragen. 

I,  8  muss  wohl  das  auf  Brutus  bezügliche  Citat  (Acad.  I,  12) 
Graeca  desideres  statt  Graecia  desideret  lauten.  I,  19  ist  die  zu 
cum  —  sitt  tum  —  efficit  gemachte  Bemerkung  nach  Madvigs  Gramm, 
nicht  recht  klar,  und  im  folgenden  §  wäre  eine  Bemerkung  über  die 
mangelhafte  Kritik  in  Bezug  auf  Epicurs  Ansicht  über  die  Atomen - 
Bewegung  am  Platz  gewesen.  I,  38  muss  wohl  statt  careret  entweder 
carerent  oder  mit  J.  Müller  careremus  geschrieben  und  das  cum  II,  5 
beigezogen  werden.  I,  50  ist  nach  den  besten  Handschriften  turbul. 
est\  8%  geschrieben,  während  unten  ein  (nicht  ganz  genaues)  Citat  zu 
der  verworfenen  Lesart  non  potest  non  fieri  gegeben  und  von  derselben 
Stelle  (III,  29)  auf  unsere  verwiesen  wird.  In  der  Inhaltsangabe  zu 
I,  c.  XIX  steht  in  der  ersten  Zeile  „zu  Theil"  statt  „theilhaftig". 

II,  5  scheint  mir  der  Sinn  nunc  item  statt  nunc  idem  zu  verlangen  j 
denn  Torquatus  soll  gleichermassen  (—  auch  noch)  den  Begriff"  seiner 
voluptas  definiren  {Handy  Turs.  III,  p.  514.) 


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135 


Die  Bemerkung  zu  quasi  (qttasi  vero)  II,  70  wäre  wohl  schon  zu 
II,  7  und  17  am  Platze  gewesen.  11,24  hatte  man  eine  Bemerkung  zu 
ut  ne,  auf  das  gleich  ut  non  folgt,  erwartet  Ut  non  und  <ut)  ne  sind 
selbst  zu  Ciceros  Zeit  noch  nicht  streng  geschieden,  wie  Madvig  Gramm.  456, 
A.  3  und  4  richtig  andeutet;  mit  der  Bemerkung  zu  ne  noceret  §  64  (vgl. 
auch  de  orat.  I,  132)  ist  der  betreffende  Punkt,  den  Hand  (Turs.  III,  32  ff) 
unrichtig  zu  beurtheilen  scheint,  nicht  erledigt.  §  76  steht,  wohl  gegen 
den  Willen  H.'s,  in  der  Anm.  autem  hinter  profiteri,  das  im  Texte  mit 
den  besten  Handschriften  fehlt.  §.  81  ist  die  Erklärung  zu  optimum 
quidque  doch  wohl  uunöthig.  §.  87  ist  die  Erklärung  zu  neque  enim 
in  a.  p.  etc.  ganz  aus  Madvig  ausgeschrieben,  der  hinter  omnino  vita 
ein  „beata1  einsetzt,  wahrend  es  H.  weglässt,  so  dass  die  Erklärung 
nicht  vollständig  zum  Texte  stimmt.  Mir  scheint  Unger  ganz  recht  zu 
haben,  wenn  er  die  Worte  nemo  igitur  —  absoluta  für  ein  Einschiebsel 
erklärt.  111,51  lässt  sich  wohl  das  Anakoluth  in  der  angezogenen 
Stelle  (de  off.  II,  88)  viel  leichter  erklären  als  die  Genitive  a.  u.  St., 
wie  auch  earum  rerum  für  eae  res,  (V,  37)  weniger  Anstoss  erregen 
kann.  Heine  dürfte  hier  richtiger  gesehen  haben  als  Madvig,  der  gar 
zu  gerne  zu  einem  lapsus  memoriae  seine  Zuflucht  nimmt.  Zu  IV,  6 
(nam  quidquid  quaeritur  etc.)  hätte  gerade  die  Stelle  deor.  I,  138  nicht 
angezogen  werden  sollen,  da  dieselbe  der  gang  und  gäben  Darlegung 
der  Sache  widerspricht  (vgl.  mein  Gymn.-Progr  ,  Hof  1874,  S.  9  ff.). 
IV,  30  ist  si  autem  jedenfalls  auffällig,  obwohl  es  durch  die  Handschriften 
beglaubigt  scheint.  IV,  73  ist  wohl  kein  Grund,  zur  Ellipse  von 
respondere  und  dicere  Beispiele  zu  geben.  V,  28  war  eine  Bemerkung 
zu  der  sonderbar  geformten  Periode :  Neque  enim  —  quaerant,  aut,  ut 
illa  etc.  nothwendig.  Madvig  streicht  bekanntlich  ut  vor  ille.  Die 
Erklärung  zu  der  schwierigen  Stelle  V ,  43  (aanoscit  ille  quidem  — 
incohata)  ist  ungenügend,  da  mit  der  blossen  nonderung  von  tarnen  in 
tantum  (nach  Madvig)  die  Worte  per  se  s.  t.  *'.  aus  ihrer  traurigen 
Stellung  nicht  erlöst  sind.  Scharfsinnig  fasst  Heine  diese  Worte  als 
Erklärung  eines  Lesers  oder  Abschreibers  zu  vis  naturac  cemitur. 
Wenn  ich  übrigens  recht  sehe,  so  ist  jener,  der  zur  vollen  Anschauung 
der  Naturkraft  kommt,  nicht  der  animus ,  sondern  der  Philosoph,  der 
vermittelst  seiner  ratio  die  Entwicklung  derselben  zu  fördern  hat,  vgl. 
§.  55.  In  der  Uebersicht  der  discrep.  scriptur.  heisst  es  zu  II,  119: 
elicerem  Baiter  in  d.  T.  A.  1863 ;  indessen  steht  dort  exigerem,  während 
in  der  Zürcher  Ausgabe  elicerem  vermuthet  ist 

Störende  Druckfehler,  abgesehen  von  der  nicht  ganz  seltenen 
falschen  Angabe  des  Textes  in  den  Anm.  (z.  B.  honesta  statt  honesta* 
natura  S.  121),  finde  ich  S.  4,  wo  es  Z.  2  in  den  A.  wohl  müssten  statt 
müssen  beissen  soll;  S.  135,  wo  die  Z.  5  —  7  in  d.  A.  in  einander 
verschoben  sind,  und  S.  172,  wo  im  Texte  Academisque  und  in  den  A. 
Academicosque  statt  Academicisque  steht.  S.  122  steht  am  Schluss  des 
II  Buches  cidat  statt  dicta.  —  Möge  diese  tüchtige  Arbeit,  die  ich 
besonders  angehenden  Philologen  zum  Studium  empfehle,  volle  Aner- 
kennung und  durch  fleissige  Nachbesserung  eine  immer  vollkommenere 
Gestalt  gewinnen! 

Hof.  Ruhne  r. 


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136 


Sickenberger,  Adolf.  Leitfaden  der  Arithmetik  nebst  Uebungs- 
Beispielen.   München,  Theodor  Ackermann,  1875. 

Vorliegender  Leitfaden  behandelt  in  kurzgefassten  Sätzen  das 
Nothwendigste  aus  der  Aritbroetik  und  zwar  in  5.  Kap.  die  Lehre  von 
den  unbenannten  und  benannten  Zahlen,  die  Dezimal-  und  gemeinen 
Brüche,  sowie  die  Verhältnisse  und  Proportionen  und  in  einem  Anhange 
die  Reichsgoldwährung  verglichen  mit  dem  französischen  Münzsystem. 
Trotzdem  der  Herr  Verfasser  die  Zweckmässigkeit  der  vorgeschriebenen 
Bezeichnung  der  metrischen  Masse  und  Gewichte  anerkennt,  hat  er  doch 
mehrere  derselben  anders  bezeichnet,  was  für  Schüler  in  diesem  Alter, 
die  an  die  vorgeschriebene  Bezeichnung  gewöhnt  sind,  nachteilig  ist, 
wie  überhaupt  die  neue  Nomenclatur  wie  z.  B.  in  §§.  78  &  34  Serie, 
multiplicativ  und  divisiv,  Mischungsmoment  etc.  die  Schüler  nur  ver- 
wirrt. Ebenso  ist  in  §.  15  die  Einteilung  in  Teilungsdivision,  wenn 
eine  benannte  Zahl  durch  eine  unbenannte  ,  und  Verhältnissdivision, 
wenn  eine  benannte  Zahl  durch  eine  gleich  benannte  Zahl  dividirt 
wird,  überflüssig.    Die  Formeln  zur  Flächen-  und  Körper  -  Berechnung 


sehr.  Im  §.17  folgen  auf  die  ganzen  Zahlen  sofort  die  Dezimalbrüche, 
wenn  nun,  wie  hier  geschieht,  das  Wort  Bruch  benützt  wird,  so  wäre 
es  doch  wohl  besser  gewesen,  die  Lehre  von  den  Brüchen  vorauszu- 
schicken, da  mit  Hilfe  derselben  z.  B.  die  Division  der  Dezimalbrüche ; 
leicht  begründet  werden  kann,  was  hier  §.  20  h  nicht  geschieht  Welchen 
Vorzug  der  vertikale  Strich  vor  dem  horizontalen  bei  den  Serien  aus 
dem  Producta  der  multiplicativen  und  divisiven  Elemente  haben  soll, 
ist  nicht  recht  klar.  Durch  die  zahlreichen  Uebungen,  welche  den  ein- 
zelnen §§.  beigegeben  sind,  bietet  dieses  Buch  den  Schülern  Gelegenheit, 
sich  mit  dem  Stoffe  vollständig  vertraut  zu  machen  und  wären  dieselben 
wohl  noch  fruchtbringender,  wenn  die  Resultate  immer  angegeben  wären, 
da  der  Schüler  dann  von  der  richtigen  Lösung  sich  sofort  überzeugen 
könnte;  warum  diess  den  Schülern  entschieden  schädlich  wäre,  wie  der 
Herr  Verfasser  annimmt,  ist  Referenten  nicht  einleuchtend. 

Landshut.  Himmer. 


Die  Räteis  von  Simon  Lemnius,  Epos  in  IX  Gesängen,  herausgegeben 
mit  Vorwort  und  Commentar  von  Placidus  Plattner.  Chur  1874, 
Officin  von  Sprecher  und  Plattner. 

Unsere  Zeit  ist  vielfach  thätig  und  nicht  selten  glücklich,  wie  in 
Ausgrabungen  verschütteter  Städte  und  Denkmale  alter  Jahrhunderte, 
so  auch  in  Auffindung  und  Verbreitung  von  bisher  nur  handschriftlich 
vorhandenen  Geschichtsquellen  und  Werken  der  Literatur.  Ein  solches 
Werk  liegt  hier  vor  uns.  Der  Verfasser,  Simon  Lemnius  Emporicus 
—  wie  er  seine  beiden  Zu:- amen  Lemm  und  Margadant  *)  =  merca- 
dante,  mercator  humanisirte  —  ein  schweizerischer  Humanist  der  t,  Hälfte 


*)  Die  meisten  Encyclopädien ,  auch  Oettingers  Moniteur  des  dates 
geben  als  Geburtsjahr  1510  und  bezeichnen  Margadant  fälschlich  als 
Geborte  ort. 


in  §§.  16  &  22 


gewinnen  durch 


deutlichen  Figuren 


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I 


137 


des  XVI  Jahrhunderts,  -f  1550inChur  als  Lehrer  an  der  etwa  10  Jahre, 
vorher  gegründeten  Schale,  früher  gebildet  in  München  1532*),  dann  in 
Ingolstadt  und  Wittenberg  studierend  bis  1538,  war  bisher  fast  nur 
bekannt  durch  seine  Flucht  aus  dem  letzteren  Ort  vor  dem  dräuenden 
Zorne  Luthers,  über  den  Lessing  Werke  II.  Teil,  Briefe,  berichtet, 
durch  seine  Rachegedichte,  Eklogen  und  Elegien,  dann  durch  eine  im 
XVI.  Jahrhundert  in  2  Auflagen  erschienene  Uebertragung  der  Odyssee 
in  lateinischen  Hexametern  Jetzt  wird  uns  der  bisher  fast  übel  berufene 
Mann,  um  dessen  Ruf  Lessing  durch  eine  seiner  Rettungen  sich  verdient 
machte,  als  Epiker  bekannt  durch  seine  Räteis,  ein  Epos  in  der  Art 
des  Vergilius  oder  besser  des  Lucanus,  Sil  ins  Italicus,  Statius,  in 
welchem  der  Krieg  des  Kaisers  Max  I.  und  des  Reichs  gegen  die  Schweizer 
im  Jahre  1499,  der  die  Lostrennung  der  Schweizer  vom  Reich  besiegelte, 
vom  Standpunkt  der  Graubüudner  und  Eidgenossen  episch  behandelt 
wird.  Schade,  dass  die  überlieferten  Handscbrifteu  alle  einer,  vielfach 
unrichtigen  und  lückenhaften  entstammt,  die  Herstellung  eines  correcten 
Textes  fast  unmöglich  machten ;  doch  hat  der  Herausgeber  durch  eine 
sorgfältige  Einleitung  über  Leben,  Schicksale  und  Werke  des  Dichters, 
dann  besonders  durch  die  grosse  Schwierigkeiten  bietende  Erläuterung 
der  geographischen  und  historischen  Eigennamen  um  das  Verständniss 
und  die  Würdigung  des  Gedichts  sich  entschiedene  Verdienste  erworben, 
die  nur  einem  mit  der  Geschichte  und  Topographie  von  Granbündten 
und  der  Nachbarlandschaften  ganz  vertrauten  Manne  erreichbar  waren. 
Es  wird  wohl  Niemand  sich  wundern,  der  andere  alte  und  neue  Epen 
in  lateinischer  Sprache  kennt,  hier  dem  alten  mythologischen  Apparat 
zu  begegnen,  der  Juno  als  Beschützerin  der  Venosten,  während  Venus 
wie  bei  Virgil  die  den  Tuskern,  Römern,  Trojanern  entstammten  Rhäter 
beschirmt,  den  Scenen  in  der  Unterwelt  mit  den  Furien,  den  Schilder- 
ungen von  Schilden  und  Rüstungen  der  Haupthelden  mit  ihren  Kunst- 
werken, hat  doch  der  Dichter  anderseits  ein  offenes  Auge  für  die 
Schönheit  und  Erhabenheit  der  Alpennatur,  für  die  Kriegsscenen,  Belager- 
ungen und  Schlachten,  und  versteht  er  es,  an  geeigneter  Stelle  ans 
dem  Munde  von  alten  Helden,  den  Nestoren  dieser  Zeit,  den  Ursprung 
und  Ruhm  der  Geschlechter  mitzuteilen  und  den  trefflichen  Sängern  die 
Sagen  von  Teil,  Melchtal,  Baumgart,  den  Heldenkämpfen  gegen  Habs- 
burg, Frankreich  und  die  Burgunder  in  den  Mund  zu  legen. 

Straubing.  Heisi. 


Das  Ideal  dos  Helden  und  des  Weibes  bei  Homer  mit  Rücksicht 
auf  das  deutsche  Alterthum  von  Ludwig  Blume,  Prof.  am  k.  k.  aka- 
demischen Gymnasium  in  Wien.    Wien,  Alfred  Hölder  1874. 

Eine  interessante  Schrift.  Dem  germanischen  Helden  ist  Leben  und 
Kämpfen  identisch.  Im  Gegensatz  zum  Germanen  steht  die  Werth- 
schätzung des  Lebeus  im  Mittelpunkt  der  griechischen  Lebensauffassung ; 
im  Ganzen  kommt  die  Kampfesfreude  bei  Homer  selten  zum  Ausdruck, 
und  der  Kampf  bleibt  für  den  Griechen  mehr  eine  unangenehme 
Notwendigkeit.  — 


*)  Wahrscheinlich  unter  Wolfgang  Winthanser,  Änemoecius. 


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138 


Nicht  minder  auffallend  ist  der  Gegensatz  in  der  germanischen 
und  hellenischen  Auffassung  des  Weibes.  „Man  ist  beinahe  versucht 
zu  sagen,  das  Grundprincip  der  griechischen  Lebensanschauung  sei  im 
Weibe,  das  der  germanischen  im  Manne  repräsentirt;  und  das  griechische 
Heldenideal  sei  von  den  vornehmlich  durch  das  Weib  vertretenen  Motiven 
in  ähnlicher  Weise  beeinflusst,  wie  das  weibliche  Ideal  der  Germanen 
etwas  Heldenmässiges  an  sieb  hat."  —  „Es  ist  charakteristisch ,  dass 
das  deutsche  Weib  den  in  die  Schlacht  ziehenden  Helden  waffnet, 
während  die  Griechin  nur  den  aus  der  Schlacht  zurückkehrenden 
Krieger  entwaffnet." 

Wenn  auch  der  Schreiber  dieser  Zeilen  mit  dem  Schlusswort  des 
Herrn  Verfassers  nicht  völlig  übereinzustimmen  vermag,  so  kann  er 
doch  nicht  umhin,  obiges  Buch  zu  empfehlen,  da  es  des  Lehrreichen 
so  Vieles  bietet  und  besonders  den  Lehrern  an  humanistischen  Gym- 
nasien Gelegenheit  gibt,  die  beiden  wichtigsten  Völker  der  Geschichte 
—  Griechen  und  Germanen  —  nach  ihrer  ethischen  Auffassung  des 
Lebens,  rücksichtlich  des  Helden  und  des  Weibes,  bei  der  Lektüre  des 
Homer  mit  einander  zu  vergleichen. 

N. 


Der  zweite  punische  Krieg  und  seine  Quellen.  Eine  historische 
Untersuchung  von  Ludwig  Keller,  Dr.  phil .    Marburg  1875. 

Schon  in  seiner  Inauguraldissertation  hat  Hr.  Dr.  Keller  nachge- 
wiesen,  dass  von  Appian  und  Cassius  Dio  die  römische  Geschichte  des 
Köuigs  Juba  II.  von  Mauretanien  als  Quelle  benützt  wurde.  Ist  dem 
Verfasser  dieser  Nachweis  gelungen,  und  man  darf  und  muss  ihn  wohl 
für  gelungen  halten,  so  hat  er  das  Verdienst,  den  bisher  fast  gänzlich 
unbeachtet  gebliebenen  Quellen  dritten  Ranges  die  gehörige  Geltung 
verschafft  zu  haben  und  es  ist  der  historischen  Kritik  ein  neuer  Mass- 
stab an  die  Hand  gegeben,  den  sie  an  diejenigen  Autoren,  die  mit  den 
obigen  gleichen  Stoff  behandele,  anlegen  wird. 

In  der  oben  genannten  Schrift  nun  behandelt  der  Verf.  die  für  die 
Weltgeschichte  höchst  wichtige  Epoche  des  zweiten  punischen  Krieges. 
Durch  Vergleichung  wesentlicher  Berichte  des  Appian  und  Cassius  Dio 
über  diesen  Krieg  mit  Polybius  und  Livius  weist  der  Verf.  in  sehr 
treffenden  Stellen  die  numidische  Quelle  jener  beiden  Schriftsteller, 
die  'Ptopaixu  loroQiu  des  Königs  Juba,  nach. 

Von  diesem  Standpunkte  aus  ist  es  dem  Verf.  möglich,  die  römische 
Relation  über  die  Vorgänge  in  dieser  Zeit,  die  wir  im  Polybius  und 
Livius  haben,  einer  eingehenden  Kritik  zu  unterstellen. 

Sich  stützend  auf  die  bereits  früher  gewonnenen  Resultate  der 
wissenschaftlichen  Forschung  konstatirt  er  die  Verwertung  einer 
gemeinsamen  Quelle  durch  Polybius  und  Livius.  Aus  der  sich  hieraus 
ergebenden  Folgerung,  dass  die  Tradition  über  den  punischen  Krieg  im 
Wesentlichen  schon  vor  Polybius  abgeschlossen  war,  entsteht  für  den 
Verf.  die  Frage,  welche  Autoren  auf  die  Tradition  wesentlichen  Einfluss 
ausübten  und  durch  welchen  Compilator  oder  Combinator  die  Tradition 
festgestellt  wurde. 

Durch  die  höchst  wichtige  Eruirung  einer  Doublette  der  Schlacht 
bei  Baecula  gelingt  es  Hrn.  K.  die  Compilation  von  zwei  Relationen 


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139 


nachzuweisen,  die  von  entgegengesetzten  Parteistandpunkten  aus  ver- 
tagst waren.  Die  Compilation,  die  sich  durch  die  ganze  Polybianiscb- 
Livianische  Beschreibung  des  II.  punischen  Krieges  hindurchzieht,  zeigt, 
dass  die  eine  Quelle  das  Scipioniscbe  Parteiinteresse  vertrat  und  Hr  Dr  E. 
glaubt,  den  Autor  derselben  in  P.  Scipio,  dem  gelehrten  Sohne  des 
Africanus  major  zu  finden,  während  die  andere  Quelle  auf  einen  anti- 
seipionischen  Gewährsmann  hinweist,  wofür  der  Verf.  den  Fabius  Pictor 
annimmt.  In  der  Untersuchung,  wer  der  Compilator  der  beiden  Relationen 
gewesen  sei,  kommt  K  auf  L.  Calpuruius  Piso  Frugi,  dewen  Leben  und 
Methode  in  der  Geschichtschreibung  er  aus  den  noch  vorhandenen 
Notizen  im  weiteren  Verlauf  seiner  Abhandlung  darzulegen  sucht. 

Mag  man  nun  immerhin  gegen  die  Feststellung  der  Namen  für  die 
Abfasser  der  beiden  Partoirelationen  und  für  den  Compilator  derselben 
einiges  Bedenken  haben,  es  bleibt  dem  Verf.  der  oben  genannten  Schrift 
das  hohe  Verdienst,  Tbatsachen,  die  dem  Philologen  und  dem  Historiker 
gleich  wichtig  sind,  eruirt  und  die  Möglichkeit  gegeben  zu  haben,  den 
Kampf  Koms  und  Karthagos  um  die  Weltherrschaft  richtiger  und  wahr- 
heitsgetreuer als  bbber  darzustellen. 

München.  J.  Pistner. 


Literarische  Notizen. 

Lykurgos'  Rede  gegen  Leokrates  erklärt  von  Prof  Adolf  Nicolai, 
Director  des  herzogl.  Gymnasiums  in  Göthen.  Berlin,  Weidmann'sche 
Buchhandlung.  1875.  Die  Ausgabe,  welche  für  Schüler  bestimmt  ist, 
zeigt  das  Bestreben,  möglichst  auch  die  ethischen  Gesichtspunkte  her- 
vorzuheben. Der  Kommentar  ist  kurz  gehalten,  notwendige  Parallel- 
stellen meist  Schriften  entnommnn,  die  den  Sekundanern  bekannt  sind, 
darunter  auch  lateinische.  Der  Verfasser  empfiehlt,  die  Lektüre 
derselben  mit  der  Rede  de  imperio  Cn.  Pompeji  oder  pro  Mose.  Am.  zu 
verbinden.  Zu  Grunde  gelegt  ist  der  Text  von  Scheibe,  doch  sind  an 
fehlerhaften  Stellen  auch  Konjekturen  aufgenommen  worden.  Voraus- 
geschickt ist  ein  „Leben  des  Lykurgos"  mit  den  nötigsten  Vorbemerk- 
ungen für  dio  Rede. 

Thucvdides  erklärt  von  J.  Classen.  Fünfter  Band,  5tes  Buch. 
Berlin,  Weidmann'sche  Buchhandlung.  1875.  1  M.  80  Pf.  In  gram- 
matischer und  kritischer  Beziehung  in  gleicher  Weise  wie  die  voraus- 
gehenden vier  Bücher  bearbeitet.  Die  Beschaffenheit  und  der 
Zusammenhang  dieses  Buches  werden  in  den  vorausgeschickten 
„Vorbemerkungen"  (auf  28  Seiten)  eingehend  erörtert. 

Sophokles  erklärt  von  Schneidewin-Nauck.  3.  B&ndchen. 
Oedipus  auf  Kolonos.  6.  Auflage.  Berlin,  Weidmann'sche  Buch- 
handlung.   1875.    1  M  80  Pf. 

Cornelius  Tacitus  erklärt  von  Karl  Nipperde y.  Erster  Band. 
Ab  exce8m  divi  kugusti  I—  VI.  6.  verbesserte  Auflage.  Berlin, 
Weidmann'sche  Buchhandlung.   1875.   3  M. 


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140 


FU>re8  et  fructus  latini.  Puerorum  in  usum  legit  et  obtulit 
Carolua  Wagner.  Editio  tertia,  attctior  et  emendatior.  Lipsiae. 
Fleischer  1875.  227  S.  in  8.  Das  Buch  bringt  in  ziemlich  buntem 
Wechsel  vor  Memorierverse,  Sentenzen,  poetische  und  prosaische  Lese- 
stücke nebst  Wörterverzeicbniss.  Mag  man  auch  an  dem  ausgewählten 
Stoff  Gefallen  finden,  so  fragt  man  sich  doch  unwillkürlich:  für  welche 
Klasse  soll  das  Büchlein  dienen?  Für  die  untern  enthält  es  zu  wenig 
Material,  für  mittlere  greift  man  lieber  zur  nahrhaften  Kost  eines 
Klassikers,  als  zu  solchen  tutti  frutti 

Geschichte  der  römischen  Literatur.  Für  höhere  Lehranstalten 
und  für  weitere  Kreise  bearbeitet  von  Dr.  W.  Kopp.  3.  gänzlich 
umgearbeitete  Auflage.  Berlin,  Julius  Springer.  1875.  120  S.  in  kl.  8. 
Enthält  für  Schüler  das  Notwendigste.  Die  eingeflochtenen  Uebertrag- 
ungen  aus  Dichtern  wären  entbehrlich  und  könnte  der  Raum  wohl 
besser  verwendet  werden  . 

Neue  praktische  Anleitung  zum  Uebersetzen  aus  dem  Deutschen 
ins  Lateinische,  von  Dr.  Chr.  £.  A.  Gröbel.  Revidiert  und  erweitert 
von  Prof.  Dr.  L.  F.  Götz,  Konrektor  an  der  Kreuzschule  zu  Dresden. 
20.  Aufl.  Halle,  Eduard  Anton.  1874.  348  S.  in  8.  Pr.  2  M.  Das 
Buch  erstreckt  sich  bekanntlich  auf  die  Formen  -  und  Kasuslehre  nebst 
dem  Notwendigsten  aus  der  Moduslehrc,  wofür  es  den  grammatischen 
Lehrstoff  und  die  Uebungsbeispiele  bietet.  Die  neue  Aufl.  unterscheidet 
sich  nicht  wesentlich  von  den  früheren.  Die  Fassung  der  Regeln  lässt 
trotz  einiger  Fortschritte  noch  viel  zu  wünschen  übrig. 

Dichtungen  von  Karl  Zettel  2  Aufl.  Mit  einem  Vorworte  zur 
1.  Aufl.  von  Dr.  Herrn.  Lingg.  Eichstätt  und  Stuttgart.  Verlag  der 
Krüirschen  Buchhandlung  (IL  Hugendubel).  1874. 

Rhetorik  für  höhere  Schulen.  Von  K.  A.  J.  Hoffmann.  2.  Abteilung. 
Vierte  Aufl ,  besorgt  von  Dr.  Alb.  Schuster.  Clausthal.  Grosse'sche 
Buchhandlung  1875.  Die  neue  Aufl.  dieses  schon  einmal  (Bd.  VII 
S.  102)  empfohlenen  Werkchens  ist  ein  unveränderter  Abdruck  der 
vorhergehenden.  Nur  der  im  vierten  Buche  befindliche  Abschnitt  über 
die  Rede  (§.  48)  hat  mit  Benützung  von  W.  Wackernagels  Rhetorik  in 
einzelnen  Fällen  eine  Umarbeitung  erfahren,  wodurch  das  Buch  von 
186  auf  188  SS.  angewachsen  ist. 

Alpenwanderungen.  Fahrten  anf  hohe  und  höchste  Alpenspitzen. 
Nach  den  Originalberichten  ausgewählt,  bearbeitet  und  gruppiert  für 
junge  und  alte  Freunde  der  Alpenwelt,  von  Dr.  A.W.  Grube.  Leipzig. 
Verlag  von  Ed.  Kun.mer  1875.  9  Lieferungen  ä  10  Sgr.  Der  durch 
viele  geistvolle  Sammelwerke  bekannte  Verf.  hat  mit  dem  vorliegenden 
Werke  die  Zahl  jener  Bücher,  die  das  Angenehme  mit  dem  Nützlichen 
verbinden,  vermehrt.  Die  glückliche  Auswahl  und  Gruppierung,  wo  es 
not  that,  die  eigene  Bearbeitung,  der  an  sich  anziehende  Stoff,  durch 
zahlreiche  Abbildungen  in  Farbendruck  illustriert ,  ferner  die  brillante 
Ausstattung  empfehlen  es  zur  Anschaffung  für  Schülerlesebibliotheken. 

Friedr.  Wilh.  Jos.  Sendling.  Gedäcbtnissrede  zur  Feier  seines 
Säkular- Jubiläums  am  27.  Jan.  1875  im  akademischen  Rosensaal  zu 
Jena  gehalten  vom  derzeitigen  Prorektor  Dr.  Otto  PI  ei  derer. 
Stuttgart.  Verlag  der  J.  G.  Cotta'schen  Buchhandlung.  1875.  68  S.  in  8. 


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141 


Die  Naturkräfte.  Eine  naturwissenschaftliche  Volksbibliothek.  Anf 
das  Erscheinen  dieser,  von  einer  Anzahl  hervorragender  Gelehrten 
im  Verlage  von  Oldenbourg  in  München  herausgegebenen  Sammlung 
wurde  schon  S.  373  f.  des  VII.  Bandes  dieser  Blätter  empfehlend 
aufmerksam  gemacht.  Wir  nehmen  gerne  Anlass,  den  erfreulichen 
Fortgang  derselben  zu  konstatieren.  Die  ursprünglich  in  Aussicht 
genommene  Serie  von  10  Banden  ist  bereits  fertig  und  erwähnen  wir 
im  Ansoh luss  an  obige  Anzeige  Band  7:  Die  vulkanischen  Erschein- 
ungen von  Dr  Friedr.  Pf  äff;  Band  10:  Wind  und  Wetter  von  Dr. 
Lonimel  Band  8  und  9  kämm  uns  nicht  zu.  Nach  Vollendung  der 
ersten  Serie  hat  bereits  eine  zweite  begonnen  Band  11:  Vorgeschichte 
des  europäischen  Menschen  von  Dr.  Friedr.  Ratzel  (mit  92  Holz- 
schnitten); Band  12:  Bau  und  Leben  der  Pflanzen  von  Dr  0.  W.  Thome 
(mit  72  Holzschnitten);  Band  13:  Mechanik  des  menschlichen  Körpers 
(mit  69  Holzschnitten).  Sammtliche  Arbeiten  entsprechen  den  seiner- 
zeit im  Prospekt  aufgestellten  Grundsätzen  und  werden  hiemit  wieder- 
holt, wenigstens«  mit  Auswahl,  zur  Anschaffung  für  Schülerbibliotheken 
oberer  Gymnasial  -  Klassen  empfohlen.  Die  Ausstattung  ist  vortrefflich, 
der  Preis  1  fl  24  kr.  per  Band  der  ersten,  3  M.  per  Band  der  zweiten 
Serie,  ein  massiger. 

Lessings  Laokoon.  Für  den  weiteren  Kreis  der  Gebildeten  und  die 
oberste  Stufe  höherer  Lehranstalten  bearbeitet  und  erläutert  von  Dr. 
W.  Cosack  Mit  einer  Abbildung  der  Marmorgruppe,  Einleitung  und 
Namenregister.  Zweite  Aufl.  Berlin,  1876.  Haude-  u.  Spener'sche 
Buchhandlung.  200  S  in  kl.  8.  Der  Verf.  hat  die  gelehrten  Anmerk- 
ungen und  Excurse  zum  allergrössten  Teile  weggelassen,  weil  sie  für 
die  Hauptsache  unwesentlich  sind;  er  hat  ferner  mit  Rücksicht  auf  das 
Publikum,  für  das  er  gearbeitet,  alle  in  fremder  Sprache  angeführten 
Citate,  Dichtungen  etc  in  deutscher  Sprache  wiedergegeben.  Die  Ein- 
leitung belehrt  in  Kürze  über  die  Entstehung  der  Laokoongruppe  und 
ihre  Geschichte,  ferner  über  Zweck  und  Veranlassung  der  Lessing'schen 
Schrift,  diese  selbst  durch  sachliche  Noten  von  mässigem  Umfange 
erläutert.  Das  Büchlein,  das  in  der  gegenwärtigen  Aufl.  sorgfältig 
revidiert  und  vielfach  verbessert  ist,  empfiehlt  sich  daher  für  die  auf 
dem  Titel  genannten  Leserkreise. 

Lessings  Laokoon  für  den  Schulgebrauch  bearbeitet  und  mit  Er- 
läuterungen versehen  von  Dr.  J.  Buschmann.  Paderborn,  Ferd. 
Schöningh.  1874.  162  S.  in  Taschenformat.  Pr.  1  M.  20  Pf.  Auch 
diese  Ausgabe  eignet  sich  für  die  Schule.    Sie  enthält  die  Laokoon- 

Sruppe  in  Holzschnitt,  eine  einführende  Einleitung  (20  SS.)  und  unter 
em  Texte  die  notwendigsten  sachlichen  Erläuterungen.  Der  sprachliche 
Ausdruck  ist,  soweit  er  veraltet  schien,  modernisiert  worden. 

Zeittafel  und  Register  zu  Curtius'  griechischer  Geschichte.  (I  —  IH). 
Berlin,  Weidmann'sche  Buchhandlung.    1874.   107  S.  in  8. 

Laurin.  Ein  tirolisches  Heldenmärchen  ans  dem  Anfange  des 
XIII.  Jahrhunderts.  Herausgegeben  von  Karl  Möllenhoff.  Berlin, 
Weidmann'sche  Buchhandlung.  1874.  78  S.  in  kl.  8.  Eine  hübsche 
korrekte  Textausgabe. 


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142 


Rechenbuch  für  die  Vorschule.  Von  Chr.  Harms.  2  Aufl.  Olden- 
burg, bei  G.  Stalling.  1875.  Erstes  Heft:  Da'  Rechnen  im  Zahlenkreise 
von  1  —  10;  1  —  20;  1  —100  42  S.  in  kl.  8.  Zweites  Heft:  Das 
Rechnen  im  Zahlenkrcise  von  1  —  JOOO;  l  -  10000;  1  —  1000000  etc.; 
1-0,001.   84  S.  in  kl.  8. 

Hebräische  Elementargrammatik.  Eine  zur  Einführung  in  das 
Studium  der  grammatischen  Werke  Ewald's  und  Böttcher's  bestimmte 
Vorschule  Mit  vollständigen  Verbal-  und  Nominaltabellen,  syste- 
matisch geordneten  Uebersetzungs-  und  Punktierübungen,  sowie  einem 
Wörterbuch  von  Dr.  Kr.  Imm.  Grundt.  Leipzig  Hirt  &  Sohn,  1875. 
256  S.  in  gr.  8.    Praktisch  angelegt  und  sehr  schön  ausgestattet. 

Elementare  Grammatik  der  englischen  Sprache.  Mit  Bezeichnung 
der  Aussprache  und  Accentuation  für  die  Vokabeln.  Von  Dr.  H.  Th. 
Traut.  3.  Köllig  umgearbeitete  Auflage.  Leipzig,  Verlag  von  Gustav 
Körner.    1875.    148  S.  in  kl.  8. 


Auszüge. 

Zeitschrift  für  die  österreichischen  Gymnasien. 

9.  10. 

I-  Miscellen  ans  der  alten  Geographie.  Von  Wilh.  Toraasche  k  — 
Die  Militärverhältnisse  der  sogenannten  provinciae  inermes  des  römischen 
Reiches.    Von  J.  Jung. 

11. 

I.  Kritische  Betrachtungen  über  den  philokrateischen  Frieden.  Von 
Jos.  Rohrmo8er  in  Feldkirch.  Die  hier  festgestellten  Resultate  weichen 
vielfach  von  den  bisher  ans  Demosthenes  gewonnenen  ab.  -• 

Kleinigkeiten  zu  Tacitns  ab  exc.  d.  A  III  und  IV.  Von  H.  Cron. 
Behandelt  werden  vou  unserem  leider  inzwischen  zu  früh  verstorbenen 
Kollegen  3  Stellen,  III.  44  (altitudine  animi  „das  Bewnsstsein  seines  über 
den  Pöbel  erhobenen  Ranges,  das  gesteigerte  Selbstgefühl  des  Tiberius"); 
IV,  49  f.  (C.  nimmt  sich  der  Schlossworte  dieses  Kap.  an);  IV,  57  (der 
Satz  et  Mhodi  etc.  wird  nach  locis  occidtanlem  gestellt).  — 

HL  Enthält  die  Besprechung  mehrerer  Schriften  über  das  Realgym- 
nasium, namentlich  das  österreichische.  — 

1875.  1. 

L  Beiträge  znrKenntniss  des  attischen  Theaters.  Von  0.  Benndorf. 
Interessant  ist  besonders  die  Erörterung  der  Ordnung,  in  welcher  die 
Zuschauer  sassen. 

III.  Schriften  zur  Gymnasialreforra  (Forts.).  Besprochen  von  K. 
Tomaschek. 


143 


2. 

I.  Beitrage  zur  Kenntniss  des  attischen  Theaters  IV.  (Forts.).  Von 
0.  Benndorf.  —  Za  Cic.  ad  att.  I.  16,  3.   Von  A.  Goldbacher. 

III.  Die  k.  bair  Schulordnung  für  die  Studienanstalten,  I.  Von  K. 
Werner,  Landesschulinspektor  in  Salzburg.  Mit  der  österreichischen  ver- 
glichen und  dieser  teils  vorgezogen,  teils  nachgestellt.  W.  tadelt  die  Auf- 
nahme des  französischen  und  Kalligraphie  -  Unterrichtes  unter  die  obligaten 
Fächer,  die  Weglassung  der  Naturgeschichte,  bei  einzelnen  Gegenständen 
die  Verteilung  des  Lehrstoffes. 

Zeitschrift  für  d  Gymnasialwesen.  12. 

I.  Ueber  griechische  Schreibungen.  Von  Direktor  Dr.  H.  Schiller 
in  Constan/..  Sie  werden  empfohlen ,  im  Anschluss  und  zur  Förderung  Jer 
Lektüre.  Auch  das  Scriptum  bei  dt-r  Maturitätsprüfung  sei  beizubehalten.  — 
Das  negative  Resultat  der  Ausgrabungen  Schlieroanns  auf  Hissarlik  und 
Beweis,  dass  der  Sänger  der  llias  Troja  auf  Baalih-  dag  erbaut  angenommen 
habe.    Von  Dir.  Dr.  Hasper  in  Glogau. 

IL   Scblura  des  Jahresberichtes  über  Xenophon  von  Dr.  Nitsche. 

1875.  1. 

I.  Zehn  Thesen  zum  Oberlehrerprüfungsreglement.  Von  Dr.  H.  G  u  h  r  - 
au  er.  —  Der  Unterricht  im  Altdeutschen  auf  den  höheren  Schulen.  Von 
Dr.  O.  Vogel  und  Dr.  W.  Wilmanns.  Jener  plädiert  für,  dieser  gegen 
das  Altdeutsche  (im  weiteren  Sinne)  an  den  Gymnasien. 

III  Bericht  über  die  Innsbrucker  Philologen  Versammlung.  —  Jahres- 
bericht des  philologischen  Vereins  zu  Berlin:  Tacitus  von  Dr.  Andresen. 


Statistisches. 

Ernannt:  Studl  M.  Meyer  in  Bayreuth  zum  Sekretär  an  der 
Staatsbibliothek;  Studl.  Sbmid  in  Grünstadt  znm  Subrektor  in  Pirmasens; 
Ass.  Driendl  in  Neuburg  (Eonk  1873)  zum  Studl.  in  Dinkelsbühl ;  Ass. 
Düll  (Konk  1871)  zum  Studl.  in  Nördlingen;  Ass.  Widder  am  Wilh.-G. 
in  München  (Konk.  1871)  zum  Studl.  daselbst. 

Versetzt:  Studl.  Raab  von  Pirmasens  nach  Landau;  Studl.  Spalter 
von  Hersbruck  nach  Bayreuth;  Ass.  Rummelsberger  von  Bayreuth  nach 
München  (Realgymnasium);  Ass.  Renn  von  Schweinfurt  nach  Bamberg. 


Erklärung. 

Um  irriger  Auffassung  vorzubeugen,  bemerke  ich  gegen  den  Auf- 
satz des  Herrn  Collega  Schelle  im  2.  Hefte  dieser  Blätter,  dass  ich 


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144 

mich  durch  denselben  nicht  veranlasst  finde,  meinen  von  ihm  erwähnten 
Artikel  irgendwie  zu  modificiren.  Besser  dürfte  es  gewesen  sein,  wenn 
Herr  Schelle  einen  Fehler  in  der  Ableitung  der  Gleichung 

sin  ß  =z  «*»  «  *L*  

Y  1  -  sin  2       sin  £ 

nachgewiesen,  oder  wenigstens  Hullmann's  kleine  Brochüre  gelesen  hätte. 

Aschaffenburg.  Dr.  Bielmayr. 


Berichtigungen. 

Seite  75  letzte  Zeile  ist  statt  seine  zu  lesen  ihre. 
„    76  Zeile  28  von  oben  aber  statt  und 
„     „     „     30   „      „    jener  statt  jenen. 


In  meinem  „Lehrbuch  der  Determinantentheorie"  sind  ausser  den 
im  Drucke  angegebenen  Unrichtigkeiten  noch  folgende  zu  verbessern: 

von  oben  nach  Zahler  ergänze:  und  Nenner. 
„      „    statt  §  2  1.  3. 
„  unten  1.  permutirt. 
„     „    statt  abcd  1.  abdc. 
„     „    Btatt  Weyrauch  1.  Weihrauch. 
„     „    ist  Faktor  (na  —  p)  zu  streichen. 
„     „    statt  Axen  1.  Axen  e=  Ebenen. 
„  oben  muss  es  heissen:  für  sich  m1,  diezweite 
m11,  die  dritte  etc. 

„  unten  statt  X  1. 

z  z 

„  oben  statt  A„  x,  L  Af)  x,. 
„     „    statt  An  —  n  xn  1.  An  —  n  x,. 
„     „    fehlt  vor  b  die  Klammer. 


Seite 

7 

Zeile 

4 

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21 

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196 

Ii 

6 

II 

210 

» 

3 

II 

214 

8 

II 
II 


„    statt  h'-r-q'-l-  1  i.  (p?  +  q«-hl)2. 
„    statt  df  1.  d'f. 

Durch  diese  Verbesserungen  wird  hoffentlich  annähernde  Korrektheit 
hergestellt  sein. 

S.  Günther. 


a 

Oedruckt  Ui  J.  Qotteswinter  *  MömI  In  München,  The*Uneratr»*ieT8T 


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üeber  Differenzttfne. 

Die  Kombinationstöne  waren  in  letzterer  Zeit  nur  selten  Gegen- 
stand der  Bearbeitung.  Seit  den  umfassenden  Arbeiten  von  Heimholte 
ist  mir  keine  Publikation  hierüber  bekannt  geworden.  Man  konnte  in 
der  That  auch  hiermit  mehr  als  zufrieden  Bein  und  es  würde  schwer 
fallen,  den  Helmholtz'schen  Arbeiten  etwas  absolut  Neues  hinzuzufügen. 
Dieses  soll  mit  vorliegender  Abhandlung  auch  keineswegs  bezweckt 
werden.  Das  Motiv  zu  derselben  ist  in  einer  Notiz  zu  suchen,  welche 
E.  Külp  in  seinem  „Lehrbuche  der  Physik1'  (Darmstadt.  1858.  Verlag 
von  Johann  Philipp  Dichl)  über  die  Bildung  der  Kombinationstöne  gibt. 
Von  dem  Gedanken  ausgehend,  dass  gerade  die  Lehrbücher  einer 
Wissenschaft,  soferne  sie  nur  irgendwie  mangelhaft  constatirte  That- 
sachen  enthalten,  dem  Studium  dieser  Wissenschaft  am  gefährlichsten 
sind,  erschien  mir  die  Aufnahme  des  Gegenstandes  um  so  mehr  geboten, 
als  seither  sich  weder  eine  Stimme  für,  noch  gegen  Külp  erhob.  Der 
Autor  wird  bei  Erklärung  der  Kombinationstöne  (a.  a.  0.  Bd.  II  p.  129) 
von  folgendem  Ideengang  geleitet. 

Sind  m  und  n  die  relativen  Primzahlen  zweier  zusammenklingender 
Töne  und  A  und  B  ihre  respectiven  Schwingungszahlen,  so  findet  jeden- 
falls die  Gleichung  statt: 

m      A    ,     A  B 
—  -TJ  oder  -  =  - 
n       B         m  n 

A  B 

Der  Verfasser  nimmt  nun  an  —  oder  —  repräsentiredie  Schwing- 

m  n 

ungszahl  deä  durch  Zusammenklang  der  beiden  Töne  A  und  B  ent- 
stehenden Kombinationstones.  Wir  sehen  hier  ein  Anschmiegen  an  die 
Ansicht  Seebecks,  welche  in  der  Einleitung  zu  der  Helmholtz'schen 
Arbeit  über  Kombinationstöne  (Pogg.  Ann.  XCIX  p.  528)  besprochen  ist. 
Auch  ist  dieser  Satz  nur  eine  Reproduction  des  von  Vincent*) 
citirten  Tartin i' sehen  Satzes:  „Wenn  zwei  Töne  mit  den  Schwing- 
ungszahlen u  und  «'  gleichzeitig  angegeben  werden,  so  hört  man 
ausser  ihnen  noch  einen  resultirenden  Ton,  dessen  Schwingungszahl 
dem  gemeinschaftlichen  Masse  von  p  und  gleichkommt".  Külp 
glaubte  sich  durch  folgenden  Versuch  zu  seiner  Ansicht,  welche  nicht 
frei  von  Willkür  ist,  berechtigt 

Bei  dem  Zusammenklingen  zweier  Töne,  welche  in  dem  Verhältniss 
5 : 8  stehen,  wird  nach  ihm  ein  Ton  gehört ,  dessen  Schwingungsanzahl 


•)  Ann.chem.ph*js.(3)XKVl,37.  Jahresbericht  der  Chemie.  1849.  p.  79. 

Blittor  t.  d.  b»y«r.  Gymii.-  n.  Beal-Schulw.  XL  J»lwg.  10 


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14G 


dadurch  berechnet  wird,  dass  man  mit  5  in  die  Schwingungszahl  des 

tieferen  Grundtons  dividirt    So  entstünde  bei 

5:8  c  :  as  128  :  204,8 

nicht  etwa  der  Ton  Et  —  76,8  Schwing.,  sondern  der  Ton  As  =  25,6 
Schwingungen. 

Die  Schwingungszahl  des  Tones  As  erscheint  hierbei  als  Quotient 
von  5  in  128. 

Wer  mit  dem  Helmholtz'schen  Werke  „die  Lehre  von  den  Ton- 
empfindungen" und  speciell  mit  dem  Kapitel  von  den  Combinationstönen 
(a.  a.  0.  p.  227)  nur  irgendwie  vertraut  ist,  wird  leicht  finden,  dass 
dieser  Quotiententon,  wenn  man  ihn  so  nennen  darf,  mit  dem  Differenz- 
tone  übereinstimmt,  wenn  die  beiden  relativen  Primzahlen  um  die  Zahl 
1  von  einander  abstehen.  Ist  aber  dieser  Abstand  ein  anderer t  so 
erscheint  die  Schwingungszahl  des  Differenztones  als  Product  des 
Quotiententones  mit  der  Differenz  der  relativen  Primzahlen  und,  wie 
hier  gleich  bemerkt  werden  mag,  erscheint  der  Helmholtz'sche  Sum- 
mntionston  als  Product  des  Quotiententones  mit  der  Summe  der  beiden 
relativen  Primzahlen. 

Diese  interessanten  Verhältnisse  schliessen  Übrigens  keinen  neuen 
Satz  ein,  wie  aus  Späterem  hervorgehen  wird. 

Um  auf  den  beschriebenen  Versuch  zurückzukommen,  welcher  mit 
einer  Violine  angestellt  wurde,  möchte  ich  bemerken,  dass  der  Differenz- 
ton ,  welcher  jedenfalls  vorhanden  war ,  von  Külp  einfach  übersehen 
wurde.  Diess  ist  sehr  leicht  möglich,  und  wer  nur  irgendwie  sich  mit 
akustischen  Versuchen  beschäftigte,  weiss,  in  welch  hohem  Grade  ein 
sonst  geübtes  Ohr  bezüglich  bestimmter  Töne  mangelhaft  erscheinen 
kann.  So  untersuchte  ich  beispielsweise  eine  Stimmgabel  auf  ihre 
Obertöne  und  konnte  leicht  ohne  Hülfe  einer  Resonanz  den  1.  Oberton 
wahrnehmen,  während  einem  mit  mir  experimentirenden  ausgebildeten 
Musiker  dieses  selbst  bei  Anwendung  des  betreffenden  Resonators  nicht 
gelang.  Ueberhaupt  ist  das  Nichthören  eines  Tones  nicht  immer  ein 
Beweis  für  dessen  Abwesenheit.  Es  können  Fälle  von  Uebermüdung 
eintreten,  welche  vollständig  das  klare  Unheil  stören,  wesshalb  auch 
als  erste  Regel  bei  akustischen  Versuchen  aufzustellen  ist,  dieselben 
öfter  abzubrechen  und  mehrere  Personen  daran  Theil  nehmen  zu  lassen. 
Külp  gibt  übrigens  noch  einen  Versuch  an,  bei  welchem  er  den 
Differenzton  nicht  hören  konnte.  Beim  Zusammenklingen  von 
4:9  c  :  d1  128  :  288 

128 

hörte  er  ebenfalls  nur  den  Quotiententon  C  =  32  =  — .   Es  unterliegt 

4 

keinem  Zweifel,  dass  die  Differenztöne  bei  so  weit  auseinander 
liegenden  Verhältnissen  oft  nur  sehr  schwierig  gehört  werden,  aber 
vorhanden  sind  sie  immer. 


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147 


Um  zur  Erklärung  der  von  Külp  beobachteten  Quotiententöne  zu 
gelangen,  begnügte  ich  mich  nicht  mit  den  angeführten  Beispielen. 
Mit  Hülfe  eines  Appun'achen  Obertöneapparates,  dessen 
tiefster  Ton  C  32  Schwingungen  in  der  Sekunde  ausführt  und  welcher 
alle  Obertöne  dieses  Grundtones  bis  zum  32ten  einzeln  enthält,  suchte 
ich  bei  den  verschiedensten  Verhältnissen  der  relativen  Primzahlen  zu 
experimentiren.  Einem  solchen  Obertöneapparat  sind  genau  abgestimmte 
Resonatoren  beigegeben  und  zwar  besitzen  diese  mit  den  Tönen  des 
Obertöneapparates  correspondirende  Nummern.  Der  Grundton  ist  mit 
No.  1,  der  erste  Oberton,  also  derjenige,  welcher  doppelt  so  viel 
Schwingungen  ausführt  als  der  Grundton,  mit  No.  2  etc.  versehen. 
Den  einzelnen  Nummern  entsprechen  also  bei  diesem  Apparate 
folgende  Töne. 

C  C  G  c  e  g  b  c~  d  7  f  g  ä  ~b  h  ~c  des  d  es  77 
1   2   3    4  5   6  7   8   9  10  Ii  12  13  14  15  16 .  17   18  19  20  21 

f  +    /»*  ■+*   g   gis    a   a   b    ais   h    h  0. 

22  23  24  25  26  27  28  29  30  31  32 
Einige  der  angegebenen  Bezeichnungen  stimmen  nicht  genau  mit 
denen,  welche  die  sogenannte  natürliche  Tonleiter  vorschreibt,  jedoch 
finden  in  einem  solchen  Falle  sehr  angenäherte  Verhältnisse  statt  Für 
unseren  Zweck  ist  eine  Bezeichnung  durch  Buchstaben  meistens  gleich- 
gültig, da  wir  hauptsächlich  auf  die  Schwingungsverhältnisse  unsere 
Aufmerksamkeit  zu  lenken  haben. 

Bei  meinen  nunmehr  näher  zu  beschreibenden  Versuchen  habe  ich 
die  Einrichtung  getroffen,  dass  jederzeit  der  zu  beobachtende  Quotienten- 
ton durch  denselben  Resonator  gehört  wurde.  Ich  wählte  hierzu  den 
Resonator  No.  4. 

Beim  Zusammenklingen  von 

No.   8  und  No.  20  No.   8  und  No.  28 

„   12   „     „    20  „   12   „     „  28 

„    16   „     „    28  „   20   „     „  28 

No.  20  und  No.  32 
wurde  immer  der  sogenannte  Quotiententon  deutlich  gehört. 

Beim  Gebrauche  der  Resonatoren  sind  manche  Verhältnisse  zu 
berücksichtigen,  deren  Erwähnung  hier  nicht  überflüssig  sein  dürfte, 
um  so  mehr,  als  in  der  Unterlassung  bestimmter  Vorsichtsmassregeln 
oftmals  die  Quelle  negativer  Resultate  zu  suchen  ist.  Man  muss  bei 
dem  Experimentiren  den  Resonator  schief  nach  oben  halten  und  im 
Zimmer  diejenige  Stelle  aufsuchen,  an  welcher  der  zu  beobachtende 
Ton  am  kräftigsten  resonirt  Zugleich  ist  es  nöthig  den  Resonator 
öfter  von  dem  Ohre  abzusetzen,  einmal  um  den  Unterschied  der  Klang- 
stärke zu  beobachten,  dann  auch  um  das  Ohr  nicht  zu  übermüden. 

10* 


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148 


£s  ist  vielfach  beobachtet  worden,  dass  das  linke  Ohr  schärfer  höre, 
als  das  rechte.  Ich  kann  diese  Beobachtung  nicht  bestätigen,  denn  ich 
hörte'  manchmal  mit  dem  linken,  manchmal  mit  dem  rechten  Ohre 
besser.  Weiter  muss  man  bei  dem  Experimentiren  sich  überzeugen, 
ob  nicht  durch  Geräusche,  welche  zum  Beispiel  durch  Treten  des  Blase- 
balges entstehen,  der  eigne  Ton  des  Resonators  besonders  deutlich 
auftritt.  Endlich  ist  es  nöthig,  den  Resonator  schon  an  das  Ohr  zu 
bringen,  wenn  nur  einer  der  beiden  Töne  angeblasen  wird,  da  es 
möglich  sein  kann,  dass  bei  anderweitigen  Versuchen  dem  Resonator 
nahezu  entsprechende  Obertöne  schon  von  vorneherein  resoniren,  in 
welchem  Falle  die  Zunahme  der  Intensität  des  Eigentons  des  Reso- 
nators beim  Zusammenklingen  der  beiden  Grundklänge  ein  sicheres 
Merkmal  für  das  Vorhandensein  des  gesuchten  Tones  ist.  Selbstver- 
ständlich ist  hierbei  zu  berücksichtigen,  dass  nicht  etwa  der  zweite 
Grundklang  denselben,  dem  Eigentone  des  Resonators  nahe  liegenden, 
Obertön  besitzt,  wie  der  erste.  Das  eben  Gesagte  gilt  besonders  für 
die  Resonatoren  höherer  Töne,  denn  da  die  Länge  eines  solchen 
Resonators  gleich  ein  viertel  Wellenlänge  desjenigen  Tones  ist,  auf 
welchen  er  am  stärksten  resonirt  und  die  Unterschiede  der  Wellen- 
längen aufeinander  folgender  Töne  mit  der  Höhe  immer  kleiner 
werden,  so  werden  sich  die  angeführten  Unbequemlichkeiten  besonders 
leicht  bei  den  höheren  Tönen  zeigen.  Bei  dem  Experimentiren  mit 
grösseren  Resonatoren  kommt  jedoch  ein  andrer  Umstand  in  Betracht, 
welcher  leicht  zu  bedeutenden  Irrthümern  Veranlassung  geben  kann. 
Hält  man  z.  B.  den  Resonator  4  an's  Ohr  und  bläst  8  an,  so  glaubt  ein 
nicht  geübtes  Ohr  den  Ton  4  zu  hören.  Diese  Täuschung  hat  ihren 
Grund  in  der  Wirkung  grosser  Resonatoren  als  Hörrohr.  Mitunter 
kann  man  aber  auch  No.  4  wirklich  hören,  wenn  nämlich  dieser  Ton 
bei  einem  früheren  Experiment  nicht  vollständig  abgeschoben  wurde. 
Ich  erwähne  dieses  Umstandes  besonders  dessbalb,  weil  bei  dem  Ex- 
perimentiren mit  einem  Harmonium  solche  Verbältnisse  nicht  selten 
das  klare  Urtheil  stören. 

Nachdem  ich  mich  mit  den  angegebenen  Hülfsmitteln  von  der 
Existenz  wirklich  kräftiger  Quotiententöne  überzeugt  hatte,  suchte  ich 
die  Erklärung  ihrer  Entstehung  auf  die  Obertöne  zurückzuführen. 
Diese  Idee  ist  keineswegs  neu,  denn  schon  Helmholtz  bemerkt,  dass 
die  Differenztöne  höherer  und  niederer  Ordnung,  bei  irgend  welchem 
Klangverhältniss  die  arithmetische  Zahlenreihe  nach  1  hin  ergänzen, 
so  dass,  wenn  beispielsweise  4  und  5  die  relativen  Primzahlen  zweier 
Grundklänge  vorstellen,  auch  noch  Töne  gehört  werden,  welchen  die 
relativen  Zahlen  12  3  zukommen,  so  dass  man  nicht  blos  4  und  5, 
sondern  auch 

1   2   3   4  5 


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149 


sogar  noch  eine  weitere  Reibe  von  Tönen  unter  Umstanden  hören 
kann.  Um  nun  wirklich  etwas  beweisen  zu  können,  massten  möglichst 
einfache  Tone  zu  Grunde  gelegt  werden.  Ich  bezog  daher  von  Appunn 
in  Hanau  acht  Stimmgabeln,  welche  die  diatonische  Tonleiter  von 

c  —  256  Schwingungen  bis  c  =  512  Schwingungen  gaben.  Es  bedarf 
kaum  der  Bemerkung,  dass  diese  Stimmgabeln  sehr  rein  gestimmt  und 
mit  Resonanzkästchen  versehen  waren.  Sie  gaben  alle  nur  den  ersten 
Oberton ,  aber  mit  sehr  geringer  Intensität.  Diese  acht  Stimmgabeln 
erlaubten  die  mannigfachste  Kombination,  aber  niemals  konnte  ein 
Eombinationston  gehört  werden,  welcher  mit  Recht  den 
Namen  Quotiententon  verdient  Auch  Heluiholtz  hatte  schon 
Versuche  mit  einfachen  Tönen  angestellt,  aber  bei  der  Schwierigkeit 
der  Umschau  in  der  Gesammtliteratur  eines  Gegenstandes,  welchen  die 
Abwesenheit  einer  Bibliothek  mit  sich  bringt,  habe  ich  davon  erst  jetzt 
Kenntniss  erhalten  *). 

Bezeichnen  wir  nun  weitergehend  mit  a  und  6  die  relativen  Prim. 
zahlen  zweier  zusammenklingender  Töne,  und  mit  na  und  nb  deren 
Schwingungszahlen,  wobei  wir  bemerken  wollen,  dass  nb  >  na,  so  hat 
die  Frage  einiges  Interesse,  welche  Obertöne  einen  Differenzton  geben, 
dessen  Schwingungsanzahl  =  n  ist.  Diese  Frage  findet  ihren  Ausdruck 
in  der  unbestimmten  Gleichung: 

x(na)  —  y  (nb)  —  +  n 

oder 

l)xa-y6  =  +  1 
Bei  gegebenem  a  und  b  wird  diese  Gleichung  näher  dadurch  bestimmt, 
dass  x  und  y  ganze  positive  Zahlen  sein  müssen.   Wählen  wir 

a  —  2  mit  6  =  5, 
so  liefert  Gleichung  1)  Werthe  für  x  und  y,  deren  niedrigste  sind: 

x  —  3  y  —  1 

oder 

x  —  2   y  =  i. 

Wir  sehen  daraus,  dass  schon  der  erste  Oberton  des  tieferen  Grundtones 
und  der  höhere  Grundton  bei  dem  vorgelegten  Verhältniss  einen 
Differenzton  ergeben,  dessen  Schwingungsanzahl  gleich  ist  der  Schwing- 
ungsanzahl desjenigen  Tones,  welchen  wir  oben  mit  dem  Namen 
Quotiententon  belegt  haben.  Dieser  Ton  kann  bei  dem  Verhältniss 
der  Schwingungszahlen  2 :  5  also  sehr  leicht  gehört  werden.  Schwieriger 
gelingt  diess  bei  anderen  Verhältnissen  der  Schwingungszahlen  der 
zusammenklingenden  Töne.  Setzen  wir  beispielsweise  noch 

a  =  6;   6  =  8, 


*)  Jahresbericht  für  Chemie  1856  p.  109. 


150 


so  bedarf  man  schon  nach  Gleichung  1)  des  zweiten  Obertons  des 
tieferen  Grundtons  und  des  ersten  Obertones  des  höheren  Grundtones. 

Von  besonderem  Interesse  sind  die  sogenannten Quoti e nte ntöne 
dadurch ,  dass  sie  zugleich  diejenigen  Kombinationstöne  vorstellen, 
welche  unter  allen  denkbaren  Kombinationen  der  Grund  -  und  Obertöne 
eines  gegebenen  Verhältnisses  die  kleinste  Schwingungsanzahl  enthalten; 
denn  die  Frage  nach  derjenigen  Differenz,  welche  die  Schwingungsanzahl 
n  liefert,  stimmt  mit  der  Frage  vollständig  überein:  „welches  ist  die 
kleinste  Differenz  zwischen  allen  nur  denkbaren  Kombinationen  der 
Grund-  und  Obertöne". 

Bilden  wir  die  Differenz 

x  (n  a)  —  y  (n  6)  —  d, 
so  finden  wir,  dass  der  kleinste  Werth,  welchen  d  annehmen  kann, 
jedenfalls  —  n  ist,  denn  schreiben  wir  diesen  Ausdruck : 

x  a  —  yb  ss  - 

so  muss  der  kleinste  Werth  von  —  nothwendig  =  1  werden,  also  d  =  n. 

n 

Kombiniren  wir  weiter  irgend  einen  schon  gebildeten  Differenzton 
mit  einem  beliebigen  Oberton  .:  (na)  und  setzen  wir: 
(x  (na)  —  y  (nb))  —  s  (na)  =  d, 
so  lässt  Bich  ebenso  zeigen,  dass  nur  dann  d  seinen  kleinsten  Zahlen- 
werth erhält,  wenn 

d,  =  n  ist. 

Aus  diesem  Grunde  würde  es  vielleicht  auch  practisch  sein ,  den 
Namen  Quotiententon  beizubehalten,  oder  besser  gesagt  einzuführen, 
denn  alle  Kombinationstöne  niederer  oder  höherer 
Ordnung  sind  ganze  Multipla  des  sogenannten  Quo- 
tiententones. Im  Wesentlichen  ist  dieses  jedoch  nur  eine  andere 
Ausdrucksweise  für  den  schon  oben  ausgesprochenen  Helmholtz'schen 
Satz*),  dass  die  Differenztöno  der  Grund-  und  Obertöne  die  arithme- 
tische Zahlenreihe  nach  1  hin  ergänzen. 

Als  ich  meine  oben  angedeuteten  Versuche  mit  den  Stimmgabeln 
anstellte,  versuchte  ich  auch  unter  Gebrauch  der  erwähnten  Resonatoren 
die  von  Helmholtz  entdeckten  Summationstöne**)  zu  hören,  aber 
es  war  mir  und  auch  anderen  Personen,  welche  ein  scharfes  Ohr 
besitzen,  unmöglich,  nur  die  geringste  Spur  eines  Summationstones 
wahrzunehmen.  Mir  war  diess  um  so  auffallender,  als  Helmholtz 
a.  a.  0.  p.  619  3  mit  Stimmgabeln  ausgeführte  Versuche  angibt,  in 


*)  Helmholtz,  Lehre  von  den  Tonempfindangen,  p.  232. 
*j  Pogg.  Ann.  XCIX,  497. 


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151 


welchen  er  die  Summationstöne,  wenn  anch  nur  schwach,  hörte.  Ich 
mus8  hier  bemerken,  dass  die  Differenztöne  erster  Ordnung  hierbei 
noch  bis  zum  Verklingen  der  Stimmgabeln  gehört  werden  konnten. 
Heimholte  gibt  in  seiner  interessanten  mathematischen  Ableitung  über 
"die  Theorie  der  Kombinationstöne  bei  dem  Erklingen  des  Grundtons 
und  der  Quinte  das  Verhältniss  der  Amplitude  des  Differenztons  zu 
derjenigen  des  Summationstons  wie 

"(2  +  3)1  :  (3  -  2)»  =  25  .  1  an 
bei  der  Quarte  wie  49  :  1 

„  „  Terz  „  81  :  1  und  erwähnt  damit  übereinstimmend  die 
geringe  Intensität  des  Summationstones  im  Vergleich  zum  Differenzton 
a  a.  0.  p.  535.  Andererseits  erwähnt  jedoch  Helmholtz  auch  a.  a.  0. 
p.  519,  „dass  es  bei  Orgelpfeifen  und  namentlich  mit  der  Dvel'schen 
mehrstimmigen  Sirene  leicht  gelingt,  die  Summationstöne  ebenso  stark 
oder  stärker  zu  erhalten,  als  die  ersten  und  stärksten  Obertöne,  so 
dass  sie  jedenfalls  viel  stärker  werden,  als  die  Differenztöne  dieser 
letzteren".  Aehnlichem  begegnet  man  bei  dem  Experimentiren  mit  dem 
Appun'schen  Obertöneapparat;  so  hörte  ich  beim  Ziehen  der  Tasten 
8  und  15  gut  den  Summationston  23,  dagegen  nicht  so  gut  den  Dif- 
ferenzton 7.  Eine  Verwechselung  des  Tones  23  mit  dem  Obertone 
24  fand  jedoch  nicht  statt.  Bei  dem  Anziehen  der  Tasten  8  und  20 
hörte  ich  jedoch  den  Summationton  28  nicht,  den  Differenzton  12  nur 
sehr  schwach,  dagegen  kräftig  den  Ton  4.  Bei  dem  Anziehen  der 
Tasten  12  und  20  wurde  wieder  der  Summationston  32  gut,  der  Differenz- 
ton 8  sehr  gut  und  auch  der  Ton  4  gut  gehört.  Die  erwähnten 
eigenthümlichen  Verhältnisse,  welche  einmal  den  Summationston  stärker, 
in  einem  anderen  Falle  denselben  schwächer  oder,  gar  nicht  liefern, 
und  dann  das  absolute  Nichthören  eines  Summationstones  bei  meinen 
Stimmgabelvcrsuchen  lassen  es  nicht  ganz  unwahrscheinlich  erscheinen» 
dass  die  Summationstöne  mit  den  Differenztönen  höherer  Ordnung 
doch  in  Beziehung  stehen.  In  diesem  Falle  müsste  jedoch  die  Theorie 
der  Differenztönc  eine  Aenderung  erleiden  und  zwar  wieder  auf  die 
Schwebungen  und  sogenannten  Kombinationsstösse  zurückgeführt  werden. 
Wenn  es  auch  Thatsache  ist,  dass  Schwebungon  und  Töne  ausser- 
ordentlich Verschiedenes  Bind,  so  schliesst  doch  dieses  die  Annahme 
nicht  aus,  dass  in  Folge  der  Schwebungen  neue  Tonwellen  gebildet 
werden,  wodurch  Differenztöne  entstehen,  welche  bei  dieser  Zulassung 
die  Grundlage  complicirter  Tonbildungen  sein  würden-  Bekanntlich 
geht  die  Helmholtz'sche  Theorie  der  Kombinationstöne  von  der  Annahme 
aus,  dass  die  repulsiven  Kräfte,  welche  einen  aus  der  Gleichgewichts- 
lage gebrachten  Massenpunkt  in  seine  Gleichgewichtslage  zurücktreiben, 
nicht  mehr  proportional  der  Entfernung  von  der  Gleichgewichtslage 


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152 


sind,  sondern,  dass  hierzu  noch  die  Quadrate  der  Elongationen  kommen. 
Heimholte  drückt  dieses  aus  durch  die  Differentialgleichung: 

-«  ?£=:az  +  ba?  +  frin  (pt)  +  9  sin  (qt  +  c) 

in  welcher  m  die  Masse  des  beweglichen  Punktes,  und  x  seine  Ent" 
fernung  von  der  Gleichgewichtslage  zur  Zeit  t  bedeuten,  a  und  b 
stellen  Constante  und  f  sin  (pt),  sowie  g  sin  (qt  +  c)  zwei  periodisch 
veränderliche  Druckkräfte  dar,  welche  in  Folge  zweier  Schallwellen- 
zQge  auf  den  beweglichen  Massenpunkt  wirken. 

Die  Voraussetzung,  unter  welcher  Helmholtz  die  Differenztöne 
entstehen  lässt,  braucht  nicht  immer  erfüllt  zu  sein,  denn  wie  ich  oben 
hervorgehoben  habe,  werden  Differenztöne  bei  Stimmgabeln  noch  bis 
zum  letzten  Aufklingen  derselben  gehört.  Nehmen  wir  nun  die  Differenz* 
töne  als  das  Grundphänomen  an  und  betrachten  die  Summationstöne 
als  Differenztöne  höherer  Ordnung,  so  kommen  wir  zwar  in  Wider- 
spruch mit  den  von  Helmholtz  bei  Stimmgabeln  angestellten  Versuchen, 
aber  nicht  in  Widerspruch  mit  meinen  Versuchen.  Helmholtz  experi- 
mentirte  bei  seinen  Stimmgabelversuchen  mit  den  Tönen  b  und  fu 
fx  undft,,  b  undd,  deren  Schwingungsverhältnisse  sind  respective  2:3, 
3 : 4,  4 : 5.  Es  kann  nun  bei  dem  Verhältniss  2:3  der  zweite  Oberton 
des  höheren  Grundtones  nnd  der  erste  Oberton  des  tieferen  Grundtones 
einen  Differenzton  höherer  Ordnung  geben,  dessen  Schwingungszahl 
dem  Summationston  gleichkommt,  bei  dem  Verhältniss  3:4  hat  man 
hierzu  den  2ten  Oberton  des  tieferen  und  den  3ten  Oberton  des  höheren 
Grundtons  und  bei  dem  Verhältniss  4 : 5  den  3ten  Oberton  des  tieferen 
und  den  4ten  Oberton  des  höheren  Grundtones  nöthig.  Es  ist  nicht 
ganz  unmöglich,  dass  die  angewandten  Stimmgabeln  diese  Obertöne 
besassen.  Meine  Stimmgabeln  lassen  nur  den  ersten  Oberton  hören. 
Es  ist  auch  nach  den  Versuchen  von  Helmholtz  eine  bemerkenswerthe 
Thatsache,  dass  Klänge,  welche  besonders  reich  an  Obertönen  sind, 
vorzüglich  hörbare  Summationstöne  liefern,  und  auch  kann,  wie  meine 
Versuche  zeigen,  ein  und  derselbe  Apparat  einigermassen  wider- 
sprechende Resultate  geben.  Es  mag  diess  in  den  Intensitätsverhältnissen 
der  einzelnen  Obertöne  liegen.  Legen  wir  z.  B.  zwei  Töne  zu  Grunde, 
deren  Schwingungsverhältniss  wie  3:5  ist,  so  wird  der  Summationston 
nach  unserer  Ansicht  besonders  stark  hervortreten,  wenn  jedesmal  der 
dritte  Oberton  des  Grundtones  von  besonderer  Intensität  ist.  Eine 
Bestätigung  dieser  Ansicht  könnte  durch  Intensitätsbestimmung  der 
einzelnen  Obertöne  erfolgen,  aber  hierzu  fehlt  es  in  der  Akustik  an 
geeigneten  Apparaten. 

Helmholtz  hat  auch  noch  einen  Summationston  zweiter  Ordnung 
bei  Sirenentönen  gehört,  deren  Schwingungszahl  gleich  ist  2p  -\-q  oder 
ff  +  2p,  wenn  p  und  q  die  Schwingungszahlen  der  primären  Töne 


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153 

bedeuten.  Offenbar  lassen  sich  diese  Töne  auch  als  Differenatöne 
höherer  Ordnung  auffassen,  wenn  wir  einmal  annehmen,  dass  die 
Differenztöne  überhaupt  allein  die  Grundlage  bilden  eines  weitergehenden 
Tonphänomens. 

Nennen  wir  wie  früher  allgemein  a  und  b  die  relativen  Primaahlen 
eines  Klangverhältnisses,  so  werden  die  Obertöne,  welche  den  Differenz- 
ton  ergeben,  ausgedrückt  durch  die  unbestimmte  Gleichung: 

a  .  x  —  b  .  y  —  dz  (a  —  6), 

diejenigen,  welche  die  Summationstöne  erster  Ordnung  liefern: 

a  .  x  —  b    y  —  zb  (<*+&) 
und  die  Obertöne  für  die  Summationstöne  zweiter  Ordnung  werden 
gefunden  durch: 

a  .  x  —  b  .  y  =  ±  (2a  b) 
oder:  ^ 

a  .  x  —  b  .  y  —  ±(a-f  26). 

Wenn  wir  die  Resultate  unserer  Untersuchungen  noch  einmal 
überblicken,  so  sehen  wir,  dass  die  im  Eingange  erwähnten  eigen- 
thumlichen  Ansichten  über  die  Bildung  der  Kombinationstöne  sich 
zurückführen  lassen  auf  Differenztöne  höherer  und  niederer  Ordnung. 

Speier.  C.  Bender. 


Bemerkung  zur  Theorie  des  Keiles. 

Der  Verfasser  des  unter  der  vorstehenden  Aufschrift  (S.  231  des 
VIII.  Jahrgangs  dieser  Blätter)  erschienenen  Artikels  hat  zwar  mit  dem 
Titel  eines  intellektuellen  Urhebers  desselben  nicht  mich  bezeichnet, 
dennoch  aber  muss  ich  mich  als  den  ersten  Anstifter  bekennen  und 
fühle  mich  desshalb  auch  verpflichtet,  dasjenige  mitzutheilen ,  was  ich 
seitdem  zur  Lösung  des  dort  erwähnten  scheinbaren  Widerspruches 
gefunden  habe. 

Ich  kann  nicht  zugeben,  dass  dasjenige,  was  im  erwähnten  Artikel 
ausgeführt  ist,  den  Widerspruch  löse,  und  zwar  schon  desswegen  nicht, 
weil  Ringe ,  Stifte,  Hacken  etc.  nach  meiner  Ansicht  in  das  Gebiet  der 
angewandten,  nicht  aber  der  reinen  Mechanik,  gehören. 

Der  erste  Irrthum  ist  nach  meiner  Meinung  in  dem  Satze  enthalten : 
„Wenn  zwei  gleiche  Gegenkräfte  P  und  Q  einen  frei  beweglichen  Keil 
auf  zwei  Seiten  in  A  und  B  angreifen,  so  dass  APQB  eine  Gerade  ist, 
und  man  verlegt  in  Gedanken  den  einen  Angriffspunkt  in  den  andern, 
so  halten  sich  beide  Kräfte  Gleichgewicht,  und  es  würde  demnach  die 
geringste  dritte  Kraft  den  Keil  nothwendig  in  Bewegung  setzen'4. 


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154 

•  ■  ,  ■  Ml 

Dieser  Irrthum  besteht  darin,  dass  hier  von  dem  Satze  Gebrauch 
gemacht  wird:  „Jede  Kraft  bringt  dieselbe  Wirkung  hervor,  wenn  ihr 
Angriffspunkt  an  eine  andere  Stelle  ihrer  Richtung  verlegt  wird".  Dieser 
Satz  gilt  nämlich  nur  für  den  Fall  von  zwei  fest  verbundenen  Punkten 
(starres  System),  wird  aber  hier  auf  Punkte  angewendet,  welche  diese 
Bedingung  nicht  erfüllen. 

Es  unterscheidet  sich  die  Betrachtung  des  Keiles,  wie  jene  der 
schiefen  Ebeno,  von  welcher  der  Keil  eine  Anwendung  ist,  von  den 
Betrachtungen  der  vorhergehenden  Maschinen  (Hebel,  Rolle  etc.) 
wesentlich  dadurch,  dass  es  bei  den  letzteren  immer  möglich  ist,  die 
Betrachtung  der  Maschine  auf  wenige  starr  verbundene  Punkte  zu 
reduciren,  während  diess  bei  jenen  nicht  der  Fall  ist,  weil  hier  gerade 
der  Umstand  von  Wichtigkeit  ist,  dass  es  sich  nicht  um  die  Wirkung 
auf  einen  isolirt  gedachten  Punkt  handelt,  sondern  um  die  Wirkung 
auf  einen  Punkt,  der  von  unzähligen  mit  ihm  in  einer  gemeinsamen 
Ebene  liegenden  Punkten  umgeben  ist,  und  in  Folge  dessen  nicht  in 
jeder  Richtung  unter  gleichen  Bedingungen  eine  Bewegung  ausführen 
kann.  Es  muss  also  (wie  es  auch  durchweg  bald  ausführlicher,  bald 
mehr  andeutungsweise  geschieht)  vor  allem  festgestellt  werden,  wie  sich 
eine  Ebene  gegen  einen  auf  dieselbe  wirkenden  Druck  verhält  Es  soll 
an  dieser  Stelle  hierüber  keine  weitläufige  Untersuchung  angestellt, 
sondern  die  unbestrittene  Thatsache  festgehalten  werden,  dass  jede 
Ebene  nur  einen  Druck  aufnehmen  kann,  welcher  senkrecht  auf 
dieselbe  wirkt.  Daraus  folgt  dann  nothwendig,  dass  von  jedem  Drucke, 
welcher  in  einer  anderen  Richtung  erfolgt,  nur  die  senkrechte  Com- 
ponente  eine  Wirkung  auf  die  Ebene  äussern  kann,  während  der  übrige 
Theil  für  die  Ebene  selbst  verloren  geht.  Die  Beantwortung  der 
Frage,  wohin  dieser  Theil  komme,  scheint  mir  nicht  zur  vorliegenden 
Untersuchung  zu  gehören,  doch  möchte  ich  erinnern,  dass  Weisbach, 
der  den  Druck  als  durch  einen  Stab  ausgeübt  annimmt ,  diesem  Theile 
der  Kraft  das  Bestreben  zuschreibt,  das  Ende  des  Stabes  in  einer 
Richtung,  welche  auf  jener  des  Stabes  selbst  senkrecht  steht,  zu 
verschieben,  welchem  Streben  durch  geeignete  Vorrichtung  das  Gleich- 
gewicht gehalten  werden  soll.  Statt  einer  Verlegung  des  Angriffs- 
punktes, welche  nur  bei  einem  starren  System  erlaubt  sein  würde, 
haben  wir  es  also  in  Folge  der  hier  vorhandenen  Umstände  mit  einer 
Zerlegung  der  Kräfte  zu  thun. 

Die  von  Weisbach  entwickelte  Gleichung 

p  -  2  Q  sin  ■ 

~      sin  ß 

gibt  für  unsern  Fall,  in  welchem  ß  =  90°  -f-  « 

P  =  2  Q  tang  «, 


s 

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155 


welche  (entgegengesetzt  der  auf  S.  236  des  erwähnten  Artikels  ausge- 
sprochenen üeberzeugung)  richtig  ist,  wogegen  die  (auf  S.  234  und  235 
abgeleitete)  Gleichung 

R  =  P  sin  2a*) 

unrichtig  ist. 

Die  Gleichung,  welche  Weisbach  für  einen  beliebigen  Winkel  ß 
gibt,  lässt  sich  i'ür  unsern  speciellen  Fall  auch  auf  die  folgende  Weise 
ableiten,  wozu  ich  die  auf  S.  234  des  mehr  erwähnten  Artikels 
stehende  Figur  benütze,  und  die  dort  gewählten  Bezeichnungen 
beibehalte. 

Denkt  man  sich  die  in  der  Richtung  FO  wirkende  Kraft  Ii  in 
zwei  gleiche  auf  CD  und  CE  senkrechte  Kräfte,  welche  unter  sich 
einen  Winkel  AOB  —  180°  —  2a  bilden,  zerlegt,  und  bezeichnet  man 
jede  derselben  mit  D,  so  ergibt  sich  nach  dem  Kräfteparallelogramm 
B1  —  2D*  (l  —  cos  2a)  =  2D*  X  2  sin  «»,  also  (1)  B  =  2D  sina. 

Biese  Kräfte  D  aber  dürfen,  weil  0,  A  und  B  fest  verbunden  sind, 
beziehungsweise  nach  A  und  B  verlegt  werden.  Dort  sollen  sie  Kräften 
das  Gleichgewicht  halten,  welche  parallel  DB  in  der  Geraden  AB 
wirken.  Um  das  Gesetz  für  dieses  Gleichgewicht  au  finden,  muss 
man  jede  Kraft  D  in  (zwei)  Componenten  zerlegen,  von  welchen  die 
eine  (X)  den  von  aussenber  auf  den  Keil  wirkenden  Kräften  (Pund  Q) 
Gleichgewicht  halten  soll,  also  den  Richtungen  derselben  direkt  ent- 
gegengesetzt sein  muss.  Die  andere  Componente  darf  dann  auf  dieses 
Gleichgewicht  keinen  Einfluss  üben,  was  nur  dann  der  Fall  ist,  wenn 
ihre  Richtung  auf  jener  der  im  Gleichgewicht  stehenden  Kräfte  senk- 
recht steht,  in,  welchem  Falle  sie  dann  durch  die  Einrichtung  des 
Apparates  (bei  Weisbach  durch  die  Führung  des  Stabes,  welcher  den 
Druck  vermittelt)  aufgehoben  wird.  In  Folge  dieser  Zerlegung  erhält 
man  die  Gleichung  (2)  X  =  P  =  D  cos  a. 

Die  Elimination  von  D  aus  den  beiden  Gleichungen  (1)  und  (2)  ergibt 

R  =  2P  tang  a. 

Diese  Gleichung  ist  es  aber,  von  welcher  wir  oben  gesehen  haben, 
dasa  sie  aus  der  Weisbach'schen  sich  für  unsern  speciellen  Fall  ergibt, 
und  welche  ich  auch  an  anderen  Orten  gefunden  habe.  Freilich  wird 
sie  gewöhnlich  dadurch  abgeleitet,  dass  man  einfach  die  Formel  für 
die  schiefe  Ebene  und  zwar  für  jenen  Fall  benützt,  in  welchem  die 
Kraft  parallel  zur  Basis  wirkt.  Die  Formel  ist ,  wie  wir  jetzt  gesehen 
haben,  richtig,  die  Art  ihrer  Einführung  aber  entschieden  unklar,  was 
wohl  daraus  allein  schon  hervorgeht,  dass  ausserdem,  weder  der 


*)  Es  scheint  kaum  notwendig  zu  bemerken,  dass  B  in  dieser  letzteren 
Gleichung  dem  P  in  der  vorhergehenden,  sowie  P  dem  Q  entspricht 


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mebrerwähnte  Artikel ,  noch  der  vorliegende  in  diese  Blätter  Eingang 
gefunden  haben  würde.  Dass  man  statt  von  B  auszugehen,  um 
schliesslich  auf  P  zu  kommen,  ebenso  gut  den  umgekehrten  Weg 
einschlagen  kann,  ist  wohl  selbstverständlich. 

Aschaffenburg.  Dr.  Bielmayr. 


Homerisches  Allerlei. 

III.   Vom  Purpur. 

(Schluss.) 

4.   Ergebnisse  für  die  Geschichte  des  Purpurs. 

üeber  Alter  und  Ursprung  des  Purpurs  ist,  soweit  meine  Kennt- 
nisse reichen ,  noch  immer  die  einzige  Besprechung,  welche  wir  haben, 
die  durch  Movers  gegebene  in  Ersen  und  Gruber's  Encyklopädie  III. 
Sect,  24.  Th.  S.  367  —76  unter  d.  Art.:  „Phönizier,  Industrie".  Und 
diese  ist  in  ihrem  etymologisierenden  Teile  unsicher,  in  ihrer  Bezug- 
nahme auf  die  Griecben  wegen  Verwechselung  des  Quellen  -  Wortlautes 
zum  Teil  unrichtig.  Ursprung  und  Alter  des  Purpurs  sind  uns  also 
noch  immer  in  sagenhaftes  Dunkel  gehüllt.  Vor  des- Moses  Zeugnis  ist 
der  Purpur  bis  jetzt  niebt  nachweisbar;  von  Moses'  Zeit  an  ist  er  bei 
mehreren  Völkern  zu  finden  als  den  Babyloniern,  Madianiten,  Hebräern, 
Aegyptern.  Jünger  wieder  sind  die  Zeugnisse  für  Perser  und  Lyder, 
Etrusker  und  Römer,  wie  sie  Amati  1.1.  c.  LH  p.  65  Bqq.  zusammen- 
gestellt hat.  Scbliessen  wir  daran  die  Ergebnisse  unserer  obigen  Unter- 
suchungen an. 

Die  althomerischen  Griechen  kannten  (von  Mennig  abgesehen)  nur 
eine  objektive  rote  Farbe  einigermassen  und  bezeichneten  diese  als 
„Phönizisches" ,  folglich  erhielten  sie  dieselbe  oder  kannten  damit 
Gefärbtes  nur  durch  Vermittelung  des  phönizischen  Handels.  Es  war 
entweder  vor  dem  15.  Jahrhundert  vor  Chr.  in  einer  Zeit,  wo  von  den 
Phöniziern  noch  ausschliesslich  mit  Scharlach  und  rotem  Purpur  gefärbt 
wurde,  oder  es  war  sei  es  vor  sei  es  wahrscheinlicher  nach  dem  15.  Jahr- 
hundert unter  Verhältnissen,  da  nur  Scharlach  und  roter  Purpur  allein 
nach  Norden  exportiert  wurden. 

Im  15.  Jahrhundert  ist  nämlich  nachweislich  nicht  Mos  roter,  sondern 
auch  blauer  Purpur  phönizischer  Handelsartikel  gewesen.  Phönizischer 
Verkehr  mit  Aegypten  war  schon  während  der  18.  und  19.  Dynastie, 
also  jedenfalls  im  2.  Jahrtausend  v.  Chr.  im  Gange;  derselbe  bewegte 
sich  auf  dem  See-  und  auf  dem  Landwege,  hier  von  Gaza  nach  Memphis. 
(Movers,  Phöniz.  II,  2  S.  179  ff. ;  184).  Auch  war  im  15.  Jahrhundert 
v.  Chr.  schon  den  Hebräern  durch  ihr  Gesetz  der  Gebrauch  des  Purpurs  in 


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verschiedener  Verwendung  vorgeschrieben,  als  sie  noch  auf  der  Wanderung 
waren  (2  Mos.  25,  4;  26,  1  nnd  31;  28,  5  und  sonst)  und  zwar  schon 
zwei  Hauptsorten  :  der  rote  (argaman)  und  der  blaue  (th1  cheltt),  ebenso 
wie  der  Scharlach  {schaut),  dessen  Gebrauch  noch  weiter  zurttck  erkennbar 
ist  (1  Mos.  38,  28  und  30;  vgl.  Bochart  1.1.  II  p.  628;  Beckmann,  Bei- 
trage zur  Geschichte  der  Erfindungen  III  S.  35).  Aegypten  selbst  hat 
aber  keinen  Purpur  in  den  Handel  gebracht,  nicht  einmal  in  der  späteren 
Zeit,  also  noch  weniger  in  der  früheren;  denn  „mit  der  Industrie  der 
Aegypter  sind  auch  ihre  Ausfuhrartikel  stets  dieselben  geblieben" 
j  Movers  a.  0.  II,  3  S.  316  f.).  Die  Israeliten  konnten  also,  wie  sie  die 
feine  Leinwand  zu  den  Priesterkleidern  und  zum  Privatgebrauch  allezeit 
von  Aegypten  durch  den  Handel  bezogen,  so  im  15.  Jahrhundert  den  be- 
nötigten Purpur,  fertig  oder  als  gefärbte  Robwolle,  nur  durch  den  Handel, 
durch  phönizische  Kaufleute  (aber  Aegypten?)  bekommen  haben.  Denn 
auch  hier  erscheint  der  Rohstoff  schon  gefärbt,  ehe  er  von  den  Frauen 
gesponnen  und  von  Männern  gewebt  wurde  (2  Mos.  35  ,  25  und  35; 
Sprücbwört.  31,  19).  •)  „Und  jede  Frau  weisen  Sinnes  spann  mit  ihren 
Händen,  und  sie  brachten  als  Gespinst  die  purpurblaue  und  die  purpur- 
rote Wolle,  die  karmesinfarbige  Wolle  und  den  Byssus". 

Damit  haben  wir  festen  Boden  soweit  gewonnen,  dass  roter  und 
blauer  oder  sagen  wir  heller  und  dunkler  Purpur  schon  im  15.  Jahr- 
hundert v.  Chr.  im  phönizischen  Handel  vorkamen. 

Wohin  damit  gehandelt  wurde,  das  hieng  einfach  von  den  Tauseh- 
mitteln ab,  welche  die  Käufer  entgegen  zu  bieten  hatten.  Der  Purpur, 
der  echte,  war  teuer,  sehr  teuer.  Im  7.  Jahrhundert  singt  Alkman  (s.  oben 
S.  102)  von  demselben:  wer  solchen  besitze,  dem  sei  er  nicht  feil. 
Echter  Purpur  war  also  sehr  rar.  Noch  im  6.  Jahrhundert  stand  er  auf 
der  asiatischen  Seite  des  Archipels  (gemäss  Theopompos,  s.  oben  S.  106), 
im  5.  Jahrh.  auf  der  europäischen  Seite  (gemäss  Aischylos  s.  oben  S.  103) 
dem  Silber  an  Wert  gleich,  wurde  mit  Silber  aufgewogen.  Und  im 
letzteren  Falle  ist  wahrscheinlich  vom  roten  Purpur  die  Rede,  dessen 
Saft  allein  in  dem  nahen  „Meere"  am  Euripus  und  der  lakonischen 
Küste  sich  fand  (vgl.  Arist.  H.  A.  V  c.  13  [15]),  oder,  wollen  wir  ea 
selbst  allgemeiner  fassen,  so  doch  immer  von  einfacher  natürlicher 
Purpurfarbe.  Noch  teurer  (s.  Schmidt  a.  0.  S,  113  f.;  125)  musste  der 
von  der  Bibel  genannte  dunkle  Purpur  sein,  welchen  die  Interpreten 


*)  Wenn  Amäti  de  restit.  purp.  p.  64  diesen  Purpurvorrat  der 
Israeliten  auf  Aegypten  zurückführt,  so  ist  das  nur  mittelbar  denkbar. 
Seine  Berufung  auf  2  Mos.  12,  35  ist  ganz  gewiss  ungerechtfertigt.  Denn 
nach  2  Mos.  3,  22,  worauf  unter  andern  dankenswerten  Aufschlüssen  Herr 
Prof.  Schegg  mich  freundlichst  aufmerksam  gemacht  hat,  ist  dort  nur  an 
Gewänder,  nicht  an  Stoffe  oder  Zeuee  überhauDt  zu  denken. 


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durchweg  fflr  „glänzen dbl au  ,  wie  der  Himmel  and  das  Meer",  sohin 
für  violetten  oder  Hyakinthpurpur  nehmen.  Denn  solcher  existierte 
gar  nicht  als  Färbestoff,  sondern  nnr  als  Zeugfarbe  oder  als  Parparzeug 
(8.  Schmidt  a.  0.  8.  114  f.  and  126  f.),  weil  er  durch  eine  Mischung 
von  reifem  Schwarzpurpur  und  Buccin  (dem  [roten]  Saft  der  Trompeten- 
schnecke) hergestellt  wurde.  Wenn  und  weil  aber  das,  so  ist  auch  unter 
dem  „roten  Purpur"  der  Bibel  nicht  mehr  die  einfache  natürliche  Farbe, 
sondern  der  tyrische  Purpur  verstanden,  wie  auch  die  Erklärer  an- 
nehmen, und  dieser  war  ebenfalls  nur  ein  Präparat,  das  Produkt  einer 
doppelten  Färbung,  erstens  in  unreifem  Schwarzpurpur  und  zweitens  in 
Buccin.  Also  —  die  Phönizier  hatten  schon  im  15.  Jahrhundert  v.  Chr.  die 
zweite  Stufe  der  Purpurfärberei  erreicht;  sie  arbeiteten  mit  doppelter  Färb- 
ung oder  mit  Mischungen  und  erzeugten  dadurch  dauerhaftere  Farben,  womit 
die  Färbung  in  einfachem  natürlichen  Saft  von  selbst  bei  ihnen  aufhörte. 

Wir  dürfen  also,  glaube  ich,  folgendos  als  Thatsachen  annehmen. 
Am  frühesten  ist  bezeugt  die  Scharlachfarbe;  ihr  gleicht  zumeist  und 
musste  am  ehesten  das  Auge  bestechen  das  (für  sich  allein  nicht  halt- 
bare) Buccin  und  der  rote  Purpursaft.  Mit  diesen  Farben  überhaupt 
und  insbesondere  mit  der  roten  haben  die  Phönizier  bereits  längere  oder 
kürzere  Zeit  vor  dem  lö.  Jahrhundert  v.  Chr.  gefärbt.  Auch  W.  A.  Schmidt 
hält  an  dieser  unleugbaren  früheren  Verwendung  des  roten  Saftes  aus 
andern  Gesichtspunkten  fest.  „Zuerst",  sagt  er  S.  148  f.,  „wurde  offen- 
bar, was  auch  durch  die  bekannte  Tradition  vom  Hunde  sanetioniert 
ist,  der  rotfärbende  Saft  der  kleinen  Purpurschnecke  entdeckt  und 
angewendet;  deshalb  blieb  die  rötliche  Farbe,  weil  sie  die  ursprüng- 
liche und  auch  später  noch  vielfach  massgebend  war,  durch  alle  Zeiten 
hindurch  mit  der  Vorstellung  der  Purpurfarbe  wesentlich  verknüpft". 

Ueberlegen  wir  nun  die  Tauschmittel  der  damaligen  Völker  am 
östlichen  Mittelmeer.  Die  Hebräer  hatten  ein  Geldsystem  mit  Edel- 
metall, die  Aegypter  desgleichen  oder  doch  annähernd.  Die  Tausch- 
mittel der  Griechen  nennt  ans  Homer:  Eisen,  Erz,  Häute,  Rinder  und 
Sklaven.  Gegenstände  von  Edelmetall  und  zugewogene  Goldstückchen 
erwähnt  er  zum  Handelszweck,  jene  nur  vereinzelt,  diese  gar  nicht. 
Die  Folgerung  ist  daher,  wie  mir  scheint,  natürlich:  Der  echte  Purpur 
wurde  nur  gegen  Silber  d.  i.  Edelmetall  verkauft,  dessen  die  Phönizier 
zu  ihren  Metallarbeiten  dringend  bedurften,  ohne  es  im  eigenen  Lande 
zu  finden.  Die  althomerischen  Griechen  besassen  Edelmetall  nur  in 
geringer,  zum  Handel  ungenügender  Menge.  Darum  wurde  der  kost- 
bare echte  Purpur  bei  denselben  nicht  abgesetzt,  und  weil  der  Absatz 
den  Import  bedingt,  gar  nicht  zu  ihnen  eingeführt  und  verbracht.  Der 
billigere  Scharlach  war  es,  was  die  althomerischen  Griechen  von  den 
Phöniziern  eintauschten  und  „Phönizisches"  nannten,  wie  ja  auch  die 
Phönizier  selbst  kokkusfarbige  Tuniken  trugen  and  dadurch  besonders 


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auffielen  (s.  Movers,  Fhöniz.  II,  1  S.  3).   Dass  die  Griechen  diesen 
nachher  für  Purpnr  hielten,  zum  Purpur  rechneten,  habe  ich  oben 
nachgewiesen.    ,Wie   sie  dazu  kamen,  darüber  sei  eine  Vermutung 
mir  erlaubt.   Es  ist  diese:  Homer  selbst  bezeugt,  dass  die  lydischen 
und  karischen  Frauen  „phönizisch"  färbten,  ohne  dass  die  phöni- 
zischen  Händler  den  Griechen   einen  Namen  dieser  Farbe  gelehrt, 
oder  gar  über  das  Wesen  der  Farbe  ihn  aufgeklärt  hatten.  Bei 
Karien  aber,  dessen  Bewohner  frühzeitig  gewandte  Techniker  waren, 
hatte  man  Gelegenheit  mit  dem  echten  Purpur  bekannt  zu  werden, 
aber   mit   dem   roten;   dort  gab   es  die  kleinen  Purpurschnecken 
mit  rotem  Saft  (Arist.  H.  A.  II  c.  13  [15]).    Geschah  dies  wirklich, 
ehe  man  das  Wesen  des  Scharlachs  erkannt  hatte,  so  masste  man 
versucht  sein,  diese  Farbe,  welche  man  bislang  nur  als  Farbeer- 
scheinung gekannt,  und  jene  für  die  gleichen  zu  nehmen.   Ob  dies 
zur  Zeit  der  Ilias  schon  geschehen?   Mag  sein  bei  den  Karern;  denn 
die  Ausdrucks  weise  der  Ilias  (J  141)  verrät  deutlich  genng,  dasB  die- 
selben in  der  F&rbekunst  den  Joniern  voraus  waren,  diese  Kunst  aber 
ihrerseits  wieder  vor  den  Joniern  geheim  hielten,  wie  die  Phönizier 
gethan.    Hätten  die  Karer  den  Färbestoff  roh  von  den  Phöniziern 
bezogen,  so  wäre  er  den  Joniern  ebenso  zugänglich  gewesen.  Dazu 
schloss  die  Karische  Bevölkerung  phönizische  Elemente  in  sich.  (Vgl. 
Höck,  Kreta  II  S.  238.  Movers,  Phöniz.  II,  2  S.  264.  Schumann ,  griech. 
Alterth.  I»  S.  2,  2;  89).    Die  Griechen,  auch  die  Jonier,  scheinen 
damals  in  ihrer  Farbenkunde  entschieden  nicht  so  weit  gewesen  zu 
sein.  Denn  nicht  nur  gab  es  noch  keinen  concreten  griechischen  Namen 
für  Purpur,  sondern  so  viel  und  so  gerne  die  Ilias  und  Odyssee  Bilder 
und  Gleichnisse  vom  Fischfang  entlehnen,  keines  derselben  deutet  auf 
Kenntnis  oder  Kunde  vom  Fang  der  Purpurschnecke.   Aber  was  den 
höchsten  Grad  der  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat,  ist,  dass  die  alt- 
homerischen Griechen  durch  heimkehrende  Schiffer  oder  redselige  Händler 
oder  angesiedelte  und  auch  wol  in  die  Verwandtschaft  gezogene  Phö- 
nizier oder  Karer  erzählen  hörten,  wie  von  Bosen  und  Veilchen  als 
Wunderblumen  (s.  V.  Hehn,  a.  0.  S.  164),  so  von  Stoffen,  noch  prächtiger 
als  die  bei  ihnen  üblichen,  von  Wolle  mit  einer  Farbe  gleich  dem 
dunklen  Schiller  des  Meeres,  kostbar  über  alles.   Das  musste  eine 
doppelte  Wirkung  hervorbringen:  auf  den  jonischen  Dichter,  dass  er 
seinen  Helden  solche  dunkelschillernde  Prachtgew&nder  beilegte  und 
so  eine  neue  Wendung  des  Wortes  nog<pvQ6os  im  Sprachgebrauch  an* 
bahnte;  so  diente  noqtpvqeog  als  Quasi -Uebersetzung  von  W ekelet,  in 
soferne  dieses  „blau—",  jenes  „dunkel  wie  das  Meer44,  (das  Hebräische 
auch  „wie  der  Himmel14)  besagen.   Der  regsame,  prachtliebende  nnd 
gewinnsüchtige  jonische  Geist  aber  musste  sich,  wenn  vollends  noch 
etwa  eine  Andeutung  dazu  kam,  dass  jene  Farbe  aus  dem  Meere 


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160 


gewonnen  werde,  kräftig  gereizt  und  veranlasst  fahlen,  der  gerühmten 
Farbe  nachzuspüren.  Entdeckte  er  nun  —  und  entdecken  musste  er 
es  selbst,  weil  die  phönizischen  Kauffahrer,  noXvnalnaXoi  rpc5xz«<,  dncc- 
rnXta  el&oTes  wie  sie  waren,  die  Sache  selbst  gewiss  nicht  verraten 
haben,  —  entdeckte  er  nicht  nur  den  roten  Purpursaft,  welchen  er 
nach  dem  ersten  Kindruck  der  „phönizischen  Farbe"  verglich  und 
darum  ebenfalls  noch  „phönizisch"  nannte,  wie  ja  ganz  gut  zwar  nicht 
überliefert,  aber  denkbar  ist  zu  sagen  cpoivixoeoaa  xoyxit  ~  sondern 
auch  die  dunkle  Purp ursch necke  mit  schwarzem  Saft  bei  Sigeion  und 
Lekton  (vgl.  Aristot.  H.  A.  V.  c.  13  [15]),  wo  frühzeitig  eine  jonische 
Handelsstrassc,  wie  wir  im  I.  Artikel  gesehen,  vorbeiführte,  so  lag 
ihnen  doch  nichts  näher,  als  diese  die  „dunkelschillernde  oder  meer- 
dunkle" Schnecke  zu  nennen. 

Und  wirklich  lehrt  uns  der  homerische  Sprachgebrauch,  wie  wir 
ihn  beobachtet  haben,  dass  noQ<pvQsost  dessen  entsprechendes  Substantiv 
nicht  vorkommt,  im  Gründe  eine  allgemeine,  unbestimmte,  zwischen 
Schwarz  und  Rot  schwankende  Farbeerscheinung  bezeichnete,  dass  aber 
diese  auch  von  Wollenzengen,  wo  der  Dichter  Prachtstoffe:  Gewänder 
oder  Decken  schildert,  und  nicht  von  Rohwolle  ausgesagt  wurde, 
doch  ohne  irgend  einen  Anhalt,  ob  der  Dichter  eine  objektive  Farbe 
und  welche,  darunter  verstanden  habe.  Nur  die  jüngere  Odyssee 
scheint  zweimal  (gegenüber  achtmaliger  Verwendung  des  Simplex 
noQtpvQsoe)  eine  concretere  Beziehung  oder  Farbebestimmung  hervor- 
heben zu  wollen  durch  das  neu  gebildete  Wort  aXmoQyvQos ,  dessen 
(genau  genommen)  pleonastische  Composition  selbst  wieder  beweist, 
sowol  dass  daa  Wort  ein  jüngeres,  späteres,  als  auch  dass  das  Simplex 
ein  allgemeiner  Begriff  war.  Also  Purpurfarbe,  zumal  speziell  dunkler 
oder  blauer  Purpur  war  für  die  Griechen  zuerst  und  für  die  alt- 
homerischen Griechen  jedenfalls  nur  eine  ganz  unbestimmte,  wenn  ich 
so  sagen  darf,  märchenhafte  Vorstellung,  weshalb  wir  im  homerischen 
Geiste  noQfpvQBog  nicht  „purpurn",  sondern  „dunkelschillernd,  mit 
dunklem  Meeresachiller"  oder  dgl.  übersetzen  müssen.  Wäre  das 
nicht  so,  sondern  dunkler  Purpur  den  Griechen  sogleich  als  bestimmtes, 
concretes  Handelsobjekt  entgegengetreten,  so  wäre  in  einer  Zeit,  wo 
der  Handel  zwischen  Phöniziern  und  Griechen  schon  länger  im  Gang 
war  (und  nur  in  einer  solchen  war  der  Fall  möglich,  wie  wir  gesehen) 
eine  oder  die  semitische  Bezeichnung  dafür  in  Gebrauch  gekommen, 
wovon  wir  auch  keine  Spur  entdecken  können.  Aber  nehmen  wir 
selbst  einmal  an,  ohne  dies  freilich  einzuräumen,  dass  durch  das 
homerische  noQtfvQBog  bereits  mit  Bewusstsein  und  objektiv  das 
„Purpurene"  benannt  werde,  so  steht  doch  nach  allem  Obigen  das 
Resultat  unerschütterlich  fest,  dass  es  in  der  althomerischen  Zeit 
keine  griechische  Purpurarbeit  gegeben  hat.    Pierson  in 


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161 


seiner  schönen,  nur  etwas  kühnen  Abhandlung:  „Schifffahrt  und 
Handel  in  der  homerischen  Zeit",  welche  ich  erst  nach  Veröffentlichung 
meiner  früheren  Artikel  aus  dem  Neuen  Rheinischen  Museum  (1861) 
XVI.  Jahrgang,  S.  104  ff.  kenneu  lernte,  geht  darum  viel  zu  weit  mit 
seiner  Behauptung:  „die  Kunst  der  Purpurfärberei  sei  den  homerischen 
Griechen  bekannt,  wenn  gleich  natürlich  auch  hier  Eenntniss  und 
Uebung  ungleich  verteilt  gewesen";  und:  „gewiss  sei,  dass  sie  Purpur- 
arbeiten zum  Teil  einführten,  zum  Teil  selbst  machten". 

Aber  wann  denn  ging  jene  märchenhafte  Kuude  der  Griechen  in 
eine  sichere  Kenntnis  über?  Ja,  das  ist  eine  derjenigen  Fragen,  welche 
leichter  zu  stellen  als  zu  beantworten  sind.  Der  fragliche  Uebergang 
geschah  einfach  in  dem  Zeitraum,  aus  welchem  kein  Wässerlein  in  die 
späteren  Quellen  unserer  Geschichtskunde  hinüberrieselt  Gab  es  keine 
oder  sind  sie  versiegt,  gleichviel:  Wir  können  höchstens  von  dem 
Worte  ctXinoQtpvQoe  ausgehen  und  gewinnen  da  nicht  viel.  .  Das  Wort 
ist  gewiss  nicht  früher,  sondern  später  als  die  dorische  Wanderung, 
weil  nicht  älter  als  die  Odyssee.  Ja  es  ist  nach  Ausweis  der  Ver- 
gleichung  des  homerischen  Wortgebrauches  der  jüngsten  eines,  sohin 
aus  den  jüngsten  Stellen  des  Gedichtes,  vielleicht  aus  der  Zeit  von 
Ilias  K.  Es  steht  wenigstens  in  keiner  Rhapsodie,  in  welcher  auch 
noQfpvgeog  vorkäme,  sondern  nur  in  £  und  v.  Das  Wort  dürfte  also 
aus  dem  9.,  höchstens  10.  Jahrhundert  v.  Chr.  stammen.  —  Suchen  wir 
nun  auch  eine  Zeitgrenze  nach  der  anderen  Seite. 

In  Karien  trieb  man  nach  homerischem  Zeugnisse  frühzeitig 
Färberei,  eher  als  die  Griechen  hiezu  kamen.  Wir  haben  auch  als 
wahrscheinlich  annehmen  müssen,  dass  sie  den  Färbestoff  dazu  selbst 
gewannen ,  und  sie  konnten  an  ihrer  Küste  roten  Purpursaft  gewinnen. 
Von  Karien  aber  führt  eine  wichtige  Spur,  welche  ich  im  „Homerischen 
Handwerk"  nicht  hatte  übersehen  sollen,  nach  Argolis.  Aristoteles 
b.  Strabo  VIII  p.  374  hat  uns  die  Nachricht  bewahrt,  dass  Epidauros 
und  das  dryopische  Hcrraione  (Herod.  VIII,  73)  von  Karern  kolonisiert 
wurden  (xaraa^eiy  uvir]y  (Em'd'avQov)  Kaytte  wontQ  xai  'Eqptova),  zu 
welchen  in  Folge  der  dorischen  Wanderung  sich  Jonier  aus  Attika 
ansiedelten.  Waren  die  Karer  oder  ihre  Frauen  in  der  Heimat  geübte 
Färber,  wie  die  Ilias  sie  kennt,  so  blieben  sie  das  gewiss  an  dem 
purpurreichen  lakonisch- argolischen  Golf,  ja  sie  werden  kaum  eine 
andere  Veranlassung  zur  Kolonisierung  gehabt  haben.  Hermione  ist 
nachweisbar  und  bekanntermassen  eine  alte  Färberstadt,  deren  Fabrikat 
im  G.  Jahrhundert  v.  Chr.  sehr  gesucht  und  sehr  solid  und  prächtig 
war.  Indes  werden  auch  andere  Orte  dieser  Gegend  allmählich  die 
Naturgabe  ihres  Landes  ausgebeutet  und  der  Färberei  sich  zugewendet 
haben.  Der  phönizischen  Arbeit  im  alten  Korinth  nicht  zu  gedenken, 
wird  den  Trözeniern  ein  besonderer  Eifer  in  der  Benützung  des  Kokkus, 

Blittar  f.  d.  bayer.  Oymn.  -  u.  Real  -ßchulw.   XL  Jahrg.  H 


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162 


anbestimmt  in   welcher   Zeit,   zugeschrieben.     Eustathios  nämlich 
(ad  J,  141)  erläutert:    *o(vixa  de  Xiyei  ro  tpoifixovv  /^a>/i«  ro  ix  1 
xaonov  (faoi  ixqIvov,  o  /juXictu  noXv  Xiyoprai  avXXeyeiv  TgoiCnym. 
Ist  dies  Zeugnis  auch  schwach,  und  Eustathios  ohne  eigenes  Ver-  j 
ständnis,  darum  unsicher  über  die  Art  der  Farbe  (für  Homer  selbst  I 
ganz  wertlos),  so  darf  es  doch  nicht  ganz  ausser  Acht  gelassen  werden  1 
Denn  ein  Wink  von  Aristoteles  (Polit.  V,  2,  10)  mahnt  uns  an  Bezieh- 
ungen zwischen  Trözen  und  Sybaris.    TgoiCnytotg,  sagt  er,  'j^atoi  ew-  I 
tpxfjoay  IvßagiVy   (eha   nXelovt   ol    J/aioi   yevofievot    i^ißuXov    rovf  \\ 
TQotfyvfovg)    In  Sybaris  haben  wir  ganz  festen  Boden.   Der  Purpur-  | 
verbrauch  war  hier  gross.   Atbenaeus  (XII  p.  518,  e)  berichtet,  Ter-  1 
mutlich  nach  Timaios:    iSog  de  nag*  ttvroig  xui  rovs  naidag 
Tiii  Ttot>  i<pfjß(oy  tjXixiag  aXovgyidag  rfi  tpogelv  x.  t.  X.   Daher  (IvßaQitm) 
xal  tovs  rqy  nogtpvgay  tijV  daXarxlay  ßunxovxag  xai  rovg  eitrttyontf 
«reXete  inolnoay.   (Phylarch  b.  Ath.  XII  p.  521,  d)   Dieses  GeseU 
stammt  spätestens  aus  dem  6.  Jahrhundert,  worüber  der  Kürze  halber 
auf  Dunker  Gesch.  des  Altt.  IV.  B.  8. 548  f.  verwiesen  sei.  E.  Curtias  1 
(griech.  Gesch.  I  S.  239*)  setzt  die  Blüte  der  Stadt,  also  auch  das  hier 
einschlägige  Gesetz  sogar  schon  ins  7.  Jahrhundert    Die  Sybariten  11 
hatten  daher  in  dieser  Zeit  nicht  nur  zollfreie  Purpureinfuhr,  sondern  I 
auch  steuerfreie  einheimische  Färbereien,  welche  echten  Purpur  produ-  I 
zierten.   Die  ausdrückliche  und  gesetzliche  Unterscheidung  echten  und  1 
unechten  Purpurs  ist  der  evidenteste  Beweis  selbstständiger  griechischer 
Färberei.   Nun  war  aber  der  vorzüglichste  Handelsfreund  von  Sybaris 
—  Milet,  wie  Herodot  VI,  21  berichtet:  noXieq  yag  alrai  paHera  dj 
rdy  tjpeig  idpev  aXXijXpat  igeiytoStjoav  man  vgl.  auch  Timaios  b.  Atben. 
XII  p.  519,  b.  Milet,  dessen  Ruhm  in  der  Wollenmanufaktur  ohnehin 
bekannt  ist,  hatte  also  vermutlich  noch  früher,  jedenfalls  im  7.,  viel- 
leicht im  8.  Jahrhundert,  bei  sich  die  gleiche  Arbeit  der  Färberei.  Wir 
haben  wenigstens  keinen  Anhaltspunkt,  dass  diese  Arbeitssparte  in  Sybaris 
selbstständig  sich  sollte  entwickelt  haben  oder  gar  entstanden  sein. 
Pnrpurschneckcn  gab  es  im  tarentinischen  Meerbusen  (s.  Blümner,  die 
gewerbliche  Thätigkeit  S.123,  12).    Diese  zu  einem  blühenden  Gewerbs- 
zweig zu  benützen,  in  diesem  Bestreben,  das  gelungen  ist,  wird  nach  dem 
Obigen  das  Wirken  trözenischen  oder  milesischen  Einflusses  oder  auch 
die  beiden  nicht  zu  verkennen  sein.   Steigen  wir  aber  in  Milet  ans 
Land,  so  befinden  wir  uns  wieder  auf  karischem  Boden,  von  welchem 
wir  ausgiengen,  und  finden  uns  abermals  gemahnt,  dass  Karien  in  der 
Entwickelung  der  griechischen  Purpurarbeit  eine  Vermittlerrolle  und 
In  der  Geschichte   des  Purpurs    überhaupt  eine  wesentliche  Stelle 
eingeräumt  werden  müsse.    Und  die  vorhin  aus  dem  milesisch  -  sybari- 
tischen  Verkehr  schlussweise  angenommene  Purpurfärberei  Milets  hat 
nun  kaum  für  das  8.  Jahrhundert  etwas,  für  das  7.  aber  gar  nichts 
» 


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163 


in     Unwahrscheinliches  mehr.  Möglich  ist,  dass  nach  dem  oben  erwähnten 
Zeugnisse  Sappho's  (fr.  44)  auch  Phokaia  schon  im  7.  Jahrhundert 
Purpur  färbte.   Und  unbedenklich  ist  nun  zu  behaupten,  dass  die 
«fr    Purpurstoffe,  welche  in  Ezechiels  Zeit  von  Elisa's  Inseln  d.  i.  aus  den 
.-:  r    westlichen  griechischen  Gegenden  auf  den  Markt  von  Tyrus  kamen 
r      und  nach  dem  Zeugnis  des  Propheten  (27.  7)  damals  die  besten  waren, 
/a|   karisch  -  hellenische    oder    noch    wahrscheinlicher   ganz  hellenische 
u>\   Arbeit  waren.   Ei  ne  bedeutende  Lacke  in  dieser  Darstellung  entgeht 
ftj   mir  selbst  nicht;  das  purpurreiche  Kytbera,  die  alte  phönizische  Nieder- 
lassung, hat  darin  keinen  Platz  gefunden;   ich  sehe  bis  jetzt  kein 
e;,    Mittel,  ihm  seine  gebührende  Stellung  in  dem  obigen  Rahmen  anzu- 
weisen.  Wenn  Movers  (Encyklopädie  a.  0.  S.  374)  gerade  von  Kytbera 
die  Übrigen  Purpurfärbereien  des  Peloponneses  ausgehen  lässt,  so  muss 
ich  gestehen,  nicht  zu  wissen,  auf  Grund  welcher  Nachrichten  er 
dieses  thut. 

Sehen  wir  von  diesem  noch  dunkeln  Punkte  ab,  so  werden  wir 
jetxt   die  Anfänge  selbstständiger  griechischer  Purpurfärberei 
in  der  Zeit  des  9.  oder  8.  Jahrhunderts  v.  Chr.  zu  suchen  haben,  somit 
auch  dies  in  der  Zeit,  in  welcher  das  phönizische  üebergewicht  auf 
dem  ägäischen  Meere  durch  die  Griechen  gebrochen  und  verdrängt 
wurde,  was  meine  ganze  Hypothese  gewiss  nur  zu  stützen  geeignet  ist. 
Die  Annahme    des  Beginnes   einer  griechischen   Purpurindustrie  in 
damaliger  Zeit   steht  nicht  in  Widerspruch   mit   meinen  früheren 
Bemerkungen  über  den  enormen  Preis  des  Purpurs  und  die  relative 
Armut  der  Griechen.    Denn  das  Absatzgebiet  für  die  griechische  Pur- 
purarbeit war,  wie  für  die  phönizische,  frühzeitig  ein  überseeisches 
überhaupt  und  nach  dem  reichen  Syrien  und  den  Euphratländern  insbe- 
sondere; das  ist  aus  den  Quellen  bemerklich.    Die  Griechen  werden, 
so  lange  ihre  Mittel  nicht  weiter  reichten,  mit  Stoffen  sich  begnügt 
haben,  welche  nur  zum  Teil  purpuren  waren,  sei  es  gestreift  oder 
purpurumsäumt.    Solche  Stoffe  blieben  nicht  nur  in  allen  Zeiten  neben 
den  anderen  im  Gebrauch  (vgl.  z.B.  Klearchos  b.  Athen.  VI  p.  255,  e: 
nQt)9xe<pak€<ta  (f'f^e  rgia  u'n-  —  ßvaoiva  naguXovQyij  von  einem  vor- 
nehmen Ruhebette,  und  XII  p.  521,  b:  iadrirag  lOQCfvgüg  fyot/ff«?  naQvyas, 
welche  den  syrakusischen  Frauen  ausser  den  Hetären  verboten  waren). 
Vielmehr  wenn  Xenophanes  b.  Athen.  XII  p.  526,  b  von  den  Colo- 
pboniern,  da  sie  die  Ueppigkeit  der  Lyder  angenommen  hatten,  her- 
vorhebt: fieoay  eis  ayo^v  :iayaXovQyea  tpaqs*  t/wrec,  SO  drückt  sich, 
seine  Verwunderung  in  dem  navuXovQyta  aus  und  lehrt,  dass  im 
6.  Jahrhundert  v.  Chr.  ganz  purpurene  Kleider  etwas  Ausserordentliches, 
ja   ein  Zeichen  der  Ueppigkeit,  also  nur  purpurverbrämte  Gewände 
verhältnismässig  üblich  oder  herkömmlich  waren. 

Ii* 


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1G4 


Nachdem  wir  das  Alter  der  griechischen  Purpnrfärberei  annähernd 
bestimmen  konnten,  sei  im  Anhang  noch  zweier  Farben  gedacht,  mit 
welchen  am  Schluss  der  homerischen  Zeit  gearbeitet  wurde,  ohne  dass 
wir  wissen,  seit  wann.  Das  eine  ist  der  Thapsus.  Wenn  Sappho 
(frg.  167)  diese  Pflanze  kurzweg  als  Zxv9tx6v  £vXov  erwähnt,  so  setzt 
.  dies  voraus,  dass  sie  nach  Griechenland  eingeführt  wurde,  ehe  eine 
Bolche  metonymische  Bezeichnung  aufkommen  konnte,  Photius  erklärt 
aber  Sat/zo?,  £vXov  ^  lavSt'Cot'fft  r«  egtu  xai  rdg  rgi%(ts. 

Sicherer  steht  die  andere  Farbe.  Wie  Alkman  (frg.  85)  die 
Musen  als  xgoxonsnXoi  begrüsst,  so  trugen  wirklich  die  sy baritisch tm 
Ritter  im  6.  Jahrhundert  Safrangewande  (Tim.  frg.  60  b.  Athen. 
XII  p.  519,  b).  Dass  diese  beliebt  wurden,  deutet  Aischylos  an, 
welcher  dreimal  (Pers  660,  Ag.  239  und  1002)  die  xgoxov  ßayug  benützt. 

Würzburg.  A.  Riedenauer. 


Severus,  serenus  und  sefmo. 

Im  „literarischen  Centraiblatt"  ist  mein  Lexicon  besprochen.  Der 
Recensent  schliesst  mit  einer  warmen  Empfehlung  des  Buches,  wofür 
ich  meinen  Dank  ausspreche.  In  demselben  sind  aus  meinem  Buche 
als  zweifelhafte  Etymologien  aufgeführt: 

1)  Das  Severus,  das  ich  in  se-  und  verus,  a,  um  auflöste.  Dass 
aber  die  Herren  Recensenten  gar  so  kurz  abfertigen  1  Wie  dankbar 
wäre  ihnen  die  gelehrte  Welt  nur  für  einen  Wink,  der  auf  die  rechte 
Spur  führte!  Was  mich  anlangt,  so  kann  ich  für  meine  Zerlegung  des 
Wortes  Severus  in  se- verus  mich  auf  sepelio  berufen,  das  wenigstens 
Grimm  (Wort. -B.  S.  1253)  auch  in  se-pelio  zerlegen  zu  dürfen  glaubt 
und  dabei  an  so-luo  i.  e.  soho,  so-lutus  f.  se-lutus  erinnert.  Ueber 
das  präfixe  se-  (aus  se-)  habe  ich  in  meinem  Artikel  sepulcrum 
(Gymn.-Bl.  1868  von  S.  297  —  305),  ausführlich  gesprochen.  Benfey 
freilich  (Kuhn,  Zt. -Sehr.  8,  89),  theilt  in  sev-erus,  gibt  aber  über 
dieses  „sevlt  nicht  die  leiseste  Andeutung.  Walter  (Zt-Schr.  XI S.  429) 
stellt  8ev-eruß  zu  oiß-optu  aus  segv-erus  =z  gescheut,  gefürchtet. 
Ich  gehe  gerne  auf  diese  Deutung  ein,  nur  ziehe  ich  segv  -  =  aeß- 
ofxai  zu  skr.  sag-  —  hängen,  sich  anheften,  hängen  bleiben,  woher 
segverus  =  skr.  sakta,  vjäsakta  r=  addictus,  occupatus,  also  auch 
Severus,  eigentlich  festhängend  an . .,  zäh,  perseverans,  gravis  bedeutet. 

Ueber  ß  aus  g  wie  sag  =  oeß-  ist  zu  vergleichen  Z-geßog-  — 
skr.  rag'as  (goth.  riqis);  ferveo,  aus  fergveo  —  skr.  bhrdg-. 
Weiteres  steht  über  dieses  g  =  gv  v  in  meinem  Artikel  „vivo", 


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165 


(Gymn.-Bl.  1867  S.  71).  Vorläufig  kann  ich  mich  nicht  der  Ansicht 
anschliessen ,  nach  der  ot->>uin  zu  skr.  stv-  —  colere ,  Honorare 
gezogen  wird,  selbst  wenn  diess  Bopp  in  seinem  Glossar  S.  382  thut 
nnd  Hintner  („Kl.  W.  B "  S.  212)  beistimmt.  Christ  („griechische 
Lautlehre"  S.  46)  spricht  entscheidend:  In  otßouai  steht  e  nicht  zu  skr.  c, 
denn  siv-  ist  selbst  eine  spätere  Entartung  des  ursprünglichen  sap-, 

2)  Serenus  und  sermo  habe  ich  als  verwandt  bezeichnet 
Fick  thut  das  nicht.  S.  f>03  scheidet  er  1.  zwischen  sver  —  serere, 
woher  sermo  und  2.  sver  =  leuchten,  wohin  serenus  gestellt  wird. 
Curtius  (S.  485)  stellt  natürlich  serenus  auch  zu  svar-  der  Himmel  .  . 
Mit  svar  wird  nun  aber  anderswo  unser  Wort  sermo  zusammen- 
gehalten. So  z.  B.  sagt  Leo  Meyer:  Sermo  das  Gespräch  gehört  zu 
svar-  (s.  Zt  -  Sehr.  6,  152).  Und  Bopp  in  seiner  „Vergl.  Gramm.*' 
§  901  S.  350  spricht  sich  wörtlich  so  aus:  Auf  svar  stützt  sich  das 
lateinische  $61,  aus  suol  f.  sudr;  dann  ceCQ,  aus  svez,  ZaQijv, 
welches  zum  lateinischen  sermo,  zur  Wurzel  svar  —  tönen  gehört, 
wovon  das  vedisebe  siirja,  die  Rede  als  gesprochene  oder  zu  sprechende 
stammt.  —  Ferners  Benfey  (Wurzel -Lex.  II  S.  7)  sagt  so:  Sermo 
steht  für  svermo  und  gehört  zur  skr.  svri,  svar  tönen.  Benfey  ver- 
weist auf  p.  460,  wo  daff  mit  sermo  verwandte  „svarana"  =  serenus 
aufgeführt  ist.   Ich  stehe  also  mit  meiner  Etymologie  nicht  allein. 

Diese  paar  Gegenbemerkungen  mögen  genügen,  um  darzuthun,  dass 
der  vieljäbrige  Mitarbeiter  dieser  „Blätter"  sich's  so  ziemlich  bewusst 
ist,  was  er  niederschreibt,  will  aber  damit  nicht  gesagt  haben,  dass 
er  die  Gegenbemerkungen  des  Herrn  Kecensenten  nicht  dankbar 
anerkennt. 

Zohetmay  r. 


Vorschlag  zur  präciseren  Fassung  der  Regeln  Uber  das  Wesen 
uud  den  Gebrauch  des  französischen  Subjonctif. 

In  seiner  correspondance  generale,  I.  lettre  134  sagt  Voltaire:  „Si 
tnon  ouvrage  nyest  pas  aussi  clair  qü'une  fable  de  la  Fontaine,  il  faut 
le  jeter  au  feu".  —  Diesen  Ausspruch  scheinen  entweder  manche 
Grammatiker  nicht  zu  kennen,  oder  wenn  sie  ihn  kennen,  so  beherzigen 
sie  ihn  nicht  genügend.  Auch  würde  die  Anzahl  der  neu- sprachlichen 
Lehrbücher  wahrlich  nicht  so  gross  sein,  wenn  sich  diese  Herren  den 


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166 


Dichter  Francois  Malberbe  zum  Vorbilde  nehmen  würden,  der  während 
der  11  fruchtbarsten  Jahre  seines  poetischen  Wirkens,  wie  uns  Demogeot 
berichtet,  drei  und  dreissig  Verse  im  Durchschnitte  per  annum  machte. 
Schliesslich  wäre  der  Horaz'scbe  Ausspruch  „nonumque  prematur  in 
annum"  auch  anzuempfehlen.  — 

Wie  gross  aber  die  Anzahl  der  stets  neu  erscheinenden  Lehr- 
bücher auf  dem  neu -sprachlichen  Gebiete  ist,  wissen  wir  Alle  recht 
gut;  eben  so  gut  wissen  wir  auch,  dass  gar  manchem  dieser  Produkte 
die  Ehre  nicht  zu  Theil  wird,  eine  zweite  Auflage  zu  erleben:  theils 
ist  das  Produkt  dieser  Ehre  nicht  würdig,  theils  ist  es  für  Manchen 
etwas  unbequem,  sich  von  dem  alten  Schlendrian,  der  süssen  Gewohn- 
heit, der  er  Jahre  lang  gefröhnt  bat ,  loszureissen,  oder  —  man  hat  in 
der  That  ein  gutes  Buch  eingeführt  und  will,  da  kein  triftiger  Grund 
vorhanden  ist,  nicht  wechseln.  So  kommt  es  dann  auch  zuweilen, 
dass  das  neue  und  gediegenere  Produkt  dasselbe  Schicksal  erlebt,  wie 
sein  mittelmässiger  Verwandter,  oder  es  findet  seine  Anerkennung 
erst  nach  Jahren. 

1867  schreibt  schon  Dr.  Gaspey,  der  Verfasser  der  englischen 
Konversations  -Grammatik,  die  in  ihrer  Art  und  für  |ewisse  Zwecke  gar 
kein  übles  Buch  ist,  das  auch  viele  Auflagen  erlebt  bat,  folgende  wahren 
und  desshalb  von  mir  angeführten  Worte:  „Feto  persona  are  awarc  of 
the  rast  number  of  English  Grammars  that  make  their  appearance  in 
Girmany  (French  ones  as  well!).  Although  some  dozens  already  exist, 
or  rather  do  not  exist,  having  been  for  the  most  part  consigntd  to 
oblivion,  dozens  of  „New  Theoretieal  -  Practical  Grammars"  incessantly 
issue  from  the  press  to  suppig  the  places  of  those  which  have  fallen, 
the  majority  being  doomed  to  the  same  fate  as  their  predecessors ,  or, 
at  best,  confined  to  some  very  limited  circle,  wearivg  out  existente  in 
obscurity,  and  rardy  venturing  beyond  the  First  Edition.  They  „come 
like  shadoics,  so  depart". 

Nun  sollte  man  doch  eigentlich  glauben,  dass  die  Verfasser  der- 
jenigen Lehrbücher,  die  man  zu  den  gediegeneren  zählen  kann,  sich 
Mühe  geben  würden,  alles  das  zu  streichen  und  alles  das  zu  ver- 
bessern, was  eine  Verbesserung  erheischt.  Aber  nein!  das  geschieht 
auch  nur  in  wenig  Fällen.  Zwar  werden  in  der  Vorrede  die  Herren 
Kollegen  gebeten,  Meinungen  und  Ansichten  über  Aenderungen  mitzu- 
theilen,  die  jedoch,  wie  so  manches  Andere,  ad  acta  gelegt  werden. 

Und  nun  zum  Subjonctif! 

Vor  allen  Dingen  muss  ich  meine  Herren  Fachgenossen  bitten, 
nicht  zu  erschrecken,  wenn  ich  Ihnen  sage,  dass  ich  27  verschiedene 
französischen  Grammatiken  um  mich  liegen  habe.  Dass  starke  Nerven 
dazu  gehören,  um  sich  behaglich  in  der  Gesellschaft  dieser  Weisheits- 
quellen zu  fühlen,  brauche  ich  kaum  zu  erwähnen. 


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167 


Der  Reigen  werde  nun  mit  Plötz,  Schulgrammatik  eröffnet,  da  ich 
wol  annehmen  darf,  dass  sie  an  vielen  unserer  Anstalten  eingeführt  ist. 

Lection  50. 

„Der  Subjonctif  ist  der  Modus  der  Ungewissheit  (incertitude). 
Nach  que  dass  haben  den  Subjonctif  im  abhängigen  Satze: 

A.  Die  Verben  des  W  o  1 1  e  n  s  (verbes  exprimant  la  volonte). 

B.  Die  Verben  des  Sagens  und  Denkens,  wenn  sie  ver- 
neinend oder  fragend  gebraucht  werden  {verbes  exprimant  la  parole 
ou  la  pensee,  quand  ils  sont  employes  nigativement  ou  interro- 
gativetnent). 

C.  Die   Verben   der   Gemüthsbewegung   (Verbes  exprimant  un 
mouvement  de  Vätne). 

D.  Die  unpersönlichen  Verben  (Verbes  impersonnels),  die  nicht 
eine  Gewissheit  oder  eine  Wahrscheinlichkeit  ausdrücken  (gut 
n'expriment  pas  une  certitude  ou  une  vraisemblance)u. 

Folgen  dann  die  Verben  und  verschiedenen  Redensarten.  —  In 
seiner  Syntax  ist  der  Conjunctiv  der  Modus  der  Möglichkeit. 

Ilirzel  drückt  sich  ähnlich  über  die  Ungewissheit  und  Möglich- 
keit des  Subjonctif  aus. 

Bettinger:  Ungewissheit. 

Otto:  Das  Mögliche,  das  Ungewisse.  Die  mangelnde  Wirklichkeit 
kann  sich  aber  sowol  auf  etwas  Seiendes,  d.  h.  auf  Handlungen 
und  Ereignisse,  als  auch  auf  etwas  Inneres,  d.  h.  auf  blosse 
Vorstellungen  und  Empfindungen  beziehen. 

Zandt:  Der  Subjonctif,  die  Aussage  der  Möglichkeit,  der 
Ungewissheit  oder  des  Wunsches,  d.  b.  die  Aussageform,  welche  ein 
Ereigniss  als  möglich,  als  zweifelhaft  oder  als  wünschenswert  angibt. 

NoßletChapsal:   Le  subjonctif  prisente  Vaffirmation  d'une 
maniere  subordonnee  et  dipendante.  i 

Borel  gibt  keine  Definition;  er  hat  jedoch  das  Verdienst  über 
den  Indicatif  zu  sagen:  Nous  employons  Vindicatif  avec  que,  et  non, 
comme  en  allemand  le  subjonctif,  apris  tous  les  verbes  gui  indiquent 
un  acte  de  la  pensie  ou  Vexpression  de  la  parole,  comme  croire, 
penser,  etc.   Die  weitere  Ausführung  breit,  aber  gut. 

Booch-Arkossy:  Der  Subjonctif,  die  unbestimmte  Art,  stellt 
eine  Handlung,  ein  Thun  oder  Lassen,  ein  Geschehenwerden  als 
möglich,  wahrscheinlich,  aber  noch  nicht  entschieden,  also 
zweifelhaft,  dann  aber  auch  als  wünschenswert  dar. 

Ahn:  Das  blos  Gedachte,  Mögliche,  Wünschenswerte. 

Boltz  definirt  nicht 


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1G8 


Mehrwald:  Wenn  etwas  nicht  als  wirklich,  sondern  nur  als 
möglich  oder  als  blosse  Vorstellung  oder  als  Wunsch 
ausgedrückt  wird. 

Eisenmann:  Daa  Mögliche,  das  nicht  wirklich  Gedachte. 
(Beim  Indicatif  ähnlich  wie  Borel.) 

Magnin  und  Dillmann:  Nicht  wirkliche,  sondern  mög- 
liche oder  ungewisse  Aussage. 

Hölder:  Der  Conjunktiv  ist  der  Modus  der  Nichtwirklich.  - 
keit.   Weitere  Aasführung  sehr  reichhaltig  und  vorzüglich. 

B.  Schmitz:  Der  Modus  des  Denkens,  durch  welchen  der  Inhalt 
der  Aussage  vom  selbstbewussten  Denken  abhängig  gemacht  oder  mit 
ihm  „verbunden"  wird. 

A.  Benecke:  Der  Conjunctiv  gibt  eine  Aussage  als  Vorstell  - 
ung  oder  Annahme,  so  dass  der  Redende  das  Ausgesagte  nicht 
zugleich  für  wirklich  erklärt. 

Girault-Duvivier:  Le  subjonetif  exprimc  Vaffirmation  d'une 
moniere  subordonnee  et  comme  dependante  cTun  autre  verbe,  auquel  le 
verbe  au  subjonetif  est  toujours  lie  par  le  moyen  d'une  conjonetion. 

Voilä  pourquoi  le  subjonetif  exprime  toujours  guelque  ctose 
d'ineertain. 

Und  nun  zu  unsern  Altmeistern  1 

Staedler:  Dem  Indicativ  gegenüber  bezeichnet  der  Conjunctiv 
nicht  die  Wirklichkeit  der  Handlung,  sondern  das  Gegentheil  davon. 
Dies  Gegenteil  der  Wirklichkeit  pflegt  schlechthin  mit  dem  Worte 
Möglichkeit  bezeichnet  zu  werden.  Man  hüte  sich  aber  vor  dem 
sehr  gewöhnlichen  Missverständnisse,  als  ob  eine  mögliche  Handlung  eben 
desshalb  notwendig  eine  nicht  wirkliche  sein  müsste;  vielmehr  kann 
sie  gerade  darum,  weil  sie  eine  mögliche  ist,  gar  wol  eben  so  sehr 
auch  eine  wirkliche  sein.  Wenn  wir  eine  Handlung  eine  wirkliche 
nennen,  so  meinen  wir  damit,  dass  sie  der  äusserlichen ,  uns  um- 
gebenden Welt,  dass  sie  dem  Boden  des  demonstrativen,  indi- 
cativ en  Daseins  angehöre.  Das  Gegenteil  davon  ist  eine  Handlung» 
welche  sich  in  uns,  in  unserer  inneren  Anschauung  und  als  Inhalt 
unsers  Bewusstseins  verhält.  Der  Indicativ  weist  demnach  die 
Handlung  als  eine  seiende  auf,  der  Conjunctiv  dagegen  gibt  sie  als 
eine  gewusste,  als  eine  reflectirte  zurück. 

Und  in  einer  Anmerkung:  Der  Indicativ  verhält  sich  zu  dem  Con- 
junctiv wie  ein  mit  dem  Artikel  gesetztes  Substantiv  zu  einem 
ohne  Artikel  gesetzten". 

Dietz:  Der  Conjunctiv,  die  Modusform  der  Möglichkeit. 


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169 


Endlich  Mätzner  als  Urquell;  ich  werde  nur  das  von  ihm  in 
seiner  französischen  Grammatik  Gesagte  anführen: 

„Der  Konjunktiv  gibt  der  Aussage  die  Form  der  reflektirten 
Vorstellung;  der  Redende  spricht  den  Inhalt  der  Vorstellung  nicht 
unmittelbar  als  solchen,  sondern  mit  dem  Bewusstsein  der  Unter- 
scheidung seiner  Vorstellung  von  dem  Gehalte  derselben  aus.  Der 
Gehalt  der  Vorstellung  wird  als  Gegenstand  der  Betrachtung  dar- 
gestellt. Insofern  der  Redende  den  Inhalt  zum  Gegenstand  der  Reflexion 
herabsetzt,  tritt  er  aus  der  Gewährleistung  derselben  zurück,  aber  er 
spricht  ihn  darum  weder  als  etwas  blos  Mögliches,  oder 
Ungewisses,  noch  als  etwas  Unwirkliches  aus,  wenngleich  das 
Unwirkliche,  insoferne  es  vom  Redenden  vorgestellt  wird,  leicht  (wenn 
auch  nicht  notwendig)  die  Form  des  Konjunktivs  erhält.  Der  zum 
Gegenstand  der  Reflexion  gewordene  Inhalt  kann  ebenso  in  der 
Seele  des  Redenden,  als  durch  die  Vorstellung  eines  dritten  entstehen. 
II  tne  semble  que  ce  aoit  wie  crise  (Mme.  de  Sevigni).  Perfectum 
officium  rectum,  opinor,  vocemus  (Cic.  Off.  1,  3.  8.).  On  pensait,  ä 
Vitre,  que  ce  fussent  des  Bohemes  (Mme.  de  Sivigni)-  Mi  ...  . 
quaerebant,  per  quem  quisque  eorum  aditum  commendationis  habere* 
ad  Caesarem  (B.  C.  I.  74),  oder  der  Inhalt  kann  durch  die  Natur  der 
Sache  gesetzt  erscheinen:  IShomme  est  le  seul  animal  qui  sache  quHl 
doit  mourir  (B.  de  St.  Pierre).  Medio  montium  et  palludum  porrige- 
batur  planities,  quae  tenuem  aciem  pateretur  (Tac.  A.  1,  6,  4).  Der 
Träger  des  Konjunktivs  jedoch  ist  stets  der  Redende,  welcher 
dadurch  dem  Inhalte  das  Gepräge  bewusster  Reflexion  aufdrückt". 

Hätte  ich  von  vornherein  behauptet,  dass  der  Subjonctif  weder 
etwas  Mögliches,  noch  etwas  Ungewisses,  noch  etwas 
Unwirkliches  ausdrücke,  wie  es  zuerst  meine  Absicht  war,  so 
würde  man  sich  ob  dieser  Kühnheit  sehr  gewundert,  wol  gar  entsetzt 
haben.  Schiebe  icb  aber  unsern  Grammatiker  -  König  Mätzner  vor  mit 
seinem  mächtigen  Geschütz,  das  ich  mit  dem  grössten,  welches  je  aus 
der  Krupp'schen  Fabrik  hervorging,  vergleiche,  und  komme  ich  dann, 
etwa  mit  einem  12Ffündner  nachgerückt,  so  wird  man  vor  den  Alles 
niederschmetternden  Kanonen  Mätzner's  respektvoll  den  Hut  abziehen, 
von  meinem  12Pfündner  vielleicht  denken,  dass  er  neben  das  Ziel  schiesse. 

Damit  dies  jedoch  nicht  geschehe,  werde  ich  suchen  gut  abzukommen. 

Dass  in  das  Wesen  des  Subjonctif  ohne  eingehende  Erklärung  des 
Indicatif  nicht  eingedrungen  werden  kann,  liegt  sehr  nahe;  ich  werde 
desshalb,  wo  der  Vergleich  der  Deutlichkeit  förderlich  ist,  beide 
nebeneinander  bringen. 

Der  Subjonctif  oder  die  abhängige  Redeweise  im  eigentlichen 
Sinne  setzt  das  tiefere  Nachdenken,   das  reiflichere 


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170 


Ueberlegcn,  die  eingehendere  Erwägung  derjenigen  Aussage, 
welche  in  dieser  Redeweise  enthalten  ist,  voraus,  während  durch  den 
Indicatif,  wenn  er  als  abhängige  Redeweise  im  Substantivsatze  ange- 
wendet wird,  einfach  nur  eine  Bemerkung,  eine  Beobachtung,  eine 
Anzeige  ausgedrückt  wird. 

Die  Bemerkung,  Beobachtung  oder  Anzeige,  die  ich  durch  den 
Indicatif  im  Nebensatze  ausdrücke,  kann  sowol  von  mir  selbst  her- 
rühren, als  auch  von  einem  Andern:  geht  sie  von  einem  Andern  aus, 
so  wiederhole  ich  dann  ganz  einfach  nur  oder  führe  das  an,  was  der 
Andere  ausgesagt  hat  (Indirekte  Rede).  Ich  frage  nicht  weiter  dar- 
nach, ob  seine  Aussage  wahr  oder  unwahr  ist,  ob  sie  richtig  oder 
falsch  ist  Auch  verbürge  ich  die  Richtigkeit  meiner  eigenen  Aussage 
nicht,  eben  so  wenig  die  eines  Andern.  Wenn  ich  sage:  ich  glaube, 
dass  er  ein  ehrlicher  Mann  ist ,  je  crois  qu'il  est  honnete  komme,  oder  : 
mein  Freund  sagte  mir,  er  glaube,  dass  sein  Nachbar  ein  ehrlicher 
Mann  sei,  mon  ami  me  disait  qu'il  croyait  que  son  voisin  etait 
honnete  komme,  verbürge  ich  nicht  die  Richtigkeit  der  einen  oder  der 
andern  Aussage,  leiste  ich  weder  Gewähr  für  die  Wahrheit  meiner 
eigenen  Aussage,  noch  viel  weniger  aber  für  die  meines  Freundes. 

Der  Subjonctif  ist  nur  abhängige  Redeweise,  d.  h.  er  kommt  nur 
in  untergeordneten  Sätzen  vor;  in  Heischesätzen  (Befehlssätzen),  in 
welchen  er,  dem  Anscheine  nach,  von  keinem  andern  überge- 
ordneten Satze  abhängt,  hegt  der  Sprechende  stillschweigend 
einen  Wunsch,  verleiht  diesem  Wunsche  jedoch  durch  Worte  keinen 
Ausdruck.  —  Es  lebe  der  König,  vive  le  roi!  =  je  desire,  je  souhaite 
que  le  roi  vive  (longtemps,  heureux,  etc.).  Plut  au  ciel  —  je  voudraia 
qu'il  pliU  au  ciel.  Die  Formel  ,Jc  ne  sacke  pas"  hängt  wol  auch  von 
einem  unausgesprochenen  Vordersätze  ab. 

Anders  dagegen  ist  das  Yerhältniss  des  Indicatif  im  Hauptsatze: 
Der  Sprechende  verbürgt  in  demselben  seine  Aussage  durch  den 
Indicatif.   Je  pense,  donc  je  suis.   Dieu  est  hon. 

Ob  die  Aufstellung,  die  Behauptung  für  einen  Andern  stichhaltig 
ist,  ist  ganz  gleichgültig:  ob  sie  wahr  ist  als  solche,  darauf  kommt  es 
gar  nicht  an,  da  Jeder  für  seine  Behauptung  eintritt,  sollte  er  sogar 
von  dem  Gegenteil  dessen  überzeugt  sein,  was  er  behauptet :  Je  le  vois 
bien,  mais  je  ne  le  crois  pas.  — 

Die  Bürgschaft  oder  Gewähr  der  aufgestellten  Behauptung  wird 
im  Hauptsatze  freilich  abgeschwächt,  wenn  diese  Behauptung  in  einem, 
gewisserraassen  abgekürzten  Nebensatze  enthalten  ist:  ich 
halte  ihn  für  einen  ehrlichen  Mann,  je  le  crois  honnete  komme  =  je  le 
crois  etre  honnete  komme  =z  qu'il  est  honnete  komme. 

Nachdem  nun  aufgestellt  worden  ist,  dass  der  Subjonctif  der 
Modus  der  Reflexion  par  exctllence  ist,  wirft  sich  die  weitere 


171 


Frage  auf,  nach  welchen  Wendungen  und  Redensarten  der  Subjonctif 
auf  ganz  natürliche  Weise  eintreten  muss.  Der  Schüler,  welcher  nur 
einigermas8en  im  Stande  ist,  zu  denken,  wird  leicht  darauf  kommen; 
jedoch  wird  auch  der  weniger  begabte  Schüler  ohne  grosse  Schwierig- 
keit  darauf  bingeleitet  werden  können.  Aus  diesem  Grunde  werde 
ich ,  im  Gegensatze  zu  den  meisten  Grammatikern ,  mit  den  Verben 
und  Redensarten  beginnen,  die  eine  Möglichkeit,  einen  Zweifel,  eine 
Ungewissbeit  ausdrücken.  Denn  sobald  ich  mich  im  Zweifel,  in  einer 
Ungewis8heit  befinde,  sobald  ich  mich  nicht  leicht  entschliessen  kann, 
eine  Behauptung  einfach  nur  hinzuwerfen,  bin  ich  notgedrungen  zum 
tieferen  Nachdenken,  zum  reiflicheren  Ueberlegen,  zur  ein- 
gehenderen Erwägung  über  das  Objekt  meiner  Aussage  gezwungen. 
Wenn  ich  sage,  ich  glaube  nicht,  ich  zweifle  dass  Pierron  Recht  hat, 
wenn  er  sagt  itPlaton,  le  plus  beau  parleur  de  Vantiquite,  est  aussi 
le  plus  grand  des  utopistes.   Je  ne  crois  pas,  je  doute  que  Pierron 

ait  raison  en  disatU  ,  muss  ich  notgedrungen  über  die  Behauptung, 

über  die  Aufstellung  Pierron's  eingehend  nachgedacht  haben.  Nehmen 
wir  einen  einfacheren  Satz!  Ich  denke  nicht,  ich  behaupte  nicht,  dass 
sich  diese  Farbe  gut  halten  wird,  werde.   (Es  ist  ein  grüner  Kleider- 
stoff.)   Je  ne  crois  pas ,  je  ne  präends  pas  que  cette  couleur  se 
conserve  bien.   Ganz  anders  dagegen:  je  pense,  je  pritends  que 
cette  couleur  {grise)  se  conservera  bien.  In  dem  ersten  Satze  kann 
ich  nicht  umhin,  in  Erwägung  zu  ziehen,  dass  die  Sonnenstrahlen» 
der  Regen  etc.  einen  ungünstigen  Einfluss  auf  einen  grün  gefärbten 
Stoff  ausüben  muss,  während  ich  im  zweiten  Satze  schlechthin  eine 
Bemerkung  mache,  eine  Behauptung  aufstelle,  die  zwar  das  Nach- 
denken  nicht   ausschliesst,  jedoch   in   viel  geringerem 
Grade  hervortreten  lässt.    Die  Gedankenlosigkeit  wird  noch  mehr 
hervortreten,   wenn  ich  sage:   Je  soutiens  que  la  couleur  verte  se 
conservera  bien 

Der  Subjonctif  als  Modus  des  tieferen  Nachdenkens,  des 
reiflicheren  Ueberlegens,  der  eingehenderen  Erwägung 
wird  demgemäss  angewendet: 

1)  Nach  den  Verben  und  Redensarten,  die  eine  Möglichkeit» 
einen  Zweifel ,  eine  Üngewissheit  ausdrücken :  douter,  niert  desesperer, 
supposer  annehmen,  den  Fall  setzen;  dann  nach  ne  pas  dire,  ne  pas 
assurer,  ne  pas  af firmer;  ne  pas  pretendre,  ne  pas  soutenir,  ne  pas 
avouer,  ne  pas  declarer,  ne  pas  penser,  ne  pas  croire,  ne  <pas 
s'imaginer ,  ne  pas  se  douter ,  ne  pas  espirer,  ne  pas  voir,  ne  pas 
savoir;  nicht  nnr  nach  den  eben  genannten,  in  verneinter  Form  vor- 
kommenden Verben,  sondern  auch  dann,  wann  dieselben  Verben  in  der 
fragenden  Form  vorkommen,  d.  h.  nach  allen  Verben  und  Redensarten, 
in  welchen  der  Sprechende  eine  üngewissheit,  einen  Zweifel 


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172 


vermittelst  seiner  Frage  ausdrückt,  und  wenn  er  eine  Antwort 
auf  diese  Frage  erwartet,  in  welcher  die  entsprechende 
Auskunft  enthalten  ist  (Jedoch  muss  sie  es  nicht  sein).  Inqui- 
rirende  Frage  im  Gegensätze  zur  rhetorischen  Frage;  Mätzner  nennt 
die  erstere  „die  unbefangene  Frage".  —  Glauben  Sie,  dass  er  es 
thun  werde  (wird)?  Croyez- vous  qu'il  le  fasse?  Ich  weiss  es  nicht. 
Dagegen:  Croya - vous  qu'il  le  fera?  Ich  weiss,  dass  er  es  nicht  thun 
wird.  Ich  gebe  damit  zu  verstehen,  dass,  wenn  der  Andere  es  glaubt, 
er  einen  zu  guten  Glauben,  zu  viel  Vertrauen  auf  die  Ausführung  hat 
Oder:  si  vous  le  croyez,  vous  vous  trompez  joliment.  Ich  selbst  bin 
nicht  im  Zweifel  darüber.  —  Ebenso  verhalt  es  sich  mit  der  fragend  - 
verneinenden  Form :  ne  croyez -  vous  pas  qu'il  le  fasse?  Ne  croyez -vous 
pas  qu'il  le  fera?  Der  letzte  Satz  bedeutet:  ich  weiss  ganz  gewiss, 
dass  er  es  thun  wird:  tont  pis  pour  vous,  si  vous  ne  le  croyez  pas. 
„Der  Fragende  kann  auch  die  Antwort  unter  seine  Gewähr  nehmen." 

In  dem  Konditionalsatze  kann  auch  ein  Zweifel,  eine  Unge- 
wissheit  enthalten  sein.  Dieser  Zweifel,  diese  Ungewissheit  hängt 
lediglich  vom  Sprechenden  ab-  Zur  Illustration  bringe  ich  einen  Satz 
aus  Moliere's  Tartuffe,  acte  V,  sehne  III:  Si  j'avais  su  qu'en  main  il 
a  de  telles  armes ,  je  n'aurais  pas  donni  mattere  d  tant  d'alannes- 
(Elmire  en  parlant  de  Tartuffe).  Elmire  ist  überzeugt,  weiss, 
dass  der  Betrüger  jene  Waffen  in  der  Hand  hat ;  Orgon  hat  ihr  Alles 
mitgetheilt;  sie  kann  also  diese  Thatsachen  nicht  mehr  bezweifeln: 
der  Indikatif  muss  stehen.  — 

Hätte  Elmire  dagegen,  ohne  die  Mitteilung  ihres  Gatten, 
nur  nach  dem  allgemeinen  Tun  und  Treiben  des  letzteren  und  Tartuffe 
geschlossen,  wäre  nur  die  Vermutung  in  ihr  aufgetaucht,  dass  ihr 
Gatte  solche  kolossale  Dummheiten  hätte  begehen  können,  so  würde  sie 
zum  tieferen  Nachdenken  gezwungen  worden  sein  und  sie  hätte  sagen 
müssen:  Si  j'avais  cru  qu'en  main  il  eilt  (eüt  eu)  de  telles  armes. 

Zu  den  Redensarten  nun,  die  eine  Möglichkeit,  einen  Zweifel, 
eine  Ungewissheit  ausdrücken,  würden  auch  konsequenter  Weise 
folgende  unpersönlichen  Verben  gehören:  il  semble,  il  se  peut,  ü  est 
possible,  il  ne  se  peut  pas ,  il  est  impossible ,  il  est  rare,  il  est  facile, 
il  est  difficile,  il  n'est  pas  vrai,  il  n'est  pas  vraisemblable ,  il  n'est 
pas  sür.  etc.  .  est-il  vrai,  est-il  vraisemblable,  sür  etc.  .  .,  die  ich 
nicht  weiter  anführen  will. 

Nun  wird  man  vielleicht  erstaunen,  warum  ich  nicht  von  den 
verbis  dicendi  und  sentiendi  oder  mit  andern  Worten  von  den  verbes 
exprimant  la  parole  et  la  pensee  spreche,  die  zwar,  bejahend  ange- 
wendet, auch  ein  Nachdenken,  jedoch  in  viel  geringerem  Grade  vor- 
aussetzen. Ich  habe  einen  sehr  gewichtigen  Grund  dafür:  denn  diese, 
von  beinahe  allen  Schulgrammatikern  aufgestellte  Kegel,  dass  der 


< 


■ 


173 


Sobjonctif  nach  den  verbes  exprimant  la  parole  et  la  pensie  steht, 
wenn  sie  verneinend  oder  fragend  angewendet  werden,  trägt  ganz 
besonders  dazu  bei  und  ist  vorzüglich  geeignet,  die  Schaler  zu 
verwirren  —  es  bleibt  eben  nur  der  erste  Theil  der  Regel  am 
Gedächtnisse  hängen,  während  der  zweite  verschwindet. 
—  Wundern  sollte  es  mich,  wenn  meine  Herrn  Fachgenossen  andere 
Erfahrungen  gemacht  hätten. 

Seltsam  ist  es  freilich,  dass  nach  der  Auffassung  des  Franzosen 
die  Ueberlegung,  das  Nachdenken  erst  durch  einen  Zweifel, 
ein  Schwanken,  eine  Ungewissheit  hervorgerufen  wird, 
während  er,  im  entgegengesetzten  Falle,  oberflächlich,  seiner  Natur- 
anläge  gemäss,  eine  Bemerkung  nur  hinwirft,  eine  Behauptung 
schlechthin  aufstellt,  ohne  sich  weiter  über  die  Konsequenzen  dieser 
Bemerkung,  dieser  Behauptung  zu  kümmern  oder  sich  Rechenschaft 
darüber  abzulegen:  Je  crois  que  vous  avez  raison. 

Man  darf  daher  noch  weniger  erstaunen,  dass  der  Franzose  in 
der  indirekten  Rede  auch  den  Indicatif  anwendet,  unter  der 
Bedingung  natürlich,  dass  in  der  direkten  Rede  derselbe  Modus 
gebraucht  wurde.  Städler  nennt  den  Gebrauch  des  Indicatif  in  den 
beiden  Fällen  den  Ausdruck  „einer  gewissen  Anmassung  oder 
Voreiligkeit". 

Ebenso  wenig  ist  die  Folge  der  Zeiten  in  der  indirekten  Rede 
eine  logisch  richtige:  sie  beruht  auf  blosser  Konvenienz. 
Z.  B.  Er  sagte  mir,  er  glaube  nicht,  dass  Amyot  mehr  Verdienst 
habe  als  Montaigne,  il  me  disaü  quHl  ne  croyait  pas  qu' Amyot 
eüt  plus  de  merite  que  Montaigne.  Wird  dagegen  einer  allgemeinen 
Wahrheit  (einem  Grundsatze)  Ausdruck  verliehen,  so  steht  nach  einer 
Vergangenheit  das  present:  Louis  XVIII  disait  que  Vexactitude  est 
2a  politesse  des  rois.  —  Ich  muss  offen  gestehen,  dass  ich  nur  eine 
Willkür  in  dieser  verschiedenen  Anwendung  der  Folge  der  Zeiten 
erblicken  kann  —  eine  Begründung  aber,  trotz  aller  Anstrengung, 
nicht  ausfindig  zu  machen  im  Stande  bin. 

Auf  gleiche  Weise  wird  das  tiefere  Nachdenken,  das 
reiflichere  üeberlegen,  die  eingehendere  Erwägung 
hervorgerufen :  * 

2)  Nach  den  Verben  und  Redensarten,  die  eine  „affirmative 
oder  negative  Willensäusser ung,  Billigung  oder  Miss- 
billigung" (Mätzner,  388)  ausdrücken.  Die  verschiedenen  Verben 
und  Redensarten  anzuführen,  wäre  unnötig,  da  die  Grammatiker  dies 

entsprechend  thun. 

3)  Ebenso,  wenn  in  dem  übergeordneten  Satze  eine  Gemüts- 
bewegung enthalten  ist,  als:  Freude,  Trauer,  Schmerz,  Scham,  Schande, 
Klage,  Furcht,  Erstaunen,  Erbitterung,  Unwillen  etc. 


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176 


Zwar  haben  auch  schon  Aristoteles  und  Theophrast  solche  Verbreitungs- 
gesetze vorausgeahnt  und  fragmentarisch  ausgesprochen;  aber  erst  der 
weite  Horizont  der  Gegenwart,  welcher  über  alle  klimatischen  Zonen 
reicht,  hat  auf  diesem  Gebiete  den  Vergleich  und  damit  eine  Wissen- 
schaft ermöglicht.  A.  y.  Humboldt  steht  auch  hier  an  den  Grenzen 
einer  neuen  Epoche.  In  seiner  überaus  gedankenreichen  Schrift  „Ideen 
zu  einer  Geographie  der  Pflanzen"  (Stuttg.  1807)  und  in  seiner  späteren 
Abhandlung  „de  distributione  geographica  plantarum"  (Paris  1817)  hat 
er  die  Fundamente  und  Grundlinien  des  zukünftigen  Baues  gegeben, 
welcher  dann  von  dem  Franzosen  De  C  ando  Ue  (Geographie  bota- 
nique  raisonrUe  Paria  1855)  und  neuestens  von  dem  Deutschen 
Grisebach  (Die  Vegetation  der  Erde  Leipzig  1872)  in  meisterhafter 
Weise  ausgeführt  worden  ist.  Indess  erstrecken  sich  diese  Forschungen 
mehr  anf  den  physikalischen  Theil  unserer  Wissenschaft.  Karl 
Ritter  war  es,  welcher,  wie  überall  in  den  Erdformen,  «o  auch  in  der 
Thier-  und  Pflanzenwelt  die  Beziehungen  zum  Menschen  und  seiner 
Geschichte  wahrgenommen  und  erforscht  hat.  In  einer  Reihe  von 
Abhandlungen,  die  seiner  grossen  Erdkunde  von  Asien  einverleibt  sind, 
benützte  er  zuerst  historische  Denkmäler,  um  die  geschichtliche  Ver- 
breitung von  Gulturgewächsen  und  Hausthieren  zu  documentiren,  und 
sprach  zugleich  die  tiefsinnigsten  Gedanken  über  deren  culturgeschicht- 
licbe  Bedeutung  aus.  Uebrigens  haben  diese  Arbeiten  Ritters  eine 
Schwäche,  und  diese  liegt  in  ihrem  linguistischen  Theile,  in  der 
Deutung  und  Verwerthung  der  Thier-  und  Pflauzennamen,  wofür  dem 
grossen  Geographen  die  genügende  sprachliche  Vorbildung  mangelte. 
Nun  ist  in  jüngster  Zeit  auf  diesem  Gebiete  ein  Forscher  aufgestanden, 
dessen  Blick  Natur  und  Geschichte  gleichmässig  umspannt  und  der 
zugleich  mit  seltenen  linguistischen  Kenntnissen,  besonders  in  den 
slavischen  Sprachen,  ausgestattet  ist.  Wir  meinen  den  Deutschrussen 
Victor  Hehn,  den  Verfasser  des  oben  genannten  Buches,  das 
unstreitig  zu  den  bedeutendsten  Erscheinungen  der  neuesten  Literatur 
gehört*).  Es  werden  hier  in  der  Form  von  Monographieen  die 
Namen  verschiedener  Thiere  und  Pflanzen  als  historische  Urkunden 
benützt,  um  die  Zeit  und  den  Weg  ihrer  Verbreitung  nachzuweisen,  nach 
dem  gewiss  berechtigten  Grundsatze,  dass  Name  und  Sache  zusammen 
gewandert  sind.  Die  linguistischen  Resultate  aber  werden,  gleich  als 
hätte  der  Verfasser  gefühlt,  dass  die  Etymologie  mit  ihren  Proteus- 
künsten  nicht  als  vollgiltiger  historischer  Zeuge  auftreten  könne, 
durchgehends,  soweit  es  überhaupt  möglich  war,  durch  anderweitige 
geschichtliche  Zeugnisse  gestutzt  und  erläutert.  Die  frappantesten 
Ergebnisse  werden  auf  diese  Weise  gewonnen  und  man  kann  in  der 
Tbat  sagen,  dass  der  Verfasser  neue  Perspectiven  in  die  Welt- 
geschichte eröffnet  hat.  Wir  versuchen  es,  in  Folgendem  eine  nach 
allgemeinen  Gesichtspuncten  geordnete  Uebersicht  über  den  reichen 
Inhalt  dieser  historisch -linguistischen  Skizzen  zu  geben. 


*)  Diess  beweist  schon  der  Umstand,  dass  das  Bnch  innerhalb  drei 
Jahre  die  zweite  Auflage  erlebte.  Die  Naturforschung  hat  viel  Notiz  von 
ihm  genommen,  thcils  um  es  stillschweigend  auszuschreiben,  theils  um  es 
zu  widerlegen.  Sie  wurde  in  der  Vorrede  vom  Verfasser  in  kaustischer 
Weise  abgefertigt. 


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* 


\77 


Zur  Zeit  da  die  Graecoitaler  als  halbwilde  Indogermanen  auf  ihren 
Wanderungen  aus  dem  Innern  Asiens  in  die  Donauebene  hereinkamen, 
waren  sie  noch  von  wenigen  der  späteren  Culturpflanzen  und  Haus- 
thiere  begleitet.  Nur  diejenigen,  deren  Name  auch  im  Sanskrit  über- 
einstimmend ist,  dürfen  als  Culturbesitz  vor  der  Wanderung, gelten  — 
aber  auch  diese  nur  zum  J 'heil,  da  spätere  Einwanderungen  aus  Indien 
hinlänglich  bezeugt  sind.  Nach  den  Erörterungen  Hehns  über  das 
Pferd  (8.  20  —  54)  ist  es  kaum  anzunehmen,  dass  diese  Horden  auf 
kleinen  flinken  Rossen  nach  Europa  hereinstürmten ,  wie  nachmals  die 
Hunnen;  vielleicht  aber  waren  bereits  die  Ziege  und  die  Gans  ihre 
zahmen  Begleiter,  und  wo  sie  flüchtig  sich  niederliessen ,  streuten  sie 
in  die  mit  dem  Pfahle  aufgerissene  Ackerfurche  das  schnellreifende 
Hirsekorn,  ein  Cereale,  das  später  bei  den  classischen  Völkern  zurück- 
trat und  nur  von  rooservativen  Stämmen  beibehalten  wurde;  so  gelten 
die  Lacedämonier  als  Hirsebreiesser. 

Griechenland  und  Italien,  das  Ziel  dieser  Wanderungen,  gehörten 
in  jener  Urzeit  einem  anderen  Vegetationsgebiete  au  als  heute.  Dichte 
Eichen  -  und  Fichtenwälder  bedeckten  die  griechischen  Bergzüge  und 
Hänge  des  Apennin;  ja  Italien  war  zum  grossen  Tbeile  noch  in  den 
ersten  Zeiten  Korns  von  undurchdringlichen  Waldungen  beschattet, 
wofür  (S.  371)  eine  Fülle  historischer  Zeugnisse  beigebracht  wird. 
Cultivirte  Gewächse  gab  es  damals  noch  wenig  Der  Verfasser  macht 
es  (S.  212)  sehr  wahrscheinlich,  dass  in  den  Gärten  der  älteiten 
Griechen  weder  die  Lilie  glänzte  noch  die  Rose  glühte.  Hesiod  kennt 
diese  Blumen  gar  nicht  und  auch  bei  Homer  deutet  nichts  auf  eine 
unmittelbare  Bekanntschaft  mit  der  Rose,  denn  sie  wird  nur  in  Gleich- 
nissen erwähnt,  es  werden  Phantasiegärten  damit  ausgestattet  in  einer 
Weise,  als  hätte  man  von  ihr  nur  wie  von  einem  Wundergewächse  des 
fernen  Ostens  gehört  —  Fast  alle  Vegetationsformen,  welche  gegen- 
wärtig die  Landschaften  des  Mittelmeeres  charakterisiren ,  sind  aus 
dem  Orient  iroportirt  worden.  Nur  den  Erdbeerbaum  (arbutut  unedo) 
mit  seinen  lorbeerartigen  Blättern  fanden  wahrscheinlich  die  ersten 
Einwanderer  schon  vor;  aber  die  Cy presse,  als  deren  Heimath 
Karl  Ritter  die  Gegend  von  Kabul  an  der  Westgrenze  Indiens  nach- 
gewiesen  bat,  wanderte  über  Persien,  wo  sie  als  religiöses  Flammen- 
symbol eine  Rolle  spielt  und  über  Phönizien  nach  Cypern  und  von  da 
mit  ihrem  jetzigen  Namen  nach  Griechenland ;  dann  erreichte  sie  Sicilien 
und  erst  nach  der  Eroberung  Tarents,  wo  hellenischer  Geschmack  das 
römische  Leben  zu  beeinflussen  begann,  fing  auch  dieser  Baum  an,  mit 
seinem  düsteren  Grün  die  römischen  Villen  und  Gräber  zu  beschatten. 
Nicht  minder  sind  Lorbeer  und  Myrthe  erst  mit  dem  Dienste  des 
Apollo  und  der  Aphrodite  aus  dem  Osten  eingewandert.  Den  K  astanien- 
baum,  diese  wichtige  Nahrungsquelle  des  heutigen  Italiens,  kannte  Cato 
noch  nicht;  zum  erstenmal  wird  er  in  einer  Ecloge  Virgils  (2,  52)  erwähnt. 
Die  Pinie  war  zu  Ovids  und  Virgils  Zeit  noch  ein  Gartenbaum  und 
der  berühmte  Pinienwald  Ravennas  ist  jungen  Datums  (S.  260). 
Limonenbäume  und  Orangenwälder  trug  Italien  erst  seit  den 
Kreuzzügen,  und  die  Aloe  mit  ihrem  hohen  Blüthenschaft  sowie  der 
Opuntiencactus,  welcher  mit  seinen  blaugrünen,  fleischigen  Blättern 
die  Felsenküsten  des  Südens  umsäumt,  sind  beide  Kinder  Amerikas 
und  also  erst  in  der  Neuzeit  ans  Mittelmeer  gelangt. 

Abgesehen  von  der  durch  Hehns  Forschungen  constatirten  cultur- 
geographischen  Thatsache,  dass  die  heutige  Flora  Südeuropas  ein 
Resultat   der   geschichtlichen    Bewegung ,    nicht   der  physikalischen 

Blauer  l  d.  b»yer.  Ojmn.-  V.  Real    Schul w     XL  Jahi-.  J2 


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178 


Verhältnisse  ist,  wird  es  den  Leser  seines  Buches  auch  intereasiren, 
die  Wege  kennen  zu  lernen,  auf  denen  jene  Einwanderungen  statt- 
fanden, gleichsam  das  Adergeflecht,  innerhalb  dessen  sich  der  Kreislauf 
der  Culturströmung  im  europäischen  Völkerleibe  vollzog. 

Der  normale  Weg  war  es,  dass  die  Griechen  vom  Orient  beschenkt 
wurden,  die  Italier  von  den  Griechen;  von  Italien  drang  der  Cultur- 
strom  zu  den  Kelten,  von  da  zu  den  Germanen  und  endlich  zu  den 
Slaven.  Die  Strömung  aus  dem  Orient  war  eine  doppelte,  entweder 
semitisch  -  syrisch  oder  persisch- pontisch.  Die  erstere  brachte  weitaus 
die  meisten  und  wichtigsten  Culturobjekte  z.  B.  den  Wein,  und  in 
diesem  Sinne  ist  der  Occident  „semitisirt".  Doch  gibt  es  Ausnahmen 
von  diesem  historischen  Verbreitungsgesetz.  Der  Haushahn  z.  B.  kam 
nicht  Ober  Italien,  sondern  über  Russland  oder  den  europäischen 
Südosten  nach  Mitteldeutschland  (S.  277  —  291).  Bei  ein  paar 
Pflanzen-  und  Thierindividuen,  welche  aus  dem  Orient  eingewandert, 
aber  dort  irgendwie  verkümmert  sind,  rinden  wir  sogar  einen  rück- 
läufigen Weg  von  Westen  nach  Osten.  Dahin  gehört  unter  andern 
die  Apricose.  Als  die  Römer  des  ersten  christlichen  Jahrhunderts 
diese  Früchte  in  ihren  Gärten  pflückten,  hiessen  sie  von  ihrer  Beimat 
persische  oder  armenische  Aepfel,  bei  den  Gärtnern  wegen  ihrer  Früh- 
reife auch  praecocia,  praecoquet  Davon  kam  die  Benennung  der 
spätem  Griechen  ngaixoxia  auch  tiqoxxoxhi,  deQixuxa.  Dieser  Name 
klingt  wieder  im  arabischen  al-barqüq,  und  die  Araber  brachten 
Name  und  Frucht  nach  Sicilien  und  Spanien,  daher  albercocco.  albari- 
coque,  franz.  abricot,  deutsch  Apricose 

Die  Erörterungen  des  Verfassers  sind  aber  auch  für  die  Cultur- 
geschichte  überhaupt  von  grosser  Bedeutung  Insbesondere  begrüssen 
wir  sein  Buch  als  Symptom  einer  gesunden  Reaction  gegen  das  krank- 
hafte Herüberwuchern  der  Naturwissenschaften  auf  das  historische 
Gebiet.  Wir  wissen,  mit  welchen  Fbantasiegemälden  moderne 
Naturforscher,  darwinische  Farben  benützend,  die  leeren  Blätter  der 
menschlichen  Urgeschichte  auszufüllen  bemüht  sind.  Hehn  ist  kein 
Freund  dieser  historischen  Luftgebilde  und  hat  unsere  Pfahlbauten  - 
Historiker  mit  sehr  treffenden  Bemerkungen  (S.  487  —  490)  aus  ihren 
Träumen  aufzurütteln  versucht.  —  Auch  sonst  wird  der  Leser  durch 
mancherlei  Ausblicke  in  die  allgemeine  Culturgeschichte  erfreut  Das 
Alterthum  besonders  erhält  nach  vielen  Seiten  hin  eine  neue  Beleuchtung. 
So  findet  der  Verf.  in  einer  trefflichen  Betrachtung  über  deu  Unter- 
gang der  alten  Welt  (S.  419  ff.)  den  eigentlich  schadhaften  Punkt  der 
antiken  Cultur  in  „der  unwirthschaftlicheu  Construction  des  Staates 
und  der  Gesellschaft".  In  Bezug  auf  den  jetzt  so  verwahrlosten  Boden 
Griechenlands  und  Kleinasiens  ist  er  übrigens  keineswegs  der  herkömm- 
lichen Ansicht,  dass  diese  Gegenden  für  immer  ausgenützt  seien,  ein 
Urtheil,  welchem  „keine  wittbschattliche  oder  naturwissenschaftliche  Be- 
obachtung, vielmehr  eine  falsche  geschichtsphilosophische  Theorie  zu 
Grunde  liegt"  (S.  Ii  —  10)  Die  römische  Kaiserzeit,  die  wir  als  eine 
Zeit  des  Verfalles  zu  betrachten  pflegen,  erscheint  in  diesen  Skizzen 
vom  volkswirtschaftlichen  Standpuucte  aus  vielfach  als  eine  Epoche 
des  Aufschwungs.  Für  das  Verständniss  der  alten  Schriftsteller 
werden  sehr  schätzenswertbe  Beiträge  geliefert.  Besonders  sind  es  die 
homerischen  Gesänge,  die  der  Verfasser  mit  Vorliebe  beleuchtet  und 
für  deren  Compositionsart  er  manche  neue  Gesichtspuncte  bietet. 


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179 


Schliesslich  müssen  wir  auch  noch  der  Darstellungsgabe  Hehns 
rflhmend  gedenken.  Seine  Diction  ist  durchaus  sorgfältig  und  elegant; 
die  farbenreichen  Landscbaftsbilder,  die  lebendigen  Naturbeschreib- 
ungen, die  grossartigen  historischen  Umrisse  machen  manches  Blatt 
dieses  Buchen  zu  einem  Kunstwerk.  Wir  möchten  dasselbe  überhaupt 
mit  einer  duftigen  frischen  Blume  vergleichen  im  Gegensatze  zu  jenen 
dürren  Herbariumspflanzen,  die  uns  zuweilen  von  deutschen  Kathedern 
herab  gereicht  werden  •). 

München.  J.  Wimmer. 


Die  Weltgeschichte  im  Umrisse  von  Dr.  Heinrich  Dittmar.  Elfte 
Auflage  von  Dr.  K.  Abi  cht.    Heidelberg,  Winter,  1874. 

Hr.  Dr.  Abicht  (jetzt  Director  des  Gymnasiums  in  Oels),  welcher 
nach  Dittmars  Tode  die  zehnte  Auflage  dieses  Buches  zu  bearbeiten 
übernahm ,  hatte  damals  die  Geschichte  der  neueren  Zeit  bis  zum 
Jahre  1869 ,  die  deutsche  bis  zur  Gründung  des  Norddeutschen 
Hundes  fortgeführt.  Unsere  Blätter  haben  im  VII.  Bande,  p.  31  eine 
Anzeige  des  Buches  von  Herrn  Prof.  Butters  gebracht;  nun  ist  (im 
Sept  v.  J.)  die  eilte  Auflage  ausgegeben  worden,  in  welcher  die 
Geschichte  der  europäischen  Staaten  in  den  letzten  Jahren  neu  hinzu- 
gekommen, das  Ganze  nach  Versicherung  des  Herausgebers  in  Form 
und  Inhalt  einer  gründlichen  Revision  unterzogen  ist.  Die  Kapitel 
93  bis  95  geben  eine  lebendige  und  übersichtliche  Darstellung  des 
französisch  -  deutschen  Krieges.  Dass  diese  (mit  einigen  Kürzungen) 
wörtlich  aus  der  VII.  Auflage  der  deutschen  Geschichte  von  Dittmar- 
Abicht  wiederholt  ist,  wird  Niemand  dem  {Verfasser  zum  Vorwurf 
machen,  zumal  da  die  Geschichte  der  neuesten  Zeit  in  keinem  Fall  so 
wie  die  frühere  in  der  Schule  bebandelt  werden  kann.  Die  Geschichte 
der  nordamerikani6chen  Union  ist  unverändert  bei  der  Erwählung 
Grauts  zum  Präsidenten  stehen  geblieben:  man  vermisst  hier  bestimmte 
Angaben  darüber,  welchen  Erfolg  der  Krieg  für  die  Emancipation  und 
die  politische  Stellung  der  Neger  gehabt  hat. 

Das  Lehrbuch  von  Dittmar  ist  zu  bekannt,  als  dass  es  nöthig  wäre, 
es  hier  nach  seiner  Eigenthümlichkeit  ausführlicher  zu  cbarakterisiren. 
Der  doppelte  Zweck,  welchen  der  Verfasser  verfolgte  (dass  es  ,,auch 
ausserhalb  der  Schule  andern  Bildungsbegierigen  als  belehrendes  und 
unterhaltendes  Lesebuch  diene"),  und  der  auch  durch  den  Titel  „für 
den  Schul-  und  Selbstunterricht"  bezeichnet  ist,  hat  nicht  ohne  Eintrag 
für  den  ersteren  bleiben  können.    Aber  wir  dürfen  mit  dem  oben 

genannten  Collegen  uns  freuen,  dass  dem  vielverbreiteten  Buche  durch 
ie  zweimalige,  im  ursprünglichen  Geiste  fortgeführte  Bearbeitung  des 
neuen  Herausgebers  das  Glück  zu  Theil  geworden  ist,  auch  nach  dem 
Tode  des  ersten  Verfassers  seine  Lebensfähigkeit  zu  bewahren. 

S. 


*)  Als  solches  Gegenstück  auf  gleichem  Gebiete  liease  sich  z.  B.  die 
gründliche  und  gelehrte  aber  ganz  gewürzlose  Schrift  von  Prof.  Brandes 
bezeichnen  :  „  Ueber  die  antiken  Namen  und  die  geogr.  Verbreitung  der 
Baumwolle  im  Alterthura. "    Leipzig  1866.  . 

12* 


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■ 


180 


Lateinisches  Lesebuch  für  die  Sexta  der  Gymnasien  und  Real- 
schulen von  Hermann  Perthes.  Berlin.  Weidmann'sche  Buch- 
handlung. 1874. 

Das  Urteil,  welches  hier  Ober  vorstehende  Arbeit  ausgesprochen 
wird,  erstreckt  sich  nicht  zugleich  auf  die  ohnehin  erst  im  Werden 
begriffene  Perthes'sche  Methode.  Was  aber  genanntes  Buch  betrifft, 
so  OURS  man  wirklich  staunen,  wieviel  da  neunjährigen  Knaben  zuge- 
mutet wird.  Die  längsten  und  schwierigsten  Yokabeln 
(z  B.  agrieola,  bevor  der  Schaler  nur  ager,  luxuriosus,  bevor  er  luxus 
oder  luxuria,  consociare,  bevor  er  socius  kennen  gelernt  hat),  sodann 
verwickelte  Regeln  der  Syntax  (z.  B.  schon  im  zweiten  Kapitel 
TJebersetzung  des  deutschen  „haben"  mit  esse,  dann  fernerbin  Parti- 
cipialkonstruktionen ,  Infinitive  mit  dem  Äccusativ,  Sätze  wie:  Igno- 
miniosum  est  ignavum  fuisse,  et  in  der  Bedeutung  „auch",  suus  und 
ejus,  praesens  und  absens  und  dergl  mehr),  endlich  Sätze,  deren 
sachlicher  Inhalt  weit  über  den  Ideenkreis  eines  Sex- 
taners hinausgebt,  sind  da  in  rasender  Eile  aufgespeichert.  Die 
zusammenhängenden  Stücke,  z  B.  No  11,  sind  geradezu  monströs. 
Einer  nüchternen  Pädagogik  ist  in  dem  ganzen  Buche  des  „dem  Schüler 
Bewussten"  viel  —  zu  wenig,  dagegen  des  „ihm  Unbewussteu"  ein 
wenig  —  zu  viel  entfaltet,  und  ihr  muss  der  Gebrauch  eines  solchen 
Lehrmittels  nicht  nur  nicht  instruktiv,  sondern  destruktiv  in  hohem 
Grade  erscheinen.  Gäbe  es  keine  anderen  Sätze?  Liesse  sich  nicht 
mit  dem  Einfachen,  dem  Regelmässigen,  dem  häutig  Vorkommenden 
beginnen?  Kurzum!  Wenn  sich  die  Perthes'sche  Methode  einen  Boden 
erkämpfen  will,  dann  muss  so  ein  Lesebuch  ganz  anders  eingerichtet 
werden.  Es  sei  mithin  dem  Herrn  Perthes  ein  freundschaftlich  Festina 
hnte  zugerufen! 

München.  L.  Mayer. 


Uebungen  dea  lateinischen  Stils,  bearbeitet  von  Carl  Friedr.  N  ä  g  e  1 1  - 
bach.   III.  Heft.  5.  verbesserte  Auflage.    Leipzig,  Brandstetter,  1874. 

Nägelsbacb's  Stilübungen  verdanken  bekanntlich  ihre  Entstehung 
demselben  Principe,  welches  derselbe  seinem  systematischen  Handbuche, 
der  lateinischen  Stilistik,  als  einem  sprachvergleichenden  Versuche  zu 
Grunde  gelegt  hat.  Nägelsbach  will,  dass  die  Kräfte  der  lateinischen  Sprache 
dadurch  zur  Kenntnisss  gebracht  werden,  dass  man  dieselben  an  denen 
der  deutschen  misst.  Daher  sind  seine  Stoffe  deutsche  Originale  — 
nicht  Stoß*  mit  deutschem  nach  lateinischen  Originalen  oder  nach  latei- 
nischer Anschauung  bearbeiteten  Sprachgewande-  In  dieser  principiellen 
Originalität  liegt  einerseits  der  Vorzug  der  Nägelsbach'schen  Arbeit  vor 
andern  verwandten,  anderseits  der  Hauptgewinn  für  die  Geistestbätigkeit, 
mit  welchor  die  Schüler  zu  operiren  haben.  Wir  erinnern  abgesehen 
von  den  grammatikalischen  Winken  und  der  klassischen  Phraseologie 
besonders  an  die  Periodologie,  welche  an  schwierigen  deutschen 
Musterstoffen  sicherlich  besser  zur  Darstellung  gelangt ,  als  an 
Materialien  mit  lateinisch -deutscher  Sprachform.  — 


181 


College  Baumann  hat  bereits  Auflagen  der  beiden  ersten  Bändchen 
besorgt  und  verpflichtet  sich  neuerdings  durch  vorliegende  5.  Auflage 
des  3  Bändchens  Lehrer  und  Lernende  zu  grossem  Danke.  Die  neue 
Auflage  ist  zunächst  ein  unveränderter  Abdruck  der  vierten,  jedoch 
unterscheidet  sich  dieselbe  formell  hauptsächlich  in  2  Punkten  von 
derselben  Der  Hauptunterschied  besteht  darin,  dass  die  citirten 
Stellen  fast  alle  ausgeschrieben  sind  College  Baumann  hat  dies 
bereite  bekanntlich  in  der  letzten*  Auflage  des  I.  Bändebens  gethan, 
damals  zunächst  auf  den  ausdrücklichen  Wunsch  vieler  Schulmänner. 
Nägelsbach  würde  allerdings  schwerlich  von  dieser  „nützlichen  Metbode, 
oft  die  Schriftsteller  nur  zu  citiren ,  (statt  die  Redensarten  aus  ihuen 
auszuschreiben",  abgegangen  seiu;  gleichwohl  erscheint  uns  indess 
Baumann's  Aenderung  nach  dieser  Seite  sachlich  gerechtfertigt  und 
zeitgemäss.  Wer  aus  eigener  Erfahrung  weiss,  wie  diese  Praeparationen 
meist  gemacht  werden,  dem  kann  vielfach  der  aus  dem  Nachschlagen 
der  Stellen  gehoffte  Nutzen  nur  illusorisch  erscheinen.  Dazu  sind 
faktisch  nur  die  wenigsten  Schüler  z.  B.  im  Besitze  eines  ganzen 
Livius  und  gerade  oft  solche  glückliche  Besitzer  eines  completen 
Schriftstellers  nicht  auch  immer  diejenigen,  die  ihn  gewissenhaft 
ausbeuten  Geschieht  dies  aber  von  dem  einen  oder  andern  fleissigen 
Schüler  doch,  so  steht  am  Ende  doch  der  Gewinn,  den  die  Schüler  aus 
dem  Selbstaufsuchen  der  Stellen  gezogen,  in  keinem  rechten  Ver- 
bältniss  zu  dem  Quantum  der  darauf  gewendeten  Zeit.  Da  wir  ohne- 
dem in  einer  Zeit  leben,  in  der  mehr  als  je  mit  der  Zeit  der  Schüler 
hauszuhalten  ist,  so  dürfte  schon  aus  diesem  wichtigen  Grunde  in  dem 
Herausschreiben  der  von  Nägelsbach  nur  citirten  Stellen  eine  noth- 
wendige  Zeitersparnis»  zu  erblicken  sein. 

Der  2.  Unterschied  der  vorliegenden  Auflage  von  der  vorigen  liegt 
darin,  dass  die  alte  Orthographie  anfgegeben  ist.  Ob  dies  im  Nägels- 
bach'schen  Sinne  geschehen  ist,  muss  allerdings  gleichfalls  bezweifelt 
werden.  Gleichwohl  sind  es  äussere  und  innere  triftige  Gründe,  die 
zu  dieser  Aenderung  den  Impuls  gegeben  zu  haben  scheinen  — ; 
obgleich  an  den  meisten  unserer  Gymnasien  noch  die  alte  Schreibweise 
herrscht,  können  wir  daher  Baumann's  Vorgehen  nach  dieser  Seite  nur 
billigen.  Englmann  hat  in  seiner  Grammatik  die  neuere  Orthographie 
mit  Mass  durchgeführt;  es  ist  nicht  zu  erwarten,  dass  man  epistula, 
sttius ,  8U8pitioy  solacium  statt  epistola,  secius,  suspitio,  solatium  auf- 
genommen findet,  wohl  aber  dürften  Worter,  wie  autumnus,  cena, 
comminus,  conditio,  conecto,  conitor,  contio  (nicht  concio),  intellego, 
neglego ,  mercennarius ,  oboedio  (nicht  öbedio)  in  dieser  evident 
beglaubigten  besseren  Schreibweise  auch  Elementarscbülern  frühzeitig 
eingeprägt  werden.  Ueberhaupt  ist  in  allen  Anzeigen  von  neueren 
Schulbüchern  in  den  letzten  Jahren  die  Beibehaltung  der  alten  Ortho- 
graphie fast  durchgängig  als  Mangel  bezeichnet.  Der  einzige,  der 
für  Beibehaltung  der  bisherigen  Schreibweise  plädirt  hat,  ist  unseres 
Wissens  Lattmann  in  der  Berliner  Zeitschrift.  Aber  seine  Gründe 
scheinen  nur  für  die  in  den  untersten  Klassen  eingeführten  Lehr- 
bücher Geltung  zu  haben,  so  lange  in  den  Schulgrammatiken  noch  die 
alte  Orthographie  herrscht.  Ganz  anders  stellt  sich  die  Sache  in  den 
obersten  Klassen  ,  wo  die  Ausgaben  der  Schriftsteller,  die  die  Schüler 
in  den  Händen  haben,  sämmtlich  die  neue  Schreibung  aufweisen. 
Bedenken  wir  endlich,  dass  Nägelsbach's  Stilübungen  an  den  nord- 
deutschen Gymnasien,  an  denen  die  neue  Orthographie  fast  überall 
schon  eingeführt  ist,  mit  Vorliebe  benutzt  werden,  so  lässt  sich  wohl 


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182 


begreifen,  wie  College  Baumaua  zur  Aufnahme  der  neueren  Schreib- 
weise sich  entschlossen  hat. 

Was  den  Commentar  und  die  Uebersetzungsproben  anlangt,  60  sei 
noch  einiger  vorgenommenen  Aenderungen  gedacht,  die  sich  beim  Durch- 
lesen der  neueu  Auflage  aufgedrängt  haben.  Sorgfältig  hat  College 
Baumann  erwogen,  was  Kratz  im  Württemberger  Corruspondenzblatt 
(1862)  besprochen  und  Neues  hinzugefügt  hat,  so  Agit  und  Cleomenetf 
6,  X,  wo  zu  den  Worten:  „Soll  ich  aber,  während  mein  Vater  König 
in  Sparta  ist,  fortleben  in  solchem  Jammer  u.  s.  w."  statt  egone  —  ut 
—  nach  Ter.  Heaut.,  4,  4,  36  zur  Verwendung  vorgeschlagen  wird :  Ov. 
Heroid.  13,  37:  scilicet  ipsa  geram  etc.  Was  von  diesem  trefflichen 
Kenner  des  lateinischen  Stiles  herrührt,  ist  im  Commentare  selbst 
angegeben.  Uebersetzungsprobe  VII,  t  am  Schlüsse  lesen  wir  nunmehr 
statt:  et  ad  futurum  tempus  quum  spem  Lutum,  tum  nova  afferant 
consilia,  novam  voluntatem  industriae  —  et  cum  spem  laetam  tum 
nova  consilia,  novam  voluntatem  industriae  afferant  ad  futura; 
ferner  Vj,  6,  e:  „reitet  er  durch  sein  kurzes  Gesicht  verführt  zu  nahe 
an  die  feindliche  Linie  vor"  statt  provehi  nach  Liv  23,  46,  13  obequitare. 
Eine  glückliche  Aenderung  ist  wohl  auch  ebendaselbst  (sein  ledig 
fliehendes  Ross)  die  von  (cquus)  vagus  errans  in  vaeuus  errans  (nach 
Weissenborn);  ferner  schlägt  Collega  Baumann  No.  4  c  statt  proinde 
vor  ergo.  — 

Wir  können  diese  und  andere  vorgenommene  Aenderungen  gewiss 
aeeeptiren,  ohne  die  Originalität  des  sei-  Verfassers  selbst  dadurch  nur 
im  Mindesten  zu  beeinträchtigen;  lediglich  als  Interesse  für  die 
Sache  selbst  möge  es  daher  gedeutet  werden,  wenn  Anzeiger  dieses 
Büchleins  sich  selbst  noch  einige  Zusätze  erlaubt,  die  wir  hiemit  einer 
freundlichen  Beurtheilung  empfehlen.  I,  1,  2:  „hatte  er  die  Höfe  der 
Patrizier  niederbrennen  lassen"  Hst  für  „Höfe"  praedia  angegeben  ; 
Hesse  sich  hiefür  nicht  „villae"  verwenden,  was  unserm  „Meierhof, 
Meierei"  so  nahe  kommt?  I,  2,  t:  „bat  das  hundertste  Lebensjahr 
erreicht"  dürfte  neben  dem  citirten  Cic  sen.  17,  6U:  vitam  perducere 
ad  annum  —  auch  das  pervenit  ad  —  gleich  gut  zu  gebrauchen  sein. 
IV,  8  (Tod  Conradins  von  Schwaben):  „der  König  rechnete  sieb  aus 
dem  Einziehen  der  Güter  der  Ermordeten  einen  grösseren  Gewinn 
heraus"  möchte  ich  statt  subduetis  calculis  videt  —  rationibus 
substituiren.  V,  10  ist  für  „Reiterei  des  linken  Flügels"  sinistrae 
partis  eques  angegeben;  warum  nicht  ala  benützt?  VII,  9:  „im 
kommenden  und  in  den  folgenden  Schuljahren"  bietet  sieb  Gelegenheit, 
den  Schüler  an  den  Gebrauch  von  proximus  zu  erinnern.  III,  3,  g: 
„hat  verschwinden  lassen"  schlagen  wir  statt  sublatum  est  aliquid  e 
vita  vor:  de  medio.  II,  12:  „nur  noch  die  Wahl  zwischen  Selbstmord 
und  martervoller  Hinrichtung  —  finden  wir  angegeben:  Liv.  8, 33:  optio 
datur;  sehr  nahe  dürfte  für  diese  Alternative  der  Gebrauch  eines  aut  — 
out  liegen,  welcher  der  Redensart  optio  datur  ents<  hie  den  vorzuziehen  ist 

Möge  unsere  Gjmnasialjugend  auch  fernerhin  aus  dem  Bucbe  den 
geistigen  Gewinn  ziehen,  den  zu  erzielen  gerade  Nägelsbach's  Stil- 
übungen in  ganz  besonderem  Masse  geeignet  sind. 


Regensburg. 


F.  Scholl. 


183 


Angewandte  Elementarmathematik  von  A.  Lise.  Berlin  bei 
Wilhelm  Schulze. 

Das  Werkeheu  ist  bearbeitet  „für  die  Zwecke  der  Volksschule", 
allein  es  ist  geradezu  zum  Lachen,  wenn  Einer  im  Ernst  behauptet, 
dass  die  Lehre  von  den  Potenzen,  Wurzeln  und  Logarithmen,  die 
Gleich imgcn  ersten  und  zweiten  Grades  mit  einer  und  mehreren 
Unbekannten,  die  Progressionen  der  Volksschule  angehören.  Bei  dieser 
Gelegenheit  sei  bemerkt,  dass  die  bei  den  Aufnahmsprüfungen  in  eine 
höhere  Schule  stets  laut  werdenden  Klagen  ,  dass  der  Rechenunterricht 
in  den  Volksschulen  nicht  gründlich  betrieben  werde,  insoferne  wenigstens 
begründet  sind,  als  auf  die  ersten  Elemente  des  Rechnens  nicht  die 
gehörige  Sorgfalt  verwendet  und  zu  rasch  zu  Aufgaben  über- 
gegangen wird,  die  dem  Entwicklungsstadium  des  Schülers  durchaus 
nicht  angepasst  sind  -  Das  Werkchen  gliedert  sich  in  einen  theore- 
tischen und  in  einen  praktischen  Theil  Im  ersten  Theil  finden  wir 
eine  Zusammenstellung  von  Lehrsätzen  und  Regeln  zu  allermeist  ohne 
jegliche  Begründung,  jedesmal  durch  ein  Beispiel  in  bestimmten  und 
in  allgemeinen  Zahlen  illustrirt  Die  Brüche  erscheinen  plötzlich  wie 
ein  deus  ex  inachina  bei  der  Division  und  vier  Regeln  mit  ihren 
Umkebrungen  ,  natürlich  ohne  jegliche  Erläuterung,  vollenden  die  vier 
Species  der  Bruchrechnung  Von  einigen  ungenauen  Definitionen  sehen 
wir  ganz  ab.  Die  Behandlung  der  negativen  Zahlen  bietet  manches 
Originelle  und  Erbauliche.  So  heisst  es  z  B.  unter  Anderem:  „Wenn 
man  z.  B.  5  Schritt  zurückgegangen  und  soll  diesen  Weg  wieder 
dreimal  zurückgehen,  so  muss  man  (-  5)  (—  3)  =  -f-  15  Schritte 
voran    thun".     Und    bei   der   Division   werden   wir   belehrt  warum 

g  =      2  ist.  „Denn  ist  z  B  ein  Thermometer  8  Grad  unter  Null 

gefallen,  so  muss  es  zweimal  4  Grad  unter  Null  steigen,  um  auf  Null 

—  16 

zu  kommen,  also        ,  2".    Bei  den  Logarithmen  finden  wir 

—  o 

durchgangig  folgende  Gleichungen,  die  man  bei  den  Schülern  nicht 

t 

dick  genug  unterstreichen  kann:   |/ 45  =  =  log  45  =  . .;  (52)*=:8 log  5  . . 

Obgleich  der  Verfasser  der  Algebra  für  das  praktische  Rechnen 
wenig  Bedeutung  beilegt,  so  sucht  er  doch  im  2.  Theile  die  gewonnenen 
Resultate  zu  verwertben.  Er  behandelt  im  zweiten  Theile  die  Decimal- 
brüche,  die  Quadrat-  und  Kubikwurzeln,  die  Zinseszinsrechnung  und 
führt  dann  noch  einige  Tabellen  an  (Zinstabellen,  Sparkassent  ,  Mor- 
talitfttst.,  Rentent  ,  Lebensversicherungst  etc  ) ,  mit  einigen  Beispielen 
erläutert.  Die  Beziehungen  des  zweiten  Tbeils  zum  ersten  sind  unklar, 
namentlich  weiss  man  nicht,  wo  die  Rechnungen  mit  Deciraalbrüchen, 
das  Ausziehen  der  Quadrat-  und  Kubikwurzel  im  ersten  Theil  ihre 
Begründungen  oder  besser  ihre  Regeln  finden  Obgleich  die  Lehre  von 
den  Deciraalbrüchen  sehr  breit  geschlagen  ist,  entbehrt  die  Behandlung 
doch  der  notwendigen  Gründlichkeit  und  Vollständigkeit  Den  Gleich- 
ungen ist  schon  im  ersten  Theil  die  praktische  Seite  abgestreift  worden. 

Kaiserslautern.  Dr.  van  Bebber. 


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184 


Löhrbach  der  Zoologfe  von  Dr.  B.  AI  tum  und  Dr.  H.  Landois. 
Freiburg  im  Breisgau,  Herder'ache  Verlagsband  lung  1875.  Preis 
4,5  Reichsmark. 

Dieses  soeben  in  3.  Auflage  erschienene,  sehr  hübsch  ausgestattete 
Buch  kann  in  jeder  Beziehung  mit  bestem  Gewissen  empfohlen  werden. 
Der  naturgeschichtliche  Unterricht  gewinnt,  abgesehen  von  seinem 
Werthe  für  Bildung  und  Erziehung,  dadurch  eine  besondere  Bedeutung, 
dass  er  in  der  Regel  die  Jugend  iu  die  Naturwissenschaften  zuerst 
einzuführen  hat.  Dabei  ist  es  nicht  leicht ,  die  richtige  Mitte  zu 
halten  zwischen  zu  weit  gehender  Popularisirung  und  zwischen  der 
nötbigen  Berücksichtigung  der  Systematik,  sowie  der  wissenschaftlichen 
Seite  des  Gegenstandes.  Das  vorliegende  Lehrbuch  zeichnet  sich  nach 
meiner  Meinung  eben  dadurch  in  sehr  vorteilhafter  Weise  aus,  dass 
es  mit  gutem  Takt  und  richtigem  Mass  den  passenden  Mittelweg 
durchgehends  einhält.  Die  Charakteristik  der  einzelnen  Thierkreise 
und  Thierklassen  bis  herunter  zu  den  Familien  ist  kurz,  scharf  und 
klar,  auch  ist  mit  sicherem  Griff  überall  das  Wesentliche  gut  hervor- 
gehoben. Wenn  es  richtig  ist,  dass  nur  derjenige  ein  gutes  Lehrbuch 
zu  verfassen  vermag,  der  den  Gegenstand  ,  über  den  er  schreibt,  völlig 
beherrscht  und  sich  dem  Studium  desselben  mit  Liebe  zugewendet  bat, 
so  muss  man  sagen,  dass  die  beiden  Verfasser  der  Aufgabe,  die  sie 
sich  stellten,  in  dieser  Beziehung  -völlig  gewachsen  waren  In  vielen 
der  hübschen,  dem  Texte  eingefügten  Holzschnitten  manifestirt.  sich 
eben  so  sehr  ein  gründliches  Studium  des  Lebens  der  Thierwelt,  als 
eine  freudige  Hingabe  an  den  Gegenstand.  Die  Auswahl  des  Stoffes 
darf  ebenfalls  als  eine  glücklich  gelungene  bezeichnet  werden,  indem 
alle  die  Gebiete,  welche  einem  sp&teren  eingehenden  Studium  der 
Zoologie  vorbehalten  bleiben  müssen ,  umgangen  sind.  Das  Eingreifen 
der  Thierwelt  in  den  Haushalt  der  Natur  und  die  vielfachen 
Beziehungen  derselben  zur  Thätigkcit  und  dem  Leben  des  Menschen 
haben  überall  die  gehörige  Berücksichtigung  gefunden  und  zwar  in 
der,  wie  mir  scheint,  sehr  richtigen  Weise,  dass  das  Nöthige  kurz 
angedeutet  und  die  nähere  Ausführung  der  Erklärung  des  Lehrers 
überlassen  wurde. 

Darüber,  ob  die  getroffene  Anordnung  de9  Stoffes,  d.  h.  die 
Beschreibung  des  Thierreiches  in  aufsteigender  Ordnung  für  alle 
Fälle  gleich  zweckmässig  ist,  lässt  sich  streiten  Die  Verfasser 
behaupten  auf  Grund  ihrer  Lehrerfahrungen,  dass  auch  jüngere 
Schüler  viel  leichter  ein  tieferes  Verständniss  der  niedersten  Thier- 
formen, als  das  der  höheren  Thiere  erringen.  Auf  der  andern  Seite 
kann  man  dagegen  sagen,  dass  sich,  wenn  der  Unterricht  mit  der 
Betrachtung  der  höheren  Thierformen  begonnen  wird,  viel  leichter 
Anknüpfungspunkte  an  selbst  Gesehenes  und  Bekanntes  finden  lassen, 
und  dass  es  aus  diesem  Grunde  viel  für  sich  hat,  einen  Lehrgang 
einzuhalten,  welcher  dem  von  den  Verfassern  gewählten,  gerade 
entgegengesetzt  ist.  Uebrigens  verbietet  sich  für  keinen  Lehrer,  der 
die  Ansichten  der  Verfasser  bezüglich  dieser  Punkte  nicht  theilt, 
die  Benützung  des  Buches;  ja  er  findet  in  demselben  sogar  eine 
seiner  Anschauung  Rechnung  tragende  systematische  Uebersicht  über 
das  Thierreich  in  absteigender  Ordnung. 

Die  Sprache  ist  durchweg  einfach  und  kbr  Fremdwörter  sind 
thunlichst  vermieden   und   die  technischen  Ausdrücke  alle  deutlich 


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185 


erklärt.  Die  tbeitweise  schematisch  gehaltenen  Abbildungen  sind  fast 
alle  sehr  instructiv  entworfen  und  gut  ausgeführt,  nur  haben  einzelne 
Holzschnittstücke  in  Folge  der  vielfachen  Benützung  leider  schon 
merklich  an  Schärfe  verloren 

Ich  empfehle  dieses  wirklich  gute,  für  Lehrer  and  Schüler 
gleich  brauchbare  Buch  der  Beachtung  der  Berufsgenoasen  hiemit 
angelegentlich. 

> 

Lindau.  Dr.  Fleischmann. 


Lehrbuch   der   Determinanten- Theorie  für  Studirende   von  Dr. 
Siegmund  Günther.    Erlangen  1875. 

Müsste  in  diesen  Blättern  ein  Urtheil  über  den  wissenschaftlichen 
Gehalt  des  vorstehend  genannten  Werkes  abgegeben  werden,  dann 
würde  der  Unterzeichnete  die  Anzeige  einem  dazu  mehr  Berufenen 
überlassen  haben;  dieselbe  könnte  aber  auch  dann  hier  nicht  Platz 
finden  ,  sondern  gehörte  in  eiue  Fachzeitschrift,  da  das  Lehrbuch  nicht 
für  Gymnasien,  sondern  für  polytechnische  (und  humanistische  ?)  Hoch- 
schulen bestimmt  ist.  Was  hier  geschehen  kann,  glaubt  auch  der 
Unterzeichnete  leisten  zu  können,  nämlich  die  Herren  Collegen  auf- 
merksam zu  machen  auf  ein  Werk,  das  nicht  nur  von  dem  immer 
'  mehr  sich  verbreitenden  vortrefflichen  Hülfsmittel  der  Mathematik, 
eine  möglichst  klare  Theorie  bieten  will ,  sondern  auch  die 
historische  Entwicklung  desselben  in  einer  bisher  noch  nicht 
gebotenen  Darlegung  enthält.  Der  Verfasser  verfügt  dazu  über  eine 
Belesenheit  in  der  deutschen  und  ausserdeutschen  mathematischen 
Literatur,  wie  sie  kaum  ein  Zweitor  in  der  Gegenwart  besitzt,  uud 
man  wird  zunächst  von  ihm  lernen  müssen,  bis  man  ihn  zu  verbessern 
im  Stande  ist.  Möglich,  dass  die  S.  3  -  4  erwähnten  Andeutungen 
und  allgemeinen  Bemerkungen  von  Leibnitz  (vgl.  S.  122  und  141) 
eine  ähnliche  eingehendere  Behauptung  verdient  hätten,  wie  die  von 
Laplace  S.  16  —  18,  und  dass  auch  jetzt  schon  von  Gauss  und 
Jacob i  mehr  zu  sagen  war,  als  die  kurze  Erwähnung  des  Letzteren 
S.  18  und  die  zwar  etwas  längere  Mittheilung  über  Gauss  auf  S.  24, 
die  eben  in  keinem  Verhältniss  steht  zu  den  Auseinandersetzungen, 
welche    Bezout,    Vandermonde,    Laplace    und  Lagrange 

gewidmet  sind  Zunächst  muss  man  mit  Dank  die  übersichtliche 
Darstellung  annehmen,  wie  für  ein  zum  Bedürfniss  gewordenes  Hülfs- 
mittel  der  Grundgedanke  in  dem  idealer  angelegten  Leibnitz 
erwacht  und  die  zuversichtliche  Freude  der  geahnten  künftigen 
Bedeutung  in  ihm  erweckt,  aber  erst  die  Wiederfindung  desselben 
durch  den  mehr  der  praktischen  Ausnützung  zugewendeten  Gramer 
die  rechte  Lebensfähigkeit  demselben  gibt,  wie  dann  immer  noch 
längere  Zeit  die  symbolische  Bezeichnung  fehlte,  mit  der  Vandermonde 
einen  anerkennenswerthen  Anfang  machte,  bis  sie  nach  neuen  schöpfe- 
rischen Einwirkungen  von  Gauss  durch  Cauchy  handlich  wurde. 
Der  Verfasser  fügt  sorgfältig  die  von  ihm  benützten  Quellen  bei  und 
ebnet  damit  selbst  der  Kritik  den  Weg. 


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18G 


Die  an  die  historische  Skizze  sich  anreihende  Theorie  ist  hier 
nur  in  ihrem  Anfange  zu  besprechen.  Der  Verfasser  will  in  den 
ersten  4  —  5  Capiteln  für  Studenten  des  ersten  Semesters  schreiben 
und  setzt  als  Norm  der  mitzubringenden  Kenntnisse  die  bayerische 
Maturitätsprüfung  voraus ,  wobei  er  freilich  noch  sogleich  den 
Zusatz  anfügt  „wozu  nur  noch  der  so  leicht  zu  erwerbende  Begriff 
des  partiellen  Differenzialqnotienten  hinzuzutreten  hätte".  Was  fordert 
nun  der  Verfasser  schon  auf  der  ersten  Seite  der  Theorie  (S.  32)? 
Die  Bildung  sämmtlicher  Produkte  zu  »Faktoren  aus  einem  System 
von  n*  Elementen.  Welches  humanistische  Gymnasium  entlässt 
seine  Schüler  mit  dieser  Kenntniss?  Man  sage  nicht,  dass  jeder  nur 
halbweg  mathematisch  Gebildete  Produkte  aus  »»Faktoren  müsse 
bilden  können;  die  Hauptsache  ist,  dass  er  wissen  muss,  wie  er 
sämmtlicbe  Produkte  erhält,  und  wie  kann  er  dies,  wenn  nicht  die 
Determinantenlebre  in  ihren  Elementen  ihm  mitgetheilt 
wurde?  Die  Combinationslehre  mit  dem  binomischen  Lehrsatz  nnd  den 
einfachsten  Anwendungen,  wie  sie  der  bayrische  Schulplan  im  §  14 
nennt,  reicht  dazu  nicht  aus.  Ausreichend  ist  katim  die  Erfüllung 
des  im  §  10  der  Ordnung  für  Realgymnasien  Geforderten  und 
diesen  Umstand  hätte  der  Verfasser  nicht  unerwähnt  lassen  sollen. 
Absolventen  der  Realgymnasien  können  wobl  sein  Buoh  verstehen  und 
diesen  mag  es  auch  leicht  sein,  den  schon  auf  S.  48  nöthigen 
partiellen  Differenzialqnotienten  zu  erfassen;  Absolventen  der  huma- 
nistischen Gymnasien  müssen  erst  noch  in  die  Schule  gehen  ,  und  froh 
sein,  wenn  sie  einen  Lthrer,  sei  es  auf  der  Universität  oder  der 
polytechnischen  Hochschule  finden  In  den  meisten  Fällen  werden 
Bücher  die  Notbhelfer  sein  Eb  wäre  thöriebt,  wenn  wir  Lehrer 
der  Mathematik  an  den  humanistischen  Anstalten  diesen  Mangel 
verschweigen  wollten  Sagen  wir  lieher  den  Schülern,  die  einem 
technischen  Beruf  sich  widmen  wollen,  wieviel  sie  nachholen  müssen, 
wenn  sie  nur  einigermassen  ihren  Coätanen  vom  Realgymnasium 
gleichkommen  wollen.  Wenn  aber  nun  ein  Mal  der  Verfasser  soviel 
voraussetzt,  so  begreife  ich  nicht,  warum  er  „von  den  an  sich  ungleich 
eleganteren  Methoden  der  Combinationslehre  völlig  abseben"  musste. 
Er  scheint  mir  auch  gar  nicht  so  „völlig"  abgesehen  zu  haben.  Nur 
die  Beispiele  auf  S.  33,  34,  37  u  a  und  etwa  Induktionen,  wie  sie 
S.  53  —  55  angewendet  erinnern  daran,  dass  er  Anfängern  unter 
die  Arme  greifen  will.  Er  würde  auch  schwerlich  für  die  Erklärung 
der  Inversionen  auf  die  doch  keinen  Falls  vom  Anfänger  zuerst  zu 
lesende  historische  Skizze  verwiesen  und  den  Beweis  auf  S.  34  —  35 
80  kurz  gefasst  haben,  wenn  er  nicht  an  solche  Leser  gedacht  hätte, 
denen  die  Termini  der  Determinantenlehre  nicht  ganz  unbekannt  sind. 
Doch  damit  käme  ich  in  eine  Beurtheilung  der  Theorie  seihst  ,  die 
nicht  hieher  gehört.  Ich  habe  nur  noch  anzugehen,  dass  das  2.  Capitel 
die  allgemeinen  Eigenschaften  der  Determinanten  behandelt,  das  3.  die 
Determinanten  von  besonderer  Form,  das  4  die  eubischen,  daa  5.  die 
Eliminationsprobleme*),  das  6.  die  Kettenbrucbdeterminanten  ,  das  7. 
die  geometrischen  Anwendungen,  das  8.  die  Functionaldeterminanten, 


•)  Referent  will  nicht  unterlassen  zu  bemerken,  dass  die  verdienstlichen 
Leistungen  des  Herrn  Professor  Nägelsbach  dabei  die  gebührende 
Beachtung  gefunden  haben. 


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187 

das  9.  die  linearen  Substitutionen.  Die  benützten  Quellen  sind  am 
Ende  von  jedem  Capitel  angegeben. 

Möge  das  Werk  in  der  eigenen  Praxis  des  Verfassers  und  iu  der 
vieler  anderer  Lehrer  bald  erprobt  werden  und  es  ihm  in  einer 
2.  Auflage  gefallen,  auch  die  Elemente  der  Determinantenlehre  in 
einen  Wcurs  aufzunehmen,  und  dadurch  zwei  Vortheile  zu  erreichen, 
namlieb  auch  den  von  humanistischen  Anstalten  kommenden  Absol- 
venten sein  Buch  zugänglich  und  die  höher  gehende  Theorie  von  den 
e  ementaren  Beispielen  frei  zu  machen  Schon  jetzt  aber  sei  dasselbe 
allen  Herren  Collegen  aufs  Besste  empfohlen. 


Hof. 


Friedlein. 


Literarische  Notizen. 

Quintus  Horatius  Flaccus  Lieder.  Nach  dem  Texte  der  Ausgabe 
von  Monz  Haupt.  Deutsch  von  Wilh.  Osterwald.  Halle,  Verlag 
der  Buchhandlung  des  Waisenhau.es.  1875.  2  M.  Hübsch  ausgestattet 
und  auch  im  Ganzen  nicht  übel  gelungen;  aber  die  fremden  Metra 
schauen  uns  eben  doch  immer  fremd  an. 

Aescbylos  Perser.  Erklärt  von  W.  8.  Teuf  fei.  2  verbesserte 
und  vermehrte  Auflage.  Leipzig,  Teubner  1875.  Pr.  1  M.  20  Pf  Der 
Flan  der  Ausgabe  ist  in  der  neuen  Aufl.  unverändert  geblieben,  doch 
ist  im  Einzelnen  auf  Grund  der  inzwischen  erwachsenen  Literatur 
und  eigener  Wahrnehmung  des  Verfassers  nachgetragen  und  nach- 
gebessert worden. 

Sophokles  Ajas.  Für  den  Schulgebrauch  erklärt  von  Gustav 
vvoltf.  3  Aufl.  Leipzig,  Teubner  1874  Pr.  1  M.  20  Pf.  Nach 
dem  frühen  Tode  WolfPs  bat  L.  Bellermann  die  Herausgabe  dieser 
Auflage  besorgt,  wofür  übrigens  von  Wölfl  das  Manuskript  druckfertig 
hinterlassen  worden  war. 

Piatons  Verteidigungsrede  des  Sokrates  und  Kriton.    Für  den 
Schulgebrauch  erklärt  von  Dr.  Chr.  Cron    6  Aufl    Leipzig,  Teubner 
h  •  «     1  Text  un^  Anmerkungen  sind  sorgfältig  revidiert, 

benützt f  wnrSf0*'*11  Er8cneinun8Pn  der  einschlägigen  Literatur  tieissig 

Ausgewählte  Reden  des  Lvsias.  Für  den  Schul  gebrauch  erklärt 
JJB  «Ml.  F?  oh  berger.  Kleinere  Ausgabe.  Leipzig,  Teubner. 
1WD.  411  8.  Pr.  3  M.  In  einem  Bande  enthält  diese  kleinere 
Ausgabe  die  in  die  grössere  aufgenommeneu  Reden  mit  Ausnahme 
der  ersten  (über  die  Tötung  des  Eratosthenes),  dazu  die  siebente  (über 
den  Oelbaum)  und  die  zweiundzwanzigste  (gegen  die  Kornbändler). 
W  esentlich  für  den  Gebrauch  der  Schüler  bestimmt,  wiederholt  sie 
aus  der  grösseren  Ausgabe  die  Einleitungen,  jedoch  mit  thunlichster 
Uescbränkung  der  Polemik,  und  den  dem  Standpunkte  der  Schüler 
angepassten  Kommentar,  unter  vermehrter  Bezugnahme  auf  das 
Lateinische.  Der  Text  ist  unter  sorgfältiger  Vergleichung  der  neueren 
einschlägigen  Literatur  festgestellt,  die  Kritik  aus  dem  Kommentar  bis 
auf  wenige  Andeutungen  entfernt 


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188 


Anthologie  aas  den  Lyrikern  der  Griechen.  Für  den  Schal  •  und 
Privatgebrauch  erklärt  und  mit  literaturbistoriscben  Einleitungen  ver- 
Beben von  Dr  E  Bucbbolz,  Prof.  am  Joachimsthal'scben  Gymn.  zu 
Berlin.  Zweites  Baodcben,  die  melischen  und  choriscben  Dichter  und 
die  Bukoliker  enthaltend  2  grossenteils  umgearbeitete  Aurlage. 
Leipzig,  Teubner.  1875  Pr.  1  M.  80  Pf  Das  Werk  erscheint  viel- 
fach berichtigt,  in  Hinsicht  auf  grammatische  und  Sinne6erklärung 
vervollständigt;  die  einschlägige  neuere  Literatur  ist  sorgfältig  benutzt, 
die  Zahl  der  Parallelstellen  aus  andern  Dichtem,  namentlich  aus 
Horatius,  vermehrt. 

Ge8cbicbtstabellen.  Uebersicht  der  politischen  und  Culturgeschichte 
mit  Beigaben  der  wichtigsten  Genealogien  in  synchronistischer  Zusammen- 
stellung. Für  Schulen  und  den  Selbstunterricht  bearbeitet  von  Friedr. 
Kurts,  Rektor  in  Brieg.  Zweite,  vermehrte,  bis  auf  die  Gegenwart 
ergänzte  Auflage.  Leipzig,  T.  0.  Weigel ,  1875.  Die  alte  Geschichte 
erscheint  auf  7  Tabellen,  darunter  eine  mit  Genealogien,  die  mittlere 
auf  6,  wovon  zwei  Genealogien  enthalten,  die  neue  Geschichte  auf 
8  Tabellen,  recht  übersichtlich  dargestellt  Daran  reiht  sich  eine 
Tabelle  mit  einer  Gesammtflbersicht  des  Geschichtsfeldes  und  weiteren 
5  Tabellen  mit  Genealogien  grösstenteils  noch  jetzt  regierender  Häuser. 
In  erfreulicher  Uebersichtlichkeit  ist  ein  sehr  reiches  Material  gegeben, 
das  freilich  zu  einem  etwas  kleinen  Drucke  nötigte.  Jndes  ist  die 
Ausstattung  sehr  lobenswert. 

Titus  und  seine  Dynastie.  Von  M.  Beule.  Deutsch  bearbeitet 
von  Dr.  Ed.  Döbler.  Halle,  Buchhandlung  des  Waisenhauses. 
1875,  147  S.  in  8.  Pr.  2  M.  Der  Verfasser  behandelt  zuerst  in 
einer  „Einleitung"  die  „Abenteurer"  Galba,  Otho  und  Vitellius  und 
schildert  dann  die  Kaiser  des  flavischen  Hauses.  So  ist  das  Werk  mit 
den  vorausgegangenen  Schriften.  Beule's  in  Verbindung  gebracht  und 
in  derselben  Weise  wie  jene  durchgeführt  Nur  hat  der  Uebersetzer 
hier  soviel  wie  möglich  die  Quellen  aufgesucht  und  unter  dem 
Texte  citiert. 

Das  Zeitalter  des  Perikles.  Nach  Filleul  deutsch  bearbeitet  von 
Dr.  Ed.  Döhler.  Zweiter  Band.  Leipzig,  Teubner.  1875.  381  S. 
Pr.  6  M.    S.  S.  336  des  X.  Bl.  dieser  Bl. 

Lebensbilder  und  Skizzen  aus  der  Kulturgeschichte.  Gesammelt 
und  bearbeitet  von  J.  Jastram.  Leipzig,  Teubner  1875.  443  S.  in  8. 
Pr.  5  M.  Das  Buch  dient  den  Lehrern  zur  Präparation,  den  Schülern 
als  belehrende  Lektüre.  Die  meisten  Aufsätze  sind  aus  Gescbicbts- 
werken  oder  Zeitschriften,  wenige  aus  anderen  ähnlichen  Sammlungen 
entnommen.  Der  Verfasser  bat  stellenweise  gekürzt  oder  einzelne 
Stücke  aus  mehreren  Schriftstellern  zusammengearbeitet.  Der  kon- 
fessionelle Standpunkt,  soweit  er  hervortritt,  ist  ein  protestantischer. 

Illustrationen  zur  Topographie  des  alten  Rom.  Mit  erläuterndem 
Texte  für  Schulen  herausgegeben  von  Chr.  Zie  gier.  Stuttgart,  Verlag 
von  Paul  Neff.  Das  1.  Heft  (Pr.  2  M.)  enthält  3  Tafeln,  das  2.  Heft 
in  seiner  ersten  (4  M.)  und  zweiten  Abteilung  (6  M.)  je  4  Tafeln; 
dazu  kommen  2  Heftchen  Text.  Die  Reicblicbkeit  des  Inhaltes ,  die 
Anschaulichkeit  der  Ausführung ,  sowie  die  allgemeine  Nützlichkeit 
solcher  das  Verständniss  des  Altertums  unterstützenden  Hilfsmittel, 
empfehlen  das  Werk  zur  Anschaffung  für  die  Schule,  wo  es  die  Mittel 
erlauben,  auch  für  das  Haus. 


189 


Auszüge. 

Zeitschrift  für  die  österreichischen  Gymnasien. 

8. 

I.  Fortsetzung  der  „Ergänzungen  zum  lateinischen  Lezicon"  von 
Paucker.  — Wörterregister  zu  diesen  Ergänzungen  nebst  den  Nachträgen- 
—  Beiträge  eur  lateinischen  Lezicographie.  Von  J.  W  r  o  b  e  1.  (Die  Samm- 
lung int  ans  Chalcidius,  dem  Interpret  und  Commentator  des  platonischen 
Timaeus).  —  Lyoner  Terenzhandschrift.  Von  W.  Poerster  in  Prag. 
(7  Blätter  Pergament,  v.  522  —  909  des  Heautontimorumenos  enthaltend, 
der  älteste  Repräsentant  der  durch  PCB  (EF)  vertretenen  Gruppe). 

Zeitschrift  für  d  Gy m nasialwesen. 

2. 

I.  Die  Stellung  der  römischen  Elegiker,  vorzugsweise  Ovid's,  auf 
unseren  Gymnasien  Von  Dr.  Gebhard  i.  Der  Verfasser  will  durch 
Beschränkung  der  übrigen  Dichterlektüre  Raum  für  die  Elegiker  schaffen. 
In  der  zu  treffenden  Auswahl  müssen  vor  allem  Catull,  in  zweiter  Beihe 
Tibull,  weniger  Properz  vertreten  sein.  In  Sekunda  seien  Stücke  aus 
Ovid's  exilischen  Gedichten  und  den  Fasten,  in  Prima  aus  dem  ersten 
Teile  der  Ovid'schen  Dichtungen  zu  lesen.  Die  Sammlungen  von  Volz  und 
Seyffert  genügen  nicht.  Schliesslich  nimmt  sich  der  Verfasser  des  sittlichen 
Charakters  obiger  Dichter  an.  —  Zur  Erklärung  des  Vergilius.  II.  Von 
Dr.  Nauck  in  Königsberg.  (Aen.  IV.  381  416.  III.  392.  V.  289  f. 
IV.  328.  —  Zur  Gymnasialreform.  Von  Dr.  Hollenberg  (aus  einem 
Vortrage  von  Prof.  Baumann  in  Göttingen:  „Ueber  den  wahren  Grund  des 
Wertes  klassischer  Bildung  für  die  Jugend"). 

III.  Jahresberichte  des  Philologischen  Vereins  zu  Berlin:  Cornelius 
Nepos  von  Dr.  Gemss;  Sallust  von  Mensel. 

8. 

I.  Ueber  die  Prüfung  pro  facultate  docendi.  —  Drei  ungedruckte 
Briefe  von  Joh.  Heinr.  Voss.   Von  Dr.  Kohl  mann. 

III.  Jahresberichte  des  philologischen  Vereins  in  Berlin :  Livius.  Von 
Dr.  H.  J.  Müller.  (Madvig-Ussing  [lib.  I-V];  Wölfflin  [lib.  XXI]; 
Weissenborn  [XXV  -  XXVIII.   2.  Aufl.] ;  einzelne  kritische  Beiträge). 


Statistisches. 

Ernannt:  Ass.  Obermeier  in  Regensburg (Konk.  1873)  zumStudl. 
in  Wei8senburg  a/S-;  Ass.  Welzbofer  am  Realgyrn.  in  Regensburg 
(Konk  1873)  zum  Studl.  in  Schwabacb;  Bei. -Lehrer  Köhler  in  Würzburg 
zum  Rel. -Prof.  in  Speier;  Studl.  Haubenstricker  in  Günzenhausen 
zum  Subrektor  in  Kulmbach;  die  Lehramtskand. :  Wehrle  zum  Lehramts- 
verw.  für  neuere  Sprachen  an  der  Gewerbschule  Lindau,  Gummi  zum 
Lebramtsverw.  für  Mathematik  und  Physik  an  der  Kreisgewerbschule 


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190 


Kaiserslautern;  zum  Lehrer  der  kath.  Religion  an  der  Kreisgewerbschule 
Augsburg  Vikar  Kästner;  Assis.  Schönlanb  für  Zeichnen  von  der 
Kreisgewerbschule  München  als  Lehrer  an  der  Latein-  und  Realschale 
Kahnbach ;  Lehramt  sverw.  Fischer  von  der  Gewerbecbule  Kaufbeuern  als 
Lehrer  für  Hundelswissenscbafteu  an  der  Gewerbschale  Kitzingen;  der 
Lehrer  für  Mathematik  nnd  PLjsik  Rudel  von  der  Kreisgewerbschule 
Augsburg  als  Lehrer  für  Physik  und  Rektor  an  der  Gewerbschule  Bamberg ; 
die  Lehramts  kund.  Düll  und  Weinberger  zu  Lehramt  sverw.  für 
Mathematik  und  Physik  an  den  Gewerbschulen  Lindau,  bozw.  Passau;  die 
Lehramtsverw.  Renz  zum  Lehrer  für  Mathematik  und  Physik  an  der 
Gewerbschule  Ingolstadt,  huber  zum  Lehrer  für  Chemie  und  Natur- 
wissenschaften an  der  Gewerbschule  zu  Rothenburg  a/T. ;  der  Lehrer  für 
Mathematik  und  Physik  an  der  Gewerbschule  Schweinfurt,  Botz  als  Lehrer 
derselben  Fächer  und  Rektor  an  der  Gewerbschule  Landshut ;  der  Studien- 
lehrer Priester  Wagner  als  Lehrer  für  kath.  Religion  an  der  Gewerb- 
schule Dinkelsbühl. 

Versetzt:  Der  Rektor  und  Lehrer  für  Mathematik  und  Physik 
Sperl  von  der  Gewerbschnle  Landshut  in  gleicher  Eigenschaft  an  die 
Kreislandwirtschaftsschule  Lichten huf;  der  Lehrer  für  Mathematik  und 
Physik  ,  Neu  von  der  Gewerbschule  Landau  in  gleicher  Eigenschaft  an  die 
Kreisgewerbschule  Augsburg;  der  Lehrer  für  Mathematik  und  Physik  an  der 
Gewerbschule  Straubing,  Geyer  iu  gleicher  Eigenschaft  an  die  Gewerbschule 
Amberg;  der  Lehrer  für  Chemie  und  Naturwissenschaften  an  der  Gewerb- 
schule Neostadt  a.  II  ,  List  in  gleicher  Eigenschaft  an  die  Gewerbschule 
Würzburg;  der  Handelsleiter  Czeschner  als  Lehramtsverw.  für  Handels- 
wissenschaft an  die  Gewerbschule  Kaufbeuern;  der  Ass.  für  Chemie  und 
Mineralogie,  Bachmeyer,  als  Ass.  für  Chemie  an  die  Kreisgewerbschule 
Nürnberg. 

Quiesciert:  Der  Lehrer  für  Physik  an  der  Gewerbschule  Bamberg, 
Herzogenrath  auf  1  Jahr 

Gestorben:  Der  Prof.  für  Zeichnen  am  Realgymnasium  Nürnberg, 
Wolff;  Prof.  Gross  in  Passau;  Studl.  Dyrmeier  in  Hassfurt. 


Berichtigung. 

Seite  127  Zeile   7  von  oben  lies:  -Vr  statt  -r4^ 

„      „       „    13   „      „  „Umfangen,  aber  jeweils  gleichem 

Inhalte  zu  zeichnen''  statt  „Umfangen  und  gleichem  Inhalte  aber  jeweils 
zu  zeichnen". 


Oedrackt  bei  J.  Ootteiwinler  4  MömI  in  München,  The*Üner§tr»M«  18. 


Ophlr  and  Tharschisch. 

Ueber  die  Lage  dea  Goldlandes  Ophir  besteht  schon  seit  langer 
Zeit  grosse  Meinungsverschiedenheit;  weniger  Ober  die  von  Tharschisch. 
Da  nun  Ophir  auch  in  den  Geschichtswerken  häufig  erwähnt  wird,  so 
lohnt  es  sich  immerhin  der  Mühe,  darüber  noch  nähere  Nach- 
forschungen anzustellen. 

Die  Hauptquellen  hierüber  sind  die  Bücher  der  Könige  und  der 
Chronik,  sowie  überhaupt  das  alte  Testament,  dann  Flavias  Josephus. 

Daraus  geht  nun  Folgendes  hervor:  Javan  ('/awaVvf),  ein  Sohn 
Japhets,  von  dem  die  Joner  und  alle  Hellenen  stammen  (sollen),  hatte 
als  Söhne:  Elisa  ('EXiaag),  wovon  die  Elisäer  (Aeoler),  Tharschisch 
(SaQooe),  wovon  die  TharBcr  (Cilicier),  Chittim  (X^t/4of),  wovon  Chetim 
(Cypern,  Ktxiov)  kommen  soll  (I.  Mos.  10,  4;  Jos.  Arch.  I,  6,  1).  — 

Wir  haben  nun  in  Cilicien  auch  eine  Stadt  Tarsos,  eine  Colonie 
der  Phönizier;  dessgleichen  finden  wir  im  südwestlichen  Spanien  das 
Land  Tarsis  (Tarschisch)  mit  Tartcssus ,  das  ebenfalls  von  "den  Phöni- 
ziern kolonisirt  wurde.  Eben  dieses  Tarschisch  in  Spanien  ist  nun 
das  in  der  Bibel  so  häufig  genannte;  denn  ein  anderes  Tarschisch  lässt 
sich  nicht  nachweisen.  Die  Fahrt  ging  von  der  syrischen  Küste,  z.  B. 
von  Joppe  (Jon.  1,  3),  aber  auch  von  Ezjon- Geber,  also  vom 
rothen  Meere  aus,  dahin  (2  Chron.  20,  35  —  37).  — 

Die  Lage  Ophir's  ist,  wie  gesagt,  schwieriger  zu  bestimmen.  Doch 
wir  gehen  in  den  Quellen  weiter.  Cham's  Abkömmlinge  verbreiteten 
sich  zuerst  von  Noe's  Nachkommen  in  südwestlicher  Richtung,  nämlich 
über  Syrien,  Arabien,  Aegypten,  Aethiopien  und  Libyen  (Jos.  Arch.  • 
I,  6,  2).  Diesen  rückten  nach  Abkömmlinge  Sem's.  Sem's  Urenkel, 
Arphaxad's  Enkel,  ist  Eber  (Jos.  Arch.  I,  6,  4).  Dieser  hat  zwei 
Söhne:  Phaleg,  von  welchem  im  öten  Gliede  Abram  stammt,  und  Joktan 
(iovxras).  Des  letzteren  Söhne,  darunter  Ophir  COtpstgrjs),  wohnen 
nach  I.  Mos.  10,  29  und  30  von  Mesa  bis  nach  Sephar,  einem  Gebirge 
gegen  Osten ,  also  etwa  vom  südlichen  Arabien  bis  zum  Pasitigris. 
Josephus  dagegen  lässt  sie  wohnen  vom  Kophen,  einem  von  Westen 
kommenden  Nebenflusse  des  Jndus,  und  dem  ihm  anliegenden  Arien 
an  (nach  Westen)  —  ano  Kcoyijvos  noxttpov  xns  'ivdixfc  xai  xije  tiqos 
«wry  'Jqias  xivä  xuroixovot.  —  Allein  da  Arphaxad,  wie  Josephus 
seihst  vorher  sagt,  über  die  Arphuxadäer  (Chaldäer)  herrschte,  so  hat 
I.  Mos.  fO,  29  und  30  ohne  Zweifel  das  Richtige. 

Wohl  wegen  dieser  Stelle  bei  Moses  suchen  Einige  Ophir  in 
Arabien    Aber  da  die  Könige  Arabiens  und  die  Statthalter  überall 

Blätter  f.  d.  b»j«r.  Ojinn.-  u.  Real  -  Schul w.    XI.  Jahrg.  13 


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1<U 


neben  Ophir  und  Thargcbisch  erwähnt  werden  (1.  Kön.  10,  15;  2  Chron. 


ßaotteis  eneft  ioy  ftvru  dtoQetSy),  so  wird  diese  Annahme  wohl  nicht 
richtig  sein. 

Die  Meisten  dagegen  verlegen  es  nach  Indien.  So  schon  die 
Siebzig,  welche  ZtoyiQ,  SuiyeiQa,  2<6tptQtt  übersetzen,  d.  i.  nach 
koptischen  Glossographen  Indien.  Man  denkt  dann  an  die  alte  Stadt 
lovnaQtt,  OvnnuQtt  (d.  i.  superior)  in  der  Gegend  von  Goa  auf  der 
heutigen  Malabarküste  (Gesenius-  Dietrich ,  liebr.  und  chald.  Hand- 
wörterbuch, Leipzig,  1868,  bei  dem  Worte  Ophir).  —  Dessgleichen  thut 
natürlich  auch  Josephus  (Arch.  VIII,  6,  4:  eis  r/>  unXui  [üv  Zi6tpet(>«v 
vvv  äe  XQvaijv  y^v  xftkovuiyriv  (ryg  h'Jtxrjs  eariy  avrq)  %Qva6v  tevioi 
xopiaui).  —  Diesen  folgen  dann  Bochart  und  Ileland,  ebenso  Ritter, 
Erdkunde  VIII,  2,  348  ff,  und  Lassen,  Indische  Alterthümer  I,  538  f, 
welche  letztere  auf  Abhtra,  einen  Küstenstrich  östlich  von  den  Münd- 
ungen des  Indus,  verweisen. 

Dass  aber  auch  Indien  nicht  das  Land  ist,  in  welchem  Ophir  lag 
dürfte  schon  aus  dem  Nächstfolgenden  hervorgehen.  Bei  Ezechiel 
27,  12  -  26  wird  nämlich  der  Handel  von  Tyrus  mit  denjenigen 
Völkern  geschildert,  mit  denen  es  in  Verkehr  stand,  dabei  aber  Indiens 
keine  Erwähnung  gethan ;  dagegen  werden  genannt :  a)  Tarschiscb 
brachte  Silber,  Eisen,  Zinn  und  Blei  (12).  —  b)  Javan  (die  Jonier, 
Griechen),  Thubal  (Tibarener,  ein  Volk  in  Pontus  in  Kleinasien,  nach 
Josephus  die  Thobeler  [Iberer]),  Meschech  (die  Moscher  zwischen 
Iberien,  Armenien  und  Kolcbis,  nach  Josephus  die  Kappadoker,  Stadt 
Mazaka)  gaben  Menschen,  Kupfergeschirre  für  Tyrus  Waaren  (13).  — 
c)  Aus  dem  Hause  Thogarma's  (Armenien?,  nach  Josephus  die  Tbor- 
gamäer  [Pbrygier])  brachte  man  Pferde  und  Maulthiere  auf  Tyrus' 
Märkte  (14).  —  d)  Die  Sohne  Dedan's  (Insel  Daden  im  persischen 
Meerbusen,  oder  Volk  in  Arabien  oder  Aetbiopien)  und  viele  Inseln 
brachten  Horn  ,  Elfenbein  und  Ebenholz  (15).  —  e)  Syrien,  Juda  und 
Damaskus  handelten  mit  dir  (16  —  18).  —  f)  Wedan  (in  Arabien)  und 
Javan?  brachten  von  Usal  (Jemen)  verarbeitetes  Eisen  und  gaben 
Kasia  und  Kalmus  für  deine  Waaren  (19).  —  g)  Dedan  (wohl  ein 
anderes  als  das  obige,  s.  Gesenius- Dietrich,  hebr.  Lexikon)  bandelte 
mit  dir  mit  Decken  zum  Reiten  (20)  —  h)  Arabien  und  alle  Fürsten 
von  Kedar  (in  Arabien)  trieben  Handel  mit  dir  (21).  —  i)  Die  Kauf- 
leute von  Saba  (Sabäer  in  Arabien  und  Aethiopien)  und  Raöma 
(Kuschiten)  brachten  Balsam,  Edelsteine  und  Gold  (22).  —  k)  Haran 
(in  Mesopotamien) ,  Kanne  (Ktesiphon?)  und  Eden  (in  Mesopotamien 
oder  Assyrien?),  die  Kaufleute  aus  Saba,  Assur  und  Kilmad  (wahr- 
scheinlich bei  Assur)  handelten  mit  dir  mit  köstlichen  Kleidern,  blauen 


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195 


und  gestickten  Tüchern,  etc.  (23).  --  Die  Schiffe  von  Taracbisch 
beförderten  hauptsächlich  deinen  Handel  (25).  — 

Sind  auch  für  uns  manche  der  angeführten  Orte  oder  Länder  nicht 
ganz  bestimmt,  so  geht  doch  so  viel  mit  Gewissheit  daraus  hervor 
dass  sich  der  Handel  von  Tyrus,  also  wohl  von  Phönizien  überhaupt* 
im  erythräischen  Meer*  nach  Osten  hin   nicht  Ober  den  n»Nioni, '  ' 
Meerbusen  hinaus,  erstreckte. 

Aber  Ophir  ist  gar  nicht  erwähnt!  Nun  ich  spreche  hier  einst 
weilen  die  Vermutung  aus,  dass  es  unter  (25)  mit  einbegriffen  ist 
dass  es  also  auf  der  Fahrt  nach  Tarscbisch  lag,  und  ich  werde  dieses 
im  Folgenden  zu  beweisen  suchen. 

Wir  haben  vorher  Joktan's  Söhne,  darunter  auch  Ophir,  in  Arabi 
wohnend  getroffen.  Es  drängten  aber  weiter  nach  Süden,  resp  Arabien* 
hin  Ismael,  der  zweite  Stammvater  der  Araber,  und  seine  Nachkommen' 
Kndlich  breiteten  sich  die  Söhne  der  Chetura  ebenfalls  nach  dieser 
Richtung  hin  aus;   Abraham  selbst  betreibt  ihre  Anaiedlung  (anoixt^ 
atoXovs  /u^«v«r«t    Jos.  Arch  I,  15),  und  Bie  nehmen  Troglodytis  und 
das  glückliche  Arabien  bis  zum  erythräischen  Meere  hin  ein-   iÄ  • 
Enkel  der  Chetura,  der  Sohn  des  Madianes,  Opbren,  erobert  /»ari 
Josephus)  Libyen  und  seine  Enkel  nennen  es  nach  ihm  Afrika    N  h 
einer  andern  Angabe  wird  Libyen  sogar- Schoo  von  Söhnen  derCbetn 
von  Aphera  und  Japhra,  Afrika  genannt.  Jedenfalls  zeigt  sich  n 
viel  deutlich,  wie  damals  die  Völker  vom  Norden,  vom  Euphrat  7 
nach  Südwesten  bis  nach  ^rabien  hin  und  an  die  Ostküste  von  Afrikü' 
vordrängten    Da  ist  es  nun  zum  wenigen  nicht  unwahrscheinlich 
dass  auch  Opb.r  oder  se.ne  KwhkoB.ee  nach  Afrika  hinüber« ten 
und  das  Land  nach  ihm  so  benannt  wurde,  «««fizieg 

Wie  dem  aber  auch  sei,  so  viel  geht  aus  unsern  Quellen  un- 
zweifelhaft  hervor,    ass  d,o  Phönizier  unter  König  Hiram  von  Tr", 

rLtr   W    "  d°S1König3  »»  ^jon-  Geber  aus  Z 

rbarechisch  fuhren ,  also  um  dag  Vorgebirge  der  guten  Ho«« 
herum,  1000  Jahre  vor  Christus:  £,  hJm  /Ute"  Ef% 

„Denn  d*  Schiffe  de,  Königs  (Salome)  fuhren  nach  i^Zl 
kn«|taU3irams;  einmal  in  drei  Jahren  kamen  die  Tbar*. 
•      MKd  dachte,  Gold  ond  Silber,  und  Flfe.*- 
Ij^ieselbe  Fihrt  ist  gemeint  I.  Kön.  JO.  * 

^  (S']om»  *«tte  ein  TharschiK*-* 
*i  einmal  iQ  drei  Jahre..  ktK 

'Silber,  und  Elfenbein  nW  i 
fȆet  aber  auch  Jose/h* 

»eiche  der  König  i» 
M  Mch  innen   ;iefcea*e  ' 
^^Hpf  deren  £r.df  ^ 


Schiffe 


C 


Silber  gebracht  wurde  und  viel  Elfenbein  und  aethiopische  Affen.  Die 
Hin-  und  Rückfahrt  vollendeten  sie  in  drei  Jahren".  (noXXai  y«g  $<snv 
vavs,  ä(  6  ßaoiXevi  iv  xg  Tagaixfj  XeyopivR  »aXurxfl  xaxaax^aag  anuyav 
ti{  xd  ivdoxiQU}  xiov  i&ytZy  nuvxoiav  iunoQtay  nqoaixa^v  atv  i^Sfino- 
Xovfit'ytov  tiyyvQOf  xrti  xqvoos  ixofAtCeto  xw  ,  UcatXei  xai  noXvg  iXeyas 
Al&iones  xai  nidijxoi.  roV  de  nXovy  amoioai  xe  xai  £/iav£Qx6fieyin 
TQiciv  execiy  ijvvoy). 

Dass  in  den  angeführten  Stellen  die  Fahrt  von  Ezjon-  Geber  an 
beginnt,  geht  deutlich  daraus  hervor,  dass  ja  in  allen  Stellen  der  Bibel 
und  bei  Josephus,  so  viele  nämlich  hieber  sich  beziehen,  nur  von  der 
Schifffahrt  von  Ezjon -Geber  die  Rede  ist.  —  Mit  ausdrücklichen 
Worten  aber  wird  diese  Fahrt  (vou  Ezjou-  Geber  nach  Tharschisch) 
erwähnt  in  der  schon  citirten  Stelle  2  Chron,  20,  3j  —  37,  wo  es 
heisst:  „Und  Josaphat,  König  von  Juda  (reg  1)14  —  891  v.  Chr.)  ver- 
band sich  mit  Ahasja,  dem  Könige  von  Israel,  Schiffe  zu  bauen  und 
nach  Tharschisch  zu  fahren ;  und  sie  bauetcn  Schiffe  zu  Ezjon  -  Geber. 
Und  es  weissagte  Elieser ,  der  Sohn  Dedava's ,  von  Marescha  wider 
Josaphat,  indem  er  sprach:  „Weil  du  dich  verbunden  hast  mit  Ahasja, 
so  hat  Jchova  deine  Werke  zerrissen.  Und  die  Schiffe  wurden  zer- 
trümmert und  vermochten  nicht  nach  Tharschisch  zu  fahren".  — 
Dies  geschah  zwischen  897  und  895  v.  Chr. ,  da  Ahasja  in  diesen 
Jahren  regierte. 

Nach  Josephus  Arch.  IX ,  1 ,  4  hätten  Josaphat  und  Ahasja  wohl 
im  Verein  Schiffe  gebaut,  sie  wären  aber  nach  dem  Pontus  und  nach 
den  Häfen  von  Thrazien  gesegelt.  Allein  da  Ezjon -Geber  noch  an 
einer  andern  Stelle  genannt  wird,  worauf  ich  zurückkommen  werde,  so 
berichtet  Josephus  hier  ohne  Zweifel  irrthümlich. 

Die  Phönizier  scheinen  aber  schon  vorher  die  Fahrt  von  Spanien 
aus  in  der  Richtung  nach  Ezjon -Geber  gemacht  zu  haben.  Das  deutet 
an  2  Chron.  8,  17  und  18,  wo  es  heisst:  „Darnach  ging  Salomo  nach 
Ezjon -Geber,  und  nach  Eloth  am  Ufer  des  Meeres  im  Lande  Edonr 
Und  Hiram  sandte  ihm  durch  seine  Knechte  Schiffe  und  Knechte, 
kundig  des  Meeres,  etc.".  Vergl  Jos.  Arch.  VIII,  6,  4.  Sie  (die  Phönizier) 
haben  also  schon  vorher  das  Meer  um  Afrika  herum  gekannt,  und 
Hiram  scheint  mit  Salomo  desswegen  in  Handelsverbindung  getreten 
zu  sein,  um  im  Osten  von  Afrika  in  dem  tüchtigen  Hafenplatz  Ezjon  - 
Geber  einen  festen  Stützpunkt  für  seinen  Handel  zu  gewinnen.  Das 
dortige  Land  gehörte  nämlich  damals  den  Juden  (S.  Jos.  Arch.  VIII, 
6,  4:  uvxtj  yitQ  ij  Xt"dti  T(y'  nQiy   lovd'aiiay  qyi. 

Diese  Fahrt  wurde  aber,  als  die  Handelsverbindung  der  Juden  mit 
den  Phöniziern  aufhörte,  unterbrochen,  denn  schon  Josaphat  konnte  sie 
100  Jahre  nachher  nicht  mehr  bewerkstelligen.  Erst  im  Auftrage  des 
Königs  Necho  von  Aegypten  wurde  sie  600  v.  Chr.  von  den  Phöniziern 


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197 


neuerdings  ausgeführt.  Herodot  beschreibt  sie  uus  näher  IV,  42:  Die 
Phönizier  brechen  im  rothcn  Meere  (ix  rijs  iQv9(>r^  »aXunaqs)  auf, 
segeln  nach  Süden  und  halten  im  Herbste  an,  wo  sie  gerade  sind,  und 
besäen  das  Land ;  nach  der  Aernte  fahren  sie  weiter,  so  dass  die  Hin- 
fahrt zwei  Jahre  dauert.  Im  dritten  kommen  sie  auf  der  Fahrt  durch 
die  Seulen  des  Herkules  nach  Aegypten  zurück. 

Ks  ist  nun  noch  zu  zeigen,  dass  die  Fahrt  nachOphirin  derselben 
Richtung  ging  und  mit  denselben  Schiffen  wie  nach  Tharschisch 
gemacht  wurde:  a)  Schon  der  Zusammenbang  von  1.  Kön.  9  27  und  28 
mit  10,  1  zeigt,  dass  diese  Fahrt  (nach  Ophir)  in  der  Richtung  nach 
Afrika  (Aethiopien)  hinging.  Denn  vorzüglich  durch  Scbifffahrts-  und 
Handclsverbindung  konnte  die  Königin  von  Saba  das  Gerücht  von 
Salomo  hören  Nun  geht  aber  aus  der  von  Josephus  beschriebenen 
Fahrt  ausdrücklich  hervor,  dass  man  an  verschiedenen  Punkten  anhielt. 
—  b)  Bei  allen  Stellen,  die  von  Tharschisch -Schiffen  sprechen,  ist  es 
das  natürlichste,  unter  diesen  nichts  anderes  zu  verstehen,  als  Schiffe, 
die  von  Tarsis  kamen  und  dahin  gingen,  besonders  im  sogenannten 
tarsischen  Meere.  Es  heisst  nun  1  Kön.  22,  49:  „Josaphat  machte 
Tharschisch -SchifTe,  um  nach  Ophir  zu  fahren  des  Goldes  wegen; 
aber  man  fuhr  nicht,  denn  die  Schiffe  wurden  zertrümmert  zu  Ezjon- 
Gebcr".  Vergl.  damit  1  Kön.  10,  22.  c)  Den  deutlichsten  Beweis 
aber  für  die  aufgestellte  Behauptung  erhalten  wir,  wenn  wir  die  zwei 
Stellen :  2  Chron.  20,  35  -  37  und  1  Könige  22,  49  mit  einander  ver- 
gleichen. In  beiden  Stellen  wird  offenbar  dasselbe  Factum  berichtet, 
es  ist  von  dersslben  Unternehmung  die  Rede  Die  eine  Stelle  lautet 
aber:  ,, Josaphat  und  Ahasja  bauten  aber  zu  Ezjon- Geber  Schiffe,  um 
nach  Tharschisch  zu  fahren  etc.",  die  andere:  „Josaphat  machte 
Tharschisch- Schiffe,  um  nach  Ophir  zu  fahren  etc.".  Demnach  war 
die  Fahrt  nach  Ophir  und  Tharschisch  (der  Richtung  nach)  dieselbe. 

Von  den  neueren  gelehrten  Forschern  gelangten  zwei  zu  dem  fast 
gleichen  Resultate.  Movers  nämlich  (Phöniziscbe  Altertbümer)  und 
Roscher  (Ptolemäus  und  die  Handelsstrassen  in  Centraiafrika)  suchen 
das  Goldland  des  Alterthums  in  Westafrika;  weil  sie  aber  nicht  zu 
der  Annahme  gelangten,  dass  die  Phönizier  damals  schon  Afrika 
umschifften,  so  nahmen  sie  einen  Handelsplatz  Ophir  an  der  Ostküste 
Afrika's  an,  von  wo  aus  man  die  indischen  Artikel  eintauschte. 
Indessen  scheint  dieses  nicht  nöthig ,  denn  die  genannten  Artikel,  als 
Gold,  Silber,  Edelsteine,  Elfenbein,  Algummi  oder  Ebenholz,  Affen, 
lieferte  Afrika  insgesamrat,  es  müssten  denn  keine  Pfauen  dort  ein- 
heimisch gewesen  sein.  -  Nach  meiner  Ansicht  ist  Ophir  entweder  Afrika 
überhaupt  (südlich  von  Aegypten,  Aethiopien  und  der  Sandwüste),  oder 
speziell  eben  das  Land  im  Westen,  die  jetzige  Goldküste,  die  wahr- 


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Bcheinlich  noch  jetzt  daher  den  Namen  trägt  und  wovon  noch  jetzt 
Gold  und  Elfenhein  die  vorzüglichsten  Ausfuhrartikel  sind. 

Dass  die  Phönizier  diese  Fahrten  nach  dem  Goldlande,  besonders 
vor  den  Griechen  zu  verheimlichen  suchten,  ist  wohl  ganz  natürlich. 

Fassen  wir  nun  das  Resultat  dieser  Untersuchung  zusammen,  so 
dürfte  sich  ergeben: 

1)  dnss  die  Phönizier  schon  1000  Jahre  vor  Christus  Afrika 
umschifften ; 

2)  dnss  Ophir  oder  das  Goldland  der  Alten  die  jetzige  Gold- 
küste (in  Westafrika)  ist,  oder  wenigstens  dass  man  es  jedenfalls 
in  Afrika  zu  suchen  hat; 

3)  daas  Tharschisch- Schiffe  solche  Schiffe  wnren,  die  von 
Tharechisch  kamen  oder  dahin  fuhren,  namentlich  im  sogenannten 
Tarsischen  Meere,  das  Afrika  im  Osten,  Süden  und  Westen  umgab. 

Wenn  endlich  Diodor  (Lib.  V,  capp.  19  und  20)  erzählt,  dass  die 
Phönizier  nach  einer  grossen  Tnsel,  mehrere  Tagreisen  von  Libyen  aus 
gegen  Westen  liegend  und  von  schiffbaren  Strömen  durchschnitten, 
gekommen  seien,  so  dürfte  man  kaum  von  der  Wahrheit  abirren,  wenn 
man  annimmt,  dass  sie  auch  nach  Amerika  gefahren  sind.  Wer  sollte 
sonst  die  orientalische  (Phönizische?)  Cultur,  wovon  die  in  neuerer 
Zeit  dort  aufgefundenen  Alterthümer  zeugen,  hingebracht  haben? 

Speyer.  Prof.  Preu. 


Kritisches. 

Bei  der  Lektüre  von  Autoren,  die  ich  kürzlich  vornahm,  sind  mir 
verschiedene  Stellen  aufgestossen ,  die  mir  einer  Heilung  bedürftig 
erschienen.  Meine  Versuche  will  ich  im  Folgenden  dem  Urteile 
geneigter  Leser  vorführen.  Lysiaa  or.  7.  §  22.  y,KaUoi  el  ynattg  pHösiv 
Trjy  uootuf  dff  c<yi{oyrv  zovg  ivvitt  ayfoyTttg  intjyayeg  rj  <  Xlovg  rivdg 
rtuy  4t  1 AqbIov  iittyov,  ovx  av  kri^ioy  tifei  ooi  ^ictqrvQ<üyil.  So  Steht  in 
den  gewöhnlichen  Ausgaben,  während  cod.  Heidelberg  „et  (pyg  ideiy" 
bietet.  Da  aber  (ptjoag  kaum  eine  attische  Form  ist,  überdies  hier  ein 
bezeichnender  Ansdruck  mit  Rücksicht  auf  die  Anklage  der  <puoig  ver- 
langt wird,  so  schlug  Meutzner  vor:  <pnvag  fSitieiv.  Richtig  bemerkte 
aber  Kayser,  dass  dy?  Construktion  gpijV«?  mit  dem  Infinitiv  hier  unzu- 
lässig sei,  so  dass  Rauchenstein  in  der  4  Auflage  seiner  Ausgabe  sich 
bewogen  fand,  nun  auch  idetv  zu  verwandeln  in  Mr.  Dass  dies  keine 
methodische  Kritik  ist,  dürfte  wohl  klar  sein.  Legen  wir  die  Lesart 
der  Heidelberger  Handschrift  <pf,s  zu  Grunde,  so  lässt  sich  wohl  tfrtg 
als  Sigel  betrachtet,  ebensowohl  gsjaag  als  tpr^ag  auflösen,  welch7 


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199 


letzteres  Wort  unbedingt  hier  stehen  muss,  einmal  als  Anspielung  auf 
den  Namen  der  Klage  (yuoig),  und  dann  zur  Bezeichnung,  dass  Siko- 
machus  den  Beklagten  den  neuu  Archonten  hätte  zeigen  sollen ,  wie  er 
den  Baumstamm  herausriss.  Mit  dieser  Erklärung  habe  ich  auch 
zugleieh  meine  Vermutung  gegeben:  „qpjjV«?  f*e  ri?V  fiogiav  dipavlCorta 
xrk.  Denn  i&eiy  ist  ein  Glossem,  das  ein  Leser  oder  Lehrer  —  deun 
dass  Lysias  in  den  Schulen  traktirt  wurde,  ist  bekannt  -  hinzu  schrieb, 
um  das  dem  Schüler  oder  ihm  selbst  fremdartige  (ptjvag  zu  erklären. 
Solche  Zusätze  finden  sich  in  allen  Handschriften  teils  schon  im  Texte, 
teils  noch  am  Rande.  Ueberhaupt  lassen  sich  bei  Lysias  solche  und 
noch  grössere  Interpolationen  in  Masse  nachweisen.  Die  Uebersetzung 
lautet  also  ungefähr:  „Ja,  wenn  du  die  neun  Archonten  oder  einige 
beliebige  Mitglieder  des  Areopags  hingeführt  hättest,  indem  du  auf 
mich  wiesest,  wie  ich  den  Oclbaum  vernichtete,  so  hättest  du  keine 
weiteren  Zeugen  nötig  gehabt".  Diese  Bedeutung  des  Particips  Aorist 
erscheint  vielleicht  bedenklich;  aber  wenn  einem  Aorist  ein  Particip 
des  Aorist's  angefugt  wird,  so  bezeichnet  dasselbe  insofern  jenem 
Gleichzeitiges,  als  es  ausdrückt,  wodurch,  worin  eben  die  Handlung 
des  Aorist's  sich  äussert.    Vergl.  Krüger,  gr.  Spr.  53,  6.  8  und  56.  8. 

Tac  dial.  c.  3  Halm:  „Tum  ille.  Leges,  inquit,  quid  Maternus 
sibi  debuerit,  et  agnosces  quae  audisti"-  Für  diese  so  oft  versuchte 
Stelle,  von  der  ich  wol  diu  vielen  guten  und  schlechten  Vermutungen 
nicht  anzuführen  brauche,  glaube  ich  eine  einfache  Lösung  empfehlen 
zu  können.  Kurz  vorher  nemlich  bespricht  Secundus  eine  Tragödie 
des  Maternus,  Cato  betitelt,  mit  der  jener  so  sehr  Anstoss  erregt  habe; 
er  spricht  dabei  den  Rat  aus  -  denn  dieses  liegt  offenbar  in  der 
Frage  — ,  Maternus  möge  bei  einer  Umarbeitung  dieses  Stückes  seinem 
Helden  einen  ruhigeren  and  nicht  so  verletzenden  Standpunkt  anweisen, 
dem  er  vorher  mit  Vorbedacht  die  gefährlichsten  Acusserungen  in  den 
Mund  gelegt  habe  (cf.  c.  2  und  10).  Darauf  entgegnet  Maternus:  „Du 
wirst  lesen,  was  er  (der  Held  der  Tragödie,  Cato,  nach  seinem  Charakter 
und  seiner  Vergangenheit)  sich  schuldig  gewesen  ist".  Dass  aber  in 
diesem  Satze  und  überhanpt  an  dieser  Stelle  nur  von  Cato  die  Rede 
sein  kann,  ersieht  man  schon  aus  dem  Folgenden:  „quod  si  quae 
otnisit  Cato,  sequenti  recitatione  Thyestes  dicet".  Eine  Glosse  ist  also 
Maternus,  sei  es  zu  inquit,  damit  ebenso  der  Sprechende  bezeichnet 
werde  wie  vorher  Secundus,  nachher  inquit  Aper,  oder  weil  man 
fälschlich  Maternus  als  Subjekt  des  Satzes  quid  sibi  debuerit  annahm. 
Denn  soweit  ich  mich  erinnere,  gebraucht  in  diesem  Dialog  der 
Sprechende  von  sich  die  erste  Person  und  setzt  nicht  dafür  seinen 
Namen.  Debere  ferner  in  der  Bedeutuug  „sich  schuldig  sein,  zu  etwas 
verpflichtet  sein"  brauche  ich  wohl  nicht  nachzuweisen;  es  lehren  das 
ja  genug  die  Lexika.  Dass  endlich  Maternus  in  solch'  stolzem  Tone  von 


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200 


Beinern  Helden  sprechen  durfte,  erlaubte  der  bekannte  Charakter  dieses 
starren  Republikaners,  den  Maternus  sich  zum  Ideal  genommen  hatte.  — 
Dass  aber  nicht  blos  Eigennamen  leicht  interpolirt  wurden,  sondern 
auch  ganze  Sätze,  hat  besonders  schön  Kayser  zu  seinem  Cornificius 
gezeigt.  Alle  diese  Zusätze  haben  aber  das  gemeinsam,  dass  sie  für 
eines  Knaben  Yerständniss  förderlich  und  angemessen,  für  einen  Mann 
überflüssig  sind.  Etwas  Aehnliches  glaube  ich  in  den  Topica  des 
Cicero  gefunden  zu  haben  §.  17.  Dort  heisst  es,  dass  auch  vom 
Gegenteil  ein  Beweis  erbracht  werden  könne,  was  man  an  dem 
Beispiele  sehe:  „non  debet  ea  mutier,  cui  vir  bonorum  suorum  usum 
fruetum  legavit,  cell  in  vinariis  et  oleariis  plenis  relictis ,  putare  id  ad 
se  pertinere :  usu*  enim,  non  abusus  legatus  es?*.  Damit  dürfte  wohl 
das  Beispiel,  als  genug  erklärt,  abgeschlossen  sein;  denn  es  ist  ja 
durch  den  Beisatz:  „usus  enim,  non  abusus  legatus  est"  gesagt,  warum 
die  Frau  nicht  alles  beanspruchen  darf.  Aber  in  den  Ausgaben  folgt 
noch  nach:  „ea  sunt  inter  se  contraria11,  was  gewiss  nicht  von  Cicero 
geschrieben  sein  kann.  Dagegen  spricht  auch  nicht  blos  der  ganze 
mehr  aphoristische  Charakter  der  Schrift,  sondern  auch  die  Art  und 
Weise,  wie  die  übrigen  Beispiele  eingeführt  werden. 

Fhaedr.  I.  5.  10.   Malo  adficietur,  si  quis  qnartam  tetigerit. 

Zu  dieser  Stelle  hat  erst  kürzlich  in  diesen  Blättern  (1.  Heft  p.  1) 
Zorn  aus  metrischen  Gründen  vermutet:  „male  adficietur'1.  Aber 
schlecht  steht  es  jedenfalls  mit  dieser  Conjektur,  wenn  er  nur  aus  den 
Pandekten  ein  noch  dazu  dem  Sinne  nach  verschiedenes  Beispiel  bei- 
bringen kann.  Wenn  wir  nun  bedenken,  dass  Phaedrus  seine  Fabeln 
meist  aus  dem  Griechischen  genommen  hat,  so  dürfte  wohl  nicht 
unpassend  sein  mala  patietur  {x«x<5s  neiaerm)  ;  und  das  scheint  mir 
auch  dem  Charakter  des  Löwen  zu  entsprechen,  wie  er  ganz  kategorisch 
und  ohne  seine  Würde  in  Mitleidenschaft  zu  ziehen,  sagt:  „Hebel 
wird  es  dem  gehen,  der  den  vierten  Teil  anrührt".  Er  spricht  dabei 
nicht  aus  von  wem?,  noch  wie?  und  das  ist  gerade  recht  bezeichnend 
für  sein  stolzes  Selbstbewusstsein,  während  das  bei  malo  adficietur 
nicht  der  Fall  ist.  Nach  der  Schreibweise  und  den  Abkürzungen  in 
den  Handschriften  dürfte  das  wohl  keine  Aenderung  sein;  für  den 
Sprachgebrauch  vergl.  u.  a.  Plaut.  Asin.  2.  2.  58  fortiter  malum  qui 
patitur,  idem  post  patitur  bonum. 

Phaedr.  I.  16. 

Fraudator  hominem  cum  vocat  sponsum  improbum, 
Non  rem  expedire,  sed  malum  videre  expetit. 

Die  vielen  Conjekturen  zu  dieser  Stelle  will  ich  nicht  erwähnen, 
da  sie  von  Zorn  erst  hier  angeführt  wurden ;  aber  auch  an  seine  eigene 
„mala  inferre  expetit11  wird  Herr  Zorn  nicht  mehr  glauben,  denn  sie 
ist  sowol  allzuweit  von  der  üeberlieferung  entfernt,  als  auch  gibt  sie 


201 


keineswegs  den  vom  Zusammenhang  geforderten  Sinn.  Dieser  ist 
offenbar  dieser.  Wenn  ein  BetrQger  einen  schlechten  Menschen  als 
Bürgen  stellt,  so  trachtet  er  darnach,  nicht  die  Sache  ins  Reine  zn 
bringen,  sondern  dem  andern  ein  Uebel  zuzufügen.  Denn  fraudator 
deutet  schon  durch  seine  Stellung  an,  dass  es  auch  im  folgenden 
Hauptsatze  Subjekt  ist,  weshalb  die  Vermutung  von  Dressler  „mala 
vitare"  unmöglich  ist,  da  sie  eine  Aenderung  des  Subjektes  bedingt 
Aber  was  hat  man  gegen  den  Vorschlag  einzuwenden:  „mala  indere 
expetit?"  Diese  unbedeutende  Aenderung  entspricht  dem  metrischen 
Branche  des  Phaedrus  und  schliesst  sich  genau  an  die  Ueberlieferung 
an;  denn  war  einmal  in  nach  der  Schreibweise  des  Mittelalters  durch 
Undentliebkeit  als  ui  =  vi  gelesen,  so  ergab  sich  die  Aenderung  des 
Abschreibers  in  videre  von  selbst.  Einen  ähnlichen  Sinn  haben  wir 
Phaedr.  L  19:  Habtnt  insidias  hominis  blanditiae  malt  und  IV.  9: 
Homo  in  periculum  simul  ac  venit  callidus. 

Reperire  effugium  quaerit  alterius  maJo.  Für  den  Sprachgebrauch 
findet  sich  bei  Curtius,  dem  Zeitgenossen  des  Dichters:  faciem  quam 
natura  locis  indidtrit,  und  bei  Tacitus:  pavorem,  odium  indere. 

Günzburg.  C.  Hammer. 


Handschriftliche  Nachweigungen  zu  Cic  d  Oratore  I,  3  §  II.*) 

Bei  meinem  letzten  Ferienaufenthalte  in  München  wollte  ich  nicht 
die  Gelegenheit  versäumen,  den  einzigen  Codex  ms  er.,  welchen  die 
dortige  Bibliothek  von  Cic.  de  Oratore  besitzt,  persönlich  in  Augen- 
schein zu  nehmen. 

Vielleicht  darf  ich  hoffen,  dass  es  den  Ciceronianern  unter  meinen 
geehrten  Herren  Collegen  nicht  ganz  uninteressant  sein  werde,  zu 
erfahren,  dass  gerade  an 'der  oben  bezeichneten  Stelle,  welche  im 
vorigen  Sommer  einen  kleinen  Meinungsaustausch  zwischen  Herrn  Bub  n  er 
und  mir  veranlasst  hat,  der  Münchener  Codex  zwei  bis  jetzt  noch 
gänzlich  unbekannte  Varianten  bietet. 

Der  ganze  Satz  lautet  nemlich  nach  dem  Codex  Monacensis : 
Atque  vero  in  hoc  ipso  numero  in  quo  perraro  exoritur  aliquis  excellens 
si  diligenter  et  ex  nostrorum  et  ex  Graecorum  copia  comparare  voles, 
multo  et  tarn  paucidres  oratores  quam  poütae  boni  reperientur. 

Was  nun  zuerst  das  atque  vero  anlangt,  so  ist  es  mir  absolut 
unbegreiflich,  wie  Ellendt,  der  den  Müncbener  Codex  vollständig 
durchgearbeitet  haben  will,  diese  Variante  übersehen  konnte,  da  er  es 
doch  für  wichtig  genug  gehalten  hat,  anzumerken,  dass  in  dem  unmittel- 


*)  Durch  Umstände  verzögert. 


202 


bar  vorhergehenden  Satz  der  MQnchener  Codex  vor  satt  anstatt  ver- 
sati  liest!  Dieses  Ueberaehen  von  Seiten  Ellend t's  ist  um  so  ver- 
wunderlicher, weil  die  Lesart  des  Codex  Victorinus ,  so  zu  sagen, 
Wasser  auf  seine  Mühle  gewesen  wäre.  In  seinen  „Explicationes11 
bemerkt  nemlich  Ellend  t  zu  unserer  Stelle:  „Atque  etsi  non 
cohaeret  cum  insequente  tarnen,  ut  Muellero  visum,  maiorem  tarnen 
8olita  vim  habet,  pro  atque  etiam,  atque  adeo  dictum«  —  Die 
zweite  Variante,  das  etiam  anstatt  des  gewöhnlichen  tarnen,  wird 
nun  freilich  gerade  Herrn  Buhn  er  keine  allzugrosse  Freude  machen. 
Denn  er  hat  ja  gesagt  (Bd.  IX  p.  162  d.  Bl.):  „Die  Anleitung  zur 
richtigen  Emendation  gibt  uns  hier  das  tarnen  im  Nachsatze.''  Wie 
nun,  wenn  etiam  die  echte,  ursprüngliche  Lesart  sein  sollte? 

Inzwischen  bin  ich  unparteiisch  und  objectiv  genug,  um  einzu- 
räumen, dass  das  etiam  des  Codex  Victorinus  möglicherweise 
von  einem  Kritiker  herrühren  kann,  der  zu  dem  überlieferten  tarnen 
kein  passendes  „obgleich"  herauszufinden  vermochte;  ganz  abgesehen 
davon,  dass  es  ja  auch  durch  ein  blosses  Versehen  entstanden  sein  kann. 

Uebrigens  muss  ich  mir  bei  dieser  Gelegenheit  erlauben,  das  gering- 
schätzige und  wegwerfende  Urteil  Ellend  t's  über  diesen  Münchener 
Codex  einigermassen  zu  rectificiren.  In  der  praefatio  zu  seiner 
Ausgabe  von  Cic.  d.  Or.  sagt  nemlich  dieser  Gelehrte:  „Ipse  enim 
contuli  codicem,  qui  cum  olim  P.  Victorii  fuisset,  nunc 
Mo  nach  i  i  as  serv  atur ,  sed  ex  recen  tioribus  est,  ut  lacunis 
quidem  careat,  sed  vario  corruptelarum  genere  infesta- 
tus  sit 

Was  nun  das  Alter  dieses  Codex  betrifft,  so  hat  Sch melier  ihn 
dem  14.  Jahrhundert  vindicirt.  Dass  er  durch  einzelne  Schreibfehler 
verunziert  ist,  vermag  ich  leider  nicht  in  Abrede  zu  stellen;  so  steht 
z.  B.  §.  9  quot  vixi  anstatt  quot  viri.  Allein  gerade  wenn  der 
Schreiber  des  Codex  Victorinus  nicht  lateinisch  verstand,  so 
gewinnen  hiedurch  selbstverständlich  seine  wirklichen  Varianten  nur 
um  90  mehr  an  Bedeutung,  weil  nemlich  alsdann  dieselben  offenbar 
schon  in  jenem,  doch  wol  weit  älteren,  Codex  gestanden  haben  müssen, 
welcher  dem  Schreiber -des  Codex  Victorinus  als  Original  bei  Her- 
stellung seiner  Copie  diente. 

Im  übrigen  jedoch  jst  dieser  Codex  ein  wahres  xeif*tjkios> :  auf  dem 
zartesten  Pergament  so  schön  und  gleich mässig  geschrieben,  dass  man 
auf  den  ersten  Blick  ein  mit  Lettern  gedrucktes  Buch  vor  sich  zu  sehen 
glaubt,  um  ganz  zu  schweigen  von  der  Malerei  und  Vergoldung.  — 

Ich  habe  mich  ober  nicht  etwa  damit  begnügt,  nur  den  Codex 
Victorinus  einzusehen,  sondern  ich  habe  so  ziemlich  alle  in  der 
Münchener  Bibliothek  vorhandenen  Ausgaben,  sowol  von  Ciceronis 
Opera,   als  auch  die  Separatausgaben  von  Cic.  de  Oratore,  be- 


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203 


ginnend  mit  den  urältesten  Incunabeldrucken,  wegen  der  vorwürfigen 
Stelle  durchgesehen.  Ein  Incunabeldruck  von  Cic.  d  Or.  vom  Jahre 
1470  ist  leider  am  Anfang  verstümmelt,  so  dass  er  erst  mit  den  Worten 
vmaiore  delectatione"  (cap.  IV.  init.)  beginnt;  ein  anderer, 
noch  um  ein  Jahr  älter  (1469),  ist  zwar  gleichfalls  vorn  defect,  beginnt 
aber  doch  schon  mit  „consiliorum  meorum"  {cap.  I.  §.  bietet 
übrigens  keinerlei  Abweichung  vom  textus  receptus 

Zu  meinem  Schmerz  muss  ich  nun  an  dieser  Stelle  das  Bekenntnis 
niederlegen,  dass  von  all'  den  mancherlei  Commentaren,  welche  ich 
in  gedruckten  Huchem  fand,  auch  nicht  einer  mir  den  Nagel  auf  den 
Kopf  zu  treffen  schien.  Die  allerältesten  Exegeten  scheinen  mir  anzu- 
deuten, dass  Cicero,  streng  genommen,  sich  hier  einer  kleinen  Confun- 
dirung  der  beiden  Begriffe  poeta  und  orator  schuldig  gemacht  habe; 
und  mit  einer  auffallenden,  offenbar  auf  eine  sehr  alte  Tradition  hin- 
weisenden Einstimmigkeit  führen  sie  nun  alle  §•  70,  gleichsam  ah 
Parallelstelle,  an:  „Est  enim  finitimus  oratori  poeta,  nu- 
merus astrictior  paullo,  verborum  autetn  Ucentia  libe- 
rior,  multis  vero  ornandi  generibus  socius  ac  paene  par; 
in  hoc  quidem  certe  prope  idein,  nullis  ut  terminis  cir- 
cumscribat  aut  de  f in  tat  ius  suum,  quo  minus  ei  liceat 
eadem  illa  facultate  et  copia  vagari  qua  velit." 

Dagegen  verdient  eine  früher  noch  nirgends  abgedruckte  Erklärung, 
selbst  wenn  sie  vielleicht  nicht  eigentlich  richtig  sein  sollte,  jedenfalls, 
in  Anbetracht  ihrer  Scharfsinnigkeit  und  Originalität,  eine  ehrende 
Erwähnung. 

Die  Münchener  Bibliothek  besitzt  nemlich  ein  sehr  altes,  von  einem 
weiland  Ingolstädter  Studenten  nachgeschriebenes  Collegienheft,  dessen 
Titel  unverkürzt  lautet: 

Brevis  Commentarius  in  libros  de  Oratore  Ciceronis, 
sive,  ut  ita  dicam,  pulcherrimarum  rerum  Thesauros, 
a  Reverendo  et  doctissimo  Patre  Reinero  Fabricio  So- 
cietatis  Jhesu,  Rhetoric  es  professore  in  alma  Ingol- 
$tadi  cns  i  Academia  traditus  et  a  me  eiusdem  Auditore 
conscriptus.  1590. 

Für  den  ziemlich  dunklen  und  verworrenen  Charakter  dieses  oben- 
drein auch  in  kalligraphischer  Hinsicht  äusserst  unangenehmen  Collegien- 
heftes  will  ich  in  dubio  lieber  den,  bescheidener  Weise  anonym  ge- 
bliebenen Nachschreiber,  als  den  Rev.  et  doctissimum  Patrem 
verantwortlich  machen.  Soweit  ich  trotzdem  daraus  klug  zu  werden 
vermochte,  so  hätte  Cicero  an  der  Stelle  „minimam  copiam  poe- 
tarum  egregiorum  sxstitisse"  das  Wort  poetarum  in  einem 
ganz  eigentümlichen  prägnanten  Sinne  gebraucht.  Es  hätte  ihm  nem- 
lich hiebei  die  literarhistorische  Thatsache  vorgeschwebt,  dass  die  ersten 


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204 


und  ältesten  Meister  der  sprachlichen  Darstellung  nicht  etwa  Prosaiker, 
sondern  Dichter  waren;  und  somit  hätte  er  die  po  et  as  zugleich  als 
Repräsentanten  der  Stylkünstlcr  überhaupt  aufführen  können;  mit 
einem  Wort:  es  wäre  aus  dem  poctarum  egregiorum  herauszu- 
nehmen: egregxt  dicentium  vel  scrib  entium,  und  dieser  Ge- 
nitiv wäre  alsdann  zu  dem  nachfolgenden  in  hoc  ipso  numero  hin- 
zuzudenken. 

Der  Wortlaut  des  mehrerwähnten  Collegienhcftes  z.  u.  St.  ist  folgender : 
„Primi  apud  Graecos  eruditionis  nomine  celebres  exstitcrunt 
poetae,  quorum  alii  Musicae,  alii  medicinae,  quidnm  et  Astrotiomiae 
erant  periiissimit  inter  quos  Homerus  et  Hesiodus  omnium  longe  ccle- 
berrimi  diu  ante  U.  C.  habebantur.  Hinc  fortasse  posteriores  solum 
poetam  sapientem  vocabant,  et  Cicero  1»  Tusculana  antiquissimum 
apud  Graecos  e  doctis  genus  fuisse  poetarum,  et  4*  Tusc.  Cicero  poe- 
ticam  vocat  praeclaram  vitae  emendatricem ,  et  Thenphrastus ,  ut  est 
apud  Fabium}  poetarum  lectionem  vehementer  esse  utilem  probat.  Iii 
primi  teste  Aristotele  (3°  d.  Rhct)  autores  fuerunt  orationis  confor- 
mandae,  et  teste  Strabone  et  Eustathio  po  etae  primi  elocutionem 
c  onf ormarunt  et  scribere  coeperunt." 

Das  mühsame  Ringen  des  Geistes  nach  einer  auch  nur  annähernd 
haltbaren  Erklärung  steht  in  meinen  Augen  unerreichbar  hoch  über 
dem  rein  willkürlichen  Streichen  und  Aendern. 

Anhang. 

Der  grosse  Florentiner  Humanist  Pietro  Vcttori,  gewöhnlich 
latinisirt  Petrus  Victor  ins  (1499  1585)  hat  eine  Ausgabe  von 
Cicero's  sämtlichen  Werken  veranstaltet,  deren  Titel  vollständig  lautet: 
„M .  Tullii  Ciceronis  opera ,  omnium  quae  hactenus 
excusa  sunt  castigatissima  nunc  primum  in  lue  cm 
edita.  Venetiis  in  officina  Lucaeantonii  Juntac. 
1.557."  (In  fine:  „Mense  August  o  1536.")  In  dieser  Ausgabe 
finden  sich  nun  aber  die  beiden  oben  von  mir  aus  dem  Codex  Victo- 
rinus  mitgeteilten  Varianten  nicht.  Dessenungeachtet  würde  es  ober- 
flächlich und  voreilig  sein,  hieraus  sofort  ein  Verwerfungsurteil  von 
Seiten  des  P.  Victor  ins  folgern  zu  wollen.  Man  musa  nemlich 
wissen,  dass  der  jetzt  in  München  befindliche  Codex  Victorin  us 
auf  der  Rückseite  seines  Einbandes  ein  zweizeiliges  Notat  trägt,  wovon 
die  erste  Zeile  lautet :  Questo  Lib  r  o  he  di  Francesco  di 
Serafino  Zeffe."  Die  zweite  Zeile  ist  leider  nicht  etwa  bloss 
für  meine  Wenigkeit,  sondern  sogar  für  Autoritäten,  wie  S  c  h  m  e  1 1  e  r 
und  G.  M.  Thomas,  absolut  undechiffrirbar  geblieben.  Doch  ist 
am  Ende  dieser  zweiten  Zeile  mit  vollkommener  Deutlichkeit  die  Jahr- 
zahl 1583  zu  lesen.  Ilöchst  wahrscheinlich  war  also  dieser  Codex  dem 


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205 


P.  Victoriu8  damals,  als  er  den  Cicero  herausgab  (1536  —37),  noch 
gar  nicht  bekannt  geworden;  denn  sonst  hätte  er  doch  wol  die  beiden 
in  Rede  stehenden  Varianten,  wo  nicht  in  den  Text  aufgenommen,  so 
doch  wenigstens  am  Rande  notirt 

Ich  habe  mir  nun  sogar  die  Mühe  genommen,  eine  Biographie  des 
P.  Victorius  (Bandini:  P.  Victorii  vita.  Florentiae  1759) 
eigens  daraufhin  durchzusehen,  um  vielleicht  hier  Aufschluss  zu  erhalten 
über  die  im  Besitze  dieses  Humanisten  gewesenen  Codices,  speciell 
über  denjenigen,  nach  welchem  er  in  seiner  Gesammtausgabe  des  Cicero 
de  Oratore  abgedruckt  hat,  sowie  endlich  über  den  in  München  von 
mir  eingesehenen  Codex  Victorinus.  Leider  aber  fand  ich  in 
dieser  Vita  nur  die  ziemlich  allgemein  gehaltene  Notiz  (p.  21):  „Victo- 
rius igitur  Tullii  maculas,  quibus  inquinab  atur ,  nec 
non  fuliginem  illam,  qua  ipsum  longa  dies  adsperserat, 
ingenio  suo  ab ster gere  molitus  est,  incredibili  cura 
veteres  Codices  inquir endo ,  sine  quorum  ope  nihil  fere 
huic  r  ei  utilitatis  adf erri  potest."  -  Der  bereits  vorhin  von 
mir  citirte#)  Jos.  ülivetus  sagt  lediglich:  ifPetrus  Victorius, 
qui  Ciceronem  e  Florentinis  codieibus  ita  expressit,  cet.(t 

Wenn  nun  der  Münchener  Codex  Victorinus  wirklich  aus  der 
Bibliothek  des  P.  Victorius  herstammt,  so  könnte  er,  da  er  noch 
a<>  1583  einen  anderen  Besitzer  gehabt  zu  haben  scheint,  und  da  ander- 
seits P.  Victorius  bereits  a°  1585  gestorben  ist,  offenbar  nur  noch 
ganz  kurz  vor  des  P.  Victorius  Tode  in  dessen  Besitz  überge- 
gangen sein.  — 

Von  ;i us serdeutschen  Uebersetzungen  der  Schrift  Cicero's  de  Ora- 
tore habe  ich  in  der  Münchener  Bibliothek  nur  eine  einzige,  und  zwar 
eine  ziemlich  alte  italienische,  vorgefunden:  dialogo  de IV  ora- 
tore di  Cicerone.  Tradotto  per  M.  Lodovico  Dolce.  In 
Vinegia  Appresso  Gabriel  Giolito  de  Ferrari  1547". 

Unsere  Stelle  (1, 3, 11)  lautet  in  dieser  üebersetzung  folgendermassen : 

„Certo  a  me  pare  poter  dire  con  ueritä;  che  di  quanti  hanno 
giamai  indrizzata  la  mente  ä  queste  dottrine  dt  diseipline  liberali, 
pochissima  quantitä  de  Poeti  nobili  u'e  sempre  stata:  <&  fra  questo 
numero,  nel  quäle  si  rare  uolte  ne  risorge  alcuno  degno  di  lode\  se 
uorrai  &  i  nostri  dt  quei,  c'hanno  i  Greci,  ridurre  insieme :  minor  copia 
inner o  ritroueremo  di  boni  Oratori,  che  di  Poet »."  — 

Einem  Cicero ,  durch  Beseitigung  des  „egregiorum"  die  Be- 
hauptung aufzubürden:  innerhalb  der  Sphäre  der  Geistesarbeiter  über- 
haupt füllen  die  Dichter  den  allerkleinsten  Raum  aus,  dazu  wären  die 
älteren  Generationen  von  Philologen  zu  pietätvoll  gewesen.  Vollkommen 


*)  Das  betr.  Citat  ist  von  der  Redaction,  aus  Courtoisie  gegen  die 
H.H.  Conjectural- Kritiker  (?),  gestrichen  worden.  A.  Th. 


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richtig  betonen  vielmehr  Str  ebaeus  und  Proust,  welche  beide 
Separatausgaben  von  Cic.  d.  0  r.  geliefert  haben  (Parisiis  1552 
und  Patavii  1751),  die  Vielheit  der  bereits  dem  Cicero  bekannt 
gewesenen  Dichter. 

Strebaeus:  Paucos  in  raultU  laude  f-erunt  Graeci 
(sc-  poetas). 

Proast:  Ante  Ciceronis  tempora  multi  quidem  poetae, 
8  e  d  pauci  fnerant  excellentes. 

Annweiler  i  d  Pfalz,  Weihnachten  1874.  Aug.  Thenn. 


Zu  Tueokrit. 

In  der  XXII  Idylle,  welche  von  mehrfacher  Seite  für  eine  schüler- 
hafte Jugendarbeit  Tbeokrits  erklärt  oder  irgend  einem  unbedeutenden 
alexandrinischen  Rhapsoden  zugeschrieben  wird ,  ist  vorwiegend  der 
Charakter  der  Ilymne  durchgeführt.  Zuerst  werden  die  hochherrlichen 
Dioskuren  im  allgemeinen  gepriesen  als  Heilgötter,  Rossebändiger, 
Faustkämpfer  und  göttliche  Schutzherren  für  bedrängte  Seefahrer. 
Alsdann  führt  uns  der  Dichter  eine  farbenfrische  Episode  aus  dem 
Leben  des  Polydeukes  vor,  welche  durch  teilweise  Dialogisierung  an 
Anschaulichkeit  und  dramatischer  Kraft  unstreitig  gewinnt 

Hierauf  beginnt  die  eingehende  Erzählung  einer  heldenhaften 
Einzeltbat  des  Kastor,  die  in  einem  siegreichen  Kampfe  mit  Ly accus, 
dem  hochgewaltigen  Apbaretiden,  bestand.  Zum  Schlussse  ruft  der 
Dichter  auch  für  sich  und  seine  Sänger  den  freundlichen  Schutz  der 
liederschirmenden  Tyndariden  an.  —  Wenn  nun  Notter  nach  dem 
Vorgange  von  Ahrens,  Eichstätt,  Reinhold  etc.  in  seinen 
Anmerkungen  die  Mischung  des  Dialoges  mit  der  Erzählung  eine 
auffällige  Eigentümlichkeit  heisst,  wenn  er  die  einzelnen  Partien  dieses 
Hymnos  nur  in  ganz  losem  Zusammenhange  glaubt,  so  wird  ihm  hierin 
wohl  kaum  ein  Leser  des  Theokrit  beipflichten.  Im  Gegenteile  ist 
gerade  in  dieser  Dichtung  mehr  wie  in  andern  stramme  Koncinnität 
ersichtlich,  und  die  Abwechselung  zwischen  Dialogform  und  Erzählung 
ist  doch  wahrlich  bei  unserm  Dichter  nichts  Aussergewöhnliches.  Ein 
besonderes  Gewicht  lege  ich  auf  die  in  reicher  Fülle  von  Fritzsche 
angezogenen  Stellen  aus  andern  Idyllen  unsers  Bukolikers,  welche  zur 
Genüge  die  gleiche  Autorschaft  für  besagten  Hymnus  erhärten. 

Ein  Umstand  aber  ist  meines  Wissens  noch  nirgends  erwähnt 
worden,  ich  meine  die  trotzige  Derbheit  im  Zwiegespräche  des 
Amykos  und  Polydeukes,  welche  namentlich  in  der  IV.  und  V.  Idylle 
eine  geradezu  frappierende  Analogie  findet-  —  Und  nunmehr  zu 
einigen  S  teilen  1 


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207 


Die  Verse  34,  35,  36  lauten : 

Kttartap  <P  aioXontoXos  ö  r'  oivtanog  üoXvdevxnS 
Spcpu)  iQripateoxoy  ttnonXay /Serres  irtUQtov, 
nttvroit\v  kv  oqet  &nev(*evoi  uyQioy  vXtjP. 
Das  Epitheton  oiv<ono$  ist  verschiedenartig  erklärt  worden;  die 
einen  glauben,  es  sei  soviel  wie  evtQntptjc,  andere  übersetzen  es  mit 
roseus ,   wieder  andere  mit  fuscus;    Fritzscbe:    „Color  adustior 
faciei  notatur,  qualis  est  athUtae  multum  sub  divo  versati".  Warum 
man  nicht  bei  der  ursprünglichen  Bedeutung  „wie  Wein  anzu- 
sehen, weinfarbig"  bleiben  will,  ist  nicht  wohl  abzusehen.  Die 
Haut  der  Kämpfer  ist  nämlich  in  Folge  der  körperlichen  Anstrengung 
weinfarbig  d.  i.  gerötet.  —  In  den  weiteren  drei  Versen: 
evQoy  Ptiivaov  xQtjvtjv  vno  Xiaaadt  nir^y 
vSari  nsiiXri&vinv  uxtiqutui.  al  <T  vniyeg&ev 
XaXXta  XQvoniXXbi  ijiF'  tigyvQio  ivddXXovro 
ix  ßv&ov.  etc. 

ist  XttXXui  eine  für  den  ersten  Moment  allerdings  blendende  Konjektur 
für  uXXatf  wie  in  den  Handschriften  und  früheren  Ausgaben  steht. 
Aber  so  ganz  unfehlbar  scheint  sie  mir  doch  nicht.  Ich  bin  nämlich 
von  jeher  der  Anschauung  gewesen,  dass  man  von  der  Autorität  der 
überkommenen  Handschriften  nur  in  unabweisbaren  Fällen  lassen  solle, 
und  so  kann  ich  mich  auch  an  unserer  Stelle  von  der  Dringlichkeit 
einer  Konjektur  nicht  überzeugen.  Ich  erkläre  nämlich  diese  Verse  also: 
Und  so  fanden  sie  denn  eine  immerfliessende 
Quelle  unter  dem  glatten  Gestein  voll  lauteren  Wassers; 
die  übrigen  (Quellen)  aber,  die  unten  aus  dem  Boden 
sprudelten,  glichen,  wie  sie  von'der  Tiefe  aufblitzten, 
dem  Kristall  und  dem  Silber.  Fritzsche  setzt  allerdings  bei: 
jyEmendationem  Ruhnkenii  probat  glossa  codicis  r.  tyntpoi,  X&ot  fttxQoi", 
allein  was  man  auf  Glossatoren  nicht  selten  zu  geben  habe,  ist  ja  all- 
bekannt. Schliesslich  gebe  ich  gerne  zu,  dass  diese  meine  Erklärung 
gegenüber  der  „emendatio  palmaris"  vielleicht  etwas  dürftig  und 
gesucht  erscheinen  wird;  aber  möglich  ist  sie  und  dabei  dio 
handschriftliche  Uebe  rli  e  fer  u  n  g  gewahrt. 

Regensburg.  Karl  Zettel. 


LIvius  V,  26,  10. 

Videbatur  aeque  diuturnus  futurus  labor  ac  Vejis  fuisset,  ni  for- 
tuna  imperatori  Romano  simul  et  cognitae  rebus  belltet*  virtutis  speeimen 
et  maturatn  victoriam  dedisset. 


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208 


Die  Erklärung  der  angeführten  Stelle  hat  von  jeher  viele  Anstände 
gefanden  und  ist,  wie  mir  scheint,  noch  nicht  im  Reinen.  Die  beste 
Erklärung  gibt  bis  jetzt  immer  noch  Weissenborn,  welche  an  der 
angegebenen  Stelle  des  Näheren  nachgesehen  werden  kann.  Er  nimmt 
nämlich  specimen  als  Subject,  durch  simul  et  coordinirt  mit  for- 
tuna,  wobei  das  e  t  bei  maturam  natürlich  im  Sinne  von  s  o  g  a  r  genommen 
werden  muss.  Die  Uebersetzung  würde  dann  ungefähr  lauten:  „Die 
Arbeit  schien  eben  so  langwierig  werden  zu  wollen,  als  sie  zu  Yeji 
gewesen  war  (wäre?),  wenn  nicht  dem  römischen  Feldherrn  das 
Glück  und  zugleich  eine  Probe  seiner  in  kriegerischen  Verhält- 
nissen erprobten  Tüchtigkeit  sogar  einen  frühzeitigen  Sieg  gegeben  hätte. 

Allein  die  Sache  hat  auch  so  immer  noch  ihre  Schwierigkeit  Dass 
im  Vordersatze  futurus  mit  Ergänzung  von  esse  abhängig  von  videbatur 
—  futurus  erat  steht,  kann  wohl  nicht  beanstandet  werden,  da  es  auch 
sonst  bei  Livius  vorkommt.  Sehr  auffallend  aber  ist  der  Conjunctiv  in 
dem  vergleichenden  Nebensatze  ac  Vejis  fuisset.  Als  Meinung 
eines  Anderen  wird  er  sich  nicht  wohl  erklären  lassen.  Eher  liesse 
er  sich  vielleicht  noch  erklären,  wenn  man  bei  futurus  „fu  i  s  s  e"  aus- 
gelassen denken  und  dieses  als  Conditionalis  —  fuisset  fassen  wollte. 
Dann  liese  sich  der  Conjunctiv  als  eine  Art  Gräcismus  im  Anschluss 
an  den  Conditionalis  vielleicht  erklären. 

Nach  dem  ganzen  Zusammenhange  erscheint  die  glückliche  Been- 
digung des  Krieges  als  das  Resultat  der  Ehrenhaftigkeit  des 
Gamillus.  Man  müsste  also  nach  Weissenborns  Erklärung  die  fortuna 
darin  suchen,  dass  Camillus  Gelegenheit  bekam,  seine  Ehrenhaftig- 
keit zu  zeigen.  Ferner  läset  sich  in  das  cognitae  rebus  bellicis  virtutis 
specimen  allerdings  hinein  legen,  dass  Camillus  seine  Tüchtigkeit, 
die  er  seither  im  Kriege  gezeigt  hat,  nun  auch  in  anderen  Ver- 
hältnissen zu  zeigen  Gelegenheit  bekam.  Es  wäre  also  dann  for- 
tuna simul  et  specimen  eine  Art  fV  <f*a  dvoiy  eine  durch  das  Glück 
gebotene  Probe  seiner  seither  nur  im  Kriege  erprobten  Tüchtigkeit. 
Allein  ich  muss  offen  gestehen,  dass  mir  die  Sache  etwas  gesucht 
erscheint 

Der  Fehler  scheint  mir  bei  allen  seitherigen  Erklärungen  darin 
zu  liegen,  dass  man,  durch  dedisset  verleitet,  das  Ganze  als  4.  Fall 
nahm.  Dürfte  sich  die  Sache  nicht  besser  machen ,  wenn  man  die 
Periode  als  zweiten  Fall  und  dedisset  also  als  Conj.  Fut. 
exaeti  nehmen  würde?  Dann  wären,  glaube  ich,  alle  Schwierigkeiten 
gehoben  und  die  Uebersetzung  würde  etwa  lauten:  Es  hatte  den  An- 
schein (es  sah  aus,  man  glaubte),  dass  die  Arbeit  eben  so  lange  dauern 
werde ,  als  sie  in  Veji  gedauert  habe ,  wenn  nicht  das  Glück  dem 
römischen  Feldherrn  eine  Probe  seiner  in  kriegerischen  Verhältnissen 
erprobten  Tüchtigkeit  und  einen  frühzeitigen  Sieg  verleihen  würde. 


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209 


Wir  hätten  dann  eine  einfache  indirekte  Rede  abhängig  von  vide- 
batur,  der  Infinitiv  futurus  (esse),  sowie  der  Conjunctiv  fuisset  ständen 
ganz  in  gewöhnlicher  Weise  und  auch  alle  Wörter  ständen  in  ihrer 
gewöhnlichen  Bedeutung.  Freilich  würde  man  dann  einen  Uebergaug 
zu  der  Erzählung  in  cap.  27  vermissen.   Man  vergleiche  Liv.  V,  41,  9. 

Liviua  V,  28,  1. 

Camülus  meliore  multo  laude ,  quam  cum  triumphantem  albi  per 
urbem  vexerant  equi,  insignis  justitia  fideque  hostibus  victis  cum  in 
urbem  redisset  tacite  ejus  verecundiam  non  tulit  senatus ,  quin 
sine  mora  voti  liberaretur. 

Die  Herausgeber  setzen  nun  ein  Komma  nach  redisset  und  be- 
zieben tacite  zum  Hauptsatze.  Weissenborn  macht  noch  speciell 
die  Bemerkung:  Tacite  tulit  enthält  einen  negativen  Begriff:  ohne  sich 
zu  äussern,  nnthätig  ertragen,  mit  Schweigen  übergehen  und  nichts 
thun;  da  dieser  durch  non  aufgehoben  wird,  konnte  wie  nach  non 
omittere,  non  sustinere  u.  ä.  quin  folgen. 

.Da  nun  nach  Weissenborn  der  negative  Begriff  durch  non  auf- 
gehoben wird,  so  wird  er  offenbar  positiv.  Nun  liegt  aber  meines 
Wissens  der  Charakter  des  quin  gerade  darin,  dass  der  über- 
geordnete Satz  einen  verneinenden  Sinn  haben  muss. 
Quin  ist  nur  dann  möglich,  wenn  die  Negation  des  übergeord- 
neten Satzes  und  die  in  quin  liegende  Negation  eine  Be- 
jahung geben.  Facere  non  possum,  quin  ich  muss.  Daher  kommt 
es  auch,  dass  „dass  nicht"  nach  non  dubitare  nicht  zweifeln 
quin  non  heisst,  weil  in  diesem  Falle  der  ganze  Gedanke  ver- 
neinend ist.  Ich  zweifle  nicht,  dass  er  nicht  kommt  =  er  kommt 
sicherlich  nicht.  Es  scheint  mir  also  quin  in  dem  von  Weissenborn 
angenommenen  Falle  nicht  an  seiner  Stelle. 

Und  was  soll  verecundiam  hier  sagen  ?  Weissenborn  fügt  freilich 
in  Parenthese  bei  „in  Bezug  auf  das  Votum1'.  Allein  gerade  in  Bezug 
auf  das  votum  möchte  ich  sein  Benehmen  nicht  mit  verecundia 
bezeichnen.  Setzt  er  doch  caput  25  alles  mögliche  in  Bewegung,  damit 
das  rot  um  in  der  ausgiebigsten  Weise  gelöst  wird,  so  dass  er 
sich  sogar  den  bittersten  Hass  der  Plebejer  zuzieht. 

Ich  meine,  es  wäre  am  Ende  besser,  wenn  man  tacite  zu  re- 
disset nehmen  und  also  das  Komma  nach  tacite  setzen  würde.  Tacite 
stände  dann  allerdings  recht  auffallend  am  Ende,  hinter  dem 
Verbum,  um  den  Contrast  von  Heiner  Rückkehr  aus  dem  Kriege 
mit  den  Faliskern  mit  seinem  Triumphe  nach  der 
Eroberung  von  Veji  recht  hervorzuheben.  Er  kehrte  ohne  alles 
Gepränge,  ohne  irgend  eine  Auszeichnung  zu  verlangen,  zurück.  Dann 
erklärt  sich  verecundia  ganz  natürlich.    Weil  er  trofz  seines  grossen 

Blätter  f.  <L  bayer.  Gymn.-  u.  Real-8chulw.  XI.  JaUr^.  14 


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210 

t   

Verdienstes  keinerlei  Auszeichnung  in  Anspruch  nahm,  so  konnte  es 
der  Senat  nicht  über  das  Herz  bringen ,  ihn  nicht  sogleich  von  seinem 
->  Gelübde  frei  zu  machen.  Man  vergleiche  Liv.  V,  42,  7  und  VII,  22,  10. 

Verg.  Aen.  VIII,  65. 

Hie  mihi  magna  domus,  celsis  caput  urbibus  exit. 

Unter  Anführung  des  Turnus  hat  sich  eine  Menge  von  Völker- 
schaften zum  gemeinschaftlichen  Kampfe  gegen  den  Aeneas  verbanden 
and  dieser  ist  desswegen  in  grosser  Noth.  Da  erscheint  ihm  im  Schlafe 
Tiberinus,  weissagt  ihm  das  Auffinden  des  Schweines  mit  den  dreissig 
Jungen  und  sagt  ihm ,  er  solle  sich  an  den  Arkader  Evander  um  Hilfe 
wanden.  Am  Ende  nennt  er  dem  Aeneas  seinen  Namen  und  schliesst 
mit  den  oben  angeführten  Worten. 

Mihi  wird  wohl,  analog  dem  Homer,  auch  hier  im  Sinne  von  mea 
stehen,  wie  ich  dieses  bereits  für  tibi  statt  tua  Aen,  V,  796  liceat  dare 
tuta  per  undas  vela  tibi  B.  V  H.  7  S.  227  der  ph.  Bl.  nachzuweisen 
versucht  habe  und  wie  es  auch  sonst  hautig  vorkommt. 

Besondere  Schwierigkeit  macht  die  zweite  Hälfte  des  Verses.  Da 
der  Flussgott  von  sich,  von  seinem  Laufe  und  seinem  Bette  spricht, 
80  muss  man  offenbar  nach  dem  ganzen  Zusammenhange  bei  Caput  zu- 
nächst an  Quelle  denken.  Exire  kann  dann  nur  im  Sinne  von  ent- 
springen stehen,  wie  es  auch  in  dem  unserer  Stelle  entsprechenden 
V.  75  gebraucht  ist  und  wie  sonst  auch  das  gleichbedeutende  excurrere 
z.  B.  Curt.  III,  1  gesetzt  wird.  Cefous  kommt  bei  Vergilius  nur  in 
der  Bedeutung  hochgelegen  vor.  So  würde  sich  also  der  Gedanke  er- 
geben, meine  Quelle  entspringt  aus  hohen  Städten.  Allein  dieser  Ge- 
danke scheint  mir  unmöglich  zu  sein. 

Zur  Zeit  des  Aeneas  lagen  sicherlich  keine  hoben,  hochgelegenen 
Städte  an  der  Quelle  des  Tiber,  da  auch  heutzutage  noch  keine  dort 
liegen  und  nie  solche  dort  liegen  können,  weil  der  Tiber  auf  dem  hohen 
Apennin  entspringt.  Auch  ist  der  ganze  Ausdruck  „ein  Fluss  kommt 
aus  hohen  Städten"  mindestens  ungewöhnlich  und  auffallend. 

Desswegen  nehmen  Andero  exire  im  Sinne  von  praeterie,  prae- 
terlabi.  Allein  einmal  hat  exire  diese  Bedeutung  gar  nicht  und  dann  lagen 
damals  sicherlich  auch  an  seinen  Ufern  keine  Städte.  Wenn  man  aber 
auch  an  Antemnae,  Fidenae,  Crustumerium,  Horta  denken  wollte,  so 
ist  das  immer  noch  zu  wenig ,  um  celsae  urbes  als  besondere  Aus- 
zeichnung anzuführen.   Auch  widerspricht  hier  unbedingt  caput. 

Alles  das  scheint  auch  Heyne  gefühlt  zu  haben,  indem  er  caput 
im  Sinne  von  Hauptstadt  (Rom),  exit  im  Sinne  von  exibit  nimmt.  Allein 
abgesehen  davon,  dass  mir  hier  an  dieser  Stelle  eine  Prophezeiung 
nicht  recht  am  Platze  zu  sein  scheint,  so  ist  dies  schon  desswegen  un- 
möglich, weil  es  in  dem  unserer  Stelle  entsprechenden  V.  75  ausdrück- 


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211 


lieh  heisst:  quocunque  solo  pulcherrimus  exis,  und  weil  ja  hier  von 
einer  Stelle  an  der  Mündung  des  Tiber  die  Rede  ist,  nicht  aber  von 
dem  Platze,  wo  später  Rom  erbaut  wurde. 

Aus  diesen  Gründen  glaube  ich,  dass  man  hier  eine  Verderbniss 
des  Textes  annehmen  muss.  Dies  haben  auch  Andere  gefühlt,  und 
der  Medic.  hat  desswegen  die  Bemerkung  caesis  statt  celsis.  Alltin 
ich  glaube,  dass  man  die  Verderbniss  in  urbibus  suchen  muss.  Alles 
andere  passt,  nur  urbibus  nicht  Desswegen  möchte  ich  areibua 
statt  urbibus  vorschlagen. 

Arx  kommt  bekanntlich  überhaupt  nicht  selten  in  der  Bedeutung 
Berg  und  insbesondere  bei  Verg.  selbst  neunmal  (G.  I,  240;  II, 
635;  IV,  461.  Aen.  III,  291;  III,  553;  VI,  784;  VI,  831;  VII, 
696;  IX,  86)  so  vor.  Der  Begriff  Berge  würde  aber  dem  Zusammen- 
hange nach  allen  Richtungen  entsprechen  und  areibus  kann  paläo- 
graphisch  leicht  in  urbibus  übergehen. 

Dillingen.  *   .  Geist. 


Kleinigkeiten. 

XVI. 

Epigramme 

in's  Lateinische  übersetzt. 

0  Von  Kästner. 

Des  Trauerspieles  Zweck,  den  weiss  er  zu  erreichen: 

Das  Mitleid  mit  dem  Stück  und  Furcht  vor  mehr  dergleichen. 

Carminis,  en,  tragici  fitietn  bene  novit  Ofellus: 
Qui  special,  miseret,  talia,  plura  timet. 

Von  W.  Wackernagel. 
1. 

Auf  Müllner  und  Raupach. 

Aristoteles'  Gesetze  will  ich  nimmermehr  vermeiden: 

Erst  erreg'  ich  Furcht  und  Grauen  und  entlass'  euch  voll  Mitleiden. 

Grandis  Aristotelis  ne  laedam  dogmata,  primum 
Horrorem  moveo  deindeque  vos  miseret. 

2. 

Auf  J.  H  Voss. 
Dass  es  die  Nachwelt  wisse,  wie  man  jetzt  Kaffe  gemahlen , 
Wie  Kartoffeln  gekocht,  macht  er  Idyllen  darauf. 

Quomodo  olus  trunces,  Arabum  faba  rite  coquatur, 
Nostri8  versiculis  aeeipe,  posteritas! 


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212 


Idem  aliter. 

XJt  fdba,  quam  mittun  t  Ar  ab  es,  nunc  rite  coquatur 
Utque  paretur  olus,  discito  posteritas! 

Italienisches  Sprücbwort. 

Mit  Geduld  and  Zeit 

Wird  ein  Maulbeerblatt  ein  Kleid. 

Exspectare  diem  patienter  discito:  facta 
Ex  mori  folio  commoda  vesiis  erü. 

Grabschrift 
auf  einen  Mineralogen. 

Er  suchte  Steine  durch  das  ganze  Leben, 

Er  suchte  nie  sich  satt; 
Hier  hat  man  Einen  ihm  gegeben, 

An  dem  genug  er  hat. 

Nocturna  lapides,  lapides  versare  diurna 
Suerat  Cotta  manu  nec  tarnen  hoc  sat  erat. 

Jam  scctattri  lapidum  lapis  est  datus  unus, 
Qui  pro  nulle  aliis,  crede  mihi,  sat  erit 

Von  David  Strauss. 

1. 
Galba. 

Wie  dir  so  schwer  aus  der  Hand  sich  die  blanken  SeBtertien 

lösten, 

Zeugt  um  den  grämlichen  Mund,  Galba,  die  Falte  noch  heut. 

Quam  tarde  dederis  nummos,  o  Galba,  morosum 
Indicat  os  tristis  quae  tibi  ruga  secat. 

2. 

Vitellius. 

Sei  mir  gegrüsst,  Feinschmecker,  du  Glücklicher!  Wie  dir  die 

Austern 

Mundeten  einst,  man  sieht's  noch  an  den  Lippen  dir  an. 
Fortunate  mihi  salve  tenerique  palati! 

Ostrea  quam  juverint  nunc  quoque  labra  docent. 

3. 

Venus  von  Knidos. 

Hieher  kommt  und  empfangt  die  heilige  Weihe  der  Schönheit, 
Die  ihr  euch  lauteren  Sinns  wisset  und  reinen  Gemüthsl 

Wehrt  auch  Profanen  nicht  ab:  sie  sehn  liebreizende  Glieder; 
Aber  die  Göttin  entzieht  sich  dem  besudelten  Blick. 


213 


Quanta  venustatis  sit  vis  hic  discite  sacrae, 
Mens  quibus  in  puro  pectore  pura  viget! 

Turba  profana  simul  veniat:  videt  aurea  membra; 
Ipsa  tarnen  refugü  lumina  spurca  Dea. 

Am  Eingang 
des  Schlossgartens  zu  Baden-Baden. 
Wir  bauen  hier  so  feste, 

Und  sind  doch  fremde  Gaste; 
Wo  wir  sollten  ewig  sein, 
Bauen  wir  so  wenig  ein. 

Fidcnter  hic  fundamus, 

Ceti  nunquam  discedamus\ 
Qua  sempiterna  sedes, 

Cur  non  fundamus  aedez? 

Von  A.  Brandstettner. 

Auf  dem  Malchen. 

Hoch  ob  dem  muhvollen  Treiben  der  Menschen  im  niedrigen 

Thale 

Voller  schlagt  mir  der  Puls  hier  auf  den  grünenden  Höh'n. 
Leben  trink'  ich  und  Lust;  doch  im  Fluge  verrauschen  die 

Stunden ; 

Schatten  wechseln  mit  Licht;  also  der  Sterblichen  Loos. 
Schwül  ist  mir  worden  der  Tag  und  mühsam  bestieg  ich  den 

Malchen: 

Sieh  da,  ein  reizendes  Bild  zeigt  sich  dem  staunenden  Blick. 
Soll  mich  doch  nimmer  gereuen  die  Arbeit  und  Schwüle  des 

Tages ! 

Denn  was  erhaben  und  schön,  wird  nur  errungen  im  Schweiss. 

Hic  hominutn  supra  strepitus  convalle  relicta 

Quam  mihi  cor  totum  monte  virentc  viget! 
Laetus  ego  laetos  fontes  bibo:  sed  fugit  hora; 

Lux  abit,  umbra  subit;  sie,  homo,  vita  tua  est. 
Cdldus  erat  Phoebus;  misere  scandi  MeUbocum  -, 

At  mihi  miranti  dulcis  imago  venit. 
Nunquam  poeniteat  me  operae  calidique  diei:  , 

Nonnisi  per  salebras  tangere  pulchra  datur. 


Speyer  a./Rh. 


Heinrich  Stadelmann. 


214 


Wer  sind  die  „heimgehen  FUrsten"  in  dem  Spruche  Waith  er  s 
von  der  Vogelweide  „sie  frägent  mich  vil  dicke  et«."! 

Unleugbar  hat  der  Spruch  Walthers  von  der  Vogelweide  „sie  frägent 
mich  vil  dicke  etc."  (No.  161  in  der  Ausgabe  von  Frz.  Pfeiffer)  im 
Zusammenhalt  mit  dem  Schwanenlied  „owe  war  sint  verschwunden  etc." 
No.  188,  eine  grosse  Bedeutung  bei  der  Frage  nach  der  Heimat 
Walthers,  weil  in  beiden  Sprüchen  von  heimischen  Dingen  die  Rede 
ist  Die  Aasleger  des  Spruches  gehen  bei  der  Bestimmung  der 
rheinischen  fürsten"  auseinander,  je  nachdem  sie  mit  einer  mehr  oder 
minder  ausgebildeten  Meinung  von  der  mutmasslichen  Heimat  Walthers 
an  seine  Auslegung  herantreten.  Da  in  neuester  Zeit  wieder  eifrig 
nach  der  Heimat  Walthers  gesucht  worden  ist,  da  man  mit  einer 
Sicherheit,  die  jede  andere  Meinung  als  irrtümlich  und  ketzerisch 
ausschliesst ,  im  Hof  zur  inneren  Vogelweide  bei  Waidbruck  in  Tirol 
die  wahre  Heimat  Walthers  gefunden  haben  will,  und  zur  Unter- 
stützung dieser  Meinung  die  „heimschen  fürsten"  in  unserem  Spruche 
beizieht,  will  ich  versuchen,  die  Meinung  in  Schutz  zu  nehmen,  nach 
welcher  unter  den  „heimschen  fürsten"  die  fränkischen  Herrn  zu 
verstehen  sind. 

Es  ist  vorerst  klar  zu  legen,  in  welche  Zeit  die  Abfassung  unseres 
Spruches  fällt.  Von  der  Hagen,  Minnesänger,  IV,  160,  fixiert  die 
Abfassung  des  Spruches  auf  den  1.  Januar  1225,  Wackernagel  und 
Rieger,  Giessen  1862,  60,  95  nach  dem  Juli  1224,  Fr.  Pfeiffer  zu 
No.  161  und  in  Germania,  V,  13,  und  M.  Rieger  (das  Leben 
Walthers  von  derfVogelweide)  pag.  31,  auf  den  Hoftag  am  23.  Juni  1224; 
Uhland  (Walther  von  der  Vogelweide,  ein  altdeutscher  Dichter  1822) 
pag.  88  ist  schwankend,  Lachmann  (die  Gedichte  Walthers  von  der 
Vogelweide,  Berlin  1827)  19.">,  84,  20  aber  findet,  dass  der  Spruch 
gedichtet  sei  auf  den  Hoftag  im  November  1225.  R.  Menzel  (das 
Leben  Walthers  von  der  Vogelwcide,  Leipzig  1865)  pag.  298  setzt  die 
Abfassung  des  Spruches  zu  Ende  Juli  oder  Anfang  August  1224, 
während  sie  Joh.  Schrott  (Walther  von  der  Vogelweide  in  seiner 
Bedeutung  für  die  Gegenwart,  München,  1875,  und  Allgemeine  Zeitung, 
No.  186,  1874)  in  den  November  1219  verlegt. 

Alle  Germanisten  also,  welche  sich  mit  dem  Studium  Waltbers 
beschäftigten,  sind  mit  Ausnahme  von  Uhland,  der  schwankt,  und 
von  Schrott,  einig  in  der  Annahme,  dass  der  Spruch  nicht  vor  dem 
Jahre  1224  gedichtet  worden  sein  kann,  eine  Annahme,  die  schon 
durch  die  Form  des  Spruches  zweifellos  gemacht  wird.  Er  ist  nämlich 
im  sogenannten  Engelbertston  geschrieben.  Nachweislich  kommt  aber 
dieser  Ton  nicht  vor  1220  vor. 


215 


Die  Gründe,  welche  Schrott  a.  a.  0.  zur  Unterstützung  seiner 
abweichenden  Meinung  beibringt,  sind  nicht  stichhaltig.  Er  versteht 
unter  den  „heimschen  fürsten"  die  Herzöge  Ludwig  von  Bayern,  Bern- 
hard von  Kärnthen  uud  Otto  von  Mcranien,  den  Bruder  Bertholds  von 
Andechs,  Patriarchen  von  Aquilea;  Lachmann  zu  124,  7  die  „öster- 
reichischen" Fürsten.  R.  Menzel  (pag.  20  —  39)  weist  den  Irrtum 
Lachmanns  schlagend  nach,  so  dass  ich  nur  auf  die  citierte  Stelle 
verweisen  darf,  um  sofort  zur  Würdigung  der  Gründe  Schrotts  über- 
gehen zu  können. 

Es  wird  behauptet,  unter  den  „heimschen  fürsten"  könne  schon 
desswegen  nicht  der  fränkische  Adel  gemeint  sein ,  weil  „Fürst  ein 
staatsrechtlicher  Titel  ist  und  kleinen  Herrn  nicht  zukam".  Diese 
Behauptung  ist  irrtümlich.  Zoepfl  belehrt  uns  in  seiner  Rechts- 
gescbichte  (Braunschweig  1871)  pag.  87,  dass  auch  für  kleinere  Fürsten 
der  Gebrauch  des  Titels  „Fürst"  zur  Zeit  Walthers  staatsrechtlich 
giltig  war.  In  der  angezogenen  Stelle  heisst  es  nämlich:  „  .  .  .  hieraus 
erklärt  sich  zugleich,  wie  bald  in  der  Bezeichnung  ,Herrenstand*  der 
Fürstenstand  mitbegriffen  (11)  und  umgekehrt  auch,  ohne  den  Begriff 
von  Fürsten  im  eigentlichen  (engeren)  Sinne  aufzugeben,  in  einem 
weiteren  Sinne  die  Bezeichnung  ,Fürstenstand'  für  den  gesammten 
Herrenstand  gehraucht  werden  konnte  (12)". 

11)  „Deutlich  zeigt  dies  der  Schwabenspiegel  (Lassb.)  Vorrede,  h, 
,daz  eint  die  vrien  Herren,  als  fursten,  und  die  ander  vrien  zu  man 
haben?.  Hier  sind  die  Fürsten  namentlich  als  ein  Teil  des  Herren  - 
Standes  aufgeführt". 

12)  „Schon  der  Schwabenspiegel  gebraucht  oft  den  Ausdruck  Fürsten 
für  reichsständische  Herrn  überhaupt,  da  dieser  gerade  in  den  wichtigsten 
politischen  Beziehungen  Fürstongenoss  (fürstenmässig)  war,  d.  h.  den 
fürstlichen  Familien  gleich  stand.  Glosse  z.  Sachsenspiegel  III,  58: 
,wenn  brüdere  teilen,  wie  (d.  h.  welcher  von  ihnen)  dit  forstendum 
beholt,  die  wert  des  rikes  forste,  und  die  andere  ein  slieht  forste, 
den  heiten  (heissen)  wir  forste-  genot.1 

Der  Ausspruch  des  Schwaben-  und  Sachsenspiegels  scheint  mir 
in  dieser  Frage,  die  allein  staatsrechtlicher  Natur  ist,  ausschlaggebend. 
Aber  wenn  dies  auch  nicht  für  alle  und  in  gleichem  Masse  der  Fall 
wäre,  wie  für  mich,  so  sind  doch  von  einem  andern  Gesichtspunkte  aus 
unter  den  „heimschen  fürsten"  die  fränkischen  zu  verstehen.  Mit  Un- 
recht wird  in  unserra  Spruche  der  Nachdruck  auf  den  Gast  Leopold 
gelegt  im  Gegensatz  zu  den  „heimschen  fürsten".  Schon  der  Sprach- 
gebrauch spricht  dagegen.  Der  Gegensatz  von  gast  ist  wirt,  aber 
nicht  heimisch.  Von  heimisch  (noster)  ist  der  Gegensatz  ellente  (ahd. 
alilanti),  in  oder  aus  einem  andern  Lande,  fremd  (Schade,  Wörterbuch 
pag.  8).    Die  „heimschen  fürsten"  sind  im  Spruche  den  fahrenden 


%+,  MX .  f.**>pMd  nur  gast.   Hierin  liegt  der  Gegensatz. 
-M»*Rtfft  itahwn  die  begehrlichen  Fahrenden,  auf  der  andern 
"I**,  tu*  f»f*U*  uud  der  gast.   Als  Gast  aber  ist  Leopold 
jTVrt.   abhängig     .Denn',  »tf  Zither,  .Leopold  ist  so 
Lm<  (1^f«iM),  dmt  er   f«wn*  |«f«*en   baben  würde  wenn 
1^    Sit  Sitte  g^tactec  h*»..  fi.hiti.tifc  beim  Geben  ru 
^'  «.     Die«  aber  war  hüwnd»  H.  P1«  25 

Z    r»..        u, .  — ■  -*  ^  »*f  ^'»/^Jn 

~    1     ,    .»  ,k    inu  Äit  Äärte  konnten  ich  denselben 

•nhl  U  Murr«'»»«"'  ^TJ-T  IT^„  UM*  erpndf«»  und 

lr  den  Ver- 
ona: Leopold 
*6r-  tarne  so- 


(iBb«n%pender 
,fl,Utt  der  Wir«  tte 
h.ltotftM  ein«  G«a*t* 
auch  in  dem  ^  1 
Umn'i  »tt  eieÜMM.» 
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ar  überhaupt  *» 
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können  koflÄlP" 
Ug.  worin  *l\e  J 

Lebe»  »flö,<nw0. 
Will  *** 

diner 


Wallis  ers 
WaMer  habe  au 
73»i  «baldiger 

k  i  0.].  so  ist  dies 


217 


ein  Erklärungsversuch,  der  etwas  bestechendes  hätte,  wenn  man  nicht 
glauben  dürfte,  dass,  wie  viele  Minnelieder  Walthers,  so  auch  Lieder 
aus  der  Zeit  von  1204  —  1208  verloren  gegangen  sind.  Ob  übrigens 
nicht  Walther,  der  jede  Gewalttat  verdammte,  den  Mut  gehabt  hätte, 
die  seiner  heimischen  Fürsten  zu  brandmarken,  mag  dahingestellt 
bleiben.  Entscheidend  indess  für  die  Bestimmung  der  „heimschen 
fürsten"  kann  das  bis  jetzt  unerklärte  Schweigen  der  Walther'schen 
Muse  beim  Tode  Philipps  nicht  sein. 

Nunmehr  kann  ich  zusammenfassen.  Die  Zeit  der  Abfassung  des 
Spruches  und  sein  Inhalt  lassen  unter  den  „heimschen  fürsten"  nur 
die  fränkischen  Herrn  verstehen  Ueber  die  Heimat  Walthers  sagt  uns 
der  Spruch  nichts,  wol  aber  über  seinen  Aufenthalt  auf  seinem  Lehen 
im  Frankenlande. 

Ob  und  inwieweit  der  Spruch:  „owe  tear  sint  verschwunden  all  in 
miniu  jär"  (No.  188)  auf  seine  Heimat,  die  er  bei  der  Reise  nach 
Italien  zum  Kreuzzug  des  Jahres  1228  berührt  haben  soll,  bezogen 
werden  darf,  will  ich  ein  anderes  Mal  zur  Sprache  bringen.  Vorläufig 
bemerke  ich  nur,  dass  mir  die  Teilnahme  Walthers  an  einem  Kreuz- 
zuge eine  „Sage"  zu  sein  scheint,  wie  die  „von  dem  Walther,  der  in 
der  Welt  herumgezogen  und  ein  berühmter  Mann  geworden  ist". 
(Korrespondent  v.  u.  f.  Deutschland,  No.  17,  1875  ) 

Landau  (Rheinpfalz).  Falch. 


Die  Erhöhung  der  wöchentlichen  Stundenzahl  fUr's  Deutsche  In  der 

reorganisirten  Gewerhschnle.  •) 
Der  Zweck  des  Unterrichts  in  der  Muttersprache  wird  in  der  Regel 
so  bestimmt,  derselbe  habe  den  Schüler  in  den  Stand  zu  setzen,  seine 
Gedanken  richtig  und  gut  darstellen  zu  können;  Sprachfertigkeit  ist 
es  also,  was  vor  allem  erstrebt  werden  soll.  Diese  Auffassung  ist  inso- 
fern einseitig,  als  sie  an  einer  zu  starken  Betonung  der  formellen  Auf- 
gabe, des  praktischen  Erfolgs  leidet  Sie  geht,  wie  mir  scheint,  von 
der  Voraussetzung  aus,  dass  der  Grad,  in  dem  jemand  seine  Mutter- 
sprache beherrscht,  auch  den  Grad  seiner  allgemeinen  Bildung  anzeige. 
Es  ist  dies  jedoch  ein  pädagogisches  Dogma ,  das  gar  sehr  der  Ein- 
schränkung bedarf.  Man  vergesse  nur  nicht,  dass  Reichthum  und 
Tiefe  der  Gedanken  nicht  selten  mit  einer  gewissen  Unbeholfenheit 
des  Ausdrucks,  mit  einem  Mangel  an  Gestaltungskraft  und  Formensinn 
verbunden  ist,  dass  es  hingegen  eine  Zungen-  und  Federfertigkeit  gibt, 
die  unter  einer  Flut  von  schönen  Worten  und  schillernden  Phrasen 


*)  Da  dieser  Antrag  der  Gewerbschule  Passau  in  München  wegen 
Mangels  an  Zeit  nicht  zur  Verhandlung  kommen  konnte,  so  dürfte  es  nicht 
überflüssig  sein,  die  Begrünbung  desselben  in  diesem  Blatte  mitzuteilen. 


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210 


gegenüber  der  wirt,  Leopold  nur  gast.  Hierin  liegt  der  Gegensatz. 
Auf  der  einen  Seite  stehen  die  begehrlichen  Fahrenden,  auf  der  andern 
die  „heimschcn  fürsten"  und  der  gast.  Als  Gast  aber  ist  Leopold 
von  dem  Wirte  abhängig.  ,Denn',  sagt  Walther,  , Leopold  ist  so 
freigebig  (liberalis),  dass  er  gewiss  gegeben  haben  würde,  wenn 
ihm  die  hövische  Sitte  gestattet  hätte,  die  Initiative  beim  Geben  zu 
ergreifen*.  Dies  aber  war  hövische  Sitte,  wie  R.  Menzel,  pag.  25 
sagt:  „Das  Geben  lag,  wenn  auch  nicht  ausschliesslich,  so  doch  in 
erster  Linie  den  Wirten  ob,  und  die  Gäste  konnten  sich  denselben 
wohl  in  untergeordneter  Weise  oder  wenigstens  erst  in  2ter  Linie  als 
Gabenspender  anschliessen ,  niemals  aber  die  Initiative  ergreifen  und 
anstatt  der  Wirte  die  Pflicht  der  Milde  übernehmen".  In  dem  Ver- 
haltnisse eines  Gastes  aber  zu  den  „heimschen  fürsten"  steht  Leopold 
auch  in  dem  Fall ,  wenn  er  auch  als  Heicbsfürst  bei  jeder  curia  so- 
lemnis  zu  erscheinen  die  Pflicht  hatte. 

Eine  weitere  Unterstützung  der  Meinung,  nach  welcher  die 
„heimschen  fürsten"  die  fränkischen  sind,  finde  ich  in  der  2.  Verszeile 
des  Spruches 

„«trenn  ich  von  Hove  rite". 
Schon  „swenn  (mhd.  gr.  Hahn,  §.  351)  =  sxcenne,  so  oft  als,  deutet 
an,  dass  Waltber  öfter  an  den  Hof  kommt.  So  oft  er  vom  Hofe  kommt, 
ist  der  Sinn  der  Stelle,  fragen  ihn  die  lästigen  Neugierigen.  M.  Rieger, 
pag.  31,  scheint  mir  das  Richtige  zu  haben:  „Die  Worte  ,swenn  ich 
ect1  lauten  vielmehr  so,  als  ob  er  dem  Hofe  nicht  angehöre,  sondern 
gelegentlich  Orte,  wo  derselbe  gehalten  wird,  aufsuche". 

Ist  es  nun  möglich,  die  Zeit  zu  bestimmen,  in  der  Walther  nicht 
am  Hofe  Friedrich  II.  lebte ,  sondern  an  einem  Orte  und  in  einer 
Stellung,  so  dass  er  leicht  die  königlichen  Hoftage  besuchen  konnte, 
so  können  wir  mit  voller  Bestimmtheit  die  Zeit  angeben,  in  welche 
die  Abfassung  unseres  Spruches  fällt,  und  damit  auch,  wer  diu 
„heimschen  fürsten"  sind.    Das  können  wir! 

Nach  dem  Jahr  1223  war  Walther  nicht  mehr  am  königlichen  Hof, 
am  allerwenigsten  mit  der  Erziehung  Heinrich  VII.  beschäftigt,  wenn 
er  überhaupt  sein  Miterzieher  war  (Vilmar,  pag.  412,  G.  von  Karajan, 
über  2  Gedichte  Walthers  von  der  Vogelweide,  ein  akademischer  Vor- 
trag, Wien,  1851),  sondern  so  situiert,  dass  er  von  Zeit  zu  Zeit  ab- 
kommen konnte.  Er  befand  sich  auf  seinem  Lehen,  das  in  Franken 
lag,  worin  alle  Ausleger  übereinstimmen.  Noch  keiner  hat  Walthers 
Lehen  anderswo,  als  in  Franken  gesucht. 

Will  man  endlich  aus  dem  Umstände,  dass  kein  Spruch  Walthers 
auf  den  Tod  Philipps  vorhanden  ist,  schliessen ,  Walther  habe  zu 
dieser  Greuelthat  geschwiegen  „aus  zarter  Schonung  und  schuldiger 
Rücksicht  auf  seine  heimischen  Fürsten"  (Schrott,  a.  a  0.),  so  ist  dies 


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217 


ein  Erklärungsversuch,  der  etwas  bestechendes  hätte,  wenn  man  nicht 
glauben  dürfte,  dass,  wie  viele  Minnelieder  Walthers,  so  auch  Lieder 
aus  der  Zeit  von  1204  —  1208  verloren  gegangen  sind.  Ob  übrigens 
nicht  Walther,  der  jede  Gewaltthat  verdammte,  den  Mut  gehabt  hätte, 
die  seiner  heimischen  Fürsten  zu  brandmarken,  mag  dahingestellt 
bleiben.  Entscheidend  indess  für  die  Bestimmung  der  „heitnschen 
ßrsten11  kann  das  bis  jetzt  unerklärte  Schweigen  der  Walther'schen 
Muse  beim  Tode  Philipps  nicht  sein. 

Nunmehr  kann  ich  zusammenfassen.  Die  Zeit  der  Abfassung  des 
Spruches  und  sein  Inhalt  lassen  unter  den  „heimschen  fürsten"  nur 
die  fränkischen  Herrn  verstehon  üeber  die  Heimat  Walthers  sagt  uns 
der  Spruch  nichts,  wol  aber  über  seinen  Aufenthalt  auf  seinem  Lehen 
im  Frankenlande. 

Ob  und  inwieweit  der  Spruch:  „owe  war  sint  verschwunden  alliu 
miniu  jar"  (No.  188)  auf  seine  Heimat,  die  er  bei  der  Reise  nach 
Italien  zum  Kreuzzug  des  Jahres  1228  berührt  haben  soll,  bezogen 
werden  darf,  will  ich  ein  anders  Mal  zur  Sprache  bringen.  Vorläufig 
bemerke  ich  nur,  dass  mir  die  Teilnahme  Walthers  an  einem  Kreuz- 
zuge eine  „Sage"  zu  sein  scheint,  wie  die  „von  dem  Walther,  der  in 
der  Welt  herumgezogen  und  ein  berühmter  Mann  geworden  ist". 
(Korrespondent  v.  u.  f.  Deutschland,  No  17,  1875  ) 

Landau  (Rheinpfalz).  Falch. 


Die  Erhöhung  der  wöchentlichen  Stundenzahl  fflr's  Deutsche  in  der 

reonranisirten  Gewerbschule.  •) 
Der  Zweck  des  Unterrichts  in  der  Muttersprache  wird  in  der  Regel 
so  bestimmt,  derselbe  habe  den  Schüler  in  den  Stand  zu  setzen,  seine 
Gedanken  richtig  und  gut  darstellen  zu  können;  Sprachfertigkeit  ist 
es  also,  was  vor  allem  erstrebt  werden  soll.  Diese  Auffassung  ist  inso- 
fern einseitig,  als  sie  an  einer  zu  starken  Betonung  der  formellen  Auf- 
gabe, des  praktischen  Erfolgs  leidet  Sie  geht,  wie  mir  scheint,  von 
der  Voraussetzung  aus,  dass  der  Grad,  in  dem  jemand  seine  Mutter- 
sprache beherrscht,  auch  den  Grad  seiner  allgemeinen  Bildung  anzeige. 
Es  ist  dies  jedoch  ein  pädagogisches  Dogma,  das  gar  sehr  der  Ein- 
schränkung bedarf.  Man  vergesse  nur  nicht,  dass  Reichthum  und 
Tiefe  der  Gedanken  nicht  selten  mit  einer  gewissen  Unbeholfenheit 
des  Ausdrucks,  mit  einem  Mangel  an  Gestaltungskraft  und  Formensinn 
verbunden  ist,  dass  es  hingegen  eine  Zungen-  und  Federfertigkeit  gibt, 
die  unter  einer  Flut  von  schonen  Worten  und  schillernden  Phrasen 


*)  Da  dieser  Antrag  der  Gewerbschule  Passau  in  München  wegen 
Mangels  an  Zeit  nicht  zur  Verhandlung  kommen  konnte,  so  dürfte  es  nicht 
überflüssig  sein,  die  Begrünbung  desselben  in  diesem  Blatte  mitzuteilen. 


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218 


die  geistige  Hohlheit  verbirgt.  Ich  unterschätze  die  formelle,  praktische 
Seite  des  deutschen  Sprachunterrichts  durchaus  nicht;  ich  meine  nur, 
man  soll  nicht  die  triviale  Wahrheit  übersehen  ,  dass  man  erst  Ge- 
danken haben  muss,  ehe  man  sie  zum  Ausdruck  bringen  kann.  Dem 
Schüler  Gedanken  zu  vermitteln,  seinen  geistigen  Horizont  zu  klären 
und  zu  erweitern,  dies  scheint  mir  die  wichtigere  Aufgabe  des  deutschen 
Unterrichts  zu  sein.  Freilich  ist  dies  das  Ziel  überhaupt  jedes  Unter- 
richts, der  nicht  auf  eine  blosse  mechanische  Fertigkeit  sein  Absehen 
hat;  aber  das  vorzüglichste  Mittel  allgemeiner  Geistescultur  ist  für  die 
Schüler  der  Gewerbschule  doch  wohl  der  Schatz  vaterländischer  Bildung, 
der  aus  den  Meisterwerken  unserer  Literatur  quillt.  Die  daraus  zu 
treffende  Auswahl  soll  einerseits  dazu  dienen,  das  Wissen  der  Schüler 
in  Geschichte,  Geographie  und  Naturkunde  zu  ergänzen  und  zu  be- 
leben, andererseits  aber  auch  geeignet  sein,  die  Jugend  in  das  deutsche 
Geistesleben  einzuführen,  nationale  Gesinnung  zu  pflegen  und  sie  zu 
erfüllen  mit  Liebe  zum  Land,  zur  Sitte  und  zur  Geschichte  ihrer  Väter. 

Es  wäre  sehr  nützlich ,  wenn  der  neue  Lehrplan  diese  Auswahl 
nicht  ganz  dem  Ermessen  des  Lehrers  überliesse,  sondern  für  den  3. 
und  4.  Ours  ein  Minimum  der  zu  behandelnden  Stücke  namhaft  machte. 
Die  Lehrer  der  alten  Sprachen  empfinden  es  ja  auch  nicht  als  un- 
pädagogische Beschränkung  ihrer  Freiheit,  dass  ihnen  die  Lektüre  der 
alten  Klassiker  spezialisirt  vorgeschrieben  ist.  Nach  meiner  Meinung 
sollen  im  3.  Curs  der  reorganisirten  Gewerbschule  an  der  Hand  eines 
guten  Lesebuchs  die  besten  Balladen  von  Uhland,  Göthe  und  Schiller 
erklärt  werden;  im  4.  Curs  dagegen  wäre  den  Schülern  das  Verständ- 
niss  einiger  grosserer  Dichtungen  zu  eröffnen.  Rudolf  v.  Ra  u  m  e  r 
schlägt  für  das  Gymnasium  deren  12  vor,  worunter  allerdings  einige  Ueber- 
setzungen  sind.  Es  ist  gewiss  nicht  zu  viel,  wenn  man  von  einem 
Realschüler,  der  im  17.  Jahr  die  Schule  verlässt,  die  Vertrautheit  mit 
mindestens  sechs  derselben  verlangt.  Für  die  geeignetsten  halte  ich : 
Minna  von  Barnhelm  von  Lessing,  den  Cid  von  Herder,  Teil  und  Wallen- 
stein von  Schiller,  Hermann  und  Dorothea  und  Götz  von  Berlichingen 
von  Göthe.  Davon  könnten  Hermann  und  Dorothea  und  Teil  der  stata- 
rischen,  die  vier  übrigen  der  cursorischen  und  häuslichen  Lektüre  zu- 
getheilt  werden. 

Wer  in  dieser  Auswahl  mit  mir  einig  ist,  der  wird  mir  nun  auch 
darin  zustimmen,  dass  3  Stunden  wöchentlich  für's  Deutsche  nicht  hin- 
reichen. Jeder  Rcalicnlehrer  weiss,  wie  schwer  es  ist,  bis  zum  Abso- 
1  uteri  um  die  Schüler  so  weit  zu  fördern,  dass  sie  über  ein  etwas  ab- 
straktes Thema  einen  halbwegs  leidlichen  Aufsatz  liefern;  besonders 
erfährt  dies,  wer  in  einer  Gegend  wirkt,  wo  in  Folge  der  starken  Ab- 
weichung des  Dialekts  vom  Neuhochdeutschen  die  Knaben  mit  ziemlich 
unentwickeltem  Sprachgefühl  und  mangelhafter  Sprachbildung  in  die 


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219 


Gewerbschule  eintreten.  Kommt  es  ja  doch  häufig  vor,  dass  man  im 
3.  Ours  noch  mit  groben  orthographischen  Fehlern  zu  kämpfen  hat. 
Die  5  Stunden  des  jetzigen  2.  Curs  sind  auch  nicht  viel  mehr  als  4 ; 
denn  das  leidige  Anhängsel  der  gewerblichen  Buchführung  und  Wechsel- 
lehre hat  für  die  Ausbildung  im  Deutschen  nur  geringen  Werth.  Ich 
würde  für  den  neuen  Lehrplan  für  den  ersten  Curs  6,  für  den  zweiten  5, 
für  den  dritten  und  vierten  je  4  Stunden  vorschlagen.  In  den  beiden 
oberen  Cursen  könnten  dann  eine  Stunde  dem  Aufsatz,  zwei  der  stata- 
rischen  nnd  eine  der  cursorischen  Lektüre  zugewendet  werden ,  ohne 
damit  sagen  zu  wollen,  dass  diese  scharfe  Scheidung  in  jeder  einzelnen 
Woche  stattfinden  soll.  Es  ist  dies  durchaus  nicht  zu  viel.  Ich  bin 
kein  Freund  jenes  Zerfaserns  und  Zerpflückens  deutscher  Dichtungen, 
wie  es  seit  Hiecke  vielfach  in  den  Schulen  geübt  wurde;  aber  ich 
habe  die  Erfahrung  gemacht,  dass  man  vollauf  zu  tbun  hat,  wenn 
man  bei  zwei  wöchentlichen  Stunden  mit  Hermann  und  Dorothea 
fertig  werden  will. 

Es  fragt  sich  schliesslich ,  woher  die  neuen  Stunden  genommen 
werden  sollen.  Der  Antrag  der  Gewerbschulo  Passau  wollte  durchaus 
nicht  eine  Vermehrung  der  gesammten  wöchentlichen  Stundenzahl  vor- 
schlagen ;  thut  ja  unsern  Schulen  viel  mehr  eine  Verminderung  als 
eine  Vermehrung  noth.  Wenn  die  angestrebte  Erhöhung  der  Stunden- 
zahl für's  Deutsche  eine  Erhöhung  der  Unterrichtszeit  überhaupt  zur 
Folge  hätte,  so  wünschte  ich  im  Interesse  der  körperlichen  Ent- 
wicklung (  der  Schüler,  dass  es  lieber  beim  Alten  bliebe  Von  den 
Lehrobjekten  der  Gewerbschule  verträgt  nach  meinem  Dafürhalten  am 
ehesten  die  Mathematik  in  den  obern  Cursen  eine  Einschränkung. 
Mir  ist  keine  Schule  bekannt,  in  der,  wenn  sie  nicht  vorwiegend 
Fachschule  ist,  die  Mathematik  einen  so  breiten  Raum  einnimmt,  wie 
dies  in  unsern  Gewerbschulen  der  Fall.  Auf  Arithmetik  und  Mathematik 
werden  jetzt  im  zweiten  Curs  8,  in  der  gewerblichen  Abteilung  des 
dritten  Curs  ebenfalls  8  Stunden  verwendet,  also  reichlich  ein  Viertel 
der  gesammten  wöchentlichen  Unterrichtszeit.  8  Stunden  Mathematik 
und  3  Stunden  Deutsch,  —  das  ist  in  der  That  eiu  Missverbältniss. 
Ich  schätze  den  Bildungswert  der  Mathematik  als  beste  praktische  Logik, 
als  unübertreffliche  Geistesgymnastik  sehr  hoch;  aber  im  Interesse 
einer  mehr  abgeschlossenen,  allgemeinen  Bildung  der  aus  unsern 
Anstalten  unmittelbar  ins  Leben  eintretenden  Schüler  halte  ich  es  für 
besser,  wenn  die  Mathematik  dem  Deutschen  eine  Stunde  abtritt.  Bis 
jetzt  ist  durch  jede  Reorganisation  der  bayrischen  Gewerbschulen  ihr 
Charakter,  Anstalten  einer  tüchtigen  allgemeinen  Bürgerbildung  zu 
sein,  mehr  in  den  Vordergrund  gestellt  worden ;  möge  dies  auch  durch 
die  bevorstehende  geschehen ! 

Passau.  Schricker. 


I 


220 


Schriftliche  Ucbangen  im  Deutschen  für  8exta. 

• 

Die  schriftlichen  Uebungen  im  Deutschen  für  die  unterste  Klasse  der 
Lateinschule  bildeten  einen  der  Gegenstände,  welche  die  IX-  General- 
versammlung der  Lehrer  an  bayrischen  Studienanstalten  (am  31.  März 
im  Saale  des  kgl.  Wilhelinsgymnasiums  zu  München)  beschäftigten. 

Es  wurden  bei  dieser  Gelegenheit  die  sehr  brauchbaren,  nur  für 
Sexta  zum  Teil  etwas  zu  weitgehenden  Ratschläge  des  Kollega  Miller 
von  Kollega  Kraus  und  insbesondere  von  Kollega  Brunner  dahin 
beschieden,  dass  ausser  den  orthographischen  Uebungen  in  Sexta  höchstens 
noch  Nacherzählungen,  zunächst  von  Fabeln  verlangt,  Beschreibungen 
aber  kaum  mehr  gewagt  werden  dürften. 

Es  erscheint  diese  Feststellung  auf  den  ersten  Blick  so  einleuchtend 
und  so  ausreichend,  dass  der  Verfasser  dieser  Zeilen,  selbst  Lehrer  in 
Sexta,  vor  der  Versammlung  keinerlei  Einspruch  dagegen  erheben 
wollte,  aus  dem  Grunde,  weil  seine  Ausführungen  zu  sehr  ins  Einzelne 
hätten  gehen  müssen  und  weil  subtile  Deduktionen  überhaupt  sich 
mehr  für  schriftliche  Behandlung  eignen;  dagegen  fasste  er  sogleich 
den  Entschluss,  seine  Ideen  über  das  wichtige  Thema  in  diesen  Blättern 
der  genaueren  Prüfung  seiner  Amtsgenossen  zu  übergeben.  Vielleicht, 
dass  auch  damit  etwas  gewonnen  wird.  — 

Wenn  es  überhaupt  ein  richtiger  Satz  ist,  dass  aller  Unterricht 
mit  dem  Leichteren  begonnen  werden  müsse,  woran  sich  erst  das 
Schwerere  reihen  kann,  ein  Satz,  der  auch  in  der  heuen  Schulordnung 
gebührend  hervorgehoben  ist,  so  dürfte  nach  meiner  Ansicht  die  Frage 
nahe  liegen,  ob  man  nicht  schon  zu  weit  gehe,  wenn  man  von  Anfängern 
sogleich  die  freie  Wiedergabe  zusammenhängender  Stücke  fordert. 

Wenn  das  Kind  zu  sprechen  anfangt,  lallt  es  zuerst  einzelne  Wörter 
hervor;  wenn  ein  Knabe  zu  denken  anfängt,  vermag  er  noch  nicht  eine 
Kette  von  Vorstellungen  zu  überschauen,  sondern  es  stellen  sich  bei 
ihm  zuerst  einzelne  Sätze  ein;  die  Aufeinanderfolge  und  der  natur- 
notwendige Zusammenhang  der  Verhältnisse  liegt  ihm  noch  ferne. 
Wenn  man  ihn  also  zwingt,  Zusammenhängendes  nachzuerzählen, 
ist  es  zu  verwundern,  wenn  er  sich  in  seiner  Verlegenheit  erfahrungs- 
gemass  mechanisch  an  den  Wortlaut  des  Vorgelesenen  oder  Vor- 
gesagten anklammert?.  Dabei  aber  arbeitet  er  offenbar  mehr  mit  dem 
Gedächtniss  als  mit  dem  Verstände  und  versäumt  somit  nicht  nur  die 
Gelegenheit  denken  zu  lernen,  sondern  verlernt  sogar  das  richtige 
freie  Denken  überhaupt.  Das  Gedächtniss  ist  nur  zu  oft  ein  Feind 
des  Verstandes  1 

So  handelt  es  sich  im  innersten  Interesse  der  Jugend  darum,  ob 
es  nicht  eine  noch  tiefere  Stufe,  eine  erste  Stufe  bei  diesem  Unter- 
richt gebe,  die  den  Kräften  eineB  Sextaners  entspricht  und  zugleich 


221 


die  passendsten  Fundamente  für  die  weitere  Ausbildung  bietet.  Eine 
solche  Stufe  ist  allerdings  vorhanden. 

Sie  besteht  darin,  dass  man  den  Schülern  eine  Erzählung  vorliest 
oder  vorsagt  und  zwar  mit  lebhafter  Demonstration  und  dann  den 
einen  und  andern  auffordert,  einen  einzelnen  Punkt  oder  Satz 
davon  anzugeben.  An  den  vom  Schüler  gegebenen  Punkt  knüpft  sodann 
der  Lehrer  geeignete  Fragen,  die  wieder  vom  Schüler  beantwortet 
werden,  bis  zuletzt  die  Hauptsachen  der  Erzählung  aus  dem  Knaben 
herausexaminiert  sind.  Ein  solches  Verfahren  ist  für  die  Schüler  an- 
gemessen, sie  werden  wirklich  nachdenken,  dieses  oder  jenes 
glücklich  auffinden  und  kundgeben. 

Es  sei  verstattet,  die  Sache  durch  ein  Beispiel  zu  erklären.  Man 
erzählt  etwa  die  Fabel  vom  Fuchs  und  der  Weintraube  in  folgender 
Weise:  „Ein  Fuchs  sah  an  einem  Weinstock  eine  schöne 'blaue  Traube 
hängen;  er  hätte  sie  gar  zu  gerne  verzehrt;  allein  wie  sehr  er  sich 
auch  anstrengte  und  fort  uud  fort  nach  ihr  emporsprang,  sie  hing  zu 
hoch  für  ihn,  er  konnte  sie  nicht  erreichen.  Endlich  gab  er  seine 
Versuche  auf  und  ging  mit  den  Worten  weiter:  „Sie  wäre  mir  doch  zu 
sauer!"  —  Sodann  ruft  man  einen  Schüler  und  fordert  ihn  aut,  aus 
dieser  Fabel  nur  einen  Satz  zu  sagen;  er  antwortet  vielleicht  in 
kindlich  -  naiver  Weise;  das  verschlägt  nichts,  wenn  er  nur  einen 
relativ  selbständigen  Gedanken  produziert,  z.  B.:  „Der  Fuchs  hätte 
gern  eine  Weintraube  verzehrt".  Man  spendet  dem  Schüler  Beifall 
für  diese  Antwort  und  wendet  sich  sodann  an  einen  zweiten  mit  der 
Frage:  „Der  Fuchs  hätte  gerne  eine  Weintraube  verzehrt;  aber 
warum  hat  er  sie  nicht  verzehrt?"  —  Antwort  des  Schülers:  Die  Traube 
hing  zu  hoch  droben".  —  So  hat  der  Schüler  wieder  selbständig 
gedacht,  man  lobt  ihn  und  fragt  einen  dritten:  „Suchte  er  sie  denn 
auch  zu  erreichen?"  —  Antwort:  „Ja!  Er  sprang  oft  dazu  hinauf".  — 
Frage:  „Was  that  der  Fuchs  dann?"  —  Antwort:  „Er  ging  fort".  — 
Frage;  „Gutl  Und  was  sagte  er  dabei?"  —  Antwort:  „Er  sagte,  dass 
die  Weintraube  doch  sauer  wäre".  — 

Oder  aber  der  erstgerufene  Schüler  gibt  die  Antwort:  „Der  Fuchs 
sagte,  die  Traube  wäre  ihm  doch  zu  sauer."  —  Auch  das  kann  man 
annehmen;  man  fragt  dann  einen  zweiten:  „Warum  nämlich  sagte 
der  Fuchs  so?"  —  Antwort:  „Die  Weintraube  hing  ihm  nämlich  zu 
hoch  droben4*.  —  Frage  an  einen  dritten:  „Und  doch  wie  hatte  er 
versucht,  sie  zu  erreichen?"  —  Antwort:  „Und  doch  war  er  oft  hinauf 
gesprungen".  —  Frage:  „Was  that  er  zuletzt?"  —  Antwort:  „Zuletzt 
ging  er  weiter."  — 

Das  alles  wird  freilich  bloss  mündlich  verhandelt,  wenn  auch 
gleichzeitig  sämmtliche  Schüler  die  Feder  in  der  Hand  haben  sollten, 
um  die  gegebenen  und  vom  Lehrer  richtig  gestellten  Antworten  sofort 


222 


ins  lieft  einzutragen.  Nun  könnte  man  aber  die  Fabel  auch  schriftlich 
bearbeiten  lassen  ,  indem  man  nämlich  nach  der  Vorlesung  derselben 
etwa  folgende  Fragen  zur  schriftlichen  Beantwortung  gibt  (einzelne  zur 
Gedankenverbindung  dienende  Wörtchen  müssen,  wie  oben  betont,  so  hier 
in  der  Frage  unterstrichen  werden,  damit  sie  die  Schüler  in  die  Antwort 
mit  hinübernehmen): 

1)  Welchen  Gegenstand  erblickte  der  Fuchs  in  der  Höhe?  (Antwort 
in  einem  ordentlichen  Satze  zu  geben!)  —  2)  Was  wollte  er  damit 
anfangen?  —  3)  Wie  suchte  er  also  seinen  Zweck  zu  erreichen?  — 
4)  Aber  kam  er  wirklich  damit  zu  Stande?  —  5)  Was  tbat  er 
zuletzt?  —  6)  Was  sagte  er?  — 

So  wird  der  Schüler  von  Frage  zu  Frage  nachdenken  und 
etwa  schreibe^:  „Der  Fuchs  erblickte  in  der  Höhe  eine  schöne  Wein- 
traube; er  hätte  sie  gerne  verzehrt;  er  sprang  also  oft  hinauf  dazu; 
aber  er  konnte  sie  nicht  erreichen;  zuletzt  ging  er  fort  und  sagte: 
Sie  ist  mir  noch  zu  sauer/'  — 

Freilich  wickelt  sich  die  Erzählung  in  lauter  kurzen  Hauptsätzen 
ab;  allein  sie  sind  folgerichtig  an  einander  gereiht  und  vom  Schüler 
selbst  gefunden;  damit  er  aber  auch  an  den  Gebrauch  der  Nebensätze 
und  an  Satzgliederung  sich  allmählich  gewöhne  (ein  Ding,  das 
sich  nicht  im  Handumdrehen  oder  von  selbst  macht),  so  diktiert  man 
nachträglich,  nachdem  die  Arbeiten  der  Schüler  korrigiert  und  durch- 
gegangen sind,  die  Fabel  in  der  vorgelesenen  Fassung. 

Wenn  meine  Kollegen  diese  Vorstufe  als  gerechtfertigt  anerkennen, 
so  dürften  sie  mit  mir  es  erst  gegen  Ende  des  Schuljahres  einmal 
versuchen,  von  den  Schülern  eine  einfache  Fabel  im  Zusammenhang 
nacherzählen  zu  lassen.  Kompliziertere  Stücke  sind  aber  jedenfalls  in 
höhere  Klassen  zu  verweisen.  — 

Es  wurde  ferner  in  jener  Sitzung  als  schriftliche  Uebung  in  Sexta 
die  Beschreibung  von  einer  Seite  (Kollega  Miller)  als  empfehlens- 
wert, von  einer  zweiten  (Kollega  Kraus)  als  zulässig,  endlich  von  einer 
dritten  (Kollega  Brunner)  als  gewagt  erklärt. 

Wenn  man  die  in  diesem  Artikel  bisher  entwickelten  Grundsätze 
auch  auf  die  Beschreibung  überträgt,  so  ist  die  zusammenhängende 
Beschreibung  in  Sexta  ebenso  zu  vermeiden,  wie  die  zusammenhängende 
Nacherzählung. 

Die  Sinne  eines  Knaben  sind  noch  nicht  so  scharf,  dass  er  sich 
einen  Gegenstand  in  seine  Teile  zerdenken  und  zwischen  den  vielerlei 
Eigenschaften  unterscheiden  könnte;  vollends  wäre  er  aber  nicht  im 
Stande,  seine  etwaigen  Einfälle  in  angemessener  Ordnung  vorzubringen. 
Man  müS8te  ihm  bei  jedem  Gegenstand  Satz  für  Satz  vorsagen,  wobei 
er  leider  das  Gesagte  weit  weniger  mit  dem  Verstände,  als  mit  dem 
Gedächtniss  aufnimmt  und  dann  reproduziert  ungefähr  wie  ein  Papagei. 


223 


Eine  solche  Methode  will  mir  wenigstens  nicht  recht  einleuchten! 
Dagegen  ist  aber  auch  der  mitunter  laut  werdende  Satz,  als  hätten 
Sextaner  gar  keine  eigenen  Gedanken,  falsch.  Man  muss  nur  die 
Kunst  verstehen,  "ihnen  die  Gedanken  zu  erwecken  und  zu  entlocken. 
Und  so  meine  ich  denn ,  es  gebe  auch  für  die  Beschreibung  eine 
Vorstufe,  die  für  Sexta  allein  geeignet  ist  und  etwa  in  Folgendem 
besteht: 

Man  ruft  einen  Schüler  und  fordert  ihn  auf,  einmal  Qber  einen 
ihm  voraussichtlich  wohlbekannten  (konkreten)  Gegenstand,  z.  B.  vom 
Schmetterling  irgend  etwas  zu  sagen,  jedoch  mit  Ausschluss  der  Sätze 
mit  „ist"  und  „hat"  So  antwortet  er  vielleicht  einfach :  „Der  Schmetterling 
fliegt  umher".  —  Er  hat  hierait  offenbar  einen  eigenen  Gedanken  aus- 
gesprochen. Nun  setzt  man  das  Gespräch  weiter.  Lehrer:  Wo  fliegt 
der  Schmetterling  umher?  —  Schüler:  Der  Schmetterling  fliegt  auf  der 
Wiese  (oder:  im  Garten  etc.)  umher.  —  Lehrer:  Setze  nun  zu  dem 
Worte  Schmetterling  ein  passendes  Eigenschaftswort!  —  Schüler:  Der 
schOne  (kleine,  nette,  bunte)  Schmetterling  fliegt  etc.  —  Lehrer: 
Setze  desgleichen  zu  dem  Worte  Wiese  ein  Eigenschaftswort!  — 
Schüler:  Der  bunte  Schmetterling  fliegt  auf  der  grünen  (blumigen) 
Wiese  umher.  —  Lehrer:  Setze  den  Satz  in  den  Plural!  —  Schüler: 
Die  bunten  Schmetterlinge  fliegen  etc.  —  Lehrer:  Nun  lass  den  Artikel 
bei  Schmetterling  weg  und  stelle  den  Satzteil  „Auf  der  blumigen  Wiese" 
an  den  Anfang!  —  Antwort:  Auf  der  blumigen  Wiese  fliegen 
bunte  Schmetterlinge  umher. 

Ist  das  nicht  schon  eine  kleine  Beschreibung?  Und  doch  hat  der 
Schüler  dazu  eigentlich  nichts  erhalten,  als  nur  den  Titel  Schmetterling. 
Das  andere  hat  er  selbst  erdacht,  ohne  dass  es  ihm  vorgesagt  wurde. 
Solche  Uebungen  sollten  positiv  nicht  umgangen  werden;  abgesehen 
davon,  dass  sie  für  die  Schüler  sehr  erspriesslicb  sind,  gewähren  sie 
auch  dem  Lehrer  sowohl  wie  den  Schülern  eine  Quelle  der  Unter- 
haltung durch  das  Vielerlei  und  Mancherlei,  das  dabei  auf  die  Bahn 
gebracht  wird. 

Der  so  gefundene  Satz  wird  alsbald  zu  schriftlicher  Uebung  von 
der  ganzen  Klasse  ins  Heft  notiert. 

Will  man  aber  ja  eine  zusammenhängende  Beschreibung  verlangen 
und  zwar  geschrieben  verlangen,  so  ist  kein  anderer  Weg  dafür  offen 
als  dass  man  dem  Schüler  eine  Reihe  von  Fragen  zur  Beantwortung 
diktiert,  z.  B.  der  Fisch.  1)  Wo  lebt  der  Fisch?  —  2)  Womit  ist  er 
bekleidet?  —  3)  Das  Pferd  läuft,  der  Vogel  fliegt,  der 
Wurm  kriecht;  aber  wie  bewegt  sich  der  Fisch?  —  4)  Und 
zwar  vermittelst  welcher  Werkzeuge  (oder  Organe)  bewegt  er  sich?  — 
5)  Wovon  nährt  sich  der  Fisch?  —  6)  Womit  fängt  man  den  Fisch?  — 
7)  Wodurch  nützt  uns  der  Fisch?  -  8)  Doch   wovor  müssen  wir 


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224 


uns  beim  Genüsse  desselben  hüten?  —  NB!  Es  sollen  zu 
diesem  oder  jenem  der  vorkommenden  Substantiva  passende  Adjektiva 
gesetzt  werden! 

So  wird  der  Schüler  vielleicht  durch  eigene  Kraft  jxtit  folgendem  Ela- 
borat zu  Stande  kommen:  Der  Fisch  lebt  im  Wasser  (der  Flüsse  und 
Seen) ;  er  ist  mit  glänzenden  Schuppen  bekleidet.  Das  Pferd  läuft,  der 
Vogel  fliegt,  der  Wurm  kriecht,  der  Fisch  aber  schwimmt,  und  zwar  bewegt 
er  sich  vermittelst  der  breiten  Flossen.  Er  nährt  sich  von  Würmern, 
Fliegen  und  Wasserpflanzen.  Man  fängt  ihn  mit  dem  Netz  oder  der 
Angel;  er  nützt  uns  durch  sein  schmackhaftes  Fleisch;  doch  müssen 
wir  uns  beim  Genüsse  desselben  vor  den  spitzigen  Gräten  hüten. 

Sollte  hiebei  auch  die  eine  oder  andere  Aeusserung  kindlicher 
Naivetät  zu  Tage  treten,  so  halte  ich  es  doch  noch  für  besser,  die 
Jugend  selbst  arbeiten  zu  lassen,  als  ihr  Alles  und  Jegliches  vorzu- 
kauen. Freilich,  wenn  die  Aufgaben  der  Schüler  korrigiert  und  durch- 
besprochen sind  ,  dann  kann  man  ihnen  über  das  Thema  etwas 
Mustergiltiges  diktieren  oder  wenigstens  vorlesen.  — 

Es  sei  diesen  Betrachtungen  ein  Wort  über  den  deutschen  Unter- 
richt überhaupt  beigefügt.  Wenn  man  verlangt,  es  soll  dieser  im 
engen  Anschluss  ans  Lateinische  erteilt  werden,  so  ist  damit  (wenigstens 
in  den  untern  Klassen,  wo  die  Lektüre  lateinischer  Autoren  gleich 
Null  ist)  offenbar  nur  der  Unterricht  in  der  deutschen  Grammatik 
gemeint.  Was  sollte  die  Nacherzählung  einer  Fabel  oder  gar  eine 
Beschreibung  mit  dem  Lateinischen  zu  schaffen  haben? 

Es  wird  aber  beim  deutschen  Unterricht  noch  ein  anderes  Ziel 
verfolgt,  das  seltener  gehörig  hervorgehoben  wird,  nämlich  die  Ver- 
standesbildung, die  Gedankenübung,  mit  anderen  Worten,  der  deutsche 
Unterricht  ist  zum  grossen  Teil  auch  ein  logischer  Unterricht.  Da  der 
Schüler  nur  in  der  Muttersprache  denken  und  vermittelst  derselben 
seine  Gedanken  äussern  kann,  so  fällt  allerdings  die  Gedankenübung 
mit  der  Sprachübung  zusammen;  wir  wollen  den  Schüler  aber  gewiss 
nicht  bloss  sprechen,  sondern  auch  denken  lehren,  ja  wir  sollen  und 
wollen  ihn  vor  allem  denken  lehren.  Von  diesem  Standpunkte  aus 
dürften  sich  meine  obigen  Ausführungen  mehr  empfehlen.  — 

Zum  Schlüsse  noch  die  Bemerkung,  dass  in  Sexta  die  deutsche 
Grammatik  allein  schon  Gelegenheit  zu  so  reichen,  schönen  und  erspriess- 
lichen  schriftlichen  Uebungen  bietet,  dass  man,  vollauf  beschäftigt, 
kaum  nötig  hätte,  sich  nach  etwas  anderem  umzusehen,  wenn  es  nicht 
aus  andern  Gründen  wünschenswert  wäre.  Deren  soll  vielleicht  in 
einem  weiteren  Artikel  gedacht  werden! 

München.  Ludwig  Mayer. 


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225 


Zar  Aussprache  des  Lateluischcn. 

A.  Spengel  hat  uns  in  einer  akademischen  Abhandlang:  „Deutsche 
Unarten  in  der  Aussprache  des  Lateinischen'1  (Sitzung  vom  5  Dez.  1874) 
unsere  Fehler  in  der  Aussprache  des  Lateinischen  vorgehalten.  Es 
durfte  nicht  uninteressant  sein  daran  zu  erinnern,  wie  vor  nahezu 
300  Jahren  —  1586  —  der  berühmte  Lipsius  in  seinem  Dialoge  de  recta 
pronuntiatione  Latinae .  linguae  das  gleiche  Ziel  verfolgte:  —  mit 
welchem  Erfolge  freilich ,  hat  die  Zeit  gelehrt.  Die  Gewohnheit  und 
der  Einfluss  der  modernen  Sprachen  ist  hier  stärker  als  alle  ratio 
und  es  ist  nicht  daran  zu  denken  ,  dass  man  je  allgemein  von  einem 
Kikero  und  Kaesar,  von  eiuem  römischen  Konkil,  von  einer  Kelebrität 
oder  Kapakität,  von  Keremonien  oder  von  den  Kedern  des  Libanon 
reden  oder  in  Zukunft  einen  kitieren,  etwas  explikieren  oder  multipli- 
kieren  wird!  Aber  innerhalb  der  Schule,  bei  Erlernung  des 
Lateinischen,  lässt  sich  immerhin  bei  ernstem  Willen  etwas  erreichen 
und  desshalb  sei  hier  auf  die  Ausführung  der  zwei  wichtigsten  Punkte, 
auf  welche  es  zunächst  ankommt  —  die  Aussprache  des  C  und  der 
Silbe  ti  —  in  dem  Dialoge  des  Lipsius  hingewiesen.  Im  13.  Kapitel 
kommt  er  auf  die  Buchstaben  C,  K,  Q,  G  zu  sprechen  und  sagt: 

Jungo  quadrigam  alt  er  am,  quam  trahent  mihi  equi  non  concolores 

avium,  sed  gemelli,  imo  iidem.    C  K.  Q.  G  iis  nomitia.  quos  a  vi  aut 

soni  indole  qui  discrimines?  aegre  possis  ex  meute  veterum,  qui  adeo 

easdem  censuerunt ut  una  vice  omnium  diu  sint  usi.    C  sola  iis 

locum  munusque  aliarum  trium  tenuit:  donec  natae  invectaeque  Mae, 

vix  ob  neces8itatem  sed  ornatum.    Videbo  tarnen  singulas  et  si  quid 

in  aliqua  eximium,  dicam.   C  prima  et  vetustissima  est.  quam  in  locum 

Kappa  Graecanici  venisse  non  est  dubium:  in  locum  sed  et  in  sonum. 

Plane  pleneque  ut  K  elata  semper.    Nec  assertione  res  egebat.  quis 

enim  Grammaticorum  aliter  umquam  tradidit?  nisi  qw>d  hodie  pranus 

et  pertinax  in  eo  error  inolevit.    Duplicem  ei  sonum  dedimus,  alterum 

ut  debuimus,  alterum  ut  voluimus.  Et  cum  a  vocalibus  quidem  A.  0  U 

•  .... 
aut  diphthongo  Au  excipitur,  suum  et  relmqutmus  et  priscum  sonum; 

efferimus  enim  Caput,  Corpus ,  Cubitum,  Caudam,  cum  ab  E.  I.  Y. 

Ae,  Oe,  nnrum  ei  damus  et  anteaevo  inauditum.  enuntiamus  enim  cum 

crasso  et  molesto  quodam  {nec  ambige,  quin  isti  sibili  a  barbaris  sint) 

sibilo,  Ceram,  Cippum,  Cyrum,  Caenam,  Coenum.  effatu,  quem  littera 

nulla  habet,  nulla  hui  mit.  ad  Z  aut  S  accedere  videtur ,  non  attingit. 

Quae  haec  perversitas?  quis  auetor?  apex  non  est  in  veterum  scriptis, 

qui  stabiliat,  et  mos  ille  taut  um  a  mala  quadam  Ubidine  peccandi. 

Omitto  Grammaticos  omnes,  qui  C  cum  Kappa  aequiparant  clare;  ratio 

ipsa  quam  repugnat?   Capio  recte  e/fers;    Cepi  ab  eo,  cur  aliter? 

cur  Incipio?  Eccum  et  Eccam  audio:  Ecce  producis  in  alia  soni 

Blätter  f.  d.  bayer.  Qymn.-  u.  Kcal  -  Sobalw.    XL  Jahrg. 


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22G 


veste.  A  Casto  Incestum  formari  qui  vox  tua  me  doceat?  et  tntdta 
alia,  quae  labern-  et  ambiguitatum  agmen  invexere  in  Latinam  linguam. 
Silicem  aut  Cilicem  ex  enuntiatu  nostro  aures  non  discertuwt: 
non  Cyrum  aut  Syrum;  Sepio  aut  Caepio;  Cell  am  aut 
Seil  am;  Cervum  aut  Servum;  Dissere  aut  Diacere  et  quae 
millena.  Pudet  non  tarn  erroris  quam  pertinaciae,  quiq  corripi  pati- 
untur  at  non  corrigi,  et  tenent  omnes  quod  defendat  nemo.  Itali, 
Hispani,  Germuni,  Galli,  Britanni  in  hoc  peccato;  a  qua  gente  initium 
emendandi?  Audeat  enim  mihi  una  aliqua  et  omnes  audient.  Sed 
de  C  satis. 

Und  er  schliesst  das  Kapitel  mit  dem  drastischen  Ausruf: 
Mutemus  aut  vapulemus! 

im  folgenden  Kapitel  spricht  er  über  D  und  T.  Er  erwähnt  die 
Vertauschung  dieser  Buchstaben  in  Handschriften  und  Inschriften  und 
fährt  dann  fort: 

Effertur  hodie  utraque  rede  (nec  praeitione  mea  ad  sonum  opus) 
excipio,  quod  peccant  in  T,  quoties  ea  vocalem  I.  anteit  et  haec  aliam 
Q.  Papirius  quispiam  auetor  et  tutor  huic  culpac  advocari  potest ;  cuius 
haec  legiverba.  ..Just  it  in  cum  scribitur,  tertia  syllaba  sie  sonat,  quasi 
constet  ex  tribus  litteris  T.  Z  et  I,  cum  habeat  duas,  T  et  J  Sed 
notandum,  quia  in  his  syllabis  sonus  iste  litterae  Z  inveniri  tantum 
potest,  quae  constant  T  et  I  et  eas  sequitur  vocalis  quaelibet :  ut  Tatius, 
Otia,  Justitia  et  talia.  Excipiuntur  quaedam  nomina  propriaf  quae 
peregrina  sunt.  Sed  ab  his  syllabis  excluditur  sonus  Z  litterae,  quas 
sequitur  littera  I,  ut  Otii ,  Iustitii.  Item  non  sonat  Z,  cum  syllabatn 
ti  antecedit  littera  S:  ut  Justins,  Castiusu.  O  nugator!  vere  enim  sie 
appello  nebulam  Grammatici,  non  Grammaticum  et  quem  mihi  certum 
nec  esse  quidem  a  pri-co  aevo.  Unicum  hoc  fragmentum  hominis  exstat 
nec  aliud :  cui  ipsi  utinam  lumbi  et  renes  diu  fracti  /  At  enim,  Murete, 
inquam,  etiam  Ciceronis  jocus  in  Art i um  quendam  id  stabiliat;  <?mi 
allusione  nomitu's  subjecit  ~A$tos.  Ergo  ut  Graecorum  illud  £  pronunh- 
atum  T.  In  fronte,  inquit,  aliquid  est;  in  re  et  inspectione  nihil 
Allusio  fuit,  sed  in  propinquo  sono  non  eodem.  Et  age,  si  ea  pro- 
nuntiatio,  cur  nemo  veterum  de  littera  T  tale  aliquid  prodidit?  out 
quae  causa  cur  sonum  ante  I  magis  quam  vocalem  aliam  mutet?  non 
di.i  t  ns  et  sperno  audacter  hasce  ineptias  vel  uno  argumento,  quod 
nulli  Consonantium  (aliter  quam  in  Vocalibus)  sonus  duplex. 

Am  Schlüsse  des  ganzen  Dialoges,  im  23.  Kapitel,  wendet  er  sich 
noch  an  die,  welche  die  Sache  zunächst  angeht,  an  die  Schulmeister, 
mit  den  Worten : 

nec  habeo  quod  addam,  praeter  monita  aut  verius  vota.  Utinam 
mens  iis,  qui  instituunt  iuventutem,  haec  docendi!  non  deesset  r<*tt° 
aut  via  inducendi.    In  Graeca  pronuntiatione  id  tarn  pervieimu*1 


227 


quidni  Latina  haec  et  cottidiana  pariter  nitescat  ?  Cuius  usus  cum 
latissimus  [sit:  imo  cum  necessarius  ad  commercia  coniunctionemque 
tot  gentium:  de  germana  facie  eius  tarn  exiguam  nobis  curam  ease, 
iure  mirer.  In  pronuntiatione  autem  illa  est  atque  ut  hominis  fonnae 
vestis  cultusque  non  parum  addit  aut  detrahit:  sie  sermoni  effatus. 
Communio  quidem  sermonum  linguarumque  et  derivatio  vocum  non 
alia  re  magis  illucescet,  quam  germano  isto  enuntiatu.  ad  quem  legi- 
titnam  viam  tibi  praeivi ,  Lipsi:  tu  eam  meliorem  mollioremque  cal- 
cando  reddes  Dura  enim  pleraque  initia  videntur,  conßteor:  usus  est 
qui  mollit  et  consuetudo. 

München.  C.  Meiser. 


Stilistische  Aphorismen« 

1.   Krankheitszustände  der  modernen  Stilistik. 

Wenn  wir  in  diesen  Blättern  mit  stilistischen  Aphorismen  hervor- 
treten, so  sahen  wir  uns  hiezu  veranlasst  durch  die  eigentümlichen 
Verhältnisse,  in  welchen  wir  die  Stillehre  vorfinden.  Durchforschen 
wir  nämlich  die  vorliegende  stilistische  Literatur  und  halten  wir  Um- 
frage nach  der  in  unsern  Mittelschulen  üblichen  Praxis,  so  stossen  wir 
auf  vieles ,  was  uns  zu  dem  Urteile  führt ,  dass  in  der  Stilistik  so 
Manches  faul  sei. 

Unseres  Erachtens  nämlich  leidet  dieselbe  an  drei  chronischen 
Uebeln  ,  die  ihre  Lebenskraft  und  Entwicklungsfähigkeit  schwer  beein- 
trächtigen :  sie  krankt  an  Empirismus,  Dogmatismus  und  Stagnation. 

Zunächst  vom  Empirismus!  Die  ganze  moderne  Stillehre  ist 
grösstenteils  ein  Conglomerat  von  Regeln,  welche  eines  beherrschenden 
Princips  und  der  wissenschaftlichen  Basis  entbehren.  Dieses  können 
wir  aus  einer  grossen  Anzahl  gerade  der  verbreitetsten  stilistischen 
Handbücher,  Leitfäden  und  Sammlungen  leicht  ersehen.  Um  nur  ein 
Beispiel  anzuführen:  Was  lehrt  die  Stilistik  über  die  in  der  Einleitung 
verwendbaren  Gedanken?  Sie  sagt  uns:  a)  man  geht  von  einem  dem 
Thema  entsprechenden  allgemeinen  Gedanken  aus  und  geht  zum  Spe- 
cicllen  über;  b)  man  geht  oft  von  einem  Nebengedanken  aus,  von 
welchem  man  auf  den  Hauptgedanken  übergeht  c)  man  geht  vom  Gegen- 
teile des  Themas  aus  d)  man  beginnt  mit  Erläuterungen  des  Themas, 
mit  Worterklärungen  und  Begriffsbestimmungen ,  Aussprüchen  grosser 
Männer,  Sprüchwörtern,  Bildern,  Vergleichungen ,  Erzählungen,  Anek- 
doten, Sitten,  Erfahrungen  aus  dem  Leben  etc."  Warum  sagt  man 
nicht  lieber  einfach:  „Beginne  ad  libitum  mit  dem  Gedanken,  der  dich 

J5* 


228 


gerade  anfliegt  1"  Wer  vermöchte  in  diesen  Regeln  ein  Princip  zu 
erkennen?  Sind  sie  nicht  rein  empirisch  zusammengewürfelt?  Und  wer 
hemerkt  nicht  die  handgreifliche  contradictio  in  adjecto?  Regeln  für 
die  Einleitung  will  man  angeben;  aber  heben  denn  nicht  gerade  diese 
Regeln  jede  Regel  auf?  Das  ist  doch  wirklich  Empirismus  1 

Doch  es  gibt  noch  drastischere  Beispiele.  Wie  naiv  empirisch  ist 
folgende  Anleitung!  Wenn  du  eine  Abhandlung  schreiben  willst,  lehrt 
die  Stilistik,  so  schreibe  dir  zuerst  alles  auf,  was  dir  über  den  betr. 
Gegenstand  einfällt;  dann  ordne  die  Gedanken  und  schreite  zur  Aus- 
führung. Dies  heisst  mit  andern  Worten:  Schreibe  dir  zuerst  alles 
Mögliche  auf;  streiche  dann  alles  Mögliche  aus  und  nachdem  du  durch 
diese  Operation  allmählich  eine  dunkle  Vorstellung  von  dem  bekommen 
haben  wirst,  um  was  es  sich  eigentlich  handelt,  —  dann  fange  von 
neuem  an,  die  Gedanken  zusammenzusuchen  und  zusammenzustellen, 
die  du  brauchen  kannst.  Wie  kann  man  so  tändelnd  und  planlos  zu 
Werke  gehen!  Heisst  das  nicht,  bei  derjenigen  Uebung,  die  am  aller- 
meisten geistige  Zucht  erfordert  und  erzielen  will,  den  Geist  zum 
Irrlichteliren  anhalten?  Wissenschaftlich  kann  ein  solches  Verfahren 
jedenfalls  nicht  genannt  werden. 

Mit  dem  Empirismus  hängt  ein  anderes  Merkmal,  welches  die 
bisherige  Stillehre  kennzeichnet,  zusammen:  es  ist  der  Dogmatismus. 
Bona  ßde  schreibt  auf  unserm  Gebiete  ein  Schriftsteller  dem  andern 
die  althergebrachten  Regeln,  ja  vielfach  auch  die  zu  denselben  ge- 
bräuchlichen Beispiele  nach,   ohne  dass  es  ihm   einfällt,  dieselben 
ernstlich  kritisch  zu  sichten!  Es  wäre  freilich  auch  gar  nicht  voraus- ' 
zusehen,   ob   nicht  bei  einer  solchen  Sichtung  am  Ende  die--  ganze 
Stilistik  in  Trümmer  ginge ! !  Dieser  Gefahr  geht  ja  selbst  die  Rinne'scho 
Dispositionslehre  aus  dem  Weg,  die  sich  noch  am  meisten  vom  allge- 
meinen dogmatischen  Schlummer  losgerissen  hat.  Auch  Rinne  unterlässt 
es,  die  Kabinetsfrage  der  Stilistik  zu  stellen,  sie  einmal  darauf  anzu- 
sehen, ob   sie   überhaupt  einer   wissenschaftlichen  Begründung  und 
Behandlung  fähig  sei?  Auch  er  stellt  sein  Princip  dogmatisch  auf,  d.h. 
ohne  es  zu  begründen,  riskirend,  dass  ein  Windstoss  das  ganze  immer- 
hin schöne  Gebäude  wieder  zusammenwerfe.  —  Wie  sehr  überhaupt  in 
der  Stilistik  noch  alles  schlummert,  zeigt  namentlich  der  Umstand,  dass 
es  viele  Stillebron  gibt,  die  ihren  besonderen  Werth  darin  zu  suchen 
scheinen,  dass  sie  fast  die  ganze  Logik  ausschreiben,  während  andere 
die  Rhetorik    exrerpiren.    Aber,    müssen   wir   fragen,   ist   für  die 
Stillehre  mit  der  blossen  Applikation  jener  Disciplinen  etwas  Wesent- 
liches gewonnen?  Was  helfen  dem  Schüler  die  logischen  Abstraktionen  ? 
Was  hilft  ihm  eine  ausführliche  Lehre  vom  Urteil,  vom  Schluss  etc.? 
Helfen  ihm  diese  Gedanken  finden?  Oder  ist  die  Logik  Pispositionslehre  ? 
Wozu  ferner  dieser  Schwärm  von  rhetorischen  Regeln?  Geht  es  da  dem 


229 

Schüler  nicht  häufig,  wie  dem  Esel  Buridans?  Wenn  z.  B.  die  oben 
citirten  Vorschriften  sämmtlich  Regeln  für  die  Einleitung  sind,  was  ist 
denn  dann  eigentlich  die  Regel??  Natürlich  fällt  es  uns  gar  nicht  ein, 
logische  und  rhetorische  Erörterungen  aus  der  Stillehre  zu  verbannen» 
aber  wir  tadeln  das  massenhafte  und  für  die  Praxis  ziemlich  wertlose 
Excerpiren  und  das  Vermengen  von  Disciplinen,  die,  wenn  sie  sich 
auch  in  mancher  Beziehung  verwandt  sind,  doch  eigne  Gebiete  repräsen- 
tiren.  Nur  eine  Folge  dieser  kritiklosen  Vermengung  ist  es  daher,  dass 
die  Stillehre  sich  über  Zweck  und  Ziel  sowie  über  die  Mittel,  den  Zweck 
zu  erreichen,  noch  vielfach  unklar  ist,  dass  sie  noch  gleichsam  ein 
traumhaftes  Dasein  führt. 

Wir  glauben  nicht,  dass  sie  aus  diesem  Traumleben  bald  erwachen 
wird,  denn  wir  verkennen  nicht  das  dritte  charakteristische  Merkmal 
der  gegenwärtigen  Stillehre,  nämlich  die  sichtliche  Stagnation,  in 
welche  sie  seit  langer  Zeit  gerathen  ist.  Sie  hat  sich  bekanntlich  aus 
der  Rhetorik  entwickelt;  aber  sie  ist  in  derselben  auch  glücklich  stecken 
geblieben.  Kaum  hatte  sie  sich  als  etwas,  das  zu  selbständigem 
Leben  bestimmt  war,  constituirt,  so  begann  auch  schon  die  Versumpfung, 
und  die  moderne  Stilistik  kommt  fast  nirgends  über  die  Rhetorik  hinaus. 
So  finden  wir  die  alte  Rhetorik  mit  der  Stagnation,  in  der  sie  selbst 
sich  mehr  oder  minder  befindet,  in  der  Stilistik  natürlich  wieder.  Die 
alte  Topik,  mit  der  man  nicht  zum  Thema  kommt,  das  herrliche 
Verslein  Quia?  quid?  ubi?  etc.  prangt  fast  in  allen  Stillehren,  und 
die  Chrie,  die  kranke  Frau  in  der  Rhetorik,  vegetirt  auch  in  der 
Stilistik  weiter  und  findet  selbst  heutzutage  noch  Verehrer  und  Lob- 
reduer.  üeber  l1/,  tausend  Jahre  spukt  diese  arme  Gestalt  in  den 
Lehrbüchern  und  Schulzimmern  und  nicht  lässt  man  sie  in  die  ewige 
Ruhe  eingehen!  Und  warum  wohl?  Weil  anderthalb  Jahrtausende  nicht 
im  Stande  waren,  etwas  zu  finden,  was  die  Chrie  unbedingt  entbehrlich 
gemacht  hätte!  Ist  das  nicht  gründliche  Stagnation? 

Wenn  wir  diesen  Stand  der  Dinge*)  überschauen,  so  müssen  wir 
erklären:  die  Stilistik  ist  noch  ziemlich  weit  davon  entfernt, 

*)  Natürlich  partieipiren  an  den  Krankheiten  der  Stillehre  auch  die 
stilistischen  Materialiensammlungen.  Wir  stossen  daher  in  solchen  Büchern 
auf  die  unhaltbarsten  Dispositionen  und  auf  Ausführungen,  die  zwar  unter 
dem  Namen  „Musterbeispiele"  figuriren,  aber  in  der  Tuat  oft  uur  Master 
von  Willkür  und  Regellosigkeit  sind.  Dass  ferner  bei  Herstellung  solcher 
Sammelwerke  dogmatische  Behandlung  des  vorliegenden  Stoffes  und  Bequem- 
lichkeit sich  gegenseitig  unterstützen,  zeigt  der  Umstand,  dass  viele  soge- 
nannte neue  Materialiensammlungen  zur  Enttäuschung  des  Käufers  grossentheils 
nur  Excerpte  der  vorhandenen  bieten.  Aber  dio  neuen  Auflagen  des  Alten 
werden  doch  die  groben  Fehler  verbessern?  Keineswegs I  Um  eine  kritische 
Sichtung  des  Vorhan «lenen  ist  es  den  Sammlern  gemeinhin  gar  nicht  zu  thun. 
Pietätsvoll  überliefern  sie  das  Althergebrachte  so,  wie  sie  es  vorfanden. 
Eine  gewisse  Krystallisation  des  Vorhandenen  tritt  also  auch  hier  klar  zu  Tage,  — 


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230 


eine  Wissenschaft  zu  sein.  Ja  es  ist  überhaupt  eine  Frage, 
ob  dieselbe  jemals  eine  Wissenschaft  werden  könne.  Denn  es  wäre  bei 
einer  eingehenden  kritischen  Beleuchtung  der  bisherigen  Grundlagen 
und  Regeln  gar  nicht  unwahrscheinlich,  dass  man  zu  dem  Satz  käme: 
die  stilistische  Darstellung  richtet  sich  überhaupt  nicht  nach  Regeln 
oder  Gesetzen,  eine  Stilwissenschaft  gibt  es  daher  nie  und  nimmermehr. 
Wir  lassen  dies  dahingestellt,  glauben  aber,  dass  derartige  Betracht- 
ungen vielleicht  geeignet  wären,  die  Stilistik  aus  ihrem  Schlummer 
aufzurütteln.  Und  in  der  That  .hat  auch  bereits  vor  einer  Reihe  von 
Jahren  Rinne  den  Tagreveil  geblasen;  aber  leider  scheint  sein  Trom- 
petenstosB  „Heuristisch  -  dispositionale  Compositionslehre"  an  den  Ohren 
der  meisten  StilistiK er  wirkungslos  verhallt  zu  sein.  Krumen  wir  ihm 
auch  in  gar  mancher  Hinsicht  nicht  beistimmen,  so  begrüssen  wir  doch 
sein  Werk  als  die  Morgenröthe  eines  neuen  Tages  der  Stilistik. 

Hiemit  schliessen  wir  für  diesmal.  Unser  nächster  Artikel  wird  den 
Begriff  Stil  und  seine  Definitionen  einer  kritischen  Analyse  unterziehen. 

Kaiserslautern  1.  März  1875. 


1)  Xenophon's  griechische  Geschichte  zum  Schulgebrauche  mit 
erklärenden  Anmerkungen  versehen  von  Emil  Kurz,  k.  Professor  am 
Ludwigsgymnasium.  Heft  II.  Buch  IV  -  VII  Schluss  München  1874, 
J.  Lindauer'sche  Buchhandlung  (Scböpping) 

Dem  2.  Heft  ist  auch  eine  Einleitung  in  das  ganze  Werk  beige- 
geben, die  ungeachtet  ihres  verhältnissmassig  geringen  Umfanges  viel- 
mehr für  Lehrer  als  für  Schüler  bestimmt  zu  sein  scheint.  Inderselben 
führt  der  Herr  Verfasser  aus,  wie  sich  die  von  Xenophon  erzählten 
Ereignisse  (hauptsächlich  V)  um  2  bedeutende  Persönlichkeiten  gruppiren, 
in  den  ersten  3  Büchern  (im  3.  nur  zum  Teil?)  um  Lysander,  in  den 
letzten  4  Büchern  um  den  (auch  namentlich  zu  erwähnenden)  Lieblings- 
beiden  Xenophons.  Sodann  wird  der  Standpunkt  entwickelt,  auf  welchem 
einzig  und  allein  ein  richtiges  Verstand niss  des  Xenophontischen  Geschichts- 
werkes möglich  sei,  dass  nämlich  Xenophon  nur  in  der  Hegemonie 
Sparta's  das  Heil  seines  Vaterlandes  erkannt  und  von  dieser  Idee  so- 
wie der  Bewunderung  für  seinen  Helden  Agesilaus  durchdrungen, 
Griechenlands  Geschicke  gezeichnet  habe  Der  Herr  Verfasser  sucht 
diess  sodann  praktisch  an  einem  Beispiele,  der  Schilderung  der  Schlacht 
bei  Koronea  nachzuweisen,  die  in  ihrer  Art  ein  Meisterstück  und 
wahres  Kunstwerk  genannt  wird.  Von  der  Richtigkeit  der  Erklärung 
der  Stelle  im  3.  Cap.  des  4.  Buches  i§  17)  konnte  ich  mich  auch  nach 
den  Ausführungen  des  Herrn  Verfassers  nicht  überzeugeu.  Gerade  die 
Parallele  im  Agesilaus  II.  §.  11  dürfte  es  als  wahrscheinlich  annehmen 
lassen,  dass  tug  (wie  im  Vorausgehenden  oaov)  zum  Zahlbegriffe  gehört, 
wie  diess  auch  die  Stellung  von  ayte^'ifgauoy  zu  bestätigen  scheint; 
indess  wird  vielleicht  richtiger  mit  xai  nttyref  olroi  ein  neuer  Satz 

f 


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231 


angefangen  (cf.  Ages.  I.  c),  wodurch  wohl  auch  Breitenbach's  Annahme, 
die  Worte  xrä  nHrrts  nvroi  —  iyivavto  xai  seien  eine  in  den  T«xt 
geratliene  Handbemerkung,  überflüssig  werden  dürfte.  Schliesslich 
bringt  der  Herr  Verfasser  nochmals  seine  Ueberzcugung  zum  Ausdruck, 
„dass  wir  d.is  wirkliche,  im  Wesentlichen  unverfälschte  Werk  aus 
Xenophon's  Hand  vor  uns  haben,  das  bei  seinem  reichen  und  mannig- 
fachen Inhalt  uns  alle  Schönheiten  und  die  ganze  Anmut  Xenophon- 
tischer  Sprache  zeigt". 

Lie  im  vorliegenden  2.  Heft  enthaltenen  Bücher  sind  mit  derselben 
Umsicht  und  Sorgfalt,  Lust  und  Liebe  bearbeitet,  wie  die  früheren,  so 
dass  wir  uns  im  Wesentlichen  auf  das  über  jene  ausgesprochene  Urteil 
beziehen  können  Bei  der  Begeisterung  für  seinen  Autor  lässt  der 
Herr  Verfasser  insbesondere  auf  dem  Gebiete  der  Erklärung  in  künftigen 
Auflagen  uns  noch  manche  schöne  Frucht  seiner  literarischen  Thätig- 
keit  erwarten. 

Von  dem  Wenigen,  worüber  man  abweichender  Ansicht  sein  kann, 
sei  Einiges  hier  erwähnt.  IV.  1,3  ist  zu  y/Sey  die  Ergänzung  von 
nc  Xoyovg  wol  nicht  nötig,  natürlicher  die  einfache  Erklärung.  §.  5 
befremdet:  er  begann  eine  Unterredung;  es  kann  offenbar  nur  heissen : 
es  eröffnete  das  Gespräch  etc  §.  19  fehlt  im  Texte  nach  xarsßaXoy  «Je, 
das  die  Handschriften  bieten,  ohne  dass  die  Auslassung  irgendwo  begründet 
wäre.  §  21  dürfte  aXXovg  am  einfachsten  durch  „eben"  zu  übersetzen 
sein.  §  22  ist  die  Frage,  welchen  Nebensatz  vertritt  etc  durch  das 
hinzugefügte  pera  ro  oeinvov  wol  überflüssig  §.  24  konnte  auf  das 
Anacoluth  aufmerksam  gemacht  werden;  ibid.  wäre  die  Bemerkung  zu 
uXla  dV  xtitftata  besser  in  deutscher  Fassung  gegeben  worden  (vergl. 
Breitenbach  z.  d.  St.);  ibid.  Bemerkungen  wie  zu  nqog  de  rovtois  — 
7io '/Mi  scheinen  unnötig;  die  Erfahrung  lehrt,  dass  gerade  solche 
Abweichungen  die  Schüler  selbst  leicht  finden  §.  26  dürfte  die  ver- 
suchte Erklärung  des  Chiasmus  Schülern  schwer  fassbar  sein.  §.  29 
scheint  die  Erklärung  zu  avrtS  vv  gesucht;  zu  i,xovaey  vermisst  man 
eine  Erklärung,  wie  etwa  Breitenbach  sie  bietet.  §.  30  ist  auf  11.4,39 
verwiesen,  ohne  dass  dort  Aufklärung  zu  finden;  übrigens  dürfte  es 
sich  empfehlen,  vor  iv&«  Komma  zu  setzen,  wodurch  der  folgende 
Gegensatz  lebhafter  hervortritt.  §.  32  wäre,  statt  auf  II.  3. 42  einfacher 
der  Verweis  auf  die  Grammatik,  weil  der  Fall  doch  etwas  anders  steht, 
besonders  wegen  näyreg.  §.  33  mit  der  Bemerkung  zu  itftste  d1*  werden 
Schüler  wenig  anzufangen  wissen;  zu  tooneQra  &r,Qta  dürfte  eine  kurze 
Anmerkung  am  Platze  sein;  dagegen  ist  §  34  die  Bemerkung  zu  ndyra 
r«  ixe Ivnv  wohl  entbehrlich.  §.  37  ist  es  fraglich,  ob  mit  üXhw  axqaxi\y6v 
auf  Conon  hingedeutet  wird  ;  cf.  Breitenbach  z.  d.  St. ;  die  Bemerkung 
zu  mtövrov  ti  dürfte  für  Schüler  ebenfalls  etwas  klarer  gehalten  sein. 
§  40  scheint  das  Particip  denn  doch  natürlicher  als  ein  kausales 
gefasst  zu  werden  und  damit  wäre  zugleich  die  Frage,  ob  es  sich  um 
einen  Kampf  des  grossen  Knaben  mit  den  Männern  oder  den  Knaben 
handelt,  entschieden.  Widersinnig,  wie  der  Herr  Verfasser  meint,  ist 
erstere  Annahme  bei  der  Unbestimmtheit,  wie  weit  der  Umfang  des 
v(cis  gilt,  durchaus  nicht.  Zu  'j&qyaiov,  welches  Breitenbach  als 
Personennamen  fasst,  wäre  zumal  bei  der  Stellung  des  Wortes  eine 
kleine  Bemerkung  angezeigt.  * 

Cap.  II  §  3  ist  die  Bemerkung  zu  xai  o'tcjy  für  Schüler  nicht  wol 
verständlich.  §.  4  die  Bemerkung  zu  i^rtq>i<tayro  und  xaXdSs  yivouo 
unnötig,  jene  zu  Xaßoyreg  zu  wenig  sagend.  §.  5  die  Erklärung  von 
ajQUTiutttüy  nicht  deutlich  genug;  die  Bemerkung  zu  iya  dvyairo  wol 


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232 


ganz  entbehrlich.  §.6  ist  die  i  Ergänzung  von  ol  xQirni  auch  hart; 
sollte  nicht  vielleicht  o,rt  ifei  evxQweiv  zu  lesen  sein?  §.  7  konnte  die 
Bemerkung  zu  roaovrtoy  viel  bestimmter  gefasst  werden  vgl.  Breitenbach, 
wo  die  erstere  Erklärung  gewiss  die  richtige.  §  8  ist  die  Bemerkung 
zu  Aaxttiaifioviwv  zu  modifizieren ;  cf.  Breitenbach  §.  13  hat  die  Ver- 
mutung Breitenbach's  sehr  viel  Ansprechendes.  §  18  ist  roig  richtig 
als  Mascnl. ,  wol  fälschlich  bei  Breitenbach  als  Neutrum  gefasst  %.  21 
die  Erklärung  zu  uui&uvoy  ttviuy  ist  zu  unbestimmt.  §.  23  liegt  die 
Annahme  Breitenbach's,  dass  man  die  Flüchtigen  wirklich  in  die  Mauern 
aufnahm,  wol  nicht  im  Zusammmenhange 

Cap.  III  §.  2  das  x«i  in  waneQ  xai  ist  uns  doch  auch  nicht  über- 
flüssig? ibid.  wird  zu  nugeytyov  richtig  rp  vixy ,  weniger  genau  von 
Breiten  nach  rß  uaxD  ergänzt.  §  7  ist  die  handschriftliche  Ueberlieferung 
doch  kaum  richtig;  durch  die  Beschränkung  noXvx«Q(Aog  pivroi  wird 
wol  das  vorausgehende  ol  d"  dviaroty/ttv  unmöglich  gemacht;  übrigens 
setzte  sich  Polychai  mos  nicht  allein,  sondern  mit  den  Seinen 'zur  Wehr, 
wie  die  folgenden  Worte  zeigen.  §^8  möchte  iTuittQxü*'  doch  kaum 
kausale  Erklärung  zulassen;  war  er  denn  der  einzige  Befehlshaber? 
Zu  der  Partikel  ovy  wird  (interessant!)  auf  1,  38  verwiesen;  dortselbst 
wieder  auf  III,  5,  19  und  daselbst  —  —  auf  die  Grammatik.  §.  10  ist 
die  AnmerkuDg  zu  f*rjyoeio*tjg  sachlich  zu  mager  §.  13  jene  zu  ovx 
Eivai  nicht  klar;  zu  (AtittjluXuiv  vergl.  Breitenbach,  dessen  Erklärung  wol 
den  Vorzug  verdient;  §.  23  wird  zu  dem  zweiten  ol  &i  eine  kleine 
Bemerkung  notwendig  sein,  cf.  Breitenbach. 

Cap  IV  §  1  ist  die  Note  zu  envitSy  pi»  ungenügend,  teilweise 
falsch  (Druckversehen!?)  s.  Breitenbach  z.  d.  St.  Nur  dürfte  rwa?, 
dessen  Ausfall  Breitenbach  vermutet,  doch  zu  schwach  sein;  ich  vermute, 
dass  vor  dno&yijaxoyrug  oder  hinter  eyyvg  B&ttt  ■  .  ovx  oXiyovg  oder 
rovg  tivdoctg  oder  dergleichen  ausgefallen. 

Da  ich  den  einer  blossen  Anzeige  verstatteten  Kaum  bereits  über- 
schritten zu  haben  fürchte,  so  schliesse  ich  mit  dem  aufrichtigen 
Wunsche,  dass  die  Ausgabe  des  Herrn  Kurz,  die  allen  Anforderungen 
an  eine  Schulausgabe  bestens  entspricht  und  auch  hinsichtlich  der 
äussern  Ausstattung  durchaus  nichts  zu  wünschen  übrig  lässt,  die  ver- 
diente Anerkennung  und  möglichste  Verbreitung  in  unseren  Schulen 
finden  möge. 

2)  Xenophon's  Hellenika,  erklärt  von  Ludwig  Breitenbach. 
Zweiter  Band.  Buch  III  und  IV.  Berlin,  Weidmann'sche  Buch- 
handlung. 1874. 

Dem  Bande  ist  eine  91  S.  umfassende  Einleitung  vorausgeschickt, 
deren  Inhalt  sich  übrigens  auch  auf  die  noch  in  Aussicht  stehenden 
Bücher  erstreckt.  Aus  Inhalt  und  Form  wird  darzulegen  versucht, 
welchen  Plan  der  Schriftsteller  verfolgte  und  wie  er  ihn  ausführte. 
Insbesondere  soll  auch  hier  wieder  nachgewiesen  werden,  dass  der  erste 
(Buch  I  und  II)  und  zweite  Teil  (Buch  III  — VII)  als  besondere  Werke 
anzusehen  sind,  wodurch  häufig  ein  Rückblick  und  Vergleich  mit  jenem 
notwendig  wird.  Zuerst  handelt  der  Herr  Verfasser  von  der  äussern 
Darstellung;  „sie  fliesst  zusammenhängend  wie  in  der  Anabasis.  Ausser 
•  22  meist  ganz  direkt  gehaltenen  Reden  und  zahlreichen  gelegentlich  w 
die  Erzählung  eingeflochtenen  Gesprächen  belebt  die  Darstellung  der  von 
Xenophon  mit  besonderer  Kunst  verwendete  Dialog.   Die  Erzählung  is* 


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durchweg  lebhaft,  anschaulich,  oft  energisch,  voll  regen  Interesses  für 
die  Ereignisse,  Zustände,  Personen".  Als  Belege  werden  zahlreiche 
der  interessantesten  Partien  zusammengestellt. 

„Das  Interesse  des  Schriftstellers  kömmt  bald  in  der  Form  des 
Lobes  bald  in  der  des  Tadels,  nicht  selten  durch  Betrachtungen  ethischer 
oder  praktischer  Art  zum  Ausdruck;  selbst  ein  gewisser  Humor,  bald 
heiterer,  bald  ernster  Färbung  ist  bisweilen  nicht  zu  verkennen". 

Der  Besprechung  der  äussern  Darstellung  folgt  die  Betrachtung 
des  Inhalts,  die  mit  grosser  Sorgfalt  und  genauer  Sachkenntniss  aus- 
geführt, den  pragmatischen  Zusammenhang  der  erzählten  Ereignisse 
anschaulich  macht.  „Das  Ganze  zerfällt  in  zwei  Abschnitte,  deren 
erster  so  ziemlich  in  der  Mitte  der  Bücher  III  —  VII  endet;  V.  4.  1 
beginnt  der  zweite  Abschnitt  Aus  dieser  Inhaltsangabo  wird  ersichtlich, 
dass  uns  hier  nicht  eine  allgemeine  Geschichte  Griechenlands  (anter 
gleichmässiger  Berücksichtigung  von  Sparta,  Athen,  Theben)  geboten  wird, 
sondern  eine  Darstellung,  deren  Hauptfaden  die  Geschiebte  Sparta's 
bildet,  was  zur  Evidenz  im  ersten  Abschnitt  hervortritt,  weniger  im 
zweiten.  Dass  Xcnophon  Sparta  handelnd  und  leidend  mit  Bewusstsein 
und  planmässig,  zum  Mittelpunkt  seiner  Geschichtsdarstellung  der  Jahre 
399  —  362  gemacht  hat,  lässt  sich  auch  aus  deren  Einkleidung  und 
Begrenzung,  sowie  vom  Inhalte  abgesehen,  auch  aus  Xenopbon's  poli- 
tischen Ansichten  und  besonderen  Lebensverhältnissen  ersehen.  Jene 
bringt  er  in  drei  der  bedeutendsten  Reden  zum  Ausdruck.  In  der 
paritätischen  ungeschwächten  Machtstellung  Sparta's  und  Athen's  sieht 
er  das  Heil  von  ganz  HellaB.  Die  Spitze  der  vereinigten  Kraft  Griechen- 
lands unter  der  Führung  dieser  beiden  Staaten  möchte  er  gegen  die 
Barbaren  gerichtet  sehen  Uebrigens  haben  so  manche  Begebenheiten 
in  seinem  Gescbichtswerke  keine  Erwähnung  gefunden,  weil  an  ihnen 
die  Lacedämonier  nicht  unmittelbar  betheiligt  waren;  dazukommt,  dass 
ihn  vorzugsweise  die  praktisch  -  moralische  Seite  der  Geschichte  inter- 
essirt,  was  der  streng  pragmatischen  Entwickelung  der  Begebenheiten 
bedeutend  Eintrag  thut.  Lebhaft  und  anschaulich  wird  die  Darstellung 
überall,  wo  Xenophon  sich  für  den  Gegenstand  interessirt,  auch  wenn 
er  nicht  Augenzeuge  gewesen,  so  besonders  als  Soldat  für  Kämpfe 
und  Schlachten.  Diese  sind  daher  auch  mit  besonderer  Ausführlich- 
keit geschildert". 

Von  §.  55  an  handelt  der  Verfasser  von  der  Chronologie  des 
II.  Teiles,  „die  nicht  in  gleicher  Weise  wie  jene  des  I.  Teiles,  mangel- 
haft erscheint.  Seine  Erfahrung,  seine  Beobachtungen  und  Lebens- 
anschauungen dienen  ihm  für  die  Schilderung  der  Zeitbegebenheiten 
als  Anhaltspunkt "  —  Nachdem  der  Herr  Verfasser  den  Vorwurf  der  Un- 
vollständigkcit  und  Ungleichmässigkeit  auf  Grund  genauer  Prüfung  des 
Inhalts  und  der  bei  der  Ausführung  leitenden  Gesichtspunkte  von  dem 
zweiten  Teile  abgewiesen,  folgt  von  §.  68  an  eine  interessante  Be- 
sprechung der  Anordnung  und  Verknüpfung  der  einzelnen  Partien  des 
Erzäblungsstoffes ,  die  als  geschickt  gruppirt  bezeichnet  werden,  „eine 
lange  lteihe  teils  kleinerer  teils  grösserer  Geschichtsbilder  die,  äusser- 
lich  meist  nicht  ohne  Kunst  verbunden,  nach  ihrem  inneren  Zusammen- 
hange ein  Ganzes  bilden ,  das  die  Geschichte  der  Jahre  399  —  362 
von  dem  Standpunkte,  den  Xenophon  einnimmt  und  über  den  sich  die 
Einleitung  ausführlich  verbreitet,  in  den  wesentlichen  Zügen  an- 
schaulich darstellt". 

§.  83  wird  sodunn  hervorgehoben,  dass  beide  Teile  zu  verschiedenen 
Zeiten  verfasst  sind,  der  zweite  Teil  in  der  auf  uns  gekommenen  Form 


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234 

erst  nach  der  Schlacht  bei  Mantinea,  wobei  Dicht  ausgeschlossen  werde, 
das«  das  Material  dazu  schon  früher  gesammelt  wurde.  Von  §.  89  an 
wird  noch  die  Frage  erörtert,  wie  man  es  zu  verstehen  habe,  da»s  der 
aweite  Teil,  obwol  für  sich  bestehend,  vom  ersten  Teil  durch  P\tu, 
Darstellung,  Abfassungszeit  weit  getrennt,  doch  mit  demselben  ausser- 
lieb  verbunden  erscheine. 

Der  Inhalt  von  §.  Ol  bis  122  ist  der  Rechtfertigung  XenojuWs 
gegenüber  den  unverdienten  Vorwürfen,  die  ihm  seine  innere  Beteiligung 
an  den  erzählten  Ereignissen,  besonders  am  Schlüsse  der  Schrift  zuge 
«ogen,  gewidmet  Sein  offener,  ehrlicher  Lakonismus,  durchaus  sittlicher 
Natur,  macht  ihn  nicht  blind  für  die  Fehler  der  Lakedämouier,  nicht 
ungerecht  gegen  deren  Gegner.    Wie  wolthätig  und  für  leidlich  iften- 
liche  Zustände  im  Peloponnes  notwendig  Sparta's  Autorität  und  Macht, 
wenn  nur  mit  Mässigung  zur  Geltung  gebracht,  von  dieser  Erkenntniss 
war  Xenophon  bei  seiner  Darstellung  geleitet;  nur  der  lakedämonische 
Staat,  nieht  etwa  der  thebanische  war  geeignet,  die  Ordnung  im  Pelo- 
ponnes und  seine  Interessen  zu  wahren.    Gegen  Athen  zeigt  er  durch- 
gehends  Wolwollen,  milde  Beurteilung,  nirgends  Bitterkeit  gegen  das 
Vaterland,  das  ihn  verbannt.   Seine  Stimmung  gegen  Theben  betreffend 
wird  gezeigt,  dass  er  an  der  gerechten  Erbitterung  des  Agcsilaos  gegen 
Theben  Teil  nahm,  solange  diese  nicht  ungerecht  und  unheilvoll  wird; 
dass  übrigens  diese  Teilnahme  keineswegs  nur  auf  seine  spartaner- 
freundliche Gesinnung  oder  auf  rein  persönliche  Motive,  sondern  auch 
auf  die  traditionelle  Abneigung  der  Athener  überhaupt  gegen  die  The- 
baner  schon  seit  den  Perserkriegen,  endlich  den  Gegensatz  politischer 
Bestrebungen  zurückzuführen,  indem  die  Thebaner  auf  nichts  weniger 
abzielten,  als  Sparta  und  Athen,  in  deren  paritätischer  Verbindung 
er  das  Heil  Griechenlands  sah,  ohnmächtig  zu  machen,  eine  Präten&iou, 
über  die  jeder  Athener  uud  Spartaner  entrüstet  werden  musste  Un- 
gerecht ist  übrigens  Xenophon  auch  gegen  sie  nicht,  mithin  glaubwürdig. 

Nachdem  noch  bemerkt,  dass  die  letzten  5  Bücher  im  Einzelnen 
und  im  Ganzen  betrachtet  als  das ,  was  sie  sind,  „Lebenserinnerungen 
aus  den  Jahren  399  —  3t>2"  in  jeder  Hinsicht  die  Lobsprüche ,  die  die 
Alten  den  Xenophontischen  Schriften  überhaupt  gespendet,  verdienen, 
schliesst  das  Ganze  mit  einer  chronologischen  Uebersicht  der  wichtigsten 
Ereignisse 

Diess  sind  im  Wesentlichen  die  Grundzüge  der  wertvollen  Ein- 
leitung, in  welcher  alle  in  Betracht  kommenden  Fragen  erschöpfend 
behandelt  werden;  ausserdem  enthält  das  Buch  in  Noten  unter  dem 
Texte  einen  sehr  umfassenden  Commentar  erklärender  und,  wo  es  nötig 
erscheint,  auch  kritischer  Bemerkungen,  ilie  keine  Seite  der  Erklärung 
unberücksichtigt  lassen  und  so  demselben  auch  praktische  Brauchbarkeit 
in  eminentem  Grade  verleihen.    Und  so  stehen  wir    nicht  an,  unser 
Gesaramturt.il  dabin  festzustellen,  dass  die  Hellenica    Breit enbach's, 
zweifellos  eine  der  schönsten  Erscheinungen  der  Gegenwart  auf  dem 
Gebiete  griechischer  Literatur,  sich  nicht  bloss  als  Schuliectüxe  für 
reifere  Schüler  höherer  Classen  mit  gröstem  Nut/m    -    rwerten  lassen, 
sondern  auch  für  Lehrer  i  sowie  für  Forscher  her  Geschichte 

eine  höchst  beachtenswerte  und  willkommene  I  Tin  durften. 

Landshut.  :  e  r. 


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235 


Die  Grundzüge  der  französischen  Literatur-  und  Sprachgeschichte 
bis  1870.  Mit  Anmerkungen  zum  Uebersctzcn  iu's  Französische  von 
H.  Brei  tinger.    Zürich  J875. 

Vorliegendos  Werkchen,  welches  das  fünfte  Heft  einer  Serie  von 
Lehrmitteln  zum  Uebcrsetzen  aus  dem  Deutseben  ins  Französische 
bildet,  ist  für  die  obersten  Kurse  einer  höheren  Lehranstalt  bestimmt. 
Es  enthält  —  ausser  dem  Verzeichnis9  der  vom  Verfasser  benutzten, 
viel  umfassenden  Literatur  im  Eingang  und  zahlreichen ,  die  Neuzeit 
betreffenden  bibliographischen  Notizen  am  Schlüsse  —  in  22  Kapiteln 
eine  kurzgefasste  Geschichte  der  französischen  Sprache  und  Literatur. 
Der  Verfasser  hat  es  verstanden,  ein  klares,  lebendiges,  gefälliges  Bild 
der  literarischen  Epochen  und  ihrer  hervorragenden  Vertreter  in  den 
engen  Rahmen  von  102  Seiten  einzukleiden.  Eine  bündige,  treffende 
Inhaltsangabe  der  Hauptwerke  erweckt  das  Interesse  für  die  Autoren, 
deren  Biographie  zuweilen  durch  pikante  Züge  und  Anekdoten  aus 
ihrem  Leben  gewürzt  ist.  Die  allmälige  Entwickelung  des  Neufranzös- 
ischen aus  der  lateinischen 'Vulgärsprache  und  dem  Altfranzösischen 
wird  durch  passende  Beispiele  überzeugend  veranschaulicht. 

Die  wenigen  Druckfehler  (von  denen  ich  nur  das  idole  encense'p.7i 
hervorheben  will)  sind  leicht  zu  corrigiren  und  thun  dem  Gebrauch  des 
nützlichen  Werkchens  keinen  Eintrag.  Die  Anmerkungen  zum  Ueber- 
setzen  stehen  unter  dem  Text  und  sind  hie  und  da  etwas  spärlich 
ausgefallen.  Indessen  das  Büchlein  ist  für  bereits  vorgerückte  Schüler 
berechnet,  denen  man  schon  etwas  zumuten  kann.  Deshalb  ist  es  mir 
aber  aufgefallen,  unter  jenen  Anmerkungen  so  Manches  zu  finden,  was 
Zöglinge  gedachter  Lernstufe  füglich  längst  aas  der  Grammatik  wissen 
müssen,  wie  z.  B.  das  Verbum  finitum,  Adverbien,  Participe  passe1  mit 
par  u.  dgl.  Ungewöhnlich  erscheint  mir  der  Gebrauch  des  Zeitworts 
rufen  mit  dem  Dativ  in  Sätzen  wie:  „Auch  hat  Villon's  Testament 
offenbar  einem  ähnlichen  Gedicht  in  neine's  Nachlass  gerufen"  (p.  23) 
oder:  „Die  religiösen  und  politischen  Fragen  riefen  einer  Menge  von 
Flugschriften"  (p  26)  und  ebenso  p.  45  und  71.  Statt  „an  er  boren" 
p.  53  und  60  dürfte  wol  angeboren  zu  setzen  sein.  Schliesslich 
würde  ich  in  einem  für  die  Jugend  bearbeiteten  Handbuch  die 
ängstliche  Aufzählung  der  sittenverderbenden  Demi -monde- Stücke  des 
«weiten  Kaiserreichs  gern  vermissen. 

Im  Uebrigen  verdient  das  Werkchen  nicht  nur  wegen  des  an- 
ziehenden, gehaltvollen  Ueber9etzungsmaterials,  sondern  auch  als  vor- 
treffliches Hilfsmittel  in  den  Händen  der  Schüler  beim  Unterricht  in  der 
Literaturgeschichte  alle  Beachtung  und  sei  biemit  aufs  beste  empfohlen. 

Würzburg.  Jent. 


lenschaftliche  Abhandlungen,  hervorgegangen  aus  Georg 
Itischer  Gesellschaft  zu  Leipzig.    Leipzig,  Hirzel. 

Seilschaft"  besteht  aus  neun  hoffnungsvollen 
idlnngen  wahrlich  unter  dem  segensreichen 
irbeitet  haben.    Wir  müssen  uns  leider 
titonen  nur  in  Kürze  auf  die  schätzbaren 


234 


erst  nach  der  Schlacht  bei  Muntinea,  wobei  nicht  ausgeschlossen  verde, 
dass  das  Material  dazu  schon  früher  gesammelt  wurde.  Von  §.  89  an 
wird  noch  die  Frage  erörtert,  wie  man  es  zu  verstehen  habe,  dass  der 
zweite  Teil,  obwol  für  sich  bestehend,  vom  ersten  Teil  durch  Plan, 
Darstellung,  Abfassungszeit  weit  getrennt,  doch  mit  demselben  äusser- 
lich  verbunden  erscheine. 

Der  Inhalt  von  §.  91  bis  122  ist  der  Rechtfertigung  Xenophon's 
gegenüber  den  unverdienten  Vorwürfen,  die  ihm  seine  innere  Beteiligung 
an  den  erzählten  Ereignissen,  besonders  am  Schlüsse  der  Schrift  zuge- 
zogen, gewidmet.  Sein  offener,  ehrlicher  Lakonismus,  durchaus  sittlicher 
Natur,  macht  ihn  nicht  blind  für  die  Fehler  der  Lakedämonier,  nicht 
ungerecht  gegen  deren  Gegner.  Wie  wolthätig  und  für  leidlich  fried- 
liche Zustände  im  Peloponnes  notwendig  Sparta's  Autorität  und  Macht, 
wenn  nur  mit  Müssigung  zur  Geltung  gebracht,  von  dieser  Erkenntniss 
war  Xenophon  bei  seiner  Darstellung  geleitet;  nur  der  lakedämonische 
Staat,  nicht  etwa  der  thebanische  war  geeignet,  die  Ordnung  im  Pelo- 
ponnes und  seine  Interessen  zu  wahren.  Gegen  Athen  zeigt  er  durch- 
gehends  Wolwollen  ,  milde  Beurteilung,  nirgends  Bitterkeit  gegen  das 
Vaterland,  das  ihn  verbannt  Seine  Stimmung  gegen  Theben  betreffend 
wird  gezeigt,  dass  er  an  der  gerechten  Erbitterung  des  Agesilaos  gegen 
Theben  Teil  nahm,  solange  diese  nicht  ungerecht  und  unheilvoll  wird; 
dass  übrigens  diese  Teilnahme  keineswegs  nur  auf  seine  spartaner- 
freundliche Gesinnung  oder  auf  rein  persönliche  Motive,  sondern  auch 
auf  die  traditionelle  Abneigung  der  Athener  Uberhaupt  gegen  die  The- 
baner  schon  seit  den  Perserkriegen,  endlich  den  Gegensatz  politischer 
Bestrebungen  zurückzuführen,  indem  die  Thebaner  auf  nichts  weniger 
abzielten,  als  Sparta  und  Athen,  in  deren  paritätischer  Verbindung 
er  das  Heil  Griechenlands  sah,  ohnmächtig  zu  machen,  eine  Prätension, 
über  die  jeder  Athener  und  Spartaner  entrüstet  werden  musste.  Un- 
gerecht ist  übrigens  Xenophon  auch  gegen  sie  nicht,  mithin  glaubwürdig. 

Nachdem  noch  bemerkt,  dass  die  letzten  5  Bücher  im  Einzelnen 
und  im  Ganzen  betrachtet  als  das ,  was  sie  sind,  „LebenBerinnerungen 
aus  den  Jahren  399  —  3t>2"  in  jeder  Hinsicht  die  Lobsprüche,  die  die 
Alten  den  Xenophontischen  Schriften  überhaupt  gespendet,  verdienen, 
schliesst  das  Ganze  mit  einer  chronologischen  Uebersicht  der  wichtigsten 
Ereignisse 

Diess  sind  im  Wesentlichen  die  Grundzüge  der  wertvollen  Ein- 
leitung, in  welcher  alle  in  Betracht  kommenden  Fragen  erschöpfend 
behandelt  werden;  ausserdem  enthält  das  Buch  in  Noten  unter  dem 
Texte  einen  sehr  umfassenden  Commentar  erklärender  und,  wo  es  nötig 
erscheint,  auch  kritischer  Bemerkungen,  die  keine  Seite  der  Erklärung 
unberücksichtigt  lassen  und  so  demselben  auch  praktische  Brauchbarkeit 
in  eminentem  Grade  verleihen.  Und  so  stehen  wir  nicht  an,  unser 
Gesammturteil  dahin  festzustellen,  dass  die  Hellenica  Breitenbach's, 
zweifellos  eine  der  schönsten  Erscheinungen  der  Gegenwart  auf  dem 
Gebiete  griechischer  Literatur,  sich  nicht  bloss  als  Schullectüre  für 
reifere  Schüler  höherer  Classen  mit  gröstem  Nutzen  verwerten  lassen, 
sondern  auch  für  Lehrer  \  sowie  für  Forscher  griechischer  Geschichte 
eine  höchst  beachtenswerte  und  willkommene  Erscheinung  sein  dürften. 

Landshut.  Höger. 


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235 


Dio  Grundzüge  der  französischen  Literatur-  und  Sprachgeschichte 
bis  1870.  Mit  Anmerkungen  zum  Uebersetzen  in's  Französische  von 
II.  Brei  tinger.    Zürich  1875. 

Vorliegendes  Werkchen,  welches  das  fünfte  Heft  einer  Serie  von 
Lehrmitteln  zum  Uebersetzen  aus  dem  Deutschen  ins  Französische 
bildet,  ist  für  die  obersten  Kurse  einer  höheren  Lehranstalt  bestimmt. 
Es  enthält  —  ausser  dem  Verzeichniss  der  vom  Verfasser  benutzten, 
viel  umfassenden  Literatur  im  Eingang  und  zahlreichen ,  die  Neuzeit 
betreifenden  bibliographischen  Notizen  am  Schlüsse  —  in  22  Kapiteln 
eine  kurzgefasste  Geschichte  der  französischen  Sprache  und  Literatur. 
Der  Verfasser  hat  es  verstanden,  ein  klares,  lebendiges,  gefälliges  Bild 
der  literarischen  Epochen  und  ihrer  hervorrageuden  Vertreter  in  den 
engen  Rahmen  von  102  Seiten  einzukleiden.  Eine  bündige,  treffende 
Inhaltsangabe  der  Hauptwerke  erweckt  das  Interesse  für  die  Autoren, 
deren  Biographie  zuweilen  durch  pikante  Züge  und  Anekdoten  aus 
ihrem  Leben  gewürzt  ist.  Die  allmalige  Entwickelung  des  Neufranzös- 
ischen aus  der  lateinischen  'Vulgärsprache  und  dem  AltfranzöBischen 
wird  durch  passende  Beispiele  überzeugend  veranschaulicht. 

Die  wenigen  Druckfehler  (von  denen  ich  nur  das  idöle  encensi  p.7\ 
hervorheben  will)  sind  leicht  zu  corrigiren  und  thun  dem  Gebrauch  des 
nützlichen  Werkchens  keinen  Eintrag.  Die  Anmerkungen  zum  Ueber- 
setzen stehen  unter  dem  Text  und  sind  hie  und  da  etwas  spärlich 
ausgefallen.  Indessen  das  Büchlein  ist  für  bereits  vorgerückte  Schüler 
berechnet,  denen  man  schon  etwas  zumuten  kann.  Deshalb  ist  es  mir 
aber  aufgefallen,  unter  jenen  Anmerkungen  so  Manches  zu  finden,  was 
Zöglinge  gedachter  Lernstufe  füglich  längst  aus  der  Grammatik  wissen 
müssen,  wie  z.  B.  das  Verbum  finittun,  Adverbien,  Participe  passe"  mit 
par  u.  dgl.  Ungewöhnlich  erscheint  mir  der  Gebrauch  des  Zeitworts 
rufen  mit  dem  Dativ  in  Sätzen  wie:  „Auch  hat  Villon's  Testament 
offenbar  einem  ähnlichen  Gedicht  in  Heine's  Nachlas*  gerufen"  (p.  23) 
oder:  „Die  religiösen  und  politischen  Fragen  riefen  einer  Menge  von 
Flugschriften"  (p.  26)  und  ebenso  p.  45  und  71.  Statt  „an  er  boren" 
p.  53  und  60  dürfte  wol  angeboren  zu  setzen  sein.  Schliesslich 
würde  ich  in  einem  für  die  Jugend  bearbeiteten  Handbuch  die 
ängstliche  Aufzählung  der  sittenverderbenden  Demi-monde-  Stücke  des 
zweiten  Kaiserreichs  gern  vermissen. 

Im  Uebrigen  verdient  das  Werkchen  nicht  nur  wegen  des  an- 
ziehenden, gehaltvollen  Uebersetzungsmaterials,  sondern  auch  als  vor- 
treffliches Hilfsmittel  in  den  Händen  der  Schüler  beim  Unterricht  in  der 
Literaturgeschichte  alle  Beachtung  und  sei  biemit  aufs  beste  empfohlen. 

Würzburg.  Jent. 


Sprachwissenschaftliche  Abhandlungen ,  hervorgegangen  aus  Georg 
Curtius'  grammatischer  Gesellschaft  zu  Leipzig.    Leipzig,  Hirzel. 

Diese  „grammatische  Gesellschaft"  besteht  aus  neun  hoffnungsvollen 
Männern,  die  in  diesen  Abhandlungen  wahrlich  unter  dem  segensreichen 
Einfluss   der  neun  Musen   gearbeitet  haben.    Wir  müssen  uns  leider 
Beschränkung  auflegen  und  können  nur  in  Kürze  auf  die  schätzbaren 

- 


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236 


Frflebte  der  Detailstudien  dieser  „grammatischen  Gesellschaft"  auf- 
merksam machen.  Herr  Angermann  eröffnet  die  Abhandlung  mit 
„Bemerkungen  über  den  Differenzierungstrieb  auf  dem 
Boden  des  Griechischen  und  Lateinischen",  z.  B  repo  und 
epnco,  fliv&og  und  ßä&og,  tausend  Mann  und  tausend  Männer,  X&6ßoXos 
und  Xi&oß6Xoc  (S.  9),  also  wie  &soroxo$  und  Seoroxog.  Der  zweite, 
ebenso  anziehende  Teil  behandelt  die  „formale  Differenzierung**. 

Nicht  minder  Gründliches  und  Anziehendes  bietet  Herr  Merzdorf 
in  seiner  Abhandlung  „über  die  sogenannten  äolischen 
Bestandteile  des  nördlichen  Dorismus". 

Dann  reiht  sich  würdig  an  Herr  Fritscbe,  der  „über  griechische 
Perfecta  mit  Präsensbedeutung"  ebenso  klar  als  gründlich  spricht. 

Gerade  Detailstudien  tragen  ungemein ^zur  Förderung  der  Sprach- 
forschung bei  und  darum  muss  uns  ferner  Uhle's  gründliche  Arbeit 
„die  Vocalisation  und  Aspiration  des  griechischen 
starken  Perfectums"  willkommen  sein.  Viele  Philologen  von 
Fach,  die  den  Sarcasmus  von  Grund  aus  verstehen,  ahnten  vielleicht 
nicht,  dass  da  eine  Perfectform  dahinter  steckt.  S  54  stimme  ich 
Herrn  Uhle  gerne  bei  und  vergleiche  mit  ZaQtov  die  Bedeutung  von 
'Pfjyioy  =z  Spalt,  Kinst. 

Daran  seh  lies  st  sich  das  schöne  Resultat  der  Detaitetudien  Jolly's 
in  seiner  Abhandlung  „vom  Particip".  Wir  kennen  ja  den  gelehrten 
Mitarbeiter  der  „Gymnasial  -  Blätter"  ohnehin.  Diese  Leistung  (unter 
Benützung  der  „Präsensstämme  .  .  ."  von  Gustav  Meyer) ,  liefert  dem 
Leser  reiche  Ausbeute  aus  diesem  Sprachgebiete. 

Wie  wichtig  ist  eine  feine  Ausscheidung  verwandter  Wörter  in 
Schwestersprachen!  Ernst  Beermann  liefert  uns  hier  eine  schöne  Probe 
in  seinem  „Griechische  Wörter  im  Lateinischen". 

Anziehend  im  hohen  Grade  sind  Wörner's  Arbeiten  über  die  Sub- 
stantiva  auf  -wfa,  dann  Cauer's  Abhandlung  über  die  „dorischen 
Futur-  und  Aoristbildungen  der  Verba  auf  - C w." 

Schliesslich  bespricht  Carl  Brugmann  „die  Geschichte  der 
pr  äBensstammbildenden  Suffixe"  und  bietet  die  erfreulichste 
und  nützlichste  Leetüre. 

Wir  schliessen  mit  einem  aufrichtigen:  Floreat  die  „grammatische 
Gesellschaft". 

Freising.  Zehetmayr. 


Literarische  Notizen. 

Repctitorium  der  lateinischen  Grammatik  und  Stilistik  für  die 
oberste  Gymnasialstufe  und  namentlich  zum  Selbststudium  bearbeitet 
von  Dr.  H.  Menge.  2.  Aufl.  Braunschweig,  Grünbergs  Buchhandlung. 
1874.  485  S.  in  8.  Pr.  4  M.  50  Pf.  Die  zweite  Auflage  hat  eine 
durchgehende  Revision  und  damit  eine  wesentliche  Verbesserung 
erfahren.  Es  sind  einzelne  fehlende  Materien  nachgetragen ,  viele 
Regeln  bestimmter  gefasst  oder  durch  lehrreiche  Sätze  illustriert.  Neu 
hinzugekommen  ist  ein  Anbang,  in  welchem  eine  Anleitung  zur  Abfassung 
lateinischer  Aufsätze  gegeben  wird.   Separat  erschien: 

Kurzgefasste  lateinische  Synonymik  für  die  obersten  Gymnasial  - 
Klassen,  welche  auf  104  S.  (Pr.  1  M  50  Pf  )  das  Notwendigste  auf 
diesem  Gebiete  enthält. 


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Plutarch's  ausgewählte  Biographien.  Für  den  Schulgebrauch  erklärt 
von  0.  Siefert  und  Fr.  Blase.  Fünftes  Bändchen.  Agis  und  Kleo- 
menes  von  Dr.  Fr.  Blas s.  I  .eipzig,  Teubner.  1875.  Pr.  90  Pf.  Eine 
auf  das  Notwendige  beschränkte  aber  ausreichende  Einleitung  fahrt  in 
die  Lektüre  der  beiden  vitae  ein.  Der  Kommentar  ist  ?on  massigem 
Umfange  und  entspricht  dem  Standpunkt  des  Schülers. 

Isokrates'  ausgewählte  Reden.  Für  den  Schulgebrauch  erklärt  von 
Dr.  0.  Schneider.  Zweites  Bändchen.  Panegyrikus  und  Philippus. 
2.  Aufl.  Leipzig,  Teubner.  1875.  Pr.  1  M.  50  Pf.  Was  Band  X  S.  297 
dieser  Blätter  von  dem  ersten  Bändchen  gesagt  wurde,  gilt  auch  von 
diesem:  der  Ausgabe  wäre  bei  all'  ihren  Vorzügen  doch  eine  ein- 
gehendere Revision  zu  wünschen  gewesen. 

Aescbylus-  Studien.  Von  Karl  Frey,  Professor.  Beilage  zum 
Osterprogramm  des  Schaffhausener  Gymnasiums  von  1875.  Schaffhausen. 
Verlag  von  C.  Baader.   Auf  76  S.  in  gr.  8  behandelt  der  Verfasser 

1.  Prometheus  (die  Entwickelung  und  Behandlung  der  Sage).  II.  Aeschy- 
leische  Licenzen.    III  Trajektion. 

Cicero  Brutus  de  claris  oratoribus.  Für  den  Schulgebrauch  erklärt 
von  Dr.  K.  W.  Piderit  Zweite  Auflage.  Leipzig  ,  Teubner.  1875. 
Pr.  2  M.  25  Pf.  Unter  Benützung  der  neuesten  Literatur  sorgfältig 
durchgesehen  und  an  einzelnen  Stellen  verbessert. 

Des  Qu.  Horatius  Flaccus  Sermonen.  Herausgegeben  und  erklärt 
von  A.  Th.  H.  Fritzsche,  Professor  an  der  Universität  Leipzig. 
Erster  Band:  Der  Sermonen  Buch  I.  Leipzig,  Teubner.  1875.  Preis 
2  M.  40  Pf.  Der  Text  fusst  auf  Holder,  nur  dass  an  einzelnen  Stellen 
den  Blandinischen  Handschriften  der  Vorzug  gegeben  ist.  Die  Kritik 
ist  konservativ.  Der  Kommentar,  reich  an  sachlichen  und  sprachlichen 
Bemerkungen  sowie  an  Verweisungen  auf  die  einschlägige  Literatur, 
bietet  nach  den  bisherigen  Ausgaben  manches  Neue  und  Interessante. 
Eine  umfangreiche  Einleitung  (auf  34  Seiten)  behandelt  das  Leben  des 
Horatius,  Entstehung,  Wesen  und  Geschichte  der  Satura. 

Thukydides.  Für  den  Schulgebrauch  erklärt  von  Dr.  Gottfried 
Boehme.  Zweiter  Band,  erstes  Heft.  Buch  V  —  VI.  3.  verbesserte 
und  vermehrte  Auflage.    Leipzig,  Teubner.    1875.    Pr.  1  M.  20  Pf. 

Hebräisch  -  deutsches  und  deutsch  -  hebräisches  Uebungsbuch,  mit 
einem  Vokabularium  zum  Gebrauche  auf  Gymnasien  und  zum  Selbst- 
unterricht von  Dr.  Aug.  Herrn.  Schick,  ev.  Stadtpfarrer  in  Ingolstadt. 
Im  Anschlüsse  an  Dr.  Nägclsbach's  hebräische  Grammatik.  I.  Teil. 
Die  Formenlehre.  Erste  Hälfte.  2.  verbesserte  und  vermehrte  Auflage. 
Leipzig,  Teubner.  1875.  79  S.  in  8.  Pr.  1  M.  Die  neue  Auflage  ist 
wesentlich  vermehrt,  der  Stoff  auch  besser  verteilt,  das  Uebungsbuch 
nicht  mehr'blos  ein  deutsch- hebräisches,  sondern  auch  ein  hebräisch - 
deutsches. 

Leitfaden  der  Algebra  für  Gymnasien  von  Dr.  A.  J.  Temme. 

2.  Aufl  ,  Paderborn  1875,  F.  Schöningh'sche  Buchhandlung.  In  gedrängter 
Darstellung  gibt  derselbe  so  ziemlich  das  Meiste,  was  Gegenstand  des 
Unterrichtes  auf  Gymnasien  ist;  die  Beweise  für  Sätze,  deren  Wahrheit 
unmittelbar  erkannt  wird,  sind  mit  Absicht  unterlassen,  doch  fehlt  gar 
manche  wichtige  Regel,  gegen  welche  vielfach  gefehlt  wird  in  der 


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238 

________  /  • 

.        .  n  .      a  .b      sa\    ,    a      a.c      a :  c     /-a  -\ 

Ai.endang,  ..  B.  das,  —  =         .  k,  y  =  g--  =5^,  (f)  :«  = 

,  etc.;  auch  scheint  die  Begründung  des  Verfahrens  bei  der 
b  .  c 

Division  komplexer  Grössen  nicht  sehr  durchsichtig.  Eine  besondere 
Sorgfalt  hat  der  Verfasser  dem  Abschnitt  §.  14  über  die  Logik  zuge- 
wendet; die  Darstellung  ist  hier  besonders  klar  und  auch  erschöpfend. 

Sammlung  von  Beispielen,  Formeln  und  Aufgaben  aus  der  Buch- 
stabenrechnung und  Algebra  von  Meier  Ilirsch.  16.  Aufl.  von  Prof. 
H.  Bertram.  Berlin,  1875.  Carl  Duncker'sche  Buchhandlung.  In 
der  neuen  Auflage  sind  Thaler  und  Groschen  auf  Mark  und  Pfennige 
umgerechnet.  In  einzelnen  Kapiteln,  namentlich  bei  den  Gleichungen, 
wurden  die  Aufgaben  vermehrt. 

Pflanzen -Atlas  von  J.  G.  Hubner.  4  Aufl.  Auf  32  Tafeln  ent- 
haltend: gegen  400  Pflanzenarten  und  2000  Figuren.  Nebst  Begleit- 
wort- Heilbronn,  Verlag  von  Gebrüder  Henninger.  Preis  5  Mark 
Empfiehlt  sich  durch  Naturtreue,  Reichtum  und  Mannigfaltigkeit  der 
Abbildungen,  sowie  durch  zweckmässige  Auswahl  (namentlich  solche, 
mit  denen  der  Landmann  sich  häufig  beschäftigt,  ferner  ausländische, 
die  in  merkantilischer  Rücksicht  von  Bedeutung  sind).  Die  Stiel-,  Ast- 
und  Blatt -Teile  sind  verhältuissmässig  verkleinert,  die  Blüten -Teile 
und  Früchte  (wenn  nicht  das  Gegenteil  besonders  bemerkt  ist)  vergrössert 

Uebersichtliches   Griechisch  -  Deutsches   Handwörterbuch    für  die 

fanze  griechische  Literatur.  Von  B.  Suhle  und  M.  Schneide*  in 
■einzig  Hahn'sche  Verlagsbuchhandlung.  1875.  1928  (Spalt-) Seiten 
in  Lex. -Format.  Pr.  9  M.  75  Pf.  Das  Wörterbuch  will  mit  der  Hand- 
lichkeit dio  Zulänglichkeit  vereinigen;  es  hat  deshalb  den  ganzen 
Wortschatz  der  griechischen  Literatur  aufgenommen,  mit  Ausschluss 
der  Eigennamen,  soferne  sie  nicht  appellativisch  gebraucht  sind,  und 
weniger  ganz  abseits  liegender  Wörter.  Die  Verfasser  glauben  manches 
Irrige,  das  sich  in  grösseren  Werken  findet,  berichtigt  zu  haben,  und 
waren  stets  bestrebt,  das  Zweifelhafte  vom  Gewissen  zu  scheiden,  ferner 
nach  dem  heutigen  Stand  der  Wissenschaft  die  Erklärung  möglichst 
gründlich  zu  geben,  so  dass  der  Sinn  des  Wortes  aus  der  Grund- 
bedeutung und  der  Entwicklung  des  Sprachgebrauches  sich  deutlich 
ergibt.  Wo  der  Raum  die  Beschränkung  auf  das  Notwendigste  gebot, 
ist  vielfach  zu  weiterer  Information  auf  grössere  Werke  verwiesen. 
Die  Ergebnisse  der  vergleichenden  Sprachforschung  kamen  dem  etymo- 
logischen Elemente  zu  gut.  Ordnung  und  Uebersichtlichkeit  ist  durch 
geschickte  Gruppirung  und  geeigneten  Druck,  sowie  durch  möglichst 
präcise  Kürze  erzielt.  Dabei  ist  das,  was  in  den  Kreis  der  Schullektüre 
fällt,  ausführlicher  erörtert,  als  was  nur  reifere  Leser  angeht.  —  An- 
gehängt iBt  ein  Verzeichniss  der  griechischen  Verba  anomala  in  alpha- 
betischer Reihenfolge,  tabellarisch  dargestellt  von  B.  Suhle    27  S. 


Auszüge. 

Zeitschrift  für  die  österreichischen  Gymnasien. 


I.  Zur  Kritik  des  Homerns  latinus.  Von  K.  S  c  h  e  n  k  1.  Der  Verfasser  teilt 
im  Anschlüsse  an  die  Ausgabe  von  L  Müller  ( 1857)den  Teit  desLaurentianus 


239 


plut  LXVlII  24  nach  einer  von  Dr.  Krose  besorgten  Kollation  mit  nnd 
knüpft  daran  eine  nähere  Besprechung  einiger  Stellen.  —  Beitrag  rar 
lateinischen  Lexicographie    Von  J.  Wrobel  (Fortsetzung  und  Schluss). 

5. 

I.  lieber  die  sprachlichen  Eigentümlichkeiten  im  Syntipaa.  Von  Gust. 
Meyer  in  Prag.  —  Zu  Michael  Psellos  dem  Jüngeren.  Von  Isidor 
Hilberg  in  Wien. 

HL  Fortsetzung  der  Besprechung  der  neuen  bairischen  Schulordnung 
für  die  Studienanstalten.  (Die  gemachten  Ausstellungen  sind  grösstenteils 
nicht  stichhaltig.) 


Erklärung. 

Im  Laufe  des  Jahres  1874  erschienen  im  Verlag  von  Hopfner  and 
Grammer  zu  München  folgende  zwei  Schulbücher: 

a)  Lehrbuch  der  Arithmetik  für  Latein-,  Real-,  Gewerb  - 
und  gewerbliche  Fortbildungsschulen  von  Dr.  F.  Ustri  ch,  Director 
der  Widmanu'scheu  Lehranstalt. 

b)  Sammlung  von  arithmetischen  Aufgaben.  Anhang 
zum  Lehrbuch  der  Arithmetik  etc.    Von  demselben  Verfasser. 

In  dem  Vorwort  des  Lehrbuches  sagt  der  Herr  Verfasser,  dass  die 
bekannten  Werke  von  Hufmann,  Dr.  Hauck  u.  8-  w.,  die  Scripten  des 
Gymnasialprofessors  Dr.  Klein,  sowie  die  des  kgl.  Hectors  Miller  in 
München  seine  Quellen  gewesen  seien.  Eine  Quelle  aber,  aus  welcher 
Herr  Dr.  Ustrich  ganz  ergiebig  geschöpft  bat,  ist  nicht  genannt,  muss 
also  wol  unter  dem  obigen  „u.  s.  w."  versteckt  sein. 

Der  Herr  Verfasser  hat  nämlich  die  collegiale  Aufmerksamkeit 
gehabt,  in  seinem  Lehrbuche  über  30  Stellen  aus  dem  „Lehrbuch  der 
Arithmetik  von  H.  Schwager,  kgl.  Mathematiklehrer  in  Würzburg", 
2«e  Auflage  1868  und  3te  Auflage  1874 ,  teils  wörtlich ,  teils  mit  unbe- 
deutenden Abänderungen,  zu  entlehnen.  Die  bei  den  verschiedenen 
Kapiteln  aufgestellten  Aufgaben  sind  da,  wo  sie  obiger  Quelle  entnom- 
men, auch  mit  der  vollständigen  Lösung  abgedruckt.  Hieher  gehören 
namentlich  die  Zins-  und  die  Terminrechnung.  Bei  diesem  fabrik- 
mässigen  Abschreiben  sind  in  der  Eile  mitunter  auch  sinnstörende 
Fehler  unterlaufen.  So  enthält  z.  B.  die  dritte  Lösung,  S.  55,  eine 
falsche  Schlussfolgerung,  weil  der  Setzer  in  eine  irrige  Zeile  geraten 
ist,  ohne  dass  es  der  Corrector  gemerkt  hat. 

Sehr  naiv  ist,  dass,  nachdem  aus  der  2ten  Auflage  des  Schwager'schen 
Lehrbuches  Seite  47  und  48  die  beiden  Beispiele  über  abgekürzte 
Multiplikation  und  Division  abgedruckt  worden  sind,  auch  noch  folgende 
Schlussanmerkung  mit  in  den  wolfeilen  Kauf  genommen  wurde: 

„Die  weitere  Ausführung  der  abgekürzten  Multiplication  und 
Division  bleibt  dem  Unterrichte  vorbehalten".  I 

Soweit  das  Lehrbuch. 

Was  nun  die  Ustrich'sche  Sammlung  von  arithmetischen 
Aufgaben  betrifft,  so  enthält  dieselbe  nicht  weniger  als  38  Beispiele, 
welche  teils  wörtlich ,  teils  mit  ganz  geringen  Abänderungen  ebenfalls 
dem  Schwager'schen  Lehrbuch  entnommen  sind. 

Bei  den  Aufgaben  über  die  Terminrechnung,  Seite  26,  war  der 
Herr  Verfasser  gar  nicht  mehr  wählerisch,  er  nahm  ungenirt  gleich  die 


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■mm-  -  r  •  " 


240 

sümmtlichen  in  seiner  Sammlung  befindlichen  Beispiele  —  10  an  der 
Zahl  —  aus  obigem  Buche,  wol  desswegen,  weil  gegen  das  Ende  der 
Sammlung  die  Zeit  drängte. 

Dass  die  beiden  Schriften  des  Hrn.  Dr.  Ustrich  vom  kgl.  Staats- 
ministerium empfohlen  worden  siud  (Cultusministerihlblatt  No.  36  vom 
Jahre  1874),  war  mir  sehr  erfreulich  zu  vernehmen;  den  Herrn  Ver- 
fasser möchte  ich  aber  gebeten  haben,  künftig  bei  einer  etwa  notwendig 
werdenden  zweiten  Auflage  die  vergessene  Quelle,  wie  es  Sitte  ist, 
gefälligst  anführen  zu  wollen  *). 

Würzburg,  im  April  1875.  H.  Schwager, 

kgl.  Mathematiklehrer. 

*)  Vgl.  die  Vorrede  zur  „Sammlung  von  arithmetischen  Aufgaben  von 
Steck  und  Bielmavr ,  2.  Auflage" ,  wo  dieselben  Klagen  wie  hier  erhoben 
werden.  D.  R. 


Statistisches. 


Ernannt:  Studl.  Trenn  er  in  Kulmbach  zumSubrektor  in  Hersbruck; 
Ass.  Hai ler  in  Regensburg  (Konk-  1874)  znm  Studl.  in  Weissenburg;  der 
Zeichenlehrer  an  der  Kreisgewerbschule  Kaiserslautern,  Voltz,  zum  Prof. 
für  dasselbe  Fach  am  Realgymnasium  Nürnberg;  der  Lehrer  für  neuere 
Sprachen  an  der  Studienanstalt  Schweinfurt,  Voss,  in  gleicher  Eigenschaft 
an  der  Gewerbschule  Bamberg;  zum  Hilfslehrer  für  Realien  an  der  Kreis- 
gewerbschule Augsburg  der  Lehramtskandidat  D  o  t  z  c  r ;  zum  Lehrer  für  Realien 
an  der  Gewerbschule  Ingolstadt  der  dermalige  Verweser  dieser  Stelle,  £  d  e  r. 

Gestorben:  Prof.  Schedlbauer  in  Straubing. 

Der  letzte  Tag  des  Mai  hat  dem  bayerischen  Gymnasial -Lehrer- 
stande zwei  schwere  Verluste  gebracht. 

Schulrat  P.  Gregor  Höfer,  seit  27  Jahren  Rektor  des  Ludwigs- 
Gymnasiums  in  München,  wurde  in  einem  Alter  von  62  Jahren  durch 
den  Tod  von  langen  Leiden  erlöst;  tadellos  als  Priester,  ein  gediegener 
Philolog  und  vortrefflicher  Lehrer,  dessen  Brust  der  Verdienstorden 
vom  heiligen  Michael  zierte. 

Rektor  Dr.  Gottfried  Friedlein  in  Hof,  gleich  tüchtig  als 
Philolog  wie  als  Mathematiker,  die  liebenswürdigste  Persönlichkeit,  der 
zärtlichste  Familienvater,  aufopfernd  im  Dienst  der  Wissenschaft  und 
des  Staates,  dem  er  22  Jahre  in  verschiedenen  Stellungen  seine  Kraft 
mit  anerkanntem  Erfolge  gewidmet,  musste  in  dem  schönen  Mannes- 
alter von  47  Jahren  von  diesem  irdischen  Schauplätze  abtreten.  Sein 
früher  Hingang  ist  besonders  schmerzlich  für  diese  Blätter,  an  deren 
Begründung  er  hervorragenden  Anteil  genommen  und  deren  Redaktion 
er  seit  ihrem  Bestehen  mit  ebensoviel  Liebe  als  Umsicht  mitbesorgt 
hatte.    Sein  Andenken  sei  gesegnet I. 


Di 


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241 


Dr.  Joh.  Gottfried  Friedleiu, 

geboren  am  5.  Januar  1828,  war  der  zweite  Sohn  des  Bürgers  und 
Bäckermeisters  Johann  Friedrich  Friedlein  in  Kegensburg.  Schon  in 
seinem  10.  Lebensjahre  verlor  er  den  Vater  und  das  Meiste  von  dem, 
was  elterliche  Erziehung  an  ihm  that,  verdankte  er  seiner  trefflichen 
Mutter,  Frau  Christina  Friedlein,  geb.  Wagner,  welche  aus  Liebe  zu 
ihren  Kindern  nicht  wieder  heiratete,  sondern  entschlossen  die  Führung 
eines  grossen  Hausstande«  und  Geschäftes  in  eigene  Hand  nahm  und 
mit  Sorgfalt  über  ihre  vier  Kinder,  drei  Söhne  und  eine  Tochter,  wachte. 
Sie  alle  gediehen  unter  ihrer  treuen  Pflege,  aber  der  Stolz  der  Mutter 
war  Gottfried,  welcher  hohe  Begabung  und  rastlosen  Eifer  für  alles 
Gute,  auch  frühzeitig  schon  jene  Bestimmtheit  des  Willens  an  den  Tag 
legte,  die  ihn  vor  vielen  andern  ausgezeichnet  hat. 

Auf  dem  Gymnasium,  welches  er  im  Jahre  1846  mit  der  Note 
Vorzüglich  würdig  absolvierte,  that  er  sich  ausser  den  Sprachen 
besonders  in  der  Mathematik  hervor  und  widmete  sich  demgemäss 
nach  einigem  Schwanken ,  ob  er  sich  nicht  dem  Bergwesen  zuwenden 
solle,  auf  der  Universität  München  dem  Studium  der  Philologie  und 
Mathematik.  Er  gewann  bald  das  Wohlwollen  seiner  Professoren, 
welche  bis  an  sein  Ende  freundschaftlichen  Verkehr  mit  ihm  gepflogen 
haben:  wie  denn  in  seinem  ganzen  Lebensgange  zu  bemerken  ist,  dass 
mit  jeder  neuen  Bekanntschaft  ihm  ebensoviel  neue  Freundschaften 
erwuchsen,  die  sämmtlich  zu  pflegen  er  nicht  müde  wurde. 

Der  eiserne  Fleiss,  welchen  er  an  die  Bearbeitung  einer  Preisauf- 
gabe setzte,  warf  ihn  auf's  Krankenbett:  eine  Gehirnentzündung  liess 
das  Aeusserste  für  ihn  fürchten  und  wohl  nur  der  ausgezeichneten 
Behandlung ,  welche  er  unter  besondern  Umständen  fand,  verdankte  er 
die  Erhaltung  seines  Lebens.  Hofrat  Thiersch,  der  Regenerator  des 
höheren  Unterrichtswesens  in  Baiern,  war  durch  seine  Leistungen  auf 
ihn  aufmerksam  geworden ;  als  er  den  jungen  Mann  nicht  mehr  an  dem 
Platze,  welchen  er  im  Collegium  einzunehmen  pflegte,  sitzen  sah, 
erkundigte  er  sich  nach  der  Ursache  und  wusste  es  dahin  zu  bringen, 
dass  der  Leibarzt  des  Königs  ihn  in  besondere  Behandlung  nahm. 
Trotz  dieser  Erkrankung  bestand  er  bereits  nach  dreijährigem  Besuch 
der  Universität  1849  den  Konkurs  für  das  Gymnasiallehramt,  zwei 
Jahre  später  den  für  das  Lehramt  der  Mathematik  an  Gymnasien, 
beide  mit  bestem  Erfolge. 

Im  Frühjahr  1850  verliess  er  München,  um  an  dem  Gymnasium 
seiner  Vaterstadt  in  die  Praxis  einzutreten  und  wurde,  nachdem  er 
inzwischen  auch  drei  Monate  Soldat  gewesen,  im  November  1851  zum 
Assistenten  an  den  drei  oberen  Klassen  des  Gymnasiums  Kegensburg, 
im  Herbst  1852  auch  zum  Assistenten  des  Lehrers  der  Mathematik 
da«elbst  ernannt;  im  December  1853  erfolgte  seine  Anstellung  als 
Studienlebrer  in  Erlangen,  wo  er  nacheinander  diel.,  II.  und  III.  Klasse 
der  Lateinschule  unterrichtete.  An  seinen  Aufenthalt  in  dieser  Stadt 
schlössen  sich  schöne  Erinnerungen:  dort  knüpfte  er  am  23.  August  1858 
mit  Fräulein  Wilhelmine  Lammers,  seiner  jetzt  um  ihn  trauernden 
Witwe,  das  Band  der  Ehe,  welcher  drei  Töchter,  jetzt  15, 13  und  1 1  Jahre 
alt ,  und  zuletzt  ein  nach  10  Wochen  wieder  verstorbenes  Söhnlein 
entstammten;  dort  knüpfte  er  viele  freundschaftliche  Verbindungen  mit 
grossen  Gelehrten  an  der  Universität,  welche  damals  geradein  besonderer 
Blüte  stand;  auch  er  betrat  jetzt  mit  Erfolg  die  literarische  Laufbahn: 
nachdem  er  durch  kleinere  Schriften  1857  den  Titel  eines  Doktors  der 
Philosophie  erworben  und  1858  an  der  Jubelteier  des  greisen  Thiersch 
sich  beteiligt  hatte,  gab  er  1858  und  18.;9  ein  griechisches  Lesebuch 

Blätter  f.  d.  bajrer.  Gymn.-  ti.  Re»l-Schulw.    XI.  Jalirß.  J6 


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242 


in  2  Teilen  und  1861  Gerbert,  die  Geometrie  des  Boätius  und  die 
indischen  Ziffern  heraus.  Leider  musste  er  auch  in  Erlangen  dem  Tode 
wieder  ins  Angesicht  schauen :  eine  Rippenfellentzündung  warf  ihn  schwer 
darnieder  und  nur  nach  einem  längeren  Landaufenthalte  in  der  Nähe  von 
Regensburg  kounte  er  unter  treuester  Pßege  der  Seinigen  wieder  genesen. 

Am  1.  Oktober  1862  wurde  er  zum  Professor  der  Mathematik  am 
Gymnasium  Ansbach  ernannt;  ein  Wechsel  des  Berufes,  welches  seine 
wissenschaftliche  Thätigkeit  immer  mehr  in  eine  bestimmte  Richtung 
führte.  Er  wandte  sich  ganz  dem  Studium  der  alten  Mathematiker  zu 
und  gab  186?  den  lateinischen  Text  der  Schriften  des  Boetius  über 
Mathematik  und  Musik  heraus.  Auch  als  praktischer  Schulmann  zeigte 
er  grossen  Eifer  und  Geschick,  und  wurde  daher,  als  die  vereinten 
Lehrer  der  bairischen  Gymnasien  eine  eigene  Zeitschrift  gründeten, 
von  seinen  Kollegen  zur  Teilnahme  an  der  Redaktion  berufen,  ein  Amt, 
dessen  er  bis  zu  seinem  Ende  mit  unverdrossener  Hingebung  zum  Segen 
dieser  Blätter  und  des  bairischen  Gymnasiallehrervcreins  waltete.  Seine 
wissenschaftliche  Thätigkeit  und  praktische  Lehrbefähigung,  seine 
Geschäftsgewandtheit  und  Redegabe,  seine  tiefe  Religiosität  und  Gewissen- 
haftigkeit, seine  mit  herzgewinnender  Liebenswürdigkeit  verbundene  Festig- 
keit und  Entschiedenheit,  diese  und  andere  Vorzüge  wussten  auch  seine 
Vorgesetzten  wol  zu  würdigen:  es  wurde  ihm  am  16.  März  1868  das 
Studienrektorat  Hof  in  Verbindung  zuerst  mit  der  Lehrstelle  der  Ober- 
klasse, dann  seit  dem  1.  Oktober  1868  mit  der  Professur  der  Mathe- 
matikübertragen. Wie  segensreich  er  hier  gewirkt  hat,  wie  er  überall, 
besonders  bei  Lehrern,  Schülern,  Eltern  gewinnend  und  vertrauen- 
erweckend auftrat,  wie  er  die  Studienanstalt  in  aller  Art  würdig  vertrat 
und  gedeihlich  verwaltete:  das  kann  hier  des  weiteren  nicht  geschildert 
werden.  Bald  ernannte  ihn  auch  die  Stadt  zum  Rektor  der  neu  organi- 
sierten höheren  Töchterschule,  an  deren  Erstehen  und  Aufblühen  er 
einen  Hauptanteil  hat:  eine  neue  schöne  Seite  seines  Wesens  zeigte  er 
in  der  Uneigennützigkeit ,  mit  welcher  er  sowol  das  Rektorat  derselben 
als  drei  Unterrichtsstunden  wöchentlich  ohne  jede  Bezahlung  übernahm. 
Von  der  Annahme  des  höchst  ehrenvollen  Antrags  an  dem  von  König 
Max  II.  ins  Leben  gerufenen  Werke,  einer  Geschichte  sämmtlicher 
Wissenschaften,  durch  Uebernahme  der  Geschichte  der  Mathematik  sich 
zu  beteiligen,  musste  er  wegen  seiner  amtlichen  Geschäfte  zurücktreten ; 
was  er  dafür  vorgearbeitet  hatte,  veröffentlichteer  1869 in  seiner  Geschichte 
der  Zahlzeichen  der  Griechen  und  Römer.  Ausserdem  schrieb  er 
Recensionen  und  Abhandlungen  in  mathematischen  Zeitschriften  Deutsch- 
lands und  Italiens  und  gab  noch  im  Jahre  1873  den  Kommentar  des 
Prokies  zum  1.  Buche  der  Elemente  des  Euklides  heraus.  Daneben 
fand  er  unter  vielem  andern  auch  die  Zeit  mit  Erziehung  und  Unter- 
richt seiner  Kinder  sich  aufs  Angelegentlichste  zu  beschäftigen.  Leider 
wohnte,  wie  wir  jetzt  wissen,  dieser  feurige  und  frische  Geist  in  einem 
hinfälligen  Körper:  im  Frühling  1871  führte  ein  Blutsturz  die  dritte 
sein  Leben  bedrohende  Krankheit  herbei;  im  Herbst  1874  traten  bedenk- 
liche Ohnmachtsfälle  ein;  vor  2  Monaten  ergriff  ihn  die  Lungenschwind- 
sucht, welche  unter  den  schmerzlichsten  Leiden  endlich  zur  völligen 
Auflösung  führte.  Er  starb  an  demselben  31.  Mai  wie  7  Jahre  früher 
sein  Amtsvorgänger  Rektor  Dr.  Gebhardt,  in  demselben  48.  Lebensjahre, 
das  auch  das  letzte  seines  Vaters  gewesen  war.  Sein  Gedächtniss  wird 
nicht  erlöschen ;  insbesondere  werden  diese  Blätter,  die  er  mitbegründen 
half  und  mehr  als  ein  Dezennium  wie  ein  sorgsamer  Gärtner  pflegte, 
sowie  der  bair.  Gymna3iallehrerverein,  an  dessen  Versammlungen  er 
stets  hervorragenden  Anteil  nahm,  sein  Andenken  immer  in  Ehren  halten. 

Gedruckt  UsJ  j  Qottoawinter  A  Wö.il  in  München,  The»tmerstrai*e  18. 


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Zu  einigen  Stellen  im  üiou  uud  Chabrias  des  Com.  Nepos. 


Es  ist  bekannt,  welch  grosse  Verdienste  sich  der  jüngst  verstorbene 
Nipperde  \  um  die  Kritik  und  Interpretation  der  wenigen  erhaltenen 
Reste  aus  den  Schriften  des  C  Nepos  erworben  hat.  Auf  seinen 
Schultern  steht  zum  guten  Teil  die  weitaus  beste  aller  Textaus- 
gabeu,  welche  wir  von  diesem  Schriftsteller  besitzen,  die  bekannte 
Halm'sche  vom  Jahr  1871  In  der  Ausgabe  vom  Jahre  1849  aber  hat 
Nipperdey,  abgesehen  von  der  wertvollen  Einleitung,  eine  reiche  Fülle 
von  stilistischen  und  sachlichen  Bemerkungen  zum  Text  niedergelegt, 
so  dass  jeder,  der  diese  gründliehe  und  scharfsinnige  Arbeit  kennt, 
nur  bedauern  muss,  dass  es  dein  gelehrten  Verfasser  nicht  gegönnt 
war,  dieselbe  „mit  den  Resultaten  eigner  und  fremder  Bemühung 
vermehrt  aufs  neue  zu  veröffentlichen,  damit  sie  wieder,  auf  die  Höbe 
der  Forschung  gebracht,  jedem  jungen  Philologen  zum  Muster  in  die 
Hand  gegeben  werden  kann,  wie  man  einen  Schriftsteller  erklären 
muss"  (Eberhard  in  der  Zeitschrift  f.  d.  G.-W  XXV.  Jahrg.  II  Bd. 
S.  667).  Dass  ferner  seit  jener  Ausgabe  ausser  von  Nipperdey  seihst 
auch  von  einer  Reihe  anderer  Gelehrten  sehr  viel  für  die  Verbesserung 
und  Erklärung  des  Textes  geschehen  ist,  lässt  sich  leicht  aus  der 
erwähnten  Ausgabe  von  Halm  erkeunen.  Wenn  ich  dennoch  die  Ausicht 
ausspreche,  doss  an  «inen  Ahschluss  in  dieser  mühsamen  Arbeit  noch 
lange  nicht  zu  denken  ist,  ja  dass  der  Standpunkt  jener  verdienstvollen 
Gelehrten  im  Laufe  der  Zeiten  noch  manche  Modihcatiouen  erfuhieu 
wird,  so  liegt  das  eben  in  der  Eigenartigkeit  unseres  Schriftstellers, 
von  dem  Eberhaid  a  a.  O.  S.  649  mit  Recht  sagt:  „Bei  eiuem  so 
eigentümlichen  Schriftsteller  wie  C.  Nepos  ist  die  Konjekturalkrii.k 
deswegen  besonders  schwierig,  weil  mau  nicht  sicher  weiss,  weder  in 
historischen  Dingen  noch  in  der  Logik  noch  in  der  Sprache,  welchen 
Grad  von  Ungenauigkeit  man  ihm  zutrauen  darf". 

Sehe  ich  nun  recht,  so  ist  Nipperdey  in  seiner  Beurteilung  der 
Leistungen  unsers  Schriftstellers  nicht  ganz  seilen  über  das  rechte 
Mass  hinausgegangen  und  zwar  aus  zwei  Gründen:  erstlich,  weil  er 
öfters  den  abweichenden  Berichten  anderer  Schriftsteller  (wie  Plutarch, 
Diodor  u  s.  w  )  mehr  als  notwendig  beigepflichtet,  und  zweitens,  weil 
er  teils  den  überlieferten  Text  für  zuverlässiger  gehalten  als  er 
in  der  That  ist,  teils  auch  die  richtige  Auffassung  desselben  übersehen 
hat.  Angedeutet  bat  den  letzteren  Punkt  auch  Eberhard  a.  a.  0.  mit 
den  Worten :  ,„N.  hat  die  grösste,  man  dar!  wol  sagen  übergrosse  Vor- 
sicht in  der  Aufnahme  von  Konjekturen  gezeigt". 

Hlitter  f.  d.  bayer.  Oymn.-  «.  Real-8chu»w.  XI.  Jährte.  |7 


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241 

Indem  ich  bitte,  mir  für  jetzt  deii  Beweis  für  die  erste  Behauptung 
zu  erlassen,  will  ich  schon  aus  dc;n  äusserlieheu  Grunde  <Us  Raum- 
mangels mich  auf  einzelue  Stellen  im  Dion  und  Chabri«s  beschränken, 
um  teils  durch  Erklärung  teils  durch  Nachweis  der  Tcxtverderbniss 
zu  zeigen,  wie  sehr  mau  noch  immer  1* rauche  hat,  mit  dem  Urteil 
über  die  schriftstellerische  Bedeutung  des  Nepos  zurückhaltend  zu  sein 

Ich  wähle  zunächst  jene  Partie  aus  dem  Leben  des  merkwürdigen 
Siciliers  Dion ,  in  der  Nepos  das  Sinken  und  den  Untergang  seines 
Glückes  darstellt.  Gleich  die  ersten  Worte  des  6.  Kapitels  müssen 
Anstoss  erregen,  da  im  vorhergehenden  Kapitel  die  vollständige  Angabe 
jener  reu  tarn  pronperae  tamque  inopinatae  fehlt,  auf  welche  offenbar 
Bezug  genommen  wird.  Auffalleuder  Weise  konnte  sich  Nipperdey  erst 
in  seiner  kleineren  Ausgabe  (mir  steht  nur  die  5.  Aurl.  von  1808  zu 
Gebote)  eutschliessen ,  eine  Lücke  vor  dem  Beginn  unseres  jetzigen 
ß.  Kapitels  anzunehmen  Wenn  man  bedenkt,  welch  grosse  Wichtig- 
keit Plutarch  und  Diodor  den  Kämpfen  beilegen,  die  schliesslich  nach 
mancherlei  Variationen  zur  völligen  Vertreibung  des  Dionys  führen, 
so  dürfte  mau  wol  in  der  Anuabme  nicht  irren,  dass  mindestens  ein 
ganzes  Kapitel  zwischen  dem  5.  und  6.  ausgefallen  ist,  zumal  gerade 
diese  Partie  Gelegenheit  gab,  das  bedeutende  Talent  Dioos  in  der 
Heerführung  iu  klares  Licht  zu  stellen.  Die  weiter  in  den  Kapiteln  G  9 
folgenden  Mitteiluugen  sind  offenbar  aus  andern  Quellen  geschöpft,  als 
dem  Plutarch  bei  seiner  Lebensbeschreibung  des  Dion  uud  dem  Diodor 
bei  Verabfassuug  seiner  Geschichte  zu  Gebote  standen.  Während 
namentlich  bei  Plutarch  Dion  als  unglückliche«  Opfer  des  unerbittlichen 
Fatums  erscheint,  tritt  bei  N.  mehr  die  Ansicht  hervor,  dass  den 
Tyrannen  von  Syrakus  das  gewohnte  uud  verdiente  Geschick  erreicht 
habe.  Ob  an  dieser  Auffassung  die  persönlichen  Ansichten  und  Neig- 
ungen des  Republikaners  N.  mehr  oder  weniger  Anteil  haben,  oder 
ober  uur  wiedergibt,  was  er  iu  seinen  Quellen  gefunden  hat,  lässt  sich 
wol  nicht  mehr  entscheiden.  Ja  selbst  darin  geht  Nipperdey  zu 
weit,  dass  er  dem  ruchlosen  Mörder  des  Dion  mit  aller  Bestimmtheit 
den  Namen  Callippua  statt  CaUicrates  viudicirt.  Wie  dem  übrigens 
auch  sein  mag,  von  dem  Vorwurf  des  Mangels  an  kritischem  Sinn 
wird  N  schon  darum  nicht  gereinigt  werden  können,  weil  ein  unver- 
dächtiger Zeuge  aus  dun  Altertum  selbst  (Plinius  N.  H.  V,  1,  4)  ihn 
der  Leichtgläubigkeit  bezichtigt  Sollte  nun  aber  N  wirklich  iu  Bezug 
auf  den  aus  den  Quellen  entnommenen  Stoff  nicht  nur  vieles  absichtlich 
übergangen,  sondern  auch  ebeufalls  absichtlich  vieles  gänzlich  verdreht 
hauen,  wie  Nipperdey  behauptet  (A.  von  1840,  Einleitung  S.  XXXI); 
darf  auch  mit  Kecht  der  Stil  des  N.  ungleichmäßig  und  nicht  s«  lten 
auch  nachlässig  geuanut  werden,  so  bin  ich  duch  überzeugt,  <lass 
Grasherger  Recht  hat,  wenn  er  (Eos.  I,  2,  S  229  f.)  sagt,  mau  dürfe 


A 


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t 

245 


bei  einem  Schriftsteller,  der  seiner  Zeit  einen  nicht  unbedeutenik ri* 
Namen  hatte,  dessen  Schriften  wenigstens  gelesen  wurden,  nicht 
derartige  grob«  Fehler  in  der  Darstellung  annehmen,  wie  man  sie  auch, 
heutzutage  weit  eher  einem  sorglosen  Setzer  oder  Corrcetor  als  dem 
Autor  selbst  zuzuschreiben  geneigt  sein  würde. 

Dass  Nipperdey's  Ausstellungen  mitunter  auf  mangelhafter  Inter- 
pretation beruhen,  dafür  gibt,  glaube  ich,  das  7.  Kapitel  nnsers  Dion 
einen  interessanten  Beweis.  Dion  hat  nach  der  Ermordung  des  Hern- 
klides,  um  das  Heer  fester  an  sich  zu  knüpfen,  die  konfiscirten  Güter 
seiner  Gegner  an  die  Soldaten  verteilt  und  dabei  nicht  das  verständige 
Mass  walten  lassen  (licentius  hat  wol  nichts  mit  dem  Ueberscbreitcn 
der  Gesetze  zu  thun,  wie  Nipperdey  in  seiner  kleinen  Ausgabe 
erklärt).  Wie  man  mit  diesen  Mitteln  fertig  war  (quibus  divisis*), 
trat,  da  man  auch  sonst  alle  Tage  tüchtige  Ausgaben  hatte,  bald  Geld- 
mangel ein,  und  so  blieb  denn  schliesslich  (wenn  man  so  fortwirt- 
schaften wollte)  nichts  übrig,  als  den  eignen  Anhängern  aus  der 
Adelspartei  ihre  Güter  zu  nehmen. 

Unser  Text  fährt  uun  fort:  Id  ejis  modi  erat,  ut,  cum  milites 
reconciliasset,  amitteret  optimates  In  den'  beiden  mir  vorliegenden 
Ausgaben  nennt  Nipperdey  die^e  Darstellung  unklar  und  (in  der 
kleineren  auch)  unrichtig  Wenn  ich  recht  sehe,  bat  aber  Nipperdey 
selbst  darin  gefehlt,  dass  er  eine  Entfremdung  nicht  blos  der  Soldaten, 
sondern  auch  der  Optimaten  annimmt.  Die  Soldaten  allerdings  waren, 
als  (nicht  so  oft,  wie  Nipperdey  meint  i  die  Gratificationen  oder  Zulagen 
aufhörten,  nicht  wenig  verstimmt.  Dass  dies  der  Fall  war,  sagt  N.  bald 
darauf  ganz  deutlich :  offensa  in  cum  müitum  voluntate,  und  im  nächsten 
Kapitel  glaubt  Dion  seinem  Freunde  Callicrates,  der  ihm  vor  dem 
Hasse  der  Soldaten  bange  macht  Noch  klarer  drückt  sich  über  diesen 
letzten  Punkt  Plutarch  aus  (Dion  c  54),  wenn  er  sagt:  «fi  yitQ  nute 
(pitivuq  iwj'  OTQttTHot  div  ;i (joV  ix(  ivov  tj  k  f  k  e  y  fj  t  ¥  ff  g  «  X  9$  w  <  ttru- 
(ptQvjy  1}'  71  CA / ff aut vu g  t:n'  uviov.  Von  einer  Verstimmung  der  Optimaten 
dagegen  ,  auf  deren  Seite  gerade  Dion  gegen  Heraclides  gestanden  war 
(vgl.  Plut.  Dion  c.  53),  weiss  auch  N  nichts.  Hätte  Dion  auch  die 
eignen  Anhänger  nicht  geschont,  was  doch  nicht  klug  gewesen  wäre} 
so  wäre  ja  auch  die  Verstimmung  der  Soldaten  nicht  denkbar.  Dies 
bedeutet  aber  auch  der  oben  citirte  Satz  gar  nicht,  sobald  man  den 
Sinn  des  id  ejus  modi  erat  richtig  fasst.  Dieses  id  schliesat  sich 
unmittelbar  an  die  vorhergehenden  Worte  in  amicorum  possessiones 
(manus  porrigere)  an  und  steht  an  Stelle  eines  hypothetischen  Vorder- 


*)  Hier  fehlt  in  der  Hainichen  Ausgabe  das  Komma,  wie  mir  scheint, 
mit  Unrecht 

17» 

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240 


satzes  der  sogenannten  4.  Art:  wenn  pr  auch  nach  den  Gütern  seiner 
Anhänger  die  Hände  ausgestreckt  hätte,  so  hätte  er  in  Folge  dessen 
[ejus  modi  erat,  ut)  zwar  die  Soldaten  (die  über  die  Unterbrechung  der 
Schenkungen  unwillig  waren)  wieder  gcwounen,  aber  die  Optimaten 
(d.  h.  so  weit  sie  bisher  zu  ihm  hielten)  verloren.    Der  Indikativ  des 
Imperfekts  kommt  bekanntlich  auch  sonst  vor  statt  des  Konjunktivs 
Plusquamperfecti  (vgl.  Zutnpts  Gramm.,  9.  A  S  510  b.),  und  zwar,  wie 
mir  scheint,  besonders  danu,  wenn  mau  die  Folge  als  unausbleiblich 
bezeichnen  will.    Da  gerade  in  diesem  Falle  das  av  der  Apodosis  im 
Griechischen  gerne  wegfällt  (vgl.  Krügers  Gramm.  3.  A.  §.  54,  10,  I), 
so  liegt  die  Vermutung  nahe,  dass  N.  genau  sein  griechisches  Original 
nachgebildet  hat,  welches  lautete:   iovto  ye  ovruq      wäre  xrk  Somit 
hat  also  Dion  es  nur  mit  den  Soldaten  verdorben,  und  diese  waren  es 
auch,  von  denen  es  im  folgenden  Satz  heisst,  dass  sie  über  Dion  sich 
schlimm  vernehmen  Hessen,  während  sie  ihn  vorher  gar  nicht  genug 
rühmen  konnten     Darum  ist  auch  eine  Versetzung  des  Relativsatzes 
quorum  —  laudibus  hinter  militum  voluntate ,  wie  sie  im  Pbilol.  Anz. 
(Bd.  IV,  S.  93)  verlangt  wird,  nicht  nur  unnötig,  sondern  sogar  falsch, 
insofern  ab  Iiis,  wie  statt  ab  iis  vorgeschlagen  wird,  von  den  Optimaten 
verstanden  werden  soll     Ebenso  falsch  ist  im  §.  2  des  8.  Kapitels  die 
Umstellung  in  propter  odium  populi  et  offensionem  militum ,  die  an 
der  gleichen  Stelle  verlangt  wird,  obgleich  oben  N.  von  der  offensa 
militum  voluntas  spricht.    Das  -stärkere  odium  ist  gewählt,  weil  Calli- 
crates,  wie  Plutarch's  Mitteilung  deutlich  zeigt,  gerade  die  Stimmung 
des  Heeres  als  recht  schlimm  hinstellen  wollte.    Die  Beziehung  des 
folgenden  quod  aber  auf  das  nachstehende  odium  ist  darum  nicht  zu 
befürchten,  weil  der  Satz  quod  nullo  modo  evitare  passet  einen  zwar 
relativisch  angeknüpften,  aber  an  sieb  selbständigen  Gedanken  enthält, 
so  dass  quod  einem  et  id  gleichzusetzen  und  vielleicht  posset  in  posse 
zu  ändern  ist  (vgl.  Zumpts  Gr.  9  A.  §  t>03,  3) 

Dagegen  ist  rair's  auffallend,  dass  man  (meines  Wissens)  bisher 
keinen  Anstand  genommen  hat  an  den  Worten  nisi  in  amicorum  pos- 
sessiones  im  §.  2  des  7.  Kapitels.  Wir  haben  es  hier  mit  einem 
sogenannten  abgekürzten  Satz  zu  thun ,  der  durch  Ergänzung  de3 
Verbums  suppetere  zu  einem  vollständigen  Nebensatz  gemacht  werden 
kann.  Die  Konstruktion  dieses  Satzes  aber  rührt  offenbar  von  der 
Ergänzung  des  Ausdrucks  manus  porrigere  her,  die  nur  danu  richtig 
wäre,  wenn  zu  suppetebat  nicht  der  Atti  ibutivsatz  quo  manus  porrigeret, 
sondern  ein  Subjektsatz  manus  porrigere  gesetzt  wäre  und  gesetzt 
werden  könnte.  Mir  acheint  die  Lesart  falsch  zu  sein,  sei  es  nun, 
dass  in  in  Folge  falschen  Verständnisses  hineinkorrigirt  wurde,  oder 
dass  sie  durch  unrichtig  gelesenes  nisibi  =.  nisi  sibi  entstanden  ist 


247 


Ist  im  7.  Kapitel ,  wie  ich  gezeigt  zu  haben  glaube,  uur  «las  in  im 
§.  2  anstössig,  während  son9t  alles  in  Ordnung  ist,  so  scheint  mir 
dagegen  im  9  Kapitel  der  Text  übel  verderbt  zu  sein  Callicrates, 
der  ein  gefahrliches  Spiel  um  den  Thron  in  Syrakus  trieb,  möglicher 
Weise  auch  nur  das  Werkzeug  der  Feinde  Dion's  war  (Plut.  Dion  c.  54 
med),  schreitet  zum  Abschluss  des  Unternehmens  Nachdem  er  alle 
Massregeln  zu  seiner  Sicherheit  getroffen  bat,  schickt  er  einige  der 
verwegensten  und  stärksten  von  den  Söldnern  aus  Zakynth  (vgl.  Plut. 
Dion  c.  22)  geradezu  in's  Haus  des  Dion ,  der  sich  eben  aus  dem 
Tumult  der  Proserpinalien  (Plut  Dion  c  56  tin.')  zurückgezogen  hat. 
Kr  gibt  ihnen  den  Auftrag,  unbewaffnet  dahin  zu  gehen,  um  keinen 
Verdacht  zu  erregen.  Auffallend  ist,  dass  der  Auftrag,  den  Dion  um 
jeden  Preis  zu  tödten,  gar  nicht  erwähnt  ist. 

Hi  propter  notitiam  sunt  intromissi  beisst  es  weiter,  und  nun 
folgen  die  Worte  at  Uli,  von  denen  das  erste  andeutet,  dass  etwas  ganz 
Unerwartetes  eintritt,  während  Uli  offenbar  im  Gegensatz  zu  dem  kurz 
vorhergehenden  hi  steht.  Heide  aber,  die  hi  und  die  Uli,  können  ver- 
nünftiger  Weise  nur  die  nämlichen  Zakynthier  sein  Dieses  at  liesse 
sich  allenfalls  vermittelst  der  Erweiterung  des  vorhergebenden  Ge- 
dankens noch  annehmbar  machen:  Da  jene  Männer  wol  bekannt  waren, 
so  schöpfte  mau  keinen  Verdacht,  sondern  Hess  sie  unbedenklich  ein. 
Die  Sache  ging  aber  ganz  anders;  denn  dieselben  u.  s.  w.  Solche 
Kürze  der  Darstellung  wäre  bei  einem  Schriftsteller,  der  nur  excerpirt, 
vielleicht  erklärlich.  Dass  aber  N.  den  falschen  Gegensatz  zwischen 
hi  und  HU  nicht  bemerkt  haben  sollte,  i«t  nicht  denkbar.  Um  dem 
abzuhelfen,  hat  Arnoldt  (Fleckeisen's  N.  Jbb.  109,  H.  4)  vorgeschlagen, 
hinter  notitiam  die  Worte  a  custodibus  einzuschieben,  um  so  den 
Gegensatz  zu  Uli  zu  gewinnen.  Aber  man  lese  so  die  Stelle,  und  mau 
wird  sich  immer  wieder  an  dem  Uli  gegenüber  jenem  hi  am  Anfang 
des  vorhergehenden  Satzes  stossen.  Möglich  wäre  ja  at  Uli  nur  dann, 
wenn  es  hiesse:  custodes  (oder  Dion?)  eos  non  dubitaverunt  intro- 
wittere.  At  Uli  etc.  Dagegen  scheiut  mir  so  viel  an  dieser  Konjektur 
richtig  zu  sein,  dass  an  dieser  Stelle  N.  etwas  von  den  Leibwächtern 
des  Dion  gesagt  hatte;  darauf  führt  notwendig  der  Anfang  des  §.  6,  wo 
durch  tili,  ipsi  ausdrücklich  auf  eine  frühere  Erwähnung  derselben  bin« 
gedeutet  wird.  Dass  N.,  wie  Nipperdey  in  seiner  kleinen  Ausgabe  meint, 
vergessen  haben  sollte,  zu  erwähnen,  dass  noch  eine  besondere  nicht 
eingeweihte  Wache  im  Innern  des  Hauses  war,  scheint  mir  ganz 
undenkbar,  und  wenn  ich  recht  sehe,  so  haben  uns  unsere  Handschriften 
ausser  jenem  Uli  ipsi  c.  noch  eine  weitere  Spur  an  die  Hand  gegeben, 
aus  der  die  Korruptel  zu  erkennen  ist.  Denn  das  hinter  Ii  mm 
stehende  ejus  ist  ein  deutliches  Zeichen,  dass  vorher  von  dem  Zimmer, 
in  welchem  sich  Dion  aufhielt,  die  Rede  war    Oder  sollte  man  Urnen 


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248 


ejus  statt  Urnen  ejus  conclaris ,  in  quo  Dion  versabatur  wirklich  für 
lateinisch  haiton  dürfen  ?  Dass  jenes  ejus  schon  in  früher  Zeit  Anstoss 
erregt  hat,  erkennt  mnn  daraus,  «lass  die  Ultrajectana  vom  .Tahre  1  4J, 
die  bekanntlich  sehr  wichtig  ist,  dasselho  woglässt    Kleckeisen  dagegen 
vermutet  statt  dessen  conclavis,  und  Nipperdey  will  schreiben  (spicil 
II,  3  von  180'.») :  limine  tenus.    Wie  aber  aus  conclavis,  das  ja  ganz 
klar  wäre,  ein  rätselhaftes  ejus  entstanden  sein  sollte,  ist  unerfindlich, 
und  der  beschränkte  Gebrauch  von  tenus  in  jener  Zeit,  sowie  die 
Nacktheit  des  Ausdrucks  ohne  nähere  Bestimmung  des  Urnen  sprechen 
auch  gegeD  diese  Konjektur.    Wenn  nun  Halm,  um  den  Hauptanstoss 
jenes  Uli  ipsi  §.  <•  wegzuschaffen,  dafür  ipsius  schreiben  will,  so  ist 
das  eine  dem  jeteigen  Texte  ganz  angemessene  Vermutung,  aber  auch 
nichts  weiter;   denn  so  leicht  auch  aus  einem  ursprünglichen  iprius 
ein  ipsi  werden  konnte,  und  so  gerne  man  auch  ipsius  an  dieser 
Stelle  unter  allen  Umständen  sehen  würde,   so  bleibt  doch  immer 
rätselhaft,  wie  man,  sei's  durch  ein  Schreihversebeo,  sei's  aus  Missver- 
ständniss  (etwa  um  dc,m  Leser  das  Verständniss  leichter  zu  machen  I) 
auf  die  Einschiebung  dieses  Uli  kommen  konnte.  Wollte  man  indessen 
auch  der  Halm'schen  Konjektur  beistimmen,  so  müsste  doch  zum  aller- 
mindesten  noch  jenes  Uli  im  §  4  entfernt  werden.    Man  versuche  es 
aber  auf  irgend  eine  Art,  mit  der  (ziemlich  gewaltsamen)  Streichung, 
oder  mit  Ersetzung  durch  iidew ,    oder  mit  Verwandlung  in  illum, 
immer  wird  man  auf  neue  Schwierigkeiten  stossen ,  die  ich ,  um  nicht 
allzu  sehr  zu  ermüden,  unterlasse  aulzuzählen.    Dies  alles  zusammen* 
genommen,  erscheint  es  mir  in  hohem  Grade  wahrscheinlich,  dass  die 
Worte  hi  —  intromissi  ihr  Dasein  einer  ausbessernden  Hand  verdanken, 
welche  die  vorgefundene  Lücke  verdecken  wollte.    N  hatte  an  dieser 
Stelle  sowol  die  Leibwächter  handelnd  eingeführt,  als  auch  das  Zimmer 
erwähnt,  in  dem  sich  Dion  aufhielt. 

Im  §.  4  heisst  es  dann  von  den  Zakyntbiern  weiter:  colli gant 
(Dionem)  Dass  von  einem  eigentlichen  Binden  eicht  die  Rede  sein 
kann,  ist  an  sich  klar;  aber  auch  Nippcrdey's  Erklärung  in  seiner 
kleinen  Ausgabe:  „sie  pressen  ihn  zusammen,  dass  er  kein  Glied 
rühren  kann",  scheint  mir  unhaltbar.  Denn  angenommen,  dass  colligare 
\xn  Sinne  von  manibus  colligare  die  angegebene  Bedeutung  wirklich 
hätte,  so  widerspricht  der  weitere  VerlHiif  dieses  Ereignisses,  wie  er  nament- 
lich in  den  Worten  (§.  <»)  qund  Uli  vicum  tenebant  dargestellt  ist. 
Denn  aus  diesen  geht  deutlich  hervor,  d«ss  Dion  sich  so  tapfer  seiner 
Haut  wehrte,  dass  seine  Mörder  ihm  Dicht  an's  Leben  konnten,  üätten 
es  aber  die  Zakynthier,  deren  wir  wol  drei  annehmen  dürfen  (dgfyti 
tivi  itHy  Zux.  iyxsiQidtov  sagt  Plutarch),  his  zu  jenem  Grade  der 
Ueberwältigung  gebracht,  den  Nipperdey  annimmt,  so  wäre  bis  zur 
Erdrosselung  ein  kleiner  und  leichter  Schritt  gewesen.  Den  wirklichen 


240 


Sachverbalt  erkennt  man  am  besten  aus  Plutarch  (Dion  c.  57):  ol  df 
Tiii  Jton't  TlQoa  ifiJnt'T x«Tt%t:iv  i:tfiQ(ofm  xcti  <svt'Tt)ip£tv  aviov.  «<r 
<)'  ov&tf  insQuirov,  tiinvv  ^iyoc.  Wie  man  siebt,  konnten  sie  ihn  nicht 
in  ihre  Gewalt  bekommen  (xuri/eiy) ,  und  man  wird  daher  auch  jenes 
tenere  (§.  6  festhalten)  als  einen  mehr  allgemeinen  und  nicht  eben 
klaren  Ausdruck  neben  vivum  (ohne  ihn  tödten  zu  können)  ansehen 
müssen  und  in  der  Betonung  zurücktreten  lassen.  Ueberhaupt  ist  der 
ganze  Kausalsatz  merkwürdig  gebildet,  da  die  beiden  Hauptmomente',  das 
Fordern  der  Waffe  und  das  nicht  tödten  Können  sprachlich  eine  unter- 
geordnete Stellung  einnehmen.  Offenbar  kommt  hier  jene  von  Nipperdey 
mit  Recht  hervorgehobene  Neigung  zum  „Zierlichen  und  Pikanten,  zu 
Gegensätzen  und  Wortspielen"  zur  Geltung,  da  N.  sich  eine  solche 
Zusammenstellung  wie  flagitantes  vir un  nicht  entgehen  lassen  wollte. 
.  Ist  also,  um  zur  Hauptsache  zurückzukehren,  meine  Anschauung  von 
dem  Vorgang  richtig,  so  ist  colligant  ein  Fehler,  der  aller  Wahrschein- 
lichkeit nicht  dem  N  ,  sondern  der  Ueberlieferung  zuzuschreiben  ist. 
Wenn  ich  nun  vermute,  dass  N.  covfligunt  geschrieben  hatte,  so  9iebt 
jeder,  dass  das  falsche  conligant  durch  üebersehen  des  Buchstaben  f 
leicht  entstehen  konnte 

Aber  noch  ein  anderes  Wort  unseres  Kapitels  erregt  Anstöss 
N  erzählt  nämlich  am  Schlüsse,  übereinstimmend  mit  Plutarch,  ein 
gewisser  Lyco  aus  Syrakus  habe  den  Mördern  auf  ihr  Verlangen  eine 
Waffe  (Syxetpifhoi' ,  nicht  ci'^oc  nennt  sie  Plutarch)  gereicht.  Beide 
sagen  auch  übereinstimmend,  dass  dieselbe  durch's  Fenster  (dt«  rijc 
»vgiifoc)  gereicht  worden  sei.  Aber  Plutarch  lässt  den  Dion  iv  oi- 
xtjuuri  xXlrtts  rums  lxnvtl  sicn  aufhalten,  N.  dagegen  in  conclavi  edito 
Siebeiis  bemerkt  hiezu  :  „im  oberen  Teile  des  Hauses  Dahin  pflegte 
mau  sich  zurückzuziehen,  wenn  man  ungestört  sein  wollte".  Wenn 
man  aber  in  Beckers  (Iharikles  (Bd.  II,  S.  83  f.,  103)  sich  umsieht,  80 
findet  man,  dass  ein  zweitos  Stockwerk  (vjisqiöov)  in  jener  Zeit  gar 
nicht  allgemein  war  und,  wenn  es  aufgesetzt  war,  am  liebsten  zu 
Sklavenwohnungen  benutzt  wurde,  nnd  noch  mehr  beschränkt  finden 
wir  das  Vorkommen  zweiter  Stockwerke  in  Pauly's  Realencycl.  (Bd.  II, 
S.  1335).  Doch  angenommen,  der  Tyrannenpalast  in  Syrakus  wäre  ganz 
oder  teilweise  zweistöckig  cewesen ,  so  liegt  in  dem  Ausdruck  conclave 
editum  selbst  eine  Schwierigkeit,  da  angenommen  werden  müsste,  dass 
N  in  flüchtiger  Weise  so  geschrieben  hätte  statt  conclave  editae  domus 
parti*  (Tacit.  ann  VI,  21).  Die  grösste  Schwierigkeit  liegt  jedoch 
darin,  dass  Lyco  durch's  Fenster  die  Watte  gereicht  hat  Da  man 
eine  am  oberen  Stockwerk  hinlaufende  Gnilerie  mit  Zugang  von  aussen 
bei  Dions  Palast  (vgl.  Charicl.  II,  S.  103)  wo!  nicht  annehmen  darf, 
so  bliebe  nur  noch  der  Fall  denkbar,  dass  man  eine  Leiter  herbeigeschafft 
hätte.    Es  hätte  diess  erst  im  Augenblick  des  Bedürfnisses  geschehen 


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250 


müssen,  da  die  Verschworenen,  welche  an  Thürcn  uml  Fenster  jiostirt 
waren,  wie  Plutarch  ausdrücklich  sagt,  <loi:h  unmöglich  mit  einer  Leiter 
gegen  den  Pulast  anrücken  konnten.  Ein  solcher  Umstand  aber,  wie 
die  nicht  ungefährliche  Ilerbeiscbafl'ung  einer  Leiter,  hatte  erwähnt 
werden  müssen.  Diese  Umstände  machen  das  Wort  edito  sehr  ver- 
dächtig und  legen  die  Vermutung  nahe,  dass  N.  geschrieben  hatte: 
ah  dito ,  zumal  da  Dions  Aufenthalt  in  einem  hinten  hinaus  (in  den 
Garten)  gelegenen  Zimmer  den  Verschworenen  bei  ihrem  Unternehmen 
förderlich  war. 

Auch  das  Wort  fettest  ras  wird  wol,  da  f'enestrae  mit  der  Bedeutung 
eines  Singuhiris  nicht  nachzuweisen  ist,  mit  dem  codex  Marcianus  in 
fenestram  zu  ändern  sein.  Dagegen  halte  ich  eine  Aenderung  in  den; 
Satze  qua  fagcret  ad  salutein  (§.  2)  nicht  für  nötig.  Wenn  in 
Fleckeisen's  N,  Jbb.  (Jahrg.  1872.  LI.  8)  vorgeschlagen  wird  zu  schreiben: 
qua  (tigeret  saltem,  so  hätte  N.  nicht  nur  dieses  sattem  hier  allein 
gebraucht,  sondern  ihm  auch  eine  auffallende  Stelle  angewiesen.  Da 
nämlich  Callicrates  wenigstens  die  Möglichkeit  zur  Flucht,  nicht  die 
Möglichkeit  zur  Flucht  wenigstens  sich  sichern  wollte,  so  hätte  N. 
korrekt  schreiben  müssen  :  ut  haberet  saltem  qua  fugeret.  Mir  acheint 
der  Ausdruck  aus  dem  gewöhnlichen  Leben  genommen,  ähnlich  wie 
Cicero  an  Atticus  (ep.  III,  19)  schreibt:  sed  et  ad  salutem  libentissime 
ex  tuo  portu  proficiscar. 

Verlassen  wir  nun  den  unglücklichen  Sicilier  Dion  und  sehen  uns 
um  nach  dem  Athener  Chabrias,  der  einen  ruhmvolleren  Tod  vor  Chios 
gefunden  hat.  Im  2.  §.  des  I  Kapitels  hat  Halm  gewiss  mit  allem 
Hecht  Lambin'ä  Emendation  ftdente  summa  duet  Agesilao  aufgenommen, 
zu  der  sich  in  der  Schulausgabe  auch  Nipperdoy  bequemen  musste. 
Der  Schluss  des  Kapitels  aber  ist  eine  ächte  crux  interpretum  geworden 
Wenn  ich  nicht  irre,  so  muss  man  dieser  Stelle  von  eiuer  ganz 
iiudern  Seite  beizukommen  suchen,  als  diess  bisher  geschehen  ist.  Der 
überlieferte  Text  lautet  nach  den  besten  Handschriften:  ex  quo  factum 
est,  ut  postea  athletae  ceterique  artifices  hiis  oder  his  stantibus  oder 
statibus  Statuts  \in  Statuts  ed.  Ultraj.)  ponendis  uterentur,  cum  vic- 
toriam  essent  adepti.  Ueber  die  Richtigkeit  von  statibus  und  in  vor 
Statuts  ist  wol  kaum  ein  Zweifel;  aber  die  letzten  Worte,  namentlich 
das  cum,  haben  viel  zu  schaffen  gemacht,  Da  man  von  vornherein  eine 
Beziehung  derselben  auf  his  oder  iis  (wie  Halm  auch  hier  schreibt) 
statibus  angenommen  hat,  so  wollte  man  durchaus  an  Stelle  jenes  cum 
ein  Relativ  haben  und  konjicirte  daher  in  quibus,  quibuscum,  quibus 
und  quomodo  (Nipperdeyj  Allein  allen  diesen  Konjekturen  steht  für's 
erste  schon  der  Konjunktiv  im  Wege,  abgesehen  von  der  uuerhörten 
Korrelation  his  —  quomodo;  wenn  aber  Halm  dadurch  helfen  will, 
dass  er  vor  cum  die  Worte  in  quibus  fuerant  einschiebt,  so  ist  dabei 


251 


übersehen,  dass  man  natürlicher  Weise  erwarten  würde:  üa  statibus, 
in  quibutt  tränt,  cum  v.  adiphcerentur  [adipücebantur?).  Für's  andere 
stehen,  wie  ich  glaube,  einer  solchen  Korrelation  wichtige  sachliche 
Bedenken  im  Wege.  Bekanntlich  wird  «SAijrr^  von  den  Schriftstellern 
huhl  in  eng«  rem,  bald  in  weiterem  Sinne  gebraucht,  wie  aus  vielen 
Stelleu  (vgl  Puuly's  Bealeneycl.  Dd.  1,  2  S.  1992)  unzweifelhaft  her- 
vorgeht. Wäre  es  hier  im  weiteren  Sinne  von  allen  gebraucht,  die  mit 
andern  um  das  a&Xov  kämpfen ,  so  wäre  der  Zusatz  ceterique  artißces 
wol  sehr  ungeschickt,  Es  müssteu  ja  dann  unter  den  artifices  alle 
Künstler  verstanden  werden,  welche  in  den  Nationalspielen  nicht  auf- 
treten konnten;  bei  solchen  aber  ist  für  gewöhnlich  wenigstens  auch 
.Ii:  AutVellung  einer  Stiitue  nicht  zu  denken.  Ohne  "Zweifel  dachte 
sich  N.  uuter  den  athlctae  die  in  den  «;wec  yvunxoi  auftretenden 
Männer,  besonders  die  Kiuger  und  Faustkämpfer ;  denn  dass  das  naXatiiv 
und  das  nvxrtxeir  in  Olympia  wenigstens  den  Mittelpunkt  bildete, 
zeigen  die  vielen  Bildsäulen  solcher  nuXumtiti  und  nt-xrai,  die  Pausanias 
dort  vorfand  (Paus.  Hell.  Per.  Buch  VI)  Wenn  er  nun  weiter  ceterique 
artifices  hinzufügt,  so  will  er  damit  zunächst  wenigstens  nur  solche 
Künstler  bezeichnen,  welche  neben  den  eigentlichen  Athleten  im  Wett- 
kampf  auftraten,  d.  h.  in  den  «yone$  Inntxoi  und  fwvotxoi,  und 
einen  oder  mehrere  Siege  gewannen. 

Hält  man  au  einer  Korrelation  zwischen  his  statibus  und  cum 
victoriam  esuent  adepti  fest,  so  kann  nur  au  eine  dem  Momente  des 
siegreichen  Kampfes  eigentümliche.  Stellung  gedacht  werden.  Wird  uuu 
aber  eiue  solche  schon  beim  Läufer  und  Wagenleuker  sich  schwerlich 
verwirklichen  lassen,  so  ist  das  in  Bezug  auf  den  mit  einem  musischen 
Kuustwerk  siegenden  Wettkämpfer  geradezu  undenkbar.  Dann  kommt, 
dass  meines  Wissens  wenigstens  in  den  Berichten  des  Tansanias  sich 
keine  Andeutung  findet,  dass  die  plastischen  Künstler  späterer  Zeit 
ihre  Athleten  in  dem  Moment  des  Sieges  darzustellen  versucht  hätteu. 
Dagegen  findet  sich  uuter  den  wenigen  Notizen  dieser  Art  im  10  Kapitel 
des  VI.  Buches  die  Mitteilung,  (ilaucias  aus  Aegina  habe,  mit  der 
Fertigung  eines  Standbildes  für  den  Faustkämpfer  (ilaucus  beauftragt, 
denselben  dargestellt,  als  ob  er  Luftstreiche  mache,  weil  Glaucus  ganz 
besonders  sich  durch  seine  geschickten  Handbewegungeu  beim  Fechten 
auszeichnete.  So  gut  Chabrias,  den  jene  Stellung  zum  Empfang  des 
angreifenden  Feindes  berühmt  gemacht  hatte,  gerade  in  dieser  dar- 
gestellt sein  wollte,  konnten  auch  jene  Agonisten,  auch  wenn  es 
musische  Künstler  waren,  ihre  eigene,  mit  ihrer  Kunstuusübung  oder 
auch  einer  andern  Eigentümlichkeit  zusammenhängende  Stellung  sich 
selbst  wählen  oder  vom  Künstler  ohne  solche  Bestimmung  erhalten. 
Freilich  fällt  die  Aufstellung  jener  oben  erwähnton  Statue  sicher  um 
SO  Jahre  vor  die  Zeit  des  Chabrias;   allein  ein  solcher  Anachronismus 


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252 


dürfte  bei  einem  Römer,  zumal  hei  Nrpos  nicht  so  schwer  wippen, 
besonders  wenn  man  bedenkt,  dass jene  Individualisirung  in  der  plastischen 
Kunst  doch  erst  später  allgemein  geworden  sein  wird. 

Alle  diese  Erwägungen  machen  es  wahrscheinlich,  dass  jenes  hiis 
oder  his  aus  einem  schlecht  abgeschriebenen  oder  nicht  verstandenen  . 
suis  entstanden  ist.  Was  aber  die  viel  besprochenen  Schluss*orte 
cum  etc.  ar.lanL't,  so  erregen  sie  solchen  Verdacht  gegen  sich,  dass  sie 
füglich  als  Glosse  entfernt  werden  dürften;  denn  erstlich  vorstößt  ihre 
Stellung  hinter  dem  Satz,  dem  sie  als  advrrbielle  Bestimmung  bei- 
gegeben sind,  gegen  alle  Gewohnheit,  und  zweitens  war  neben  den 
Athleten  und  den  ihnen  zu  setzenden  Statuen  eine  solche  Beinerkunz 
höchst  überflüssig,  da  diese  Verhältnisse  jedem  nur  etwas  gebildeten 
Römer  bekannt  genug  waren. 

Auch  im  X  Kapitel  scheinen  mir  die  Handschriften  mehrere  Fehler 
zu  enthalten,  die  noch  nicht  vollständig  erkannt  sind.    Mit  Recht  bat 
Halm    das   archaistische  intuuntur,    an    dem   Nipperdey  besonderen 
Gefallen  zu  haben  scheint,  in  das  allein  richtige  intueantur  »erwandelt ? 
haben    doch    auch    die    besseren  Handschriften   zum  Teil  intuentur. 
Ebenso  hat  wol  Eussner  Recht,  wenn  er  (Fleckeisens  N.  Jt'b.  Hd  107, 
p.  523)  aus  alienam  opulentium  (oder  opulent  um)      fortunam  konjicirt: 
alienam  opulentiam  —  fortunamque.   Denn  so  anstössig  opulentiam  neben 
alienam  ist,  so  ist  doch  der  Begriff  selbst  nicU»,  wie  Halm  mit  Scheffer 
will,  zu  entbehren,  weil  das  folgende  vieldeutige  fortunam  durch  den- 
selben  erst  seine  spezielle   Beziehung  erhält     Der   Ausfall  des  que 
hinter   fortunam   konnte    leicht   die  falsche   Schreibung  veranlassen. 
Wenn  ich  recht  sehe,  so  ist  vielmehr  in   dem  Worte  pauperes  eine 
Glosse  zu  erkennen.  Da  nämlich  gesagt  sein  soll,  dass  der  eine  Fehler 
der  Missgunst  unter  dem  Volk  der  Freistaaten  nach  zwei  Richtungen 
hin  sich  geltend  macht,  so  erfordert  der  Parallelismus  der  Glieder, 
dass  entweder  in  heiden  die  spezielle  Klasse  von  d  es  (denu  diese  sind 
doch  aus  den  civitatibus  herauszunehmen)  ausdrücklich  genannt  wird, 
oder    dass    die  allgemeine  Bezeichnung   des  Subjekts  auch   für  den 
gegen  die  Reichen  sich  richtenden  Neid  bleibt     Dass  die  taisehe  Les- 
art intuuntur  oder  intuentur  auf  die  Ergänzung  des  Subjekts  paupercs 
führen  inusstc,  liegt  auf  der  Hand     Ganz  tadellos  ist  übrigens  die 
Periode  auch  so  noch   nicht;   denn  den  Satz  inridia  gloriae  comes  sit 
hätte  ein  strenger  Stilist  dem  angefügten  (libcuter  d.  id  )  untergeordnet 

Betreffs  des  folgenden  Satzes  endlich  sehe  ich  mich  gezwungen, 
die  Ansicht,  welche  Eberhard  (h  a.  0.  S  G58)  mit  Berufung  aut 
Wölfflin  ausgesprochen  hat,  entschieden  zurückzuweisen.  Derselbe 
meint  nämlich,  nicht  quom  „so  oft"  sei  hier  der  richtige  Begriff,  sondern 
quoniam:  ,,weil  er  in  der  Lage  war,  viel  abwesend  zu  sein,  benutzte 
er  diese  Freiheit  sehr  viel"     Allein  für's  erste  ist  ja  der  Grund  zu 


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253 


sein«  r  Handlungsweise  in  dem  vorhergehenden  Satze :  quad  et  —  e  ff  tigere 
ganz  klar  angegeben,  und  zweitens  kann  doch  plurimum  abesse  nirlit 
nur  bedeuten:  sehr  viel  (d  Ii  sehr  oft)  abwesend  sein,  sondern  noch  viel 
leichter:  sehr  fern  sein,  wie  auch  tnultum  abesse  synonym  ist  mW  long* 
abesse.  Dass  aber  N.  nur  die  Grösse,  nicht  die  Zeit  der  Entfernung 
zeigt  der  bald  folgende  Satz :  qrod  tan  tum  ofuturos,  quantum  nieinte, 
etc.,  wo  doch  wol  jederman  an  die  Grösse  der  Entfernung  denken  wird. 
Chabrias  entfernte  sich,  sagt  N.,  nicht  bloss  so  oft,  sondern  auch 
so  weit  er  konnte,  von  Athen.  Somit  haben  Rinck  nnd  Klotz  ganz 
Kccht,  wenn  sie  das  quo  der  besten  Handschriften  in  quam  korrigiren, 
nicht  in  quouiam ;  konnte  doch  der  Strich  Aber  quo  gar  leicht  über- 
srbpn  weden.  Merkwürdig  ist,  dass  Nipperdey  selbst  in  seiner  Schul- 
ausgabe das  unbrauchbare  71/0  beibehalten  hat,  und  es  durch  eine 
geschraubte  Ergänzung  von  abesse  zu'  halten  sucht. 

Hof.  R  ubuer. 


Oplimus. 

Das  Wort  optimus  lässt  eine  zweifache  Deutung  zu. 

Dasselbe  kann  erstens  von  einem  Verbum  oder  Suhstantivum 
abgeleitet  sein.  Die  Form  erlaubt  dieses.  Es  ist  niimlich  dann  optimus, 
optumus  ein  Derivativum  wie  aest-umo,  autumo ,  victima%  solistimum, 
lauter  Ableitungen  von  einem  Suhstantivum  oder  Verbum.  So  gleich 
das  aest-umo  ist  verwandt  mit  dem  goth.  Verbum  ais-tan  achten, 
ehren,  von  weichem  „an"  das  nltn.  aer-a1)  die  Ehre;  die  Aestii  sind 
die  Ge-ehr-ten.  S  Grimm  \V.  B.  III  .'»4  Das  zweite  Wort,  nämlich 
autumo  deutet  auch  auf  ein  Substantiv  autumus  —  hariohis  ,  (verw.  zu 
auspex,  a>igur*)\.  Das  dritte  Substantivum ,  das  seinen  Ausgang  mit 
op-timus  gemein  hat,  ist  vic-tima,  (ans  vig-tima  eigentlich  das 
wackerste,  stärkste,  beste  Opfer;  denn  mV? -  gehört  zu  vig-eo,  veg-e-tus, 
skr.  vag-  ~  vy-ifc3)).  Victima  teilt  darnach  Endung  und  Bedeutung 
auch  mit  solis-timum  victima.  bestehend  aus  sn\  •  is ,  einer  Com- 
•  parativ  -  Form  wie  mag-is,  dazu  dann  -  timu8 ,  a,  um,  also  genau 
wie  im  Griechischen  an  die  Comparativ  -  Endung  -<?  sich  -  mg  (  -  -timus) 
ansetzt,  z.  B.  xqüt  -  is-roq  7-  optimus;  denn  sol-  in  sol-  is-  timum 
gehört  zu  sol-idus  fest,  xnuieoos,  skr  vag-ra,  vytfo- 

Der  der  Superlativendunp  auf  -  tumus  gleichlautende  Ausgang  in 
op-tumus  hindert  al«i  nicht,  op-  timus  ;:uf  ein  Verbum  oder  Substan- 
tivum ,,o|>"  zurückzuführen.  Dieses  vorausgesetzte  „op"  ist  nun  entweder 
zum  Verbum  zu  halten  und  als  solches  steht  op-to,  an-,  otpopta  = sich 
ausersthen,  wählen,' erkühren.  K. 9,201.  Und  optimus  hätte  hienach  die 
Bedentung  von  ,ie'X  -  naro*  der  beste,  (verwandt  zu  vel-le,  goih  val-jan 


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254 


—  wählen),  womit  zusammen hängt  das  skr.  var  •  a  optimus,  •  notos  *). 
In  diesem  Sinne  hiess  dem  Kömer  die  beste  Hausfrau  femina  lec- 
tissiuia  -  ^Xtiarn  yvn],  ein  Gedanke,  den  wir  mit  „keusche  Hausfrau" 
geben  können,  denn  „keusch"  heisst  eigentlich  Jzkttoroe,  optimus,  optatus, 
lectus  „Keusch"  heisst  althd  chusci TOD  kiusan  =  er  -  kies  -  en,  er-kur-en, 
exoptare ;  s.  Gr.  5, 654,  d  '*)  -  Wird  aber  zweitens  das  supponierte  ,,o//'  nicht 
zum  Verbum  „opu,  sondern  zu  einem  Substaotivum  gezogen,  so  heisst  dieses 
dann  ops,  op-es,  woher  op-ul-entus.  Düntzer  (Jahrb.  XIII  18)  setzt  auch 
wirklich  op  -  timus  zu  op  -  s,  also  in  /usammonhuug  mit  skr.  ap-nas  der 
Besitz,  die  Habe,  so  dass  op-timatts  die  opulenti,  «q-vtioi  waren 

Und  doch  widerspricht  Bopp  („Vergl  Gr."  §  291,  296)  und  spricht 
seine  Ansicht  dahin  aus,  dass  wir  op-timus  wie  in -timus,  ex-timut, 
ul-timus,  2>o<*-tumi<8  als  Sprössling  einer  Präposition  fassen  dürfen. 
Schweiger -Sidler  (Zt. -Sehr  XIX  234)  ist  geneigt,  sich  derselben 
Ansicht  anzuschliessen 

Und  zu  welcher  anderen  Präposition  werden  wir-  dann  geführt 
werden,  als  zu  skr.  api-  —  auf,  über,  iui  (eine  Bedeutung,  die  auch 
das  Litauische  erhalten  bat  Dort  heilst  ap-  auch  „über",  z  H 
ap-denkiu  ich  überdenke,  ap- auksinu  ich  übergolde). 

Die  Sanskritspracbe  bat  ud  oder  ut  mit  -tamu,  also  ut-tama  mit 
der  Bedeutung  optimus ,  der  oberste,  höchste,  dann  auch  die  höchste 
Stelle  einnehmend,  der  vorzüglichste,  beste.  Diess  die  wörtliche 
Erklärung  von  uttama  im  Petersb.  VVB.  I.  88t>.  Sie  beleuchtet  aufs 
Klarste  auch  den  Inhalt  von  optimus. 

Lautlich  verdunkelte  sich  das  a  in  api  zu  o  in  op-timus,  wie 
aniaio  aus  u.iiauj  umlautete,  verwandt  zu  aif> ,  «nuttttv ,  «;i«rf(»of. 
Dieses  apa  nahm  im  skr.  noch  -aiic  (  ~  dka)  a\\  und  wurde  zu  apdka 

—  „ab'*endlich ,  „ab"wärtsgebend ,  althd.  äp-ont  sinkend,  untergehend. 
Im  Griechischen  und  Lateinischen  aber  trübte  sich  das  a  in  o  und  der 
„Ab"end  heisst  dort  „o%p"ia  und  hier  updkas  formte  sich  in  opacus 
um,  (cig.  abendlich,  dann  dunkel)'  ). 

Nachdem  nun  einmal  hei  Besprechung  von  optimus  die  Rede  auf 
das  Präfix  api  ~  über,  oben,  skr.  ut  gefallen  ist,  wird  ein  Excurs 
gestattet  sein,  in  dem  die  noch  stammverwandten  synonymen  Sanskrit- 
präfixa  andeutungsweise  behandelt  werden  sollen. 

Zunächst  ati-  —  auf,  über,  überaus,  kurz!  =  api.  Beide,  api 
und  ati  haben  das  demonstrative  a  mit  einander  gemeinschaftlich,  nur 
dass  das  erstere  das  Suffix  -pi,  (vergl.  -pe  in  nem-pe),  das  letztere 
aber  -Ii  hat,  (vergl.  skr.  a-ti  -  lat.  ita). 

Beispiele:  ati-gö  f.  optima  vacca,  die  beste  Kuh;  aticara  sehr 
wandelbar,  (vergl.  bien  sehr  mit  optime,  Superlativ  von  bien,  betu) 
Atiar.isht.i  f.  eine  hohe  Schöpfung');  ati-yiva  überaus  lebenskräftig; 
atipätin  üb  e  rholeud ;  atidäna  n.  grosse  Gabe  :  atigara  von  hohe  m Alter1) 


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255 


Noch  ein  Präfix  übrigt,  dem  hier  füglich  Statt  gegeben  werden 
darf.  Auch  dieses  enthält  den  Sinn  des  api  und  ati  und  hat  ebenfalls 
das  demonstrative  a-  mit  diesen  beiden  gemein.  Ich  meine  a-bhi. 
Ein  paar  Beispiele!  A  bhigit  heisst  Sieger  im  hohen  Grade;  abhi-gnan. 
höhere,  übernatürliche  Kenntniss;  abhidharma  tu.  da«  obere  Gesetz, 
Metaphysik;  abkibhava  übermächtig. 

Diesem  abhi-  (=  api)  entspricht  ganz  und  gar  das  griech.  duyt- 
z.  B.  tl fx  q>  i  &(tXr'i<;  —  opulentus ,  optime  florens;  <(u(pixvs<ptjc  stock- 
finster, wie  (p  e  r  similis  -~  ..  eoi6uomg)\  «fiytnayijg  festsitzend.  Der 
Eigenname  Afi(ptr{iiiit  dürfte  hier  seine  Deutung  finden.  Er  besteht 
sicherlich  aus  diesem  intensiven  «u<pt  -  (—  abhi),  und  rgitt},  ohne 
Zweifel  verwandt  zu  Totruy,  TinrnyivBtu  und  heisst  im  Femininum 
dasselbe,  was  im  Masculinum  '.tu(fituitQog,  der  Name  eines  Sohnes  des 
Poseidon  bedeutet,  {-pttQog  zu  mare ,  s.  Curtius  „Grundzüge"  8.  298) 
Das  TQirt)  nun  in  'J^ir^itti  ist  der  Form  nach  zu  vergleichen  mit 
skr.  tritija  —  tertius,  oder  tritus,  a,  um  von  tero;  denn  TQTrti  gebort 
zu  trio-  tar-ämi,  von  welchem  „tur"  im  skr.  tar-isha  stammt  und 
Ocean,  das  Meer  bedeutet9).  Amphitrite  liesse  sich  mit  einem  thetischen 
Velsäkona,  d.  h  optima  Tritonia  geben;  denn  mit  ,,veV'  —  wol,  gut, 
hängt  ßeX-riwv,  pik-norog  —  skr.  var-a  optimus  zusammen. 

Noch  nicht  genug  von  abhi  —  ati,  api. 

Die  celtische  Sprache  bewahrte  dieses  a/n<pt-  ~  abhi  als  Präfix, 
auch  um  den  Begriff  von  optimus,  maximus  auszudrücken,  z.  B. 
Ambi-o-rix  =  skr.  ati -rag' an,  optimus  maximus  rex;  Ambigatus 
der  hochweise,  optime gnavus ;  Ambibarii  die  Hochfahrenden,  die  ganz 
Zornigen  (vergl.  skr.  abhi-  ^  ganz  in  abhi-nava  ganz  neu,  abhi-nita 
ganz  geschmückt,  bien  pari10)). 

Wollten  wir  dieses  Präfix  sogar  noch  weiter  verfolgen,  so  stellt 
sich  die  verstärkende  Vorsilbe  tU-,  ae-  als  entstanden  aus  ahi  d.  i. 
abhi  heraus.  Z.  B  At-yvnrog,  wie  der  verborgene  Flussgott  Nil  hiess, 
heisst  in  altindischer  Form  abhiguptas ,  dann  ahiguptas ,  endlich 
aiguptas,  aiguptas  (gup-tas  —  conditus,  vergl  Consus  —  Conditus n) ). 
Die  Entstehung  des  «*-  wird  augenfällig  in  skr.  mai  oder  mae,  mit  — 
lat  mt,  mihi  (aus  mi-bhi,  wie  von  tu  der  Dativ  tibi  f.  ti-bhi)  S.  das 
Uebrige  in  meinem  Lexicon  S.  6  —  Im  Zend  heisst  dieses  cti-  (—  abhi)  : 
aiwi.  Das  griechische  ui^ng  jugendlich ,  um  noch  ein  Beispiel  anzu- 
führen, entspricht  dem  skr.  abhijdva  {jdva  =  juvenis,  und  ai-Ctji-og, 
ai-jdv-og  heisst:  in  bester  Jugend ")).  Atokog  zerlegt  sich  auch 
vielleicht  in  abhi-  fokos  =  convolutor  der  Aufwühler,  hochaufwühlende, 
in  die  Höhe  wühlende  (abhi  =  auf,  api). 

Wenn  es  mir  gestattet  ist,  mich  vom  Begriffe,  dum  Gedanken  noch 
weiter  fortziehen  zu  lassen  so  erinnere  ich,  dass  das  so  oft  begegnende 
und  vielleicht  nicht  verstandene  persische  Präfix  arta-  dem  api-  in 
optimus  ganz  gleich  kommt ;  es  bedeutet  auch  hoch,  erhaben,  und  ist  das  zd. 


2ÖG 


areta  =  altus,  z.  B.  Ar taxerxes  v  atirag an,  Ambiorix '') ;  Artabazus  = 
hochbeglückt.  Das  Int  afr«s  ist  sogar  mit  diesem  arc/a  verwandt. 
Bopp  („Vergl.  Gr."  §  12'\  Anm  )  sagt:  Da  ar  sich  erheben  bedeutet, 
so  kann  auch  das  lat.  al-tus  als  ein  Passivpart,  dieser  Wurzel  gefasst 
werden,  mit  1.  f.  r,  s.  g.  20. 

Schon  in  einem  früheren  Artikel  wurde  eine  Verwandtschaft 
zwischen  abhi;  api-  und  dem  goth  Präfix  bi*  besprochen,  letzteres  nur 
verstümmelt  wie  das  Grundwort  zu  op-timus,  api  im  Sanskrit  schon 
als  pi-  auftritt,  z.  H.  pi-dhdna  —  apidhdna  der  Deckel,  eig.  inidi'jxtj. 
Die  Bedeutung  von  api,  abhi,  ati ,  nämlich:  auf,  über,  ober  liegt 
natürlich  auch  in  bi-  z.  B.  gotb.  hi-auknan  —  i  m  #i<f  «V«i ;  bi-faihon 
ü  b  e  r  vorteilen  " ) ,  bi-laiban  ü  b  r  i  g  lassen  ,  biqviman  ü  licr  fallen 
Für  uns  wurde  6c-,  z.  B.  Ambiorix  Beherrscher,  skr.  abhigana  u. 
Bekanntheit,  abhidruh  Beleidigung;  mittelbd.  be- mocJten  =  besorgen; 
inhd.  benchuten  —  überdecken     S.  C'urtius  „Grundzüge"  S.  230 

Dem  Grundbegriff  dieser  mit  api  lialbverwandton  Prätixa  kömmt 
hier  ferners  noch  dus  griechische  Präüx  uya»  zur  Sprache.  Auch  ayttp 
heisst  eigentlich  nur  opfime,  im  hohen  Grade,  z  B  '.iyuftiuvuv  der  im 
hohen  Grade  Standhafte,  (iiyuv  fupir»***)).  „Im  hohen  Grade", 
sagte  ich,  denn  ity-u»  hangt  zusammen  mit  skr.  ag-ra  n.  das 
Oberste,  daher  als  Präfix  z.  B.  in  agrabhaga  m  der  Oberteil, 
agravira  der  Hauptheld,  der  Überheros. 

Das  -ra  in  ag-ra  ist  nur  Suffix  und  legt  seinem  Worte  die 
Bedeutung  des  Part.  Perf  pass.  bei,  wie  -rus  im  Lat.,  z  B.  pu-rua 
—  geputzt  So  ag-ra,  (von  ag-ämi  ago,  ich  treibe),  getrieben,  (in 
die  Höhe)  getrieben,  (vergl.  getriebene  Arbeit,  bair.  das  Schiff  treiben, 
das  Schiff  stromaufwärts  ziehen;  intrans.  treiben,  gähren  ,*  in  die 
Höhe  gehen).  Unser  Wort  übertrieben  =z  nsQiooüig  enthält  den  Begriff 
von  ag-ra  n. ,  das  als  Subst  der  Ueberschuss,  als  Adj.  überschüssig 
bedeutet  Eine  Analogie  bietet  das  lat  celsus  hoch,  erhaben,  f  cel-tus, 
zu  cello  (d.  i.  celjü),  =  ich  treibe,  verw.  zu  skr.  kalajämi  ago,  ich 
treibe,  agito ,  ^dVw,  woher  ex-cel-sus  emporgetrieben,  aufgeschossen, 
dem  Sinn  nach  ganz  gleich  dem  griech.  «x  -  qo  ~  agra,  optimus,  z  B. 
«x^oÄtVt«  die  Haupt-  und  Erstlingsgaben,  das  Beste.  "Ax-qos,  verw. 
zu  ac-ies  die  Spitze,  nicht  aber  zu  ag-ra,  mit  dem  es  nur  die 
Bedeutung  teilt ,  steht  ausser  ttXQo&irta  auch  noch  als  Präfix  in 
axQißtjs,  eig.  in  Schärfe  (Locat  )  gehend,  deckt  also  den  Inhalt  von 
nyav,  denn  ag-ra  heisst  auch  acies,  die  Spitze,  das  Aeusserste,  daher 
ag-re  voran,  an  der  Spitze.  Zweimal  ist  «y-  in  uy«v-  ux  -  t(m 
enthalten  und  bedeutet:  aufs  Höchste,  aufs  Aeusserste  aufgebracht 
sein.  Ich  kann  auch  sagen:  tief  gekränkt  sein,  wie  (lydvvufos  tief  im 
Schnee,  dydaiovog  tief  aufseufzend  bedeuten  kann. 

Diese  beiden  Prätixa,  sowol  «x  -  qo  - t  als  ag  -  ra  haben  die  Endung 
-ra  mit  einem  Sankritwort  gemein,  das  hier  deashalb  noch  angefügt 


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257 


worden  doli,  weil  es  das  Stammwort  zu  unserm  „bester"  .  optima* 
ist.  „Bester"  geht  nämlich  mrück  auf  goth.  batisla  -~  optima*, 
batiza  melior,  besser;  „bat1  aber  entspriebt  dem  skr.  b/iad-ra  ~ 
optimus,  bester,  vom  Verbum  bhand-  lustig  zujauchzen. 

Nacb  dieser  kleinen  Digression  kebren  wir  noch  einmal  zu  uy-uy 
zurück,  indem  wir  den  Eigennamen  AyuxXetrog  mit  Humbert  vergleicben, 
weil  das  Hun  -  in  Humbold ,  Humbert  zu  „hünu  gebort,  verw.  zu  reit. 
„c»/w"  in  Ar-cynia  ~  sebr  hohes  Gebirge,  eig  aufgetrieben,  geschwollen, 
zu  skr.  pt?»  •  schwellen,  in  die  Höbe  gehen     S.  Zt. -Sehr.  X.  S  276") 

Bemerkungen. 

»)  Aera  aus  aesa  wie  goth  mi*  —  mir,  gotb.  t)«t>  -~  wir;  lat.  aes 
aeris,  honos  fauoris,  goth.  vulf- 9  der  VVulf  —  altn.  ulf-r. 

*)  Vergl.  zu  au-  (aus  avis)  oüüii^otuui  auguror,  autumo. 

')  TJeber  vag-  ~rt  vy-  vergl.  vad-  the  water  un.l  vJ -u>q. 

*)  Zu  fieX-  in  fleX-iiwy  ist  auch  verwandt  mel-ior  Das  „mel"  -~ 
,,/ffi-"  wie  tioXety  ~  ßXto-axio.    „mW-"  zu  fiaX-a  —  bien. 

*)  Kiusan  eig  sein  (iefallcn  haben,  zu  skr.  yush-r  bin  vergnügt, 
woher  gushta  exoptatus,  kost  -  lieb,  kost  -  bar. 

f)  Wie  skr.  mfa  dunkel  eig.  naebtfarbig  bedeutet,  /:  m'p-Ja  (m'p 
die  Nacht). 

7)  Eigentlich  „Guss",  von  «rp-  effandere,  wie  räsht.ra  n  regftum, 
von  rdp. 

*)  Verw.  yeQ-tuy,  der  Grei-s. 

•)  EineForm  wiepur-i«/*«  t«.  der  Dunst,  eig.  der  anfülleude,  bedeckende. 

w)  ZVtfa  eig  geführt,  skr  ni-tha  in.  die  Führung;  analog  dem 
bair.  die  Fuer  der  Anzug,  fuerig  schicklich,  zu  führen  -~  w 

")  Dieses  guptas  steckt  im  indischeu  Königsnanitii  Saudrocottus, 
griech  SuyÖQoxvnxos  aus  candra-  guptas ,  candra  =  luna,  eig.  Candidus. 
Dieser  candraguptas  war  es,  der  die  Statthalter  Alexanders  des  Grossen 
vertrieb.  S.  Pütz  §.  9.  cundraguptas ,  vom  (Halb)mond  Geschützter, 
gilbe  ein  passeudes  Beiwort  für  türkische  Sultane. 

")  Ueber  C«j*o<r  =  jäv  -  vergl.  tvyor  -  jöga,  Ssia  —java  das  Getreide. 

,3)  uyuy,  ursprünglich  iiyüv,  wie  XUtv  ursprünglich  Xiqy. 

M)  Brit  celt  cwoti  altitudo',,  cynu  surgere;  Zeuss-Ebel  gramm. 
celt  p.  92. 

h)  Xerxes,  s.  mein  Lexicou  S  27. 

,s)  Zu  skr.  pica  —  noix-iXog. 

Nachtrag:  Das  skr  api  kann  auch  ein  Locativ  sein  von  „op"  ~ 
erlangen  ^  verw  zu  ap-ere,  ap-ud,  ad  •  „ip"  -  iscor  und  bedeuten:  „in 
Erlaugung";  eiue  schöne  Analogie  zu  uq-iaroq  —  optima*,  von 
tig-yt  -put  ich  erlange,  Sfios  —  apnas;  Fick  S.  491.  494.    3.  Aufl 

Freising.  Zehetmayr. 


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258 


Stilistische  Aphorismen. 

II.    Analyse  des  Begriffes  „Stil". 

Das  Wort  „Stil"  leitet  mau  bekanntlich  ab  vou  dem  lat  stüus, 
d.  i.  der  eiserne  Griffel,  dessen   sieb   die  Alten  bedienten,  um  die 
Buchstaben  in  Wachs  einzugraben     Hieraus  entwickelte  sich  sodaun 
die  Anschauung,  dass  Stil  so  viel  wie  „Schreibweise"  oder  „Darstellungs- 
weise" bedeute,  und  seit  Buffon  den  beruhtuten  Satz  ausgesprochen: 
„Le  style  c'e«<  Vhomm&lf  verstand  man  darunter  insbesondere  auch 
die  charaktervolle  Darstellung,  „diejenige  Form  der  Darstellung,  welche 
auf  gleiche  Weise  dem  Inhalt  des  Dargestellten  und  dem  Charakter 
des    Darstellenden    entspricht".     Allein    diese    Definition    deckt  sich 
keineswegs  mit  dem  erfahruugsmässigen  Gebrauch  des  Wortes  Stil  und 
deshalb  unterscheiden  einige  nun  einen  Stil  im  höheren  Sinn  —  die 
charaktervolle  Darstellung  (genus  dicendi)  und  einen  Stil  im  niederen 
Sinne  —  den  einzelnen  Ausdruck  (elocutio).    Am  verbreitetsten  jedoch 
scheint  heut  zu  Tage  jene  Auschauung  zu  sein,  welche  unter  Stil  den 
„Ausdruck"  versteht.    So  nennt  z.  B.  ein  gegenwärtig  vielgebrauchtes 
Stilbuch  den  deutseben  Stil  „den  durch  das  eigentümliche  Wesen  des 
deutschen  Volkes  bedingten  kun«tgcmässeu  Ausdruck  in  ungebundener 
Rede"  (warum   nicht  auch  in   gebundener?),  und  auch  Wackernagel 
meint   in  seiner  Poetik,   Rhetorik  und  Stilistik  (herausgegeben  von 
Ij.  Sieber,  Halle  1873),  Gegenstand  der  Stilistik  sei  nur  „die  Oberfläche 
der  sprachlichen  Darstellung,  nicht  die  Idee,  nicht  der  Stoff,  sondern 
lediglich  die  Form,  die  Wahl  der  Worte,  der  Bau  der  Satze".  Wieder 
andere  endlich  setzen  den  Stil  als  schriftliche  Gedaukenmitteilung  dem 
Vortrage  als  der  mündlichen  Gedankenmitteilung  gegenüber  und  ver- 
stehen darunter  „die  Art  und  Weise,  wie  jemand  seine  Gedanken  durch 
geschriebene  Worte,  mitteilt". 

Schon  diese  kleine  Blumenlese  zeigt,  dasa  über  den  Stil  noch  sehr 
weitauseinandergehende  Ansichten  existiren,  was  eben  beweist,  dass 
dieser  Begriff  einer  kritischen  Analyse  dringend  bedarf. 

Wir  wenden  uns  zunächst  gegen  die  landläufigsten  Irrtümer. 
Es  ist  vor  allem  durchaus  unrichtig ,  das  Wesen  des  Stils  aus- 
schliesslich oder  vorzugsweise  in  einem  einzelnen  seiner  Faktoren, 
etwa  in  der  Sprachgewandtheit,  im  Ausdruck  zu  suchen.  Ein 
Techniker  des  Ausdrucks  ist  noch  lauge  kein  guter  Stilist  und  die 
Qualität  des  Stils  hängt  nicht  blos  vom  Ausdruck  ab.  Daher  ist  diese 
Anschauung  durchaus  einseitig.  Doch  lässt  sich  dieser  Irrtum  ent- 
schuldigen. Heisst  man  ja  im  gewöhnlichen  Leben  den  Stil  allgemein 
geradezu  „das  Deutsche"  und  denkt  hiebei  lediglich  an  den  Ausdruck 
(z.  B  „N.  N.  schreibt  ein  gutes  Deutsch  I"),  und  anderseits  liegt  auch 


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259 


in  dem  Umstände,  dass  man  das  Wort  Stil  gemeinhin  mit  „Schreibweise" 
übersetzt,  selbst  eine  einseitige  Betonung  des  sprachlichen  Gesichtspunktes. 

Nicht  minder  irrig  ist  jene  Anschauung,  welche  den  Stil  als  das 
geschriebene  Wort  dem  Vortrage  als  dem  gesprochenen  Worte 
gegenüberstellt.  Diese  Unterscheidung  ist  durchaus  ungerechtfertigt. 
Eine  stilistische  Darstellung  ist  offenbar  eine  solche,  die  sich  als 
Darstellungsmittel  der  Sprache  bedient.  Nun  bleibt  es  sich  aber 
natürlich  ganz  gleich,  ob  die  sprachliche  Darstellung  uns  geschrieben 
oder  gedruckt  vorliegt,  oder  ob  sie  in  Form  eines  Vortrages  erscheint. 
Auch  der  Vortragende  kleidet  ja  seine  Gedanken  in  Worte  und  hat 
sich  bei  der  Gestaltung  seines  Vortrages  —  sei  dieser  nun  eine  vorher 
ausgearbeitete  oder  eint  improvisirte  Rede  —  an  die  Gesetze  des  Stils 
zu  halten.  Sein  Vortrag  hat  daher  so  gut  einen  Stil,  wie  ein  geschrie- 
bener Aufsatz.  Die  schriftliche  Darstellung  ist  folglich  kein  wesent- 
liches Merkmal  des  Begriffes  Stil. 

Aber  es  ist  auch  leicht  einzusehen ,  was  jene  falsche  Ansicht 
begünstigte.  Offenbar  gab  wol  den  ersten  Anlass  dazu  der  Umstand, 
dass  man  das  Wort  Stil  von  stiltis  „der  Griffel"  ableitet;  dann  über- 
setzte man  „Stil"  gewöhnlich  einfach  mit  „Schreibweise"  und  endlich 
mag  man  in  jener  irrtümlichen  Ansicht  noch  dadurch  bestärkt  worden 
sein,  dass  man  eben  daran  gewöhnt  war,  die  stilistische  Darstellung 
eines  Gegenstandes  entweder  geschrieben  oder  gedruckt  vor  sich  zu  haben. 

Dass  es  ferner  gleichgültig  sei,  ob  ein  Stilprodukt  in  gebundener 
oder  ungebundener  Rede  erscheine,  dürfte  aus  dem  eben  Gesagten 
evident  hervorgehen 

Wenn  man  aber  endlich  auch  gesagt  hat,  am  Stil  zeige  sich  der 
Charakter  eines  Menschen,  so  will  dieser  Satz  doch  cum  grano 
salin  verstanden  sein.  Er  ist  zu  allgemein;  denn  unter  Charakter 
darf  hier  keineswegs  der  moralische  Habitus  einer  Persönlichkeit, 
sondern  vielmehr  nur  die  psychologische  Qualität  des  Individuums 
verstanden  werden.  Man  kann  allerdings  dann  und  wann  aus  einem 
Aufsätze  Schlüsse  auf  den  moralischen  Charakter  eines  Menschen 
ziehen ,  allein  diese  sind  durchaus  nicht  zuverlässig,  da  ja  der  Mensch 
die  Sprache  bekanntlich  auch  dazu  benützen  kann,  seine  wahren 
Gesinnungen  zu  verbergen  Dagegen  lässt  sich  jederzeit  aus  dem  Stile 
eines  Menschen  ein  ziemlich  sicheres  Urteil  über  seinen  psychologischen 
Charakter  fällen,  d.  h  über  seine  geistige  Reife,  über  den  Standpunkt, 
auf  dem  er  iu  seiner  geistigen  Entwicklung  angekommen  ist.  Scharf- 
sinn, klare  Auffassung  der  gegebenen  Verhältnisse,  gediegenes  und 
gereiftes  Urteil  etc.  und  umgekehrt  unklare  Vorstellungen,  naive  Auf- 
fassung der  Umgebung  und  des  Lebens  überhaupt,  Unfähigkeit,  den 
Zusammenhang  der  Erscheinungen  zu  erfassen  etc.  —  all*  das  prägt 
sich  im  Stil  aus  und  lässt  uns  daher  einen  ziemlich  sicheren  Blick  in 
Blätter  f.  d.  t»yer.  Gymn.-  u.  Rcal-Schulw.    XL  J»hrg.  18 


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2G0 


den  Geisteszustand  des  Stilisten  thun.  Daher  wird  auch  der  deutsche 
Aufsatz  in  der  Schule  mit  Recht  als  ein  ganz  hervorragender  Grad- 
messer für  die  geistige  Reife  eines  Schülers  betrachtet.  Buffon's  Aus- 
spruch darf  also  nur  psychologisch  verstanden  werden. 

Versteht  man  aber  unter  Charakter  hier  nur  den  psychologischen 
Habitus  oder,  wie  Wackernagel  den  Begriff  charaktervoll  erklart,  „die 
geistige  Eigentümlickeit  des  Darstellenden",  so  wird  jene  Definition 
des  Begriffes  Stil  hiedurch  zu  eng.  Man  identificirt  alsdann  den  Begriff 
Stil  mit  seinem  Ideale  und  es  ist  dann  nur  consequent,  dass  man  einer 
„charakterlosen"  Darstellung  den  „Stil"  abspricht  Allein  Charakter- 
losigkeit ist  ja  doch  auch  eine  Charaktererscheinung  und  ein  „charakter- 
loser" Stil  ist  und  bleibt  doch  auch  ein  Stil.  Wollte  man  einer  solchen 
Darstellung  das  Prädikat  Stil  absprechen,  so  hiesse  das  eben  so  viel, 
wie  behaupten ,  das  Nichtschöne  und  Hässlichc  gehöre  nicht  in  die 
Aesthetik  Kurz  es  würde  hiedurch  ein  Moment  in  die  Definition 
dieses  Begriffes  aufgenommen,  das  als  unwesentlich  nicht  in  dieselbe 
gehört  und  folglich  den  Umfang  dieses  Begriffes  erfahrungswidrig 
verengern  würde.  — 

Doch  nach  diesen  kritischen  Bemerkungen  wollen  wir  nun  aus- 
einandersetzen, welche  Punkte  man  unseres  Erachtens  bei  der  Klar- 
stellung des  fraglichen  Begriffes  besonders  in's  Auge  fassen  müsse. 

Vor  allem,  glauben  wir,  ist  zu  beachten,  dass  der  Stil  nichts 
für  sich  Bestehendes,  kein  selbständiges  Ding,  sondern 
etwas  nur  an  einem  anderen  Existirendes,  genauer 
Coexistirendes  ist.  Es  gibt  nämlich  keine  eigene  Stilvorstellung, 
sondern  wollen  wir  uns  das,  was  den  Inhalt  dieses  Begriffes  bildet, 
vorstellen,  so  müssen  wir  uns  zugleich  etwas  anders  m it vorstellen. 
Dieses  Andere  aber  ist  das  stilistische  Produkt,  der  Aufsatz  im  weitesten 
Sinne  des  Wortes.  Unter  einem  Aufsatze  verstehen  wir  jede  sprach- 
liche Darstellung  (Durchführung,  Auseinandersetzung,  Erörterung  etc.)  von 
logisch  zusammenhängenden  Gedanken  über  einen  Gegenstand.  An 
diesem  Aufsatze  nun  -  da  coexistirt  dasjenige,  was  wir  Stil  nennen. 
Der  Stil  ist  nämlich  nichts  anderes  als  die  Art  und  Weise  der  Behand- 
lung (Durchführung,  Auseinandersetzung,  Erörterung  etc.)  des  einem 
Aufsatze  zu  Grunde  liegenden  Themas  in  Hinsicht  auf  die  Composition, 
Darstellung  und  den  ästhetischen  Gehalt  (s.  den  folgenden  Punkt!). 
Daher  können  wir  den  Stil  bildlich  auch  die  Form,  die  Gestalt,  die 
Erscheinungsweise,  das  eigentümliche  Gepräge,  den  Habitus,  den 
Charakter,  die  Physiognomie  eines  Aufsatzes  nennen,  oder  subjektiv 
den  Totaleindruck,  den  ein  Aufsatz  durch  die  eigentümliche  Art  und 
Weise  der  Behandlung  des  ihm  zu  Grunde  liegenden  Themas  auf 
uns  macht. 


-ÄV  ~,  ll^il/    '      '    '"' 1    -  Digitized  by  Google 


261 


Der  Stil  ist  mitbin  etwas,  was  sich  vom  Aufsatze  gar  nicht  trennen 
lässt,  also  auch  nicht  getrennt  vorgestellt  werden  kann,  und  wollen  wir 
uns  eine  Vorstellung  von  einem  bestimmten  Stile  machen,  so  müssen 
wir  ihn  als  etwas  an  einem  concreten  Aufsatze  Coexistirendes  vorstellen. 

Zu  berücksichtigen  ist  ferner,  dass  derStil  nichts  Einfaches, 
sondern  etwas  Zusammengesetzte^  ist.  Drei  Faktoren 
,  nämlich  sind  es,  welche  nach  obiger  Andeutung  einer  stilistischen 
Darstellung  den  ihr  eigentümlichen  Habitus  verleihen : 

1)  Die  Compo8ition  d.  i.  die  Anlage,  die  Disposition  des 
Stilwerkes,  der  Plan,  welcher  demselben  zu  Grunde  liegt.  Sie 
gibt  dem  Aufsatze  die  Grundlinien  seiner  Gestalt ,  ist  gleichsam 
das  Gerippe  desselben. 

2)  Die  Darstel  1  ung  d.  i.  die  Ausführung  der  dem  Aufsatze 
zu  Grunde  liegenden  Disposition.  Die  Eigenart  derselben  aber 
zeigt  sich :   a)  in  der  Beschaffenheit  der  verwendeten  Gedanken, 

b)  in   der   Art   und  Weise   ihrer   logischen  Verknüpfung, 

c)  in  der  Art  und  Weise  ihrer  sprachlichen  Einkleidung. 
—  Während  die  Composition  dem  Aufsatze  die  Grundgestalt  gibt, 
gibt  ihm  die  Darstellung  die  eigenartige  Färbung,  den  Ton,  den 
Teint,  die  verschiedenartigsten  8chattirungen. 

3)  Dazu  kommt  noch  der  ästhetische  Gehalt.  Jene  beiden 
Faktoren  hängen  nämlich  nicht  nur  von  den  ihnen  immanenten 
Gesetzen  ab,  sondern  sind  zugleich  regulirt  von  einem  dritten 
Faktor,  der  beiden  zugleich  Gesetz  ist  und  sie  als  unabtrennbares 
Moment  begleitet,  d.i.  von  ästhetischen  Rücksichten.  Jeder  Aufsatz 
ruft  ja  sowol  als  Ganzes,  als  auch  in  seinen  einzelnen  Teilen, 
sowol  nach  seiner  logisch -dispositionalen ,  als  auch  nach  seiner 
rhetorisch  -  ausführenden  Seite  hin  Urteile  des  Gefallens  oder 
Missfallens  oder  der  Apathie  hervor,  woraus  klar  hervorgeht,  dass 
hierauch  ästhetische  Faktoren  mitwirken,  welche  gleichfalls  den 
Totaleindruck,  den  der  Aufsatz  in  uns  hervorruft,  mitbestimmen 
und  modificiren 

Somit  rechtfertigt  Bich  unsere  obige  Definition  des  Begriffes 
Stil.  Er  ist  der  Charakter,  der  Habitus  einer  Schreibweise,  die 
Physiognomie,  welcbe  ein  Aufsatz  in  Folge  der  eigenartigen  Composition, 
Durchführung  und  ästhetischen  Durchbildung  erhält. 

Wir  halten  es  hiebei  nicht  für  nötig,  eigens  zu  betonen,  dass  der 
Stil  eine  objektive  und  eine  subjektive  Seite  hat.  Denn  es  ist  klar, 
dass  die  Composition  vornehmlich  bedingt  werden  wird  durch  den 
Inhalt  und  Zweck  des  Dargestellten  und  somit  wesentlich  objektiv  ist; 
anderseits  aber  wird  die  subjektive  Eigentümlichkeit  des  Darstellenden 
ganz  besonders  zur  Erscheinung  kommen  bei  der  Darstellung  und 
ästhetischen  Durchbildung.    Der  Stil  ist  also  objektiv,  und  subjektiv 

18* 


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262 


zugleich;  aber  für  die  Deünition  ist  dies  unwesentlich,  da  auch  eine 
überwiegend  objektive,  charakterlose,  schabloneninässige  Darstellung 
immerhin  einen  Stil  hat. 

Durch  die  vorstehende   Untersuchung  haben  wir  nun  auch  die 
Gesichtspunkte  odpr  Kategorien  festgestellt,  nach  denen  ein 
Aufsatz  hinsichtlich  seines  stilistischen  Wertes  betrachtet  werden  niuss 
Alle  diese  Punkte  muss  die  eingehende  Kritik  eines  Stilwerkes 
würdigen,  wenn  Bie  nicht  einseitig  und  ungerecht  sein  will. 

Endlich  ist  durch  diese  stilistischen  Kategorien  zugleich  auch  der 
Umfang  und  Inhalt  der  Stillehre  näher  bestimmt.  Dieselbe 
muss  sein. 

1)  Compositionslehre,  welche  die  Gesetze  erörtert,  nach 
denen  eine  stilistische  Darstellung  logisch  componirt  und  disponirt 
werden  muss 

2)  Darstelluugslehre,  welche  die  Gesetze  darlegt,  welche 
bei  der  Ausführung  der  Disposition  zu  beobachten  sind  Dieselbe 
zerfällt  wieder  in  folgende  Teile: 

a)  die  Lehre  von  der  Beschaffenheit  der  Gedanken; 

b)  von    ihrer  logischen  Verknüpfung  (von  der  Satzver- 
bindung, den  Uebergängcn,  Ellipsen  etc.); 

c)  von  ihrer  sprachlichen  Einkleidung 

3)  Stilistische  Aesthetik  d.  i.  die  Lehre  von  den  Schön- 
heiten des  Stils  und  den  Mitteln,  schön  darzustellen. 

Wenn  es  nun  eine  derartige  Stilistik  bis  jetzt  uoch  nicht  gibt, 
so  ist  daran  nur  der  Umstand  Schuld ,  dass  mau  sich  bisher  über  die 
stilistischen  Kategorien  nicht  klar  war.  Die  Folge  davon  war,  dass  in 
der  bisherigen  Stilistik  Compositions- ,  Darstellungg-  und  ästhetische 
Gesetze  nicht  selten  chaotisch  durcheinander  gewürfelt  sind  und  die 
Stillehre  dadurch  verwickelt  und  verschwommen  erscheint.  Scheidet 
man  dagegen  die  ein/einen  Stilregeln  nach  den  drei  stilistischen  Kate- 
gorien und  weist  dieselben  den  einzelnen  Teilen  der  Stilistik  zu,  so 
klärt  sich  die  Stillehre  uud  es  entstehen  nun  aus  den  einzelneu 
Kegeln  und  Gesetzen  Gruppen,  die  gleichsam  von  selbst  auf  gemein- 
same l'riucipien  hinweisen  M.m  wird  jeui  auch  die  Stilistik  nicht 
mehr  etwa  mit  der  Rhetorik  identilieiren ,  hindern  erkennen,  dass  die. 
Rhetorik,  Logik,  Grammatik,  l'syrh.dogii'  und  Aesthetik  Hilf 
Wissenschaften  der  Stilistik  sind. 


Kaiserslautern. 


M.  S  c  h  i  e  s  s  1  und  W.  ( 


263 


Der  Unterricht  in  den  neueren  Sprachen  an  «len  Gewerbschuleu. 

Vetude  des  langues,  qui  ferit  la  base  de  Vitfitruction  en  AUemagne, 
est  beaueotip  plus  f'avorable  aux  progres  des  facultes  dans  Venfanee 
que  Celles  des  mathematiques  nu  des  scietices  physiques.  - 

Die  geistreiche  Madame  de  Stael,  welche  in  ihrem  Werke:  „De 
V AUemagne":  mit  den  oben  augefübrten  Worten  das  leitende  Grund- 
prineip  des  höheren  Unterrichts  in  Deutschland  hervorhebt,  scheint  zu 
diesem  Resultate  nicht  durch  oberflächliche,  trügerische  Eindrücke, 
sondern  durch  tiefgehende,  schartsinnige  Forschungen  gelangt  zu  sein; 
denn  finden  auch  in  unserer  Zeit  die  sogenannten  exaeten  Wissen- 
schaften eine  wolverdientc  Berücksichtigung,  so  hat  doch  der  obige 
Ausspruch  nicht  im  Mindesten  an  Wahrheit  verloren 

Unsere  Realgymnasien  entnehmen  ihre  Schüler  den  Lateinschulen 
und  legen  auf  deren  weitere  Ausbildung  im  Lateinischen,  wie  aus  der 
ganz  bedeutenden  Stundenzahl  hervorgeht,  einen  sehr  grossen  Wert. 
Die  lateinische  Sprache  wird  also  von  ihnen  als  Bilduugsmittel  für  die 
deutsche  Jugend  in  erste  Linie  gestellt,  abgesehen  vou  der  Erleichterung, 
welche  sie  dem  Studium  der  neuereu  Sprachen  gewährt. 

Auf  die  Gewerbschulen  scheint  drfs  oben  angeführte  Princip  sich 
nicht  anwenden  zu  lassen  ,  denn  bekanntlich  erhalten  sie  ihre  Schüler 
aus  der  Volksschule  und  müssen  dieselben  während  einer  immerhin 
knapp  zugemessenen  Zeit ,  in  so  vielen  Fächern  und  Fertigkeiten  so 
weit  bringen,  dass  der  Lehrpinn  den  Unterricht  im  Lateinischen  nicht 
aufnehmen  kann  Aus  diesem  Lehrplan  geht  jedoch  klar  hervor,  dass 
bei  den  Gewerbschulen  den  neueren  Sprachen,  vorzüglich  dem  Französ- 
ischen, die  Stelle  des  Lateinischen  eingeräumt  ist  und,  nur  so  auf- 
gefasst,  kann  der  Sprachunterricht  an  diesen  Instituten  ein  erfolgreicher 
sein.  Ich  glaube  schliesseu  zu  dürfen,  dass  der  Gewerbschüler  das 
Französiche  nicht  allein  der  fremden  Sprache  selbst  willen,  sondern 
auch  desshalh  erlernt,  damit  er  «lureb  genaue  Vergleichung  der  beiden 
Idiome  sich  in  seiner  Muttersprache  weiter  ausbilde  und  namentlich 
sein  grammatikalisches  Wissen  consolidire. 

Hat  man  blos  das  erste  Ziel  im  Auge,  so  drillt  man;  verfolgt  man 
beide  Ziele,  so  unterrichtet  man.  — 

Das  Drillen  wird  von  einem  grossen  Teil  des  Publikums  mit 
grösserer  Anerkennung  belohnt,  als  das  Unterrichten,  weil  die  Resultate 
weit  mehr  in's  Auge  fallen,  als  die  durch  guten  Unterricht  gewonnene 
solide  Basis;  deraungoachtet  soll  nach  meiner  Meinung  der  Gewcrb- 
schfller  nicht  als  Sprechmaschine  ausgebildet,  sondern  sein  Denkvermögen 
geübt  werden. 

Vielfach  hört  man  auch  die  Frage  aufwerfen,  warum  das  Englische, 
als  eine  für  den  Deutschen  grammatikalisch  leichter  zu  erlernende 


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264 


Sprache,  an  den  Gewerbschuleu  nicht  dem  Französischen  vorgezogen 
wird.  Der  Grund  ist  wol  kein  anderer  als  der,  dass,  abgesehen  von 
der  Schwierigkeit  der  Aussprache,  die  Verschiedenheit  zwischen  dem 
englischen  und  deutschen  Idiom  eine  zu  geringe  ist  und  das  Fran- 
zösische als  romanische  Sprache  dem  Deutscheu  Schüler  mehr 
Gelegenheit  zur  geistigen  Gymnastik  gibt,  ein  Umstand,  der  gewiss  für 
die  Richtigkeit  der  Annahme  spricht,  dass  das  Französische  an  den 
Gewerbschulen  als  ein  das  Latein  vertretendes  Bildungsmittel  betrachtet 
werden  muss.  — 

Von  diesem  Standpunkte  ausgehend,  handelt  es  sich  zunächst  für 
den  Lehrer,  eine  entsprechende  Grammatik  zu  finden,  eine  Grammatik, 
in  welcher  eine  rationelle  Methode  zu  erkennen  ist  und  welcher  es 
nicht  an  systematischer  Ausscheidung  und  Behandlung  der  einzelnen 
Redeteile  fehlt.    An  solchen  Grammatiken  ist  gerade  kein  Mangel  vor- 
handen und  kaum  wird  ein  tüchtiger  Lehrer  das  Bedürfniss  fühlen, 
eine  neue  zu  schreiben.  Bei  weiteren  Auflagen  der  besseren  französischen 
Schulgrammatiken  dürfte  nur  vielleicht  die  Wahl  der  Uebungsbeispiele 
eine  sorgfältigere  sein;   denn  Sätze,  in  welchen  von  mythologischen 
Gottheiten,  von  Helden  des  Altertums  die  Rede  ist,  dienen  wahrlich 
dem  Schüler  nicht  dazu,  seinen  Wörterschatz  zu  vergrössern.    Es  ist 
doch  besser,   der  Schüler  weiss:    Briefmarke,  Retourbillet, 
Postanweisung,  Corre  spondenzkarte  etc.  in  die  französische 
Sprache  richtig  zu  übersetzen ,    als  dass  ihm  die  Namen  der  neun 
Musen  vorgeführt  werden.    Gerade  die  richtige  Wahl  der  Vocabeln  in 
den  untern  Cursen  führt  den  Schüler  direkt  zur  Conversation.  Nach 
geschehener,   gründlicher  Erlernung  der  Grammatik  sind  die  einge- 
prägten Vocabeln  für  den  Schüler  kein   todtes  Kapital  mehr;  der 
einigermassen  talentvolle  Schüler  wird  unter  Anleitung  des  Lehrers 
zu  kombiniren  beginnen  und  selbst  Sätze  bilden,  von  welchen  jeder 
einzelne  mehr  wert  ist,  als  hundert  nach  Coursier  eingepaukte  Phrasen. 
—  Doch  auch  diesen  billigen  Anforderungen  scheinen  die  Verfasser 
unserer  besseren  Schulgrammatiken  immer  mehr  und  mehr  Rechnung 
zu   tragen    und   ich    gehe    zur  weiteren  Auseinandersetzung  meiner 
Methode  über 

Ist  dem  Unterrichte  eine  gute  Grammatik  zu  Grunde  gelegt,  so 
erscheint  mir  in  den  beiden  unteren  Cursen  wünschenswert,  nicht  Mos 
auf  eine  richtige  Aussprache  des  Französischen,  sondern  auch  des 
Deutschen  zu  Beben  und  den  Schüler  bei  jeder  Gelegenheit  auf  die 
Abweichung  der  beiden  Sprachidiome  von  einander  hinzuweisen.  Na- 
mentlich bei  dem  Kapitel  über  die  Präpositionen  kann  der  Sprachlehrer 
dem  Realienlehrer  wesentliche  Dienste  leisten,  wie  überhaupt  bei  dem 
mündlichen  Uebersetzen  aus  dem  Französischen  in's  Deutsche  auf 
eine  correkte  Ausdrucksweise  nicht  genug  Wert  gelegt  werden  kann. 


265 


In  den  beiden  unteren  Cursen  halte  ich  es  für  notwendig,  viele 
schriftliche  Uebersetzungen  aus  dem  Deutschen  in's  Französische 
machen  zu  lassen  und  den  Schüler  zu  genauer  Correktur  in  der 
Klasse  anzuhalten.  In  den  unteren  wie  oberen  Cursen  empfiehlt'  sich 
eine  wöchentliche  Hausarbeit,  die  vom  Lehrer  zu  corrigiren  ist. 
Ist  die  Arbeit  des  Lehrers  dadurch  auch  eine  äusserst  bedeutende, 
so  werden  alle  meine  werten  Herrn  Collegen,  cfie  es  gewiss  auch  so 
halten  mit  mir  übereinstimmen,  dass  wir  durch  das  Resultat  für  unsere 
Mühe  reichlich  belohnt  werden. 

Einer  der  bedeutendsten  Missstände,  welcher  störenden  Einfiuss 
auf  den  Unterricht  des  Französischen  im  1.  Curs  bat,  ist  die  in  den 
Volksschulen  übliche  Verschiedenheit  der  in  der  Grammatik  vor- 
kommenden Benennungen.  Um  nur  ein  Beispiel  anzuführen,  hat  der 
eine  Schüler  für  „substantivum"  „Dingwort",  der  Andere  „Hauptwort" 
gelernt,  „verbum"  ist  dem  Einen  als  „Zeitwort",  dem  Anderen  als 
„Thun*swort"  bekannt.  Im  Interesse  aller  Schulen  läge  es,  dass  in 
der  Volksschule  die  Schüler  sofort  mit  den  lateinischen  Benennungen 
bekannt  gemacht  würden.  Es  könnten  noch  andere  Missstände  hier 
verzeichnet  werden,  doch  ich  ziehe  vor,  sie  nicht  weiter  zu  berühren, 
kehre  zu  meinem  eigentlichen  Thema  zurück.  Was  die  Wahl  der 
Lektüre  betrifft,  so  schwärme  ich  nicht  für  Voltaire's  Charles  XII  und 
halte  für  den  II.  Cars  eine  Crestoraatbie  für  zweckentsprechend.  Das 
Lesebuch  kann  alsdann  in  der  bisherigen  gewerblichen  Abteilung  des 
III.  Curs  auch  beibehalten  werden,  wenn  man  die  leichteren  Lesestücke 
für  den  II.  Curs  bestimmt  und  die  schwereren  für  den  III.  Curs 
reservirt.  Bei  der  Lektüre  muss,  meiner  Ansicht  nach,  genau  so 
verfahren  werden  wie  bei  dem  Lesen  der  lateinischen  Schriftsteller  es 
in  der  Lateinschule  zu  geschehen  pflegt.  Die  grammatikalischen  Kennt- 
nisse des  Schülers  können  nur  durch  häufiges  Analysiren  befestigt 
werden.  Schreitet  man  so  systematisch  vorwärts,  so  findet  man  im 
III.  Curses  in  der  gewerblichen  Abteilung  Zeit,  dicUes  in  französischer 
Sprache  zu  geben  und  so  das  Ohr  des  Schülers  au  die  Aussprache  zu 
gewöhnen.  Die  Uebersetzung  dieser  diktirten  Stücke  in's  Deutsche  gibt, 
wenn  sie  schriftlich  ausgeführt  wird,  dem  Sprachlehrer  aufs  Neue 
Veranlassung,  den  Uealienlehrer  zu  unterstützen  und  der  Schüler  wird 
dabei  doppelt  gewinnen. 

Die  Handelsabteiluug  des  III.  Curses  kann  entschieden  weiter  geführt 
werden,  als  die  gewerbliche  Abteilung,  doch  ziehe  ich  auch  hier  eine 
solide  Fortbildung  in  der  Grammatik  conversationellen  Kunststücken 
vor,  namentlich  im  Englischen,  wo  das  Pensum  nach  dem  bisherigen 
Lehrplan  ein  so  bedeutendes  ist.  — 

Nachdem  ich  so  flüchtig  meine  Methode  skizzirt  habe,  kann  ich 
nicht  unterlassen,  mit  dem  offenen  Bekenntniss  zu  schliessen,  dass  es 


266_ 

stets  meine  volle.  Verwunderung  erregt,  wenn  ich  höre,  dass  in  der 
Handelsabteilung  irgend  einer  Anstalt  Schuler  aus  dem  Englischen  in's 
Französische  übersetzen.  So  weit  gelangt  man  mit  meiner  Methode 
nicht;  allein  ich  glaube,  dass  sie  bei  mancher  Schattenseite  auch  ihre 
Lichtseite  hat.  Wenigstens  wird  nicht  bestritten  werden  können, 
dass  die  neueren  Sprachen  so  gelehrt  werden  müssen,  wenn  sie  mit 
der  deutschen  Sprache  die  Basis  des  Unterrichts  bilden  sollen. 

Ansbach.  Erwin  Walt  her. 


Heber  die  Aussprache  des  anlautenden  sp  und  st  in  den  Schulen. 

M.  Müller  erzahlt  in  seinen  Vorlesungen  (I,  2,  3f>)  folgende 
Anekdote:  ..Als  Kaiser  Sigismund  dem  Concilium  zu  Costniz  präsidirte 
und  an  die  Versammlung  eine  lateinische  Rede  richtete,  in  der  er  sie 
zu  der  Ausrottung  des  Schismas  der  Hussiten  aufforderte,  sagte  er: 
„Videte,  patres,  ut  eradicetis  schisinam  Hussitarum"  Er  wurde 
ziemlich  rücksichtslos  von  einem  Mönche  zur  Ordnung  gerufen,  welcher 
ausrief:  „Serenisstme  rex,  schisma  est  generis  neutri"  (M.  Müller 
vertheidigt  die  Form  neutri  für  neutrius  als  die  altlateinische).  Der 
Kaiser  fragte  aber,  ohne  seine  Geistesgegenwart  zu  verlieren,  den 
naseweisen  Mönch:  „Woher  weisst  du  das?"  Der  alte  böhmische 
Schulmeister  entgegnete:  „Alexander  Gallus  sagt  es."  „Und  wer  ist 
Alexander  Gallus?"  „Er  war  ein  Mönch."  „Gut,"  sagte  der  Kaiser, 
„und  ich  bin  der  Kaiser  von  Rom  und  mein  Wort  wird  hoffentlich 
ebenso  gut  sein,  wie  das  irgend  eines  Mönches"  M.  Müller  bemerkt 
dazu:  „ohne  Zweifel  hatte  der  Kaiser  die  Lacher  auf  seiner  Seite, 
aber  trotzdem  blieb  Schisma  ein  neutr  ,  und  selbst  ein  Kaiser  konnte 
das  Geschlecht  und  die  Endung  des  Wortes  nicht  ändern." 

An  diese  Stelle  erinnerte  ich  mich ,  als  ich  in  diesen  Blättern 
(XI,  2,  pag.  59  u.  b.  w.)  den  Artikel  las  „über  die  schlechte  Aussprache 
des  Deutschen  und  die  nachteilige  Wirkung  derselben  auf  den  fremd- 
sprachlichen Unterricht".  Denn  weder  ein  Kaiser  noch  ein  Gelehrter 
kann  eigenmächtig  an  der  Sprache  ändern.  Grundsätzlich  zwar  bin  ich 
mit  Uro.  Dr  D  res  er  einverstanden,  wenn  er  sagt:  „Wenn  wir  (die 
Lehrer)  uns  nicht  Mühe  geben ,  uns  einer  reinen  Aussprache  zu 
beflei8sigen ,  wer  soll  es  denn  eigentlich  tlmn?"  Aber  wenn  ich  mich 
dann  von  einem  Grimm,  Schleicher,  M.  Müller,  v.  Raumer,  Withney 
belehren  lassen  muss ,  dass  die  Sprache  einn  Geschichte  hat,  dass  aus 
einem  guth.  habaidedaima  ein  engl.  Iwd  (hatten)  werden  kaun;  wenn 
mir  ferner  meine  eigene  Beobachtung  sagt,  dass  man  in  Süddeutschland 
vielfach  noch  auf  dem  Katheder,  auf  der  Kanzel,  auf  dem  Rednerstuhl 


267 


and  auf  der  Bühne  die  harten  mutae  t,  k,  p  nicht  von  den  weichen 
d,  g,  b  unterscheiden  kann,  um  nur  eine  der  vielen  Schwankungen  in 
unserer  Aussprache  hervorzuheben  so  will  es  mich  manches  Mal 
dünken,  als  ob  man  mit  der  immerwährenden  Bekrittelung  der  Aus- 
sprache der  Schüler  reine  Sisyphusarbeit  thate.  Denn  was  lehrt  mau 
denn  den  Schülern  für  eine  Aussprache?  Natürlich  die  richtige  1  Wenn 
sie  nur  nicht  unter  50  Lehrern  bei  40  mundartlich  gefärbt  wäre,  diese 
richtige  Aussprache,  so  dass  man  in  Verlegenheit  geräth ,  wenn  man 
definieren  soll,  wie  die  richtige  Aussprache  lautet 

Indes  habe  ich  mir  die  Aufgabe  gestellt,  mich  über  die  Aussprache 
des  anlautenden  sp  und  st  in  den  Schulen  zu  äussern.  Mein  Verdikt 
darüber  habe  ich  ausgesprochen,  wenn  ich  den  süddeutschen  Chauvin- 
ismus, <i*r  nunmehr  unbesehen  nimmt,  was  aus  dem  Norden  kommt, 
mit  urteilsfähigen  Stimmen  zum  Schweigen  bringe  Ist  69  für  einen 
Süddeutschen  lächerlich,  Stock  und  Stein  statt  Schtock  und  Schtein  zu 
sprechen,  so  ist  es  verwerflich,  eine  Lächerlichkeit  in  die  Schulen 
einlübren  zu  wollen  Darüber  wird  sich  kein  Streit  erheben.  Herr 
Dr.  Drescr  meint  zwar,  sp  und  st  statt  schp  und  seht  zu  sprechen 
wäre  das  richtige,  denn  er  schreibt:  „So  wird  der  Süddeutsche  oft  den 
Norddeutschen  der  Ziererei  schuldigen,  der  »t,  sp  etc.  am  Anfange 
eines  Wortes  nicht  wie  seht,  schp  ausspricht11.  So  ist  es  nicht.  Ke»n 
Süddeutseber  hält  den  Norddeutschen,  der  st  und  sp  für  seht  und  schp 
spricht,  für  affektiert,  sondern  der  Süddeutsche,  welcher  st  und  sp  für 
seht  und  schp  spricht,  wird  für  affektiert  gehalten.  Mit  vollem  Rechte ! 
Da  ich  aber  fürchte,  dies  nicht  kraftvoll  genug  aussprechen  zu  können, 
mögen  die  Meister,  zu  deren  Füssen  ich  lernbegierig  sitze,  meine 
Meinung  verkünden.  Whitney  (die  Sprachwissenschaft,  W.  D.  Whitney's 
Vorlesungen  über  die  Principien  der  vergleichenden  Sprachforschung 
für  das  deutsche  Publikum  bearbeitet  uud  erweitert  von  Dr.  J.  Jolly, 
München  1874)  schroibt  bei  der  Besprechung  der  Lautveränderung 
also:  „Ganz  dieselbe  Lautneigung  hat  sich  schon  seit  längerer  Zeit 
auch  in  unserer  hochdeutschen  Schriftsprache  geltend  gemacht  und  ist 
im  Anlaut  der  Wörter  so  vollkommen  durchgedrungen,  dass  unsere 
Bühnensprache  sich  längst  dafür  entschieden  hat  und  man  bei  jedem, 
der  Stock  und  Stein  anstatt  Schtock  und  Schtein  sagt,  entweder  den 
Hannoveraner  oder  Schleswig  -  Ilolstoiner  oder  aber  einen  a  f  f  e  k  tier  ten 
Menschen  heraushört"  So  denkt  auch  A  Schleicher,  der  in  seiner 
„deutschen  Sprache"  pag.  III  sagt:  „Nichts  ist  lächerlicher,  als  das 
Streben,  die  angestammte  Mundart  völlig  verbergen  zu  wollen  oder 
gar  die  Aussprache  einer  andern,  die  man  für  besser  hält,  nachäffen 
zu  wollen.  Dies  geschieht  namentlich  häufig  durch  die  gezwungene 
Nachahmung  des  ebenfalls  nur  munriartliehen  norddeutschen  sp  und  st 
von  Seiten  Süddeutscher.    Dass  hier  die  Schrift  dieser  Aussprache  zur 


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268 


Seite  stallt,  ist  rein  zufällig.  Wer  60  handelt,  wer  diu  hochd.  Sprache 
anders  ausspricht,  als-  er  sie  naturgemäss  auszusprechen  bat,  der  bringt 
sich  um's  Schönste,  was  uns  die  Muttersprache  bietet,  um  die  völlige 
Freiheit  und  Ungezwungenheit  des  Ausdruckes,  er  bringt  sieb  um  die 
Muttersprache,  er  verdammt  sich  zu  einem  immerwährenden  verwerf- 
lichen Spielen  einer  ihm  fremden  ilolle.  Wie  lächerlich  hört  sieb  s.  U. 
die  Rede  eines  Schwaben  an,  der  sich  zwingt,  das  Deutsche  so  auszu- 
sprechen, wie  es  die  oft  nicht  einmal  richtige  jetzt  übliche  Schreibweise 
darstellt,  zumal  wenn  er  in  unbewachten  Augenblicken  des  Affekts  von 
den  mit  Mühe  geführt«  n  Sprachstelzen  herabfällt.  Fort  also  mit  dem 
Vorurteile,  dass  nur  der  ein  gebildeter  Mann  sei,  dessen  Rede  man 
nicht  anhören  könne,  aus  welchem  Teile  Deutschlands  er  stamme". 
Uud  pag.  210:  „Wer  hochdeutsch  sprechen  will,  der  muss  sebprechen 
schtehen,  sebtechen  u  s  f.  sagen,  so  gut  als  schwein,  schnell.  Fort 
also  mit  dem  gouvernantenmässigen ,  uns  widerstrebenden  und  der 
Sprache  unangemessenen  sprechen,  stehen,  stechen  u  s  f  mit  reinem  b". 

Damit  könnte  ich  genug  gesagt  haben,  und  im  Anschluss  an  die 
anfangs  erzählte  Anekdote  so  sch  Ii  essen:  „Kein  Mensch  auf  der  Welt 
und  alle  Lehrer  Süddeutschlands  zusammen  sind  nicht  im  Stande, 
unsere  süddeutsche  Aussprache  des  anlautenden  s    z  sch  zu  ändern  " 

Da  ich  mich  aber  gerne  zu  denen  rechne,  die  lieber  „mit  den 
ganzen  Gedanken  eines  Meisters  denken,  als  mit  ihren  eigenen  halben'4, 
90  fasse  ich  meine  Ausicht  über  die  Aussprache  von  st  und  sp  in  den 
Schulen  in  die  Worte  R  von  Räumers  (Gesammelte  sprachwissenschaftliche 
Schriften  1863,  pag.  2?>3)  zusammen:  „Das  anlauteude  st  sprechen 
auch  die  Gebildeten  in  dem  grössten  Teile  von  Deutschland  wie  seht. 
Man  kann  deshalb  diese  Aussprache  gegenwärtig  als  die  überwiegend 
gebildete  Aussprache  bezeichnen  Da  aber  in  einem  grossen  Teil 
von  Norddeutschland  auch  die  Gebildeten  an  der  Aussprache  szt  (d.  h. 
die  Anlaute  von  stehen  so  aussprechen,  wie  die  Inlaute  vou  fasten > 
festhalten,  so  muss  man  für  den  Anlaut  st  eine  zweifache  Aussprache 
als  die  der  Gebildeten  gelten  lassen." 

Ich  glaube ,  dass  die  von  mir  angeführten  Autoritäten  jedem 
Lehrerdas  wissenschaftliche  Recht  geben,  in  seiner  Schule  Schtock 
und  Schtein  für  Stock  und  Stein  sprechen  zu  lassen. 


Landau  (Rheinpfalz). 


Falch. 


269 

Aus  der  Schulmappe. 

Fortsetzung  der  Miscellen  von  A.  Kurz*). 

Damit  meine  Miscellen  von  den  geehrten  Herren  Collegen  der 
philologischen  Sektion  nicht  ganz  überschlagen  werden,  werde  ich  dann 
und  wann  auch  solche  von  allgemeinerer  Bedeutung  einstreuen,  wie  z.  B. 
gleich  die  folgende. 

13.  Humanismus  und  Realismus. 
In  Nr.  12  war  vom  Farbenreichtum  der  Physik  als  Lehrstoffes  die 
Rede  Wie  aber  keine  Rose  ohne  Dornen,  so  birgt  gerade  darin  der 
naturwissenschaftliche  Unterricht  seine  Gefahren.  Im  Hinblicke  auf 
diese  haben  sich  gewichtige  Stimmen  für  Aufschub  dieses  Unterrichts- 
zweiges auf  die  Hochschule  ausgesprochen,  was  aber  freilich  nur  für 
denjenigen  Teil  der  '  Schaler  zutreffen  könnte,  welche  die  Hochschule 
zu  besuchen  gedenken.  Und  auch  da  bat  der  an  und  für  sich  gewiss 
wahre  Spruch  Multum  von  multa  zu  kämpfen  mit  den  ebenfalls  zu 
berücksichtigenden  Gefahren  der  Einseitigkeit  und  des  Nimmerwieder- 
k&brens  der  jugendlichen  Lernzeit  und  Lernfrische.  Also  bat  man  es 
mit  einer  Resultante  des  Kräfteparallelogramms  zu  thun  (sü  venia 
verbis).  Um  beim  Leisten  zu  bleiben ,  wende  ich  mich  zur  Realschul- 
bildung. Die  von  allen  Lehrern  als  nötig  erklärte  Organisation  der 
bairischen  Gewerbschulen  fasst  die  sprachliche  Durchbildung  mehr  als 
bisher  neben  der  Pflege  der  Mathematik,  des  Zeichnens  und  der  Natur- 
wissenschaften in's  Auge,  um  so  der  anerkannten  humanistischen 
Bildung  mehr  und  mehr  ebenbürtig  zu  werden,  und  sie  bedarf  dazu 
eines  um  so  grösseren  Zeitmasses,  als  bisher  eine  Ueberlastung  kon- 
statirt  ist.  Nur  der  kleinere  Teil  der  Schüler  geht  an  die  Hochschule 
(Universität  oder  Polytechnikum)  und  nur  ein  Teil  von  -liesem  Teile 
weiss  diess  vorher;  bei  den  meisten  steht  die  Berufswahl  im  Dunkel 
der  Ungewissheit.  Auch  darum  sollte  dem  Realschüler  die  Aussicht  für 
die  verschiedenen  Brrufskreise  weniger  als  bisher  beschnitten  sein.  Ist 
es  doch  gewiss  nur  eine  Frage  der  Zeit,  dass  der  Realgymnasiast  das 
Studium  der  Medizin  wird  ergreifen  dürfen  ;  ja  es  gibt  sogar,  Iwrribile 
dictu,  Leute,  welche  kein  Hinderniss  einsehen,  einem  solchen  Hoch- 
schüler, der  für  die  jura  Pas9ion  bekommen,  die  Admission  zum  Examen 
zu  erteilen,  wenn  auch  als  Regel  der  bisherige  Studiengang  "betont 
bleibt.  Nun  wieder  zur  Realschulbildung  im  obigen  engeren  Sinne : 
für    die   technischen    Berufsarten    im    Civil    und   Militär   und  die 


•)  SS.  121  -  125. 


1 


270 

entprechcnden  Lehrerstellen  verlangt  der  Staat  die  tnaturitas;  zu  den 
zwei  bisherigst!  Arten  der  letztem!  käme  dann  als  dritte  die  durch  die 
vollständige  Realschule  und  Industrieschule  erlangte.  Die  unteren  Curse 
der  Realschule  werden  nach  wie  vor,  nur  noch  besser*»,  dem  nicht 
ausser  Acht  gelassenen  Zweck  der  Vorbereitung  für  früheren  Eintritt 
in's  bürgerliche  Leben  dienen  können. 

14    Die  Interferenz  bei  der  Stimmgabel 

kann  jedem  Schüler  ohne  wesentliche  Missstände  zu  subjektiver  Beob- 
achtung gebracht  werden,  da  ein  leises  Anschlagen  der  nachher  vor 
dem  Ohre  gedrehten  Stimmgabel  genügt.  Aber  dann  beute  man  auch 
die  Erscheinung  durch  eine  gründliche  Erklärung  aus.  Heimholt* 
schreibt  in  der  I.  Auflage**)  seiner  „Touempfinduu»en"  das  Phänomen 
einer  Zusammenwirkung  der  von  beiden  Gabelenden  ausgehenden 
Tonwellen  zu,  und  dasselbe  verschwinde,  wenn  man  das  eine  Ende 
durch  eine  Röhre  von  der  Mitwirkung  ausschliesse  Und  doch  hatten 
sich  schon  lange  vorher  Chladni  und  sein  Zeitgenosse  W.  Weber,  der 
eine  der  Gebrüder  Wellen -weher,  durch  Versuche  überzeugt,  dass  die 
Interferenz  auch  bei  einem  einzigen  Stabende  und  ebenso  bei  der 
Stimmgabel  nach  Ausschluss  des  einen  Endes  auftrete.  IHess  hatte  ich 
eben  durch  eigene  Versuche  mit  Anwendung  eines  Stückes  Kautschnk- 
schlauch  als  Hörrohres  bestätigt,  als  ich  die  einlässlicbe  historische 
und  experimentelle  Studie  von  II.  Kiessling  in  Pogg.  Ann.  Bd  130 
S.  177  -  206  (1867)  wieder  auffand.  Wüllner,  2  And.  1870,  reproducirt 
noch  dio  Erklärung  von  W.  Weber,  wonach  die  Verdichtungswelle 
etwas  früher  entstände  als  die  Verdünnungswelle  beim  schwingenden 
Stabende  und  somit  4  üyperbeläste  als  Oerter  der  Auslöschung  sich 
ergeben  müssten  (auf  dieselbe  Weise  wie  die  2  Hyperbeln  beim 
Fresnol'schen  Spiegelversuche);  bei  der  Stimmgabel  würden  von  den 
8  Aesten  nur  die  4  äusseren  bestehen  bleiben  ,  indem  die  4  inneren 
durch  das  Zusammenwirken  der  gleichzeitig  gegen  und  von  einander 
schwingenden  Enden  überdeckt  würden.  Aber  die  beiden  genannten 
Wellen  entstehen  gleichzeitig  und  statt  der  Hyperbeln  bat  man 
beim  Stabe  eine  Interferenzebene  senkrecht  zur  Schwingungs- 
richtung des  Stabes,  was,  nebeubei  gesagt,  auch  viel  leichter  zu 
begreifen  und  zu  behalten  ist  Bei  der  Stimmgabel ,  wenn  das  eine 
Ende  durch  eine  Glasplatte  dem  Obre  entrückt  ist,  beobachtet  man 
eine  Answärtsbeugung  jener   einen  Interferenzfläche   als  Folge  der 


•)  Wer  diess  bezweifeln  sollte,  kann  an  den  zunehmenden  Gebrauch 
der  Lateinschule  als  solcher  Vorbereitungsanstalt,  erinnert  werden. 

*•)  Die  neuere  steht  mir  nicht  xn  Gebot-. 


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271 

Reflexion  an  der  Glasplatte  (das  ist  eine  äusserliche  Aebnlichkeit  mit 
den  Weber'schen  äusseren  Aesten) ;  und  dasselbe  gilt  auch  für  die 
Beobachtung  an  der  blossen  Stimmgabel ,  bei  welcher  diese  Krümmung 
der  beiden  Interferenzflächen  teils  solcher  Reflexion  an  den  inneren 
«Gabel  flächen,  teils  auch  dem  gegenseitigen  Durchkreuzen  der  von  den 
beiden  Enden  gleichzeitig  ausgehenden  4  Wellen  zuzuschreiben  ist 
„Die  Interferenzstellen  Rind  dadurch  bestimmt,  dass  die  Resultante 
aller  dort  noch  zur  Wirksamkeit  gelangenden  Amplituden  ein 
Minimum  ist." 

15.    Ueber  die  spezifische  Wärme  der  Luft. 
Hinsichtlich  des  namentlich  durch  bisherige  lsolirtheit  interessanten 

Measungsverfahrens  von  Clement  und  Desormes,  das  Verhältniss  ^ 

der  spezitischen  Wärme  der  Luft  bei  konstantem  Druck  zu  derjenigen 
bei  konstantem  Volumen  botreffend,  sagt  Bourget  im  Journ.  de  Math. 
1871:  Le  raisonnement  donne  dam  la  plupart  des  traitis  de  physique 
ne  me  parait  pas  parfaitement  exaet.  Vom  selben  Bedürfnisse  nach 
Klarheit  gestachelt,  legte  ich  mir  den  Vorgang  in  folgeuder  Weise 
zurecht:  Der  etwa  30  Liter  grosse  Glasballon  war  geöffnet  und  schwach 
erwärmt  worden;  dann  ward  er  geschlossen,  so  dass  nach  der  Erkaltung 
das  kommunizireude  Quecksilbermanometer  auf  137  mm  stieg.  In  der 
bekannten  Ausdrucksweise  des  Gesetzes  von  Mariotte  und  Gay-Lussac 

lautet  der  letztere  Vorgang  =  <*>  ~  13?H*  I  137>,  worin  sp 

etwa  700  bis  760,  das  Volumen  v  aber  nach  der  gewählten  Einheit  z.  B. 
300000  betrüge,  wenn  der  Querschnitt  der  Manometerröbre  1  Qcm  wäre. 

v         P  -  137 

Also  schreiben  wir  angenähert  richtig  —     —  (wie  bei  Jolly's 

Luftthermometer),  oder  •*«  =  Zweiter  Akt:  es  wurde  Luft 

eingelassen,  so  dass  das  Manometer  auf  0  fiel,  und  der  Hahn  geschlossen; 
hiebe  i  ist  aber  Arbeit  in  Wärme  verwandelt  worden  und  der  Ueber- 
schuss  tl  der  Temperatur  zeigte  sich  im  naebberigen  Steigen  des 
Manometers  auf  36  mm  Dafür  erhalten  wir  analog  dem  Vorigen 
«       x  4.  t* 

—  —  Und  mit  Vernachlässigung  der  kleinen  t  und  V  gegen- 

über der  absoluten  Temperatur  r  von  etwa  280  oder  290  Celsiusgraden  wird 

137 :  36  =  t :  P. 

Im  ersten  Akte  hatte  man,  als  der  Hahn  offen  war,  die  Wärme- 
menge Gct  erteilt,  wenn  0  das  (konstant  angenommene)  Luftgewicht 
bedeutet.  Diese  Wärmemenge  kann  zerlegt  gedacht  werden  in  den  Teil 
G  cy  t  zur  reinen  Erwärmung   und   in  den  Teil  G  (c  —  cx)  t  zur 


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272 


Arbeitsleistung.  Oder  sie  kann  zerlegt  werden  in  die  Teile  G  c{t  -  tx) 
und  GcO;  letzterer  Teil  wurde  im  zweiten  Akte  aus  Arbeit  wieder 
gewonnen,  als  der  Hahn  offen  war;  der  erstere  Teil  hätte  durch  die 
Flamme  geliefert  werden  müssen,  hätte  man  auch  im  zweiten  Akte 
die  Luft  auf  den  Temperaturüberschuss  t  des  ersten  Aktes  bringen 
wollen  Nun  ist  die  Starke  oder  Schwache  der  Beweiskraft  dieses 
Verfahrens  daliio  zugespitzt,  dass  man  setzen  soll  (mit  Weglassung 

c  137 

von  G)  cU  —  cit-  tl),  also  ~-  =  -T  =  1,  36 

c*  101 

Daher  um  so  grössere  Freude  bei  den  Physikern,  als  Laplacc  fand, 
dass  die  theoretische  Formel  Newton's  für  die  Geschwindigkeit  des 

Schalles  in  derLnft  durch  den  Faktor  V  \  4  verbessert  mit  den  Mess- 
ungsresultaten stimme  (330  m),  und  annahm,  dass  dieser  Radikandus 

jenes  Verhältniss  -z  sei,  welches  hiemit  indirekt  auf  akustischem  Wege 

c 

bestimmt  werden  könne.    Doch  davon  vielleicht  ein  anderes  Mal 

16.    Drehung  eines  Körpers  um  eine  feste  Axe. 
Wenn  ein  Körper  von  einem  gegebenen  Kräftesystem  angegriffen  ist 

(I)  P,  Vt       «,  at  .  .      ^  .  .       y{  .  .  »t .  .  y,  Jf»  .  •  *i  *» , 

so  kann  man  bekanntlich  dieses  reduziren  auf  eine  einzige  Kraft  P0 
und  eiu  Kräftepaar,  deren  Componenten  nach  den  drei  Coordinatenaxen 
in  der  gewöhnlichen  Bezeichnung  sind 

(II)  Xo  Yu  Z0,  L  M  N. 

Die  drei  Kräfte  greifen  im  Ursprünge  0  an  und  liegt  zur  Auf- 
suchung der  Poinsot'schen  Centralaxe  für  das  Folgende  ein  BedUrfniss 
nicht  vor. 

OZ  sei  nun  die  fixe  Drehaxe,  0  der  eine  ihrer  Befestigungspunkte, 
C  der  andere,  wobei  OC  rr  c  sei.  Zur  Bestimmung  der  Kräfte,  welchen 
diese  beiden  festen  Punkte  widerstehen  müssen,  schlage  ich  nun  als 
Ersatz  der  Kräftesysteme  1  oder  II  vor  dasjenige 

(III)  Bx  Ry  ttz    in  0  angreifend 

Sx   Sy  Null  in  C 

Tx  Null  Null  im  Punkte  B  auf  der  Axe  OY,  wobei  OB  —  t. 

Man  erhält  dann  durch  Identifizirung  von  11  und  III 
X0  =  Mx  +  Sx  +  Tx}       YQ  =  By  +  8y,      ZQ  =  Üz 
L  ~  —  Sc  M  —  Sx  c  N  =  -  TK 

Ist  der  Körper  auf  der  Axe  verschiebbar  und  soll  Gleichgewicht 
bestehen  ,  so  muss  Z0  —  o  und  N  .—  o;  aus  den  vier  anderen  Gleich- 
ungen berechnet  sich  dann  Rx  JBy  Sx  £y,  so  dass  also  die  in  O  und  C 

angreifenden  Kräfte  Ä  und  S  parallel  der  xy  Ebene  sind  Ist  der 
Körper  nur  drehbar  um  die  feste  Axe,  so  muss  nur  N  —  Tx  =  o  seiu 


273 


für  den  Fall  des  Gleichgewichtes.  Die  Kraft  R  hat  dann  auch  eine 
Componente  Rt ;  gewöhnlich  gibt  man  auch  »S'eiue  solche  Componente  S,  • 
aber  es  bleibt  dann  unbestimmt,  wie  sich  die  beiden  Summanden 
R%  und  S%  von  ZQ  auf  die  beiden  festen  Punkte  verteilen.    Für  den 

allgemeinsten  Fall,  dass  kein  Gleichgewicht  besteht,  habe  ich  die 
Kraft  Tx  eingeführt,  da  ersichtlich  ist,  dass  dann  die  Kräftesyteme 

I  oder  II  nicht  durch  die  blossen  zwei  Kräfte  R  und  S  ersetzt  werden  können. 

17    Lehrbuch  und  Experiment  im  naturwissenschaftlichen  Unterricht. 

Im  Aprilbefte  der  bekannten  Westermann'scben  las  ich  mit  begreif- 
lichem Interesse  den  Aufsatz  von  Scbödler  (Buch  der  Natur)  über  die 
chemischen  Laboratorien  von  beute  und  gestern.  Es  ist  da  mit  Recht 
die  Wichtigkeit  des  Experimentes  betont,  für  welches  der  Lehrer  viel 
Zeit  in  seinem  eigenen  Bildungsgang  verwenden  müsse,  auf  dass  er  sich 
die  nötige  Geschicklichkeit  erwerbe.  Launig  wird  eines  älteren  Lehrers 
gedacht,  dessen  akademischer  Unterricht  sich  auf  Ablesen  eines  Lehr- 
buches beschränkte,  während  für  das  versprochene  Experiment  eines 
Seifensudes  die  Lehrstunde  alljährlich  zu  früh  zu  schliessen  pflegte. 

Wie  nun  nach  Vater  Göthe  jedes  ausgesprochene  Wort  den  Gegen- 
sinn erweckt,  so  erinnerte  ich  mich  gleich,  dass  man  heutzutage 
manchmal  in  das  andere  Extrem  verfällt,  worüber  ich  wol  schon  öfters 
sprechen  hörte,  aber  mich  nicht  erinnern  kann  etwas  gelesen  zu  haben. 
Höchstens  vielleicht  in  Betrefl  der  öffentlichen  Vorlesungen,  welche  ein 
Teil  des  grossen  Publikums  als  Modesacbe  mehr  oder  minder  bewusst 
ansieht,  kann  man  Andeutungen  finden  ähnlich  denjenigen  Uber  das 
Theater,  von  welchem  hämo  publicus  häufiger  circemes  als  bildende 
Anregung  verlange.  Kein  Wunder  also,  dass  auch  der  Lehrer-  und 
Gelehrtenstand  sein  Contingent  stellt  zu  den  beifallsüchtigen  Volks- 
rednern und  Schauspielern  und  dass  es  vom  Experimentirtische  manch- 
mal aus  knallt  und  leuchtet  „dass  es  eine  wahre  Freude  ist". 

Aber  kehren  wir  in  den  Hörsaal  zurück;  dem  Studenten  kann  es 
dabei  manchmal  werden,  als  ginge  ihm  ein  Mühlstein  im  Kopf  herum, 
und  er  würde  ein  gewisses  Anschliessen  des  Vortrages  an  ein  Com- 
pendium,  durch  welche  er  das  gerade  Behandelte  mit  Früherem  und 
Späterem  selbstthätig  zusammenhalten  kann,  und  weniger  aber  aus- 
führlich durchgesprochene  Experimente  einem  Ueberflusse  an  solchen 
vorziehen.  So  sind  wir  also  bei  dem  kurzen  Leitfaden  ,  der  nicht  das 
Ruhebett  des  Lehrers  sein  kann,  angelangt,  als  dem  Vermittler  zwischen 
den  beiden  angedeuteten  Extremen 

18    Saiten-  und  Pfeifentöue. 
Diese  lassen  sich  am  leichtesten  experimentell  und  auch  elementar  - 
theoretisch  behandeln.   Ich  ziehe  nämlich  vor,  statt  die  Formel  der 


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274 


Scbv.ingungszahl  der  gespannten  Saiten  als  Resultat  einer  höheren 
Rechnung  gleichsam  wie  eine  vom  Himmel  herabgefallene  vorzuführen, 
mich  auf  die  vorausgegangen*  Formel  vom  gemeinen  Pendel  zu  stützen 
(mit  welchem  die  Hälfte  der  Saite  verglichen  werden  kann).  Es  ist 
daher  die  S(  bwiuguogszahl  n  proportional  mit  der  Quadratwurzel  aus 
der  durch  die  Lange  Z  dividirten  Beschleunigung  (Vergl  Mise  3  und  4)« 
Statt  letzterer  kommt  der  Quotient  aus  der  spannenden  Kraft  P  und 
der  Masse  m  der  gespannten  Suite  in  die  Rechnung.  In  m  ist  der 
Faktor  l  nochmal  enthalten,  und  wir  haben   <iie  beiden  wichtigsten 

Saitengesetze,  dass  n  proportionel  Y~V  und  y,  abgeleitet.  Nicht  minder 

stehen  auch  die  weniger  bedeutsamen  Gesetze  der  Abhängigkeit  des  n 
vom  absoluten,  vom  spezitischen  Gewichte  und  vom  Durchmesser  der 
Saite  vor  uns.  — 

Bezüglich  der  Pfeifen  will  ich  an  das  ebenso  wolfeile  als  frappante 
Experimentirmittel  erinnern,  das  ich,  ungeregt  durch  J.  J.  Oppel  in 
Pogg.  Ann.  CXXII,  in  Carl's  Repertorium  der  physik.  Technik  1865 
beschrieben  habe.  Aus  dem  so  schwachen  Geräusche,  das  eine  Carton- 
rollc  beim  D'ranklopfen  oder  Herunterfallen  auf  den  Tisch  hören  lässt, 
erkennt  man  bei  einiger  Aufmerksamkeit  doch  leicht  die  Gegenwart  des 
Tones  der  ebeu  so  langen  offenen  Pfeife.  Die  für  den  Stimmgabelton  a, 
resonirende  Rolle-  inuss  dazu  bekanntlich  die  Länge  /  haben,  gemäss 
der  Formel 

330  -  440  21  oder  /  =  |  Meter. 

3 

Ich  benutze  die  acht  Rollen  der  Töne  von  a.  bis  ax  (bis  4ip  Meter).  — 

lo 

Die  letztere  Formel  enthält  die  Wellenlänge  k  ~  21  des  Grund- 
tons  der  offenen  Pfeife  und  repräsentirt  die  Länge  der  gedeckten 

Pfeife  für  den  nämlichen  Tou  --.  Man  spricht  da  von  Bäuchen  an  den 

offenen  und  von  Knoten  an  den  gedeckten  Enden,  welche  Vorstellung 
von  den  transversalen  Wellen  herübergenommen  wird  Daun  entsprechen 
aber  die  Bäuche  der  konstauten  Luftdichte,  der  Ruhe,  und. die  Knoten 
der  variablen  Dichte,  der  Bewegung,  welche  man  heutzutage  so  schön 
durch  Gasflamme  und  rotirenden  Spiegel  zeigeu  kann.  Um  nun  einer 
Verwirrung  vorzubeugen,  mache  ich  ausdrücklich  aufmerksam,  dass  man 
beim  Uebergang  von  der  einen  zur  andern  Vorstelluogsweise  die  Oerter  der 

konstanten  Ruhe  uud  Bewegung  um  -*  verschoben  denken  soll 


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275  „ 

'.  *' 

Leber  die  Gedankenarmut  der  Gewerbschüler. 

Wie  oft  hört  man  doch  die  Lehrer  der  deutschen  Sprache  Ober 
Gedankenarmut  hei  den  jungen  Leuten  klagen!  Und  in  der  That  wird 
80  ziemlich  jeder,  der  auch  in  die  Lage  kommt,  Deutsch  lehren  zu 
müssen,,  besonders  an  Gewerbschulen  in  diesen  Jammer  einstimmen. 

Die  Aufsätze  sind  in  der  Regel  so  dürr  und  matt,  dass  man  es 
ihnen  ansieht,  welch  ein  mühevolles  Machwerk  sie  sind.  Da  ist  kein 
Schwung  der  Rede,  kaum  je  eine  passende  Vergleichung  aus  dem 
alltäglichen  Leben  zu  finden ,  und  wenn  sie  noch  so  nahe  läge. 
Gewöhnlich  darf  der  Lehrer  zufrieden  sein,  wenn  seine  Schüler  am 
Ende  ihrer  Studienlaufbahn  über  ein  entsprechendes  Thema  in  leid- 
licher Richtigkeit  sich  auszusprechen  verstehen,  aber  —  in  rasscl- 
dürrer  Prosa. 

Und  dieselben  Mängel  treten  schon  bei  den  ersten  Uehungen  in 
der  Grammatik  auf.  Läast  man  seine  Jungen  Sätze  bilden,  ohne  ihnen 
ein  Subjekt  zu  bestimmen,  so  weiss  man  dasselbe  schon  so  ziemlich 
voraus.  „Vater",  „Bruder",  „Schwester*',  und  wenn's  hochgeht,  „dieser 
Mensch",  oder  „ich",  „er"  uud  „du"  werden  zur  Besprechung  heran- 
gezogen. Gibt  man  ein  Substantiv  an,  über  welches  ein  Satz  gebidet 
werden  soll,  so  wird  man  neunmal  unter  zehn  Fällen  erleben,  dass  mun 
von  demselbeu  nichts  Interessanteres  zu  sagen  weiss,  als  es  sei  „gut" 
oder  „schön".  Das  Zeitwort  darf  selbstverständlich  kein  anderes  sein, 
als  „ist"  oder  „sind",  kein  Perfekt  oder  Imperfekt  oder  sonst  etwas  dgl. 

Woher  uun  wol  dieses  hölzerne  Wesen,  wenn  es  erlaubt  ist,  so  zu 
sagen,  das  sich  vom  ersten  bis  zum  letzten  Kurse  bemerklieb  macht? 

Der  Gründe  sind  zahlreiche. 

Vor  allem  ist  daran  ohne  Zweifel,  und  dieser  Punkt  hat  ja  schon 
oft  eingehende  Erörterung  gefunden,  die  schlimme  Einrichtung 
unserer  Gewerbschulen  schuld.  Das  alte  Sprüchlein  „Zuviel 
ist  ungesund"  wird  in  dem  modernen  Schulwesen  meist  vergessen, 
an  den  Gewerbschulen  kennt  man  es  vollends  nicht. 

Dazu  kommt,  dass  auch  in  den  besteingerichteten  Schulen 
realer  Richtung  der  Natur  der  Sache  nach  vielen  Gegen- 
ständen eine  Masse  Stunden  eingeräumt  werden  müssen,  welche  den 
Ideenkreis  der  Schüler  nicht  bereichern,  sondern  blos  den  Verstand 
schärfen,  und  dahin  gehören  die  verschiedenen  Zweige  der  Mathematik 

Hievon  aber  ist  die  notwendige  Folge,  dass  anderen  Fächern, 
welche  geeigneter  wären,  den  Gedankenkreis  der  jungen  Leute  zu 
erweitern,  wie  muttersprachliche  und  fremdsprachliche  Lektüre, 
Geschichte ,  Geographie  und  Naturgeschichte  nicht  die  nötige  Zeit 
zugemessen  werden  kann. 

Blattei  f.  iL  bajrer.  Oymn. •  u.  Real  •  Scbulw.    XI.  Jabrg.  ]C) 


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270 


Halten  wir  ferner  Gymnasium  und  Gewerbschule  nebeneinander, 
so  siebt  man  leicht,  dass  letztere  mit  einem  entschieden  schlechteren 
Schülermaterial  zu  arbeiten  hat,  als  ersteres.  Im  Durchschnitt 
bringen  die  Schüler,  welche  Gewerbschulen  besuchen,  selbstverständlich 
weniger  Anlagen  und  geringere  Vorbildung  mit.  Dieser  Unterschied 
zwischen  Gymnasium  und  Gewerbschule  kann  durch  eine  gründliche 
Reorganisation  zwar  gemildert,  aber  keineswegs  aufgehoben  werden. 

Wiewol  sich  nun  aber  das  Gymnasium  für  unsern  Fall  in  beiweitem 
günstigeren  Umständen  befindet,  als  die  Gewerbschule,  so  erinnern  wir 
uns  doch  noch  recht  gut,  dass  wir  in  der  Zeit,  wo  wir  noch  auf  den 
Gymnasialschulbänkeu  sassen,  ähnliche  Vorwürfe  zu  hören  hatten,  wie 
sie  oben  den  armen  Gewerbschülern  gemacht  wurden.  Wie  erklärt 
sich  nun  das? 

Ein  Hauptgrund  für  diese  Erscheinung  liegt  ohne  Zweifel  in  der 
ganzen  Richtung  u-u serer  Zeit,  die,  fast  ausschliesslich  dem 
Materiellen  nachjagend,  für  die  Ausbildung  des  idealen  Reiches  der 
Phantasie  keinen  Raum  lässt.  Diese  Hinneigung  zur  allgemeinen 
Verflachung  muss  natürlich  auch  auf  Erziehung  und  Unterricht  ent- 
sprechende Rückwirkungen  üben. 

AU'  diese  aufgezählten  Gründe  zu  beseitigen,  liegt  nicht  in  der 
Macht  der  Lehrer  und  ist  auch  nicht  ihre  Aufgabe. 

Wir  möchten  nur  auf  einige  Momente  hinweisen,  die  uns  die 
Mittel  an  die  Hand  geben  sollen,  auf  methodischem  Wege  jene 
Mängel  so  gut  es  geht,  zu  beseitigen.  Uebrigens  machen  wir  auf  Voll- 
ständigkeit keinen  Anspruch,  sind  im  Gegenteil  sehr  erfreut,  wenn 
allenfalls  von  erfahrenerer  Seite  eine  Ergänzung  nachfolgen  sollte. 

Schon  auf  der  untersten  Stufe  kann  und  muss  mit  der  Arbeit 
begonnen  werden.  Jene  Vater-,  Schön-  und  Ist- Sätze  müssen  vor 
allem  verbannt  werden,  und  bis  zu  einem  gewissen  Grad  geht  das  auch. 
Man  lege  den  Schülern  zuerst  einen  Gegenstand  vor,  den  sie  in  der 
Geschichte,  Geopraphie,  Naturgeschichte,  iu  einem  Gedichte  oder  sonst 
irgendwo  genauer  kennen  gelernt  haben,  und  fordere  sie  alle  insge- 
sammt  auf,  über  denselben  etwas  „auszusagen".  Da  wird  nuu  über 
Hanuibal,  Rom,  Hund,  Peter  in  der  Fremde  u.  s.  w.  ein  halbes  oder 
ein  ganzes  Dutzend  Sätze  gebildet;  kein  nur  etwas  Websamer  Schüler 
will  hinter  seinem  Nachbar  zurückstehen,  und  fast  jeder  streckt 
begierig  den  Finger  in  die  Höhe  und  kauu  nicht  schnell  genug  seine 
freilich  oft  geringe  Weisheit  aussprechen 

Später  diktirt  man  mehrere  Substantiva  und  lässt  darüber  passende 
Sätze  machen,  über  mit  ausdrücklichem  Bannflüche  gegen  etwaige 
Ist-  etc.  Sätze  Dann  lässt  man  auch  bei  Durchnahme  der  verschiedenen 
Redeteile  in  der  Etymologie  in  diesem  Sinne  Sätze  bilden,  in  denen 


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277 


dieser  oder  jener  Redeteil  vorkommen  muss,  wpbei  ein  Subject  ange- 
geben werden  kann  oder  nicht. 

Endlich  lüsst  man  dem  Schüler  die  goldene  Freiheit,  seiuen  Stoff 
zum  Satze  selbst  zu  finden. 

So  kann  man  schon  in  den  Grammatikstunden  auf  eine  Besserung 
des  Uebels  hinwirken.  Das  ist  aber  selbstverständlich  nur  ein  kleines 
Körnchen  von  dem  grossen  Bau.  Die  Hauptsache  bleibt  der  eigentlich 
stilistische  Unterricht,  die  geistige  Belebung  aller  jener 
Unterrichtsstoffe,  denen  wir  oben  vorzugsweise  Erweiterung  des  Ideen- 
kreises zuschrieben  und  —  Mitwirkung  aller  Collegen  der 
betreffenden  Anstalt. 

Was  den  stilistischen  Unterricht  betrifft,  so  hiesse  es  nur  ein 
Tröpfchen  ins  Meer  giesseu,  wenn  wir  uus  läuger  dabei  aufhielten, 
und  es  ist  auch  hier  gar  nicht  der  Ort,  diesen  Punkt  einer  eingehenden 
Besprechung  zu  unterziehen.  Nur  dies  Eine  möchten  wir  berühren, 
dass  der  ganze  deutsche  Unterricht,  und  vorzugsweise  der  stilistische, 
nicht  bloss  eine  formelle  Richtigkeit  austrebeu ,  sondern  auf  dem 
Wege  der  Schul-  und  Privatkktüre  neue  Gedanken  zuführen  müsse. 
Unter  Privatlektüre  verstehen  wir  hier  das  Lesen  von  geeigneten 
-  Büchern  aus  Schül.erlesebibliotheken,  die  au  keiner 
Schule  fehlen  sollten.  Freilich  kann  dem  gegenüber  eingewendet 
werden:  „Woher  sollen  unsere  ohnehin  schon  überbürdeten  Schüler 
auch  noch  die  Zeit  zur  Privatlektüre  nehmen?'4  Wir  verstehen  das 
ganz  gut;  indes  sind  wir  der  Ansicht,  dass  fleissige*  Schüler  uueh 
dazu  noch  einige  Zeit  finden.  Eine  Entlastung  der  Schüler  von 
Schulstunden  zu  Gunsten  der  Privatarbeit  wird  jeder  Freund  der 
Jugend  mit  Freude  begrüssen  ,  und  sie  wird  seit  Jahren  von  Pädagogen 
und  Nichtpädagogen  ersehnt. 

Wir  können  unsererseits  von  der  gestellten  Forderung  nicht 
abgehen;  ohne  Privatlektüre  kein  ordentlicher  deutscher  Aufsatz,  keine 
Besserung  der  eingangs  berührten  Uebelstände!  Darum  müssen  die 
Schüler  Zeit  haben  zum  Lesen;  denn  das  Bischen,  das  sie  in  der 
Schule  lesen,  reicht  beiweitem  nicht  aus. 

Man  kann  aber  häufig  bemerken,  dass  die  jungen  Leute  selbst 
das  nicht  zu  benützen  verstehen,  was  sie  doch  offenbar  aus  Geschichte, 
Geographie  etc.  wissen  müssen  Ist  ihnen  im  deutschen  Sprachunterricht 
die  nötige  Anweisung  zur  Verwert uug  der  anderweitig 
erworbenen  Kenntnisse  zu  teil  geworden  uud  dennoch  nichts 
erzielt  worden,  so  steht  es  offenbar  um  diese  Kenntnisse  sehr  schlecht. 
Man  darf  überzeugt  sein,  dass  das,  was  die  guten  Jungen  in  der 
Geschichts-  oder  Geographie-  oder  Naturgeschichtsstunde  gehört  haben, 
nicht  in  Fleisch  und  Blut  übergegangen,  sondern  im  besten  Fall  ein- 
gelernt ist.  Alles  so  erworbene  Wissen  bleibt  aber  ein  totes,  wertloses, 

19* 


278_ 

unverwendbares.  Dagegen  muss  die  Methode  de9  Lehrers  ankämpfen 
Dadarch,  dass  ein  und  dasselbe  Lernobjekt  zu  Ker- 
sch ie»le  neu  Zeiten,  von  verschiedenen  Seiten  und  in 
verschiedenen  Verbindungen  auftritt,  wird  es  im  jugendlichen 
Geiste  lebendig,  wird  ein  Wissen,  über  das  man  jeden  Augenblick 
verfügen  kann. 

Zu  dieser  Belebung  des  Unterrichts  in  den  genannten  Fächern 
trägt  aber  noch  etwas  Anderes  viel  bei.  das  um  so  bedeutender  ist, 
als  nur  dadurch  in  der  jungen  Seele  Lust  und  Liebe  zur  Sache 
erzeugt,  der  „Sinn"  für  die  betreffenden  Lchrgegenstände  geweckt 
werden  kann.  Nach  unserm  Dafürhalten  muss  neinlich  der  Geschichts- 
und Geographie- Lehrer  so  gut  wie  der  Botaniker  mit  seinen  Schülern 
Excursionen  unternehmen.  Was  nützt  es,  wenn  den  Schülern  vor- 
gesagt wird,  es  gebe  vier  Weltgegenden  u.  s.  w.,  wenn  man  aber  im 
Zweifel  sein  muss,  ob  einer  darunter  ist,  der  den  Polarstern  kennt, 
der  ihm  die  Nordricbtung  anzeigen  soll?  Wertlos  ist  es,  wenn  ein 
Schüler  lernen  muss,  der  Arber  habe  eine  Höhe  von  4500',  falls  nicht 
am  Ort  der  Schule  ein  Berg  oder  Turm  genau  in  Augenschein 
genommen  worden  ist,  so  dass  von  da  ein  Schluss  auf  eine  Höhe  von 
4.MX)'  möglich  gemacht  ist.  Es  wird  aber  schwerlich  einen  Lehrer 
geben,  der  meint,  es  genüge,  Solches  den  Schulern  blos  zu  sagen. 
Das  muss  der  Lehrer  mit  ihnen  ausführen,  denn  sonst  bat  er 
gewiss  umsonst  geredet 

Und  erst  gar  in  der  Geschichte!  Was  wäre  das  für  ein  Unterricht, 
der  den  jungen  Leuten  nichts  weiter,  als  die  dürftigen  Daten  im 
Lohrbuche  böte?  Hinaus  ins  Freie  mit  den  Schülern!  Alles  was  uns 
umgibt ,  ist  ein  Produkt  tausendjähriger  Geschichte.  Diese  Statue 
erinnert  uns  an  Tilly  und  damit  an  den  dreissigjährigen  Krieg,  hier 
ruft  uns  eine  schwarze,  bemooste  Steinsäule  die  Gräuel  der  Husiten- 
kriege  ins  Gedächtnis.  Und  das  Gotteshaus  in  diesem  Dorfe,  wann 
ward  es  erbaut,  welche  Begebenheit  stellt  das  Freskogemaide  an  der 
Decke  dar?  Kurz,  es  gibt  tausenderlei  Anknüpfungspunkte,  auch  in 
dem  kleinsten  Städtchen.  Unsere  deutschen  Reichsstädte,  die  zum 
grossen  Teil  allerdings  jetzt  ihrer  Zahl  und  Bedeutung  nach  zusammen- 
geschrumpft sind ,  können  immerhin  ein  gutes  Stück  Geschichte 
erzählen.  Es  gibt  keinen  Ort,  wo  nicht  das  und  jenes  uns  auf 
vergangene  Zeiten  zurückweist.  Oder  sollten  all  die  Gemeinden  Deutsch- 
lands in  den  letzten  Jahren  ihren  in  Frankreich  gefallenen  Söhnen 
deshalb  Ehrendenkmäler  errichtet  haben,  damit  sich  nach  zehn  Jahren 
niemand  mehr  darum  umsehe  ?  So  erst  werden  wir  unsere  Jugend 
dahin  bringen,  dass  sie  nicht  blind  an  dem  vorüber  geht,  was  sie 
umgibt,  und  dass  sie  auch  ausser  der  Schule  selbst  sich  ihre  Gedanken 
bildet,   wenn   ihr   der  Lehrer   nicht  auf  dem  Fusse  folgen  kann. 


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279 

Das  aber  wird  nicht  ohne  eine  wolthätige  Rückwirkung  bleiben  auf 
Gedankenreichtum  in  den  deutschen  Aufsätzen. 

Um  eine  merkliche  Besserung  in  Bezug  auf  Gedankenreichtum  der 
deutschen  Aufslitze  zu  erleben,  bedürfen ,  wie  oben  bemerkt  wurde,  die 
Lehrer  des  Deutschen  auch  der  Mitwirkung  aller  Collegen  der  Anstalt. 
Ja  selbst  die  Vertreter  derjenigen  Fächer,  welche  vorhin  nicht  als 
gedankenbereichernd  in  unserm  Sinne  bezeichnet  worden  sind,  können 
hiovon  nicht  ausgeschlossen  werden 

Dem  Mathematik- Unterricht  wird  es  gewiss  nicht  schaden,  wenn 
er  hie  und  da  ein  paar  Minuten  aus  seiner  reinen  Abstraktheit  heraus- 
tritt und  etwa  bei  Durchnahme  des  "pythagoreischen  Lehrsatzes  nicht 
blos  von  Dreiecken,  Rechtecken  und  rechten  Winkeln  spricht,  sondern 
auch  einiges  einfliessen  läset  von  dem  Leben  des  Pythagoras;  und 
selbst  die  abgedroschene  ..Eselsbrücke1'  kann  Anlass  zu  einem  lehr- 
reichen Rückblick  auf  die  Vergangenheit  geben. 

Auch  der  Zeichnungsunterricht  bietet  der  Gelegenheiten  viele, 
in  diesem  Sinne  zu  wirken. 

Es  könnte  uns  nur  vielleicht  die  Frage  entgegen  gehalten  werden, 
ob  wir  berechtigt  sind,  dem  deutschen  Unterrichte  soviel  einzuräumen, 
dass  allen  Lehrern  eine  Mitwirkuug  zugemutet  werden  könnte.  Wir 
antworten  entschieden  mit  „ja";  denn  sämmtliche  Lehrer  haben  bei 
aller  Verschiedenheit  der  Fächer,  die  sie  vertreten,  in  ihrer  pädago- 
gischen Thätigkeit  ein  gemeinsames  Ziel  zu  verfolgen.  Dieses 
gemeinsame  Endziel  ihrer  Bemühungen,  an  dessen  'Erreichung  sie 
mitarbeiten  können,  ohne  ihr  spezielles  Fach  zu  beinträchtigen,  vielmehr 
in  dessen  eigenstem  Interesse,  kann  nur  dies  sein,  dass  die  geistige 
und  sittliche  Entwickelung  der  Schüler  möglichst  gefördert  werde. 
Nirgends  spiegelt  sich  aber  der  jeweilige  Bildungsgrad  eines  Menschen 
deutlicher  und  reiner  ab,  als  in  der  Art  und  Weise,  wie  er  seine 
Gedanken  in  der  Muttersprache  auszudrücken  versteht.  Mit  dem 
bekannten  „Xe  style  c'est  Vhomme"  bat  es  seine  volle  Richtigkeit. 

München.  H.  Krallinger, 


Bemerkungen  zn  dem  Ohm'schen  Gesetz. 

Bedeutet  E  die  clcctromotorische  Kraft  eines  Elementes,  w  den 
Widerstand  im  Element,  l  den  Widerstand  im  Leitungsdraht,  so  gilt 
für  die  Stromstärke  2  eines  einzigen  Elementes  die  Gleichung: 

TP  ■       ...  • 

W  -f-  l 


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280 

Nehmen  wir  N  Elemente  und  teilen  dieselben  in  Gruppen  ab  ,  so 
dass  jede  Gruppe  a  Glieder  enthält,  welche  zu  einem  einzigen  ver- 

N 

grösserten  Plattenpaar,  wahrend  die  -  Gruppen  kettenförmig  unter- 
einander verbunden  sind,  so  gilt  bekanntlich  die  Gleichung: 

 2) 

w  +  l 
a  N 
a 

Fragen  wir  uns  nun:  welchen  Wert  muss  a  haben,  damit  unter  sonst 
gleichen  Umstanden  J  ein  Maximum  oder  der  Xenncr  der  Gleichung  2) 
ein  Minimum  wird.  Diese  Frage  wird  aus  naheliegenden  Gründen  in 
der  Kegel  mit  Hülle  der  Differentialrechnung  gelöst;  wo  sich  andere 
Losungen  vorfinden ,  entbehren  dieselben  oft  der  wünschenswerten 
Durchsichtigkeit  *)  Am  einfachsten  setzen  wir  den  Nenner  der  Gleichung  2) 
gleich  einer  zunächst  beliebigen  Grösse  *,  so  dass  entsteht 

aus  welcher  Gleichung  sich  ergibt 


-  +  2  i  —  V  4  P  l 


Dun  kleinsten  Wert,  welchen  *  annehmen  kann,  damit  noch  reelle 
Werte  für  a  outsteheu,  erhalten  wir  nun  aus  der  Gleichung 

N*  «*  _  w  N 

worauB 

_  1  /  w  .  I         l/w  N  .  . 

w  l 

und  aus  der  Substitution  letzteren  Wertes       —      sich  ergibt;  d  h. 

a      N  . 

a 

der  Widerstand  im  Element  muss  gleich  dem  Widerstund  im  Leitungs- 
draht sein. 

Der  Umstand,  dass  dieser  Satz  bei  Erwähnung  des  Ohra'schen 
Gesetzes  kaum  zu  umgehen  ist,  mag  jeden  Versuch  einer  einfacheren 
Ilerleitung  wünschenswert  erscheinen  lassen 

Speier.  C.  Bender. 


*)  Man  vergleiche  Baumgartner 's  Physik.  Hte  Aull  p.  512.  Müller 
Pouillet.  IL  Bd.  Gte  Aull.  p.  242.  Victor  v  Lang  theoretische  Physik, 
p.  181.    Külp  Physik.    Bd.  3.  p.  343. 


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281 


Aufgabensammlung  aus  der  Algebra  von  Dr  E.  Bardey.  4.  Aufl. 
Leipzig,  Teubner. 

Die  vorliegende  Sammlung,  welche  über  8000  Aufgaben  enthält» 
ist  bestimmt  für  die  Gymnasialklassen  von  Quarta  bis  Prima  (incl.)- 
Dem  Anfänger,  welcher  nur  mit  bestimmten  Zahlen  zu  rechnen  gewohnt 
ist,  bietet  die  Rechnung  mit  allgemeinen  Zahlen  einige  Schwierigkeit. 
Der  Verlässer  erleichtert  die  Einführung  des  Schülers  in  die  Algebra 
dadurch,  dass  er  an  bestimmte  Zahlen- Beispiele  anknüpfend,  den 
Schüler  auf  ein  richtiges  Erfassen  der  Fundamentalsätze  der  Algebra 
hinführt  Ich  halte  es  nicht  für  ratsam,  sofort  beim  Beginne  des 
algebraischen  Unterrichtes  die  streng  wissenschaftlichen  Beweise  in 
Anwendung  zu  bringen,  denn  diese  werden  von  den  Schülern  entweder 
gar  nicht,  oder  was  noch  schlimmer  ist,  falsch  verstanden.  Es  handelt 
sich  zunächst  um  ein  klares  Yerständniss  der  Fundamentalsätzc  und 
nachher,  etwa  bei  der  Repelition,  können  die  wissenschaftlichen  Beweise 
durchgenommen  werden ,  wenn  man  überzeugt  ist,  dass  sie  auch  von 
den  Schülern  verstanden  werden. 

Am  Eingange  der  einzelnen  Abschnitte  befinden  sich  gewöhnlich 
einige  passende  Erläuterungen  oder  Fragen,  wodurch  ein  besonderes 
Lehrbuch  der  Algcbrn  völlig  überflüssig  gemacht  wird.  —  Ohne  dass 
der  strengen  systematichch  Anordnung  des  Stoffes  irgend  ein  Eintrag 
gethan  wird,  herrscht  eine  grosse  Abwechselung  in  den  Aufgaben, 
wodurch  einerseits  das  Interesse  der  Schüler  rege  gehalten,  anderseits 
aber  eine  sichere  Fertigkeit  in  den  algebraischen  Operationen  erzielt  wird. 

Besonders  hervorgehoben  zu  werden  verdienen  die  Abschnitte  von 
den  Gleichungen,  die  sehr  umfangreich  und  mit  Gründlichkeit  und 
grosser  Sachkenntniss  behandelt  sind  Der  Verfasser  hält  mit  Recht 
die  Gleichungen  für  den  Schwerpunkt  des  algebraischen  Unterrichtes. 
Denn  gerade  bei  den  Gleichungen  wird  die  ganze  Denkkraft  des 
Schülers  in  Anspruch  genommen.  Es  handelt  sich  nicht  nur  darum, 
das  richtige  Resultat  zu  finden,  sondern  besonders  darum,  unter  den 
möglichen  Lösungen  auch  die  kürzeste  und  eleganteste  zu  suchen,  und 
hiezu  wird  in  dem  Buche  diesem  Schüler  der  Weg  gebahnt  Das  Interesse 
wird  dadurch  rege  gehalten  und  der  dadurch  entstehende  Ehrgeiz 
leistet  gute  Dienste.  Dabei  befestigt  der  Schüler  von  Stufe  zu  Stufe 
fortschreitend  durch  die  verschiedensten  Operationen  das  früher  Er- 
lernte und  lernt  es  für  die  praktische  Anwendung  verwerten.  Es  kann 
also  dieses  Werk  angelegentlichst  empfohlen  werden. 

Kaiserslautern.  Dr.  van  Böbber. 


R.  Dietsch's  Grundriss  der  allgemeinen  Geschichte  für  die 
oberen  Klassen  von  Gymnasien  und  Realschulen.  Dritter  Teil  Neu 
bearbeitet  von  Gustav  Richter.  6.  Auflage.  Leipzig,  Druck  und 
Verlag  von  B.  G.  Teubner,  1874.    S.  S.  VIII  und  159. 

„Es  gilt  bei  dem  Geschichtsunterrichte,  die  Hauptzüge  in  den 
Thatsachen  und  den  Charakteren,  die  obwaltenden  Gleichheiten  und 
Verschiedenheiten,  den  zwischen  den  Begebenheiten  äusserlich  sicht- 


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282 


baren  Zusammenhang  aufzufinden  und  aus  der  Beobachtung  positive 
Wahrheiten  zu  schöpfen,  welche  auf  andere  Verhältnisse  wieder 
Anwendnng  finden  können  und  müssen,  in  den  Hauptsachen  also  dem 
Geiste  Methode  anznbilden ,  nicht  ihm  wissenschaftliches  Erkennen 
zuzumuten,  die  Vertiefung  in  die  Objekte  anzubahnen,  ein  volles 
Hegreifen  aber  weder  zu  wollen  noch  zu  fördern  "  In  diesen  Worten 
hat  Dietsch  (Scbroid,  Encyclopädie  des  Erziehungs-  und  Unterrichts- 
wcaens  2.  Baud  8.  781)  die  Aufgabe  des  Geschichtsunterrichtes  am 
Gymnasium  zusammengefasst  und  zugleich  die  Grundsätze  niedergelegt, 
nach  denen  die  Lehrbücher  und  Leitfäden  der  allgemeinen  Geschichte 
für  die  oberen  Klassen  am  Gymnasium  bearbeitet  werden  sollen  Zur 
Abfassung  solcher  Werke  war  Prof.  Dietsch  durch  seine  umfassenden 
Kenntnisse  und  seine  praktische  Erfahrung  ganz  besonders  berufen 
und  sowol  sein  Lehrbuch  als  sein  Grundriss  der  allgemeinen  Geschichte 
nehmen  unter  der  Flut  ähnlicher  Werke ,  welche  in  neuester  Zeit 
erschienen  sind,  »»ine  hervorragende  Stelle  ein.  Dieser  ehrenvolle  Platz 
wird  auch  in  Zukunft  diesen  Lehrbüchern  gesichert  bleiben,  da  die 
Verlagsbuchhandlung  bemüht  ist,  durch  zeitgemässe  Verbesserungen 
den  Wert  derselbeu  immer  mehr  zu  erhöhen  Der  dritte  Teil  des 
Grundrisses  (die  Zeit  von  1492  -  1871)  liegt  in  6.  Auflage  neu- 
bearbeitet von  Prof.  G.  Richter  vor 

Durch  richtige  Gruppierung  und  Vereinfachung  des  Stoffes  bat 
dieser  Grundriss  eine  wesentlich  verbesserte  Gestalt  erhalten  und  ist 
in  dieser  Beziehung  geradezu  musterhaft  zu  nennen  Auf  die  kultur- 
geschichtlichen Abschnitte  hat  Prof.  Richter  sein  besonderes  Augenmerk 
gelenkt,  da  ja  auf  den  oberen  Stufen  des  Gymnasiums  und  der  Real- 
schule der  Zusammenhang  des  geistigen  Lebens  mit  dem  politischen 
betont  werden  muss  Dass  die  neue  Auflage  um  eine  kurze  Darstellung 
des  deutsch- französischen  Krieges  bereichert  werden  musste,  ist  selbst- 
verständlich; denn  die  allgemeine  Geschichte  darf  nach  solchen 
Ereignissen,  wie  sie  die  letzten  Jahre  mit  sich  brachten,  nicht  mit  dem 
Jahre  1815  an  den  Gymnasien  abgeschlossen  werden  und  auch  die 
bairische  Schulordnung  vom  20.  Aug.  1874  fordert  die  Fortführung 
der  Geschichte  bis  auf  die  neueste  Zeit.  Die  Ursachen  und  der  Verlauf 
des  deutsch  -  französischen  Krieges  sind  klar  und  bündig  dargelegt  — 
um  vaterländischen  Sinn  zu  wecken,  bedarf  es  nicht  der  salbungsvollen 
Phrase  —  und  die  patriotische  Haltung  König  Ludwigs  II.  von  Baiern 
ist  mit  vollem  Rechte  gebührend  hervorgehoben.  Die  wichtigsten 
Bearbeitungen  der  einzelnen  Abschnitte  der  Geschichte  sind  im  vor- 
liegenden Grundrisse  nicht  angeführt;  Referent  dagegen  hält  eine 
Anführung  derselben  für  zweckmässig,  da  der  Lehrer  gewiss  anziehende 
Stellen  aus  mustergiltigeu  Geschichtsschreibern  zur  Belebung  des 
Unterrichtes  mitteilen  und  die  Schüler  hiedurch  angeregt  zur  Lektüre 
des  einen  oder  anderen  historischen  Werkes  greifen  werden.  Eine 
passende  Zugabe  bilden  die  chronologischen  Tabellen  und  die  Regenten- 
tafel. Durch  Anfügung  dor  letzteren  war  es  möglich,  die  Stammtafeln 
im  Texte  des  Buches  auf  6  zu  beschränken,  ohne  der  Uebersichtlichkeit 
Eintrag  zu  thun.  Nur  bei  §.  09  wünscht  Referent  eine  Stammtafel 
des  Hauses  Wasa  und  der  schwedischen  Könige  aus  der  Linie  Zwei- 
brücken-Kleeburg. Nach  Einfügung  dieser  Stammtafel  könnte  der  bei 
Karl  X  gemachte  schwerfällige  Zusatz  „der  Sohn  von  Gustav  Adolfs 
mit  dem  Pfalzgrafen  von  Zweibrücken  vermählter  älterer  Schwester" 
gestrichen  werden.    Warum  bei  der  Stammtafel  der  Häuser  Romanow 


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283 


und  Holstein -Gottorp  mit  Alexei  und  nicht  mit  Michael  Itomanow 
begonnen  wurde,  ist  Referenten  nicht  klar 

Einige  Ausstellungen  in  formeller  und  sachlicher  Hinsicht  will 
Referent  noch  beifügen,  nicht  um  an  der  verdienstlichen  Arbeit  des 
Professors  Richter  zu  mäkeln,  sondern  um  ihn  zu  veranlassen,  die 
vorgebrachten  Bemerkungen  zu  prüfen.  Der  allzuhäufige  Gebrauch  der 
Participien  im  vorliegenden  Grundriss  erschwert  nicht  selten  das  Ver- 
ständniss  und  arbeitet  den  Bemühungen  des  deutschen  Unterrichtes 
entgegen.  S.  00  heisst  es:  „Karl  VI  bemühte  sich  um  nichts  eifriger, 
als  die  in  seinen  Ländern  bereits  anerkannte,  seiner  Tochter  die 
Nachfolge  sichernde  Erbfolgeordnung  —  —  zur  Anerkennung  zu 
bringen";  auf  derselben  Seite  finden  wir  über  den  polnischen  Suc- 
ccssionskrieg  folgenden  Satz:  „Der  darüber  ausbrechende,  in  Italien 
und  am  Rhein  ohne  bedeutende  Thaten  geführte  Krieg,  in  dem  zum 
ersten  Mal  ein  russisches  Heer  in  Deutschland  erschien,  ward  geendet." 
Unmittelbar  darauf  heisst  es:  „Spanien  erhielt  für  den  Infanten 
Don  Carlos  Neapel  und  Sicilien  als  eine  Secundogenitur,  d.  h.  als  stets 
den  nachgebornen  Prinzen  zufallendes,  nie  mit  Spanien  zu 
vereinigendes  Land".  Noch  weitere  Participien  hat  ebendieselbe 
Seite  aufzuweisen.  —  Bei  der  Berührung  confessioneller  Verhältnisse, 
besonders  in  dem  Reformationszeitalter,  soll  in  einem  Scbulbucbe 
möglichst  grosse  Objektivität  angestrebt  und  alles  vermieden  werden, 
was  das  religiöse  Gefühl  verletzen  könnte.  Bei  einer  neuen  Auflage 
wird  gewiss  Prof.  Richter  in  §  10  den  Satz:  „Als  Leo  X,  zum  Bau 
der  Peterskirche  zu  Rom  Geld  bedürfend,  einen  Ablass  ausschrieb,  und 
der  Ablasskrämer,  Jobann  Tetzel,  Bevollmächtigter  des  Erzbischofs 
Albrecht  von  Mainz,  des  Generalahlasspächters  für  Deutschland,  auch 
in  der  Gegend  von  Wittenberg  sein  unverschämtes  Wesen  trieb,  schlug 
Luther  95  Thesen  an"  in  einer  Weise  umgestalten,  dass  die  Objektivität 
mehr  gewahrt  wird.    Auch  in  §.  14  wird  der  Satz:    „Ulrich  Zwingli 

S redigte  gegen  Ablass,  Wallfahrten,  Messopfer  und  andere  Missstände 
er  Kirche"  eine  Aenderung  erfahren  müssen,  denn  nach  den  ange- 
führten Worten  wird  das  Messopfer  zu  den  Missständen  der  Kirche 
gerechnet  Wenn  es  in  der  Darstellung  des  dreißigjährigen  Krieges 
S.  31  heisst:  „Ferdinand  hatte  unterdes  den  ehrgeizigen  Maximilian 
von  ßaiern  (auch  S  29  „der  ehrgeizige  Maximilian  von  Baiern")  durch 
hohe  Versprechungen  (Zusage  der  pfälzischen  Kur)  für  seine  Pläne 
gewonnen",  erhält  der  Schüler  ein  schiefes  Bild  dieses  bairiseben 
Fürsten;  denn  gewiss  war  es  bei  Maximilian  nicht'  der  Ehrgeiz,  der 
ihn  zum  Vorkämpfer  der  katholischen  Partei  machte  Auf  S.  29  in 
dem  Satze:  „Friedrich  IV  von  der  Pfalz  gründete  1608  (sollte  genauer 
heisren:  erneuerte  die  schon  1572  gegründete)  die  protestantische 
Union  zu  Ahausen"  vermisst  Referent  einen  kurzen  Zusatz  über  die 
Lage  von  Ahausen  (eine  andere  Schreibart  ist  Anhausen).  Bei  der 
Wichtigkeit  des  spanischen  Erbfolgekrieges  wäre  es  wol  passend 
gewesen,  den  Krieg  in  3  Abschnitte  zu  zerlegen:  1  Die  Zeit  des 
schwankenden  Kriegsglücks  1701  -  1705  2.  Die  Verbündeten  im 
Glück  170,')  —  1711.  3  Die  Wendung  und  die  Friedensschlüsse 
1711-  1714.  In  §.  72  wird  über  das  Ende  Karls  XII  angegeben: 
„Karl  XII  fand  1718  vor  Friedrichshall,  höchst  wahrscheinlich  durch 
Meuchelmord,  sein  Ende".  Die  auf  Ansuchen  des  schwedischen 
Geschichtsschreibers  Fryxell  im  Jahre  1859  angestellten  Untersuch- 
ungen an  der  Leiche  Karls  XII  haben  ergeben,  soweit  der  Beweis 
geführt  werden  kann,  dass  Karl  den  natürlichen  Tod  eines  Soldaten 


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gestorben  ist.  Daher  darf  der  Zusatz  „höchst  wahrscheinlich  durch 
Meuchelmord"  unbedenklich  gestrichen  werden  Die  Darstellung  des 
siebenjährigen  Krieges  erscheint  Referenten  zu  breit  Gerade  bei  der 
Darstellung  dieses  Krieges  wäre  eine  Vereinfachung  des  Stoffes  sehr 
erwünscht,  damit  der  Schüler  ein  anschauliches  Bild  von  diesem  Kriege 
gewinnt  Die  einzelnen  Streitkräfte,  welche  gegen  Friedrich  in  Bewegung 
gesetzt  wurden,  105<XK)  Franzosen,  174000  Oestreicher  u.  s.  w.  merkt 
sich  der  Schüler  entweder  gar  nicht  oder  nur  vorübergehend.  Ebenso 
hält  Referent  die  Angabe  des  Datums  jedes  einzelnen  Gefechtes  und 
jeder  einzelnen  Schlacht  für  überflüssig.  Moreaus  Verdienst  bei  dem 
Rückzüge  17%  haben  Sybel  und  Ilausser  auf  das  richtige  Mass  zurück- 
geführt; daher  sollte  in  einem  Grundriss  der  Geschichte  dieser  Rückzug 
nicht  als  ein  „musterhaft  bewerkstelligter"  hervorgehoben  werden. 
S.  101  heisst  es:  „Pius  VII  krönte  den  Kaiser  nebst  seiner  Gemahlin" 
und  unmittelbsr  nachher  „Napoleon  wurde  im  Dome  zu  Mailand  zum 
König  gekrönt".  Bekannt  ist,  dass  Napoleon  sich  zwar  vom  Papste 
salben  Hess,  aber  sich  und  seiner  Gemahlin  die  Krone  selbst  auf  das 
Ilaupt  setzte;  ebenso,  dass  er  sich  zu  Mailand  selbst  zum  Könige  von 
Italien  krönte.  Auf  S  131  wird  bei  der  Belagerung  von  Gaöta  ange- 
geben, dass  die  Königin  Marie,  Gemahlin  Franz  II,  eine  geb.  Herzogin 
voh  Baiern  ist.  Die  Glieder  der  herzoglichen  Linie  in  Bai^rn  führen 
den  Titel  Herzog  oder  Herzogin  in  Baiern,  während  der  König  von 
Baiern  auch  den  Titel  Herzog  von  Baiern  führt.  Also  wird  Herzogin 
von  Baiern  in  Herzogin  in  Baiern  zu  ändern  sein.  Auf  die  Schreibung 
der  Orts-  und  Personennamen  ist  besondere  Sorgfalt  verwendet  worden, 
nur  S.  29  steht  Achen  statt  Aachen,  S.  100  Freisingen  statt  Freising, 
S.  102  Eichstedt  statt  Eichstätt.  An  letzterer  Stelle  heisst  es  ungenau: 
Baiern  erhielt  durch  den  Friedeu  zu  Pressburg  mehrere  Bistümer 
(Eichstedt,  Passau)".  Baiern  erhielt  durch  den  Reiehsdeputationshaupt- 
schluss  Teile  der  bischöflichen  Gebiete  von  Eichstätt  und  Passau,  die 
anderen  Teile  dieser  beiden  Bistümer  fielen  an  den  Kurfürsten  von 
Salzburg  (früheren  Grossherzog  von  Toskana)  und  dessen  Teile  an  den 
früheren  Bistümern  Eichstätt  und  Passau  erhielt  Baiern  im  Frieden 
zu  Pressburg. 

Durch  die  schöne  und  zweckmässige  äussere  Ausstattung  und  den 
sehr  billigen  Preis  von  1  Mark  20  Pf.  hat  die  Verlagsbuchhandlung 
ihrerseits  zur  weiten  Verbreitung  dieses  trefflichen  Lehrmittels  wesent- 
lich beigetragen. 

Landshut.  Kraus. 


Grammatische  Vorschule  der  lateinischen  Sprache  und  des  Sprach- 
unterrichtes überhaupt  von  Joseph  Sanneg.  Leipzig,  Druck  und  Verlag 
von  B.  G.  Toubner,  1875. 

Dass  Jemand  ein  geistreicher  und  gründlicher  Kenner  der  latein- 
ischen Sprache  sein  kann,  ohne  zugleich  ein  praktische/  Jugendlehrcr 
zu  sein,  das  hat  wol  Herr  Sanneg  durch  seine  grammatische  Vorschule 
der  lateinischen  Sprache  zur  Genüge  bewiesen  Das  Buch  wird,  was 
grammatische  Untersuchungen  anlangt,  von  jedem  Sachkundigen  mit 
Vergnügen  gelesen  werden;  aber  das  klingt  doch  nicht  recht  glaublich, 


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285 


dass  es  ein  Schulbuch  sein  soll!  Auch  hat  der  Herr  Verfasser  anzugeben 
unterlassen,  für  welche  Klasse  oder  Klassen  es  bestimmt  sei.  Doch 
nicht  gar  für  Sexta V  Jeder  Unbefangene  muss  auf  den  ersten  Blick 
erkennen,  dass  die  Sprache  desselben  für  die  kleinen  Anfänger  da 
und  dort  zu  absolut,  zu  strengwissenschaftlich,  die  Hegeln  viel  zu 
minutiös  und  zu  wenig  übersichtlich,  die  Lesestücke  und  insbesondere 
die  Vokabeln  zu  übermassig  gehäuft  sind  Welche  Verwirrung  der 
Gebrauch  dieses  Lehrmittels  bei  den  Schülern  anrichten  müsste,  dafür 
unter  vielem  anderen  nur  einen  Beweis.  Nicht  selten  begehen  die 
ungeübten  Sextaner  Verwechslungen  von  Aktiv  und  Passiv,  besonders 
bei  den  mit  dem  Hilfsverb  „werden"  gebildeten  Formen ;  der  Herr 
Verfasser  aber  beschert  ihnen  freigebigst  auf  einen  Wurf  (Seite  15) 
neben  Aktiv  und  Passiv  auch  das  Medium  (mutnr  ich  ändere  mich), 
dazu  )das  Deponens  (hortor  ich  ermahne)  un,d  vapulo  ich  werde 
gesthlageu.  Eine  solche  Zusammenstellung  mag  gelehrt  sein;  aber  wo 
soll  der  jugendliche  Verstand  da  einen  Ruhepunkt  finden?  —  Die 
Sammlung  lateinischer  Sprüche  könnte  als  ein  grosses  Verdienst 
bezeichnet  werden,  wenn  man  nicht  fürchten  müsste,  dass  auch  diese 
mit  ihrer  vom  lateinischen  Wortlaut  ganz  abweichenden  deutschen 
Uebersctzung  den  armen  Sextanern  aufgebürdet  werden  sollen.  —  Noch 
sei  hier  der  Ueberraschung  Ausdruck  verliehen,  die  man  empfindet, 
wenn  man  in  diesem  gewiss  durch  uud  durch  modernen  Buche  die 
alten  Knittelreimc  (z.  B.  Bei  -a  und  -c  in  prima  hat  Das  genu*  femi- 
trimm  statt,  Die  übrigen  auf  -äs  und  -es  Bedeuten  etwas  Männliches, 
Seite  46)  neuerdings  verzeichnet  sieht. 

München.  L  Mayer. 


De  Aristotele  Ciceronis  in  rhetorica  auetore  quaestiones  scripsit 
Dr  Hugo  Jentsck    p.  1  und  II.    1874  und  1876. 

In  dieser  Scbrift  sucht  der  Verfasser  seiue  Ansicht  von  dem 
Einflüsse  des  Aristoteles  auf  die  Rhetorik  des  Cicero,  die  er  bereits 
in  seiner  Dissertation:  Aristotelis  ex  arte  rhetorica  quid  habeat  Cicero- 
Tierol  1866  niedergelegt  hatte,  weiter  auszuführen  und  zu  begründen. 
Zu  diesem  Behufe  untersucht  er  beider  Autoren  Definition  der  Rhetorik, 
ihre  Lehre  von  dem  Zwecke  und  dem  Stoffe  derselben ,  von  dem 
Unterschiede  der  Rhetorik  und  Dialektik,  von  dem  Nutzen  der  Rhetorik. 
Darauf  folgt  eine  eingebende  Darlegung  der  genera  causarum  und  der 
partes  rhetoricae  in  der  Doctrin  des  Aristoteles  und  des  Cicero.  Am 
Schlüsse  einer  jeden  Abteilung  wird  das  Ergebniss  der  Untersuchung 
besprochen,  das  freilich  meistens  dahingeht,  ein  Einfluss  des  Aristoteles 
auf  die  Rhetorik  Cicero's  lasse  sich  nicht  wahrnehmen.  Und  wenn 
doch  die  Lehre  Cicero's  mit  der  des  Aristoteles  genau  übereinstimmt, 
so  sagt  der  Verfasser  (z.  B  I  p.  23),  man  inüase  nicht  die  Autorität 
des  Aristoteles  darin  erkennen;  denn  Cicero  habe  ja  aus  den  Schriften 
anderer  oder  jüngerer  Rhetoren  seine  Lehre  schöpfen  können  Eigen- 
tumlich ist  es  freilich,  dass  der  Verfasser  in  einigen  Punkten,  in  denen 
des  Aristoteles  und  Cicero  Doktrin  den  Lehren  anderer  Rhetoren 
gegenüber  harmoniert,  doch  die  Autoritäi  des  Aristoteles  zugeben  muss 
Conscquenz  ist  das  jedenfalls  nicht.     Wahrscheinlicher  ist  es  doch 


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gewiss,  dass  Cicero  auch  sonst  Aristoteles  als  Quelle  seiner  Rhetorik 
benützte,  wenn  an  manchen  Punkten  dieselbe  anerkannt  werden  rauss 
Dazu  kommt,  dass  er  selten  von  Schriften  anderer  Hhetoren  spricht, 
dagegeu  Aristoteles  ungemein  häufig  citirt  80  führt  er  in  seinen 
Topica  (§  2)  nur  die  gleichnamige  Schrift  jenes  Philosophen  an  und 
doch  sagt  der  Verfasser  II  p  25:  In  Bruto  et  in  topicis  omnino  nullit* 
invenitur  qui  ex  philosophi  arte  reeeptus  esse  videatur  locus.  Ein  wie 
grosser  Irrtum  dies  ist,  werde  ich  an  einem  andern  Orte  ausführlich 
zeigen.  Cicero  nahm  eben  nur  soviel  aus  der  Doktrin  des  Aristoteles, 
als  er  für  seinen  Zweck  nötig  hielt,  Anderes  fügte  er  selbst  hinzu 
oder  suchte  mit  der  aristotelischen  Grundlage  die  Lehren  anderer 
tthetoren  zu  vereinigen.  Er  war  wie  in  der  Philosophie,  so  in  der 
Rhetorik  ein  Eklektiker,  nur  dass  er  sich  in  letzterer  mehr  an 
Aristoteles  anscbloss,  wie  er  überhaupt  seinem  Berufe  nach  das  System 
der  Rhetorik  besser  auftässte  und  consequenter  durchführte,  als  man 
dies  bezüglich  seiner  Philosophie  behaupten  kann 

Uebrigens  zeigt  die  Abhandlung  von  sehr  gründlichem  Studium- 
der  Schriften  von  Cicero  und  Aristoteles  und  einer  genauen  Kenntniss 
der  einschlägigen  Literatur  Die  Diktion  ist  etwas  gekünstelt  und 
schwerfällig,  so  dass  man  sieht,  dass  wie  bei  Cicero  der  Einfluss  des 
Aristoteles,  so  bei  dem  Verfasser  der  des  Cicero  nicht  anerkannt  zu 
werden  braucht  (cf.  I  p.  8). 

GQnzburg.  C.  Hammer. 


Der  Realunterricht  in  Preussen  und  Bayern.  Ein  Beitrag  zur 
Lösung  der  bayr.  Gewerbschulfragc.    München,  Cbr  Kaiser,  1875*). 

Nachdem  bisher  aus  dem  Schosse  des  obersten  Scbulrates  nur  die  nakte 
Thatsache  in  die  Oeffentlicbkeit  gedrungeu,  dass  derselbe  sich  zu  der 
80  vielseitig  geforderten  Erweiterung  unserer  Gcwerbschulcn  ablehnend 
verhalte,  so  ist  es  um  so  erlreulicher  jetzt  eine  Stimme  au8  dessen 
Mitte  zu  vernehmen,  welche  mit  der  überwiegenden  Mehrzahl  der 
Lehrer  einig  ist  in  der  Verurteilung  des  bisherigen  Zustandes,  ja  welche 
sogar  mit  viel  Eifer  und  Geschick  für  Einführung  Okursiger  Real- 
schulen plaidirt.  Dabei  bedauern  wir  von  vornherein,  dass  der  Verfasser 
der  bekannten  Broschüre  „Der  Realunterricht  in  Preussen  uud  Bayern" 
nur  das  preussische  Realschulwesen  in  Betracht  gezogen  hat,  indem  wir 
gerade  dieses  durchaus  nicht  als  Ideal  uud  nachahmenswert  ansehen 
können,  und  glauben,  dass  dasselbe  in  anderen  Staaten,  z.  B  Sachsen, 
Oesterreich,  der  Schweiz,  weit  besser  orgauisirt  ist.  Bereits  bat  eine 
Stimme  in  der  Allg.  Zeitung  vom  27.  Juni,  auf  die  wir  erst  nachträglich 


*)  Unterzeichnete  Hess  sich  angelegen  sein,  dass  auch  in  diesen  Blättern 
eine  Besprechung  der  interessanten  Broschüre  erscheine.  Nun  spricht  aber 
Verfasser  des  Obigen  sich  statt  der  Gkursigcn  für  eine  5 kursige  Realschule, 
die  vom  11.  Lebensjahr»1  anfange,  aus,  und  dazu  auch  noch  für  eine  7k ursige. 
Gleichwol  glaubt  die  Redaktion  diese  Einsendung  nicht  ablehnen  zu  sollen, 
um  so  weniger,  da  sie  ebensowol  die  Notwendigkeit  der  Reorganisation 
bejaht,  als  auch  diese  in  Erweiterung  der  bestehenden  3  Kurse  durch  unten 
und  oben  anzufügende  neue  Knrse  anstrebt.  D  R 


jiti 


zed  by  G^bgle 


287 


aufmerksam  gemacht  wurden ,  auf  diesen  Umstand  hingewiesen  und 
zugleich  auf  verschiedene  andere  Stellen  der  Broschüre  aufmerksam 
gemacht,  ohne  aber  mit  neuen  Vorschlägen  aufzutreten.  Auch  wir 
haben  von  Anfang  an  den  Schluss  aul  Einführung  Gkursiger  Realschulen 
mit  Schülern  vom  10.  Iti  Lebensjahre  nicht  gerade  mit  ungeteilter 
Freude  begrüsst.  Wir  erachten  nämlich  die  Opfer,  die  bei  der  Ein- 
führung und  Erhaltung  Gkursiger  Schulen  gebracht  weiden  müssen,  als 
zu  drückend  und  legen  uns  notgedrungen  die  Frage  vor:  Sind  die 
Ziele,  die  in  der  Broschüre  der  Gkursigen  Realschule  gesteckt  sind, 
nicht  mit  weniger  Opfern  z  B.  nicht  mit  einer  tniuderkursigen  Schule 
zu  erreichen?  Die  Antwort  auf  diese  Frage  fallt  bejahend  aus,  indem 
wir  glauben,  dass  der  unterste  Kurs  wegfallen  kann. 

Widersprechend  klingt  es,  wenn  man  auf  der  einen  Seite  soviel  für 
materielle  und  geistige  Hebung  der  Volksschule  thut,  und  auf  der 
andern  sie  unfähig  erklärt,  Knaben,  die  höhere  Bildung  sich  aneignen 
sollen,  länger  als  bis  zum  9.  oder  10  Jahn  zu  behalten.  Es  mag  das 
noch  eiue  gewisse  Berechtigung  haben  (notwendig  scheint  es  uns  gleich- 
wol  nicht)  bei  Knaben,  welche  sich  den  gelehrten  Studien  widmen 
sollen,  aber  unberechtigt  ist  es,  ja  sogar  ein  Unrecht  gegen  die  Volks- 
schule, wenn  man  auch  die  Knaben,  wolche  doch  nur  eine  angemessene 
höhere  Bildung  für  das  unmittelbare  praktische  Leben,  für  das  Handwerk, 
für  den  mittleren  Bürgerstand  suchen  (v.  Bericht  über  die  I.  General  - 
Versammlung  der  technischen  Lehrer  Bayerns  p.  9),  schon  mit  lOJahreu 
der  Volksschule  entreissen  will.  Es  ist  konstatirt  und  wurde  erst  jüngst 
auf  der  Versammlung  der  bayerischen  Gymnasiallehrer  anerkannt,  dass 
die  Methodik  in  der  Volksschule  in  den  letzten  Jahren  ganz  bedeutend 
verbessert  worden  und  jetzt  wol  als  mustergiltig  bezeichnet  werden 
kann;  es  ist  ferner  gewiss,  dass  die  Bestrebungen,  welche  auf  die 
geistige  Hebuug  der  Volksschule  abzielen,  allenthalben  die  besten 
Früchte  tragen:  warum  sollte  diese  also  nicht  annähernd  leisten  können, 
was  der  unterste  Kurs  der  Gklassigen  Realschule  als  Aufgabe  zuge- 
wiesen bekommt?  warum  soll  man,  an  sie  anschliessend,  nicht  auch  in 
5  Jahren  mehr  erreichen,  als  man  bisher  in  3  Jahren,  freilich  unvoll- 
kommen, hat  erreichen  müssen? 

Andererseits  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  ein  grosser  Teil  unserer 
Gewerbscbüler  vom  Lande  kommt  und  auch  später  kommen  wird,  und 
in  Beziehung  auf  die  allgemeine  Volksbildung  sind  gerade  diese  um  so 
lebhafter  zu  begrüssen  und  in  grosser  Zahl  herbeizuwünschen,  als  man 
ja  von  gewisser  Seite  her  den  Gewerbschulen  schon  den  Vorwurf 
gemacht  hat,  dass  sie  dem  Lande  nur  liberale  Bürgermeister 
erziehen.  Für  Eltern  aber,  die  auf  dem  Lande  wohnen,  ist  es  sicher 
nicht  gleichgültig,  ob  sie  ihre  Kinder  mit  10  oder  mit  11  Jahren  zur 
Stadt  schicken  sollen,  einmal  aus  Gründen  der  Erziehung,  der  körper- 
lichen Entwicklung  u  dgl.  und  das  anderemal  aus  finanziellen  Rück- 
sichten. Zudem  pflegen  sich  nach  unserer  Erfahrung  die  Leute  auf 
dem  Lande  erst  sehr  spät  zu  entschliessen,  ihren  Söhnen  noch  einige 
weitere  Bildung  angedeihen  zu  lassen,  und  somit  dürfte  dieser  Ent- 
schluss  für  viele  ein  zu  später  werden.  Welche  Bedeutung  die  finan- 
ziellen Rücksichten  auch  für  den  Säckel  der  Steuerzahlcnden  haben, 
darauf  wurde  bereits  oben  hingewiesen;  es  lassen  sich  nämlich  bei  5 
statt  6  Kursen  für  jede  Anstalt  mindestens  eine,  unter  Umständen  auch 
zwei  Lehrkräfte  und  zugleich  eine  entsprechende  Quote  der  RcaJ- 
Exigenz  ersparen. 


i  _ 


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Die  oben  citirte  Stimme  in  der  Allg.  Zeitung  ist  insbesondere 
damit  nicht  einverstanden,  dass  die  projektirten  6  Kurse  nur  in  ein- 
zelnen Schulen  eingeführt,  die  andern  aber  sich  mit  den  4  untern 
Kursen  begnügen  sollen.  Dieser  Missstand  würde  sich  auch  bei  den 
5klassigen,  ja  sogar  bei  den  4klassigen  Anstalten  nicht  ganz  beseitigen 
lassen;  denn  man  darf  sicher  annehmen,  dass  die  oberen  Kurse  immer 
verhältnissmässig  schwach  besucht  sein  und  dass  manche  unserer 
Gewerbscbulen  nicht  das  entsprechende  Material  für  die  oberen  zwei 
Kurse  erhalten  werden  -  dennoch  aber  könnten  mehr  von  diesen 
Schulen  in  5-  als  in  öklassige  Realschulen  umgewandelt  werden. 

Aus  diesen  Gründen  möchten  wir  die  Kursusdauer  einer  Realschule 
nicht  zu  weit  ausdehnen  und  vor  Allem  nicht  zu  früh  beginnen,  und 
dürfte  sich  der  alte  Spruch  ,,i'n  medio  virtus"  auch  hier  bewahrheiten, 
wenn  statt  der  ökursigen  ökursige  Anstalten  geschaffen  würden. 

Was  nun  die  Organisation  dieser  Schulen  betrifft,  so  wünschten 
wir,  dass  für  die  3  untern  Klassen  nur  das  Lehrziel  massgebend  sei, 
wie  es  der  unmittelbare  Uebertritt  in1*  bürgerliche  Leben  erheischt, 
ohne  Rücksicht  darauf,  dass  die  Schule  zugleich  Vorbereitung6Scbule 
für  weitere  Studien  sein  soll.  Es  müsstu  also  in  dem  in  der  Broschüre 
p.  63  aufgestellten  Lchrplan  (hier  für  den  II.  III.  IV.  Kurs)  die  deutsche 
Sprache  gegenüber  der  französischen  etwas  mehr  in  den  Vordergrund 
treten,  die  Physik  ganz  wegfallen,  und  für  das  Zeichnen  4  Stunden 
auch  im  untersten  Kurs  eingestellt  werden.  Gerade  aus  dem  III.  Kurse 
werden  die  meisten  Schüler  austreten,  jene  welche  sich  einem  Handwerk 
oder  sonstigen  bürgerlichen  Kleingewerbe  widmen,  jene,  deren  Mittel 
eine  Fortsetzung  des  Studiums  nicht  erlauben  und  die  möglichst  früh 
verdienen  müssen,  und  jene,  deren  Fähigkeiten  einen  weiteren  Besuch 
der  höheren  Klassen  nicht  gestatten. 

Können  nun  die  so  organisirten  3  Klassen  auch  als  Vorbereitung 
für  das  höhere  technische  Studium  dienen?  Sicherlich,  weil  hier  gerade 
jene  Fächer  gelehrt  werden,  welche  die  Basis  des  technischen  Studiums 
bilden.  Wie  soll  nun  aber  die  für  die  technische  Hochschule  nötige 
Vorbildung  weiter  vermittelt  werden?  Bei  Beantwortung  dieser  Frage 
stehen  wir  nicht  auf  dem  Standpunkt  des  Autors  der  Broschüre,  wir 
müssen  uns  sogar  teilweise  selbst  demeutiren.  Wir  würden  nämlich 
aus  den  2  noch  übrigen  Kursen  unserer  dklassigen  Realschule  am 
liebsten  eine  4klassige  Oberrealschule  machen  und  dieselbe  mit  einem 
festen  Lehrplane  (eine  Kopirung  der  pr.  Realschulen  IL  Ordnung 
fällt  uns  nicht  ein)  so  ausstatten,  dass  sie  dem  Besucher  eine  allseitige, 
möglichst  tiefgehende  Kcnntniss  der  deutschen ,  französischen  und  eng- 
lischen Sprache  und  Literatur,  Verständniss  der  Geschichte,  tüchtige 
Schulung  in  den  mathematischen  Disciplinen,  hinreichende  Bekanntschaft 
mit  den  Naturwissenschaften,  endlich  grosse  Fertigkeit  im  Zeich  neu 
gewähren  kann,  so  dass  der  Abiturient  dieser  Oberrealschule  wol 
befähigt  ist,  dem  eigentlichen  Fachstudium  an  der  polytechnischen 
Hochschule  obzuliegeu. 

Ja,  wenn  nun  der  Studirende  sich  einem  Berufe  zuwenden  will, 
für  welchen  er  das  höhere  Fachstudium  am  Polytechnikum  nicht  braucht, 
aber  ausser  einer  gewissen  allgemeinen  Bildung  doch  schon  eine 
bestimmte  Fachbildung  nötig  hat,  wie  sie  jetzt  unsere  Industrieschule!! 
bieten,  wohin  soll  sich  dieser  wenden?  Mit  andern  Worten:  welche 
Anstalt  ersetzt  die  Industrieschulen,  die  natürlich  mit  ihrem  Zweck  „als 
Vorbcreitungsanstalten  für  die  technische  Hochschule  zu  dienen1',  dahiu 
fielen?   Die  Antwort  hierauf  lautet  einfach  „das  Technikum",  welches 


j|£v  v.c  .    '  Digitized  by  Google 


289 


aber  als  reine  Fachschule  sich  aus  den  Industrieschulen  heraus- 
entwickeln müsste.  Die  Verquickung  der  beiden  Ziele,  welche  der 
Industrieschule  jetzt  gesteckt  sind,  einesteils  den  Techniker  für  den 
unmittelbaren  Uebertritt  in's  praktische  Leben  zu  befähigen ,  andern- 
teils  ihm  die  nötige  Befähigung  zum  Besuche  der  technischen  Hoch- 
schule zu  gewahren,  ist  nach  unserm  Dafürhalten  unbedingt  zu  verwerfen. 
Sie  führt  erstens  zu  einer  ungeheueren  Stundenlast  für  den  Schüler 
(40  —  44  per  Woche),  zweitens  gestattet  sie  einzelnen  Fächern,  z.  B. 
den  sprachlichen,  doch  wieder  nur  eine  zu  geringe  Stundenzahl,  sodass 
sowol  der  Unterricht  äusserst  mühsam,  als  auch  die  erzielten  Resultate 
verhältnissmässig  gering  siud  Man  sehe  sich  einmal  die  Noten  an, 
welche  im  Jahresbericht  1873  74  der  Münchener  Industrieschule  im 
I.  Kurs  aufgeführt  sind!  Es  muss  in  allen  allgemeinen  Fächern,  in 
Sprachen,  Geschichte,  in  Mathematik  der  Privatfleiss ,  das  Studium 
und  die  Uebung  zu  Hause  eintreten,  sollen  anders  nur  einigermassen 
bleibende  Resultate  erzielt  werden.  Aber  was  kann  man  von  einem 
16  —  18jährigen  Jüugling,  der  40  -  44  Stunden  wöchentlich  in  der 
Schule  zubringt,  der  häutig  nebenbei  noch  andere  .nützliche  Dinge, 
z.  B.  Musik,  Stenographie,  Buchhaltung  etc.  treiben  soll,  der  überdiess 
eine  fast  akademische  Freiheit  geuiesst,  in  dieser  Hinsicht  verlangen? 
Wir  sind  demnach  überzeugt,  dass  die  an  den  Industrieschulen  erzielten 
Resultate  berechtigten  Anforderungen  nicht  ganz  entsprechen,  wenn 
gleich  einzelne  Schüler  derselben  sich  später  am  Polytechnikum 
hervorthun;  namentlich  dürfte  die  allgemeino  Bildung  der  meisten 
Absolventen  der  Industrieschule  zu  wünschen  übrig  lassen.  Und  wenn 
sich  die  ehemaligen  Industrieschüler  wirklich  an  der  technischen  Hoch- 
schule vor  andern  auszeichnen,  warum  ist  es  mit  den  Berechtigungen 
derselben  z.B.  für  Eintritt  in  den  Staatsdienst,  gar  so  kläglich  bestellt? 

Wir  sind  uns  nun  wol  bewusst,  dass  wir  mit  diesen  Ausführungen 
nicht  überall  Beifall  finden  werden,  aber  es  scheint  uns  dieses  System 
das  rationellste  zu  sein.  Wie  das  Gymnasium  die  Vorschule  für  das 
Studium  an  der  Universität  ist,  so  soll"  die  Uberrealschule  Vorbereitungs- 
anstalt für  die  technische  Hochschule  sein.  Will  der  Gymnasiast  sich 
einem  Berufe  zuwenden,  wozu  er  das  volle  Gymnasium  odeT  die  Uni- 
versität nicht  zu  besuchen  braucht,  so  tritt  er  eben  au3  und  holt  sich 
seine  spezielle  Fachbildung  anderswo,  z.  B  in  der  Otticin  des  Apo- 
thekers. So  soll  auch  derjenige,  der  die  ganze  Oberrealschule  oder 
die  technische  Hochschule  nicht  notwendig  hat,  dieselbe  verlassen  und 
sich  seine  spezielle  Fachbilduug  in  der  mechanischen  Werkstätte,  im 
Comptoir  oder  am  Technikum  suchen 

Unsere  Vorschläge  sind  ferner  nichts  weniger  als  neu.  In  Oester- 
reich bestehen  Tkursige  vollständige  Realschulen  schon  längere  Zeit 
und  zwar  in  grosser  Blüte,  noch  länger  haben  wir  sie  in  der  Schweiz 
als  Parallelabteilungen  der  Gymnasien  (es  herrscht  daselbst  nämlich 
vielfach  das  sogenannte  Bifurcationssystem),  speziell  als  Gewerbscbule 
in  Basel.  Auch  die  Tech  n  a  floriren  in  Norddeutsch land  schon  seit 
geraumer  Zeit  und  die  Schweiz  hat  erst  unlängst  ein  solches  in 
Winterthur  gegründet. 

Um  zum  Schlüsse  das  Vorstehende  zu  rekapituliren ,  würden  wir 
in  erster  Liuie  das  System  der  Unter-  und  Oberrealschule  mit  Tecbnicum 
zur  Durchführung  empfehlen,  weil  gerade  darin  und  nur  darin  System 
ist;  in  zweiter  Linie,  wenn  man  diese  Einrichtung  aus  irgendwelchen 
Gründen  nicht  aeeeptiren  kann  oder  will,  scheinen  uns  ökursige  Real- 
schulen  an  Stelle   der    bisherigen  Gewerbschulen    treten  zu  sollen. 


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200 


Vierkursige  Anstalten ,  für  die  man  hie  und  da  noch  spricht  und 
schreibt,  dünken  nus  nicht  hinreichend,  wenn  ja  (loch  der  bisherige 
Lehrstoff  vertieft  und  um  das  Englische  vermehrt  werden  soll,  sechs- 
klassige  dagegen  erfordern  zu  viele  Opfer  und  scheinen  in  der  That 
überflüssig.  In  den  Vorkursen  mancher  Anstalten  hat  man  bereits  die 
vorgeschlagene  I.  Klasse  im  Grundriss  (und  somit  hätten  diese  Vor- 
kurse doch  wenigstens  einen  Nutzen  gehabt),  es  bliebe  also  bloss  noch 
eine  V  Klasse  oben  anzufügen,  resp  den  bisherigen  Lehrstoff  auf  die 
4  oberen  Kurse  zu  verteilen.  Sollte  sieh  dann  wirklich  einmal  das 
Bedürfnis!  nach  einein  weiteren  6  Kurse  gellend  machen,  nun  so  wird 
derselbe  sich  ebenso  leicht  unten  anfügen  lassen,  wie  die  nene  unterste 
Klasse  an  die  Lateinschule. 


Der  deutsche  Aufsatz  in  Lehre  und  Beispiel  für  die  obern  Klassen 
höherer  Lehranstalten  von  Franz  Linnig.  Zweite  umgearbeitete 
Auflage  Paderborn,  Ferdinand  Schüningh.  187.'».  347  S  in  8.  Pr.  3  M. 
Das  Werk,  das  schon  bei  seinem  ersten  Erscheinen  S.  202  des  VII.  Bds. 
dieser  Blätter  empfohlen  wurde,  weist  in  der  neuen  Auflage  denselben 
Gang,  nach  den  Hauptgattungen  und  Arten  der  Prosa,  auf,  hat  aber 
innerhalb  der  einzelnen  Stilgattungcn  so  wesentliche  und  zahlreiche 
Veränderungen  erfahren,  dass  es  seinem  Inhalte  nach  fast  als  ein 
neues  gelten  kann  Der  unfruchtbare  oder  entbehrliche  Stoff  wurde 
ausgeschieden,  und  dadurch  eine  Vermehrung  der  Aufgaben  und  Bei- 
spiele von  139  auf  302  ermöglicht,  ohne  dass  der  Umfang  des  Buches 
erweitert  oder  der  Preis  erhöht  zu  werden  brauchte.  Der  Stoff  ist  für 
die  fünf  oberen  Klassen  berechnet  und  darnach  ausgeschieden,  immer 
im  Anschluss  an  eine  bestimmte  Lektüre.  Das  woldurchdachte 
praktische  Werk  sei  wiederholt  empfohlen. 

Aufgaben  zum  Uebersetzen  ins  Lateinische  für  Quarta  im  Anschluss 
an  die  Grammatik  von  Ellendt- Seyffert  von  Dr.  Aug.  Haacke.  8.  Aufl. 
Berlin,  Weidmaun.  187.».  Ausser  einzelnen  Verbesserungen  des  Textes 
und  Nachträgen  im  Wörterverzeichniss  hat  die  neue  Auflage  keine 
Veränderungen  erfahren. 

Materialien  zum  Uebersetzen  aus  dem  Deutschen  ins  Lateinische 
für  die  mittleren  Gymnasialklassen  von  Aug.  Grotefend.  4.  vermehrte 
und  verbesserte  Auflage  von  D.  Ringe.  Erster  Cursus.  Göttingen, 
Vandenhöck  und  Ruprecht.  1874.  1  M.  60  Pf.  Die  neue  Auflage 
des  schon  lange  bekannten  Buches  ist  im  ganzen  unverändert  geblieben, 
doch  hat  es  eine  gründliche  Revision  und  eine  Erweiterung  von  einigen 
Bogen,  die  aus  dem  nächsten  Hefte  herübergenomraen  wurden,  erfahren. 
Citiert  sind  die  Grammatiken  von  Lattmann  -  Müller ,  Ellendt  -  Seyffert, 
Kühner  und  Berger. 

Kleine  lateinische  Grammatik  von  Dr  J.  Lattmann  und  H. 
D.  Müller.  3.  verbesserte  Auflage.  Göttingen,  Vandenhöck  und 
Ruprecht.  1874.  2  M.  Die  neue  Autlage  weicht  von  der  voraus- 
gehenden im  Texte  nur  wenig  ab,  dagegen  sind  die  Citate  aus  dem 
Lesebuche  getilgt  und  durch  ausgedruckte  Beispiele  ersetzt. 


P. 


Literarische  Notizen. 


291 


Lateinisches  l  ebungsbuch  von  Dr.  J.  Lattmann.  4.  verb.  Aufl. 
Göttiugen,  Vandenhöck  und  Ruprecht.  1875.  14  Gr.  Um  die  Benützung 
des  Baches  auch  ohne  Vorausgang  der  „Vorschule"  zu  erleichtern, 
sind  S.  1  —  3  und  auf  den  nächstfolgenden  einige  Sätze  aus  der  „Vor- 
schule" herübergekommen ;  in  Folge  davon  ist  das  Vokabular  S  3 
verkürzt.   Am  Texte  ist  sonst  nichts  geändert 

Griechisches  Uebungsbungsbuch.  Erste  Stufe.  Von  H.  D.  Müller 
und  J  Lattmann.  2.  verbesserte  Aufl.  Göttingen,  Vandenhöck  und 
Ruprecht.  1873.  80  Pf.  Ein  nur  im  Einzelnen  verbesserter  Abdruck 
der  ersten  Auflage 

Die  griechischen  Personennamen  nach  ihrer  Bildung  erklärt,  mit 
den  Namensystemen  verwandter  Sprachen  verglichen  und  systematisch 
geordnet  von  Dr.  Aug.  Kick  Göttingen,  Vandenhöck  und  Ruprecht. 
.1875.  8  M.  Das  Buch  handelt  auf  CCXIX  S.  von  der  Bildung  der 
griechischen  Personennamen,  von  der  celtischen  Namengebung,  vom 
germanischen  Namensystem ,  von  der  slavischen  Namengebung,  dem 
eranischen  Xamensysteiu ,  der  Namengebung  im  Sanskrit,  dem  Nanicn- 
systero  der  proetbnischen  Spracheinheiten;  dann  folgen  auf  236  S.  die 
griechischen  Personennamen  in  systematischer  Anordnung  (Anfangs- 
grnppen  und  Kosenamen,  End^ruppen,  System  der  griechischen  Namen- 
bilduug  in  mehreren  Unterabteilungen) 

Cicero's  ausgewählte  Reden,  erklärt  von  Karl  Halm.  Sechstes 
Bändchec  Die  erste  und  zweite  philippische  Rede.  Fünfte,  vielfach 
verbesserte  Auflage    Berlin,  Weidmann.    1875.    1  M.  20  Pf 

M.  Tulli  Ciceronis  Laelius,  erklärt  von  Dr.  C.  C.  W.  Nauck. 
7  Aufl.    Berlin,  Weidmann.    1875.    75  Pf. 

Homer's  Odyssee.  Erklärt  von  J.  U.  Faosi.  Zweiter  Band. 
Gesang  IX  —  XVI.  Sechste  Auflage.  Besorgt  von  W  C.  Kays  er. 
Berlin,  Weidmann.    1875.    1  M.  50  Pf. 

Titi  Livi  ab  urbe  condita  libri.  Erklärt  von  W.  Weissenborn. 
Erster  Band.  Erstes  Heft:  Buch  I.  Sechste  verbesserte  Auflage. 
Berlin,  Weidmann  1875.  1  M.  80  Pf.  Der  Text  ist  nur  an  wenigen 
Stellen  geändert;  die  Einleitung  unter  Benützung  von  H.  Peters  Belli- 
quiae  v  et  er  um  historicorum  Bom  ,  sowie  der  Abhandlungen  von  Nissen 
und  Wölfflin  umgearbeitet,  auch  der  Kommentar  revidiert 

C.  Julii  Caesaris  Commentarii   de   bello   Galltco ,    erklärt  von 
Fr.  Kr  ahn  er.    Neunte  verbesserte  Auflage  von  W.  D  ittenberger. 
Mit  einer  Karte   vcn  Gallien   von  H.  Kiepert.    Berlin,  Weidmann 
1875.    2  M.  25  Pf 

Deutsches  Lesebuch,  herausgegeben  von  R.  Au  ras  und  G.  Gn  er  lieh, 
Mit  einem  Vorworte  von  Dr.  C.  A.  Kletke.  Erster  Teil.  Untere 
Stufe.  9.  verb  Auflage.  Breslau,  Hirt'sche  Universitäts -Buchhandlung. 
1875.  2  M.  75  Pf.  Das  Lesebuch  will  dem  Lehrer  das  Material  bieten, 
um  die  Schüler  zum  Denken  anzuregen  und  sie  zu  üben,  ihre  Gedanken 
in  richtige  und  edle  Formen  zu  bringen.  Der  erste  Teil  (288  S.) 
enthält  Prosa,  der  zweite  (112  S.)  Poesie.   Noten  sind  nicht  gegeben. 

Das  Conto- cor rente  mit  einheitlichem  und  wechselndem  Zinsfusse, 
nach  drei  Rechnungsarten  von  Ad.  Christ.  Elberfeld.  Druck  und 
Verlag  von  Sam.  Lucas.  Der  Verfasser  bearbeitet  die  gestellte  Aufgabe, 
soweit  es  sich  um  die  progressive  &  retrograde  Methode  handelt,  ziemlich 
ausführlich,  berücksicht  namentlich  das  Contocorrent  mit  wechselndem 
Zinsfuss,  allein  den  gegebenen  theoretischen  Erläuterungen  über  Auf- 
stellung laufender  Rechnungen  fehlt  die  nötige  rechnerische  Begründung. 

«lütter  f.  d.  bayer.  Qymn.-  u.  Real-8chu»w.    XI.  Jahre  20 


292 


Berücksichtigt  man  ferner  noch,  dass  die  scalische  Rechnung  (Stufen- 
leiter) eine  höchst  einseitige,  unvollständige  Behandlung  erfährt,  so 
lässt  sich  diese  Schrift  für  Verwendung  beim  Schulunterricht  durchaus 
nicht  empfehlen. 

Lespoetes  frangaia.  Becueil  de  poesies  frangaises  par  E.  Pfund- 
heller.  Berlin,  Weidmann.  1875.  355  S.  in  kl  8.  Keine  Vorrede 
gibt  Aufseli lu ss  über  den  Zweck  der  Sammlung;  es  kann  also  nur 
konstatiert  werden,  dass  die  Auswahl  gut,  die  Ausstattung  hübsch  ist. 
Auch  Scenen  aus  Dramen  sind  aufgenommen.  Ausser  dem  Texte  findet 
sich  weder  Kommentar  noch  Wörterverzeichniss. 


Auszüge. 
Zeitschrift  für  d.  G  y  in  n  as  ia  1  w  e  s  e  n 

4.  5. 

I.  Noch  einmal  das  griechische  Scriptum  in  Prima.  Von  Dr.  0.  Kohl. 
Zunächst  gegen  einen  Aufsatz  von  H.  Hess  gerichtet,  das-  griechische 
Scriptum  verteidigend.  —  Beiträge  zur  Erklärung  des  Vergil  Von  Dr. 
Bentfeld.  (A.  III.  509.  IV.  527.  XII.  464.  G.  2.  110  f  A.  V.  451 
G.  I.  322.  G.  II.  806.  A.  VI.  191  —  lauter  Stellen,  wo  es  sich  um  Dativ 
oder  Ablativ  handelt).  —  Zu  Xen.  Anab.  V.  4,  10  —  20.  Zunächst  gegen  die 
Bedenken  Henrychowski's  in  dieser  Zeitschrift  (November  -  Heft  1874)  gerichtet. 

II  enthält  unter  anderem  eine  anerkennende  Recension  von  Dr.  Rieden- 
auers Studien  zur  Geschichte  des  antiken  Handwerks  von  Büchsensch  üri 
—  Jahresberichte  des  philologischen  Vereins  zu  Berlin:   Livius  von  Dr 
Müller  (Schluss);  Homer  von  Dr.  Lange:  a)  die  homerische  Frage. 

6. 

I.  Ein  Versuch  dos  Horatius  28.  Ode  des  1.  Buches  zu  erklären.  Vou 
Dr.  Fr.  Frigell  in  Upsala  „Horatius  stellte  sich  die  Leiche  eines  an 
den  Strand  geworfenen  Tarentinischen  Schiffers  neben  dem  noch  uubegrabeneo 
Greise  Archytas  vor  und  lässt  der  Seele  des  ersteren  beim  Anblick  des 
letzteren  einen  Monolog  über  die  Gleichheit  im  Tode  halten,  sowie  zuletzt 
unter  Verheissungen  und  Drohungen  an  einen  Vorübergehenden  die  Bitte 
stellen,  er  möge  ihnen  die  letzte  Pflicht  erweisen".  —  Zur  Frage  des 
Unterrichts  im  Altdeutschen  auf  den  höheren  Schulen.  Von  0.  Vogel  in 
-  Greifswald  (Entgegnung  auf  die  Einwendungen  Wilmanns'  gegen  die  im 
Januarheft  vorgetragenen  Ansichten  des  Verfassers)  —  Bemerkung  dazu 
von  Wilmanns. 

III.  Fortsetzung  der  „Jahresberichte"  (Homer  von  Lange,  Sophokles 
von  Jacob). 

Zeitschrift  für  die  österreichischen  Gymnasien. 

6. 

I  Ueber  Auffassung  und  Methode  der  Staatshistorie.  Von  Dr.  A. 
Fournier  (Habilitations  -  Vorlesung ,  gehalten  an  der  Wiener  Universität 
am  1.  Februar  1875). 


Statistisch  es. 

Ernannt:  Prof.  Dr.  Fischer  am  Max  -  Gymnasium  in  München 
zum  Domdechant  in  Eichstätt •,  Stndl.  Dr.  Reber  in  Regensburg  zum 
Direktor  der  höheren  weiblichen  Bildungsanstalt  in  Aschaffenburg;  Lehr- 
amtskandidat Matthäus  (Konk.  1873)  zum  Studl.  in  Kulmbach •,  Ass. 


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293 


Zrcnner  in  Schweinfurt  (Konk.  1873)  zum  Stadl  in  Hassfart;  Ass.  Kl 
Hellmuth  (Konk.  1873)  in  Speier  zum  Stadl,  in  Pirmasens. 

Versetzt:   Stadl.  Rayp  von  Bamberg  nach  Ingolstadt. 

Gestorben:   Subrektor  Strenber  in  St  Ingbert. 

■ 

Zum  Bericht  über  die  erste  Generalversammlung  des  Vereins  der 
technischen  Lehrer  (1875). 

In  diesem  Berichte  ist  S  11  der  Auszug  der  zweiten  Rede  des 
Unterzeichneten  mit  8  Zeilen  gegeben  und  mit  einem  et  cetera  geschlossen. 
Eine  gelegentliche  mündliche  Reklamation  erhielt  die  Antwort,  dass  die 
Schriftführer  das  Weitere  der  Rede  nicht  mehr  gewusst  hätten.  Auch 
kanu  ich  mich  nicht  erinnern,  dass  ich  etwa  nicht  zur  Sache  oder  zu 
lang  gesprochen,  oder  dass  ich  nur  von  Andern  schon  Gesagtes  noch 
wiederholt  hätte.  Ein  solcher  Schein  konnte  vermieden  werden ,  wenn 
man  mit.  einem  Punktzekhen  geschlossen  hätte,  wie  bei  meiner  ersten 
Rede,  ans  welcher  auch  manch  Wesentliches  fortgeblieben  ist.  Ich 
erwähne  da  nur  das  die  Frequeuz  des  bisherigen  III  Kurses  Betreffende, 
welch  letzterer  iu  beinahe  dem  vierten  Teile  der  Gewerbschulen  unter 
10  Schüler  (auch  2  und  3)  zähle;  dass  die  Gefahr  nicht  ferne  liege, 
dass  solche  vereinzelte  Schüler  auch  uubewusst  in  den  höhern  Kurs 
gewissermasaen  hinaufgetragen  werden,  und  dass  ihnen  jedenfalls  die 
anregende  Konkurrenz  einer  grösseren  Mitschülerschaft  abgehe.  I' Ober- 
nau),t  ist  schon  von  mehreren  Seiten  das  Bedürfniss  nach  vollständigerer 
Wiedergabe  der  Verhandlungen  ausgesprochen  worden,  wie  ja  auch 
vor  der  letzten  Versammlung  von  stenographischer  Aufzeichnung  ernst- 
lich die  Rede  war.  Der  Vergleich  mit  dem  Berichte  über  die  IX.  General- 
versammlung der  bairischen  Gymnasiallehrer  und  das  Interesse  au  den 
Sektionssitzungen  weckt  schliesslich  auch  noch  den  Wunsch,  dass  die 
Resultate  der  letzteren,  wie  sie  laut  obigen  Berichtes  protokollarisch 
bei  den  Akten  liegen,  nachträglich  zum  Abdrucke  gebracht  werden 

_   t   Dr.  A.  Kurz,  Prof. 

G  c  g  e  D  v  i  k  l  ä  r  u  n  g. 
Aus  der  Krkläruug  des  kgl.  Mathematik- Lehrers  II.  Schwager  S.  239 
dieser  Blätter  habe  ich  ersehen,  dass  ich  bei  Abfassung  meines  Lehrbuches 
(1874)  von  einer  nicht  vollständig  zutreffenden  Anschauung  ausgegangen 
bin.  Da  ich  nämlich  hiebei  zunächst  nur  den  Zweck  im  Auge  hatte,  für 
meine  Anstalt  ein  möglichst  praktisches  Lehrbuch  zu  verfassen,  so  glaubte 
ich  nicht,  dass  es  die  Aufmerksamkeit  weiterer  Kreise  auf  sich  ziehen 
oder  dass  jemand  ein  besonderes  Gewicht  darauf  legen  würde,  iu  meinem 
Buche  seinen  Namen  abgedruckt  zu  sehen,  und  beschränkte  mich  daher 
in  der  Vorrede  darauf,  das  vorliegende  Werkchen,  soweit  nicht  die  syste- 
matische Anordnung  hiebei  in  Frage  kommt,  einfach  als  Sammel- 
werk zu  charakterisieren.  Nachdem  mich  aber  die  jüngste  Zeit  eines 
Besseren  belehrte ,  erübrigt  mir  nur ,  meinem  lebhaften  Bedauern 
Ausdruck  zu  geben,  dass  ich  den  persönlichen  Interessen  nicht  mehr 
Rechnung  getragen  habe.  Indessen  will  ich  bei  der  II  Auflage  meines 
Buches  nicht  versäumen,  die  Namen  der  Herren  Bielmayr  und 
Schwager  zu  deren  Beruhigung  meiner  Vorrede  einzuverleiben. 

München,  den  12.  Juli  1875. 

Dr.  Fr.  üstrich, 
Direktor  der  Widmann'scheu  Lehranstalt. 


Gedruckt  bei  J  Gottejwinler  A  UÖMl  in  München,  Tlieatinentrasse  lb. 


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Jiitetatiftfe  ^ujeigen. 


Im  unterzeichneten  Verlage  ist  soeben  erschienen  und  durch  alle 
Buchhandlungen  zu  beziehen: 

Das  Sprachstudium  auf  den  deutschen 

Universitäten. 

Praktische  Rathschläge  für  Studirende  der  Philologie 

von 

B.  Delbrück, 

Ord   Professor  für  Sanskrit  und  vergleichende  Sprachkunde  an  der 
Universität  Jena.    gr.  8    brosch.    Preis  60  Pf 

Ueber  den  deutschen  Unterricht 

im  Gymnasium. 

Ein  Beitrag 

von 

Dr.  Albert  Dietrich, 
Director  des  kgl.  Gymnasiums  in  Erfurt,  gr.  8.  brosch.  Pr.  M.  1.20  Pf. 

Jena,  Juni  1875.  Hermann  DufFt. 


Soeben  erschien  und  ist  durch  alle  Buchhandlungen  des  In-  und 
Auslandes  zu  beziehen : 

Englischer  Wortschatz  (Vocabulary)  mit  Bezeichnung  der  Aus- 
sprache. 

NebBt  drei  Beilagen. 

L  Tabelle  zur  Ableitung  der  niederdeutschen  englischen  Wörter 
aus  dem  Hochdeutschen. 

2.  Vorbereitende  Anleitung  zum  Englischsprechen. 

3.  Sammlung  von  Sprichwörtern. 

*  Von  Georg  Traub. 

Preis  geh  9  sgr.,  cart.  10  sgr. 

J.      Heuser'sche  Verlagsbuchhandlung 
in  Neuwied  und  Leipzig. 


In  der Herdor'schen  Verlagshandlung  in  Freiburg  ist  erschienen 
und  durch  alle  Buchhandlungen  zu  beziehen: 

Baumstark,  B. ,  Philipp  II.,  König  von  Spanien,    gr.  8.    (VIII  und 
254  Seiten  )    M.  2. 


Die  Hyksos. 

Manetho,  ein  ägyptischer  Oberpriester  aus  Sebennytos,  unter 
Ptolemäus  Pbiladelphus ,  der  ausser  Anderem  die  vaterländische  Ge- 
schichte (Jiyvnrtaxu)  in  griechischer  Sprache  nach  den  heiligen  Büchern 
der  Aegyptier  schrieb,  berichtet  nach  Josephus  contra  Apionem  I,  14 
Folgendes :  „Unter  unserm  Könige  Timaus  fiel  unerwartet  von  Osten 
her  ein  unbekannter  Volksstamm  (ay^gtonoi  ro  ydros  «ui^ot)  in's  Land 
ein,  brachte  dieses  leicht  in  seine  Gewalt,  indem  die  dortigen  Fürsten 
unterworfen  wurden,  zündete  grausam  die  Städte  an  und  zerstörte 
die  Tempel  der  Götter.  Alle  Einwohner  aber  behandelte  man  auf  das 
feindlichste,  indem  die  einen  niedergemetzelt,  von  andern  die  Kinder 
und  Weiber  in  die  Knechtschaft  fortgeschleppt  wurden.  Zuletzt  machten 
sie  auch  einen  von  den  Ihrigen  zum  König,  Salatis  mit  Namen.  Gegen 
die  damals  mächtigen  Assyrier  befestigte  dieser  Avaris  ....  Der 
ganze  Stamm  wurde  Hyksos  genannt,  d.  i.  Hirten- Könige  (vx  König, 
auf  Hirt;  (Hac-  Schasu)).   Einige  sagen,  es  seien  Araber  gewesen." 

Wir  haben  hier  wieder  eine  Frage  aus  der  alten  Geschichte,  deren 
Lösung  schon  Manche  versucht  haben,  wobei  aber  verschiedene  Besultate 
zum  Vorscheine  kamen.  Einige  nämlich  halten  die  Hyksos  für  die 
Israeliten,  darunter  der  jüdische  Geschichtschreiber  Flavius  Josephus, 
und  von  den  Neueren  unter  Andern  Hengstenberg  Dagegen  unter- 
scheiden sie  andere  neuere  Korscher  von  den  Israeliten,  gehen  aber 
dabei  in  mehrfacher  Weise  auseinander.  So  z.  B.  gibt  Lepsius  gar 
keine  Berührung  der  Israeliten  mit  den  Hyksos  zu,  und  behauptet, 
dieselben  seien  schon  vor  Abraham's  und  Joseph's  Zeiten  aus  Aegypten 
wieder  vertrieben  worden.  —  Nach  einer  andern  Forschung  wäre  der 
neue  ägyptische  König,  welcher  die  Israeliten  zu  drücken  begann,  der 
erste  Hyksos -König  gewesen.  —  Wieder  andere  halten  zwar  die  Hyksos 
für  semitische  (arabische)  Stämme,  aber  nicht  für  die  Israeliten.  — 
Die  meisten  Neueren  aber  nehmen  an,  dass  die  Israeliten  unter  der 
Hyksosdynastie  in  Aegypten  eingewandert  und  von  dieser  begünstigt, 
dann  aber  nach  dem  Wiederaufkommen  einer  national -ägyptischen 
Dynastie  als  Freunde  und  Schützlinge  der  vertriebenen  Hyksos  gehasst 
und  bedrückt  worden  seien.  (Siehe  Dittmars  Weltgeschichte,  1.  Bd.  S.  96h 

Da  ich  in  der  Hauptsache  mit  Josephus  übereinstimme,  so  will  ich 
zunächst  hervorheben,  was  gegen  die  Glaubwürdigkeit  der  abweichenden 
Ansichten  spricht.    Wenn  also  für's  Erste  Lepsius  meint,  die  Hyksos 

Hlitter  t  d.  bayer.  Oymn.  -  u.  Real  -  Schulw.   XL  Jahrg.  21 


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296 


seien  vor  Abrabam's  und  Josephe  Zeiten  wieder  aus  Aegypten  vertrieben 
worden ,  90  widerspricht  diese  seine  Ansicht  einmal  der  Angabe  des 
Syncellus,  nach  welcher  anter  Rarnessemeno  Abraham  nach  Aegypten 
gekommen  sein  soll,  worauf  dann  die  sogenannten  Ilyksos  -  Könige  erst 
folgen;  Bie  widerspricht  aber  auch  der  jetzt  allgemein  zur  Geltang 
gekommenen  Annahme,  dass  die  Herrschaft  der  Hyksos  in  Aegypten 
etwa  von  2100  —  1600  v.  Chr.  gedauert  habe.  Ebenso  verstösst  die 
zweite  Behauptung,  dass  nämlich  der  neue  ägyptische  König,  der  die 
Israeliten  zu  drücken  begann  (II  Mos.  t,  8),  der  erste  Hyksos  -  König 
gewesen  sei,  gegen  die  gerade  erwähnte  Zeitdauer  der  Hyksos- Herr- 
schaft. Nach  den  neuesten  Hieroglyphen  -  Entzifferungen  ist  es  nämlich 
so  ziemlich  sicher,  dass  dieser  König  Armesses  M immun  (Ramesses  II, 
Sesostris)  war  (Luuth  „Moses  der  Ebräer")  Es  müsste  darnach  die 
Austreibung  der  Hyksos  in  der  Zeit  von  1100  —  1000  v.  Chr.  statt- 
gefunden haben,  was  aber  nicht  denkbar,  da  sonst  dieses  Ereigniss, 
so  spi.it  fallend,  in  der  Geschichte  der  Israeliten  oder  Aegyptier  bestimmt 
erwähnt  sein  würde.  —  Gegen  die  dritte  Aufstellung  ist  überhaupt 
meine  Beweisführung  gerichtet.  —  Bei  der  vierten  Annahme  endlich, 
dass  nämlich  die  Israeliten  unter  der  Hyksosdynastie  in  Aegypten  ein- 
gewandert, später  aber  von  einer  national  -  ägyptischen  Dynastie  als 
Freunde  der  Hyksos  nach  der  Vertreibung  dieser  gchasst  und  gedrückt 
worden  seien,  fragt  man  sich  billig,  warum  denn  die  Israeliten  nicht 
auch  vertrieben  worden  wären ,  resp.  warum  sie  nicht  mit  den  Hyksos 
das  Land  verlassen  hätten. 

Ich  suche  nun  zu  beweisen,  dass  die  sogenannten  Hyksos  die 
Israeliten  waren,  und  dass  diese  unter  Abraham  ins  Land  Aegypten 
eingebrochen  sind.  Die  Quellen,  welche  ich  benützte,  sind  die  fünf 
Bücher  Moses,  Flavius  Josephus,  Justinus  und  Tacitus  Eine  neuere 
Schrift  über  diesen  Gegenstand,  z.  B.  Knötel,  de  pastoribus,  qui  Hyksos 
vocantury  Leipzig,  1856;  L  Schulze,  de  fontibus ,  ex  quibus  historia 
Hycsosorum  haurienda  sit,  Berlin,  1838,  etc.  war  mir  leider  nicht 
zugänglich. 

Hengstenberg  meint  (s.  Dittmar  a.  a.  0 ),  die  ganze  Erzählung  des 
Manetho  von  den  Ilyksos  sei  eine  aus  ägyptischer  Nationaleitelkeit 
hervorgegangene  Entstellung  des  Aufenthaltes  der  Israeliten  in  Aegypten, 
da  weder  nerodot  noch  die  Bibel  der  Hyksos  erwähne,  und  sich  auch 
in  den  Inschriften  keine  nähere  Andeutung  finde,  weder  von  ihrem 
Eindringen  in's  Land,  noch  von  ihrer  Vertreibung  Heugstenberg  bat 
in  der  Hauptsache  nach  meiner  Ansicht' Hecht ;  allein  Manetho  bat 
sich  wol  keine  Entstellung  zu  Schulden  kommen  lassen;  denn  er  sagt 
eiufacb,  dass  Hirten  eingewandert  seien.  Uebrigens  spricht  das  von  ihm 
Behauptete,  sowie  der  weitere  Umstand,  dass  dagegen  die  Hebräer 
in  den  Inschriften  erwähnt  werden,  für  die  hier  vertretene  Ansicht. 


297 


Ks  fragt  sich  nun  zunächst,  ob  die  Hebräer  unter  Abraham  ein 
Hirtenvolk  waren,  dann  ob  Abraham  die  Macht  hatte,  einen  Teil  von 
Aegypten  zu  erobern,  und  ob  Stellen  dafür  sprechen,  dass  er  dieses 
gethan,  endlich  ob  auch  die  Zeitrechnung  stimmt 

Dass  die  Hebräer  unter  Abraham  ein  Hirtenvolk  waren,  wird 
jeder  zugeben,  der  I  Mos.  12  und  13  liest  Es  berichtet  dieses  aber 
auch  Josephus  bestimmt,  wenn  er  I,  14  contra  Apion.  schreibt:  ,,Penn 
unsern  ältesten  Vorfahren  ist  das  Hirtenleben  herkömmlich,  und  wegen 
ihres  nomadischen  Lebens  wurden  sie  Hirten  genannt".  Dasselbe  war 
auch  noch  zu  Joseph's  Zeit  der  Fall;  denn  dieser  spricht  zu  Pharao 
I  Mos  46,  32:  „Diese  Leute  (Joseph's  Brüder)  sind  Viehhirten;  denn 
es  sind  Leute,  die  mit  Vieh  umgehen,  und  ihre  Schafe  und  ihre 
Rinder  und  Alles,  was  sie  besitzen,  haben  sie  mit  sich  geführt»4 

Was  dann  den  zweiten  Punkt  anbelangt,  so  dürfte  nach  der  Dar- 
stellung der  Bibel  der  oberflächliche  Leser  zu  der  Meinung  kommen, 
Abraham  habe  bloss  einige  Knechte  und  Mägde  und  dazu  etwa  eine 
Heerde  Vieh  gehabt.  Sehen  wir  aber  genauer  und  nehmen  wir  das, 
was  die  Bibel  selbst  andeutet,  mit  dem  zusammen,  was  Flavius  Josephus 
und  andere  Schriftsteller  erzählen,  so  erhalten  wir  von  Abraham  und 
seiner  Macht  ein  ziemlich  deutliches  Bild. 

Die  Bibel  erzählt  uns  zunächst  (I  Mos.  12),  dass  Abraham  auf 
Gottes  Geheiss  mit  seinem  Weibe  Sara  und  seines  Bruders  Sohne 
Loth  von  Haran  weg  bis  nach  Sichern,  im  Lande  der  Kanaaniter,  dann 
nach  Bethel,  und  bei  einer  im  Lande  Kanaan  entstandenen  Hungersnot 
bis  nach  Aegypten  gezogen  sei,  mit  aller  Habe  und  allem  Gesinde 
Josephus  aber  erwähnt  (Arch.  I,  7  und  8,  1),  dass  Abraham  wegen 
seiner  neuen  Lehre  „von  dem  einen  wahren  Gotte,  dem  Schöpfer  der 
Welt"  mit  seinem  Anhange  aus  Mesopotamien  vertrieben  worden,  dann 
mit  einem  Heere  zu  Damaskus  angekommen  und  dort  König  gewesen, 
von  da  weiter  mit  seinem  Volke  nach  Kanaan  gezogen,  endlich,  da  eine 
Hungersnoth  dieses  Land  heimsuchte,  auch  nach  Aegypten  aufgebrochen 
sei,  um  an  den  reichlichen  Vorräten  der  Aegyptier  Teil  zu  nehmen, 
und  zu  hören,  was  ihre  Priester  über  die  Götter  sagten. 

Auch  Justinus  (36,  2)  berichtet,  dass  die  Juden  von  Damaskus 
kamen  und  dass  dort  Abraham  und  Israel  (Jakob)  Könige  waren. 

Dass  nun  aber  Abraham'*  und  seiner  Nachfolger  Herrschaft  sich 
wirklich  über  Syrien,  Kanaan,  Arabien  und  einen  Teil  von  Aegypten 
erstreckt  hat,  geht  aus  dem  Kachfolgenden  wol  zweifellos  hervor* 
Nämlich  1)  zieht  Abraham  mit  seinen  Leuten  und  seinen  Herden  ohne 
Anstand  durch  Syrien  und  Kanaan  bis  nach  Aegypten.  Dies  wäre 
nicht  möglich  gewesen,  wenn  er  nicht  dort  die  Obmacht  gehabt  hätte. 
2)  Teilen  sich  er  und  sein  Bruderssohn  Lot  in  das  Land,  wie  wenn 

21* 


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298 


sonst  Niemand  da  wäre.    3)  Abraham  eilt  vom  Süden  herbei  und  wirft 
die  assyrische  Kriegsmacht  siegreich  zurück,  während  vorher  mehrere 
Könige  von  derselben  geschlagen  wurden.    Auf  der  Rückkehr  huldigt 
ihm  König  Melchiscdek.    4)  Er  selbst  bat  als  Nebenweib  eine  Aegyp- 
tierin  (Hagar) ,  und  auch  sein  Sohn  Ismael  nimmt  eine  solche  zum 
Weibe.    Dies  deutet  offenbar  auf  nähere  Beziehungen  zu  Aegypten 
hin-    Ismael  zieht  nach  Süden;  er  ist  aber  noch  immer  in  Verbindung 
mit  Abraham;  denn  er  ist  bei  dessen  Begräbniss  anwesend  (I  Mos.  25, 9) 
5)  Seinen  Söhnen  und  Enkeln  von  der  Chetura  rüstet  Abraham  förm- 
liche Expeditionen  von  Ansiedhingen  aus.    Sie  nehmen  Troglodytis 
und  das  Land  vom  glücklichen  Arabien  bis  zum  erytbräischen  Meere 
ein;  einige  von  ihnen  unternehmen  auch  Feldzüge  nach  Libyen  (Jos. 
Arch.  I,  15).    Das  nordöstliche  Aegypten  war  eben  schon  unter  Abra- 
ham's  Herrschaft.  Dafür  dürfte  auch  der  Umstand  zeugen,  dass  Abraham 
seine  Residenz  im  südlichsten  Teile  von  Kanaan ,  nahe  an  der  Grenze 
von  Aegypten,  in  Hebron  und  Gerar  hatte.    6)  Von  Ezion- Geber  sagt 
Jo8epbus  (Arch.  VIII,  6,  4):  „Dieses  Land  gehölte  vordem  den  Juden". 
Das  geht  natürlich  nicht  etwa  blos  auf  die  Zeiten  des  Salomo,  sondern 
es   erstreckt   sich   zurück  auf  Abraham's  Zeiten.    Es  sagt  nämlich 
Josephus  (Arch  II,  9,  3),  Abraham  habe  dem  Ismael  und  seinen  Nach- 
kommen das  Land  der  Araber,  den  Söhnen  der  Chetura  Troglodytis, 
einen  Teil  der  Ostküste  Aegyptens,  und  dem  Isaak  Kanaan  hinterlassen. 
7)  Als  Abraham  und  Lot  sich  abteilen,  da  heisst  es  vom  Jordan's  Gau 
(I  Mos  13,  10):  „Das  Land  am  Jordan  war  gleich  einem  Garten  Gottes, 
gleich  dem  Lande  Aegypten  bis  gegen  Zoar  hin".    Hier  wird  Aegypten 
offenbar  desswegen  genannt,  weil  es  den  Abrahamiten  schon  bekannt 
war,  ja  wir  können  sagen,  weil  es  zum  Teilungsgebiet  gehörte.  8)  Nach 
der  Trennung  von  Lot  spricht  Jehova  zu  Abraham  (I  Mos.  13, 14  und  15): 
,,Hebe  doch  deine  Augen  auf  und  siehe  von  dem  Orte,  wo  du  bist,  gegen 
Mitternacht,  gegen  Mittag,  gegen  Morgen  und  gegen  Abend.  Nämlich 
das  ganze  Land,  welches  du  siehst,  gebe  ich  dir  und  deinem  Samen 
für  immer'1.   Die  Hauptbeweisstelle  scheint  aber  I  Mos.  K>,  18  zu  sein, 
wo  Jehova  zu  Abram  sagt:  „Deinem  Samen  gebe  ich  dieses  Land  vom 
Strome  Aegyptens  an  bis  zu  dem  grossen  Strome  Phra t"4 
Moses  kann  dieses  nur  von  der  Vergangenheit  gesagt  haben,  da  er  ja 
selbst  die  Israeliten  aus  Aegypten  herausführt. 

Was  nun  die  Zeit  betrifft,  so  will  ich  der  üebersicht  wegen  die 
Reihenfolge  der  ägyptischen  Könige,  wie  wir  sie  bei  Manetho,  Josephus 
und  Syncellus  finden,  und  soweit  sie  hier  dienlich  sein  kann,  zuvörderst 
folgen  lassen: 


299 


Manetho.  Josephus.  Synoellns. 

1").  Dynastie  (Hyksos ) :  Salatis,  Beon,  Ramessemeno,  Ra- 
Saites,  B  eo  n,  Apacb-  Apachnes,  Apophis,  Ja-  messe  I  u.  II,  Koncbaris, 


nias,      Assis     Alis-  Silite  s,  Bäon,  Apach- 

phragmutosis  Tut-  nes,   Aphobis,  Setbos 

mosis,  Chebron,  Arne-  Kertus,  Asetb,  Amosis 

nophis,  Amessis,  Me-  (Themosis),  Chebron, 
phrea ,  MepbramutOBis,     Amepbes  Amenses, 

Tmosis ,  Amenopbis  Misphragmutosis, 

(Memnon),    Horos,  Misphres  ,  Tuthmo- 

Arkencheres ,  Rathotis,  sis  Amenophtis,  Ho- 

Ach ench eres ,     Armais,  ros,  Achencberes, 


Rumcssos,  Artnesses 
(Sesostris),  Arne- 
nophis. 


Athoris ,  Chencberes, 
Ach  eres  ,     A  um  aus 

(Danausi,  Rames- 
ses  (Aegyptos), 

Amenopbis. 


nes,  etc.,  Aphobis. 
16.  Dynastie  (ITyksos). 

17.  Dynastie 

18.  Dynastie  : 
Arnos,  Chebros,  Ame- 
nopbis, Amersis,  Misa- 
pbris,  Misphragmu- 
tosis ,  Tuth  mosis, 
Amenopbis  (Mem- 
non), Horos,  Achen- 
cberses,  Acherres,  Atho- 
ris, Ros,  Chencheres, 

Chebros ,  Acherret, 

Acberres ,  Cherres, 
Ar  m  es  es  (Armes, 
Danaus),  Ramme- 
b  e  s,  Ameses  (Aegyptos), 
Amenopbis. 

Der  Einfall  der  Hyksos  in  Aegypten  stimmt  mit  der  Einwanderung 
Abrabam's  in  Syrien,  Kanaan  und  Aegypten  hinsichtlich  der  Zeit  voll- 
ständig überein;  beide  Ereignisse  setzt  man  nämlich  nach  alten  Ueber- 
lieferungen  und  neueren  Entzifferungen  in  die  Zeit  von  2100  —  2000 
v.  Chr.  Die  Bibel  nun  gibt  (II  Mos.  12,  40)  die  Zeit,  welche  die 
Söhne  Israels  in  Aegypten  gewohnt  haben,  auf  430  Jahre  an,  während 
Josephus  (Arcb.  II,  15,  2)  so  viele  Jahre  von  der  Einwanderung  Abrabam's 
in  Kanaan  bis  zu  Moses  Auszuge  aus  Aegypten,  dagegen  von  dem 
Zuge  Jakobs  nach  Aegypten  bis  zum  erwähnten  Auszuge  215  Jahre 
zählt.  Es  sind  aber  auch  nach  der  Bibel  von  der  Einwanderung 
Jakobs  bis  zu  Moses1  Auszuge  430  Jahre  rein  unmöglich:  Nach  I  Mos. 
46,  8  und  11  sind  nämlich  die  Söhne  Levi's  schon  vor  dem  Zuge 
Jakobs  nach  Aegypten  geboren.  Nimmt  man  nun  an,  Kehat  habe  erst 
im  70.  Jahre  Amram ,  und  dieser  wieder  erst  im  70.  Jahre  Moses 
erzeugt,  so  wären  bis  zum  Auszuge  aus  Aegypten,  wo  Moses  80  Jahre 
alt  gewesen  (II  Mos  7,  7),  im  günstigsten  Falle,  wenn  nämlich  Kehat 
bei  der  Einwanderung  in  Aegypten  erst  ein  Jahr  alt  gewesen ,  nur 
etwa  220  Jahre.  Es  muss  also  in  der  Bibel  der  Aufenthalt  der  Israeliten 
in  Aegypten  offenbar  von  Abraham  an  gerechnet  werden.  Zwar 
bekämen  wir  nach  Josephus'  Angabe  der  Regierungsjahre  der  dama- 
ligen ägyptischen  Könige  von  dem  Einfalle  der  Hyksos  bis  zu  ihrer 


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300 


Vertreibung  nahezu  600  Jahre;  allein  man  sieht  bei  einer  näheren 
Vergleichung  der  Regententafeln  auf  den  ersten  Blick,  dass  manche 
Namen  oft  ein  und  dieselbe  Person  bezeichnen,  so  dass  man  die  er- 
wähnten 430  Jahre  als  annähernd  richtig  annehmen  darf.  Dass  nun 
auch  die  Worte:  „ aySytonoi  t»  yivos  «oy/Aoi"  ganz  passend  auf  Abraham 
und  sein  Volk  bezogen  werden  können,  ist  klar,  da  er  ja  so  zu  sagen 
gerade  erst  von  Nordosten  heranzieht. 

Wir  gehen  nun  in  dem  Beweise  unsers  Themas  weiter:  Manetho, 
der  übrigens  die  Dauer  der  Hyksos  -  Herrschaft  auf  511  Jahre  angibt, 
schreibt,  es  hätten  sich  hierauf  die  Könige  aus  der  Thebais  und  aus 
dem  übrigen  Aegypten  gegen  die  Hirten  erhoben  und  es  sei  gegen 
sie  ein  grosser  und  langdauernder  Krieg  ausgebrochen.  Von  dem  Könige 
Alisphragmutosis  aber  seien  die  Hirten  besiegt  und  in  den  festen  Platz 
Avaris  eingeschlossen  worden.  Tutmosis,  dessen  Sohn,  habe  sie  in 
Avaris  belagert.  Da  aber  die  Eroberung  nicht  glücken  wollte,  sei 
ihnen  durch  Vertrag  gestattet  worden,  ungefährdet  aus  Aegypten  abzu- 
ziehen, wohin  sie  wollten  Sie  hätten  nun  ihren  Weg  durch  die  Wüste 
nach  Syrien  genommen,  und  hätten  dann  aus  Furcht  vor  der  Herrschaft 
der  Assyrier,  die  damals  Asien  beherrschten,  in  dem  jetzigen  Judäa 
eine  Stadt  gebaut  und  dieselbe  Hierosolyma  genannt. 

Auch  Tacitus  erwähnt  im  2.  Cap.  des  V.  Buches  der  Historien,  wo 
er  die  verschiedenen  Ansichten  über  die  Herkunft  der  Juden  gibt, 
Folgendes:  „Einige  überliefern,  schreibt  er,  zusammmeogelaufene  (?) 
Assyrier,  ein  eines  Landes  bedürftiges  Volk ,  hätten  sich  eines  Teiles 
von  Aegypten  bemächtigt,  bald  aber  eigene  Städte  und  die  hebräischen, 
näher  an  Syrien  grenzenden  Länder  bewohnt"  Daraus  geht  so  ziem- 
lich deutlich  hervor ,  dass  die  Abgezogenen  Israeliten  waren.  Auch 
Josephus  Flavius  nimmt  dieses  an,  da  er  I,  2G  contra  Apionem  schreibt: 
„Manetho  sagte,  dass  unsere  Vorfahren  mit  vielen  Myriaden  nach 
Aegypten  gekommen  sind  und  die  Bewohner  unterworfen  haben,  später 
aber  Aegypten  wieder  verloren  und  das  jetzige  Judäa  bekommen  und 
Jerusalem  und  den  Tempel  gebaut  haben.  Soweit,  setzt  er  bei,  folgte 
er  den  Aufzeichnungen  in  den  heiligen  Büchern". 

Man  kann  hier  einwenden,  dass  sich  Josephus  irrt;  denn  die  Hyksos 
sind  schon  unter  Tuthmosis  aus  Aegypten  vertrieben  worden,  und  zwar 
sind  sie  über  Avaris  zurück.  Dagegen  soll  Moses  erst  unter  König 
Amenophis,  dem  Nachfolger  des  Sesostris ,  und  zwar  durch  das  rote 
Meer  nach  der  arabischen  Wüste  die  Israeliten  aus  Aegypten  geführt 
haben.  Ein  solcher  Einwand  scheint  mir  wenigstens  sehr  begründet 
zu  sein.  Josephus  irrt  sich  nämlich  gewaltig;  er  wirft  einfach  zwei 
Ereignisse,  den  Rückzug  der  sogenannten  Hyksos  über  Avaris  und  des 
Moses  Zug  durch  die  Wüste  zusammen;  er  nimmt  an,  Moses  habe  die 
Ilyksos,  seine  Vorfahren,  schon  unter  Tuthmosis  aus  Aegypten  geführt 


301 


(c.  Ap.  I  31).    Wo  bliebe  aber  da  die  Leidensperiode  der  Israeliten, 
•  wo  sie  Ziegel  machen  und  Steine  schleppen  mussten?  (II  Mos.  1,  14; 
Jos.  Aren  II,  9  1). 

In  die  beiden  erwähnten  Ereignisse  nun  einen  (historischen) 
Zusammenhang  zu  bringen,  dürfte  die  Lösung  des  Themas  sein.  Möge 
dieses  gelingen! 

Die  Bücher  Moses'  sind  in  erster  Linie  eine  religiöse  Urkunde, 
und  erst  in  zweiter  ein  Geschichtsbuch.  Moses  lässt  das  Walten 
Jehova's  besonders  in  den  Vordergrund  treten,  um  den  Juden  Vertrauen 
zu  ihm  einzuflössen.  Er  hat  daher  ein  Interesse ,  die  vor  und  bei  der 
Zurückdrängung  seiner  Vorfahren  nach  Avaris  vorgefallenen  Kämpfe 
zu  verschweigen.  Aus  demselben  Grunde  lässt  er  nicht  die  Israeliten 
nach  Aegypten  eindringen  —  dass  Abraham  nach  Aegypten  kam, 
erwähnt  er  nur  obenhin  -,  sondern  er  knüpft  die  Einwanderung  der 
Familie  Jakobs  an  die  Geschichte  Josephs  und  lässt  diese  Familie  sich 
wunderbar  vermehren.  Josephs  Geschichte  nun  ist  in  der  Bibel  eben 
nach  dem  gerade  erwähnten  Gesichtspunkte  Moses'  erzählt  Ich  will 
nur  anführen,  dass  Joseph,  als  er  noch  zu  Hause  ist,  keine  Träume 
auslegen  kann;  denn  er  geht  seine  Brüder  und  seinen  Vater  um  die 
Auslegung  seiner  eigenen  Träume  an  (Jos  Aren.  II,  2,  2.  und  3).  Später 
aber  deutet  er  in  Aegypten  dem  Mundschenk  und  dem  Mundbäcker, 
ja  dem  Könige  selbst  die  Träume;  auch  weissagt  er  mit  dem  Becher 
(I  Mos.  44,  6  und  15).  Wober  auf  einmal  dieses?  Zur  Aufklärung 
schreibt  Josephus  (Arch.  II,  9,  2),  die  geistlichen  Schriftglehrten  seien 
es  gewesen,  die  in  dergleichen  Dingen  erfahren  gewesen.  Weiter 
erwähnt  er  (Arcb.  II,  10,  2),  dass  es  (zu  Moses'  Zeiten  wenigstens) 
solche  schriftgelehrte  Priester  (leQoyQa/x/uaKis)  in  Aegypten  auf  Seiten 
der  Aegyptier  und  Israeliten  gegeben  habe.  Joseph  ist  also  jedenfalls 
in  Aegypten  in  diesen  Künsten  unterrichtet  worden  So  berichtet  auch 
Justinus,  indem  er  unter  Anderem  a.  a.  0.  schreibt:  „Als  Joseph  dort 
die  magischen  Künste  {magicas  artes)  mit  Geschirlc  gelernt  hatte,  war 
er  in  Kurzem  dem  Könige  selbst  sehr  theuer ;  deun  er  war  sehr  scharf- 
sinnig in  Erklärung  der  Wundererscheinungen  (prodigiorum  sagacis- 
sitnus);  auch  erfand  er  zuerst  die  Traumdeutekunst;  ja  er  sah  sogar 
die  Unfruchtbarkeit  des  Bodens  viele  Jahre  voraus".  Aber  auch  Josephus 
erzählt  (Arch.  II,  4,  1),  dass  Joseph  in  Aegypten  in  den  freien  Künsten 
unterrichtet  wurde.  Bedenkt  man  nun  noch,  dass  der  ägyptische  König 
dem  Joseph  auch  die  Tochter  Potiphera's  (nerQsyrjg),  des  Priesters  zu 
On  (Heliopolis)  zum  Weibe  gab  (I  Mos.  41,  45;  Jos.  Arcb.  II,  6,  1),  so 
darf  man  für  gewiss  annehmen,  dass  Joseph  selbst  unter  der  Zahl  der 
leQoyQttfj (A«x eis  war,  als  welchen  ihn  auch  Chaeremon,  Vorsteber  der 
Bibliothek  in  Alexandria,  bei  Jos.  (I  32  c.  Ap.)  erwähnt. 


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302 


Da  nun  die  Bibel  nur  einen  Auazug  der  Israeliten  aus  Aegypten 
kennt,  so  wirft  natürlich  auch  der  strenggläubige  Josepbus  die  zwei  • 
vorher  erwähnten  Ereiguisse,  nämlich  die  ZurOcktreibung  der  Iraeliten 
über  Avaris  und  den  späteren  Auszug  unter  Moses  durch  das  rote  Meer, 
in  eines  zusammen.  Dagegen  gestattet  er  uns  in  den  zwei  folgenden 
Stellen  einstweilen  einen  lichten  Blick.  Er  schreibt  nämlich  (1 14  c  Ap  ) : 
„In  einem  andern  Buche  («Vr IyQuyov)  werden  durch  das  Wort  „t/V« 
nicht  Könige  bezeichnet,  sondern  im  Gegenteil  kriegsgefangene  Hirten 
[ttiXlAtthoxovi  noi/Ä^vas)".  Und  dies,  setzt  Josephus  bei,  scheint  mir 
wahrscheinlicher  und  stimmt  mehr  zur  alten  Geschichte  Und  in  der 
zweiten  Stelle  (I,  14  c.  Ap.)  schreibt  er:  „In  einem  andern  Buche  {iy 
«XXg  &d  rwi  tiijiXip  x.  r.  X )  seiner  ägyptischen  Geschichten  aber  sagt 
Manetbo,  diese  sogenannten  Hirten  seien  in  ihren  (der  Aegyptier) 
hl.  Schriften  als  Gefangene  verzeichnet"  Darin,  fährt  Josephus  fort, 
bat  er  Recht;  denn  unseren  ältesten  Vorfahren  ist  das  Hirtenleben 
herkömmlich,  und  wegen  ihres  nomadischen  Lebens  wurden  sie  Hirten 
genannt.  Dagegen  wurden  sie  wiederum  mit  gutem  Grunde  von  den 
Aegyptiern  Gefangene  genannt,  da  ja  unser  Vorfahre  Joseph  zu  dem 
Könige  von  Aegypten  sagte,  er  sei  ein  Gefangener,  und  später  mit 
Erlaubniss  des  Königs  seine  Brüder  nach  Aegypten  kommen  Hess. 

Nach  diesen  zwei  Stellen  scheint  die  Annahme  erlaubt  zu  sein, 
dass  in  jenen  Kämpfen  viele  Israeliten  gefangen  wurden  Ja  nach 
Lauth  „Moses  der  Ebräer,  Einleitung"  soll  Tuthmosis  III.  sogar  nach 
Asien  gezogen  sein.  Und  wirklich  scheint  aus  I  Mos.  47,  14,  wo  es 
heisst:  „Und  Joseph  brachte  alles  Silber  zusammen,  das  sich  vorfand 
im  Lande  Aegypten  und  im  Lande  Canaan,  für  Getreide  etc.",  hervor- 
zugehen, dass  sich  damals  Canaan  in  einem  gewissen  Abhängigkeits- 
verhältnisse zu  Aegypten  befand. 

So  nun  scheint  auch  Joseph  nach  Aegypten  gekommen  zu  sein. 
Seine  hohe  Stellung  aber  verdankte  er  wol  nicht  seinem  Talente  allein; 
denn  dieses  musste  zunächst  ausgebildet  werden.  Dazu  aber  bedurfte 
es  eines  besonders  günstigen  Umstandes.  Worin  nun  dieser  bestand, 
darüber  gibt  uns  Lauth  in  seinem  schon  erwähnten  Werke  Andeutung. 
Derselbe  schreibt  nämlich  in  dem  Abschnitte  „Jehova  - Elohim",  p.  72: 
Auf  einem  Hochzeits  -  Scarabäus  Amenholeps  III  (Amenophis,  Memuon) 
stehen  die  Namen  Juaa  (Name  des  Vaters),  Dhuaa  (Name  der  Mutter). 
Letzterer  Name  wiederholt  sich  bei  der  Gemahlin  Sethosis  I,  der  Mutter 
Ramses'  II.  Die  beiden  Namen,  sagt  Lauth,  sind  semitischen  Charakters. 
Daher  erklärt  sich  die  Thatsache,  dass  seit  Horus,  dem  Sohne  und 
Nachfolger  Amenophis1  III  (Memnon),  die  Gesichtszüge  der  pharaonischen 
Familie,  besonders  aber  die  des  Ramses  II,  so  auffallend  semitisches 
Gepräge  tragen. 


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303 

Verwandtschaft  also  (man  denke  an  Esther!)  wird  dem  Joseph  zu 
seiner  Ausbildung  (ntuötla  O.n.'n'n«,  Jos.  Arcb.  II,  4,  1)  und  zu  seinem 
hohen  Range  verholten  haben.  Aus  dem  Gesagten  durfte  auch  zu 
entnehmen  sein ,  dass  derselbe  in  der  Regierungszeit  der  Könige 
(Tutbmosis  III.)  Amenophis  III  und  des  Horus  in  Aegypten  gelebt 
haben  wird  Seine  Stellung  sicherte  naturlich  auch  den  übrigen  in 
Aegypten  befindlichen  Israeliten  eine  nicht  ungünstige  Lage. 

Ich  komme  nun  noch  kurz  auf  die  Geschichte  Moses',  worauB 
besonders  klar  werden  dürfte,  dass  die  zwei  Austreibungen  über  Avaris 
und  durch  das  rote  Meer  der  Zeit  nach  verschieden  sind,  aber  das- 
selbe  Volk,  nämlich  die  Israeliten,  betroffen  haben. 

Josephus  erzählt  (Arch.  II,  9,  2):  „Einer  von  den  ägyptischen 
Schriftgelehrten  meldete  dem  Könige,  es  werde  in  naher  Zeit  den 
Israeliten  einer  geboren  werden,  der,  wenn  gross  gezogen,  die  Herr- 
schaft den  Aegyptiern  schädigen ,  dagegen  die  Israeliten  zu  Macht 
bringen  werde  Daraufhin  befahl  der  König,  alle  israelitischen  Knäblein, 
die  geboren  würden,  in  den  Flugs  zu  werfen  und  so  zu  tödten  Die 
Schwangerschaft  und  Niederkunft  der  israelitischen  Weiber  aber  Hess 
er  durch  ägyptische  Hebammen  genau  beobachten."  Conf  Mos.  II,  1. 
Josephus  fährt  dann  Arch.  II,  9,  7  so  weiter:  „Einst  bringt  des  Königs 
Tochter  Thermutis  —  Lauth,  Abschnitt:  Grosshaus  und  Binsenkörblein, 
pag.  65,  hält  sie  für  die  Schwester  und  Gemahlin  des  Pharao  Sesostris 
—  das  angenommene  Kind,  nämlich  den  kleinen  Moses,  zu  ihrem  Vater 
(Bruder?)  und  präsentirt  es  zum  Nachfolger  in  der  Herrschaft.  Der 
König  setzt  ihm  das  Diadem  auf;  dieser  aber  ergreift  es,  wirft  es  auf 
den  Boden  und  tritt  darauf.  Der  obenerwähnte  Schriftgelehrte  sah 
dieses,  sagte,  das  sei  das  prophezeite  Kind,  und  drang  auf  seine  Tödtung 
Thermutis  aber  wusste  es  zu  retten."  Vergl.  auch  Jos  Arch.  II,  10 
und  Herod.  II,  110  • 

Merkwürdig  aber  ist,  was  Manetho  weiter,  wenn  auch  nicht  aus 
den  hl.  Büchern,  erwähnt  (Jos.  126  c  Ap.  foieir«  cf*  dovg  i£ovoiav  x.  r.  k.)  : 
„Ein  einige  Jahrhunderte  nach  der  Vertreibung  der  Hirten  durch  den 
König  Tuthmo8is  regierender  König  Amenophis  habe  von  einem  durch 
seine  Weisheit  und  seine  Gabe  der  Weissagung  göttergleichen  Manne 
den  Bescheid  erhalten ,  er  würde  die  Götter  sehen ,  wenn  er  das  ganze 
Land  von  den  Aussätzigen  und  den  andern  befleckten  Menschen  reinigte. 
Es  seien  nun  acht  Myriaden  solcher  -  und  dabei  waren  auch  einige 
weise  Priester  —  zusammengebracht  und  zuerst  in  die  Steinbrüche 
östlich  vom  Nil  geschickt  worden.  Als  sie  dort  sehr  heruntergekommen, 
habe  ihnen  der  König  nach  einiger  Zeit  die  Stadt  Avaris,  welche  nach 
dem  Abzüge  der  Hirten  verödet  war,  eingeräumt.  Diese  nun  stellten 
einen  von  den  Priestern  von  Heliopolis,  0  ar«ipb,  zu  ihrem  Anführer 
und  schwuren,  ihm  in  Allem  zu  gehorchen  Der  befahl  ihnen, 


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304 


die  Stadtmauern  in  Stand  zu  setzen  und  sich  zum  Kriege  gegen  König 
Amenophis  bereit  zu  halten.  Kr  schickte  dann  Gesandte  zu 
den  von  Tuthmosis  vertriebenen  Hirten  nach  der  Stadt 
Jerusalem,  liess  seine  und  der  Uebrigen  schmachvolle 
Behandlung  anzeigen  und  verlangte,  dass  sie  muthig 
mit  zu  Felde  ziehen  sollten;  und  zwar  sollten  sie  zuerst 
nach  Avaris,  der  Stadt  ihrer  Vorfahren  kommen  Diese 
kamen  mit  200000  Mann.  Amenophis  aber  sammelte  gegen  300000 
streitbare  Aegyptier,  schlug  sich  aber  mit  den  anrückenden  Feinden 
nicht,  glaubend,  er  würde  gegen  Gott  streiten  —  jener  weise  Mann 
nämlich  hatte  sich  getödtet,  aber  schriftlich  hinterlassen,  dass  den 
Befleckten  andere  zu  Hilfe  kommen  und  diese  Aegypten  13  Jahre  hin- 
durch beherrschen  würden  — ,  sondern  befahl  den  Priestern,  die  Götter- 
bilder aufs  sorgfältigste  zu  verbergen,  zog  sich  nach  Memphis  zurück, 
nahm  den  Apis  und  die  übrigen  hl.  Thiere  mit  und  zog  dann  mit  dem 
ganzen  Heere  gegen  Aetbiopien  "hin.  Die  Feinde  aber  verwüsteten 
Alles  auf  grausame  Weise."  Osarsiph  änderte,  als  er  zu  diesen 
überging ,  seinen  Namen  und  wurde  Moyses  genannt.  Dann  fährt 
Josepbus  also  weiter  (I,  27  c  Ap  j:  „Hierauf  aber,  erzählt  Manetho, 
kam  Amenophis  von  Aethiopien  herbei,  und  sein  Sohn  Rbarases  hatte 
ebenfalls  ein  grosses  Heer.  Beide  trafen  mit  den  Hirten  und  Befleckten 
zusammen,  besiegten  sie,  tödteten  viele  und  verfolgten  sie  bis  an  die 
Grenzen  Syriens". 

Dem  ähnlich  berichtet  auch  der  Bchon  erwähnte  Chäremon,  welcher 
über  Hieroglyphen,  Religion  und  Geschichte  seines  Vaterlandes  schrieb 
Er  nennt  nämlich  (Jos.  I,  32  c.  Ap  )  gleichfalls  den  König  Amenophis 
und  seinen  Sohn  Ramesses,  und  schreibt,  dass  die  Isis  dem  Könige  im 
Traume  erschienen,  sich  beschwerend,  dass  ihr  Tempel  im  Kriege  zer- 
stört worden  sei.  Da  habe  der  schriftgelehrte  Priester  Pbritiphantes 
gesagt,  wenn  der  König  Aegypten  von  den  befleckten  Männern  (rcDy 
tovc  uoXvo/uovs  Ixovxoiv  tly^Qwv)  reinigte,  werde  er  keinen  (nächtlichen) 
Schrecken  mehr  haben.  Es  habe  also  der  König  250000  der  Schädlichen  (?) 
{inutirüv)  gesammelt  und  ausgetrieben.  Ihre  Anführer  seien  gewesen 
die  Schreiber  (ygafu/Mtreas)  Moyses  und  Joseph,  letzterer  lego/Qa^uarevs 
Ihre  ägyptischen  Namen  seien  Tisithen  und  Peteseph  Diese  seien 
nach  Pelusium  gekommen  und  haben  dort  38  Myriaden 
getroffen.  Mit  diesen  hätten  sie  Freundschaft  geschlossen  und 
wären  gegen  Aegypten  gezogen.  Amenophis  sei  nach  Aethiopien 
geflohen.  Später  aber  habe  sein  Sohn  Ramesses  die  Juden  bis  nach 
Syrien  verfolgt. 

Aus  diesen  beiden  Stellen  nun  geht  im  Zusammenhalt  mit  dem 
früher  Erwähnten  bestimmt  hervor,  dass  es  zwei  Austreibungen  gegeben, 
dann  dass  die  früher  über  Avaris  Vertriebenen,  welche  jetzt  den  Befleckten 


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305 


zo  Hilfe  kameD,  mit  diesen  desselben  Stammes  waren,  nämlich  Hebräer. 
Denn  Moses  führt  nach  ihrer  Niederlage  alle  durch  das  rote  Meer. 

Es  lohnt  sich  der  Möhe,  hier  noch  zwei  römische  Schriftsteller 
anzufahren. 

Justinus  (lib.  36  cap.  2)  nennt  den  Moses  einen  Sohn  Josephs  und 
fügt  bei:  „Er  hatte  zu  der  väterlichen  Wissenschaft  noch  die  schöne 
Gestalt  voraus  "  Ersteres  lässt  sich  dem  in  der  Bibel  und  bei  Josephus  . 
klar  aufgestellten  Stammbaume  desselben  gegenüber  wol  nicht  ver- 
theidigeu,  obwol  sie  beide  auch  Chäremon  der  Zeit  nach  zusammen- 
wirft.  Justinus  fährt  dann  weiter:  „Aber  die  Aegyptier  vertrieben  ihn, 
durch  einen  Spruch  gemahnt,  da  sie  (wol  die  Israeliten)  an  Aussatz 
und  Krätze  (scabiem  et  ventiliginem)  litten,  mit  den  Kranken,  damit 
die  Krankheit  ni'ht  mehrere  befiele,  aus  Aegypten.  —  Als  Führer  der 
Verbannten  nahm  er  die  Heiligtbümer  [sacra)  der  Aegyptier  heimlich 
mit  Diese  setzten  ihnen  bewaffnet  nach,  wurden  aber  durch  Stürme 
gezwungen ,  nach  Hause  zurückzukehren".  Man  vergleiche  damit 
II  Mos.  3,  22:  ,,Und  jedes  (israelitische)  Weib  leihe  sich  von  ihrer 
Nachbarin  und  von  der  Gastfreundin  ihres  Hauses  silberne  und  goldene 
Gefässe  und  Kleider;  die  leget  auf  euere  Söhne  und  euere  Töchter, 
so  werdet  ihr  berauben  die  Aegyptier".  (Conf  Jos.  Arch.  II,  14,  6). 
Erwähnt  sei  hier  noch,  dass  Justinus  den  Aruas  (Aaron)  für  einen  Sohn 
des  Moses  ausgibt. 

Weiter  schreibt  Tacitus  hierüber  im  V  B.,  3  Cap  seiner  Historien 
Folgendes:  „Die  meisten  Geschichtschreiber  stimmen  darin  überein, 
dass,  als  in  Aegypten  eine  Seuche  entstanden  war,  welche  die  Leiber 
verunstaltete,  der  König  Hocchoris,  beim  Orakel  des  Jupiter  Amnon 
Hilfe  suchend,  den  Befehl  erhielt,  das  Reich  zu  reinigen  und  jene 
Klasse  von  Verpesteten  als  den  Göttern  verhasst  in  andere  Länder 
zu  schaffen.  So  in  der  Wüste  verlassen,  habe  sie  Moses,  einer  der 
Verbannten,  ermahnt,  sie  sollten  ihm  gleichsam  als  himmlischen  Führer, 
durch  dessen  ersten  Beistand  sie  das  gegenwärtige  Unglück  ertragen 
hatten,  vertrauen  Sie  stimmten  bei  und  traten  unbekannt  mit  Allem 
die  Reise  an."  Aber  besonders  drückte  sie  Wassermangel;  und  schon 
waren  sie  dem  Tode  nahe,  als  eine  Heerde  wilder  Esel  von  der  Weide 
nach  einem  buschigen  Felsen  lief.  Moses  folgte  ihnen,  vermuthend, 
dass  ein  Grasboden  da  sei ,  und  entdeckte  reichhaltige  Wasserquellen. 
Das  Bild  des  Thieres,  durch  dessen  Führung  sie  Irrweg  und  Durst 
abgewendet  hatten,  machten  sie  zu  einem  Tempelheiligthum  (penetraU 
sacravere).    Vergl.  Jos.  c.  Ap.  II,  7;  II  Mos.  13,  12  und  13). 

Was  nun  die  Zeit  von  Moses'  Auszug  anbelangt,  so  stimmt  die 
Bibel  mit  dem  Angeführten  überein  Die  Stellen:  II  Mos.  1,8:  „Da 
stand  ein  neuer  König  auf  über  Aegypten,  der  den  Joseph  nicht  kannte", 
und  11  Mos.  2,  23:  „Und  es  geschah  in  langer  Zeit,  dass  der  König 


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von  Aegypten  starb  etc.",  passen  n&mlich  genau  auf  Ramsos  II  (Sesostris) 
Dieser  kannte  den  Joseph  nicht  mehr;  dann  soll  er  auch  sehr  lange, 
wenigstens  62  Jahre,  regiert  haben  Dazu  stimmt  auch,  was  Lauth  im 
angeführten  Werke,  Einleitung,  pag.  1  schreibt:  In  den  Leidener 
Papyrus  I,  348  und  349  iBt  von  den  fremdländischen  Apriu  (Ebräern) 
gesagt;  dass  sie  Steine  schleppten  zu  Bauten  des  Königs  Iiamses  II. 
Vergl  auch  Herodot  II,  107  und  108,  und  Diodor  I,  56  Ist  nun  Moses 
in  den  ersten  Regierungsjahren  des  Sesostris,  der  nach  Lauth  sogar 
66  Jahre  geherrscht  haben  soll,  geboren,  und  hat  dessen  Nachfolger 
Amenophis  19  Jahre  6  Monate  regiert,  wie  Josephus  I,  15  C.  Ap.  angibt, 
so  stimmt  die  Zeit  gut  zusammen,  da  Moses  nach  der  Bibel  80  Jahre 
alt,  die  Israeliten  aus  Aegypten  geführt  hat,  und  der  ägyptische  König 
bei  dieser  Affaire  zu  Grunde  gegangen  sein  soll  (II  Mos.  14,  6  ff.  und 
Jos.  Arch.  II,  16,  3  a.  E  ). 

Ich  will  nun  noch  kurz  das  Resultat  dieser  Abhandlung  zusammen» 
fassen:  Die  sogenannten  Hyksos  waren  die  Hebräer,  welche  zu  Abrahams 
Zeit  in  Aegypten  eindrangen.  Sie  wurden  später  nach  grossen  Kämpfen 
Uber  Avaris  zurückgetrieben  Dabei  wurden  viele  Gefangene  gemacht 
Diese  hatten,  seitdem  sieb  Joseph  so  hoch  emporgeschwungen,  sich  der 
Gunst  der  ägyptischen  Könige  zu  erfreuen.  Später  aber,  als  Josephs 
Verdienste  in  Vergessenheit  gekommen  waren,  wurden  sie  hart  bedrückt. 
Da  riefen  sie  ihre  Stammgenossen  zu  Hilfe,  wurden  aber  sammt  diesen 
geschlagen.  Nun  führte  Moses  die  Ueberreste  durch  das  rote  Meer 
nach  Arabien. 

Speyer.  -  Preu. 


Zu  äpas. 

Das  Zarnke'sche  „Centralblatt"  Nr.  41  Seite  1374  bat  meine  im 
,,Lexicon  etym."  Seite  23  gegebene  Erklärung  des  Sanskritwortes 
äpas  n.  das  Waaser  getadelt 

Der  Herr  Recensent  mag  Recht  haben,  wenn  er  eine  Trennung 
des  ap-,  resp.  ak-,  von  äpas  bekämpft.  Ich  selbst  hatte  eine  blosse 
Möglichkeit  dieser  Deutung  schon  durch  das  pathetisch  gestellte 
„potest"  bemerklich  gemacht.    Die  Stelle  lautet  wörtlich  so: 

Skr.  äpas  n.,  quae  forma  potent  constare  (nicht  constare  potest!), 
ex  ä-paSy  h.  e.  ä-pat,  praet.  aor.,  cohaer.  cum  pd-  potare,  unde  skr. 
pä-tha  m.  aqua,  no-ro?,  pi-tha  —  pätha,  {cogn.  ni-yu),  —  pa-yas 
ft.  aqua. 

Möglich  also  ist  nach  diesem  die  Zerlegung  in  ä-pas  n  ,  (statt 
äp-as  —  dpa),  und  als  Nachtrag  zum  ganzen  Artikel  „aqua"  wurde 
diese  Deutung  angefügt.  —  Und  wie  dann  möglich? 


307 


Benfey  in  seiner  grossen  Sanskritgrammatik  §.  737  II  A.  1  sieht 
das  ap-  als  aus  äp  verkürzt  und  dp-  als  eine  Dehnung  des  äp  an 
(§.  754  VII).  Seite  304  A.  1  sagt  er  so:  dp  (aus  dp),  vielleicht 
(=  potest!)  aus  dpat,  (schwache  Form  eines  Partie.  Aoristi  II  von 
pd  „trinken" ,  welches  zunächst  d-pat,  d-pt  wurde.  Also  A-pas  aus 
d-pat  wie  ushas  f.  aurora  aus  ushat,  Partie.  Präs.  von  vas-  — 
leuchten0).    S.  meinen  Artikel  „dorrum". 

a-pas  ti.  aus  ä-pat  klingt  also  wie  fxtyag  m.  zu  skr.  „maghat" 
tnah-at,  dieses  wieder  geschwächte  Form  aus  dem  starken  mah-ant  — 
gross,  eig.  gross  werdend.  So  noch  skr.  gar-at-i  f.  (yeeaoxovoa, 
schwache  Form),  gar-ant  =.  ycQ-ovt-. 

Ein  anderes  Sanskritwort,  nämlich  mäs  m.  —  mensis  erklärt  Benfey 
'auch  aus  organischem  mdnt,  Partie,  von  md-  —  messen  (besser  wol  zu 
mä  -  —  mi-  wechseln,  a-  f*e(~  ßeoöcti  gezogen).  S.  Bopp  „Vergl.  Gramm." 
§.  790  S.  159.    Fick,  3.  Auflage  S.  232. 

Freising.  Zehetmayr.^ 


Zu  §§.  1  und  2  der  praefatio  des  Livius. 

Zu  den  in  unsern  Schulen  gelegensten  Schriftstellern  gehört  mit 
Recht  Livius;  schon  aus  diesem  Grunde  ist  der  Fleiss  und  die  Sorgfalt 
gerechtfertigt,  die  sich  der  Erklärung  dieses  Schriftstellers  immer  wieder 
von  Neuem  zuwendet.  Aber  trotz  der  grossen  Verdienste,  welche  sich 
verschiedene  Gelehrte  um  ein  besseres  Verständniss  desselben  erworben 
haben,  gibt  es  doch  auch  hier  noch  genug  Stellen,  die  entweder  noch 
gar  nicht  genügend  erklärt  sind  oder  in  denen  Missverständnisse,  durch 
eine  falsche  Auffassung  einzelner  Herausgeber  veranlasst,  von  ihren 
Nachfolgern  statt  berichtigt  zu  werden,  getreulich  weiter  verbreitet  und 
von  Geschlecht  zu  Geschlecht  fortgeschleppt  werden  Zu  diesen  Stellen 
rechne  ich  gleich  die  ersten  Worte  der  praefatio,  die  von  dem  um 
Livius  so  hochverdienten  Weissenborn  falsch  erklärt  werden,  ohne 
dass  er  von  den  neueren  Herausgebern  Widerspruch  erfahren  hätte. 
Ich  bemerke  hier  nur  nebenbei,  dass  die  Ausgabe  des  Livius  von 
Weissenborn,  die  sowol  für  die  Erklärung  des  Livianischen  Sprach- 
gebrauchs als  für  das  richtigere  Verständniss  der  historischen  und 
staatsrechtlichen  Verhältnisse  ganz  Ausserordentliches  geleistet  hat, 
trotz  alledem  doch  keine  Schulausgabe  in  dem  Sinne  ist,  dass  sie 
zunächst  die  Bedürfnisse  der  Schüler  bei  der  Lektüre  in's  Auge 


*)  vas  =.  us,  ush  wie  ukta  „gesprochen0,  aus  vak-ta. 


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308 


fasste.  Zwar  der  Lehrer  wird  sie  mit  grossem  Nutzen  für  die 
Schule  benutzen,  wenn  man  aber  glaubt,  dass  sie  unsere  Schüler 
stark  in  Anspruch  nehmen ,  so  befindet  man  sich  in  einer  argen 
Tauschung.  Für  diese  bietet  sie  viel  zu  viel  und  dies  oft  in  einer 
Form,  die  über  das  Verständniss  derselben  hinausgeht. 

Doch  wenden  wir  uns  nach  diesen  gelegentlichen  Bemerkungen 
dem  ersten  Satze  der  praefatio  zu,  dessen  Verständniss  nicht  so  leicht 
ist,  und  suchen  wir  den  Gedanken  genau  zu  ermitteln,  den  hier  Livius 
ausspricht.    Livius  sagt,  er  wisse  es  nicht  und,  wenn  er  es  wüsste,  so 
würde  er  es  doch  nicht  zu  sagen  wagen,  ob  er,  wenn  er  die  Geschichte 
des  römischen  Volkes  von  seinen  ersten  Anfängen  an  schriebe,  facturus 
uperae  pretium  sit.    Da  sagt  nun  Weissenborn  und  mit  ihm  seine 
Nachfolger,  Livius  spreche  folgenden  Gedanken  aus:  Ob  mein  Werk 
Anerkennui g  finden  wird,  weiss  ich  nicht  und  wüsste  ich's  auch  (dass 
es  nämlich  Anerkennung  finden  wird),  so  würde  ich  es  doch  nicht  zu 
sagen  wagen.    Nun  frage  ich  aber:   Welcher  Mensch,  upd  sei  er  auch 
ein  Ausbund  von  Bescheidenheit,  würde  sich,  wenn  er  wüsste,  was  er 
aber  selbstverständlich  nicht  wissen  kann,  dass  seine  Arbeit  Anerkennung 
finden  wird,  dies  zu  sagen  geniren?  Kein  Mensch  trägt  doch  Bedenken, 
eine  einfache  Thatsache  auszusprechen,  zumal  wenn  diese  Thatsache 
noch  kein  besonderes  Lob  für  ihn  enthält.    Wer  sollte  ferner  auch 
gleich  beim  Anfang  eines  grosseren  Werks  auf  den  verkehrten  Gedanken 
kommen,  zu  sagen :  Ich  würde,  auch  wenn  ich  gewiss  wüsste,  dass  mein 
Werk  dereinst  Anerkennung  finden  wird,  es  mir  doch  nicht  zu  sagen 
getrauen?    Die  Verkehrtheit   dieses   Gedankens   tritt   noch  schärfer 
hervor,  wenn  wir  die  darauf  folgenden  Worte  in's  Auge  fassen.  Diese 
enthalten  nämlich  eine  Begründung,  also  eine  Begründung  der  Be- 
hauptung, dass  er,  selbst  wenn  er  wüsste,  sein  Werk  werde  Anerkennung 
finden,  dies  doch  nicht  zu  sagen  wagen  würde.    Und  worin  besteht 
diese  Begründung?  Weil  es,  fährt  er  fort,  eine  alte  und  allgemein 
verbreitete  Erscheinung  ist,  wie  ich  sehe.    Hier  fragen  wir  natürlich. 
Was  ist  eine  alte  und  allgemein  verbreitete  Erscheinung?  Die  Antwort 
auf  diese  Frage  geben  nicht  die  folgenden  Worte,  sondern  sie  ergibt 
sich  aus  dem  Zusammenhang  und  dem  Vorhergehenden  und  der  mit 
dum  nachfolgende  Satz  gibt  blos  den  Grund  an,  warum  diese  Er- 
scheinung eine  so  allgemeine  ist 

Was  ist  also  ,  fragen  wir  wiederholt,  die  häufige  und  allgemein 
verbreitete  Erscheinung?  Die  Antwort  darauf  gibt  Weissenborn  und  im 
Anschluss  an  ihn  seine  getreuen  Nachfolger  mit  den  Worten:  dicere  se 
operae  pretium  facere.  Wirklich?  Sollte  es  in  der  That  eine  ganz 
■  gewöhnliche  Erscheinung  sein ,  dass  jeder  neue  Gcschichtschreiber 
sagt,  sein  Werk  werde  Anerkennung  fiuden?  Ich  sollte  doch  glauben, 
selbst  derjenige,  der  von  der  Trefflichkeit  seiner  Leistung  noch  so  fest 


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309 


überzeugt  ist,  Hesse  sich  vod  der  Eigenliebe  nicht  so  weit  blenden, 
dass  er  das ,  was  er  wünscht  und  hofft ,  ja  wovon  er  meinetwegen  auf's 
innigste  überzeugt  ist,  schon  von  vorneherein  als  eine  unzweifelhaft 
künftig  eintretende  Thatsacbe  bezeichnet;  am  allerwenigsten  aber  kann 
ich  zugeben,  dass  alle  Geschichtschreiber  diese  Eigenheit  teilen.  Daraus 
ergibt  sich  denn,  dass  der  ganze  Oedanke,  den  Livius  in  den  ersten 
Worten  seiner  praefatio  ausspricht,  ein  schiefer  ist  und  aller  Logik 
entbehrt.  Das  wäre  doch  ein  trauriges  Vorzeichen  für  das  ganze  Werk! 
Können  wir  das  auf  Livius  sitzen  lassen  und  müssen  wir  nicht,  um 
seine  Ehre  zu  retten,  die  kranke  Stelle  um  jeden  Preis  zu  heilen  suchen? 
Dies  ist  zum  Glück  nicht  nötig;  die  Stelle  ist  ganz  gesund  und  wenn 
Livius  gleich  mit  den  ersten  Worten  seiner  Vorrede  einen  gelinden 
Unsinn  spricht,  so  ist  nicht  e  r,  sondern  sind  blos  seine  Erklärer  daran 
Schuld,  die  ihn  falsch  verstanden  haben. 

Sehen  wir  uns  doch  den  Ausdruck  operae  pretium  facere,  der 
für  das  richtige  Verständniss  der  Stelle  entscheidend  ist,  etwas  näher 
anl  Heisst  operae  pretium  facere  wirklich,  wie  Weissenborn  annimmt, 
einen  Preis,  Lohn  seiner  Mühe  gewinnen,  oder  Anerkennung  finden? 
Schon  der  Umstand,  dass  bei  dieser  Bedeutung  unser  Satz  keinen 
rechten  Sinn  haben  will,  müsste  gegen  dieselbe  Bedenken  erregen. 
Halten  wir  uns  aber  zunächst  an  den  wörtlichen  Ausdruck !  Warum 
soll  denn  hier  facere  gerade  gewinnen  bedeuten?  Ich  behaupte, 
operae  pretium  facere  ist  nichts  Anderes  als  facere,  quod  operae  pretium 
sit,  d   h.  etwas  thun,  was  der  Mühe  wert  ist  und  operae  pretium 
facere  heisst  also  nicht,  einen  Preis,  einen  Lohn  seiner  Mühe  gewinnen, 
sondern  etwas  thun,  was  die  darauf  gewandte  Mühe  lohnt.    Dies  kann 
aber  und  wird  oft  auch  dann  der  Fall  sein,  wenn  die  Arbeit  keinen 
äusseren  Erfolg  hat,  d.  h.  keine  Anerkennung  findet,  denn  diese  ist 
eben  noch  kein  untrüglicher  Beweis  für  den  Wert  oder  Unwert  einer  Arbeit. 
Dass  aber  operae  pretium  facere  diese  seiner  Zusammensetzung  ent- 
sprechende Bedeutung  auch  hat  und  nicht  die  von  Weissenborn  ihm 
beigelegte,  das  beweisen  einige  andere  Stellen  bei  Livius ,  in  denen 
diese  Redensart  noch  vorkommt.    Weissenborn  selbst  verweist  auf  25, 
30,  3.   Hier  wird  ein  Befehlshaber  von  Syrakus,  Namens  Möricus,  ein 
geborner  Spanier,  zur  heimlichen  Uebergabe  aufgefordert  und  ihm  als- 
Lohn  dafür  in  Aussicht  gestellt  poase  eum,  *»'  operae  pretium  faciat, 
principem  popularium  esse,  seu  militare  cum  Romanis  ecu  in  patriam 
reverti  libeat.  Offenbar  kann  hier  operae  pretium  facere  nichts  Anderes 
heissen,  als  wenn  er  vernünftig  handle,  d.  h.  so  handle,  dass  sich 
sein  Handeln  auch  lohne.   Es  lohnt  sich  aber,  wenn  er  die  Stadt  an 
die  Römer  ausliefert    Dieselbe  Redensart  kommt  in  demselben  Buche 
noch  einmal  vor  und  zwar  19,  10.  Hier  heisst  es  von  einem  besonders 
tüchtigen  centurio,  er  habe  den  Senat  gebeten,  man  möge  ihm  5000  Mann 


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310 


geben;  er  werde  dann  brevi  operae  pretium  facturum.  Das  heisst  doch 
offenbar  nichts  Anderes  als,  er  werde  mit  denselben  etwas  thun,  was  der 
Mühe  wert  sei,  d.  h.  eine  bedeutende  That  ausführen.  In  ganz  anderem 
Sinne  steht  es  allerdings  27,  17,  14.  Hier  sagt  ein  Spanier  zu  Scipio, 
quales  ex  hac  die  experinndo  cognorit,  perinde  operae  eorum  pretium 
feueret ,  d.  h.  er  möge  die  Leistungen  der  Spanier  so  taxiren ,  wie  er 
sie  vom  beutigeu  Tage  an  thatsäcblicb  kennen  lernen  würde.  Hier 
steht  facere  ganz  in  der  Bedeutung  von  aestimare,  taxiren  Schliesslich 
ist  Weissenborn  ebenfalls  im  Irrtbum,  wenn  er  dem  Ausdruck  operae 
est  in  1,  24,  6  eine  andere  Bedeutung  beilegt.  Es  ist  hier  einfach 
pretium  zu  ergänzen  und  non  operae  est  heisst  nichts  Anderes,  als:  es 
ist  nicht  der  Mühe  wert,  es  verlohnt  nicht  der  Mühe 

Halten  wir  das,  was  sieb  für  uns  teils  aus  der  Zusammensetzung 
der  Redensart  an  und  für  sich,  teils  aus  den  angeführten  Parallel- 
stellen unwidersprechlich  ergeben  hat,  fest  und  fassen  wir  operae 
pretium  facere,  wie  es  nicht  anders  gefasst  werden  kann,  in  der  Be- 
deutung, etwas  thun,  was  der  Mühe  wert  ist,  d.  b.  etwas  Verdienstliches 
thun,  so  fallen  alle  logiseben  Schwierigkeiten  in  diesem  Satze  weg  und 
Livius  spricht  einfach  folgenden  Gedanken  aus. 

Ob  ich  etwas  Verdienstliches,  d.  h.  etwas,  was  der  darauf  zu 
verwendenden  Arbeit  wert  ist,  unternehme,  wenn  icb  die  Geschichte 
des  römischen  Volkes  von  den  ersten  Anfängen  Roms  an  schreibe,  das 
weiss  ich  nicht,  und  wenn  ich'e  wüsste  (dass  ich  nämlich  etwas  Ver- 
dienstliches damit  tbue),  so  würde  ich  es  nicht  zu  sagen  wagen. 

Livius  hat  natürlich  wie  Jedermann,  der  über  etwas  schreibt,  von 
seiner  Arbeit  die  Meinung,  sie  sei  gut  Aber  diese  Meinung,  die  eben 
Jeder  hat,  ist  noch  kein  Beweis  dafür ,  dass  die  Arbeit  wirklich  etwas 
taugt.  Aber  selbst  wenn  ich  wüsste,  fährt  er  fort,  dass  meine  Arbeit 
wirklich  Wert  bat,  Anerkennung  verdient  (nicht  aber  findet), 
würde  ich  es  doch  nicht  auszusprechen  wagen.  Warum  nicht?  Zu- 
nächst aus  Bescheidenheit.  Niemand  spricht  sich  selbst  gern  über  den 
Wert  seiner  Arbeit  aus;  thut  er  es  doch,  so  legt  man  eben  auf  sein 
Urteil,  als  ein  parteiisches,  kein  Gewicht.  Doch  dies  versteht  sich  von 
seihst,  desswegen  braucht  er  es  nicht  zu  sagen;  er  gibt  also  als 
Grund,  warum  er,  selbst  wenn  er  es  gewiss  wüsste,  etwas  Tüchtiges 
geliefert  zu  haben,  es  doch  nicht  offen  aussprechen  würde,  blos  den 
Umstand  an  ,  dass  er  damit  etwas  ganz  Gewöhnliches  sagen  würde; 
denn  es  ist  dies,  sagt  er,  eine  ganz  gewöhnliche  Erscheinung  Was 
denn?  Dass  der  Schriftsteller  und  im  Besonderen  der  Geschichtschreiber 
mit  seiner  Arbeit  etwas  Verdienstliches  zu  tbun  glaubt.  Was  ist  also 
unter  res  zu  verstehen?  Nicht,  wie  Weissenborn  meint,  dicere  se 
operae  pretium  facturum,  sondern  crederese  operae  pr.  facturum.  Jeder 
Geschichtschreiber,  der  eine  schon  von  Anderen  behandelte  Partie  der 


♦ 

Geschichte  von  Neuem  behandelt,  glaubt  (nicht  sagt)  etwas  Ver- 
dienstliches zu  thun.  In  wie  fern  dies,  erklärt  der  folgende  Satz. 
Er  glaubt  dies  desswegen ,  weil  eben  jeder  neue  Geschichtscbreiber 
entweder  sachlich  Neues  und  Besseres  beibringen  zu  können 
meint  oder  in  der  Form  seine  Vorgänger  zu  übertreffen  hofft  So  ist 
denn  der  Gedanke,  den  Livius  mit  den  ersten  Worten  seiner  praefatio 
ausspricht,  ein  durchaus  gesunder  und  lautet  im  Zusammenhang  nach 
unserer  Auffassung  also: 

§h  ich  etwas  Verdienstliches  unternehme,  wenn  ich  vom  ersten 
Anfang  der  Stadt  an  die  Geschichte  des  römischen  Volkes  schreibe, 
weiss  ich  nicht  gewiss  und  wenn  ich'a  gewiss  wüsste,  würde  ich  es 
nicht  zu  sagen  wagen,  denn  ich  sehe,  es  ist  dies  eine  althergebrachte 
und  allgemein  verbreitete  Erscheinung  (nämlich  die  Meinung,  etwas 
Verdienstliches  zu  leisten),  indem  (weil)  jeder  neue  Schriftsteller  ent- 
weder sachlich  Genaueres  berichten  oder  durch  die  Kunst  der  Dar- 
stellung das  noch  ungebildete  Altertum  (seine  formell  noch  wenig 
gebildeten  Vorgänger)  übertreffen  zu  können  glaubt 

Sörgel. 


Zu  Cacs.  de  bell.  civ.  II,  17,  2. 

Der  Kritik,  die  anderwärts ,  um  Arbeit  zu  linden,  gesunde  Stellen 
mit  aller  Gewalt  für  krank  erklärt,  bietet  der  Text  Cäsar's,  besonders 
im  Bürgerkrieg,  in  der  uns  überlieferten  Form  noch  ein  reiches  Feld 
verdienstlicher  Thätigkeit.  Eine  von  den  verzweifelten  Stellen ,  die 
bisher  allen  Heilungsversuchen  gespottet  haben ,  wenn  man  es  nicht 
vorzog,  ganz  stillschweigend  über  sie  hinwegzugehen,  findet  sich  im 
17.  Capitel  des  2.  Buchs;  mit  ihr  wollen  wir  uns  hier  etwas  eingehender 
beschäftigen.  Um  die  Unstatthaftigkdt  der  bisherigen  Lesart  nachzu- 
weisen, müssen  wir  zuvor  auf  den  Gedankengang  etwas  näher  eingehen. 
Im  Vorhergehenden  ist  erzählt,  wie  es  dem  Cäsar  durch  geschickte 
Manöver  gelungen  war,  das  Heer  des  Pompejus  im  diesseitigen  Spanien 
zur  Unterwerfung  zu  bringen,  und  wie  er  sich  darauf  mit  allem  Nach- 
druck der  Belagerung  von  Massilia  zuwandte.  Aber  auch  im  jenseitigen 
Spanien  stand  noch  ein  Legat  des  Pompejus  mit  einer  Armee.  Es  war 
dies  M.  Varro  Dieser  Mann  nun,  ein  höchst  zweideutiger  und  unzu- 
verlässiger Cburakter,  liess  «ich  in  seinem  Verhalten  lediglich  durch 
die  Fortschritte  Cäsars  in  Italien  uud  den  Gang  der  Belagerung  von 
Massilia  bestimmen.  Er  suchte  einfach  abzuwarten ,  tür  wen  eich  das 
Glück  entscheide,  um  dann  auch  für  seine  Person  die  gleiche  Ent- 
scheidung zu  treffen. 

Blittar  f.  d.  b*fer.  Gymn.-  u.  Re*l-8chulw.  XI.  Jahr».  22 


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312 


Von  ihm  beisst  es  nun  im  17.  Capitel  des  2.  Buchs,  er  habe,  wie 
aus  Italien  Nachrichten  Ober  Nachrichten  von  den  glücklichen  Erfolgen 
Cäsar?  daselbst  einliefen,  am  Glücke  des  Pompejus  verzweifelnd  sieb 
über  Casar  höchst  freundschaftlich  ausgesprochen  und  sich  über  seine 
eigentümliche  Stellung  beklagt,  die  es  ihm,  was  ihm  doch  Herzens- 
bedürfniss  wäre,  nicht  erlaube,  mit  beiden  von  ihm  so  hochverehrten 
Männern  in  Frieden  nnd  Freundschaft  zu  leben.   Zunächst  spricht  er 
von  den  Verpflichtungen,  *lie  er  dem  Pompejus  gegenüber  habe,  der 
ihm  den  Posten  eines  Legaten  übertragen  und  ihn  dadurch  an  leine 
Person   und  Sache   gebunden  habe.  *  Was  freilich  die  persönlichen 
Beziehungen  betreffe,  fährt  er  fort,  so  bänden  ihn  ebenso  enge  an 
Casar  als  an  Pompejus;   er  wisse  ebenso  gut,  was  die  Pflicht  eines 
Legaten  erheische,  der  einen  Vertrauensposten  bekleide,  als  er  auf  der 
anderen  Seite  von  der  Unzulänglichkeit  seiner  Streitkräfte  überzeugt 
sei  und  die  Gesiunung  kenne,  welche  in  der  ganzen  Provinz  gegen 
Cäsar  herrsche    Das  ist  ohne  allen  Zweifel  der  Sinn  dieser  Stelle. 
Aber  wie  verhält  sich  der  Text  dazu?  Sehen  wir  ihn  ans  einmal  an! 
Praeoccupatutn,  heisst  es  da,  sese  legatione  ab  Cn.  Pompejo,  teneri  ob- 
strictum  fide:  necessitudinem  quidem  sibi  nihilo  minorem  cum  Caesare 
intercedere  neque  se  ignorare,  quod  esset  officium  legati,  qui  fiduciariam 
operam  obtineret,  quae  vires  suae,  quae  voluntas  erga  Caesarem  totiws 
provinciae     Er  will  offenbar  sagen ,  dass  ihm  die  Wahl  zwischen 
Pompejus  und  Cäsar  ausserordentlich  schwer  werde,  ja  ganz  unmöglich 
sei.    Wie  er  zunächst  seinen  Verpflichtungen,  die  ihn  an  Pompejus 
binden,  die  engen  persönlichen  Beziehungen  zu  Cäsar  entgegenstellt, 
die  ihm  die  Erfüllung  seiner  Pflicht  so  schwer  machen,  so  werden 
auch  im  2.  mit  neque  se  ignorare  eingeführten  Satz  die  Momente,  die 
ihu  für  Pompejus  Partei  nehmen  lassen,  und  andrerseits  die  Gründe, 
die  ihn  an  der  Erfüllung  dieser  seiner  Pflicht  hindern,  gegensätzlich 
aufgeführt.    Wir  sehen  also,  der  gute  fi.  Varro  will  sich  aus  seiner 
verzwickten  Lage  eiufach  durch  das  Kunststück  heraushelfen,  dass  er 
nicht  so  und  auch  nicht  so  sagt  und  dann  erst  sich  für  den  einen 
oder  den  anderen  entscheidet,  wenn  sich  endgiltig  das  Glück  für  ihn 
entschieden  hat.  Er  gehörte  also  zu  den  Charakteren,  deren  Hauptkunst 
es  ist ,  den  Mantel  nach  dem  Winde  zu  hängen,  eine  Kunst,  die  in 
unruhigen  Zeiten,  in  Zeiten  eines  Bürgerkriegs,  zwar  sehr  schwierig, 
aber,  wenn  mit  Erfolg  geübt,  auch  höchst  lohnend  ist.    Er  hatte  sich, 
wie  die  meisten  seiner  Art,   zunächst  an  Pompejus  angeschlossen; 
musste  man  doch  das  Unterfangen  Casars,  den  Pompejus,  für  den  sich 
ja  fast  der  ganze  Senat  erklärt  hatte,  aus  seiner  privilegirten  Stellung 
zu  verdrängen,  für  ein  verfehltes,  ja  für  ein  wahnsinniges  halten. 
Aber  der  Wind    schlug   wider  Erwarten    bald  um.    Cäsar  erzielte 
hauptsächlich  durch  seine  wunderbare  Schnelligkeit  ganz  erstaunliche 


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313 


Erfolge  und  hatte  sich  in  Kurzem  in  den  Besitz  von  ganz  Italien 
gesetzt.  Das  musste  natürlich  einen  so  vorsichtigen  Mann,  wie  Varro 
war,  stutzig  machen.  Seine  Lage  wurde  jetzt  eine  äusserst  schwierige, 
zumal  da  auch  seine  Collegen ,  die  im  diesseitigen  Spanien  an  der 
Spitze  Pompejanischer  Heere  gestanden  waren ,  sich  mit  denselben 
hatten  ergeben  müssen  Aber  trotz  alledem  ist  der  schliessliche  Aus- 
gang immer  noch  nicht  gewiss;  immer  noch  kann  es  gehen,  wie  es 
will.  Da  heisst  es  denn  mit  äusserster  Vorsicht  zu  Werke  gehen. 
Ein  für  allemal  bei  Pompejus  aaszuhalten  und  dessen  Schicksal  zu 
teilen,  ist  um  so  gefährlicher,  als  er  ja  von  diesem  weit  getrennt  ist 
und  gar  nicht  unterstützt  werden  kann.  Andrerseits  wäre  es  aber  auch 
im  höchsten  Örade  voreilig,  sich  jetzt  schon  für  Cäsar  zu  entscheiden, 
wo  noch  keine  entscheidenden  Ereignisse  vorgefallen  sind.  Was  thut 
nun  der  kluge  und  vorsichtige  Mann  in  einer  so  eigenthümlichen  Lage? 
Er  sucht  Zeit  zu  gewinnen  und  die  Entscheidung  für  seine  Person  so 
lange  hinauszuschieben,  bis  er  bestimmt  weiss  für  wen  die  Entscheidung 
im  Ganzen  und  Grossen  ausfallen  wird.  Inzwischen  aber  gilt  es ,  sich 
so  geschickt  durchzuschlagen,  dass  man  keinem  von  beiden  vor  den 
Kopf  stösst. 

Ist  nun  diese  Auseinandersetzung  richtig,  und  ich  glnube,  ihre 
Richtigkeit  wird  Niemand  bestreiten,  so  kann  Varro  das,  was  er  mit 
dem  Satz  neque  se  ignorare  einführt,  unmöglich  so  einfach  neben 
einander  hinstellen ,  obwohl  es  die  schärfsten  Gegensätze  bildet.  Das 
hiesse  in  der  That  Alles  wie  Kraut  und  Rüben  durcheinander  mengen. 
Wie  er  im  Vorhergehenden  seine  Verpflichtungen  dem  Pompejus 
gegenüber  den  Erwägungen  scharf  entgegengestellt  bat,  die  ihn  die 
Freundschaft  Cäsars  suchen  lassen,  so  scheidet  er  auch  hier  haarscharf 
zwischen  dem,  was  ihn  an  Pompejus  bindet,  und  dem,  was  ihn  gegen 
Cäsar  feindselig  aufzutreten  hindert.  In  der  ganzen  Darstellung  sind 
gerade  die  scharfen  Gegensätze  charakteristisch.  Diese  Gegensätze 
aber  müssen  hervorgehoben,  müssen  wenigstens  deutlich  angedeutet, 
können  auf  keinen  Fall  so  ganz  ohne  alle  Vermittlung  einfach  neben 
einander  hingestellt  werden.  Varro  sagt  zunächst,  er  sei  auf  der  einen 
Seite  durch  den  Posten  eines  Legaten,  den  er  von  Pompejus  ange- 
nommen habe,  gebunden;  auf  der  andern  Seite  freilich  habe  er  auch 
zu  Cäsar  die  besten  persönlichen  Beziehungen.  Dieser  nämliche  Gedanke, 
der  ja  im  Grunde  darauf  hiuausläuft,  dass  gezeigt  werden  soll,  wie  es 
ihm  seine  eigenthümliche  Stellung  unmöglich  mache,  sich  ganz  offen 
und  ohne  Rückhalt  für  den  einen  oder  andern  zu  erklären,  wird  nun 
im  Folgenden  noch  weiter  ausgeführt.  Er  wisse  auf  der  einen  Seite 
recht  wol,  was  die  Pflicht  eines  Legaten  erheische,  der  einen  Vertrauens- 
posten bekleide,  nämlich  das  Vertrauen  nicht  zu  täuschen,  sondern 
treu  in  seiner  Stellung  auszuharren,  auf  der  andern  Seite  eben  so  wol, 

22» 


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314 


welcherlei  Art  seine  Streitmacht  sei,  d.  h.  wie  unzureichend  seine 
Macht  der  Casars  gegenüber  sei ,  und  dass  es  also  nur  ein  muth- 
williges  Hinopfern  seiner  Leute  wäre,  wenn  er  trotzdem  sich  mit 
Casar  in  einen  Kampf  einlassen  wurde,  und  welches  die  Gesinnung  der 
ganzen  Provinz  gegen  Cäsar  sei,  d.  h.  dass  die  ganze  Provinz  sich 
einmüthig  für  Cäsar  erklärt  habe  und  von  einem  Kampf  gegen  ihn 
nichts  wissen  wolle  Daraus  ergiebt  sich  demnach  seine  Bereit» 
Willigkeit,  die  Feindseligkeiten  gegen  Cäsar  einzustellen,  nur  erwartet 
er  von  diesem,  er  werde  an  ihn  nicht  das  Verlangen  stellen,  die 
Armee,  die  ihm  Pompojus  anvertraut  habe,  ihm  geradezu  auszuliefern. 

Kran  er  hat  allerdings  die  Unstatthaftigkeit  der  gewöhnlichen 
Lesart  erkannt  und  gemeint,  die  Worte  quod  esset  officium  bis  obtineret 
gehörten  überhaupt  nicht  hieher,  wo  Varro  dem  gegenüber,  wus  ihn  an 
PompejuB  bindet,  erwägt,  was  ihn  veranlassen  könnte,  es  mit  Cäsar  zu 
halten.  Er  will  nun  der  Not  durch  ein  schon  vielfach  gebrauchtes, 
ja  verbrauchtes  Mittel,  durch  Versetzung  abhelfen  und  obige  Worte 
unmittelbar  hinter  teneri  obstrictum  fide  eingesetzt  wissen.  Aber  damit 
ist  nicht  nur  nichts  gewonnen ,  sondern  wir  erhalten  dann  einen 
geradezu  schiefen  Gedanken.  Denn  was  sollen  jetzt  die  Worte:  se 
teneri  obstrictum  fide,  quod  esset  officium  legati,  qui  fiduciariam 
operam  obtineret  besagen?  Kann  man  denn  überhaupt  sagen:  Ich  bin 
\  durch  mein  Wort  gebunden,  und  dies  ist  die  Pflicht  eines  Legaten, 

der  einen  Vertrauensposten  bekleidet?  .Man  sagt  wol,  ein  Legate  ist 
durch  sein  Wort  gebunden,  aber  nicht,  es  ist  die  Pflicht  eines  Legaten, 
durch  sein  Wort  gebunden  zu  sein.  Aber  auch  abgesehen  davon,  ist 
denn  blos  der  Legate  durch  sein  Wort  gebunden  und  nicht  Jedermann 
und  wäre  es  nicht  zum  mindesten  ein  höchst  überflüssiger  Znsatz, 
zu  sagen,  es  ist  die  Pflicht  eines  Legaten,  sein  Wort  zu  halten  und 
das  ihm  vom  Oberfeldherrn  anvertraute  Heer  dem  Feinde  nicht  geradezu 
in  die  Hände  zu  liefern?  Aber  noch  einen  weiteren  Missstand  würde 
diese  Versetzung  zur  Folge  haben.  Es  würde  dadurch  der  doppelte* 
Gegensatz,  der  an  unserer  Stelle  für  die  Charakteristik  ciues  so  zwei- 
deutigen Mannes  wie  Varro  gerade  so  bezeichnend  ist,  zerstört  und  die 
Begriffe,  die  absichtlich  gegenüber  gestellt  werden  sollen,  zwecklos 
gehäuft.  Die  Versetzung  würde  also  das  Uebel  nur  ärger  machen. 
Das  richtige  Verstäudniss  der  Stelle  führt  auch  auf  die  richtige  Lesart. 
Zum  richtigen  Verständnis»  aber  ist  es  unbedingt  nötig,  festzuhalten, 
dass  Varro  immer  wieder  darauf  zurückkommt,  wie  ihm  seine  Stellung 
nicht  erlaube,  zum  Verräther  an  Pompejus  zu  werden,  aber  eben  so 
wenig,  gegen  Cäsar  feindlich  vorzugehen.  Wir  haben  also  einen  dop- 
pelten Gegensatz  festzuhalten.  Zunächst  sagt  er,  er  sei  an  Pompejus 
gebunden  durch  seinen  Posten,  den  er  diesem  verdanke,  er  sei  aber 
auf  der  andern  Seite  auch  ein  guter  Freund  Cäsars.    Nun  führt  er 


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weitere  Momente  für  seine  Haltung  an  und  zwar  wieder  nach  einem 
doppelten  Gesichtspunkt.  Er  wisse  einerseits  recht  wol,  was  seine 
Pflicht  von  ihm,  dem  Inhaber  eines  Vertrauenspustens,  erheische,  nämlich 
treues  Ausharren,  er  wisse  aber  andrerseits  eben  so  gut,  dass  er  bei 
der  Unzulänglichkeit  seiner  Mittel  und  der  dem  Cäsar  freundlichen 
Gesinnung  der  ganzen  Provinz  gegen  diesen  nichts  ausrichten  könne. 
Als  guter  Freund  Cäsars  will  er,  bei  seinen  schwachen  Mitteln  kann 
er  nichts  gegen  ihn  unternehmen. 

Alle  Bedenken  werden  nun  gehoben  und  die  Stelle  erscheint  als 
durchaus  gesund ,  wenn  wir  einen  ganz  unbedeutenden  Zusatz  machen 
und  vor  den  Worten  guae  voluntas  das  Wort  neque  einsetzen,  das  dann 
dem  ersten  neque  se  ignorare  in  der  passendsten  Weise  entspricht. 
Die  Auslassung  des  Wortes  neque  vor  dem  so  gleich  lautenden  Worte 
quae  ist  leicht  zu  erklären,  daher  enthält  auch  die  Wiedereinsetzung 
desselben  gewiss  nichts  Gewaltsames. 

Sörgel. 


Schrift  Ii  che  Hebungen  Im  Deutschen  für  Sexta. 

Herr  Koll-  Ludwig  Mayer  hat  S.  220  die  von  mir  in  der  heurigen 
Generalversammlung  gemachten  Vorschläge  besprochen,  dieselben  als 
zum  Teil  etwas  zu  weit  gehend  befunden ,  und  ist  dafür  selbst  mit 
einigen  Vorschlägen  aufgetreten  Er  wird  es  mir  nun  gewiss  nicht 
verübeln,  wenn  ich  auf  Grund  seiner  hiebei  entwickelten  Ansichten  und 
Grundsätze  den  Gegenstand  noch  einmal  zur  Besprechung  bringe,  auf 
meinen  ersten  Vorschlägen  beharre  und  seinen  Anschauungen  in  einigen 
Punkten  entgegentrete.  Handelt  es  sich  ja  doch  hier  um  eine  Frage, 
worüber  die  Meinungen  bis  jetzt  noch  geteilt  sind,  und  also  jeder  seine 
Ueberzeugung  geltend  zu  machen  suchen  darf. 

Herr  Koll.  M.  wendet  sich  zuvor  gegen  die  freie  Wiedergabe 
zusammenhängender  Stücke,  bei  welcher  die  Knaben,  da  sie  eine 
Kette  von  Vorstellungen  zu  überschauen  noch  nicht  vermögen,  sich 
erfabrungsgemä88  mechanisch  an  den  Wortlaut  des  Vorgelesenen  oder 
Vorgesagten  anzuklammern  gezwungen  sehen,  so  dass  sie  dabei  mehr 
mit  dem  Gedächtnisse  als  mit  dem  Verstände  arbeiten. 

Dagegen  habe  ich  zu  erinnern,  dass  die  vorzulesenden  oder  vor- 
zaerzählenden  Stücke  vor  allem  einfach,  klar  und  leicht  fasslich  sein 
müssen.  Knaben  von  10  Jahren  aber  müssen  bereits  so  viel  denken 
gelernt  haben,  um  den  Sinn  einer  einfachen  kurzen  Erzählung  verstehen 
und  erfassen  zu  können,  wenn  man  anders  junge  Leute  in  die  Lateinschule 
aufnimmt,  welche  sich  die  für  den  Eintritt  in  die  vierte  Klasse  einer 


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deutschen  Schule  hinreichenden  Kenntnisse  in  der  deutschen  Sprache 
erworben  haben,  wie  die  Schulordnung  vorschreibt.  Nach  meiner 
Ansicht  setzt  Herr  Koll.  M.  von  den  zehnjährigen  Knaben  doch  gar 
zu  wenig  voraus:  denn  die  Kette  von  Vorstellungen,  wie  sie  z.  B.  die 
von  ihm  gemeinten  Fabeln  verlangen,  ist  wahrlicb  nicht  so  gross,  dass 
sie  ein  Sextaner  nicht  zu  überschauen  vermöchte.  Die  Befürchtung, 
dass  bei  diesen  Üebungen  das  Gedächtniss  auf  Kosten  des  Verstandes 
in  Anspruch  genommen  werde,  kann  ich  nicht  teilen.  Bei  der 
freien  Wiedergabe  eines  Musterstück  kommt  es  darauf  an,  dass 
der  Schüler  rasch  einen  Ueberblick  über  das  G  a n  z  e  bekomme  und 
selbes  kurz  wiedergebe-  Sache  des  Lehrers  ist  es,  das  Nebensächliche 
an  geeigneter  Stelle  in  Erinnerung  zu  bringen.  Durch  diese  Uebungen 
wird,  wenn  man  eine  wörtliche  Wiedergabe  nicht  verlangt,  resp.  nicht 
duldet,  mehr  das  Auffassungs-  und  Denkvermögen  geübt,  als  das 
Gedächtniss.  Ja  dieses  wird,  fürchte  ich,  eher  durch  die  vom  Herrn 
Kollega  empfohlene  Methode  einseitig  in  Anspruch  genommen.  Wenn 
er  nämlich  von  der  ersten  Antwort  des  Schülers  ausgehend  fortfährt 
eine  Frage  nach  der  andern  an  ihn  zu  stellen,  um  eine  Antwort  aus 
ihm  herauszulocken ,  wobei  aber  immer  nur  einzig  allein  diejenige 
zutreffend  ist,  die  der  Lehrer  im  Kopfe  hat,  so  nimmt  er  vorzugs- 
weise des  Schülers  Gedächtniss  in  Anspruch ,  da  dieser ,  um  die 
treffende  ntwort  zu  finden,  gezwungen  ist,  sich  an  den  Wortlaut 
der  vorgetragenen  Erzählung  zu  erinnern.  Seine  eigene  Auffassung 
des  Geborten  kommt  bei  einer  solchen  Beschränkung  nicht  in  Betracht 
und  zur  Geltung.  Ein  solches  Zerpflücken  und  Drängen  presst  alles 
in  spanische  Stiefel,  schadet  der  Gestaltungskraft  der  Schüler  und 
leitet  eher  zu  mechanischer  Thätigkeit  an,  als  die  freie  Wieder- 
gabe. Richtig,  scheint  mir,  wäre  diese  Methode  vom  Einzelnen  auf 
das  Ganr.e  überzugehen  dann,  wenn  es  sich  um  die  Erfindung 
einer  neuen  Erzählung  handelte.  Hier  handelt  es  sich  aber 
nicht  um  ein  Er  linden,  sondern  um  ein  Wiederfinden.  Dass  hiebei 
das  Gedächtniss  mit  thätig  sein  muss,  ist  allerdings  richtig  und  not- 
wendig. Worin  besteht  denn  alter  auch  die  ganze  Thätigkeit  der 
Lernenden  überhaupt,  wenn  nicht  in  einer  Reproduktion  des  Gelernten  ? 
Nur  müssen  sie,  damit  das  Gelernte  fruchtbringend  werde,  sich  vor 
einer  mechanischen  Aneignung  des  zu  Lernenden  durch  blosses  Aus- 
wendiglernen hüten,  und  vielmehr  trachten,  durch  Eindringen  in  den 
Inhalt  des  Gelernten  und  durch  Nachdenken  dasselbe  zu  ihrem  Eigen- 
tum zu  machen. 

Durch  die  freie  Wiedergabe  von  zusammenhängenden  Stücken  wird 
also  der  Schüler  angebalten,  den  (iesammtinhalt  fest  ins  Auge  zu 
fassen  und  ihn  nach  seiner  individuellen  Auffassung  vorzutragen;  sein 
Verstand  wird  hiebei  nicht  weniger  geübt   und   gebildet ,  als  sein 


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Gedächtniss ,  welches  überhaupt  and  überall  bei  Erfassung  neuer 
Gegenstände  mitwirken  muss. 

Auch  in  Bezug  auf  die  Beschreibung  herrschen  zwischen  Herrn 
Koll.  M.  und  mir  die  nämlichen  grundverschiedenen  Ansichten  Auch 
hier  scheint  wir  die  als  Resultat  nach  vielen  Fragen  erhaltene 
Beschreibung:  „Auf  der  blumigen  Wiese  fliegen  bunte  Schmetterlinge 
umher"  für  einen  Sextaner  etwas  gar  zu  mager.  Beschreibungen  von 
konkreten  Gegenständen,  die  dem  Gesichtskreise  der  Schüler  entnommen 
sind,  fallen  diesen  nach  meinen  Erfahrungen  nicht  schwer,  und  sie 
bearbeiten  solche  mit  grossem  Eifer.  Man  gebe  ihnen  nur  die  Anleitung, 
wie  sie  dieselben  anfassen  müssen,  gebe  ihnen  dazu  mehrere  Muster- 
beispiele, und  lege  ihnen  dann  eine  Reihe  von  Thematen  vor,  die  in 
einem  gewissen  natürlichen  Zusammenbange  stehen,  und  man  wird 
sehen,  dass  auch  ein  Sextaner  eine  ganz  verständige  Beschreibung  zu 
liefern  im  Stande  ist*). 

Straubing.  M  Miller. 


Schriftliche  Uebuugen  in  der  deutschen  Grammatik  für  Sexta. 

Das  in  Band  XI.  6.  Seite  224  gegebene  Versprechen  sei  hiemit 
eingelöst. 

Es  müssen  jedoch  diesem  Aufsatze  etliche  einleitende  Bemerkungen 
vorausgeschickt  werden,  die  einerseits  den  Nachweis  für  die  Berechtigung 
nachfolgender  Auseinandersetzungen  liefern,  andrerseits  dazu  dienen 
sollen,  das  Thema  straffer  zu  definieren. 

„In  den  Klassen  der  Lateinschule  wird  im  Zusammenhange  mit 
dem  Unterrichte  in  der  lateinischen  Grammatik  und  mit  steter  Berück- 
sichtigung derselben  ein  grammatischer  Unterricht  erteilt."  Also  die 
neue  Schulordnung  (§.  9)  über  den  Unterricht  im  Deutschen. 

Es  möchte  fast  scheinen,  als  ob  hinsichtlich  dieser  gewiss  treff- 
lichen Vorschrift  noch  keine  rechte  Klarheit  herrschte.  Soll  man  sie 
auf  die  deutschen  Formen  beziehen?  Das  hätte  wirklich  einige 
Misslichkeiten.  Fürs  erste  wäre  fast  zu  befürchten,  dass  damit, 
wenigstens  in  Sexta,  dem  deutschen  Unterricht  die  Grenze  etwas  au 
eng  gezogen  ist.  Man  sähe  sich  nämlich  fast  notwendig  auch  im 
Deutschen  gerade  auf  jene  vcrhältnissmässig  ziemlich  wenigen  Wörter 


•)  Ich  habe  hier  bloss  die  Möglichkeit  dieser  Uebnngen  für  Sexta  ins 
Auge  gefaast;  den  Nutzen  uud  die  Notwendigkeit  derselben  für  die  intellek- 
tuelle Entwicklung  habe  ich  in  meinen  Vorschlägen  bei  der  General- 
versammlung nachzuweisen  gesucht. 


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beschränkt,  die  im  Lateinischen  zugänglich  sind,  und  doch  sollte  ein 
Sextaner  am  Ende  des  Schuljahres  wissen,  dass  man  z.  B  nicht  Gespenste,  1 
sondern  Gespenster,  nicht  Traumgesichter,  sondern  Traumgesichte,  nicht 
gehaut,  sondern  gehauen  sagt.    Ferner  denke  man  daran,  dass  in  der 
untersten  Klasse  der  Lateinschule  im  Lateinischen  nur  ganz  wenig 
Pronominalformen  (§  10  Abs.  I)  genommen  werden;   kann  die  Mehr- 
zahl der  Pronomina  darum  auch  im  Deutscheu  unberücksichtigt  bleiben? 
Es  wird  doch  bei  Verteilung  des  Lehrstoffes  in  §.  9  von  der  ersten 
Lateinklasse  Unterscheidung  der  Redeteile  verlangt;   wofür  soll  aber 
ein  Schüler  die  Wörter:   deren,  solch,  jemand,  etwas  etc.  erklären, 
wenn    sie   ihm   nicht  aus  der  deutschen  Grammatik  als  Pronomina 
bekannt  geworden  sind?  Mit  deu  Konjunktionen  ist  es  in  dieser  Klasse 
ohnehin  eine  schwierige  Sache       Fürs  zweite  könnte  der  Unterricht 
kein  systematisch  -  klarer,  sondern  nur  ein  zufälliger,  verschwommener 
und  ebendeshalb  für  die  Schüler  kein  sonderlich  gedeihlicher  sein.  Da 
bekäme  man  alle  Formationen,  starke  und  schwache,  einfache  und 
komplizierte,  durcheinander,  und  die  Schönheiten  seiner  Muttersprache, 
wie  die  Pluralendung  er  (Haupt,  Häupter),  der  Ablaut  der  starken 
Verba  (singen,  sang,  gesungen),  der  Wechsel  von  geschärfter  Silbe  zu 
gedehnter  und  umgekehrt  (bitten,  bat,  gebeten;  nehmen,  genommen) 
u.  s.  w.  könnten  dem  Schüler  kaum  eindringlich  genug  vorgeführt 
werden.    Zudem  wäre  ihm  damit  doch  wol  zu  viel  zugemutet,  die 
lateinische  und  die  deutsche  Form  zugleich  zu  erlernen;  und  wo  sollte 
der  Lehrer  zuvor  anfassen,  beim  Lateinischen  oder  beim  Deutschen, 
wenn  etwa  (wie  dies  ja  auch  vorkommen  kann)  ein  Knabe  cordia  die 
Herze  oder  viro  forto  dem  tapferem  Manne  dekliniert?  —  Dass  es 
aber  nahezu  unmöglich  ist,  deutsche  und  lateinische  Formenlehre  im 
Zusammenbange  zu  geben,  das  haben  auch  die  Kollegen  Brunner  und 
Kraus  jüngst  in  ihrem  Elementarbuch  des  Deutsch  -  lateinischen  Unter- 
richtes für  Sexta  bewiesen;  wiewol  innerlichst  von  der  Vorteilhaftigkeit 
einer  Verbindung  der  deutschen  und  lateinischen  Grammatik  überzeugt, 
waren  sie  doch  gezwungen,  bei  jedem  Abschnitt  ihres  Buches  die 
Hegeln  der  deutschen  Grammatik  für  sich  abgeschlossen  vorauszuschicken 
und  erst  darauf  die  Regeln  der  lateinischen  Grammatik  zu  bauen. 
Es  ist  darum  nicht  plausibel,  wenn  es  auch  voi  mancher  Seite  so  auf- 
yefasst  werden  zu  wollen  scheint,  dass  der  oberste  Studienrat  mit  jener 
Verordnung  den  Unterricht  in  den  deutschen  Formen  gemeint  habe 
Sagt  man  dagegen,  er  habe  damit  zunächst  die  Erlernung  und  schärfere 
Unterscheidung  grammatikalischer  Begriffe  und  Verhält- 
nisse, wie  Substantivum,  Vcrhum,  Numerus,  Casus,  Tempus,  Subjekt, 
Objekt  etc.  im  Auge  gehabt,  so  wird  das  Jedermann  einleuchten;  ja 
derlei  allerdings  wird  bei  gleichzeitiger  Betreibung  des  Lateinischen 


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den  Knaben  leichter  und  schneller  klar  und  geläufig,  und  damit  ist 
auch  schon  sehr  viel  gewonnen. 

Wenn  man  nun  aber  das  bisher  Entwickelte  zugesteht  —  und  man 
wird  nicht  leicht  anders  können  —  so  ergibt  sich  für  den  Unterricht 
in  der  deutschen  Sprache  jener  freiere  Spielraum,  der  unbedingt  nötig 
erscheint,  und  jenes  höhere  Ansehen,  das  unserer  ehrwürdigen  Mutter- 
sprache von  jeher  zukommt.  Man  wird  in  den  deutschen  Lehrstunden 
sich  ausschliesslich  mit  dem  Deutschen  befassen  und  unsere  Sprache 
selbständig  erklären  und  einüben  dürfen,  eine  Verbindung  der 
deutschen  und  lateinischen  Grammatik  aber  nur  insoweit  einhalten, 
dass  man  in  beiden  möglichst  gleichzeitig  gleiche  Abschnitte  bebandelt 
und  von  einer  auf  die  andere  vergleichend  hinweist. 

Wollte  nun  Jemand  glauben,  die  deutsche  Grammatik  enthalte  an 
und  für  sich  keine  bilduugselemente,  oder  es  lasse  sich  der  Unterricht 
in  derselben  nicht  nach  mehreren  Richtungen  hin  gewinnreich  machen, 
so  wären  das  arge  Täuschungen  Wenn  auch  nicht  so  knapp  wie  das 
Lateinische,  besitzt  die  deutsche  Sprache  noch  immer  Exaktheit  genug, 
um  die  Aufmerksamkeit  und  Genauigkeit  der  Schüler  herauszufordern. 
Wo  ferner  soll  der  Schüler  richtig  sprechen  und  schreiben  lernen, 
wenn  ihm  nicht  in  erster  Linie  die  Grammatik  dazu  verhilft?  Obendrein 
lässt  sich  aber  der  Unterricht  in  diesem  Gegenstande  auch  so  einrichten, 
dass  zugleich  Verstand  und  Phantasie  der  Schüler  angeregt,  dass  ihr 
Gesichtskreis  erweitert,  Klarheit  über  das  bereits  Erfasste  verbreitet 
wird,  kurz,  dass  sie  richtige  und  reichliche  Gedanken  bekommen. 
Es  liegt  hier  schon  eine  der  wichtigsten  Stufen  des  stilistischen  Unter- 
richts, freilich  eine  niedrige  Stufe,  die  von  Seiten  des  Lehrers  unendlich 
viel  Geduld  in  Anspruch  nimmt,  aber  für  eine  gründliche  Durchbildung 
ebenso  unentbehrlich  wie  vorteilhaft  ist. 

In  der  deutschen  Elementarschule  wird  diesem  Bedürfniss  von 
jeher  Rechnung  getragen;  ich  selbst  erinnere  mich  noch  bestimmt 
dieser  oder  jener  Uebung,  die  ich  als  Knabe  von  8  —  10  Jahren  mit- 
gemacht habe.  Es  liegen  mir  auch  einige  Bändchen  eines  Lehrmittels 
vor,  das  ich  allen  beteiligten  Kollegen  zur  Einsicht  empfehlen  möchte; 
es  enthält  eine  reiche  Sammlung  von  Aufgaben,  wie  sie  an  deutschen 
Schulen  im  Gebrauche  sind.  Man  wird  in  demselben  mehrere  der  von 
mir  in  Folgendem  aufgeführten  Uebungen  antreffen.  Der  Titel  des 
Werkchens  ist:  Hilfsbüchlein  zum  Unterricht  in  der  deutschen 
Sprache  etc.  von  L.  Hirschmann,  Lehrer  in  Regensburg,  1.,  2.  und 
3.  Bändchen.    Regensburg  bei  Büssenecker  1874,  resp.  1875. 

In  der  Lateinschule  wird  man  Derartiges  ebenfalls  nicht  umgehen 
können,  vorab  nicht  in  der  neugeschaffenen  Sexta.  Denn  die  in  diese 
Klasse  eintretenden  Knaben  haben  bei  weitem  noch  nicht  vollständige 
oder  abgeschlossene  Vorbildung  gemessen  können,  ja   wir  werden 


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vielleicht  gut  daran  thun,  -wenn  wir  bei  ihnen  nichts  weiter  voraus- 
setzen, als  die  technische  Fertigkeit  des  Lesens  und  Schreibens,  in 
allem  andern  aber  mit  den  Anfangsgründen  beginnen  Desto  tiefer 
und  sicherer  werden  wir  sie  erfassen,  desto  gleichmässiger  und  geord- 
neter wird  der  Unterricht  sein,  ohne  dass  man  sich  jedoch  bei  dem 
gar  zu  Einfachen  lange  aufzuhalten  brauchte.  Was  die  Schüler  vor 
ihrem  Eintritt  in  die  Lateinschule  gelernt  haben  ,  das  wird  ihnen  auch 
hiebei  zu  statten  kommen,  und  die  repetierten  Kapitel  treffen  sie  in 
der  Lateinschule  sebon  mit  wacherem  Verstände  und  wegen  des  iiück- 
balts,  den  das  Lateinische  gewährt ,  unter  gründlicherer  Anleitung  an. 

So  gehe  ich  denn  über  auf  die  angekündigten  Uebungen;  ich 
könnte  nicht  alle  aufzählen;  die  meisten  derselben  werden  meinen 
Kollegen  bereits  bekannt  sein  und  es  wird  mancher  im  Feuer  des 
Unterrichts  selbst  noch  diese  oder  jene  neu  erfinden;  mir  gilt  es  hier 
nur,  die  Sache  selbst  ins  Gedächtniss  zu  rufen. 

Vor  allem  sei  bemerkt,  dass  sich  die  orthographischen  Uebungen 
zum  Teil  recht  gut  dazu  einrichten  lassen,  die  Schüler  nebenher  in 
der  Formenlehre  und  im  Gebrauche  der  Sprache ,  also  orthographisch, 
grammatikalisch  und  lexikalisch  zugleich  zu  üben.  Hier  kann  man 
ihnen  so  manches  in  die  Hände  spielen  ,  ohne  dass  man  sie  mit  den 
einschlägigen  dürren  Regeln  behelligen  und  ängstigen  musB.  Da  ein 
Diktando  nicht  bloss  diktiert,  sondern  nachträglich  auch  aufs  genaueste 
buchstabiert  werden  muss,  so  wird  das  darin  Enthaltene  um  so  fester 
im  Gedächtnisse  haften  bleiben.  Man  gebe  also  zur  geeigneten  Zeit 
als  Diktaudo  Sätze  wie:  Manche  Bflchersammlung  enthält  vieltansend 
Bünde.  An  den  einsamen  Kreuzen  des  Friedhofes  Hattern  Bänder. 
An  meine  Eltern  knüpfen  mich  die  Bande  der  Liebe  und  Dankbarkeit. 
Einst  trugen  die  Soldaten  Schilde  und  zwar  am  linken  Arme.  Die 
Aushängsch i  1  d er  sind  meist  mit  gTellen  Farben  gemalt.  —  Oder 
gelegentlich  der  Komparation:  Dem  braveren  Knaben  gebührt  das 
grössere  Lob.  Die  besten  und  frömmsten  (frommsten)  Menschen  sind 
nicht  immer  die  glücklichsten  und  frohesten.  Oder  gelegentlich  der 
Koujugation,  besonders  der  starken:  Ich  genese  von  einer  schweren 
Krankheit.  Der  verwundete  Reiter  genas  nur  langsam.  Sobald  der 
Kranke  genesen  ist,  wird  er  nach  Italien  reiseu,  um  sich  vollständig 
zu  erholen.  Der  Kranke  genest.  0  dass  ich  doch  bald  genäse!  Wenn 
du  wahrend  der  Krankheit  schädliche  Speisen  geniessest,  genesest  du 
nicht  etc.  So  lässt  sich  fast  die  ganze  Formenlehre  an  Beispielen 
vorführen ,  und  man  ist  nicht  leicht  in  Verlegenheit  wegen  eines 
passenden  Stoffes  zu  einem  Diktando. 

Speziell  aber  empfehlen  sich  folgende  Uebungen : 

1)  Gelegentlich  der  Lehre  vom  Hauptwort : 


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a)  Setzung  des  (bestimmten  oder  unbestimmten)  Artikels  vor  einer 
Reihe  von  Substantiven.  Am  besten  wird  man  hiezu  Gruppen 
zusammen  gehöriger  Begriffe,  Aufzählungen  aus  ver- 
schiedenen Gebieten,  z.  B.  den  Naturwissenschaften,  verweuden,  z.  B.  ■ 
Folgende  Teile  des  menschlichen  Leibes  sind  mit  dem  «Artikel  zu 
versehen:  Kopf,  Rumpf,  Gliedmassen;  Scheitel,  Haar,  Stirn,  Schläfe, 
Auge,  Augapfel,  Pupille,  Braue,  Lid,  Wimper,  Wange,  Ohr,  Nase, 
Lippe,  Bart,  Kiefer,  Zahn,  Zunge,  Gaumen  etc.  —  So  kann  man 
nehmen  die  Haustiere,  Raubvögel,  Blumen  etc.  Dass  derartige 
Uebungen  durchaus  nicht  überflüssig  sind ,  wird  man  gar  bald 
merken,  zugleich  aber  Anlass  nehmen,  den  Schülern  diesen  und 
jenen  Begriff  zu  erklären.  • 

b)  Stellung  einer  solchen  Reihe  vom  Singular  in  den  Plural 
oder  vom  Nominativ  in  irgend  einen  anderen  Kasus,  z.B.:  Folgende 
Obstarten  sind  in  den  Nom.  Plur.  zu  stellen :  Birne,  Apfel,  Pflaume, 
Zwetschge,  Pfirsich,  Kirsche,  Walnuss,  Dattel,  Feige  etc 

c)  Aufzählung  einer  solchen  Reihe  von  Substantiven  im  Nom.  Sing, 
mit  dem  Artikel,  z.  B  :  Nenne  die  verschiedenen  Hausgeräte  im 
Nom.  Sing,  mit  dem  besttimmten  Artikel. 

d)  Einsetzung  passender  Subjekte  oder  Objekte.  Hier  wird  man 
sein  Augenmerk  auf  gewisse  stehende  Begriffsverbindungen 
richten,  z.  B.  was  klingt?  (die  Glocke),  klappert?  (die  Mühle), 
kracht,  rollt?  Was  glänzt,  funkelt,  leuchtet,  blitzt,  schimmert? 
Welche  Tiere  wiehern,  blöken,  meckern,  brüllen,  knurren,  bellen, 
heulen,  fauchen,  krähen,  krächzen,  trillern,  zwitschern,  quaken, 
zischen,  summen,  zirpen?  -  Oder:  der  Hund  jagt—?  (den  Hasen); 
Knaben  lieben  —  ?  (die  Spiele,  Bücher  etc.);  das  Kind  gehorcht  —  ? 
(dem  Vater,  Lehrer,  den  Eltern  etc.)  u.  s.  w. 

e)  Bildung  von  Sätzen,  die  ein  Substantiv  der  Reihe  nach  in  je 
einem  Kasus  des  Singulars  und  Plurals  enthalten,  z.  B. 

Nom.  Das  Pferd  zieht  den  Wagen. 

Gen.  Die  Hufe  des  Pferdes  beschlägt  man  mit  Eisen  etc. 

2)  Gelegentlich  der  Lehre  vom  Eigenschaftswort: 

a)  Setzung  passender  Epitheta,  z.  B.  die  Knaben  lieben  den  — 
Honig;  der  Jäger  erlegt  das  —  Reh;  die  Kälte  schadet  dem 
—  Knaben. 

b)  Bildung  von  Sätzen,  wie  bei  1  e, 

z.  B.  Nom.  Das  starke  Pferd  zieht  den  Wagen. 
Gen.  Die  Hufe  des  starken  Pferdes  etc. 

c)  Vergleichungen,  z.B.  Eisen,  Holz,  schwer  ==  Eisen  ist  schwerer 
als  Holz;  Pferd,  Elefant,  Walfisch,  gross  —  das  Pferd  ist  gross, 
der  Elefant  ist  grösser,  der  Walfisch  ist  am  grössten.    Man  kann 


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die  Glieder  auch  durch  die  Schüler  erst  ordnen  lassen,  z.  B.  Pfeil, 
Schwalbe,  Blitz,  rasch. 

3)  Gelegentlich  der  Lehre  vom  Fürwort: 

a)  Beugung  bestimmter  Ausdrücke,  wie:  mein,  treu,  Freund; 
unser,  gut,  König;  euer,  edel,  Fürst;  dieser,  schuldlos,  Mann; 
mancher,  brav,  Soldat;  manch,  brav,  Soldat;  solch,  schön, 
Wort  etc. 

b)  Beobachtung  und  Unterscheidung  der  Formen:  dessen,  deren, 
denen  an  diktierten  Sätzen,  in  welchen  sie  entweder  als  Demon- 
strativa  oder  als  Relativa  fungieren.  v 

c)  Setzung  passender  Pronomina  au  Stelle  angegebener  Substan- 
tiva,  wie  in  folgender  Uebung:  Gross  ist  der  Nutzen  des  Feuers, 
wenn  der  Mensch  das  Feuer  gehörig  besucht;  mit  des  Feuers 
Hilfe  nämlich  heizen  wir  unsere  Wohuungcn  in  kalter  Winterszeit; 
durch  das  Feuer  werden  uns  viele  Speisen  erst  geniessbar;  von 
dem  Feuer  weich  gemacht  lassen  sich  die  Metalle  brauchbare 
Form  geben.  Aber  wir  dürfen  dem  Feuer  auch  nicht  zu  sehr 
trauen;  wehe,  wenn  das  Feuer  ausbricht;  Haus  und  nütte  wird 
dann  des  Feuers  Beute. 

d)  Einsetzung  ausgelassener  Pronomina,  jedoch  mit  Angabe  der 
Gattung  derselben,  z.  B.  ein  Knabe,  —  {relat.)  —  (reflex.)  unvor- 
sichtig in  eine  tiefe  Grube  hinabbegeben  hatte  und  nicht  mehr 
herauskommen  konnte,  tröstete  —  (reflex.)  mit  den  Worten:  „— 
(indefin.)  muss  (reflex.)  nur  zu  helfen  wissen;  da  laufe  —  (person.) 
in  die  nächste  Scheune  und  hole  —  (person.)  eine  Leiter;  auf  — 
(demonstr.)  steige  (person.)  hinauf  und  gehe  zu  (possess) 
Kitern  nachhause." 

4)  Gelegentlich  der  Lehre  vom  Zeitwort: 

a)  Umstellung  vou  Sätzen  vom  Aktiv  ins  Passiv  und  umgekehrt; 
hier  muss  man  jedoch  eine  sorgfaltige  Auswahl  treffen;  es  wäre 
gefehlt,  den  nächsten  besten  Abschnitt,  der  gar  nicht  dazu  ein- 
gerichtet ist,  für  eine  derartige  Aufgabe  zu  bestimmen. 

b)  Verwandlung  von  Ausdrücken,  die  im  Infinit,  angegeben  sind, 
in  irgend  eine  beliebige  Form  des  Verbi  tiniti,  z.  B.:  Bilde  11 
Sing.  Imperf  Ind.  Akt.  von  den  Ausdrücken:  sich  einen  Freund 
erwerben,  seinen  Plan  ändern  etc. 

c)  Herstellung  von  Participien  aus  kurzen  Sätzen,  z.  B.  Benütze 
die  Zeit,  da  sie  schnell  entflieht  —  Benütze  die  schnell  entfliehende 
Zeit;  die  Feinde  flohen,  als  sie  besiegt  worden  waren  =  die 
besiegten  Feinde  flohen. 

d)  Uebung  in  stehenden  BegiitVsverbindungen ,  wie  unter  Id  an- 
gegeben, z.  B.  der  Bach  -?  (plätschert);  der  Strom  ?  (rauscht); 
das  Feuer  —  ?  (prasselt)  etc. 


323 


e)  Aufzählung  von  Tbätigkeiten  in  verschiedenen  Temporibus 
und  Modis,  z  B.  der  Landniann  —  ?  (pflügt,  sät,  eggt,  mäht, 
heimst  ein  oder  erntet,  drischt  etc  )  oder  im  Imperfekt,  der  Land- 
niann pflügte,  säte  etc.  -  Dies  dürfte  sich,  wie  1c  und  d  und  2a 
vorzüglich  als  eine  Vorschule  der  Heuristik  empfehlen. 
f>j  Gelegentlich  der  Lehre  vom  Vor-  oder  Fügewort: 

a)  Einrichtung  aufgelöster  Konstruktion,  z.  B.  wegen  —  (das 
schlechte  Wetter)  blieb  ich  zu  Hause;  aber  trotz  -  (diese  Vorsicht) 
wurde  ich  von  —  (ein  heftiges  Fieber)  ergriffen. 

b)  Einsetzung  von  passenden  Objekten  nach  Präpositionen,  z.  B. 
nächst  verdanken  die  Knaben  dem  Lehrer  am  meisten;  nach 
—  ist  die  Luft  rein. 

(i)  Gelegentlich  der  Lehre  vom  Bindewort  (welches  übrigens  in 
Sexta  kaum  eine  gründliche  Behandlung  erfahren  kann): 
Einsetzung  passender  Konjunktionen  und  zwar 

a)  koordinierender,  z.  B  die  Sonne  leuchtet  -  erwärmt;  Gott 
lebt  ewig,  die  Menschen  —  müssen  sterben;  die  Diamanten  sind 
sehr  wertvoll,  —  sie  funkeln  sehr  schön. 

b)  subordinierender,  z.  B.  der  Lehrer  lobt  dich,  —  du  fleissig 
warst;  die  Eltern  liebeu  dich,  —  du  nicht  fleissig  gewesen  bist; 
der  Thor  spricht  schon,  —  er  gedacht  hat;  aber  es  reut  ihn  kurz 
darauf,      er  gesprochen  hat. 

Von  dieser  Art  sind  die  Exercitien,  die  ich  im  Sinne  hatte,  und 
ich  glaube  nicht,  dass  meine  Kollegen  dieselben  für  unnütz  oder 
überflüssig  halten,  im  Gegenteil,  ich  bin  der  festen  Ueberzeugung,  dass 
sie  ebenso  wie  ich  die  dringende  Indikation  derselben  erkennen  werden. 
Wir  dürfen  einerseits  nicht  übersehen,  die  Schüler  an  richtige  Form 
zu  gewöhnen,  andrerseits  aber  auch  ihr  Hegriffs-  und  Denkvermögen 
nicht  verkümmern  lassen.  Dieser  Rolle  wird  weder  durch  das  Lese- 
buch allein,  noch  durch  die  Schülerbibliothek,  sei  beides  so  vorzüglich 
wie  es  wolle,  vollständig  genügt  Wir  Lehrer  müssen  in  der  Schule 
im  lebendigen  Vortrage  darauf  hinarbeiten  ;  da  wird  es  zwecken  und 
flecken;  wir  müssen  den  Schülern  spenden  und  zwar  so  reichlich 
spenden,  als  wir  haben  und  als  sie  ertragen  können.  — 

Was  ich  auseinandergesetzt  habe,  bezieht  sich  erklärtermassen  nur 
auf  Sexta.  Vielleicht  bietet  sich  mir  einmal  Gelegenheit,  die  Aufgaben 
höherer  Klassen  in  diesem  Gegenstande  einer  Betrachtung  zu  unter- 
ziehen, oder  es  geschieht  durch  einen  meiner  Kollegen.  Dass  noch 
manches  zu  erwähnen  ist  zu  einer  Verbesserung  der  Methode,  darüber 
herrscht  kein  Zweifel;  denn  es  sind  zwei  alto  Klagen,  die  schwer  in 
die  Wagschale  fallen,  dass  nämlich  Gymnasialschüler  nicht  selten 
erstens  gedankenarm,  und  zweitens  dass  sie  arm  an  Worten  sind. 

München.  Ludwig  Mayer. 


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324 


Stilistische  Aphorismen. 

HL    üeber  daa  Princip  der  Stillehre  und  die  Stilgesetze. 

Kragen  wir,  wodurch  der  gegenwärtige  Marasmus  der  Stilistik  her- 
beigeführt worden  sein  mag,  so  ist  die  Antwort  vor  Allem  in  dem 
Umstand  zu  suchen,  dass  man  bei  der  Aufsuchuug  der  Stilregeln  nicht 
vom  Stilisten,  sondern  vom  Stil  werk  ausging.  Nach  dem  Zustand, 
in  welchem  wir  die  Stilistik  heutzutage  und  in  welchem  wir  die 
Rhetorik  bei  den  Alten  vorfinden ,  muss  derjenige,  der  zuerst  über 
rhetorische  und  stilistische  Probleme  nachdachte,  vom  Stilwerk  aus- 
gegangen sein.  Ohne  Princip  suchte  und  fand  er  Regeln,  wie  sie  ihm 
der  Zufall  bot,  und  so  ward  der  Empirismus  mit  der  Rhetorik  geboren. 
Die  nachfolgenden  Theoretiker  schritten  auf  dem  eingeschlagenen  Wege 
weiter,  ohne  dass  es  ihnen  einfallen  mochte,  Ober  die  Richtigkeit  des 
Ausgangspunktes  Untersuchungen  anzustellen.  Damit  war  denn  auch 
der  Dogmatismus  in  der  Stilistik  installirt.  Die  Regeln  häuften  sich, 
und  je  mehr  sie  sich  häuften ,  um  so  weniger  war  mehr  daran  zu 
denken,  das,  was  der  Erste  versäumt  hatte,  nachzuholen,  nämlich  sie 
unter  einen  Hut  zu  bringen.  Denn  mit  der  bunten  Menge  der  Regeln 
wuchs  auch  die  Schwierigkeit,  ihre  Mannigfaltigkeit  auf  ein  Princip 
zurückzuführen.  Und  so  musste  der  Empirismus  selbst  den  Dogmatis- 
mus in  der  Stilistik  grossziehen.  Wo  aber  in  einer  Theorie  Empirismus 
und  Dogmatismus  sich  die  Hand  reichen,  da  kann  auch  die  Stagnation 
nicht  ausbleiben.  Somit  erklären  sich  also  alle  Krankheitserscheinungen 
der  Stilistik  auB  dem  Ausgangspunkt,  den  sie  genommen,  und  aus  dem- 
selben Grund  war  ihr  auch  von  Anfang  an  die  Möglichkeit,  eine  Wissen- 
schaft zu  werden,  abgeschnitten  (cf.  Cicero  de  oratore  I,  23  und  24  und 
II,  8).  Gleichwol  dürfen  wir  nicht  Ubersehen ,  dass  auch  andere  Um- 
stände dazu  beitrugen,  jene  angebornen  Krankheiten  der  Stillehre  zu 
chronischen  Leiden  zu  machen  Doch  wollen  wir  hier  nur  einen 
Punkt  näher  bezeichnen. 

Es  war  nämlich  gewiss  ein  eigentümliches  Verbängniss,  dass  die 
Stillehre  nicht  das  Glück  hatte,  wie  andere  Wissenschaften  z.  B.  die 
Aesthetik  von  der  neueren  Philosophie  bearbeitet  und  weitergebildet 
zu  werden  Nachdem  im  Altertum  noch  ein  wirklicher  Co'itakt  zwischen 
beiden  Disciplinen  bestand,  hatte  auch  noch  im  Mittelalter  die  Rhetorik 
teilweise  mit  der  Scholastik  Fühlung,  ohne  indessen  we:entliche  Fort- 
schritte zu  machen.  Als  aber  im  18  Jahrhundert  allmählich  das  ent- 
stand ,  was  wir  jetzt  Stilistik  oder  Stillehre  nennen,  bat  sich  weder 
einer  der  grossen  Philosophen  jener  Zeit  mit  ihr  weiter  beschäftigt, 
noch  ward  sie  sonstwie  in  irgend  einen  engeren  Zusammenhang  mit 
der  modernen  Philosophie  gebracht.  Denn  die  wenigen  Versuche,  die 
Wolffische,  Kantische  und  Hegeliscbe  Philosophie  auf  die  Stilistik  resp. 


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325 


Rhetorik  anzuwenden,  bleiben  ausser  Ansatz ,  da  sie  auf  die  Gestaltung 
der  Stilistik  keinen  nachhaltigen  Einfluss  hatten.  Selbst  Rinne's  neuester 
Versuch,  die  Hegelische  Philosophie  in  die  Stilistik  einzuführen  — 
seine  Compositionslehre  ist  ja  schliesslich  doch  nichts  anderes  als  eine 
Uebertragung  der  Hegel'schen  Philosophie  auf  die  Stilistik  —  hatte 
bisher  keinen  irgendwie  durchschlagenden  »folg,  sondern  die  Stilistik 
beharrte  vielmehr  in  ihrer  Stagnation.  So  hat  denn  die  alte  und  neue 
Theorie  noch  immer  eine  frappante  Aehnlichkeit  und  die  Rhetorik  ad 
Herennium  sieht  ganz  modern  aus  und  heimelt  uns  an. 

Es  ist  überhaupt  merkwürdig,  wie  sich  die  Stilistik  bisher  gegen 
alle  verjüngenden  Einwirkungen  abschliessen  konnte.  Denn  so  wenig 
als  die  Entwicklung  der  modernen  Philosphie,  so  wenig  vermochte  auch 
der  grossartige  Aufschwung  der  Aesthetik  in  der  zweiten  Hälfte  des 
vorigen  Jahrhunderts  auf  die  Stilistik  einen  bleibenden  Eindruck  zu 
machen.  So  hat  dieselbe  z  B  aus  Lessings  Laokoon  weiter  nichts 
gelernt  als  eine  behagliche  Empfehlung  der  Art  und  Weise,  wie  Homer 
den  Schild  des  Achilles  beschreibt  Es  war  und  blieb  daher  die 
Stilistik  teils  naturnotwendig,  in  Folge  ihres  Ausgangspunktes,  teils 
durch  ihre  Isolirung  im  geschichtlichen  Entwicklungsgang  der  Wissen- 
schaften eine  unwissenschaftliche  Doktrin 

In  dieser  Erkeuntniss  suchten  wir  von  einem  andern  Standpunkt 
aus  zu  einem  Princip  der  Stilistik  und  zu  Stilgesetzen  zu  kommen. 
Eine  stilistische  Darstellung  lässt  sich  nämlich  nicht  blos  als  etwas 
Fertiges,  auf  einmal  Gegebenes  betrachten,  sondern  ebenso  auch  als 
etwas  durch  den  Stilisten  successive  Hervorgebrachtes 
und  erscheint  dann  als  eine  Entwicklung.  Denn  nicht  von  ihrem 
Anfang  an  ist  sie  das,  als  was  sie  schliesslich  erscheint,  sondern  als 
einfacher  Gedanke  wird  das  Stilwerk  im  Geiste  des  Stilisten  geboren, 
und  spricht  er  diesen  Gedanken  aus,  so  bat  er  ein  Thema  gesetzt,  das 
ihn  nun  zur  Ausführung  drängt.  Aber  jener  Gedanke  entstand  in  y 
seinem  Kopfe  nicht  ohne  irgend  eine  Veranlassung;  denn  auch  im 
Geist  des  Menschen  kann  nichts  erzeugt  werden  ohne  Veranlassung, 
wenn  wir  uns  auch  derselben  nicht  immer  bewusst  werden.  Diese 
selbst  aber  lag  wieder  iu  inneren  oder  äusseren  gegebenen  Verhält- 
nissen, in  der  Situation,  in  der  sich  der  Stilist  befand,  in  der  eigen- 
artigen Lage  der  Dinge,  in  der  Gemütsstimmung,  in  die  er  durch  irgend 
etwas  versetzt  wurde  u.  s.  w.  Und  so  durchlief  also  der  werdende 
Aufsatz  schon  eine  Reihe  von  Entwicklungsphasen,  ehe  er  als  Thema 
geboren  wurde.  Und  wie  oft  erzählt  uns  nicht  der  Schriftsteller  selbst 
die  ganze  subjektive  Entstehungsgeschichte  seiner  Darstellung  I  Wir 
verweisen  nur  auf  die  Einleitung  zu  Cicero's  Topik .  zu  Lessings 
Laokoon,  Hamburger  Dramaturgie  u.  a.  w. ;  auf  das  Vorwort  zu  Göthes 
Wahrheit  und  Dichtung;   auf  die  Vorrede  zu  Schillers  Abfall  der 


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1 


324 


III. 


Stilistische  Aphorismen. 

Ueber  das  Priacip  der  Stillehre  und  die  Stilgesetze. 


Fragen  wir,  wodurch  der  gegenwärtige  Marasmus  der  Stilistik  her- 
beigeführt worden  sein  mag,  so  ist  die  Antwort  vor  Allem  in  dem 
Umstand  zu  suchen,  dass  man  bei  der  Aufsuchung  der  Stilregeln  nicht 
vom  Stilisten,  sondern  vom  Stil  werk  ausging.  Nach  dem  Zustand, 
in  welchem  wir  die  Stilistik  heutzutage  und  in  welchem  wir  die 
Rhetorik  bei  den  Alten  vorfinden,  muss  derjenige,  der  zuerst  über 
rhetorische  und  stilistische  Probleme  nachdachte,  vom  Stilwerk  aus- 
gegangen sein  Ohne  Princip  suchte  und  fand  er  Regeln,  wie  sie  ihm 
der  Zufall  bot,  und  so  ward  der  Empirismus  mit  der  Rhetorik  geboren. 
Die  nachfolgenden  Theoretiker  schritten  auf  dem  eingeschlagenen  Wege 
weiter,  ohne  dass  es  ihnen  einfallen  mochte,  Ober  die  Richtigkeit  des 
Ausgangspunktes  Untersuchungen  anzustellen.  Damit  war  denn  auch 
der  Dogmatismus  in  der  Stilistik  installirt  Die  Regeln  häuften  sich, 
und  je  mehr  sie  sich  häuften ,  um  so  weniger  war  mehr  daran  zu 
denken,  das,  was  der  Erste  versäumt  hatte,  nachzuholen,  nämlich  sie 
unter  einen  Hut  zu  bringen.  Denn  mit  der  bunten  Menge  der  Regeln 
wuchs  auch  die  Schwierigkeit,  ibre  Mannigfaltigkeit  auf  ein  Princip 
zurückzuführen.  Und  so  musste  der  Kmpirismus  selbst  den  Dogmatis- 
mus in  der  Stilistik  groBsziehen  Wo  aber  in  einer  Theorie  Empirismus 
und  Dogmatismus  sich  die  Hand  reichen,  da  kann  auch  die  Stagnation 
nicht  ausbleiben  Somit  erklären  sich  also  alle  Krankheitserscheinungen 
der  Stilistik  aus  dem  Ausgangspunkt,  den  sie  genommen,  und  aus  dem- 
selben Grund  war  ihr  auch  von  Anfang  an  die  Möglichkeit,  eine  Wissen- 
schaft zu  werden,  abgeschnitten  (cf.  Cicero  de  oratore  I,  23  und  24  und 
II,  8).  Gleichwol  dürfen  wir  nicht  übersehen,  dass  auch  audere  Um- 
stände dazu  beitrugen,  jene  angebornen  Krankheiten  der  Stillebre  zu 
chronischen  Leiden  zu  machen  Doch  wollen  wir  hier  nur  einen 
Punkt  näher  bezeichnen. 

Es  war  nämlich  gewiss  ein  eigentümliches  Verhängni  s,  dass  die 
Stillehre  nicht  das  Glück  hatte,  wie  andere  Wissenschaften  z   B.  die 
Aesthetik  von  der  neueren  Philosophie  bearbeitet  und  weitergebi 
zu  werden    Nachdem  im  Altertum  noch  eiu  wirklicher  Contakt  z> 
beiden  Disciplineu  bestand,  hotte  auch  noch  i tu  Mittelalter  die  Rhetorik 
teilweise  mit  der  Scholastik  Fühlung,  ohne  indessen   w .  entliehe  Fort 
schritte  zu  machen     Als  aber  im  1 
stand,  was  wir  jetzt  Stilistik  oder 
einer  der  grossen  Philosophen 
noch  ward  sie  sonstwie  i 
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einfacher  Gedanke  vim  t»  «m«  »  • 
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326 


Niederlande  etc. ;  auf  die  Einleitungen  zu  den  Geschieh  tswerken  des 
Sallust;  auf  die  Vorrede  zur  Geschichte  der  Franken  von  Gregor  von 
Tours,  zu  Otto's  von  Freising  gesta  Friderici  u.  8.  f. 

Wie  aber  schon  die  Aufstellung  des  Themas  eine  Genesis  hat  und 
das  Resultat  einer  Entwicklung  ist,  so  ist  auch  die  ganze  nun 
folgende  Ausfahrung  des  Thomas  nichts  anderes  als  eine  Entwick- 
lung. Durch  die  Aufstellung  des  Thomas  hat  sich  der  Stilist  näm- 
lich einen  Zweck  gesetzt,  den  er  jetzt  allmählich  verwirklichen  will 
und  der  ihn  beständig  vorwärts  treibt,  bis  das  Thema  vollständig 
durchgeführt  ist  (—  die  bewegende  Ursache  in  der  Entwicklung!).  In 
steter  Folge  entwickelt  er  nun  Gedanken  für  Gedanken  ,  von  denen 
jeder  nachfolgende  auf  dem  vorhergehenden  basirt  und  aus  ihm  gleich- 
sam organisch  herauswächst,  und  so  eilt  der  Stilist  dem  Ende,  der 
vollständigen  Verwirklichung  des  Themas ,  zu  (semper  ad  eventum 
festinat)  und  ruht  nicht  eher,  als  bis  das  Ziel  erreicht,  bis  das  Thema, 
da  es  nun  vollständig  durchgeführt  ist,  aufhört,  ihn  zu  weiterer 
Gedankenentfaltung  zu  treiben.  So  wird  dann  seine  Darstellung  zu 
einem  ei  nheitlich  en,  in  sieb  abgeschlossenen  Ganzen,  das 
einen  Anfang,  einen  Verlauf  und  ein  Ende  hat;  sie  wird  zu  einem 
Ganzen,  das  in  successiver,  logisch  sich  aufbauender 
Entfaltung  einen  Zweck  allmählich  realisirt.  Eine  solche 
zweckmässige  Bewegung  aber  nennen  wir  Entwicklung;  denn  Ent- 
wicklung ist  nichts  anderes  als  die  allmähliche,  stetig  fortschreitende 
Verwirklichung  eines  gesetzten  Zweckes.  Also  ist  der  Aufsatz 
oder  die  stilistische  Darstellung  eine  Entwicklung. 

Dann  sind  aber  auch  die  Gesetze  der  Entwicklung  Stil  - 
gc setze.  Dann  ist  die  Stilistik  einer  systematischen  Ausbildung 
fähig;  denn  die  Entwicklungs  -  und  hiemit  auch  die  Stilgesetze  lassen 
sich  aus  dem  Begriff  der  Entwicklung  mit  apodiktischer  Gewissheit 
deduciren  und  hiemit  träte  die  Stilistik  in  die  Reihe  der 
wirklichen  Wissenschaften  ein. 

Damit  haben  wir  unsere  principielle  Anschauung  über  das  Stilwerk 
und  die  Stilgesetze  ausgesprochen.    Wir  behaupten : 

Das  Stilwerk  ist  nichts  anderes,  als  ein  einheitlich 
in  sich  abgeschlossenes  logisch-rhetorisch  Ȋsthetisches 
Ganzes,  hervorgebracht  durch  Auseinandersetzung  des 
Themas  nach  den  Gesetzen  der  Entwicklung.  Folglich  sind 
die  stilistischen  Compositionsgcsetzc  nichts  anderes,  als  die  Gesetze  der 
Entwicklung  übersetzt  in  die  Sprache  der  Stilistik  und  lassen  sich 
aus  jenem  Princip  systematisch  deduciren. 

Damit  man  indessen  unsre  Anschauung  nicht  mit  der  Rinne's 
verwechsle  —  über  Rinne  soll  ein  andermal  ausführlich  gesprochen 
werden  —  sei  bemerkt,   dass   hier   unter  „Entwicklung"   nicht  das 


327 


Abstractum  vom  reflexiven  Verb  um  „sich  entwickeln"  zu  verstehen 
sei,  dass  wir  also  nicht  wie  Rinne  an  eine  „Selbstentfaltung4«  oder  „eigne 
Dialektik  des  Gegenstandes"  denken,  sondern  dieser  Begriff  ist  uns 
das  Abstraktum  des  objektiven  Verbums  „etwas  entwickeln"  und 
das  Objekt  zu  diesem  Verbum  ist  das  Thema. 

Unsere  Grundanschauung   ist  nun   zunächst  Compositionsprincip, 
d.  h.  das  Princip,  aus  dem  sich  durch  Deduktion  die  stilistischen 
Compositionsgesetze  ergeben.    Es  ist  aber  zugleich  mehr  als  blos 
Compositionsprincip.    Denn   würden   wir  hier  die  einzelnen  Gesetze 
aus  jenem  Grundsatz  entwickeln,  so  würde  sieb  zeigen,  dass  sie  auch 
auf  die  rhetorisch -darstellende  und  die  ästhetische  Seite  des  Aufsatzes 
den  weitgehendsten  Einfluss  ausüben.   Der  Ausdruck  wird  sich  z.  B. 
an  den  Fortgang,   die  Hebung   und  Senkung   des  Gedankenganges 
anschliessen  müssen,  er  wird  steigen  und  sinken,  wie  es  der  Gedanken- 
gang verlangt    So  wird  es  dann  z.  B.  klar,  warum  gegen  das  Ende 
eines  Aufsatzes  die  folgernden  Conjunktionen  auftauchen  und  auftauchen 
müssen,  da  ja  nun  die  Resultate  der  ablaufenden  oder  abgelaufenen 
Entwicklung  gezogen  werden.   Ebenso  werden  wir  erkennen,  dass  ein 
Aufsatz  um  so  schöner  sein  wird,  je  mehr  er  die  Idee  einer  Entwicklung 
verwirklicht;  denn  er  hat  alsdann  alle  Merkmale  des  Schönen,  wie 
Einheit  in  der  Manichfaltigkeit,  symmetrischen  Bau,  Harmonie  der 
Teile  u    s.  w.  —  Und  so  ist "  obiges  Princip  nicht  blos  Princip  der 
Compositionslehre,  sondern  der  Stilistik  überhaupt 

Unser  Princip  ist  zwar  schon  an  sich  klar,  aber  es  stützt  sich 
zugleich  auch  auf  die  gewichtigsten  Autoritäten. 

Hören  wir  nur  wie  Aristoteles,  dieser  grösste  Denker  des 
Altertums,  in  seiner  Poetik  über  die  Compositionsgesetze  des  Epos 
und  des  Dramas  spricht.  Cap.  23  sagt  er :  „Bei  der  metrischen  Nach- 
bildung in  erzählender  Form  aber  ist  klar,  dass  man  die  Fabel  wie 
in  der  Tragödie  auf  eine  Handlung  gründen  müsse  und  zwar  auf  eine 
einheitliche,  ein  Ganzes  bildende  und  in  sich  abgeschlossene 
Handlung,  die  Anfang,  Mitte  und  Ende  hat  (xai  neQ*  piav 
ixqa^iv  oXqv  xai  leXcicty  %xovaav  "QX*lv  *"*  ^°ov  *"*  rrfAoc)  damit  sie 
gleich  einem  einheitlichen  und  vollständigen  Orga- 
nismus (iV  üansQ  StSor  iy  oXov)  die  ihrem  Wesen  entsprechende 
Lust  bereite". 

Zwar  gilt  dies  zunächst  nur  vom  Epos  und  dem  Drama;  allein 
diese  Anschauung  lässt  sich  ja  ohne  Zwang  auch  auf  alle  übrigen 
Stilgattungen,  seien  es  nun  poetische  oder  prosaische  —  dieser  Unter- 
schied kann  für  eine  wirkliche  Stillehre  nicht  existiren  —  geltend 
machen.  Wenn  nun  aber  Aristoteles  hier  von  einem  einheitlichen,  in 
sich  abgeschlossenen  Ganzen  spricht,  das  Anfang,  Mitte  und  Ende  hat, 
wenn   er   dies   ferner   mit   einem   einheitlichen   und  vollständigen 

Blätter  f.  d.  bayar.  ("Jynin.-  u.  Real  -  Schul w.    IX.  Jahrg.  23 


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328_ 

Organismus  vergleicht,  so  ist  in  diesen  Worten  eigentlich  bereits  unser 
Princip  ausgesprochen. 

Noch  evidenter  wird  dies,  wenn  wir  eine  Stelle  aus  dem  7.  Cap. 
desselben  Werkes  citiren.    Daselbst  heisst  es: 

„Ein  Ganzes  ist  das,  was  Anfang,  Mitte  und  Ende  hat.  Anfang  ist 
dasjenige,  was  selbst  nicht  mit  Notwendigkeit  auf  ein  Anderes  folgt, 
wogegen  nach  ihm  naturgemäss  ein  Anderes  ist  oder  wird;  Ende  ist  im 
Gegenteil  das,  was  selbst  naturgemäss  nach  einem  Andern  folgt ,  sei  es 
mit  Notwendigkeit  oder  blos  in  der  Regel,  wogegen  nichts  Anderes 
nach  ihm  folgt;  ein  Mittleres  ist  das,  was  selbst  nach  einem  Andern 
und  nach  welchem  ein  Anderes  folgt.  Demnach  müssen  B'abeln,  um 
gut  componirt  zu  sein,  nicht  anfangen  und  aufhören,  wo 
sich's  eben  trifft,  sondern  den  aufgestellten  Normen 
entsprech  en". 

So  liegen  also  schon  in  Aristoteles  die  Keime  zur  Entwicklungs- 
theorie und  unverkennbar  hat  diese  angeführte  Stelle  auch  einen 
gewissen  Einfluss  auf  Rinne  gehabt;  nur  ist  bei  Kinne  aus  dem  „wone? 
O'joi'"  thatsäcblich  das  C<«o»'  geworden ,  d.  h.  Rinne  betrachtet  den 
Aufsatz  als  einen  wirklichen  Organismus,  ein  Schritt  der  für  seine 
Theorie  verhängnissvoll  werden  musste.    Doch  wir  gehen  weiter. 

Wir  finden  einen  weiteren  Nachweis  für  die  Richtigkeit  unserer 
Aufstellung,  wenn  wir  die  Eigenart  des  stilistischen  Dar- 
stellungsmittels in  Betracht  ziehen.  Dieses  selbst  zwingt  den 
Stilisten,  seinen  Aufsatz  successive,  als  eine  Entwicklung  zu  entfalten. 
Stilistisches  Darstellungsmittel  ist  nämlich  die  Sprache.  Jede  sprach- 
liche Mitteilung  ist  aber  ihrer  Natur  nach  an  ein  zeitliches  Nach- 
einander gebunden;  nur  successive  kann  ich  dem  Leser  durch  Worte 
das  mitteilen,  was  ich  ihm  sagen  will.  Also  muss  der  Aufsatz  schon 
wegen  des  Darstellungsmittels  ein  zeitliches  Nacheinander,  succes- 
sive Darstellung  sein.  Dieses  Nacheinander  ist  nun  aber  kein 
zufälliges  und  planloses,  sondern  ich  verfolge  hiebei  einen  ganz 
bestimmten  Zweck,  einen  Zweck,  der  eben  durch  die  successive  Mit- 
teilung realisirt  werden  soll;  eine  Bewegung  aber,  die  in  zusammen- 
hängender Folge  allmählich  einen  bestimmten  Zweck  realisirt,  heisst 
Entwicklung:  also  ist  der  Aufsatz  auch  von  dieser  Seite 
betrachtet  eine  Entwicklung. 

Sehr  schätzenswerte  Winke  hat  dem  Stilisten  in  dieser  Beziehung 
Lessing  in  seinem  Laokoon  gegeben.  In  diesem  berühmten  Werk 
folgert  Lessing  aus  der  Verschiedenheit  der  „Nachahmuugs-"  d  h.  der 
Darstellungsmittel  der  Malerei  und  Poesie  und  aus  dem  Umstand,  dass 
„artikulirte  Töne  das  Darstellungsmittel  der  Poesie"  seien:  die  Poesie 
könne  nur  Gegenstände  darstellen,  „die  aufeinander,  und  deren  Teile 
aufeinander  folgen",  sie  könne  daher  nur  Handlungen  darstellen,  und 


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3» 

„das  Gebiet  des  Dichters"  sei  hiemit  die  ,, Zeitfolge,  sowie  der  Raum 
das  des  Malers".  Zwar  spricht  Lessing  der  Sprache  an  sich  die 
Fähigkeit  nicht  ab,  auch  Gegenstände  des  Raumes  durch  Aufzählung 
ihrer  Merkmale  darstellen  zu  können,  erhebt  aber  dagegen  vom  Stand- 
punkt der  Poesie  aus  gewichtige  Bedenken  und  verweist  die  Schilderungs- 
sucht und  Naturraalerei  aus  der  Poesie.  Hat  er  damit  vielleicht  auch 
über  die  Beschreibung,  so  wie  sie  in  der  bisherigen  Stilistik  docirt 
wird,  den  Stab  gebrochen?? 

Beachtenswert  ist  hier  auch  eine  Stelle  aus  Schillers  Abhandlung 
uher  Matthissons  Gedichte,  in  welcher  es  heisst,  der  Dichter  könne  den 
Eindruck  des  Ganzen  .  .  .  „doch  nicht  anders  als  succesBive  in  der 
Einbildungskraft  des  Lesers  zusammensetzen";  er  werde  sich  also, 
„wenn  er  seinen  Vorteil  verstehe ,  immer  an  denjenigen  Teil 
seines  Gegenstandes  halten,  der  einer  genetischen  Entwicklung 
fähig  ist". 

Damit  haben  wir  denn  schon  zu  einem  weiteren  Punkt  ubergelenkt, 
der  gleichfalls  ven  grösster  Wichtigkeit  für  unsere  principielle  An- 
schauung ist,  nämlich  auf  die  Stellung  des  Lesers  zum  Stii- 
werk.  Da  der  Stilist  für  den  Leser  schreibt,  so  ist  auch  dieser  einer 
jener  Faktoren,  die  auf  die  Gestaltung  des  Aufsatzes  Einfluss  haben 
müssen.  Welche  Anforderungen  stellt  nun  der  Leser  an 
ein  Stilwerk,  das  ihn  befriedigen  und  seinen  Beifall 
finden  soll? 

Für  den  Leser  ist  das  fertige  Stilwerk  ein  auf  einmal  gegebenes 
Ganzes.  Allein  er  kann  es  ebenso  wie  ein  Musikstück  nur  succes- 
sive  in  sich  aufnehmen  Deshalb  verlangt  er  unwillkührlich  und 
instinktmässig  vom  Stilisten,  dass  dieser  ihm  das,  was  er  ihm  sagen 
will,  in  wolgeordueter  und  gegliederter  Weise  Schritt  für  Schritt 
entwickle;  dass  er  nicht  das  Spätere  vor  dem  Früheren  briuge, 
sondern  ihn  allmählich  mit  dem  Thema  bekannt  mache,  dasselbe  dann 
Punkt  für  Punkt,  Gedanke  für  Gedanke  in  gleichsam  organischer 
Entwicklung  durchführe  und  endlich  am  Schluss  in  ihm  den  Eindruck 
erzeuge,  dass  die  Darstellung  nun  zu  Ende  sei  und  er  nichts  weiter 
mehr  über  den  Gegenstand  zu  sagen  habe.  Sobald  sich  eine  Darstellung 
nicht  in  dieser  Weise ,  also  nicht  wie  eine  Entwicklung  entfaltet, 
entgeht  dem  Leser  der  innere  Zusammenhang  der  aufeinanderfolgenden 
Teile,  er  fühlt  sich  in  seinen  Erwartungen  getäuscht  und  ist  unbefriedigt. 
Daher  verlangt  er  instinktiv  z.  B.  dass  jede  Darstellung  einen  gewissen 
Anfang  habe.  Treffend  sagt  hierüber  Rudolph  (Handbuch  für  den 
Unterricht  in  den  deutschen  Stilübungen):  „Schon  in  dem  Verkehr  des 
gewöhnlichen  Lebens  pflegen  wir  kein  Gespräch,  keine  Mitteilung  ohne 
alles  Weitere  zu  beginnen,  sondern  in  einigen  einleitenden  Worten 
vorauszuschicken,    was    uns    zum   Sprechen   veranlasst.     Nur  von 


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330 


ungeschickten  und  plumpen  Naturen  ist  man  gewöhnt,  dass  sie  mit  der 
Thüre  in's  Hau9  fallen".  So  hat  auch  jüngst  erst'Dr.  K.  Göbel  in 
seinen  „Themata,  Inventionen  und  Dispositionen"  betont:  „Es  verlangt 
der  menschliche  Geist  wegen  des  Gesetzes  der  Continuität,  dass  er 
nicht  plötzlich  vor  eine  Frage  hingestellt,  sondern  durch  einen  natür- 
lichen Fortschritt  seiner  Gedanken  zu  ihr  hingeleitet  werde.  Das  Thema 
muss  also  motivirt  werden".  Und  wie  man  instinktiv  verlangt,  dass 
jede  Darstellung  einen  Anfang  habe,  so  verlangt  man  auch,  dass  sie 
einen  gewissen  Abschluss  habe.  Fehlt  in  einer  Darstellung  der  AbschluBS, 
so  sagt  man  schon  im  gewöhnlichen  Leben:  „Die  Geschichte  geht  aus 
wie  das  Hornberger  Schiessen'1.  Bemerkenswert  ist  hiezu  auch  eine 
Stelle  in  Cicero's  de  invent.  I,  52,  wo  unter  den  Ratschlägen  über  das 
Ende  der  Rede  sich  auch  folgende  Bemerkung  findet:  tum  ab  iis,  qui 
audiunty  quaerere,  quid  sit,  quod  tibi  velle  debeatU  demonstrari,  Jwc 
modo:  Illud  doeuimutt ,  illud  planum  feeimus  Ita  simul  et  in  tne- 
moriam  redibit  auditor  et  putabit  nihil  esse  praetereaf  quod 
debeat  desiderare. 

Kehren  wir  jetzt  wieder  zu  dem  fertigen  Stilwerk  zurück 
und    vergleichen   wir   die  Compositionsregeln ,   welche   die  bisherige 
Stilistik  ohne  Plan    zusammengestellt   hat,   und   deren  gemeinsame 
Quelle  bisher  nicht  zu  finden  war,  mit  den  Entwicklungsgesetzen,  so 
werden  wir  unser  Princip  abermals  bestätigt  finden     Es  wird  sich 
nämlich  zeigen,  dass  die  bisher  allgemein  gangbaren  Com- 
positionsregeln nichts  anderes  als  Entwicklungsgesetze 
sind,  oder  sich  auf  solche  zurückführen  lassen,  und  dass  mithin 
unsere  Grundanschauung  das  einheitliche  Princip  der  Stil- 
lehre sein  muss    So  ist  z.  B.  die  bekannte  Forderung,  dass  jeder 
Aufsatz  eine  Einleitung,  eine  Durchführung  und  einen  Schluss  haben 
soll,  nichts  anderes  als  das  Entwicklungsgesetz:   Jede  Entwicklung 
muss  eiuen  Anfang,  einen  Verlauf  und  ein  Ende  haben.    Die  bisherige 
Stilregcl ,    der  Aufsatz  dürfe  keine  Lücken ,  keine  Wiederholungen, 
keine  Abschweifungen  u.  s.  w.  haben,  sondern  soll  stetig  zum  Ende 
fortschreiten  —  ist  nichts  anderes  als  das  Entwicklungsgesetz:  Der 
Verlauf  jeder  Entwicklung   ist  eine  stetige  Annäherung  an  das  zu 
erreichende  Ziel.    Wenn  man  ferner  darauf  hält,  die  Ausführung  oder 
Auseinandersetzung,  d.  i.  den  zweiten  Hauptteil  des  gesammten  Auf- 
satzes, dreiteilig  zu  gestalten,  so  beruht  dies  wieder  nur  auf  einem 
Entwicklungsgesetz,  welches  lautet:  Die  Gesetze  der  Entwicklung  gelten 
ebenso  für  jeden  Teil,  wie  für  die  ganze  Entwicklung    Ein  weiteres 
Entwicklungsgesetz  lautet:   Jede  Entwicklung  muss  einheitlich  sein; 
das  entsprechende  Stilgesetz :    Jeder  Aufsatz  muss  einheitlich  sein ! 
u.  s.  w.  u.  s.  w. 


331 


So  hätten  wir  denn  bewiesen,  dass  jede  stilistische  Darstellung 
als  ein  einheitliches,  in  sich  abgeschlossenes  Ganzes  zu  denken  ist, 
hervorgebracht  durch  Auseinandersetzung  des  Themas  nach  den  Gesetzen 
der  Entwicklung,  und  dass  mithin  Stilgesetze  und  Entwicklungsgesetze 
eins  und  dasselbe  sind.  Wir  haben  damit  für  die  Stilistik  eine 
wissenschaftliche  Basis  gewonnen ,  die  nur  dann  wieder  aufgegeben 
werden  müsste,  wenn  es  gelänge,  unser  Priucip  und  die  Folgerungen, 
die  sich  an  dasselbe  knüpfen,  zu  widerlegen.  Dies  dürfte  indessen 
nicht  ganz  leicht  sein,  umsomehr  da  unser  Priucip  durch  Hinweis  auf 
die  Praxis  der  besten  Dichter  und  Schriftsteller  aller  Zeit  belegt 
werden  kann.  Sollte  indessen  gleichwol  Jemand  glauben,  dasselbe 
hinfällig  machen  zu  können ,  so  möge  er  mit  seiner  Ansicht  nicht 
zurückhalten.  Denn  der  Zweck  unserer  Aphorismen  ist  vor  allem  der, 
die  Stilfrage,  die  nur  allzulang  schon  geschlummert  hat,  in  Fluss 
zu  bringen. 

Kaiserslautern.  M.  Schiessl  und  W.  Götz. 


Berichtigung  zur  Aussprache  von  sp  und  st. 

Bei  der  Leetüre  „über  die  Aussprache  des  anlautenden  sp  und  st 
in  den  Schulen  pag.  266  war  ich  einigermassen  über  die  Interpretation 
einer  Stelle  in  meinem  Aufsatze  über  „die  schlechte  Aussprache  des 
Deutschen  etc."  erstaunt.  Man  wird  es  mir  wol  nicht  übel  nehmen, 
wenn  ich  in  kurzen  Worten  die  nicht  richtige  Auffassung  des  Herrn 
Falch  abwehre. 

„Ist  es  für  einen  Süddeutschen  lächerlich,  Stock  und  Stein  statt 
Schtock  und  Schtein  zu  sprechen,  so  ist  es  verwerflich,  eine  Lächer- 
lichkeit in  die  Schule  einführen  zu  wollen.  Darüber  wird  sich  kein 
Streit  erheben.  Herr  Dr.  D  res  er  meint  zwar,  sp  und  st  statt  schp 
und  seht  zu  sprechen  wäre  das  richtige,  denn  (siel)  er  schreibt:  ,So 
wird  der  Süddeutsche  oft  den  Norddeutschen  der  Ziererei  schuldigen, 
der  st,  sp  etc.  am  Anfange  eines  Wortes  nicht  wie  seht,  schp  ausspricht'. 
So  ist  es  nicht.  Kein  Süddeutscher  hält  den  Norddeutschen,  der  st 
und  sp  für  seht  und  schp  spricht,  für  affektirt". 

Dass  ich  dafürhalte,  die  Aussprache  st  und  sp  sei  die  richtige, 
trifft  durchaus  nicht  zu;  es  ist  weder  in  Worten  ausgedrückt,  noch 
zwischen  den  Zeilen  zu  lesen.  Es  wird  kaum  jemand  im  Stande  sein, 
in  meinen  Worten  irgend  welche  Meinung  vertreten  zu  finden; 
ich  habe  ganz  einfach  eine  von  mir  selbst  erlebte  Thatsache  angeführt, 
die  sich  an  die  Worte  anschliesst:  „Viele  Leute  sind  geneigt,  eine  gute, 
reine  Aussprache  geradezu  für  affektirt  zu  halten". 


332 


Freilich  muss  es  dem  Leser  unbenommen  bleiben,  diese  Tbatsache 
zu  glauben  oder  nicht;  so  lange  er  jedoch  nicht  das  Gegenteil  davon 
beweisen  kann,  so  ist  es  zum  wenigsten  sehr  unpraktisch 
gleich  Herrn  Falch  zu  erwiedern:  „So  ist  es  nicht.  Kein  Süddeutscher 
hält  den  Norddeutschen,  der  st  und  sp  für  seht  und  schp  spricht,  für 
affektiert .  .  .'*.  —  Ich  erlaube  mir  ganz  einfach  die  Frage  aufzuwerfen, 
ob  alle  Süddeutschen,  natürlich  nur  die  gebildeten,  die  von  H.  Falch 
aufgestellte  Ansicht  haben.  —  Ganz  gewiss  nicht. 

Dagegen  wäre  es  für  mich  ein  leichtes,  den  Namen  manches  Süd- 
deutschen anzuführen,  der  die  von  mir  gebrachte  Aeusserung  gethan, 
das  würde  jedoch  als  eine  etwas  sonderbare ,  kindliche  Art  der  Recht- 
fertigung erscheinen 

Wenn  sich  der  Leser  die  Mühe  nehmen  will,  die  letzten  14  Zeilen 
S.  60  noch  einmal  durchzulesen,  so  wird  er  ganz  gewiss  zu  der  Ueber- 
zeugung  gelangen,  dass  icb  der  Aussprache  des  st  und  sp,  wie  es 
teilweise  im  Norden  Deutschlands  gesprochen  wird,  nicht  das  Wort 
geredet  habe.  Wol  habe  ich  die  Frage  aufgeworfen,  welches  das 
richtigere  sei,  ebenso  von  der  Schwierigkeit  gesprochen,  nach  Heise's 
Vorschrift  st  und  sp  mit  einem  leisen  Anfluge  von  6ch  vor  t  und  p 
auszusprechen;  auch  habe  ich  es  nicht  versäumt,  den  geschicht- 
lichen Standpunkt  zu  berühren:  Die  Anmassung  aber,  jene  nord- 
deutsche Aussprache  des  st  und  sp,  als  die  allein  richtige  hinzustellen, 
und  für  die  Schule  zu  diktiren,  habe  ich  mir  nicht  erlaubt. 

Speyer.  Dr.  W.  Dreser 


Engllsh  Schools. 

In  Folgendem  gebe  ich  einige  Notizen  über  englische  Primär-  und 
Mittelschulen.  Für  die  Richtigkeit  der  Mitteilungen  bürgen  mir 
Dr.  Stokoe,  Head  -  Master  of  the  Grammar  -  School ,  und  Reverend 
John  Wood,  pastor  of  the  independent  church,  in  Reading,  welche 
beide  1873  gelegentlich  meines  kurzen  Aufenthaltes  dortselbst  so 
freundlich  waren,  mir  die  nötigen  Aufklärungen  zu  geben  und  mich  in 
den  Schulen  selbst  teils  zuzulassen,  teils  einzuführen. 

A.  Primary-Schools. 

There  are  in  England  Primary  •  Schools.  especidlly  for  the  working 
classes  In  better  families,  for  the  most  pari,  the  primary  education 
is  at  home  or  in  private  schools. 

Primary-Schools  are  either  Voluntary-  or  Governemcnt- 
Schools. 

The  Voluntary-  Schools  were  built  by  private  subscription  and  the 
governement  gives  aid  so  much  a  head,  called  the  Capitation  Grant. 


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333 


The  Governement  -  Schools  are  built  by  tazes  on  the  town  (every 
toten  fixes  its  own  taxes),  and  supportet  in  the  same  way  (by  a 
Capitation  Grant  and  the  Fees  (Schulgeld)  of  the  children).  Voluntary- 
Schools  can  give  such  a  religious  Instruction  as  the  parties  or  persons, 
to  whom  the  schools  belong,  may  choose  to  give,  with  the  protection 
for  the  children  of  a  conscious  clause.  The  Governement  -  Schools 
generally  permit  the  Bible  to  be  read.  The  school-board  (Behörde) 
has  absolute  power  over  them. 

Over  the  Voluntary  -  Schools  the  school-loard  has  no  control. 

The  governement  has  over  both  classes  of  schools  a  secular 
inspection. 

B.  Junior-Schools 

Connected  with  the  Grammar  -  Schools  there  are  opened  also  Junior 
Schools  or  preparatory  classes,  which  serve  as  a  stepping  -  stone  bet- 
ween  home  and  the  larger  school.  This  school,  while  having  its  separate 
class-rooms,  boarding-house,  and  play-ground,  is  under  the  control 
and  supervision  of  the  head-master  of  the  grammar  -  school  The  same 
elementary  books  and  methods  of  instruction  are  used  as  in  the  larger 
school.  Boys  are  admitted  from  7  years  of  age%  and  no  boy  will  be 
allowed  to  remain  in  the  Junior  School  over  twelve  years  of  age 
Boarderß  are  received. 

C.   Grammar- Schools,  generally  6  Form*. 

In  the  lower  Forms  the  course  of  instruction  is  the  same  for  all 
boys ,  and  is  such  as  to  ensure  a  sound  elementary  knowledge  of 
English,  Latin,  French,  and  ArithmeUc.  With  the  third  Form  the 
school  is  divided  into, 

Ist.  The  Classic al-  Side,  providing  for  those  boys  who  are 
to  receive  a  „Classical  Education« ,  and  preparing  directly  for  th» 
Universities. 

Und.  The  Modem- Side,  preparing  for  the  Army,  Navy,  Civil 
Service,  and  similar  examinations,  and  for  mercantile  life. 

Both  Sides  work  together  in  the  ordinary  Divinity,  English, 
Latin,  French,  Mathematical  and  Natural  -  Science  Lessons:  but  while 
the  boys  on  the  Classical  -  Side  are  engaged  in  Greek  Lessotis  and  in 
higher  Latin  Composition,  these  on  the  Modern  -  Side  receive  instruction 
in  German,  and  extra  Lessons  in  English,  French,  Mathematics,  and 
Natural- Science. 

The  School  Hours  are:  Monday,  Tuesday,  Thursday  and 
Friday  9  to  12,  3  to  5.  30.  In  the  winter-months  :  2.  30  to  4.  30. 
Wednesday  and  Saturday  9  to  11,  11.  30  to  1. 

For  the  preparation  of  lessons  out  of  school  from  two  lo  three 
hours  ave  required,  according  to  age  and  position  in  the  school. 

The  school-year  is  divided  into  three  terms.  The  Vacationsare: 


334 


Spring:  Three  Weeks.  Summer:  Seven  Weck 8,  commencing  the 
last  week  in  July.    Christmas  :  Four  weeks. 

Freneh  formt  a  part  of  the  regulär  school-work  for  all  boys, 
except  those  in  the  highest  Classical  Form  and  in  the  lowest  Form 

German  forms  a  part  of  the  regulär  school-work  for  all  boys 
in  the  highest  Classical  Form  (instead  of  French)  and  (in  addition  to 
Freneh)  for  all  boys  on  the  Modem  -  Side  of  the  school. 

D.    U-niver  sities. 

Ueber  diese  verweise  ich  auf  Wilkins ,  London ,  Hadder  and 
Stoughton,  »7  Paternoster  Road. 

München.  Dr.  Jos.  Wallner. 


A.  Ziegler  über  seine  „Planimetrie"*). 

Von  A.  Kurz. 

Als  ich  meine  2.  Miscelle  schrieb,  dachte  ich  nicht  mehr  an  einen 
Brief,  den  ich  später  nebst  den  ausgeliehenen  Büchern  Ziegler's  von 
seinem  Collegen,  wieder  zugestellt  erhielt.  Da  dieser  Brief  nicht  nur 
auf  jenes  Büchlein,  sondern  auch  auf  dessen  Unterrichtsgegenstand  im 
Allgemeinen  Bezug  hat,  so  zweifle  ich  nicht,  dass  er  alle  HH.  Collegen 
dieses  Faches,  vielleicht  auch  noch  einige  ausserhalb  desselben  interessiren 
wird.  Hat  schon  der  Name  des  Autors  in  diesen  Blättern  und  ausser- 
halb derselben  (siehe  u  A.  die  Zeitschrift  für  math.  und  naturw. 
Unterricht  1875)  einen  guten  Klang,  so  ist  auch  der  Inhalt  des  Briefes 
nicht  für  einen  einzelnen  Leser  bloss  angelegt,  um  so  weniger  wenn 
dieser,  wie  ich,  nun  seit  Jahren  andere  Lehrfächer  zu  dociren  bat. 
Ich  lasse  nun  den  Brief  folgen,  nur  mit  Weglassung  je  eines  Satzes 
am  Anfange  und  am  Schlüsse  desselben,  welche  von  rein  persönlichem 
Werte  sind,  und  mit  Anmerkungen  meinerseits,  da,  wo  der  Brief  seine 
besonderen  Adressaten  im  Auge  hat. 

Freising  am  7.  März  1870. 

Vor  Allem  danke  ich  Ihnen  herzlich  für  das  freundschaftliche 
Wolwollen,  mit  dem  Sie  mein  Büchlein  aufgenommen  haben.  Ich  will 
zunächst  kurz  auf  die  von  Ihnen  berührten  (Zweifel)Punkte  eingehen. 

„Für  Gymnasien",  habe  ich  beigesetzt,  um  die  obere  Grenze,  das 
Ziel  zu  bezeichnen,  welches  ich  ohne  alle  Nebenrücksichten  vor  Augen  hatte ; 
ich  wünsche  auch,  dass  andere  Anstalten  das  Büchlein  brauchbar  linden. 

Für  Gymnasien  halte  auch  ich  Baltzer's  Geometrie ')  wenig  geeignet 
In  Betreff  der  Parallelentheorie  bin  ich  nach  langem  Schwanken  und 

*)  Siehe  „Aus  der  Schulmappe.    Mise  2"  in  diesem  Bande. 
*)  Von  mir  angeregt ,  der  ich  Baltzer's  Arithmetik  und  Algebra  als 
vorzüglicher  bezeichnet  hatte. 


335 


vielen  Versuchen  zu  der  Ansicht  gelangt,  welche  Grunnert  in  einem 
besonderen  Artikel  kürzlich  vertreten  bat,  dass  fQr  den  Unterricht  die 
beste  Theorie  die  Euklidische  ist,  etwa  mit  den  Modifikationen  Legendre's. 
Zudem  passt  diese  ganz  zu  meiner  Einteilung  und  zn  den  Rücksichten, 
welche  ich  schon  in  der  Planimetrie  auf  das  sphärische  Dreieck  nehme. 
Was  Sie  von  der  Einfachheit  des  Kreises  sagen,  gebe  ich  zu,  aber 
Alles  auf  einmal  kann  man  nicht  lehren;  das  Lineal  ist  eben  doch 
noch  einfacher  als  der  Zirkel  und  höhere  Rücksichten  können  auch 
berechtigte  verdrängen*). 

Nicht  Rücksicht  auf  Latein  und  Griechisch  bestimmt  mich,  den 
besten  Schülern  Ausgaben  Euklid's  zu  leihen,  ich  sage  ihnen  aus- 
drücklich, sie  sollen  nur  die  Sätze  und  Definitionen  lesen,  um  die 
Terminologie  kennen  zu  lernen;  ohne  diese  ist  auch  die  heutige  nicht 
ganz  verständlich.  Zugleich  sollen  die  Schüler  wissen,  dass  auch  die 
Mathematik  eine  classische  Vergangenheit  hat  und  auch  in  dieser 
Beziehung  ebenbürtig  ist.  Die  classischen  Griechen  haben  mehr  mathe- 
matisirt  als  philologisirt  Zudem  ist  Euklid  im  Grundrisse  mehrfach 
citirt  und  die  besseren  Schüler  interessiren  sich  dafür. 

Die  Bemerkung  über  gleichschenklig  verstehe  ich  nicht3).  Ueber 
Satz  14  wollen  wir  mündlich  verhandeln,  ebenso  62.  Da  ich  im  I.  Buche 
dem  Lineal  die  Alleinherrschaft  einräume,  kann  ich  mit  derCongruenz 
noch  nicht  die  Construction  verbinden4). 

An  die  zu  44  gegebene  Construction  habe  ich  nicht  gedacht;  sie 
hat  von  der  von  mir  gegebenen  gar  keinen  Vorzug,  kann  aber  als  üebung 
gelten.  Dass  die  Ausdrücke  comparatione ,  additione  etc.  besser  weg- 
geblieben wären,  ist  richtig. 

Das  Deltoid  entsteht  ja  (prop.  46)  durch  Synthese  und  zwar  dadurch, 
dass  zwei  gleichschenklige  Dreiecke  mit  gemeinsamer  Basis  gezeichnet 
werden ;  diese  ist  besser,  als  wenn  zwei  congruente  Dreiecke  aneinander- 
gelegt werden;  die  Wichtigkeit  des  Parallelogramms  kann  ich  dem 
Deltoid  nicht  einräumen s). 

leb  habe  zur  Unterscheidung  von  Hauptsätzen  und  Uebungen  das 
gewiss  richtige  Princip  aufgestellt:  was  nicht  in  dem  Buche  angewendet 
wird,  gehört  zu  den  Uebungen.  Die  Vernachlässigung  dieses  Principes 
ist  ein  grosser  Fehler  vieler  Bücher,  ausgesprochen  finde  ich  es  nirgends» 


*)  Ich  bleibe  bei  meiner  Ansicht,  dass  man  (anf  den  Mittelschulen)  den 
Zirkel  mit  dem  Lineal  zugleich  einführen  dürfe  und  solle. 

3)  Ziegler  schreibt  nämlich  „gleicbschenkliclr* ;   desshalb  eine  kurze 
Bemerkung  meinerseits  über  „ig"  und  „lieh" 

*)  Ich  sah  leider  Ziegler  nur  noch  einmal  auf  ganz  kurze  Zeit  und  da 
.   er  schon  sehr  leidend  war 

s)  Wurde  auch  von  mir  nicht  gewollt    S.  hierüber  meine  2  Miscelle 
S.  19  und  20  dieser  .Blätter'. 


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336 

• 

Nach  diesem  Princip  kann  ich  den  Satz  vom  Quadrat  einer  Seite  im 
schiefwinkligen  Dreiecke  nicht  unter  die  Hauptsätze  aufnehmen;  ich 
habe  mich  aber  nicht  einmal  entschliessen  können ,   ihn  unter  die 
Uebungen  aufzunehmen ,  weil  ich  die  aufgenommenen  für  ausreichend 
und  für  nützlicher  halte;   schon  die  schwerfällige  Ausdrucksweise  und 
der  Mißbrauch,  den  ungeschickte  Lehrer  mit  dem  Satze  treiben,  hat 
mich  abgehalten.    Vergessen  ist  er  durchaus  nicht,  er  wird  eben  in 
der  Trigonometrie  gelehrt,  wohin  er  entschieden  gehört;  in  der  Geo- 
metrie ist  er  nur  zeitrauhend.    Ich  bitte  Sie,  die  erwähnten  „parvuli 
loci"«)  nicht  zu  vergessen  und  wo  möglich  noch  weitere  zu  notiren ; 
eB  interessirt  mich  alle  Ihre  Bemerkungen  mündlich  oder  schriftlich  zu 
erfahren    Vor  Allem  bitte  ich  Sie,  solchen  Collegen,  welche  Geometrie 
dociren,  einen  praktischen  Versuch,  wenn  auch  mir  im  Privatunterricht 
anzurathen  ;    es  wird  sicherlich  Keinen  reuen.    Nur  der  praktische 
Erfolg  kann  die  Vorzüge,  welche  ich  für  das  Büchlein  in  Anspruch 
nehme,  zur  Anerkennung  bringen    Als  ersten  betrachte  ich  die  Methode. 
Ueber  Heuristik  habe  ich  weder  klare  Begriffe  gehört  noch  gelesen. 
Dass  der  Schüler  nicht  Alles  finden  kann  und  der  Lehrer  nicht  Alles 
vorkauen  soll,  gibt  Jeder  zu;  ein  Princip  für  das  Mass  dessen,  was 
dem  Schüler  zugemutet  werden  soll,  trifft  man  nirgends.  Mein  Büchlein 
mutet  dem  Schüler  zu,  die  Figuren  zu  entwerfen  und  die  Gleichungen 
zu  finden  ;  seine  Brauchbarkeit  hängt  von  der  Richtigkeit  dieses  Principea 
atf   Die  Erfolge,  welche  ich  seit  der  Benützung  des  Büchleins  wahr- 
genommen habe,  haben  alle  meine  Erwartungen  übertroffen.    Mehr  als 
die  Hälfte  der  Schüler  (in  der  I.  Gymnasialciasse)  findet  alle  Beweise 
der  Hauptsätze  nach  der  gegebenen  Einleitung  selbst ,   die  übrigen 
können  den  Beweis  nachsprechen,  wenn  er  einmal  vorgesprochen  ist; 
zu  schreiben  an  die  Tafel  (die  Figur  ausgenommen)  ist  sehr  selten 
nötig.    Alle  Uebungen  sind  bereits  von  Einzelnen  gelöst    Es  ist  kaum 
übertrieben ,  wenn  ich  sage :  Die  Schüler  lernen  jetzt  nocbmal  so  viel 
als  früher.    Ein  zweiter  Vorzug,  den  ich  anerkannt  wissen  möchte,  ist 
die  Einteilung,  welche  ich  für  weit  besser  hflte,  als  die  in  anderen 
Büchern  gebrauchten.  Ein  dritter  Vorzug  ist  die  Auswahl  und  Anordnung 
der  Aufgaben,  welche  nach  ausgesprochenen  Principien  geschehen 
ist;  wo  finden  Sie  das  sonst?   Ein  vierter  Vorzug  ist,  dass  die  Haupt- 
sätze der  neueren  Geometrie  in  organischem  Zusammenhang  mit 
den  älteren  gebracht  sind  und  dass  hiebei  bestimmte  Zielpunkte  auf- 
gestellt und  auf  dem  kürzesten  Wege  zu  erreichen  gesucht  wurden. 
Die  vielen  Verbesserungen   im  Einzelnen   will  ich  nicht  berühren. 


•)  So  hatte  ich  im  Scherze  meine  kleinen  Ausstellungen  genannt. 


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337 


Ueber  diese  vier  Punkte  bitte  ich  Sie,  Rieb  ein  Urteil  zn  bilden  und 
mir  gelegentlich  mitzuteilen;  der  vierte  Punkt  besonders  betrifft  ein 
von  Ihnen  schon  bearbeitetes  Feld7). 

Die  Echtheit  des  platonischen  Dialoges  C harmides  mit  Beziehung 
auf  die  „platonische  Frage"  und  mit  besonderer  Rücksicht  auf  Schaar- 
schmidt's  Athetesc  untersucht  von  Dr.  Alois  Spielmann,  F.B.  Studien- 
leiter. Innsbruck,  Wagner'scheUniv.-Buchbandlung.  1875.  IV  und  74  S.  8. 

In  diesem  klar  und  übersichtlich  geschriebenen  Schrifteben  wird 
der  Nachweis  geliefert,  „dass  man  den  jCharmides'  auch  noch  nach 
Schaarschraidt's  absprechendem  Urteile  gar  wol  als  eine  Plnton 's  würdige 
Production  ansehen  könne,  ohne  sich  den  Vorwurf  gefallen  lassen  zu 
müssen,  man  kenne  platonische  Kunst  und  Wissenschaft  nicht"  (S.  69). 
Freilich  mag  es  bei  diesem  Dialog  für  den  Kenner  als  unnötig 
erscheinen,  Schaarschraidt's  meist  haltlose  Kritik  einer  so  eingehenden 
Würdigung  zu  unterziehen  und  es  dürfte  daher  nicht  zu  verwundern 
sein,  wenn  seine  Resultate  bisher  weniger  Widerspruch  gefunden  haben 
als  zu  erwarten  stand  (8.  2).  Dass  es  nicht  gerade  schwer  ist,  seine 
Gründe  zurückzuweisen,  bat  der  Verf.  durch  eine  besonnene  Analyse 
des  Dialoges  mit  Geschick  und  Verständniss  gezeigt.  Er  hat  seine 
Arbeit  in  4  Abschnitte  gegliedert.  Der  erste  orientirt  uns  über  den 
Stand  der  Frage  und  bespricht  die  auf  den  Charmides  bezügliche 
Literatur,  die  überdies  in  einem  eigenen  Anhange  in  chronologischer 
Ordnung  aufgezählt  wird.  Wenn  in  diesem  Abschnitte  gesagt  wird  (S.  3) : 
„Der  hierin  vor  allen  gewicht*olle  Aristoteles  hat  nicht  einmal  durch 
eine  entfernte  Beziehung  auf  den  Inhalt  dieses  Dialoges  in  seinen 
Werken  eine  Kenntniss  von  der  Existenz  desselben  angedeutet",  so 
hätte  doch  ein  Wort  davon  erwähnt  werden  sollen,  dass  man  in  der 
Schrift  des  Aristoteles  de  anima  III,  2  (425  b  19)  eine  Beziehung  auf 
Charmides  168  d  e  gefunden  zu  haben  glaubt  (v.  Bonitz:  index  Arist. 
8.  v.  nXttttav).  Der  zweite  Abschnitt  handelt  von  der  Gliederung  und 
dem  Gedankengang  des  Dialoges,  der  3.  von  dem  philosophischen 
Gehalt  und  der  Tendenz  des  Dialoges  und  es  wird  als  Zweck  des 
Charmides  bezeichnet  (S.  50):  „an  der  specicllen,  dem  Volksbewusstsein 
entnommenen  Tugend  der  Sopbrosyne  das  Wissen  als  das  eigenste 
Wesen  der  allgemeinen  Tugend  hauptsächlich  nach  seiner  formalen 
Seite  näher  zu  untersuchen"  Der  4  Abschnitt  bespricht  Schaarschmidt 's 
Gründe  gegen  die  Echtheit  des  Charmides  nach  den  drei  Gesichts- 
punkten: Sophisterei,  Nachahmung  und  Prosopopöie.  Sodann  wird  als 
Schluss  das  Resultat  zusammengefasst  (S.  69  -  71).  Man  kann  dieses 
als  völlig  gelungen  bezeichnen  und  es  ist  zu  wünschen ,  dass  der  Verf. 
die  von  ihm  notwendig  erachtete  Spezialuntersuchung  der  angezweifelten 
Dialoge  in  der  begonnenen  Weise  selbst  fortführen  möge. 

München.  M eis  er. 

i 

 ■ — l  

')  Ich  erinnere  mich  nur  eines  Aufsatzes  in  Grunnert's  Archiv  im  Jahre 
1860  oder  1861  über  das  Apollonianische  Problem.  Mehr  davon  enthielt 
mein  Unterrichtshoft  für  das  Realgymnasium  (in  Speier  1866  bis  68).  Da 
ich,  wie  im  Eingänge  bemerkt,  seit  7  Jahren  mich  nicht  mehr  *  mit  Geometrie 
beschäftige,  so  konnte  ich  auch  jener  Aufforderung  Ziegler's  nicht  mehr 


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338 


Syntaxis  ornata,  Extemporiren,  Construiren,  Pr&pariren.  Päda- 
gogisch-didaktische Aphorismen  etc.  von  Dr.  Julius  Rothfuchs-  Marburg. 
N.  0.  Elwert'sche  Verlagsbuchhandlung.  1875. 

Die  für  eine  Flugschrift  in  etwas  auffallendem  Format  erschienenen 
„Aphorismen"  verdienen  Beachtung  ;  denn  sie  enthalten  manches  Richtige 
und  Gate.  Offenbar  hat  sie  der  erfahrene  Verfasser  in  der  wol- 
meinendsten  Absicht  geschrieben.  Doch  möchte  ihm  einiges  entgegenzu- 
halten sein:  \)  In  Sexta,  wol  auch  noch  in  Quinta,  dürfte  es  sich  bei 
üebungen  zum  Uebersetzen  vom  Deutschen  ins  Lateinische  empfehlen, 
einige  ganz  leichte  Fälle  abgerechnet,  möglichst  auf  Ueberein- 
stimmung  des  deutschen  und  lateinischen  Textes  zu 
sehen;  man  muss  Anfänger,  deren  Sprachgefühl  erst  erwacht,  nicht 
gleich  mit  Unregelmässigkeiten  und  Abweichungen  der  „Syntaxis 
ornata"  unsicher  machen.  —  2)  Bei  weitem  die  Mehrzahl  der  von 
pag.  6  bis  pag.  13  angeführten  Germanismen  kann  durch  gründliches 
Studium  der  §§.  246  278  der  lateinischen  Grammatik  von  Englmann 
radikal  beseitigt  werden.  Das  geschieht  an  unseren  Anstalten  seit 
langer  Zeit  Auch  lernen  unsere  Schüler  das  eine  bei  dieser,  das 
andere  bei  jener  Gelegenheit,  z.  B.  mit  dem  Worte  nihil  zugleich 
dessen  Deklination:  Gen.  nullius  rct,  Abi.  nullare;  so  auch  nihil  aliud, 
Abi.  nulla  alia  re  ~  durch  sonst  nichts,  u.  s.  w.  —  3)  Es  möchte  hin- 
reichend sein,  bei  Beginn  der  Lektüre  eines  Klassikers 
den  Schülern  die  trefflichen  Anweisungen  in  Hinsicht  auf  „Construiren 
und  Präpariren"  zu  erteilen ,  welche  der  Verfasser  pag.  35  ff.  und 
41  ff.  entwickelt.  Die  studierende  Jugend  gewinnt  dadurch  so  viel, 
dass  man  ihr  beide  Funktionen  getrost  als  häusliche  Arbeit  überlassen 
kann.  —  4)  Das  „Extemporiren"  dagegen  dürfte  ohnehiu  bei  der 
kursorischen  Lektüre  auch  in  der  Schule  zur  Genüge  geübt 
werden.  —  5)  Schüler,  die  von  unten  auf  einseitig  bloss  mit  der  Cop. 
verb  des  Nepos  und  Cäsar  betraut  worden  wären ,  müssten  in  einiger 
Verlegenheit  sein,  wenn  sie  die  Lektüre  (ich  sage  nicht«  einmal  des 
Ovid  oder  Horaz,  sondern)  des  Livius  und  Cicero  beginnen  Es  wäre 
vielleicht  doch  ratsam,  in  den  untern  Klassen  auch  das  eine  oder 
andere  Wort  aus  letzteren  Autoren  einfliessen  zu  lassen ,  da  ja  gerade 
in  diesen  Jahren  das  Gedächtniss  der  Schüler  ziemlich  rüstig  ist  und 
es  gewagt  wäre,  zu  viel  MemorierBtoff  (Vokabellernen)  auf  die  höheren 
Klassen  za  übertragen.  Ausserdem  sei  an  die  für  Quinta  so  geeigneten 
äsopischen  Fabeln  nach  Phädrus  erinnert  1 

München.  Ludwig  Mayer. 


H.  ßreitinger,  die  französischen  Klassiker,  Charakteristiken  und 
Inhaltsangaben.  Mit  Anmerkungen  zur  freien  Uebertragung  aas  dem 
Deutschen  in's  Französische. 

Dieses  sechste  und  letzte  Heft  einer  ersten  Serie  von  Uebungs- 
stücken  stellt  sich  dem  fünften  ergänzend  und  erweiternd  zur  Seite. 
Einer  kurzen  Charakteristik  der  bedeutendsten  Dichter  und  Schrift- 
steller des  17  und  18  Jahrhunderts  (von  Corneille  bis  Beaumarchais) 
folgen  längere  oder  kürzere  Analysen  ihrer  Hauptwerke.  Racine, 
Moliere,  Pascal  und  Voltaire  werden  eingehender  behandelt. 

Auch  dieses  Büchlein  bietet  den  Schülern  höherer  Lehrkurse 
passenden  Stoff  zum  Uebersetzen ,  wie  zum  mündlichen  Vortrag  und 
zu .  freien  schriftlichen  Bearbeitungen.    Der  Verfasser  ist  offenbar 


jR.v .  W.  -  -.—^i^HiB    Digitized  by  Google 


339 


bestrebt,  den  Inhalt  der  Dichtungen  in  möglichst  kurzen,  leicht 
behandelbaren  Sätzen  zu  geben,  und  das  gelingt  ihm  auch  meistens. 
Nur  hie  und  da  wäre  eine  grössere  Sorgfalt  in  der  Stilisirung  zu 
wünschen  (pag.  2t  kommt  das  Zeilwort  „machen"  in  fünf  aufeinander- 
folgenden Zeilen  viermal  vor).  Ebensowenig  ist  die  Verwendung  von 
Fremdwörtern  zu  billigen,  wo  uns  vollwichtige  Ausdrücke  im  Deutschen 
zur  Verfügung  stehen. 

In  Bezug  auf  Brauchbarkeit  bleibt  dieses  letzte  Heft  hinter  seinen 
Vorgängern  nicht  zurück. 

Warzburg.  Jent. 


Literarische  Notizen. 

Kudrun.  Schulausgabe  mit  einem  Wörterbuche  von  Karl  Bartsch 
Leipzig:  Fr.  A.  Brockbans.    1  875.    Anlage  und  Ausführung  sind  wie 
bei  dem  S.  214  des  X.  Bandes  die  ser  Blätter  angezeigten  Nibelungen- 
liede desselben  Verfassers,  und  für  die  Schüler  gleich  empfehlenswert. 

Deutsches  Lesebuch  für  höhere  Lehranstalten.  Erster  Teil.  Für 
die  unteren  und  mittleren  Klassen.  Erste  Stufe  für  die  unteren  Klassen 
(263  S.)  Zweite  Stufe.  Für  die  mittleren  Klassen  (376  S .).  Heraus- 
gegeben von  H.  Jos.  Remacly.  3.  vermehrte  und  verbesserte  Auflage. 
Leipzig,  1877.  Verlag  von  Siegismund  und  Volkening  Das  Huch 
gehört  wegen  seiner  reichen  und  geschickten  Auswahl  und  des  stufen- 
mässigen  Fortschreitens  zu  den  besseren  Sammlungen  auf  diesem 
Gebiete.  Die  gegenwärtige  Auflage  ist  bedeutend  erweitert  (um  11  Bogen 
für  beide  Abteilungen).  Bei  der  Auswahl  der  neu  aufgenommenen 
Stücke  wurde  besonders  auf  solche  Musterstucke  Rücksicht  genommen, 
welche  schon  frühe  nationale  Bildung  und  deutsch  -  patriotische  Gesinnung 
begründen  sollten.  Konfessionelles  ist  glücklich  ferne  gehalten.  Für 
die  Orthographie  sind  die  Regeln  des  Berliner  Gymnasial-  und  Real- 
schullehrervereins zu  Grunde  gelegt. 

Erzählungen  aus  der  alten  deutschen  Welt  für  Jung  und  Alt  von 
K.  W.  Osterwald.  Neunter  Teil:  Reineke  Fuchs.  Zehnter  Teil: 
Herzog  Ernst.  Heinrich  von  Kempten.  Heinrich  der  Löwe.  Halle. 
Verlag  der  Buchhandlung  des  Waisenhauses.  Eignet  sich  besonders 
zur  Anschaffung  für  Lesebibliotbeken  mittlerer  Gymnasialklassen. 

Bilder  aus  der  Weltgesthichte.  Für  das  deutsche  Volk  dargestellt 
von  H.  Keck,  0.  Kai  Isen,  A.  Sach.  Erster  Teil:  Bilder  aus  dem 
Altertum.  Von  Dr.  H.  Keck.  210  S.  in  8  Zweiter  Teil:  Bilder  aus 
dem  Mittelalter.  Von  Dr.  0.  Kai  Isen.  192  S.  Dritter  Teil:  Bilder 
aus  der  neueren  Zeit.  Von  Dr.  A  Sach.  278  S.  Halle,  Verlag  der 
Buchhandlung  des  Waisenhauses.  1875.  Das  Werk  bietet  eine  passende 
Ergänzung  des  Geschichtsunterrichtes  und  wird  darum  mit  Nutzen  von 
den  Schülern  der  einschlägigen  Klassen  gelesen  werden.  Der  dritte 
Teil,  der  sich  vielleicht  zu  viel  mit  den  kirchlichen  Wirren,  ihren 
Ursachen  und  Folgen  beschäftigt,  scheint  sich  mehr  für  Protestanten 
als  Katholiken  zu  empfehlen. 

Homers  Odyssee.  Erklärende  Schulausgabe  von  Heinr.  Düntzer. 
I.  HeftI  Lieferung.  Einleitung.  Buch  1  —  III.  Zweite  neu  bearbeitete 
Auflage.  Paderborn,  Ferdinand  Schöningh.  1875  Ausserdem  dass 
bei  der  neuen  Bearbeitung  die  einschlägige  neuere  Literatur  benützt 
wurde,  ist  im  Kommentar  die  Kritik  etwas  eingeschränkt,  der  Text  auf 
Grund  der  feststehenden  Ergebnisse  der  neueren  Kritik  umgestaltet 


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340 


worden.  Die  Erklärung,  sowie  der  erste  Abschnitt  der  Einleitung  hat 
eine  durchgreifende  Umarbeitung  erfahren. 

C.  Julii  Caesar  is  commentarii  de  hello  civili ,  erklärt  von  Fr 
Kraner.  Mit  2  Karten  von  H.  Kiepert.  6.  Auflage  von  Friedr. 
Hof  mann.    Berlin,  Weidmann.    1875.    Im  Einzelnen  verbessert. 

Tüi  Livi  ab  urbe  condita  libri.  Erklärt  von  W.  Weissenborn. 
Erster  Band.  Zweites  Heft:  Buch  II.  G.  verbesserte  Auflage.  Berlin, 
Weidmann.    1875    291  S. 

Protokoll  der  am  13  —  17  Oktober  1873  in  Soest  gehaltenen -acht- 
zehnten Versammlung  der  Direktoren  der  westfälischen  Gymnasien 
und  Realschulen.  Paderborn,  187;").  Ferd.  Schöningb.  187  S.  in  Fol. 
Das  Material  ist  so  reich,  dass  nur  auf  das  Wichtigste  aufmerksam 
.  gemacht  werden  kann.  J)azu  gehören  folgende  Yerhandlungsgegenstände  : 
Das  Verhältniss  der  Schule  zu  ihren  Zugliugen  ausserhalb  der  Schulzeit, 
insbesondere  die  Beaufsichtigung  ihres  Verhallens  sowol  als  ihrer 
häuslichen  Arbeiten  für  den  Zweck  der  Schule.  Die  Realien  in  den 
alten  Klassikern,  der  Grad  und  die  Art,  ihrer  Berücksichtigung  bei  der 
Lektüre ;  die  Einführung  der  Schüler  in  das  Verstandniss  der  bildenden 
Künste  Der  Lehrgang  und  die  Lehrmittel  des  griech.  Unterrichts  au/ 
den  Gymnasien.  Die  Erziehung  unserer  Jugend  zu  nationaler  Gesinnung. 
Der  französische  Unterricht  auf  der  Realschule  nach  Umfang,  Methode 
und  Lehrmitteln.  Der  physikalische  Unterricht  in  den  Realschulen. 
Dazu  kommen  noch  historische  und  statistische  Mitteilungen.  Das 
Ganze  ist  sehr  interessant,  wie  denn  schon  die  Einrichtung  dieser 
Direktorenkonferenzen  eine  sehr  erspriessliche  ist. 

Die  Naturkräfte.  Eine  naturwissenschaftliche  Volksbibliothek. 
VIII  und  IX.  Band.  Aus  der  Urzeit.  Bilder  aus  der  Schöpfungs- 
geschichte von  Dr.  K.  A.  Zittel,  Prof.  in  München.  2.  verbesserte 
und  vermehrte  Auflage  mit  183  Holzschnitteu  und  5  Kärtchen.  München. 
R  Oldenbourg.  *  1875.  Pr.  6  M.  Die  rasch  auf  die  erste  Auflage 
gefolgte  zweite  enthält  zwar  keine  durchgreifenden  Veränderungen,  ist 
aber  doch  nicht  bloss  sorgfältig  durchgesehen,  sondern  auch  durch  Berück- 
sichtigung der  neuesten  palaeontologischeu  Entdeckungen,  sowie  durch 
Umarbeitung  einzelner  Abschnitte,  wie  des  über  Eiszeit  und  den  fossilen 
Menschen,  vermehrt  und  verbessert,  ausserdem  um  mehrere  Holzschnitte 
bereichert.  Im  Uebrigen  empfiehlt  sich  das  Buch,  wie  die  ganze  Sammlung, 
der  es  angehört  (s.  VII,  p.  373.    I.  p.  141)  für  Lesebibliotheken. 

Samuel  Schilling's  Grundriss  der  Naturgeschichte  des  Thier-, 
Pflanzen  -und  Mineralreichs.  Grössere  Ausgabe  in  3  Teilen.  Das  Pflan  zen- 
reich  von  F.  W  i  m  m  e  r.  Anleitung  zur  Kenntniss  desselben  nach  dem  natür- 
lichen System.  12  Auf!  Neue  Bearbeitung.  Mit  815  in  den  Text  gedruckten 
Abbildungen.  F.  Hirt,  Breslau.  1875  Das  Werk  hatte  sich  schnell  einen 
sehr  ausgedehnten  Leserkreis  erobert.  Wenn  es  bis  heute  diese  Popularität 
behauptet  bat,  so  verdankt  es  dies  hauptsächlich  dem  Umstände,  dass  der 
Herausgeber  bestrebt  war,  durch  Heranziehung  tüchtiger  Fachmänner  den 
Fortschritten  der  Wissenschaft  entsprechend  die  neuen  Auflagen  zu 
gestalten.  Von  diesem  Streben  zeigt  auch  die  vorliegende  neue  Auflage, 
welche  im  Vergleich  mit  den  früheren  wesentliche  Bereicherungen  und 
Verbesserungen  sowol  in  dem  speciellen  Teil,  als  auch  und  namentlich 
in  den  Abschnitten  über  Physiologie,  Pflanzengescbicbte  und  Pflanzen- 
geographie enthält.  Wenn  sich  das  Werkchen  in  der  Lehre  von  den 
Elementarteilen  der  Pflanzen  auf  Darstellung  der  allgemeinsten  Begriffe 
beschränkt,  so  können  wir  dies  in  Rücksicht  auf  den  beabsichtigten 
Zweck  nicht  tadeln;  denn  für  den  grundlegenden  Unterricht  ruuss 


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r 


341 


jedenfalls  ein  Ueberblick  über  den  Formenreichtam  der  Pflanzenwelt  in 
den  Vordergrund  treten.  Diesem  Zwecke  wird  durch  möglichst  populär 
gehaltene  Beschreibungen,  unterstützt  von  gut  ausgewählten  deutlichen 
Abbildungen  in  trefflicher  Weise  genügt.  In  Beziehung  auf  die  gewählte 
deutsche  Nomenclatur  möchten  wir  nocb  den  Wunsch  aussprechen, 
dass  dieselbe  bei  einer  neuen  Auflage  nach  Grundsätzen  wenigstens 
annähernd  umgearbeitet  werden  möchte,  wie  sie  von  H.  Grassmann  in 
seinen  „deutschen  Pflanzennamen"  aufgestellt  worden  sind.  Gerade  für 
populär  -  wissensebaftliche  Schriften  wäre  ein  dem  deutschen  Sprachgeist 
und  den  Grundsätzen  wissenschaftlicher  Nomenclatur  gleich  ent- 
sprechendes Verfahren  sehr  zu  wünschen.  Denn,  um  schliesslich  unter 
vielen  Beispielen  nur  eins  anzuführen ,  wenn  Lathyrus  Platterbse, 
Lathyrus  tuberosus  dagegen  Erdmandel  genannt  wird,  so  widerspricht 
dies  ganz  und  gar  einer  logischen  Nomenclatur. 

Grundlehren  der  Geometrie  nebst  Flächen-  und  Körperberechnung.  Für 
die  unteren  Klassen  höherer  Lehranstalten  von  Bri  1  m  aye  r.  Mainz.  Franz 
Kirchbeim.  1874.  Laut  Vorrede  wurden  hauptsächlich  die  Lehrbücher  vou 
Moznik,  Boymann  und  Spitz  benutzt.  Statt  der  1' ,  Seiten  über  die  Winkel 
von  zwei  Parallelen  und  einer  Schneidenden  möchte  der  Satz  empfohlen 
werden  ,  dass  von  den  hiebei  entstehenden  8  Winkeln  je  zwei  einander 
gleich  oder  aber  zur  Summe  2  R  ausmachen,  gerade  so  wie  es  bei  zwei 
sich  schneidenden  Geraden  der  Fall  ist.  Ein  Charakteristikum  dieses 
Buches  von  123  Seiten,  deren  11  letzte  von  dem  Kubikinhalt  ebenflächiger 
und  krummflächiger  Körper  handeln ,  und  welches  eine  Vorschule  der 
Geometrie  genannt  werden  könnte,  ist  dem  Referenten  nicht  erfindlich. 

H.  C.  Mar  tu  s,  mathematische  Aufgaben,  II.  Teil:  Resultate. 
Dritte,  vermehrte  und  verbesserte  Auflage,  Leipzig  1875,  C.  A.  Koch's 
Verlagsbuchhandlung.  Die  Art,  wie  hier  der  Verfasser  die  Resultate 
zu  seiner  vortrefflichen  Aufgabensammlung  angegeben  hat,  ist  besonders 
geeignet,  Nutzen  zu  stiften;  denn  nicht  die  Richtigkeit  und  Güte  der 
Lösung  allein  sind  es,  worüber  Aufschluss  gegeben  wird,  sondern  man 
begegnet  vielfach  wertvollen  Andeutungen,  wie  eine  Aufgabe  sich  noch 
aus  anderen  Gesichtspunkten  betrachten  lässt,  wodurch  ein  tieferes  Ver- 
ständniss  herbeigeführt  wird.  Auch  haben  die  Konstruktionsaufgaben  durch 
Hinzuftgung  der  Determination  sehr  an  Durchsichtigkeit  gewonnen.  Dazu 
kommt,  dass  dieser  2.  Teil  nicht  etwa  ein  Hilfsmittel  ist,  das  selbständige 
Finden  zu  beeinträchtigen,  sondern  vielmehr,  dasselbe  zu  fördern;  daher 
sei  er  namentlich  angehenden  Lehrender  Mathematik  bestens  empfohlen. 

Schul -Physik  von  A.  Trappe,  Professor  uud  Prorektor,  Realschule, 
Breslau.  S  i  e  b  en  te  Auflage.  250  Abbildungen  im  Texte.  F.  Hirt,  Breslau. 
3M.  Die  Zahl  der  Auflagen  beweist,  dass  dieses  Buch  gefällt;  wie  auch 
schon  ein  oberflächlicher  Blick  in  dasselbe  den  Schulmann  erkennen 
läset  an  der  Einleitung,  an  der  Unterscheidung  durch  verschiedenen 
Druck  (mit  Marginalien),  an  den  deutlichen  Figuren  Hiezu  vermisst 
Referent  aber  ein  Sachregister,  welches  dem  Schüler  das  Lehrgebäude 
der  Physik  kurz  vor  Augen  hielte,  und  welches  darum  neben  dem 
dankenswerten  alphabetischen  Register  in  der  nächsten  Auflage  Platz 
finden  sollte.  Zufällig  bemerkt  ist  als  Beispiel  der  Schallinterferenz 
die  Stimmgabel  erwähnt,  worüber  die  richtige  Erklärung  vor  Kurzem 
auch  in  diesen  Blättern  gegeben  wurde. 

Chemische  Erscheinungen.  Ein  Anhang  zu  Trappe's  Schulphysik  von 
Dr.  G.  Stenzel  Mit  8  Abbildungen  im  Texte.  35 Seiten  Alphabetisches 
Register.  50  Pf.  Die  Numerierung  der  Figuren  250  bis  258  im  Anschlüsse  an 
das  vorgenannte  Buch.  250  stellt  die  Kochflaßche  mit  Wasserwaane  vor 


342 


zum  Auffangen  des  Gases,  die  folgenden  Figuren  die  trockene  Destil- 
lation, Liebig's  Kühler,'  Destillierapparat,  Leuchtgasfabrikation,  Gas- 
flamme, Sicherheitslampe,  Hochofen. 

Lehrbuch  für  den  Rechen  -  Unterricht.  Propädeutik  der  allgemeinen 
Arithmetik  zum  Gebrauche  an  höheren  Lehranstalten,  herausgegeben  von 
Julius  Henrici,  Professor  an  der  höheren  Bürgerschule  in  Heidelberg. 
Verlag  von  Georg  Weiss  in  Heidelberg  Anweisung  für  den  Rechen- 
unterricht in  Stadtschulen,  Präparanden  -  Anstalten  und  Schullehrer  - 
Seminarien,  bearbeitet  von  A.  S t u  b b a.  Vierte,  nach  dem  neuen  Münz-, 
Mass-  und  Gewichtssystem  umgearbeitete  Auflage.  I.Teil:  die  4  Species 
mit  unbenannten  und  benannten  ganzen  Zahlen  und  Brüchen.  Verlag  von 
Eduard  Kummer  in  Leizig.  (Der  II.  Teil  ist  im  Erscheinen  begriffen) 

Dr.  H  Tb.  Trau  th:  Englisches  Lese  -  und  Uebungsbuch.  II.  Teil. 
Für  die  oberen  Klassen  der  Real-  und  höheren  Bürgerschulen,  sowie 
für  das  Einjährig- Freiwilligen- Examen  Mit  erklärenden  Noten  und 
einem  literar- historischen  Anhange.  Leipzig  Verlag  von  Gustav  Körer 
1875    Für  bezeichneten  Zweck  ein  sehr  brauchbares  Buch. 

Georg  Traut:  Englischer  Wortschatz  (Vocabularyj  mit  Bezeichnung 
der  Aussprache.  Nebst  drei  Beilageu:  1  Tabelle  zur  Ableitung  der 
niederdeutschen  englischen  Wörter  aus  dem  Hochdeutschen.  2  Vor- 
bereitende Anleitung  zum  Englischsprechen.  3.  Sammlung  von  Sprich- 
wörtern. Neuwied  und  Leipzig,  J.  H.  Heuser'sche  Verlagsbuchhandlung. 
1875    Zum  fleissigen  Vokabellernen  sehr  zu  empfehlen. 

Auszüge. 
Zeitschrift  für  d.  Gymnasialwesen.  7. 

I.  Ueber  die  Hemistichien  in  Vergib  Aeneis.  Von  Wcndtlandt. 
Richtet  sich  gegen  die  von  Weidner  u.  a,  verfochtene  Meinung,  wonach 
diese  Hemistichien  von  Dichtern  absichtlich  gebillet  worden  wären,  ohne 
dass  ihre  Vollendung  für  die  spätere  Ueberarbeitnng  in  Aussicht  genommen 
gewesen.  —  Zu  Liv.  VIII.  7  18  Von  Dr.  Münscher.  In  te  sei  Abi. 
(=:  decorts  in  te  positi),  deeeptum  gehöre  zu  tne. 

Fortsetzung  der  Jahresberichte  des  philologischen  Vereins:  Sophokles 
(v.  Jacob);  Demosthenea  (v.  Nitache).  > 

Statistische  s. 

Ernannt:  Prof.  Unger  in  Hof  zum  Rektor  daselbst ;  Studl.  Wo  llne  r 
in  Kaiserslautern  zum  Gymn.-Prof.  daselbst;  Studl.  Hüdel  in  Eichstätt 
(Math.)  zum  Gymn.-Prof.  in  Kaiserslautern;  Math. -Ass.  Schlosser  in 
Ingolstadt  zum  Studl.  in  Eichstätt;  Studl  Banmann  in  Augsburg  (St  Anna) 
zum  Gymn.-Prof.  in  Landau;  Studl.  Falk  in  Speier  (Math.)  zum  Gymn.  - 
Prgf.  in  Landau;  zum  franz.  Sprachlehrer  in  Regensburg  der  Lehrer  der 
neueren  Sprachen  in  Landau,  Georg  Wolpert;  Ass.  Renn  in  Bamberg 
(Konk  1874)  zum  Studl.  in  Lindau;  Prof.  E.  Kurz  am  Ludw.-Gymn.  in 
München  zum  Rektor  daselbst;  Studl.  Dr.  Deuerling  am  Max -Gymn. 
zum  Prof.  am  Ludw  -Gymn.  in  München;  Aas.  Pistner  am  Wilh.-Gymn. 
in  München  (Konk.  1872)  zum  Studl.  in  Landsbnt;  Stndl.  Herding  in 
Erlangen  zum  Gymn.-Prof.  in  Bamberg. 

Versetzt:  der  Lehrer  der  franz  Sprache  in  Regensburg,  L.  Bondon, 
nach  Schweinfurt;  Studl.  Dr.  Trutzer  von  Kaiserslautern  (Math.)  nach 
Bamberg;  Studl.  Dr  Nachreiner  von  Landau  (Math )  nach  Speier;  Studl. 
Dr.  Zucker  von  Hof  nach  Erlangen;  Studl.  Die t  seh  von  Nördlingen  nach 
Hof;  Studl.  Gerstenecker  von  Landshut  nach  München  (Mai -Gymn). 

Quiesciert:  Prof.  Günder  in  Bamberg. 


Oedruckt  Ul  3  Ootteswinter  4t  Mös.l  in 


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I 


Liber. 


Wenn  wir  den  Namen  Liber,  d.h.  Bacchus  zuerst  betrachten,  wird 
sich  die  Bedeutung  von  Uber  das  Kind  und  liber  frei  klarer  herausstellen. 

Bacchus'  ältester  Beinamen  war  „Loebes",  sabin.  Loebasius. 

Die  Form  „Loebasius"  —  Liber  ist  die  sogenannte  Gunaform 
vom  Thema  „Hb".  Griechische  Beispiele  macheu  diese  o- Hebung  klar. 
Zum  Beispiel:  ol/uos  der  Gang,  von  skr.  i-  =  gehen,  i-eyut.  Qiuoc 
der  Gang  ist  verwandt  zu  ol-ros  das  Geschick.  Ebenso  wurde  roUa 
ich  weiss  aus  skr.  vid-  ^wissen;  o-i<t-ate  schwelle  aus  skr.  id- 
oder  ind-  schwellen,  oUpa  SvXaaaqe  =  xvfm  »aXdoons,  (xv-w  ^= 
oidaw).  Altind.  heisst  mih-  polluere,  mingere,  mit  o-  gesteigert  heisst 
tnih-  für  den  Griechen  poix-evu  (eig.  mejo).  Im  Sanskrit  heisst  vig- 
sich  niederlassen,  woher  vegas  das  Haus,  g riech,  folxos- 

So  viel  über  „Loebu.  Den  Aeolieru  hiess  Liber  nicht  Aotßijyos, 
sondern  jieißrjyog,  also  ein  augmentatio  durch  e,  wie  diess  z.B.  begegnet 
in  öeixvvfjii  (vom  skr.  dig-  =  zeigen|;  Act/w  =  skr.  Ith-). 

Die  sabini8cbe  Sprache  teilt  aber  diese  Stützung  ihres  •  durch  o 
nicht  bloss  mit  der  griechischen  Sprache  im  Altertum.  Unter  den 
neueren  Sprachen  besitzt  die  französische  eine  Art  Gunation.  Hier  wurde 
Loire  aus  Liger,  noir  aus  niger,  boire  aus  bire,  Oise  aus  lue  (Isere)1) 

Diese  Diphthonge  oi  und  ei  nun  wurden  der  lateinischen  Sprache  l 
Wie  also  /=o?xo?  —  viem ,  polvos  —  Vitium*),  wie  Xottf  —  Ubatio* 
so  gab  Loebesus  Libes  d.  h.  Liber.  Oder  f  aus  ei  wie  dico  —  <fe«r-, 
libo  —  Xeißw. 

Und  snchen  wir  die  gemeinschaftliche  Wurzel  zu  loi  und  lei,  so 
begegnet  diese  in  den  Vedas,  wo  ri-  (d.  h.  Ii)  in's  Flüssen  bringen, 
frei  lassen  bedeutet.  Iii  -  ra  [Ii  -  tta)  heisst  dort  fliessend,  woher  Xt-^y 
verw.  zu  skr.  ti-ti  f.  der  Strom.  Die  goth.  Sprache  bietet  „Ii"  im 
Snbst.  lei-thus  ro.  das  geistige  Getränk,  woher  uoch  das  Lei -t- haus 
caupona,  Lei-t-gam  caupo. 

Die  Endung  -asius  im  sabell.  Loeb-asius  ist  die  von  am-asins, 
Vesp-asiud  (Vesp - asianus),  ag-aso. 

Was  also  die  eigentliche  Bedeutung  des  Wortes  Liber  betrifft,  so 
lässt  sich  Liber  als  der  Geist  denken,  welcher  allen  vitalen  Saft,  allen 
liquor  Vitalis  sowohl  im  Ganzen  als  auch  im  Einzelnen  nicht  bloss  in 
sich  enthält,  sondern  auch  mitteilt.  Liber  ist  die  personificirte  Lebens- 
strömung, aber  zugleich  auch  der  Ergiesser  dieser  Strömung  in  die 
Schöpfung.  In  letzterer  Beziehung  darf  Loebasius  mit  Ausgiesser, 
Giesser  d.  h.  Schöpfer  wieder  gegeben  werden.  Dieser  Sinn  liegt  in 
der  Wurzel  des  Wortes,  der  in  dem  litauischen  U-jikas  m.  der  Giesser, 

Blatter  t  d.  bayer.  Gymn.-  u.  Boa]  -  Scbulw.   XI.  Jahrg.  £4 


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344 


fusor  noch  bewahrt  ist  (von  le-ti  giessen,  dann  aber  auch  giessend 
bilden). 

Dieses  lit.  Wort  fahrt  za  einem  indischen  Analogon. 

Im  Sanskrit  heis6t  nämlich  sarg-  ganz  dasselbe  wie  2t-,  ri-  in 
Liber,  libatio,  liberalis,  Ubertas,  liberatio.  Dort  bedeutet  nun  vi  -  sarga  m. 
die  Befreiung,  liberatio;  zweitens  das  Spenden,  libatio,  liberalitas ; 
für's  Dritte  liegt  in  visarga  der  Sinn  „Erschaffung",  und  weil  sarg'-, 
**9"  effundere  bedeutet,  kann  visarga  m.  den  Sinn  „Guss"  enthalten. 
Nicht  ohne  Belang  dürfte  die  Bemerkung  sein,  dass  visargas  auch  penis 
bedeutet,  verw.  zu  d  -  aeXy  -  ijV  ~  effnsus3),  ausgelassen,  geil.  *Aa$Xyqs 
Hesse  sich  durch  das  mit  „Uber"  allerdings  verwandte  frz.  „lib"ertin  geben. 

Aber  auch  in  der  Mythologie  und  nicht  als  blosses  Appellativum 
begegnet  dieses  skr.  sarg-. 

Von  da-  stammt  ja  der  Sargas,  der  wol  mit  Liber  übersetzt  werden 
könnte.  Von  diesem  Sargas  erzählen  die  Bramanen,  dass  er  die 
primitive  Schöpfung  (also  gleichsam  der  Urgussj  durch  Brahman  sei; 
von  Visarga  dagegen  (das  als  Appellativum  penis  bedeutet),  wissen 
sie,  dass  er  die  secundäre  Schöpfung  durch  Purusha,  oder  die  Schöpfung 
im  Einzelnen  sei. 

Auch  Purusha  kann  mit  Liber  zusammengestellt  werden  Purusha 
bedeutet  nämlich  die  (Alles  erfüllende,  ergänzende)  Weltseele,  wie 
denn  auch  Liber  für  den  belebenden  Geist  der  ganzen  Natur  galt.  Ist 
purusha  m.  mit  pur-  verwandt,  so  heisst  es  auch  wieder  der  Auf- 
schütter, Aufgiesser,  Schenker,  Ergänzer;  zu  skr.  pür-ajämi  ich 
überschütte,  fülle  auf.  Pürajämi  selbst  aber  verdumpfte  sich  erst  aus  par-, 
pi-par  -mi  ich  schütte  auf,  nähre,  spende,  Xeißa»,  <rneV<fo>  Dieses  par- 
liegt  dem  Subst.  par-ens  zu  Grunde,  eig.  Giesser,  Schenker,  Ergänzer; 
parentare  z=  spenden,  aufschütten  (am  Grabe)  =  „para$au,  woher 
althd.  ,,/crA",  Leben,  Seele,  aber  auch  goth.  fairhvus  die  Welt. 

Als  Visarga,  d.  h.  Schöpfer  in  einzelnen  Schöpfungen  ist  der 
Pürusha,  der  als  Appellativum  der  Mann  überhaupt  heisst,  der  parens 
per  emin.,  so  wie  auch  den  Liber  das  Epitheton  pater  (--  parens)  ziert. 

Das  griech  aq<snv  —  pürusha,  eig.  der  Giesser,  der  Befruchtungs- 
fähige,  stellt  sich  hieher,  denn  agoqv  gehört  zu  skr.  arsh-ämi  ich 
fliesse,  ströme,  so  dass  uoortv  zuerst  den  pürusha,  den  Mann  bezeichnet, 
insofern  er  als  Ergänzer,  als  parens  gedacht  wird.  Vom  Thema  rsh-, 
woher  arsh-ämi,  bat  die  ind.  Sprache  das  Subst.  rsha-bhas  m.4)  mit 
der  Bed.  der  Stier,  also  schon  die  Einzelergänzung  des  Pürusha 
und  zwar  die  animalische  Fortpflanzung  ausdrückend.  Die  nämliche 
Bed.  liegt  in  skr.  uxan  m.  =  rshabhas,  der  Stier,  eig.  Besprenger. 
Synonym  mit  arsh-  ist  varsh  -  ämi  =z  vu>,  irrigo,  regne,  th.  vrsh-,  wober 
vrsh-as  =  uxan,  vrsh-ni  m.  der  Widder,  eig.  Giesser,  verw.  zum 
lat.  verres  der  Eber,  eig.  Beregner  (f.  vers-es,  wie  aus  a^y, 

^  verw.  zu  oqq  -  oe  aus  oqoos  =  mhd.  ars). 


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345 


Aber  visarga  m.  (—pürusha)  hat  nicht  bloss  die  Bedeutung  effusio, 
Guss,  os  heisst  auch  „los  lassend1',  aus  der  Hand  lassend,  spendend, 
„lib"eralis.  So  kann  „Liber"  auch  Spender  im  weiteren  Sinne,  als 
Quell  des  vegetativen  Ueberflusses  angesehen  werden.  In  diesem 
Sinne  Hesse  sich  „Liber"  am  Ende  mit  „Liefer"er  d.  h.  Spender 
geben.  Denn,  wie  Diez  (etym.  W.  B  I  S.  262)  auaführt,  so  hängt  das 
Wort  Lieferer  in  der  That  mit  liberare  (=  sarg)  zusammen.  Diez 
sagt  so:  Das  frz.  livrer  übergeben,  liefern,  zum  mittellat.  Uberare  dona. 
Daher  la  livree,  span.  librea,  die  Kleidung,  die  der  Herr  dem  Bedienten 
gibt,  eig.  „geliefertes.  Nicht  von  librare  wägen,  zuwägen,  sondern 
in  Uebereinstimmung  mit  den  mittellat  Formen  von  liberare  frei 
machen,  los  machen,  daher  aus  der  Hand  geben,  verw.  zu  dilivrer 
liberare,  erlösen  ( —  sarg). 

Diez  bringt  noch  ein  interessantes  Analogon  bei,  indem  er  sagt: 
Dieselbe  Begriffsentwicklung  ist  z.  B.  im  span.  soltar  —  lösen,  los 
lassen ,  ausgeben ,  wahrzunehmen.  Ganz  also  wie  das  skr.  visarga  m. 
oder  visargana  n.  das  Loslassen,  die  Befreiung,  liberaiio.  Ihr  Verbum 
sarg  -  aber,  th.  sr.g  - ,  heisst  ausgeben,  schenken,  verleihen,  „Ub"are, 
„liberalem  esse  ( 

Was  also  dem  Inder  sein  visargas  von  sich  aussagte,  das  konnte 
der  Römer  dem  Laute  Liber  ablauschen,  er  hörte  ihn  als  liberalis,  als 
Segenspender  überhaupt,  ünd  Grimm  (Myth.  193)  sagt  daher: 
Liber  und  Libra  gehören  zum  Dienste  der  Demeter  (der  allgemeinen 
Nährmutter,  parens).  So  gehören,  fährt  Grimm  weiter,  der  germ.  Frö 
und  Fröwa  im  engen  Band  zu  Nerthus.  Frö's  Gottheit  mag  zwischen 
dem  Begriff  des  höchsten  Herrn  und  dem  eines  Liebe  und  Frucht- 
barkeit wirkenden  Wesens  die  Mitte  halten.  Er  hat  Wuotans 
schöpferische  Eigenschaft. 

Dem  kann  nur  beigefügt  werden:  „höchster  Herr"  liegt  eben  in 
Liber  auch.  Er  ist  frei,  wie  sarg  -a  die  Befreiung  bedeutet.  Liber 
ist  iXev&eQog  im  eig.  Sinne  dieses  letzteren  Wortes,  wenn  iXsv&egos 
zu  „iXei&ttv"  —  gehen,  goth.  ga-leith-an  gezogen  werden  muss. 
*EXev$e(Jos  ist  der,  der  da  geht  wohin  er  will,  synon.  zu  skr.  svaira  — 
liber,  iXev&eqog  (aus  sva-  =  i  im  i-avrov  .  .  .,  demselben  sva-,  das 
mit  dem  slv.  «ro-  im  russ.  svo-bdda  die  Freiheit  zusammenhängt; 
den  zweiten  Bestandteil  von  svaira  frei  bildet  -ira  —  iXev&a>v,  gehend )  V). 

WiewoliXev&eQog  auch  die  Zerlegung  i-Xsr-9eQos  gestattet,  verw 
zum  osk.  lov-freis  =:  liberi  m, ,  die  freien  Kinder,  eig.  die  Gelösten, 
Erlösten;  denn  lov-,  Xef-  (s.  Art.  leo)  stimmt  zunächst  zu  skr.  lava  m 
das  Ablösen,  Abtrennen,  abgeleitet  von  lü-,  lu-n-ämi  =  Xv-eiv  (aus 
dessen  Xv~  Xsp-  hervorgehen  konnte).  Das  osk.  „Zoe"  enthält  ganz, 
und  gar  den  Sinn  von  visarga  (—  Liber)]  denn  sarg-,  th.  srig-  hat 

24* 


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34G 


als  erste  Bedeutung  At  eiv,  Uberare  und  wer  sollte  bei  lov-  und  Ar  - 
nicht  an  Jv-aiog,  Beiname  des  Liber  denken? 

Das  Hereinziehen  des  indischen  Wortes  visarga  leistete  hier  auch 
den  Dienst,  duss  sein  verwandtes  srishti  f.  den  Uubergang  zum  zweiten 
Teile  bildet.  Srishti  f.  hcisst  nümlich  der  Guss,  d.  h.  die  Kinder, 
Nachkommen  (also  iu  passiver  Bedeutung);  analog  zu  J'poVoc  derThau, 
dann  aber  auch  das  Junge,  der  Guss;  ähnlich  wie  fyoV)  r=  öooaog, 
dann  aber  die  jungen  Limmer,  eig.  der  Guss.  Srishti  f.  das  Kind, 
eine  Form  wie  goth.  frastis  f  das  Kind,  eig.  Guss  (zu  fräs-  verw. 
Fars  —  juvencus,  zu  par-t  pri-,  woher  skr.  pri-thuka  das  Kind). 

Das  Wort  „Guss"  setze  ich  absichtlich  öfters;  denn  das  althd.  gös 
oder  choz,  auch  köz  heisst  erstens  Guss,  dann  aber  hat  es  die  Bedeutung 
von  .srishti f)  die  Kinder,  liberi. 

Unser  verdienter  Germauist  Dr.  Karl  Roth  veröffentlichte  im 
J.  1854  ein  Schriftchen  „Kozroh's  Mönches  zu  Freising",  wo  S.  42  der 
Name  Chozroh  erklart  wird.  Chozroh,  später  Gozruoh  bedeutet:  „um 
seinen  Guss4«  (d  h.  um  seine  Kinder  und  Nachkommen)  „sich 
bekümmernd"»). 

So  Dr.  Roth  und  ich  glaube  noch  auf  ein  paar  schöne  Eigennamen 
hinweisen  zu  dürfen  Daher  Ascoz,  eig  Asenguss,  üottc&kind.  Cozuuin, 
Gozwin,  woher  Gosswin  -  Kinderfreund,  <y i'äoj  exrog ,  jetzt  Gösswein 
(in  Gössweinstein).  Besonders  aber  muss  bei  Besprechung  des  Götter* 
namens  Liber  des  altnordischen  mit  „goe*  ver wandten  Göttersohnes 
Gautr  Erwähnung  geschehen  ~  skr.  sek-tar  parens  (von  sie  -  =  arsh-). 

Die  Form  anlangend,  so  verhalt  sich  Gautr  zu  göz  wie  goth  baulan 
schlagen  zu  mhd.  bözen  —  bossen  (z.  B.  Am-boss)  Althochd.  hiess 
der  Gautr  natürlich  Köz,  goth.  Gauts,  ag«  geat.  Gautr  war  nach  der 
germanischen  Mythologie  der  Sohn  oder  Ahne  Odins,  Odin  aber  selbst 
enthielt  den  Begriff  von  Liber  der  Spender,  der  Segeuspender,  parens. 
Daher  heisst  von  „Wuof'an  in  der  baierischen  Volkssprache  „wue"teln 
effuse  crescere,  üppig  wachsen  und  gedeihen.  S.  Grimm  Myth.  120. 
Der  lat.  Liber  ist  der  Sohn  Jupiters,  hei  den  Angelsachsen  entspricht 
ihm  in  etwas  der  mythische  Vödelgeat  d  h.  Wodanssohn  =  althd. 
Wuotilgöz,  d  h.  Liberi  filius.  Die  Gautos,  ein  gothiacher  Volksstamm, 
beissen  so  nach  dem  Sohne  des  Odin,  nach  Gaut  und  zwar  aus  Gottes- 
furcht, denn  nach  Odin  selbst  sich  nennen  hätte  als  frevelhafter  Stolz 
gegolten.  Grimm  Myth.  S  328.  Grimm  Geschichte  der  deutschen 
Sprache  S.  538. 

~*  „Goz",  eig.  der  Guss  =  der  Sohn  bildet  ein  überraschendes 
Analogon  zu  v/o?  =  gautr,  der  Sohn;  denn  v-i6g  gehört  zu  J7-w  = 
skr.  varsh-ämi  regnen  (s.  oben  verres  f.  verses),  u-a>  =  skr.  su-, 
woher  su-täf.  oder  tü-nä  f.  eig.  die  Gegossene,  die  Tochter,  sü-nusm. 
the  so-n,  goth.  su-nus  der  Sohn,  eig  e/fusus,  göz,  Guss.  _ 


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347 


Die  Form  vtog  ging  aus  v-jo$,  au  -jaa  hervor  Sein  Suffix  -  »o'c  (aus  ja«  -) 
verdient  hier  Beachtung,  weil  dieses  nämliche  Suffix  dem  lat  füiu  , 
(  —  vloq)  angefügt  ist;  denn  filiua  hiess  eigentlich  fil-jua,  wie  vlnc 
eig.  v-joi- 

Nun  wieder  zur  Bedeutung !  Die  germanische  Sprache  besitzt 
merkwürdiger  Weise  das  nämliche  su-  =  w/oV,  gös  in  ihrem  su-inf 
woher  nord.  avei-nn  puer.  juvenia9)  Der  Eigenname  Svein-ki  heisst 
Knäblein,  Swenke,  för  uns  Baiern  bemerkenswert,  weil  es  im  Ortsnamen 
Schwandorf  liegt;  denn  Scbwandorf  hiess  ursprünglich  Swainkendorf, 
verw  zu  Schwangau  (aus  svein-gowe). 

Bemerkungen. 

* 

x)  Vergleichen  wir  die  baierische  Aussprache  mit  dem  franz.  ot 
■/..  B.  in  Laib  (  von  goth.  hlaibs  das  Brod ,  eig.  gebackenes).  Dieses 
hl-a-ib  gehört  zu  clib-anua  der  Backofen 

*)  Zu  vi-tia  die  Ranke,  vi-eo  ranken. 

3)  Vergl.  ouQ7tiyt  —  o(tX7iiy$. 

*)  -bhaa  -z  q-0'c  z.  B.  ddeX-tpoq  —  Ipt-yo?;  skr.  raaa-bhaa  der 
Esel  (von  raa-ati  rudere). 

*)  %Q<*1  der  Thau,  zu  tarsh-ami. 

•)  ariahii  von  arig ,  wie  z.  B    datnahtra  der  Zahn  von  damc 
da£-  —  dax-ym. 

7)  Dieses  wa-  =  russ.  avo-  in  watro  liegt  besonders  in  skr.  sva- 
jambhü  Uber,  eig.  durch  sich  seiend,  B.W.  das  Vischnu,  =  pers.  khuda 
Gott;  s.  Bopp  Vergl.  Gramm  §.  35.  So  in  den  Völkernamen  Sveonen, 
Schwe-d-en,  Suevi,  Schwaben,  alle  mit  der  Bed.  „liberi",  Svo-bod. 

•)  Mittelhd.  ruoch  die  Sorge,  ruochen  —  curare.  Unsere  Schimpfe 
der  Ruech  ist  ein  kümmerlicher  Geizhals,  der  immer  besorgt  ist,  was 
er  essen  wird. 

')  Ueber  -ein  vergl.  goth  gum-ein  männlich,  qvin-ein  weiblich*; 
namentlich  m-ein  =:  me-us,  d-ein  =  tuua,  sein  =  auua. 

Freising.  Zehetmayr. 


Die  nachteiligen  Folgen  der  Verwechselung  van  Logik  nnd  Syntax 
für  die  Lehre  vom  einfachen  Satz. 

Dass  Logik  und  Grammatik  zwei  getrennt  zu  behandelnde  Wissen- 
schaften sind,  indem  die  eine  die  Gesetze  des  richtigen  Denkens,  die 
andere  die  Regeln  des  richtigen  sprachlichen  Ausdrucks  zum  Inhalt 
hat,  wird  wol  allgemein  anerkannt,  jedoch  nicht  überall  folgerichtig 
beachtet.  DieBer  Fehler  ist  ein  leicht  erklärbarer  und  verzeihlicher, 
weil  ja  zwischen  dem  Stoff  beider  Disciplinen  eine  sehr  nahe  Verwandt- 
schaft besteht  und  die  Sprache  lediglich  als  der  sinnliche  Ausdruck 
für  das  Donken  angesehen  werden  muss;  bleibt  aber  immerhin  ein 


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348 


Fehler  und  hat  mitunter  recht  nachteilige  Eolgen  für  die  Grammatik 
gehabt  Dies  soll  hier  in  Bezug  auf  die  bisherige  Lehre  vom  ein- 
fachen Satz  nachgewiesen  werden,  und  zwar  am  sogenannten  gramma- 
tischen Subjekt,  am  Prädikat  und  an  der  Copula. 

Zunächst  ist  leicht  darzuthun,  welche  unhaltbare  Begriffsverwirrung 
dadurch  entstanden  ist,  dass  man  den  logischen  Terminus  ,, Subjekt" 
in  die  Syntax  hereingezogen  hat.  Sobald  nämlich  die  Grammatiker 
mit  der  Formenlehre  zu  Ende  sind  und  die  Syntax  zu  behandeln 
beginnen,  da  verwandeln  sich  alle  plötzlich  aus  Grammatikern  in  Logiker. 
Während  sie  blos  auf  die  richtige  Form  des  sprachlichen  Ausdrucks 
zu  achten  hätten ,  glauben  sie  von  den  Bestandteilen  des  logischen 
Urteils,  also  vom  richtigen  Denken  selbst,  etwas  sagen  zu  müssen  und 
bringen  logische  Kunstausdrücke  vor,  für  deren  Verständnis  dem 
Lernenden,  der  bisher  eben  nur  die  Formenlehre  durchgemacht  hat, 
jeder  Anhaltspunkt  in  dem  bisher  Gelernten  mangelt,  und  welche  daher 
nur  mit  Hülfe  ganz  neuer  Begriffe  definirt  werden  können.  Weil  aber 
diese  Kunstausdrücke  einem  fremden  Gebiet  unnötiger  und  unerlaubter 
Weise  entnommen  sind,  so  muss  auch  die  Definition  derselben  eiue 
unrichtige  und  widerspruchsvolle  werden  und  kann  nur  dazu  führen, 
dass  man  den  Fehler  der  begangenen  Verwechselung  von  Grammatik 
und  Logik  erkennt.  Alle  unsere  Schulgrammatiken  detiniren  folgender- 
massen:  Subjekt  heisst  der  Gegenstand,  über  den  etwas  ausgesagt  wird. 
Prüfen  wir  nun  die  Richtigkeit  dieser  Definition  an  einem  Beispiel, 
wozu  hier  der  Satz  dienen  mag:  Die  Schlacht  bei  Leipzig  im  Jahre 
1813  dauerte  drei  Tage.  Was  ist  Subjekt  in  diesem  Satze?  Nach  der 
landläufigen  Definition  offenbar  der  Gegenstand ,  über  welchen  etwas 
ausgesagt  wird,  also:  „Die  Schlacht  bei  Leipzig  im  Jahre  1813".  Denn 
von  der  Schlacht  überhaupt  wird  hier  nichts  ausgesagt,  sondern  blos 
von  der  ganz  bestimmten  Schlacht  bei  Leipzig  im  Jahre  1813.  Dies 
widerstreitet  aber  allen  übrigen  grammatischen  Begriffen;  denn  alle 
Grammatiker  sind  darüber  einig,  dass  in  diesem  Satze  grammatisch 
lediglich  das  Wort  „Schlacht"  Subjekt  ist,  während  die  näheren 
Bestimmungen  „bei  Leipzig"  und  „im  Jahre  1813**  als  Umkleidungeh 
des  Subjekts  anzusehen  sind  Demnach  muss  man  entweder  die  ganze 
Lehre  vom  einfachen  erweiterten  Satz  umstossen  oder  jene  verkehrte 
Definition  des  Subjekts  aufgeben. 

Dagegen  wird  vielleicht  Mancher  den  Einwand  erheben,  mit  dem 
ich  selbst  lange  Zeit  mein  grammatisches  Gewissen  beschwichtigt 
habe:  Man  müsse  zwischen  einem  logischen  und  einem  grammatischen 
Subjekt  unterscheiden!  Logisches  Subjekt  des  Satzes  sei:  „die  Schlacht 
bei  Leipzig  im  Jahre  1813",  grammatisches  Subjekt  aber  nur  das  Wort 
„Schlacht".  Allein  die  Hinfälligkeit  dieses  Einwandes  ist  mir  mit  der 
Zeit  klar  geworden.    Denn  wie  soll  das  grammatische  Subjekt  definirt 


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werden?  Dass  die  bisherige  Definition  in  den  Schulgrammatiken  nur 
für  das  1  ogi  sc h  e  Subjekt  passt,  scheint  aus  dem  Obigen  klar  ersichtlich . 
Suchen  wir  daher  nach  einer  Definition  des  grammatischen  Subjekts I 
Diese  muss  offenbar  ungefähr  so  lauten  :  Grammatisches  Subjekt  heisst 
dasjenige  Nomen  im  Satze,  von  welchem  der  ganze  Satz  abhangt,  das 
Hauptnomen  (nomen  regens)  im  Satze.  Wenn  nun  mit  dem  gramma- 
tischen Subjfkt  nichts  weiter  gemeint  ist,  als  das  Hauptnomen,  das 
nomen  regens  des  Satzes,  wozu  braucht  man  denn  dann  überhaupt  von 
einem  grammatischen  Subjekt  zu  sprechen  ?  Genügt  es  nicht,  wenn  in 
der  Syntax  einfach  von  einem  Hauptnomen  des  Satzes  die  Rede  ist? 

Mithin  gelangen  wir  zu  dem  Ergebniss,  dass  die  bisherige  Definition 
des  grammatischen  Subjekts  falsch  ist  und  dass  überhaupt  der  Terminus 
Subjekt  für  die  Grammatik  entbehrlieh  erscheint. 

Aber  gerade  dasselbe  Verbältniss  findet  beim  Prädikat  statt. 
Prädikat,  sagen  unsere  Grammatiker,  ist  dasjenige,  was  vom  Subjekt 
ausgesagt  wird.  Was  wird  also  in  unserem  Mustersätze  von  der 
Schlacht  bei  Leipzig  im  Jahre  1813  ausgesagt?  Offenbar  nicht  blos, 
dass  sie  dauerte,  sondern  dass  sie  3  Tage  dauerte.  Und  doch  sind 
unsere  Grammatiker  darüber  einig,  dass  „dauerte"  allein  grammatisches 
Prädikat  ist  und  „3  Tage"  als  Zeitbestimmung,  mithin  als  Umkleidung 
des  Prädikats  betrachtet  werden '  muss.  Wollen  wir  daher  nicht  die 
ganze  Lehre  vom  erweiterten  Satz  umstossen ,  so  müssen  wir  die  bis- 
herige Definition  vom  grammatischen  Prädikat  als  falsch  erklären  und 
zugeben,  dass  dieselbe  nur  für  das  Prädikat  in  der  Logik  passt. 
Suchen  wir  aber  nach  einer  richtigen  Definition  für  das  grammatische 
Prädikat,  so  wird  dieselbe  ungefähr  so  lauten:  Grammatisches  Prädikat 
ist  das  auf  das  Hauptnomen  {nomen  regens)  sich  beziehende  verbum 
finitum  oder  Hauptverb  um.  Ist  dies  richtig,  so  erscheint  wiederum 
der  Ausdruck  „Prädikat"  für  die  Grammatik  völlig  entbehrlich.  Es 
genügt,  von  einem  verbum  finitum  (Hauptverbum)  zu  reden,  und  man 
kann  den  Terminus  Prädikat  getrost  der  Logik  zum  alleinigen 
Besitz  überlassen 

Am  allerunnötigsten  endlich  erscheint  die  Hereinziehung  des 
logischen  Terminus  „Copula"  in  die  Grammatik.  Ueber  den  Begriff 
der  Copula  sind  die  Logiker  nicht  einmal  noch  einig  und  wollen 
manche  von  ihr  gar  nichts  wissen.  Trotzdem  hat  man  diesen  unsicheren 
logischen  Terminus  der  Grammatik  aufgezwungen  und  damit  die  Satz- 
lehre verwirrt.  Die  logische  Copula  ist  nach  der  mir  am  meisten 
zusagenden  Ansicht  das  tertium  judicii ,  welches  bestimmt,  in  welchem 
Verbältniss  der  Subjektsbegriff  zum  Prädikatsbegriff  steht.  Was  ist 
denn  nun  die  grammatische  Copula?  Man  ucht  in  unseren  Schul- 
grammatiken vergeblich  nach  einer  Definition  für  dieselbe,  und  in  der 
That  ist  sie  nichts  weiter  als  die  Congruenz  zwischen  dem  Hauptnomen 


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350 

— — — —  v 

(nomen  regens)  und  Hauptverbum  (verbum  finitum).  Wozu  wollen  wir 
also  in  der  Grammatik  von  einer  Copula  reden,  wenn  es  genügt,  von 
der  Uebereinstimmaug  zwischen  nomen  regens  and  verbum  finitum  zu 
sprechen?  Damit  fallen  alle  Verlegenheiten  weg,  in  die  man  bei  der 
Annahme  einer  grammatischen  Copula  kommt.  Wie  sonderbar  muss 
es  dem  Schüler  vorkommen,  wenn  er  aus  Englmann  lernt,  dass  es  eine 
echte,  richtige  und  wahrhaftige  Copula  gibt,  nämlich  das  Verbum  „sein" 
und  ausserdem  noch  gegen  20  —  30  Verba,  die  auch  als  Copula 
dienen,  aber  doch  keine  sind;  weun  er  6ich  denken  soll,  dass  „nennen" 
im  Aktiv  nicht  als  Copula  dienen  kann,  im  Passiv  dagegeu  recht  wol; 
wenn  ihm  zugemutet  wird,  zu  glauben,  dass  das  Verbum  „sein"  die 
richtige  Copula  ist,  dagegen  das  Verbum  „werden"  keine  eigentliche 
Copula,  sondern  nur  eine  Art  Vicecopulal  All  der  Wirrwarr  wird 
entbehrlich,  wenn  man  die  Copula  aus  der  Grammatik,  in  welche 
man  sie  unberechtigter  Weise  eingemengt  bat,  zurückversetzt  in  die 
Logik,  wohin  sie  gehört 

Ich  bin  daher  der  festen  Uezerzeugung,  dass  es  in  der  Grammatik 
vollständig  genügt,  von  einem  Hauptnomen  {nomen  regens) ,  einem 
Hauptverbum  (verbum  finitum)  und  von  der  Uebereinstimmung  zwischen 
beiden  zu  reden,   und   dass   man  die  geborgten  Kunstaas- 
drücke Subjekt,   Prädikat  und   Copula   sämmtlich  der 
Logik  zum  Alleinbesitz  überlassen  kann.    Dadurch  gewinnt 
die  Lehre  vom  einfachen  Satz  an  Einfachheit  und  Klarheit,  werden  die 
bisherigen  falschen  Definitionen  vermieden  und  die  prekäre  Kegel  von 
der  echten  Copula  und  den  Vicecopulcn  beseitigt.  Diese  Kegel  bekäme 
dann  ungefähr  folgende  Fassung:   Die  Verba  sein,  werden,  bleiben, 
genannt  werden  etc  können  congruirende  Adjektiva  oder  Substantiva 
als  nähere  Bestimmung  zu  sich  nehmen. 

Wunsiedel.  Wirth. 


Ein  Beitrag  zur  Theorie 
der  Bestimmung  von  Approximationswerten  der  reellen  Wurzeln  höherer 
numerischer  Gleichungen.    Von  Dr.  A.  Miller,  Rektor  und  Lehrer 
der  kgl.  Kreisgewerbschule  in  München. 

Wenn  xx  annähernd  eine  reelle  Wurzel  der  f  (x)  ist,  so  erhält 
man  nach  der  Newton'schen  Methode  bekanntlich,  wenn  /*  der  Fehler, 
aus  der  Relation 


genäherten  Werte 


=  o 


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351 


x  —  rc,  ~  ~  0(*er  genauer 

—  x   -  h  _  y*- 

je  nachdem  man  die  Taylor'sche  Reihe  mit  dem  zweiten  oder  dritten 
Gliede  abschliesst,  wobei 

/"(*,)  =  Vx   f(xt)  —  pt   f"^,)  =  qt  gesetzt  ist. 
Vorliegende  Abhandlung   hat   nun  den  Zweck,   obige  bekannte 
Näherungsformelu   auf  einem   anderen  Wege   abzuleiten  und  einige 
Resultate  Qber  die  Fehlergrenzezu  gewinnen. 

I.  Um  eine  gen&herte  reelle  Wurzel  einer  numerischen  Gleichung, 
q  (z)  —  o  zu  erhalten,  nehme  ich  vorerst  an,  y  (x)  habe  folgende  Form : 

(p  (x)  =  f  (x)      a  x  +  b  —  o  (A ) 

Ks  besteht  somit  <jp  (x)  aus  zwei  Funktionen,  der  beliebigen  f  (x) 
und  der  bestimmten  a  x  -fr-  b. 

Da  g>(x)  =  o,  so  muss 
f{x)  =  -  (a  x  +  b)  sein.    Setzt  man: 

y  =  f  (*)  (B) 

i?  —  —  a  x  —  b  (C) 
so  handelt  es  sich  darum, 
jene  x  zu  ermitteln,  für 
welche  y  ~  q  wird,  und 
man  wäre  somit  wieder  bei 
der  Aufgabe,  die  Gleichung 
(A)  zu  lösen,  angelangt. 

Eine  reelle  Wurzel  der 
Gleichung  (A)  lässt  sich  nun 
in  folgender  Art  geometrisch 
auffassen.  Bezieht  man  näm- 
lich die  Relationen  (B)  und 
(C)  auf  ein  rechtwinkliges 
Coordinatensystem ,  so  re- 
präsentirt  (B)  eine  Cur?e, 
etwa  A  MB  (Fig.  1)  und  (C) 
eine  Gerade,  etwa  die  FG. 

Setzt  man  in  (B\  und 
(C)  für  x  nach  und  nach  ver- 
schiedene Werte  und  unter 
diesen  einen,  der  durch  O  C 
dargestellt  wird,  so  ist  y  =  CE  und  r,  —  C  D.  Es  stellt  somit  DE 
die  Differenz  y  —  n  dar,  und  da  diese  Null  sein  soll,  so  repräsentirt 


352 


jene  Abscisse  OP,  für  welche  y  =  n  wird,  eine  reelle  Wurzel  der 
Gleichung  (A).  Die  Abscisse  OP  des  Schnittpunktes  31. der  Curve  A  M 
B  und  der  Oeraden  FG  ist  also  jene  Strecke,  welche  den  verlangten 
Wert  von  x  graphisch  gibt. 

Wählt  man  nun  OC  so,  dass  es  nahezu  gleieh  OP  ist,  dann  wird 
DJB  im  Allgemeinen  sehr  klein  sein,  daher!)  und.E  nahe  anfliegen 
und  die  in  E  an  die  Curve  AMB  gelegte  Tangente  T  U  wird  die  Gerade 
FG  in  einem  Punkte  Q  schneiden,  der  so  nahe  an  M  liegt,  dass  man 
statt  der  Abscisse  0  P  des  Punktes  M  jene  des  Punktes  Q,  nämlich  O  N 
nehmen  darf;  dicss  um  so  mehr,  als  der  Fehler  OP—ON  —  NP 
—  MQ  cos  x  also  von  dem  Falle  x  —  o  abgesehen,  N  P  <c  M  Q  ist. 
Die  Abscisse  ON,  welche  den  Näherungswert  darstellt,  lässt  sich  aber 
einfach  berechnen;  denn  sind  £  und  n  die  laufenden  Coordinaten  der 
Tangente  TU  und  Geraden  FG,  so  sind  die  Gleichungen  dieser 
Linien  beziehungsweise : 

n  -  A«0  =  A«0  (f  ~  »)  und  , 
n  —  -  a  £  —  b 

wenn  man  mit  w  —  OC  den  durch  Versuche  gefundenen  Näherungs- 
wert von  x  bezeichnet  und  worin  £  der  dem  w  entsprechende  verbesserte 
Wurzelwert  ist. 

Aus  diesen  beiden  Gleichungen  resultirt: 

—  a  |  -r  b  —  f[w)  —  f{w)  (£  -  w)  und  endlich 

W  .  f(w)  ~f{w)  -  b 

6  ~  "     f(*>)  +  a  1  9 

Man  könnte  selbstverständlich 
mit  der  Formel  (D)  die  Verbesser- 
ung des  Näherungswertes  fortsetzen, 
wenn  man  £  an  die  Stelle  von  w 
treten  Hesse. 

Es  wurde  schon  bemerkt,  dass 
nur  im  Allgemeinen  Q  sehr  nahe 
an  M  liegen  wird;  denn  in  der 
That  sind  Fälle  denkbar,  in 
welchen  Q  so  entfernt  von  M  fällt, 
dass  (Fig.  2)  NP  —  MQ  cos  x 
>PC  wird,  also  eine  Annäherung 
nicht  stattfindet,  wenigstens  nicht 
an  den  Wert  von  x,  welchem  0  P 
entspricht.  Um  mittelst  der  Formel 
(D)  dennoch  einen  genäherten 
Wurzelwert  zu  erhalten,  ist  es 
offenbar  notwendig,  DE  noch 
kleiner  zu  machen,  d.  i.  efn  w  zu  wählen,  welches  näher  an  x  liegt,  als 
das  durch  0  C  dargestellte. 


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353 


Von  dieser  allgemeinen  Auffassung  wende  ich  mich  zu  einem 
besonderen  Falle,  indem  ich  annehme^  es  sei  a  =  o;  so  ist  FO  \\  OX 
und  wenn  zugleich  6  =  0,  so  fält  FG  mit  OX  zusammen  und  (D) 
erhält  die  Form: 

/*(«>)  rw 

oder  da  alsdann  f(z)  —  (p(x)  also  f{to)  =z  tp  (w)  und  f  (w)  —  <p'  (w) 

welche  Relation  die  Newton'sche  Näherui^gsforrael  ist.  Somit 
ist  dieser  Näherungswert,  wie  bekannt,  die  Abscisse  des  Schnittpunktes 
der  Taugente  und  derXAxe,  wobei,  wie  aus  der  Annahme  hervorgeht, 
der  Berührungspunkt  der  ersteren  nahe  au  dem  Schnittpunkte  der  X  Axo 
mit  jener  Curve  ist,  welche  durch  q>  (x)  analytisch  dasgestellt  wird. 

Man  weiss  ferner,  dass  bei  dieser  Methode  der  (schon  bei  der 
obigen  allgemeinen  Behandlung  erwähnte)  Fall  eintreten  kann,  dass 
eine  Annäherung  an  den  richtigen  Wurzelwert  nicht  erzielt  wird.  Zur 
Sicherung  des  Erfolges  müssen  daher  den  Grenzwerten  ,  innerhalb 
welcher  die  <p{x)  durch  0  geht,  noch  gewisse  Bedingungen  auferlegt 
werden.  Gesetzt  es  wäre  eine  Funktion  <p  (x)  durch  die  Curve  A  B 
(Fig.  3)  repräsentirt,  so  würde  x  zwischen  xx  —  OMi  und  x,  =  OQ% 

liegen.    Durch  die  Newton'sche 
jrr  j  Methode  würde  man,  wie  aus  der 

y  Figur  ersichtlich,  für  w  =  xt 

—  0  Qi  einen  Wert  von  x  er- 
halten, der  von  OP  sehr  weit 
//  abweicht,  weiter  als  0  Qr  Denkt 

f  man  sich  nämlich,  der  Berühr- 

ungspunkt Q  schreite  von  P  bis 
Q  fort,  so  wird  der  Schnittpunkt 
der  Tangente  und  der  XAxe 
von  P  gegen  0  sich  entfernen, 
y  in's  Unendliche  hinausrücken,  um 

!  JtJ m  V        .i'     8*cn   dann   von   der  entgegen- 

gesetzten Seite  aus  unendlicher 
Ferne  dem  Punkte  P.zu  nähern. 

Diese  Betrachtung  führt  also 
zu  dem  bekannten  Resultate,  dass 
man  die  Grenzen  0  Mt  und  0  Qv 
so  enge  wählen  muss ,  um  den 
Erfolg  bei  Anwendung  der  New- 
ton'schen  Methode  sichern,  dass  zwischen  diesen  Grenzen  der  erste 
Differenzialquotient  <p'  (x)  sein  Vorzeichen  nicht  ändert.  Da  ferner 
eine   Curve  in  der  Nähe  eines  Wendepunktes   auf  verschiedenen 


' ,  /  D^tiigd  by  Google 


354 


Seiten  der  dem  Wendepunkt  entsprechenden  Tangente  liegt,  so 
müssen  die  Grenzen  auch  die  Eigenschaft  haben,  dass  zwischen  ihnen 
ein  Wendepunkt  der  Curve  nicht  liegt,  also  tp"  (x)  ebenfalls  zwischen 
den  Grenzen  das  Vorzeichen  nicht  ändert.  Beide  Grenzen  geben  im 
Allgemeinen  verschieden  günstige  Annaherungen  und  man  hat  nach 
Fourier  immer  jene  Grenze  zu  nehmen,  für  welche  (f  (x)  und  cp"  (x) 
gleiche  Vorzeichen  haben. 

II.  Vorige  Betrachtung  gibt  auch  noch  den  Schlüssel  für  eine 
raschere  Annäherung  als  die  durch  Ncwton's  Methode  erzielte  Wenn 
wir  uns  erinnern,  dass  die  gesuchte  reelle  Wurzel  die  Abscisse  0  P  (Fig.  1 ) 
des  Punktes  M  ist,  dass  wir  an  die  Stelle  der  Curve  AMB  eine 
Gerade  setzten,  den  Schnittpunkt  Q  statt  M  und  dadurch  ON  statt  OP 
erhielten,  wobei  die  Grösse  des  Fehlers  NP  vou  der  Strecke  MQ 
abhängt:  ?o  leuchtet  ein,  dass  ein  günstigeres  Resultat  erzielt  werden 
müsstc,  wenn  man  an  die  Stelle  der  Tangente  TU  den  Berührkreis  in  E 
treum  liease.  Zum  Beweise  dessen  machen  wir  die  bequeme  und  zulässige 
Voraussetzung,  dass  FG  mit  der  XAxe  zusammenfalle,  alsoa  ~b  —  o  sei- 

V  —  f         V  —  <p  (x),    y  —  tp  (x) 
seien  beziehungsweise  die  Funktionen,  welche  durch  die  Curve,  den 
Kreis  und  die  Tangente  (Fig.  4)  repräsentirt  werden;  xx  und  xt  seien 
zwei  Greuzwerte,  zwischen  welchen  eine  reelle  Wurzel  der  f  (x)  Hegt, 

und  dieses  Intervall  so 
klein,  dass  f  (x)  und 
f*  (x)  innerhalb  des- 
selben ihr  Vorzeichen 
nicht  ändern;  ferner  sei 
noch  xt  —  xt  <C  1. 

Legt  man  nun  in 
einemPunkte  der  Curve, 
dessen  Coordinaten  xt 
und  y,  —  f  (xt)  sind,  an 
diese  eine  Tangente  T  U 
und  den  Krümmungs- 
kreis für  denselben 
Punkt,  so  stellen  die 
Abscissen  der  Schnitt- 
punkte dieser  beiden 
Gebilde  mit  der  XAxe 
Näherungswerte  der  ver- 
langten Wurzel  dar, 
während  die  Abscisse 
des  Schnittpunktes  der  Curve  mit  der  XAxe  den  wahren  Wurzelwert 
geometrisch  gibt  Es  soll  also  bewiesen  werden,  dass  xx  ~  O  P  immer 
so  gewählt  werden  kann,  dass  Q  W  <C  Q  V  sei. 


355 

Es  sei:  PW  —  h\   PQ  =  Ä0;  PV  =  ht; 

so  ist 

f  (*i  +  h)  =  9>  (*,  +  *)  =  V  (*,  +  Ät)  =  o 
und  nach  dem  Taylor'schen  Theorem: 

f  (*,  +  hj=f (x.)  +  Ä,  f  (*,)  +  *f  f  (*»)  +^  f  "  («,)  4~  •  •  • 
?      +     =  p <*t)  +  h g>*(xj  +  j£  -f-  ?  <jp'"  (xj  +  .  .  . 

*<*,+*,)  =  *  (*t)  +  *i  Y'W  4-  ^  *"(*»)  4-  ^  V"       +  •  • . 

Setzen  wir  der  Kürze  halber: 

■    »,  =  /«,)  s  <j  *  =  r  (x.)  =  i      -  r  w  =  4, 

so  mnss 

f        =  V        =  *  M  =  V\ 
f  (x,)  —  q>'  (x,)  —       (x,)  —  pt 

f  (xt)  —  <p"  (x,)  =  qt  und  endlich 

*f>"  (x{)  =  xp"1  (xj  -  ...  —  o  sein 

Ferner  setzen  wir:  f  (xj  —  f*  und  q>"'  (x,)  =  v  und  erhalten 

mit  Ausschluss  der  4ten  und  höheren  Potenzen,  sowie  nach  Beseitigung 

der  Nenner 

o  =  6y,  •+-  Op,  ä0  +  3?,  V  +     V     •   •       •  (A) 

o  =  6y,  +  6p,  Ä  +  32l      +  *  Ä3  (B) 

o  =  6y,  4-  6^  Ä,  (C) 

Subtrahirt  man  die  Gleichung  (A)  und  (B)  von  einander,  so  erhält 
man  die  Gleichung 

o  =  6i>,  (Ä0  -  h)  4-  3?1  (V  -  **)  4-  G«  V  -  »  ä1) 
Setzt  man  <)  TF  =  (f  —  h0  -  A  also  /»  =  Ä0  -  <f  und  führt  diese 
Werte  in  die  obige  Gleichung  ein,  so  ergibt  sich 

o  =  6jp,  cf  4-  3?1  (2  *»  -  if)  *  +  /.  V  -  »  (K  ~  *)3 
wodurch  7»  eliminirt  ist. 

Ordnet  man  die  rechte  Seite  nnch  den  Potenzen  von  cf,  so  erhält  mau 

o  =z  (f*  -  rj  V  4-  3  (.21),  4-  ?<2,  *o  +  "  V)  *  -  3  (4l  4-  r  *•) 

4-  r  cf3 

Da  cf  jedenfalls  eine  bebr  kleine  Zahl  ist,  so  wird  es  erlaubt  sein, 
das  Glied  v  cf3  selbst  gegen  (u  -  v)  A03  zu  vernachlässigen  und  man  hat 

2  Pl  4-  25l  Ä0  4-  v  V  .  

g,  4-  "  3  (ffl  -h^Ä0)  0 

woraus*  =  ^^l^^A+fV  ± 

I/O  "  M)'  +  Ü  •  -^XT-'V 

r  V        2  (3,  +  "  ä»)        /  T  S         4-  Äo 


356 


Von  diesen  zwei  Werten  ist  hier  nur  der  kleinere  brauchbar  und 
daher  nur  das  eine  Vorzeichen  beizubehalten.  Um  den  Ausdruck 
deutungsfähiger  zu  machen,  entwickeln  wir  die  Quadratwurzel  in  eine 
Reihe  und  setzen  desshalb: 

?J>,  +  2g,  *o  +  "  V  X 
2  (?,  +  y  K) 

_<Z  7»  3   =:  T 

3     i,  +  "  ä0 

so  ist: 


Die  Grösse  r  kann,  weil  von  dem  Faktor  7»03  abhängig,  beliebig 
klein  gemacht  werden.  Daher  ist,  wenn  man  das  Glied  mit  dem  Faktor 
V  gegen  jenes  mit  dem  Faktor  V  vernchlässiget: 

1  v  —  fl 

*  =  3  '  277-h2gi/to~Hrv  "V  V 
Es  wird  sich  später  herausstellen,  dass  pt  und  v  stets  dasselbe 
Vorzeichen  haben;  also  haben  auch  2j>,  und  v  A0«  dasselbe  Vorzeichen 

(es  mag  7»0  ^  o  sein),  während  das  Vorzeichen  von  2qt  7»0  mit 
beim  üebergung  von  xx  auf  x.t  wechselt.    Wir  schreiben  desshalb : 

♦   d  =  3  (2^,  +  J  vrV^ir*. v  :  •  • '  •  •  (Dt) 

Dieser  Ausdruck  zeigt  die  Abhängigkeit  der  Strecke  W  Q  =  <f  von 
7t0  und  lehrt,  dass  //„  und  <f  zugleich  o  werden. 

Auf  ähnliche  Weine  lässt  sich  der  Zusammenhang  zwischen  der 
Strecke  Q  V  =  s  =  7*,  —  7i0  und  7t0  ermitteln.  Verbindet  man  nämlich 
die  Relation  (B)  und  (C)  durch  Subtraktion,  so  ergibt  sich: 
o  =  6  i?,  (7i,  -  h0)  —  3  g,  V  —  fi  V 

oder  o  =  6  j>t  «  -  3  g,  V  —  P  V 

wodurch  7»,  eliminirt  ist;  und  endlich 

+   .(■) 

Man  sieht,  dass  das  Vorzeichen  von  e  nur  von  dem  des  Quotienten 

^  abhängig ,  also  für  denselben  Fall ,  beim  Uebergang  von  xx  auf  x„ 
Pi 

sich  nicht  ändert. 

Vergleicht  man  die  Werte  von  <f  und  e,  so  ersieht  man,  dass  <f  <  e 
oder  doch  7»0  immer  so  klein  gewählt  werden  kann,  dass  der  absolute 
Zahlenwert  (auf  den  es  hier  allein  ankömmt)  von  d  kleiner  ist,  als  von  e, 
und  es  ist  somit  erwiesen,  dass  der  Krümmungskreis  einen  genaueren 
Wert  liefert,  als  die  Tangente  für  denselben  Grenzwert. 

Hat  man  eine  reelle  Wurzel  einer  Gleichung  zwischen  zwei  Grenzen 
eingeschlossen,  so  liefert  bekanntlich  nicht  jede  bei  Anwendung  der 


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357 


Newton'schen  Methode  eine  gleich  günstige  Annäherung,  sondern  man 
beachtet  die  oben  angegebene  Fourier'sche  Regel.  Welche  von  den  zwei 
ursprünglichen  Grenzen  xx  und  xg  bei  Anwendung  des  Osculationskreises 
einen  genaueren  Näherungswert  liefert,  lässt  sich  aus  (D,)  nicht  ersehen, 
da  man  h0  nicht  genau  kennt,  sondern  nur  weiss,  dass/<0  <C  xt  —  xt  ist, 
und  überdiess  tf  noch  von  p,  und  sowie  von  u  abhängt,  und  dass 
diese  Grössen  ihren  Zahlenwert  beim  Uebergang  von  einer  Grenze  zur 
andern  ändern 

Der  nächste  Schritt  ist  die  Ermittlung  des  Näherungswertes,  also 
die  Berechnung  der  Abscisse  des  Schnittpunktes  des  Krümmungskreises 
und  der  XAxe.  Es  sei  wieder  y  =  f  (x)  die  gegebene  Funktion  und 
o;,  einer  der  Grenzwerte,  so  legen  wir  in  jenem  Punkte,  der  die  f  (x) 
repräsentirenden  Curve ,  dessen  Coordinaten  xx  und  yt  sind ,  den 
Krümmungskreis  und  bestimmen  die  fragliche  Abscisse.  Die  bisherige 
Bezeichnung  beibehaltend  sei: 

&  V\  j  &  y, 

ferner  o,  ßt  q  bezüglich  Abscisse  und  Ordinate  des  Krümmungsmittel- 
punktes und  der  Krümmungsradius.  Durch  Elimination  von  «,  ß  und  q 
aus  folgenden  4  Relationen  erhält  man  dann  bekanntlich  die  Gleichung 
des  Krümmungskreises: 

ist  ~  ßY  ■+*(*-  «?  =  Q' 

(y,  -  W  +  («i  -  «)»  =  <?' 

woraus,  wenn  man  obige  Werte  einführt: 

(y1  +  (*'  -  *,')  -  2  [y,  +  -       j  (y  -  y.) 

-  2  [*,  -  (t+J».,)||]  (x  -  xl)  =  o    ....  (F) 

als  Gleichung  des  Krümmungskreises  resultirt. 

Da  wir  unter  f  (x)  hier  die  ganze  gegebene  Funktion  verstehen 
und  die  Gerade  FG  mit  der  XAxe  zusammenfallen  lassen,  so  haben 
wir  die  Gleichung  y=o  mit  Relation  (F)  zu  verbinden  und  diess  gibt: 

x*  -  W  +  y.')  +■  »  [*  +        j  y,  -  2  [^-(l+iv) 

(«  —  xx)  —  0  ■ 

oder:      +  2**,  +  y,*  +  2  ?-±*!  (y,  -p,  «rj  +  2  (1  +  P|«) 

01 


358 


Setzt  man  2  *     Pl  =  a.,  so  erhalt  man  die  Form: 

(x  -  *,)»  +  a,  p,      —  äj)  +  y,8  +  a,  y,  =  o 
Nun  ist  aber  x  —  xt  die  an      vorzunehmende  Verbesserung.   Es  sei 
diese  £,  also 

bo  erhalten  wir: 

f  +  «,  P,  f  +  (2/.'  +  «i  Vi)  =  0 
*  =  -  -g  [a,  P,  T  K(a,  P,)1"-  4(ä'r+  Vi)  Vi] 

von  welchen  zwei  Werten  nur  der  kleinere  Zahlenwert  brauchbar  ist 
Hiernach  wird: 

*  =  «1  -  2  [«,  p.  =F  Kt^Ti^^^r+yJy;]  (<*) 

Führt  man  nun  für  o,  obigen  Wert  ein,  so  erhält  man: 

*  ~  *'  "  1  

{(i  +  p,1)  p,  hf  vTmPT?)  HT+ä? "5?     «.  y.i  -  i*t 

In  dem  Ausdrucke  (G)  bedeutet  a:  den  gesuchten  Näherungswert. 
Da  man  bei  der  Anwendung  desselben  auf  eine  numerische  Gleichung 
ein  Resultat  erhalten  wird,  das  nur  auf  eine  gewisse  Anzahl  von 
Dezimale  richtig  ist,  so  wird  es  in  den  weitaus  meisten  Fallen  zulässig 
sein,  folgenden  kürzeren  Weg  einzuschlagen  Wir  schreiben  (G)  in 
der  Form: 

«  =  «,  -  ["•/'  *  Vi?!??- -"<••  + (G»> 
und  setzen 

"h*1  =  <*  und  (a,  +  yt)  y,  =  n 

sowie  ein  für  alle  Mal,  die  durch  Anwendung  der  Tangente  gefundeneu 
corrigirten  Näherungswerte,  welche  den  Grenzen  xt  und  xt  entsprechen, 
bezüglich  x\  und  x\-,  die  durch  Anwendung  der  Krümmungskreis* 
Methode  gefundenen  Werte,  welche  deuselben  Grenzen  entsprechen, 
seien  bezüglich  x'\  und  x'\\  so  ist  

x'\  —       -  [<r  —  K«5  -  n\ 
und  wenn  man  die  Quadratwurzel  in  eine  Reihe  entwickelt: 

*»,  =*,-[*  -  e  -    -  rs  Gr;)'  ■  •  •  >1 

q  1    r  n  v 

Ä  *«  -  2^  "  2~a  U~W 
wo  in  der  Regel  die  beiden  ersten  Glieder  genügen  werden.  Führt 
man  für  n  und  a  obige  Werte  ein,  so  erhält  man: 


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359 

±  =  -1-  und  JL  -  h*±j£ 
2  c       a,  p,         2  c  a, 

daher: 

X"  —x     °« y>  ±  8l  1   rqi  Vi  ±  y* V 

oder: 

Da  nun  xi  —  ^  der  Näherungswert  x\  ist,  den  man  für  dieselbe 
Grenze  durch  die  Newton1  sehe  Methode  erhält,  so  kann  man  schreiben ; 

x".  =  x\  -   (H) 

Die  Formel  (G„)  stimmt  offenbar  vollständig  mit  der  entsprechenden 
Newton'schen  Näh  erungsformel  und  es  ist  somit  ein  Teil  der 
gestellten  Aufgabe  gelöst. 

Wir  wollen  von  nun  an  die  Formel  (A0inl)  Newton'sche  Methode  I, 
die  Formel  (Gt)  oder  (H)  Newton'sche  Methode  II  und  die  Formel  (G) 
Krümmungskreis  -  Methode  nennen. 

Nun  wollen  wir  auch  v  =  (p,u  (x)  bestimmen.  Behufs  dieses 
schreiben  wir  die  Gleichung  (F)  wie  folgt: 

+  -  2  (y,  +  L±^)y  +  2(yi  +  i±^L)  y, 

-  2  U  -  (1  +  ft«)  ?«)  x  +  2  (*,  -  (i  +  *,=  o 

Es  sei  ferner  zur  Abkürzung: 

2  («,  -  (1  +  ft1)  f  p  =  » 

und 

+  *»f  —  »  yt  —  *    =  * 

Durch  successive  Diffcrenziation  obiger  resp.  der  Gleichung 

y*  —  m  y-f-      —  na;  -  fc  =  o 

erhält  man: 

Blftttor  f.  <L  b»y«r.  Gyma.-  u.  B«al-6chulw.  XI.   Jahrg.  26 


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360 


und  aus  der  letzteren  Relation: 

d*  y    d  y 


Da  aber 


so  ist 


(P  y  6  d  x1  '  d  x 
d  x*  —     m  —  2  y 

dx>-">  d  x*  -        d  x, 


r     *  v       d  x%3  1  + 1>,* 

woraus  ersichtlich  ist,  dass  das  Vorzeichen  des  v  nur  von  dem  des  p, 
abhängt,  und  da  letzteres  sich  innerhalb  der  Grenzen  xx  und  x^  nicht 
ändert,  so  gilt  dasselbe  auch  für  v. 

Wie  schon  erwähnt,  werden  die  Grenzen  immer  so  bestimmt,  dass 
der  1te  und  der  2te  Differentialquotient  sein  Vorzeichen  für  Werte  von 
x  innerhalb  dieser  Grenzen  nicht  ändert.  Durch  die  Vorzeichen  dieser 
Quotienten  ist  nun  der  Verlauf  der  durch  die  f  (x)  repräsentirten 
Curve  in  nächster  Nähe  der  X  Axe  bestimmt ;  und  da  in  Rücksicht  auf 
die  Vorzeichen  bekanntlich  die  Fourier  4  Combinationen 

[+  Pi  +  aJ;  [-  Pt  -  &];  [-  Pi  +  2.3;  C+  P\  —  ?il 

möglich  sind,  so  ergeben  sich  für  diesen  Verlauf  4  mögliche  Lagen, 
deren  graphische  Darstellung  so  leicht  ist,  dass  weitere  Auseinander- 
setzungen überflüssig  sind.  So  lässt  sich  auch  leicht  a  priori  ersehen, 
ob  die  Newton'sche  Methode  einen  zu  grossen  oder  zu  kleinen 
Näherungswert  in  einem  bestimmten  Falle  liefert,  sowie,  dass  beide 
Grenzen  einen  Fehler  in  demselben  Sinne  geben,  was  auch  die  Relation 
(£)  bestätigt. 

III.  Bei  jeder  Näherungsmethode  wird  grosser  Wert  darauf  gelegt, 
mit  dem  Näherungswerte  auch  dessen  Fehlergrenze,  welche  wir  in 
Folgendem  mit/  bezeichnen  wollen,  angeben  zu  können.  Die  Verbindung 
der  Newton'schen  Methode  mit  der  in  II  abgehandelten  ermöglicht  diess. 

Wir  haben  bei  Entwicklung  der  Werte  c  und  <f  vorausgesetzt,  dass 
die  Schnittpunkte  der  Tangente  und  des  Krümmungskreises  mit  der 
XAxe  auf  verschiedenen  Seiten  des  Schnittes  der  Curve  und  dieser 
Axe  liegen,  und  diese  Werte  «  und  d  positiv  genommen.  So  oft  also 
«  und  (f  gleiche  Vorzeichen  haben,  werden  diese  Schnittpunkte  auf 
verschiedenen  Seiten  des  Curvenschnittpunktes  liegen,  während  sie  bei 
ungleichen  Vorzeichen  auf  derselben  Seite  liegen.  Da  nun  das  Vorzeichen 

des  e  nur  von  dem  des  Quotienten  ^  abhängt,  dagegen  das  des  t 

im  Allgemeinen  mit  dem  des  hc  wechselt,  so  darf  man  nur  dasjenige  h,. 
resp.  denjenigen  Grenzwert  nehmen,  für  welchen  &  das  Vorzeichen  von 

—  bekömmt,  um  Näherungswerte  au  erhalten,  die  den  genauen  Wurzel- 


■ 


361 

wort  einschliessen.  Bestimmt  man  Dämlich  einen  Näherungswert  durch 
die  Newton'sche  Methode  und  einen  durch  jene  des  Krümmungskreises, 
so  wird  der  eine  Näherungswert  grösser,  der  andere  kleiner  als  der 
wahre  Wurzelwert  ausfallen.  Mit  Hilfe  der  schon  erwähnten  graphischen 
Darstellung  kann  man  leicht  erkennen,  welche  Methode  den  grösseren, 
welche  den  kleineren  Wert  gibt. 

Die  hier  notwendige  Voruntersuchung  verursacht  geringe  Mühe, 
indem  es  sich  nur  um  die  Vorzeichen  der  Werte  von  e  und  d  handelt. 
Das  Vorzeichen  von  s  ergibt  sich  sofort  aus  jenen  der  Grössen  jp,  und  ql ; 
was  aber  das  des  d  betrifft,  so  kennt  man  bereits  das  von  u,  sowie 
jenes  von  r,  indem  letzteres  mit  dem  von  jp,  übereinstimmt,  was  früher 
gezeigt  wurde.   Hat  man  das  Vorzeichen  von 

 *  —  P  

(2  Pi  +  v  Äo)«  +  2  gt  Äo 
ermittelt,  so  erübrigt  noch  h0  so  zu  wählen,  duss  e  und  d  gleiche  Vor- 
zeichen erhalten,  wobei  bemerkt  werden  muss,  dass  beim  üebergang 
von  der  einen  Grenze  zur  anderen  (2  pl  v  V)  das  Vorzeichen  nicht 
ändert.  Sollte  es  sich  behufs  Ermittelung  des  Vorzeichens  der  Differenz 
v  —  /i  um  den  Zahlenwert  von  v  handeln,  so  wird  sich  in  den  meisten 
Fällen  aus  der  Formel 

v  _o  Pl  gl' 

y  =  o  .  - — ;  s 

1  +  Pi 

ohne  wirkliche  Berechnung  ersehen  lassen,  ob  v  ^  fx  ist. 

Man  kann  auf  Grund  des  Grössenverhältnisses  von  $  und  d  die 
Grenzen  noch  enger  ziehen.  Wir  haben  gesehen,  dass  li^  immer  so 
gewählt  werden  kann,  dass  d  <  s  wird.  Das  heissl  doch  nicht  anders, 
als  der  wahre  Näherungswert  liegt  zwischen  dem  Näherungswerte,  der 
sich  aus  der  Anwendung  der  Newton'schen  Methode  II  ergibt,  und  aus 
dem  arithmetischen  Mittel  dieses  Näherungswertes  und  desjenigen, 
welcher  die  Newtcn'sche  Methode  I  liefert.  Es  sei  dieses  Mittel  xQ  = 
x'  -f-  x" 

 ,  so  ist  y  =  Xq  —  x"  die  nun  engere  Fehlergrenze. 


Ausgewählte  Tragödien  des  Euripides.  Für  den  Schulgebrauch 
erklärt  von  N.Weck  lein.  Erstes  Bändchen:  Medea,  Leipzig,  Druck 
und  Verlag  von  B.  G.  Teubner.  1874. 

In  der  vorliegenden  Ausgabe  der  Medea  finden  wir  von  dem  Ver- 
fasser nach  denselben  Grundsätzen  und  derselben  Methode  verfahren, 
wie  in  dessen  trefflicher  Bearbeitung  des  Prometheus. 

In  dem  ersten  Teile  der  Einleitung  ist  in  scharfsinniger  und  geschmack- 
Toller  Weise  die  Entstehung  der  Argonautensage  aus  der  poetischen 

26- 


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302 


Auffassung  bedeutungsvoller  Vorgänge  und  Schauspiele  in  der  Natur 
und  ihre  allmähliche  Entwicklung  und  Ausbildung  erklärt;  daran 
anknüpfeud  entwickelt  \Y.  in  gedrängter  Kürze  das  reiche  Material  des 
Medeamytbus  und  dessen  Behandlung  bei  den  Epikern,  Lyrikern,  in 
der  Prosa  und  bei  Aeschylus  und  Sophokles  bis  auf  Euripides. 

In  dem  der  Dramaturgie  gewidmeten  zweiten  Abschnitte  folgt  die 
Darlegung  der  mannigfaltigen  Aenderungen,  welche  die  überlieferte 
Sage  von  Euripides  erfahren ,  und  es  wird  sodann  das  Drama  selbst 
in  ebenso  klarer  als  gehaltvoller  Entwicklung  an  uns  vorübergeführt. 
Eine  ganz  besondere  Zierde  der  Ausgabe  begrüssen  wir  hier  in  der 
schönen  Beschreibung  von  antiken  Werken  der  Malerei  und  der  Bild- 
hauerkunst in  Bezug  auf  Medea,  so  in  der  Aumerkung  S.  11  eine  Dar- 
stellung der  Medea  auf  dem  Kypseloskasteu  und  die  S.  18  —  21  fol- 
genden Mitteilungen;  und  um  den  Schüler  recht  vertraut  mit  diesen 
das  Verständniss  belebenden  Bemerkungen  zu  machen,  weist  der  Ver- 
fasser auch  im  Commentar  auf  die  betreffenden  Darstellungen  in 
der  Einleitung  zurück ;  in  gleicher  Weise  verfahrt  er  gegenüber 
den  ästhetischen  und  scenischen  Bemerkungen  der  Einleitung,  welche 
er  im  Laufe  des  Commentars  reichlich  vermehrt  oder  ergänzt.  Gerne 
vermissen  wir  eine  eingehendere  Charakteristik  der  einzelnen  auf- 
tretenden Personen,  wie  wir  eine  solche  in  den  Scbncidewiu'seheu 
Ausgaben  des  Sophokles  und  teilweise  auch  bei  Schöue  linden;  es  wird 
eben  durch  derartige  Darstellungen  dem  Lehrer  ein  fruchtbares  Mittel 
vorweggenommen,  der  Selbsttätigkeit  seiner  Schüler  einen  angemesseneu 
Stoff  zu  deutschen  Aufsätzen  vorzulegen. 

Im  dritten  Abschnitte  spricht  sich  W.  für  die  Anuahme  einer 
doppelten  Recension  des  Stückes  aus.  Die  zweite  Recension  scheint 
ihm  unter  dem  Einflüsse  der  auf  die  erste  Aufführung  erfolgten  neuen 
Bearbeitung  des  Stückes  duich  Ncophron  ausgeführt  worden  zu  sein 

Was  die  Sccneric  anbelangt,  po  weist  der  Verfasser  nach,  dass  die 
Dekoration  der  Sccnenwand  die  Wohnung  der  Medea.  also  ein  Privat- 
haus, darstelle,  die  Urchestra  daher  nicht  als  Marktplatz,  sondern  als 
ein  gewöhnlicher  freier  Platz  vor  dem  Hause  der  Medea  anzusehen  sei, 
während  der  Königspalast  und  das  Haus  des  neuvermählten  Paares 
weiter  im  Innern  der  Stadt  liegend  gedacht  werden  müsse.  Die  weitere 
Ausführung  und  Begründung  dieser  Ansicht  ist  von  dem  Verfasser 
niedergelegt  im  Philoh  Bd.  34,  S.  182  —  186. 

Es  folgt  sodann  die  Hypotbesis  mit  erklärenden  Bemerkungen. 
Sehr  ansprechend  ist  hier  S  32,  Z.  15  die  Acndcrung  von  cjg  JixaiaQ^og 
iov  iE  EXXudo(  jitov  in  atg  J.  eV  y  rov  rijg  'JE.  jitov. 

Richten  wir  uuu  unser  Augenmerk  auf  die  Gestaltung  des  Texte?, 
so  müssen  wir  anerkennen,  dass  derselbe  durch  vorliegende  Arbeit  sehr 
gefördert  worden  ist,  indem  W.  eine  Reibe  corrupter  Stellen  teils 
in  überzeugender  Weise  emendirt,  teils  zu  weiteren  Versuchen  vielfach 
Anregung  gegeben  hat.  So  liest  man  sonst  v.  207  fteoxXvretä'  nSuca  ;/«- 
öovcu;  Kirchhof!' setzt  aul  Grund  von  zwei  guten  Handschriften  <T  fr'  «cfix«, 
wobei  indessen  der  Sinn  des  tri  rätselhaft,  sowie  durch  Einfügung  des 
eiusilbigen  Wortes  das  Metrum  gestört  ist.  W.  siebt  mit  Recht  tr'  für 
den  Rest  eines  Wortes  an,  dessen  Glossem  u&uca  in  deu  Text  geraten 
sei,  und  schreibt  im  krit.  Anh.  d-soxkvTtid'1  iregu  nuSovoa  d.h.  Medea  ruft 
die  Themis  an,  da  ihr  Anderes,  als  geschworen  worden,  widerfahren.  Aehn- 
liche  interessante  Verbesserungen  von  Stellen,  deren  Text  durch  Glosseme 
verdorben  worden  ist,  lührt  W.  in  seinen  „Studien  zu  Euripides"  S.  31 1-333 


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3G3 


auf.  —  Dagegen  können  wir  ans  v.  10ß  f.  öijXov  <T  «qxv?  £$(tip6utvav 
vitfos  gegenüber  nicht  überzeugen ,  dass  besondere  Erklärungsversuche 
oder  Conjektureu,  wie  die  von  Hermann,  Schöne,  Weil  u.  a.  herrührenden 
eine  zwingend*1  Notwendigkeit  sind,  und  halten  daher  auch  W.'s  Aenderung, 
so  methodisch  dieselbe  auch  entstanden  sein  mag,  für  unnötig.  Wir  meinen 
eben,  unter  «»/^f  iSttignuetw  yf'ffog  sei  die  aus  dem  Anfange  erst 
sich  erhebende,  also  aufzusteigen  beginnende  |Wolke  zu  verstehen; 
s.  v.  60  UQZP  t"?,""  xov&ditto  <<iaoi  —  Ebenso  scheint  uns  auch  die  an 
sieb  durchaus  un tadelhafte  Correktur  des  v.  234  xaxov  yuQ  rot r'  uXytov 
xttxuv  in  exetvov  y«Q  mV  uXytov  xuxov  nicht  zwingend  notwendig  und 
die  mangelhafte  Ueberlieferung  durch  Brunck's  Ergänzung  des  roiV 
durch  tV,  welche  Elmsley  billigt,  emendirt.  Was  den  Ausdruck  selbst 
anbelangt ,  so  verweisen  wir  für  diese  echt  griechische  Steigerung 
besonders  auf  Oed.  Tijr.  1365  ei  de'  ri  irpFopvTfQ»v  tri  xuxov\  x«x6v> 
tovr'  tA«/'  Oidinovc.,  —  v.  240,  wo  die  Handschriften  or«  utlhaxa  /(J>j- 
aertu  ttvvtwiift  haben ,  hat  man  an  ot^j  Anstoss  genommen  ,  und 
Musgrare  hat  oüo ,  11.  rwerden  und  Kirebhoff  unuc  gesetzt;  W. 
äudert  nur  xQ'taE1(<l  ■/«oioerat,  was  allerdings  einen  trefflichen 
Sinn  gibt.  Natürlich  bat  mau  hier  an  die  Beschaffenheit ,  an  den 
Charakter  der  Person  zu  denken,  allein  es  fragt  sich  doch,  ob  nicht 
unter  dem  allgemeinen  ort»  der  genannte  besondere  Begriff  enthalten 
gedacht  werden  kann,  wofür  Schöne  stimmt,  der  auf  Oed.  Tyr.  414 
hinweist.  —  v.  27©  möchte  W  im  kritischen  Anhang  ein  Qoaopnog  statt 
evnpoooioTog  geschrieben  wissen.  I)a  aber  fr  tponourTos  auch  m  pttditog 
Tif  jiQootf »IgercN  sein  kann  (vgl.  Atsch.  Pers.  so  glauben  wir,  man 
könne  sich  unbedenklich  W.'s  eigener  Erklärung  im  Commentar  un- 
schliessen,  so  davs  wir  uns  das  Bild  eines  Schiffes  zu  denken  haben, 
welches  dem  nicht  leicht  zugänglichen  Ausweg  aus  der  Not  zustrebt, 
wie  nach  C.  W.  Nauck's  Erklärung  das  Staatsschiff  in  Hör.  Carm. 
I,  14,  2  f.  (fortiter  oceupa  portum).  -  v.  3;V.)  f.  hat  Kirchhoff  statt  des 
üblichen  nfofeWcry  die  Lesart  der  besten  Quelle  npog  £evirtv  hergestellt; 
diese  Verbesserung  hat  W.  vollendet  durch  Tilgung  des  iSevytjOtis, 
welches  natürlich  beigesetzt  worden  war  zur  Ergänzung  der  bei  Annahme 
von  7ioa$fvi«v  mangelhaften  Construktion.  Uebrigens  hätte  wol  hier  im 
Commentar  auf  den  Gebrauch  des  Masc.  atori)Q  aufmerksam  gemacht 
werden  dürfen.  —  In  v.  617  ist  die  Verbesserung  des  in  evident, 

welches  nur  im  Hinblick  auf  das  vorausgehende  ovre  —  ovrt  in 
(u^'  corrumpirt  worden  ist.  v.  C35  finden  wir  in  Rücksicht  auf 
die  Responsion  ariynt  gesetzt  statt  ore'pyoi,  welches  übrigens  wegen 
des  Gedankens  unantastbar  wäre.  —  v.  703  liest  W.  aus  dem  hand- 
schriftlichen yttp ,  vor  welchem  das  interpolirte  pe'y  steht,  i'cyav 
uq1  heraus.  —  v  708,  der  verschiedene  Erklärungen  gefunden  hat, 
erfährt  von  W.  im  kritischen  Anhang  eine  gründliche,  freilich  kühne 
Umänderung,  indem  daselbst  proponirt  wird,  Xoyto  ulv  <nt%t,  xupra 
tP  toyoitrtt'  dt'Xa  zu  lesen.  —  I'ass  v.  781.  in  der  überlieferten 
Lesart  ov%  tSg  Xmoiioa  ein  dem  folgenden  Gegensatze  entsprechender 
Conjunktiv  vermisst  wird,  dies  hat  Burges  veranlasst,  \ina  otfe, 
natürlich  mit  Weglassung  des  folgenden  offenbar  aus  1060  f.  inter- 
polirton  Verses,  in  welchem  ohnehin  die  Wiederholung  naifas 
e'uovc  höchst  ansfössig  ist,  zu  schreiben,  und  Nauck  schliesst  sich 
an;  W.  schreibt  nun  sehr  ansprechend  Xtnovo1  «v,  was  so  ziemlich 
gleichbedeutend  ist  dem  Xeixpovaa  und  worauf  schon  Elmsley  in 
seinem   Commentar    hiudeutet.  —  In    hohem    Grade  beachtenswert 


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3G4 


erscheint  der  Versuch  W.'s,  in  die  schon  früh  in  Unordnung  gekom- 
mene 1.  Antistrophe  des  III.  Stasimons  durch  Ausfüllung  der  auch 
von  Kirchhoff  in  v.  837  angedeuteten  Lücke  nach  Ausmerzung  un- 
passender Einfügungen  Klarheit  zu  bringen ;  W.  schreibt  nämlich 
835  ff.:  rot?  \xaXXirdov  r'  «tio  Kt](p(aov  godg  xdv  Kvngiv  xXrjCoveiv 
tttpvooafxivav  x<ugav  (xardgdsiv  ij'cffc  nvodg)  xaranvevaai  uergtceg 
tivilxajv.  —  v.  847  lesen  wir  statt  des  nicht  wol  erklärlichen 
rplktov  nofjniuog  ^taga  im  Hinblicke  auf  die  reiche  Vegetation 
Attika's  und  mit  Berufung  auf  Oed.  C.  701  (oau  -niuvet  täu)  qwrdiv 
7t6finituog.  ~  v.  854  ist  das  metrisch  und  grammatisch  fehlerhafte 
ndvreg  von  Nauck  in  narrt)  <r'  verbessert ,  wofür  W. ,  um  die 
Wiederholung  des  ob  aus  v.  853  zu  vermeiden,  ndyrrj  &  setzt.  — 
Zu  den  vielen  Versuchen  an  den  Anfangaversen  der  2.  Antistrophe 
856  —  59,  deren  allgemeiner  Sinn  leicht  zu  erraten  ist,  an 
deren  sprachlicher  Erklärung  bis  in's  Einzelne  aber  man  fast 
verzweifeln  möchte,  bringt  W.  folgende  Umgestaltung:  no&ev  9gdcog 
ij  tpgevog  rj  %etgi  rtxvoig  aiOtv  xandiav  7?f7Trr<rfi  deivdv  7igoa~ 
ttyovaa  toXuav ,  wobei  aus  einem  Wortreste  7/*,  der  noch  in  einer 
Handschrift  stehen  soll  und  in  ri  überging ,  und  Xfoei ,  das  als 
Glossem  anzusehen  wäre ,  nent-aei  reconstruirt  ist.  Wir  wollen 
nicht  leugnen,  dass  der  gewonnene  Text  und  die  damit  verbundene 
Erklärung  etwas  Bestechendes  bat,  zweifeln  aber  der  dreifachen 
Aenderung  des  überlieferten  Textes,  sowie  dem,  wenn  auch  motivirten, 
doch  sehr  harten  Hyperbaton  des  v  857  gegenüber,  dass  die 
Heilungs-  und  Interpretationsversuche  abgeschlossen  sind.  —  v.  910, 
wo  die  ungewöhnliche ,  jedoch  nicht  ohne  Analogien  dastehende 
Verbindung*7r«peu77o^dJKroc  aXXoiovg  nooet  vom  Scholiasten  selbst  hervor- 
gehoben wird ,  zweifelt  W.  wegen  der  Stellung  der  Worte  an  der 
Ursprünglichkeit  der  Ueberlieferung  und  glaubt  mit  Heimsoetb, 
der  (fevrcQovc,  und  Dindorf,  der  &ioua<nv  statt  dXXoiovg  setzt,  dass 
naQffXTioXüiyrog  statt  nageunoXhivri  erst  nachdem  aXXoiovc  statt  des 
ursprünglichen  Wortes  eingesetzt  worden ,  zur  Tilgung  des  Hiatus 
entstanden  sei ;  er  schlägt  desshalb  notxiXovg  vor ,  für  welches  aus 
dem  darübergeschriebenen  dXXovg  leicht  dXXoiovg  habe  werden 
können.  Freilich  dürfte  es  Bedenken  erregen ,  ob  eine  durch 
Parallelen  geschützte  Anomalie  nur  der  etwas  harten  Stellung 
von  noVct  wegen  zu  einer  so  gründlichen  Aenderung,  wie  die 
vorgenommene,  zwingend  sein  dürfte;  zudem  will  uns  die  Bedeutung 
des  -noixiXovg  (wol  „wechselnd"?)  hier  nicht  ganz  passend  scheinen.  — 
v.  912  finden  wir  sonst  diXd  tw  XQ°vi?  statt  des  überlieferten 
dXXd  vvv  /poVip,  wesshalb  W.  dXXd  avv  /poVoj  vorziehen  möchte  (Krit.  , 
Anh  ).  —  Wenn  ferner  W.  die  Verse  925  —  32  nach  Vorgaug  eines 
englischen  Gelehrten  und  Hirzel's  nicht  in  der  überlieferten  Aufeinander- 
folge wiedergibt,  sondern  sie  folgendermassen  ordnet:  925.  29.  30.  31. 
26.  27.  28.  32.,  so  müssen  wir  ihm  durchaus  beipflichten;  er  stimmt 
dabei  über  v  93t  mit  ersterem  nicht  überein,  der  ihn  nach  928,  auch 
nicht  mit  Hirzel,  der  ihn  (was  wir  im  krit.  Anhang  vermissen)  nach 
925  setzt,  sondern  lässt  ihn  an  seinem  Platze  und  rechtfertigt  dies  voll- 
kommen im  Commentar.  —  v.  929  lautet  meistens  so:  &dga?i  vvv.  ev 
ydg  rcord1'  fyti  dijVw  :iegt.  Nach  der  überlieferten  Folge  der  Verso  haben 
aber  92f>  und  2fi  (bei  W.  925,  29)  als  denselben  Scfalusa  v£gt\  dieser 
Umstand,  ein  ro  häutiges  Erkennungszeichen  für  fehlerhafte  Abschrift,  so- 
wie die  in  der  besten  Handschrift  stehende  Correktur  des  &t,o(o  in  &>joofiat 
in  v.  929,  wodurch  das  unmittelbar  folgende  nigi  fallen  muss,  bestimmen 


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365 


W. ,  die  ursprüngliche  Lesart  in  der  Weise  herzustellen,  dass  er  in 
den  Vers  Tap<pt  einsetzt,  das  natürlich  dem  aus  Versehen  aufge- 
nommenen ntQi  habe  zum  Opfer  fallen  müssen;  wir  lesen  also  ev 
yag  (t1  a'uyi)  juivde  d-qoofjtti.  —  v  1077  bieten  die  guten  Hand- 
schriften oi'a  te  *Qog,  die  schlechteren  ig  *juäf,  was  verschiedene 
Conjektaren  veranlasst  hat;  W.  sucht  den  sowol  an  einem  metrischen 
als  auch  an  einem  sprachlichen  Fehler  leidenden  Vers,  da  ngoo- 
ßXeneiv  mit  npoV  oder  ig  nicht  nachzuweisen  ist,  dadurch  zu  heilen, 
dass  er  ol'a  re  uatdag  schreibt,  wobei  er  ngdg  vuäg  jfür  ein  Glossem 
hält.  —  In  v.  1110  bezieht  W.  die  Worte  daipwv  ovrog  tpQovdog  ig 
"Jidyv  entgegen  den  bisherigen  Auslegungen  auf  die  unmittelbar 
vorher   angeführten  glücklichen   Verhältnisse,   so   dass   alsdann  zu 

interpnngiren   ist  ei  de  xvpi?<rai,   daifitav   Es  ist  sodann 

einleuchtend,  dass  der  folgende  Vers  als  Interpolation  anzunehmen 
ist  von  demjenigen,  der  daiuiov  in  Beziehung  zu  to  navtiüv  Xa(a&tov 
xaxov  (v.  1105  f.)  als  den  Dämon  des  Todes  fasste.  —  Die  sonderbare 
Tmesis  in  v.  1174,  sowie  die  unpassende  Bedeutung  des  blossen 
Wegwendens  der  Augen,  da  doch  in  der  Pein  der  Schmerzen  von 
einem  Verdrehen  derselben  die  Rede  sein  sollte ,  bestimmen  W., 
da  ohnehin  and  und  vno  sich  häufig  verwechselt  finden,  dtuf*etr(ov 
vno  im  krit.  Anhang  vorzuschlagen.  —  v  1181,  die  zu  mancherlei 
Verbesserungs -  und  Erklärungsversuchen  geführt  haben,  sind  nach 
W.  in  rjdrj  d*  aveXxüiv  xuiXov  ixnX&Qov  dgdfiov  Ta%vg  ßndiarng 
rsQfiovtov  av  Ijnifm  emendirt ,  wobei  richtig  bemerkt  wird ,  dass 
ßadiaxi'ig  nur  den  Fussgänger  bezeichnet;  äveXxtov ,  welches,  um 
die  Partikel  av  zu  gewinnen,  durch  Schäfer  in  S»  iXxtov  verändert 
wurde,  ist  wieder  hergestellt,  da  ja  tXxtav  xtSXov  nicht  dem  rüstigen 
Wanderer,  sondern  dem  Lahmen  zukommt,  dagegen  ist  av&tjnteTo  mit 
Recht  in  av  tjniero  verwandelt,  da  jenes  hier  unpassend  stünde  (es 
bezeichnet  nicht  einfach  „erreichen",  sondern  „Hand  anlegen,  an- 
greifen" ,  besonders  in  schmerzender ,  unangenehmer  Weise ,  wie 
v.55  und  1360).  —  Die  in  v.  1255  und  1265  gestörte  Responsion 
wird  gewöhnlich  durch  Aenderungen  in  beiden  Versen  zu  heilen 
versacht,  während  doch  v.  1265  nicht  die  geringste  Bedenklichkeit 
erregen  kann.  W.  sucht  die  Störung  in  oW,  das  er  als  Glosse  zu 
dem  wieder  eingesetzten  anigua  streicht;  natürlich  wird  im  re- 
spondiranden  v.  265  das  dem  versetzten  and  zu  Liebe  in  mqiva 
oder  qtQEii  veränderte  cpQevdiv  wieder  hergestellt  In  ähnlicher 
Weise  sucht  W.  die  Responsion  in  1256  und  1266  zu  verbessern, 
indem  er  v.  1256  auf  ganz  methodische  Weise  öeov  (f  ai'part 
nirveiv  in  »eov  d"  aipa  nidoi  nirveiv  verwandelt,  weil  zu  alua 
nlxvei  in  der  Bedeutung  „das  Blut  wird  vergossen"  nidoi  oder  ini 
yijy  treten  müsse,  aiuan  aber  durch  ein  leicht  erklärliches  Versehen 
des  Schreibers  aus  alpu  n  entstanden  sei.  v.  1266  schreibt  er  dann 
%6Xog  ngoanirvet  xai  (/^o«)  dvaperyg  tpdvog  aueißexai,  da  der  Sinn 
zu  a\uelßerai  einen  Are  verlange  —  eine  Conjektur,  die  freilich 
besonders  rücksichtlich  ihrer  sprachlichen  Voraussetzung  einer  weiteren 
Erörterung  bedürfen  möchte.  —  Recht  gnt  erscheint  die  Emendation 
in  v.  1295,  wo  für  das  handschriftliche  xoigdi  y'  W.  das  von  dem 
Sinne  verlangte  roigd*  h'  schreibt.  So  dünkt  uns  auch  in  v.  1296 
zur  Verbesserung  der  nicht  wol  zulässigen  Wiederholung  des  vi* 
durch  a<pe  der  Vorschlag  im  krit.  Anhang,  nqiv  statt  viv  zu  lesen, 
schon  wegen  der  Einfachheit  der  Aenderung  gerechtfertigt  —  v.  1333 
haben  fast  alle  Handschriften  tqv  adv  aXaazoQ,  andere  mit  Correktur 


^ 


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306 


des  metrischen  Fehlers  roV  oov  «T*  a;  W.  hat  mit  Recht  den  Vorschlag 
Weil's  rtSy  amv  <r'  angenommen,  jedoch  mit  Weglassung  des  <r\ 
so  dase  der  Gedanke  folgender  ist:  „den  Rachegeist  der  Deinen"  (der 
für  die  Deinen  Rache  nahm  u.  s.  w.).  —  Sowie  aber  W.  an  nicht  wenigen 
Stellen  eigene  Conjekturen  teils  in  den  Text  gesetzt,  teils  im  krit.  Anh. 
bekannt  gegeben  hat,  so  finden  wir  auch  fremde  Vermutungen  und 
Emendationen  mit  Umsicht  von  ihm  gewürdigt  und  aufgenommen,  v.  123 
steht  £;ii  fxr,  jbteyaXoig  statt  des  nicht  sinngemässen  ei  fjij  /neyaXios. 
Wenn  jedoch  W.  v.  140  nach  Musgrave  roV  ut>-  t/ti  'iixxoa  xvQavvtov 
statt  ö  fAv  schreibt,  so  scheint  uns  dies  für  den  Gedanken  durchaus 
nicht  notwendig,  der  im  Gegenteil  durch  die  äussere  Gegenüberstellung 
von  o  ut'y  —  i\  6i  gewinnt,  abgesehen  von  der  Analogie  in  v.  594  Xexxgct 
ßaotXe toy  ä  vvv  —  In  den  vielbesprochenen  v  151  ff.  finden  wir  v.  151 
nach  Elmsley  anXaxovt  alsdann  nach  Weil  die  Frage  mit  v.  152  geschlossen, 
darauf  v.  153  anevaei  .  .  .  xeXevxa.  —  v.  291  ist  statt  /nt'ya  oxivtiv  die 
sehr  passende  Emendatton  Nauck's  tuexaaxdyeiy  aufgenommen.  —  v.  373 
ist  iyijxey,  das  in  der  Bedeutung  „anheimstellen,  erlauben",  öfter  in 
€t(prixBv  corrumpirt  vorkommt,  nach  Nauck's  Vorgang  hergestellt,  so 
auch  v.  385  mit  Elmsley  ootfni,  da  Medea  nur  von  sich  redet  —  In  v.  526 
vermisst  Nauck  zu  xilQiV  das  näher  bestimmende  gijV  und  schreibt  desshalb 
inti  a>jy  statt  in ftrfq',  was  wir  billigen  möchten.  —  v.  600  ist  W.  Elmsley 

Sefolgt,  der  für  o?<x£'  tog  fxexev^et  xai  aotpwxiqa  tpaye£\  mit  Herstellung 
es  so  häufig  vorkommenden  Atticismus  oloP  tog  ftitiv£tu  [xai  aoqxoxcQa 
(puvei) ;  schreibt.  W*  setzt  nach  iAitev$~ai  das  Fragezeichen,  nach  tpayei 
ein  Kolon.  v.  695  hat  sich  W.  mit  Recht  durch  Aufnahme  von  /uij 
nov  statt  des  hier  ungeeigneten  traditionellen  l  nov  an  Weil  ange- 
schlossen ;  jedenfalls  ist  diese  Aenderung  sehr  naheliegend  and  der 
Elmsley 'sehen  in  q  yuQ  vorzuziehen.  —  v.  TM  ist,  wie  schon  Reiske 
vorgeschlagen,  statt  xai  Beöiy  ivuuoxog  geschrieben  *ov  .  .  i  ;  die  übrigen 
Correkturen  der  Stelle  sind  zurückgewiesen,  so  ayaifioxog,  welches  für 
nichts  weiter  als  für  eine  Correktnr  in  einer  Handschrift  anzusehen  sei ; 
xai  ist  nach  W.  aus  der  so  häufigen  Vernachlässigung  der  Krasis 
entstanden,  ov  aber  ist  dadurch  geschützt,  dass  der  Gedanke  als 
nachdrückliche  Verneinung  dem  Xoyoig  ovfißdg  gegenübersteht  statt 
xai  ovx  oQxotg  avfjßug.  —  v.  752  hat  W.  statt  der  metrisch  fehlerhaften 
Ueberlieferung  nach  Musgrave  die  in  mehreren  Handschriften  zu  746 
beigeschriebene  Variante  'HXiov  &  dyyoy  aißug  angenommen;  wir  möchten 
hier  die  Emendation  des  Verses  durch  ßadham  (Vorrede  zu  Fiat  Kuth. 
und  Lach.  p.  13)  erwähnen,  auf  welche  neuerdhgs  Prinz  im  Philologus 
wieder  aufmerksam  gemacht  hat,  nämlich  o/uvvfu  Faiag  tunttioy  'HXiov 
xe  qptw«-.  — v.  82(5,  wo  die  Handschrilten  tpdyov%  rpoynv  und  <jpoVcü  bieten, 
ist  mit  Kircbboff  und  Nauck  qpoVw  gesetzt  und  mit  xiyfru  verbunden  — 
v.  899  ist  fast  von  allen  Herausgebern,  auch  von  Elmsley,  Schöne  und 
Nauck  oi/40»  xaxüv  verbuuden;  W.  zieht  xaxwy  mit  Kirchhoff  zu  dem 
folgenden  r*  xtüy  xexQvufie'ywy.  —  v.  945,  welchen  die  Handschriften 
dem  Jason  zuweisen,  ist  in  Uebereinstimniung  mit  Prinz,  dem  auch 
Nauck  folgt,  der  Medea  zurückgegeben,  v.  1005  der  Ausruf  der  mit 
Besorgnis«  gemischten  Ueberraschung  I»  mit  Kirchhoff  und  Nauck  dem 
Pädagogen.  —  Die  Interpunktiou  in  v.  1087  —  89  naoai<n  jj'ey  ov- 
7iavQoy  dk  ytvog  —  fjiiav  iv  noXXaig  evgoig  dv  i<n»g  —  ovx  unofxovdov 
x6  yvyyatxtov  ist  von  Elmsley  nach  Heraklid.  327  evident  berichtigt 
und  natürlich  das  überlieferte  xov'x  in  ovx  verbessert.  Das  nach  W.'s 
Erklärung  wegen  der  Parenthese  nachhinkende  x6  yvvutxtSp  ist,  wie 
uns  scheint,  als  Subjekt,  navooy  de  yivog  als  Prädikat  aufzufassen: 


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367 


ein  kleines  Geschlecht  ist,  höherer  Bildung  nicht  fremd  (insofern 
es  höherer  Bildung  nicht  fremd  ist),  das  Geschlecht  der  Weiber.  — 
Statt  cTV  wrutf  .  .  .  t\v  noXvs  Xoyoq  v.  1139  ist  das  von  Weil  nach 
dem  Scbol.  gewonnene  dV  oXxtav  angenommen.  —  v.  1218  ist  W. 
in  der  Ersetzung  des  überlieferten  andern  durch  dniofa  Valckenaer 
gefolgt,    wie    bereits    Elmsley ,    Fix,    Härtung,    Kirchhoff  Eine 


zu  bestehen ,  denn  der  Begriff  des  «niaiti  kann  ja  leicht  aus  dem 
Voraussehenden  ergänzt  werden  ;  freilich  meint  W. ,  die  Erklärung 
in  Bekk.  Antcd.  gr.  p.  422:  dis'aßi)-  iaße'o&rj  q  inavaato  ,  r&yq- 
xsy  scheine  gerade  dieser  Stelle  entnommen.  —  v.  1259  f  ,  wo  der 
Wortlaut  f£fA'  oXxtav  cpovinv  xüXuuav  r'  'Egiyvy  eine  Störung  der 
Kesponsion  mit  1269  f.  enthält,  finden  wir  nach  KircbhofPs  resp. 
Heiuisötb's  Herstellungsversuch  in  Ordnung  gebracht:  ?s-eA'  olxwy 
(fnvwoav  aXuov  x*  'F.Qtvvy ,  wobei  zwischen  dXuoy  und  dem  folgenden 
vn9  ttXaazoqwy  eine  gewisse  etymologische  Beziehung  gefunden  ist; 
einfacher  ist  die  Umstellung  in  xaXmyav  cpovltty  t1  von  Seidler, 
welchem  Nauck  folgt,  aber  sowol  formell  als  auch  dem  Gedanken 
nach  nicht  so  ganz  genau  entsprechend  wie  jene  Conjektur.  —  v.  1357 
hat  auch  W.  die  sichere  Correktur  Kirchhofs  ixßaltiy  statt  ixßaXsty 
aufgenommen 

Wie  sich  also  W.  zur  Aufnahme  eijrner  oder  fremder  Conjekturen 
fast  nur  vom  wirklichen  Bedürfnis  bestimmen  lässt,  so  scheu  wir  auch 
verdächtigten  Versen  gegenüber  ihn  mit  massvoller  Umsicht  verfahren. 
So  behält  er  den  schon  vom  Schol.  für  überflüssig  gehaltenen  und  von 
Brunck,  Härtung,  Dindorf,  Weil  und  Nauck  ohne  ausreichenden  Grund 
verdächtigten  v.  87  bei,  sowie  auch  den  von  Nauck  für  interpolirt 
gehaltenen  v.  913.  —  Den  v  748,  welchen  Nauck  verwirft,  weil  er  in 
Jph.  T.  738  sich  findet,  schützt  W.,  indem  er  darauf  aufmerksam 
macht,  dass  dergleichen  allgemeine  Redensarten  unwillkürlich  die 
gleiche  Form  annehmen,  was  ja  zahlreiche  Beispiele  aus  den  Fragmenten 
beweisen.  —  v  923,  verdächtigt,  weil  er  1148  wiederkehrt,  wird  fest- 
gehalten, da  er  einmal  hier  ganz  in  die  Situation  pnsst,  alsdann"  ganz 
besonders,  weil  er,  mit  dem  nächsten  Verse  verbunden,  v.  1006  f.  an 
ungeeigneter  Stelle  wieder  vorkommt  —  Die  Bedenken  Nauck's,  der 
in  v.  9(56  f.  die  Worte  xeiva  yvy  avgei  Sfo'c,  via  ivottvyei  aus  äusseren 
und  inneren  Gründen  für  t  unecht  hält,  ignorirt  W.  —  v.  981  ist 
von  den  Worten  x6atuoy  avxd  /epow'  Xaßovaa  in  Rücksicht  auf  die 
Responsion  Xaßovatt  von  Nauck  gestVichen,  während  nach  W.  mit  den 
2  cretici  die  Strophe  nicht  auslauten  könnte,  und  Bauer  /.ußovoa,  gerade 
wenn  es  fehlte,  vermissen  würde.  Während  nun  letztererden  respondirenden 
v.  988  durch  titXmva  ergänzt,  meint  W.,  es  sei  ein  Wort,  das  mit  dem* 
Bilde  (eis  byxos  neaeixttt,  986)  congruire,  ausgefallen,  etwa  itdvttyQov. 

Die  Ansicht  Nauck's,  dass  v.  262  und  Hirzel's,  dasR  305  inter- 
polirt sei,  scheint  auch  W.  zu  teilen,  und  nicht  mit  Unrecht;  er 
setzt  sie  aber  ohne  Klammern  in  den  Text.  —  So  teilen  wir  auch 
gegenüber  v.  698  und  699  sein  Bedenken,  weil  zwischen  letzterem  und 
dem  folgenden  Vers  700  der  Zusammenhang  fehlt,  während  v.  700  sich 
der  Zusammenhang  fehlt,  während  v.  700  sich  ganz  innig  als  Antwort 
an  697  anschliesst  —  In  den  v.  723  —  730,  wo  Nauck.,  Hirzel  und 
Prinz  durch  Annahme  von  Interpolationen  und  durch  Versetzungen  die 
verschiedenen  Mängel  zu  heilen  suchen,  hält  W.  725  —  28  für  ein 
ursprünglich  am  Rande  beigeschriebems  Ueberbleihsel  aus  der  ersten 
Bearbeitung  des  Stückes,  indem  hier  derselbe  Gedanke  ausgedrückt  ist, 


zwingende  Notwendigkeit 


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368 


wie  723.  24.  29.  30.  —  Während  v.  786  Xcnrov  rs  rt&iXov  ton 

Elmsley,  Nauck  und  Kirchhoff  wegen  geiner  Wiederkehr  949  verworfen 
wird,  verfährt  W.  umgekehrt,  indem  er  denselben  hier  als  sehr  geeignet 
zum  Verständniss  des  Folgenden  erklärt,  während  v.  949,  wo  der 
Schmuck  sichtbar  wird,  durchaus  müssig  und  zudem  als  Apposition  zu 
ddiQa  «  xttXXiarevsrai  v  947  ungeeignet  sei;  wir  Btimmen  hierin  W. 
vollständig  hei. 

Auch  in  Hinsicht  auf  richtige  Schreibung  verwertet  der  Herausgeber 
die  Resultate  älterer,  sowie  insbesondere  der  neueren  Untersuchungen, 
zu  denen  er  ja  selbst  höchst  anerkennenswerte  Beiträge  geliefert  bat. 
So  schreibt  er  v  88  ei'vtxa  statt  ovvcxa,  das,  wie  er  in  seinen  curae 
epigr.  p  36  —  39  nachweist,  nur  Conjunktion  ist,  während  eTvsxa  als 
epische  Form  von  den  Tragikern  des  Metrums  halber  gebraucht  wurde 
wie  fto'oc,  xtivoe  u.  a.;  ferner  setzt  er  auf  Grund  seiner  Untersuchungen 
ebend  p.  33.  v.  194  ^vQoyro  und  196  tjvQero.  In  Bezug  auf  die  Schreibung 
von  aa>Ceiy  folgt  er  dem  ebend.  p.  46  erzielten  Resultat,  wonach 
die  Formen  mit  C  das  t  subscriptum  bekommen,  die  übrigen  nicht; 
Kirchhoff  schreibt  durchaus  dieses  *,  z.  B.  476  und  481,  Nauck  und  mit 
ihm  die  anderen  Herausgeber,  wie  Bauer,  vernachlässigen  es  überhaupt; 
übrigens  stellt  Usener  (Fleckeis.  Jahrb.  91  p.  238  —  42)  die  nämliche 
Norm  wie  W  auf.  —  In  Uebereinstimmung  mit  Elmsley  int  v.  3W  wV 
cf  avrojc  geschrieben;  Nauck  bat  a>V  <T  ccvtms,  Kirchhoff  (6g  d"  arrtog 
und  Bauer  tö?  tT  avrwf  (Buttm.  Lex.  S.  37).  —  Wie  schon  Elmsley 
statt  avaiteofuav  v.  978  lieber  ayadeauav  setzen  möchte,  so  hat  W. 
wie  anch  Dindorf  letztere  Form  mit  Recht  aufgenommen,  dessgleichen 
v.  1001  uXXa  nach  Matthiae  mit  Elmsley,  Klotz,  Schöne,  Härtung.  -- 
v.  1073  folgt  W.  ebenfalls  Elmsley  und  nimmt  die  2.  Person  des  Duals 
evifaifiovotTijv  an,  wie  Nauck,  der  sich  in  seinen  Eur  St  II,  p.  57  zu 
Alk.  272  entschieden  för  dieBe  Form  ausspricht.  —  Endlich  ist  es  voll- 
kommen richtig,  wenn  1389  uXXa  <y'  geschrieben  ist,  da  ai  im  Gegen- 
satz zu  der  unmittelber  vorher  geweissngten  Todesart  des  Jason  steht. 

Doch  verlassen  wir  jetzt  die  Erörterung  über  die  Verbältnisse  des 
Textes,  welche  in,  vorliegender  Ausgabe  soviel  des  Interessanten  und 
Belehrenden  darbieten,  und  wenden  wir  uns  den  erklärenden  Anmerk- 
ungen zu.  Hier  tritt  uns  denn  ganz  besonders  die  gründliche  Kenntniss 
des  Verfassers  im  tragischen  Sprachgebrauche  entgegen,  sowol  im 
Allgemeinen  als  auch  in  Bezug  auf  Eigentümlichkeiten  des  Euripides; 
eine  reiche  Fülle  von  Parallelfitellen  regt  hier  zur  Vergleichung  an 
und  unterstützt  die  richtige  und  lebendige  Auffassung.  Wichtigeren 
grammatischen  Erscheinungen  gegenüber  gibt  W.  teils  seine  eigenen 
kurzen  Erklärungen,  teils  führt  er  Belegstellen  aus  Euripides  oder 
anderen  Classikern  an,  teils  begnügt  er  sich  mit  Hinweisung  auf  die 
Grammatik  selbst  und  zwar  auf  die  Krüger'sche,  neben  welcher  wir 
freilich  im  Interesse  unserer  Schüler  auch  die  an  den  meisten  bayerischen 
Gymnasien  eingeführte  Kurz'sche  citirt  wünschten.  Was  die  Parallel- 
stellen betrifft,  so  sind  dieselben,  abgesehen  von  ihrem  unendlichen 
Nutzen  fnr  Schüler  und  Lehrer  überhaupt,  zum  grössten  Teil  so  voll- 
ständig, dass  sie  auch  ihrem  Inhalte  nach  ganz  verständlich  sind ,  viele 
als  allgemeine  Sentenzen  von  noch  ganz  besonderem  Wert;  dabei  begnügt 
sich  der  Verfasser  nicht,  aus  dem  reichen  Material  der  griech- 
ischen Literatur  zu  schöpfen,  sondern  zieht  auch  Stellen  aus  der 
Medea  des  Ennius  zur  Vergleichung  herbei;  namentlich  begrüssen  wir 
auch  die  Rücksicht,  welche  vaterländische  Dichter,  sowie  Shakespeare 
gefunden,  ein   Schmuck,   der   überhaupt  manchen  unserer  neueren 


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369 


Classikerausgaben ,  so  den  höchst  anerkennungswerten  unseres  Dichterg 
von  Bauer,  nicht  geringen  Reiz  verleiht. 

Wenn  wir  nun  an  die  besondere  Besprechung  des  Commentars  gehen,  so 
■wollen  wir  uns  hfebei  auf  dasjenige  beschränken,  was  uns  irgend  einer 
Modifikation  zu  bedürfen  scheint  oder  worin  wir  des  Herausgebers  Ansicht 
nicht  teilen,  v.  194  vermissen  wir  als  nicht  überflüssig  zur  Erklärung  des 
Genitivs  in  ßiov  xtQ-nvdq  «xode  eine  Hinweisung  auf  Kr.  II.  §  47  26.  A.  7, 
oder  etwa  auf  Hec.  235,  1135  Aesch.,  Agam  115,6  da  wir  in  dem  Buche 
diese  Methode  bei  bemerkenswerten  sprachlichen  Erscheinungen 
überhaupt  reichlich  angewendet  finden,  wie  selbst  da,  wo  eine 
derartige  Hinweisung  Manchem  nicht  nötiger  scheinen  dürfte  z.  B. 
v  33  zu  trvtfttufof  cjifft ,  136  zu  cvytjdofjtti  aXy(Oit  142  zu  ovdeyog 
ovdhy  7t«Qa&«\nou£vr}  /ut'9oi$ ,  548  zu  de(£u>  aoyos  yeytog ,  562 
zu  naldag  &Qt'\patt4i  «£/wf  doptov  iuäjy  u.  8.  w.  IJebrigens  lässt 
sich  in  diesem  Punkte,  wo  der  eine  für  notwendig  ansieht,  waa 
in  den  Augen  des  andern  überflüssig  ist,  über  das  Zuviel  oder 
Zuwenig  nicht  immer  eine  streng  abgemessene  Schranke  ziehen.  — 
Der  Tbatiacbe  gegenüber,  dass  der  Genitiv  in  v  284  avußtcXXerai  de 
TtoXXd  rovde  detuuroq  noch  von  keinem  Herausgeber  befriedigend  erklärt 
worden  ist ,  hätte  Bauer's  Vorschlag  tovt'  ig  ddud  poi  oder  deif*1  ort 
Beachtung  verdient.  —  Zu  v.  383  &rtvovaa  Stjoto  rote  iuoig  4%&qoi$  ySXaty, 
wo  Nauck^arotV  ntfX^aut  vorschläut,  hätten  wir  für  den  Ausdruck  eine 
Parallele  gewünscht,  etwa  Jon  1172.  Ebenso  vermissen  wir  zu  v.  384 
eine  Andeutung  über  die  Beziehung  des  p  neyvxa/Ltf-y  mit  Hinweisung 
auf  768  —  v.  404  rof<r  2tovqe(ots  roic  r'  'idoovoc  'ydfxoig  schien 
uns  immer  noch  eine  Schwierigkeit  für  eine  durchaus  befriedigende 
Erklärung  zu  enthalten ;  denn  wenn  man  nicht  Siavyeiots  geradezu  als 
Substantiv  fassen  will  statt  liavtpidatg,  wofür  wir  keinen  Anhaltspunkt 
haben,  so  müssen  wir  notwendig  wegen  der  Wiederholung  des  Artikels 
To»?  mit  xe  an  zwei  Ehebündnisse  oder  Gattinnen  denken,  was  unmöglich 
ist.  Wir  sind  desshalb  überzeugt,  dass  gerade  wie  v.  123,  1094,  1121, 
1194  auch  hier  r'  auszustossen  ist,  so  dass  zu  lesen  roiY  Ziovyelotx; 
To«?  'iaoovos  y«tuoi<:.  Für  die  doppelte  Setzung  des  Artikels  verweisen 
wir  auf  Kr.  I,  §  50  9.  A.  6  und  besonders  7,  sowie  auf  die  dort 
angeführten  einschlägigen  Beispiele.  —  Die  intransitive  Bedeutung  von 
aviaxov  in  v.  482  «W o%ov  aoi  <pdog  aturijoioy  kann  mit  voller  Bestimmt- 
heit nicht  behauptet  werden ,  wenn  sie  auch  vom  aufsteigenden  Lichte 
statt  'dvadvvtti  oder  ayare XXeiy  nicht  gerade  selten  ist  und  hier  ein 
lebendigeres  Bild  gibt.  Nicht  ungeeignet  wäre  hier  als  Citat  Aesch. 
Agam.  93  und  Soph.  Track  204.  —  v.  534  (xeit<o  rfc  itu!jg  owijpmc 
itXri<pt((  rj  didiaxug  erklärt  W.  atartigiag  als  gen.  compar.  zu  fxelfa 
und  übersetzt  „Bedeutenderes  als  meine  Bettung  wert  ist  (hast  du 
empfangen)",  worauf  noch  in  der  Weise  leichten  Conversationstones  7 
didtoxug  folge,  so  dass  der  Begriff,  auf  den  es  ankomme,  nachdrücklich 
hervorgehoben  werde.  Allein  wenn  auch  für  eine  Nachlässigkeit  und 
Unvollkommenheit  des  Ausdruckes  bisweilen  auf  die  leichtere  Form  des 
Conversationstones  bei  Euripides  hingewiesen  werden  darf,  so  scheint 
uns  doch  hier,  wo  die  Opfer  und  die  Belohnungen  der  Medea  für  die 
Rettung  Jasons  abgewogen  werden,  <x<utj?(><«?  als  gen.  pret.  zu  stehen, 
für  dessen  Verbindung  mit  didoyni  und  Xctfißdyeiy  u  ä.  es  genug 
Beispiele  gibt.  —  Zu  v.  980  dürfte  sich  die  Hinweisung  auf  Aesch. 
Agam.  1115  noch  mehr  empfehlen,  als  die  auf  Bacch.  1156.  — 
Wenn  auch  v.  1035  ^Xtoroy  mit  W.  auf  das  1033  vorhergehende 
;--itx  f*e  bezogen  werden  kann,  80  ist  doch  auch  die  Auffassung  desselben 


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370 


als  epexegetische  Apposition  zu  dem  ganzen  Gedanken  nicht  zu  verwerfen. 
—  Zu  gesucht  ist  nach  unsrer  Meinung  in  v.  12r>2  f.  xorlifar'  i'dVrf  tuv 
ovXnuBvav  yvvuixu  nah'  cpoiviav  rir.i'otc  7i(io<Fß«?.tiv  /f'p«  die  Erklärung, 
nach  welcher  sich  TipiV  auf  den  in  ovlopiva»  liegenden  Fluch  („die 
verderhen  möge,  ehe  sie  u.  s.  w.")  beziehen  soll;  ausserdem  sind  die 
beigezogenen  Belegstellen  Uipp.  363,  Or  1364  und  Hei.  229  durchaus 
nicht  zwingend,  da  in  der  ersten  der  Optativ  wirklich  steht  und  das 
Verhältniss  zu  dem  folgenden  Satze  offen  daliegt,  in  den  beiden 
anderen  Stellen  aber  das  im  dichterischen  Sprachgebrauche  häutige 
Particip  in  seiner  Bedeutung  „Verderben  bringend"  auch  ohne  optatioiseben 
Sinn  gefasst  werden  kann.  Die  Beziehung  des  Temporalsatzes  ergibt 
sich  leicht  aus  dem  in  x«rt'd\-r'  Uhre  liegenden  Begriff  des  Verbindems. 
Mit  dieser  Auffassung  stimmt  auch  die  Uebersetzung  des  Estriol 
(Prob.  adVerg  Eclog.  6,  31)  überein:  Inspiet  hoc  facialis,  priusquam 
fiat;  prohibessis  scelus.  —  Die  sehr  schwierige  Stelle  v.  1268  —  70 
übersetzt  W.  auf  folgende  Weise:  „Verderblich  für  die  Menschen  über 
das  Land  hin  fällt  die  Befleckung  mit  Vorwandtenblut ,  ebenso  den 
Mördern  als  gottverhängtes  Weh  aufs  Haus".  Neu  ist  hier  die  Erklärung 
der  Worte  e;ii  yttiny ,  womit  die  Befleckung  des  ganzen  Landes  durch 
den  Mord  bezeichnet  werde  und  wofür  W.  auf  den  Oed.  Tyr  des 
Sophokles  hinweist,  und  neu  ist  die  Erklärung  von  owittSu  7Ni*wr« 
durch  avt'ipdit  tan  nttvort*  oder  ovradti  nirvovia  s  v  a.  tp**f** 
iQo  rov  ;iiirti.  Wenn  wir  nun  allerdings  an  der  Erwähnung  derF©ig**i 
welche  das  Miasma  des  Mordes  für  das  ganze  Land  haben  müsste,  einer 
Barb:iriu  gegenüber  keinen  Anstoss  nehmen  ,  wie  ihn  Cron  in  seiner 
Recension  in  der  Zeitschr.  für  Gymnasial  -  Wesen  XXVIII  (VIII)  9*0 
nimmt,  da  ja  in  dem  Zusammenhange  gar  nicht  der  Gedanke  liegt,  als 
wollten  die  Korinthierinnen  der  Medea  eine  Hucksicht  auf  das  L*nd 
nahelegen,  und  das  eigentliche  Hauptgewicht  auf  die  Folgen  des 
Mordes  für  die  Mörder  selbst  fällt,  so  halten  wir  doch  2»^ 
besonders  die  Auffassung  der  Worte  <rvt>w<fu  r.irvoija  für  äusserst  hart. 
Cron  scbliesst  sich  in  Beziehung  auf  die  Verbindung  von  iti  ;*«»«'' 
mit  uidff uitra  an  Pflugk  an,  billigt  aber  bei  W.  die  durch  die  Sfellung 
empfohlene  grammatische  Verbindung  der  Worte  footfer  virvovxu 
(fouoic  während  Bauer  dieses  enge  Zusammengehören  teilweise 

löst  durch  die  Beziehung  von  -lirvorxu  zu  ini  yaiuv  Cron  erklärt 
demnach  die  Stelle  so:  „Denn  schlimm  ist  für  die  Sterblichen  die  aut 
die  Erde  (rinnende)  Befleckung  mit  Verwandtenblut,  nämlich  ein  <ur 
die  Mörder  (mit  dem  Morde,  mit  der  Crosse  ihrer  Unthat)  überein- 
stimmendes über  das  Haus  (derselben)  gottverhängtes  Leid'-  Freihc» 
sc.hliesst  auch  die  enge  Verbindung  von  piuauttra  iii  yuitey  oWJ 
Partien,  eine  wenn  auch  nicht  einzig  dastehende  Härte  ein  (Cron  citin 
hie  für  Ei  4.*.8  f.). 

Zum  Schlüsse  unserer  Besprechung  machen  wir  noch  eine  Anzahl 
von  Druckfehlern  namhaft,  die  wol  durch  eine  eingehendere  Umschau 
noch  leicht  vermehrt  werden  könnte.    S.  26  Anm.  Z.  1  steht 
S.  32  Z  7  r«?,  v.  87  im  Text  oi  pir  —  ol  <fi,  aber  in  der  Anm.  °l> 
Anm    zu  142  Z  2  oxovei ,  158         Anm.  zu   163  f.  Z.  16  fehlt  vor 


 ,    —     •  ,      .    „     ■  . 

uviotg  der  Trennungsstrich,  Anm.  zu  184  Z.  3  steht  fpw,  zu  v.  **•  , 
falsch   citirt.  Hei  428  statt  EL  483  f,  v.  223  und  224  ist  bei  orJ  »jg 
ntxouq  Accent  und  Apostroph  verwechselt,  Anm.  zu  270  Z   4  ste 
xaiyo'y  statt  xuivüv,  Anm.  zu  30ü  Z.  t  av,  Anm.  zu  601  Z.  3  yuztio» 
Anm.  682  Z  6  wC> ,  Anm.  zu  758  Z.  12  xvXovoi»y,  042  steht 
Anm.  zu  1181  Z.  3  avttvJog  und  Z.  11  rn^ot^,  Anm.  zu 


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371 


I 

steht  v.  1284  statt  1201,  Anm.  zu  1243  Z.  4  o«,  1389  'K(W,-,  im  krit, 
Anh.  ist  der  zu  123  citirte  v.  1156  jedoufalls  unrichtig,  das.  zu  491 
steht  O.U.  250  statt  256,  zu  723  Z.  4  Kriuz,  S.  141,  5.  Absatz  sollte 
jedenfalls  nach  der  neuen  Ordnung  929,  nicht  926  stehen,  zu  1252 
steht  Z  5  «(?«,  anfgefallcn  ist  endlich  in  der  Anm.  zu  v.  55  Z  12  und 

13  ttl'-fru.lXEtUl. 

Würzburg.  Bergmann. 


Aug.  Brunne  r  und  Joh.  Ev.  Kraus,  kgl.  Studieulohrer, 
Elementarbuch  des  deutsch  -  lateinischen  Unterrichtes  für  die  erste 
Klasse  der  Lateinschule  (Sexta).    München.  1875. 

Die  Verfasser  dieses  Elementarbuches  sind  von  dem  Bestreben 
ausgegangen,  den  Lehrstoff  der  lateinischen  und  deutschen  Grammatik 
für  die  erste  Klasse  der  Latrinschule  in  einem  Lehrbuche  zusammen- 
zustellen, um  den  Vorschriften  der  neuen  bayrischen  Schulordnung, 
den  grammatischen  Unterriebt  in  der  deutschen  Sprache  in  stetem 
Zusammenhang  mit  der  lateinischen  zu  betreiben,  in  einer  bisher  noch 
nicht  versuchten  Weise  zu  entsprechen. 

Dass  die  Gesetze  der  Mutiersprache  dem  Schüler  erst  recht  zum 
Bewusstsein  kommen,  wenn  er  anfängt,  lateinische  Grammatik  zu 
treiben,  ist  langst  ausgemachte  Sache;  nur  handelt  es  sicli  darum,  in 
welcher  Weise  eine  Verbindung  des  deutschen  grammatischen  Unter- 
richtes mit  dem  lateinischen  am  geeignetsten  erzielt  wird  uud  ob  der 
Versuch  der  Verfasser  zu  empfehlen  sein  dürfte,  in  einem  Lehrbuche 
die  einzelnen  Teile  der  Formenlehre  beider  Sprachen  neben  einander 
laufend  zu  behandeln.  Nachdem  Recensent  sich  den  Lehrgang  des 
Buches  näher  betrachtet  hatte,  stieg  in  ihm  die  Trage  auf:  „Soll  der 
in  einem  Buche  vereinigte  Lehrstoff  des  Deutschen  und  Lateinischen 
nach  einander  behaudelt  werden ,  so  dass  §  nach  §  durchgenommen 
wird,  ohne  eine  bestimmte  Stundeuanzahl  für  den  grammatischen  Unter- 
richt im  Deutschen  festzusetzen  oder  neben  einander,  so  dass  deutsche 
uud  lateinische  Grammatik  in  getrennten  Lehrstunden  getrieben 
werden.  In  beiden  Fällen  scheint  ihm  die  Anlage  im  Principe 
verfehlt;  denn  in  ersterem  Kall  würde  durch  die  Zerziehung  des 
Lehrstoffes  und  durch  die  bunte  Folge  der  Regeln  das  Gehirn  des 
erst  neunjährigen  Knaben,  der  vor  kaum  drei  Jahren  mit  dem  Malen 
des  ABC  sich  abmühte,  mit  einer  solchen  Menge  von  verschiedenen 
Begriffen  augefüllt,  dass  es  letztere  schwer  verdauen  wird  und  viel- 
leicht gerade  die  sicherere  Befestigung  des  Lehrstoffes,  welche  die 
Teilung  der  Formenlehre  in  zwei  Jahreskurse  bezwecken  soll,  verloren 
gehen  dürfte.  Denn  kaum  hat  der  Sextaner  den  Unterschied  der 
starken  und  schwachen  Deklination  im  Deutschen,  die  nicht  so  ein- 
fachen Hegeln  über  die  Deklination  der  deutschen  Eigennamen,  die 
erste  und  zweite  lateinische  Deklination  kennen  gelernt,  so  folgt  bereits 
§.  33  der  Ind.  Präs.  der  1.  Conjugation,  §.  34  der  einlache  Satz,  §.  35 
bereits  die  Erweiterug  des  einlachen  Satzes  §.  36  die  pronomina  per- 
tonalia.  —  Werden  in  dem  jungen  Kopfe  die  Begriffe  Subject,  Prädicat, 
Accusativ-,  Dativ-,  Genitivobject,  Apposition,   attributiver  Genitiv, 


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372  r  7  - 

attributives  Adjectiv,  pronomen  personale  etc.  klar  sich  sondern, 
zumal  er  erst  §.  37  die  Adjectiva  kennen  lernt?  Wird  sich  nicht  die 
Deklination  der  Adjectiva  der  ersten  und  zweiten  auf  us,  a,  um  und  er, 
a,  um  §  40  und  §.  44  die  der  prommina  possessiva  §.  45  zweckmässiger 
sofort  an  die  regelmässige  1.  und  2.  Deklination  der  Substantiva 
anschliessen ,  darauf  etwa  der  Präsensstamm  von  sum,  die  Erklärung 
des  einfachen  Satzes  und  der  Congruenz  des  Prädikatsnomens  folgen 
und  mit  den  Unregelmässigkeiten  der  1.  und  2.  Deklination  abschliessen? 
In  den  §§.  48  —  ö?  folgt  auf  einmal  ziemlich  ausführlich  die  Lehre 
von  den  Präpositionen  und  erst  §.58  taucht  die  dritte  Deklination  auf; 
würden  vorläufig  nicht  die  gebräuchlichsten  wie  in  und  ex  hinreichen  ? 
Eine  grosse  Unterbrechung  des  lateinischen  Unterrichtes  ruft  die 
Lehre  vom  deutschen  Verbum  hervor,  das  in  21  Seiten  von  §.92  —  106 
behandelt  wird;  erst  §.  106  Blossen  wir  wieder  auf  lateinisches  Gebiet. 
Soll  aber  deutsche  und  lateinische  Grammatik  in  getrennten  Lehr- 
stunden betrieben  werden,  so  ist  ein  besonderer  Vorteil  der  Vereinigung 
des  Materials  in  einem  Buche  nicht  recht  einzusehen,  denn  der 
Schüler  wird  seine  Kegeln  für  das  Deutsche,  welche  von  lateinischen 
eingeschlossen  sind  oder  die  betreifenden  §§.  für  des  Lateinische  aus 
dem  deutschen  Material  erst  herausschälen  und  herausklauben  müssen. 
Halte  der  Lehrer  im  mündlichen  Unterricht  eine  stete  Wechsel- 
beziehung zwischen  deutscher  und  lateinischer  Grammatik  fest  und 
treibe  in  jeder  lateinischen  Stunde  zugleich  Deutsch,  aber  den  Lehrstoff 
beider  Sprachen  in  einem  Lehrbuche  zu  vermengen,  ist  sicher  nicht 
rätlich;  es  wird  in  den  untersten  Klassen  ein  eigener  Unterricht  in 
deutscher  Grammatik  in  wöchentlich  zwei,  mindestens  einer  Lehrstunde 
nach  einem  besonderen  Leitfaden  oder  einer  kurz  gefassten  Grammatik 
stets  nötig  sein. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  den  einzelnen  Paragraphen  und  sehen, 
welche  vielleicht  einer  Ergänzung  oder  Aenderung  bedürfen. 

§.  2  fehlt  die  Verbindung  des  q  {q)  mit  u  (w)  und  dessen  Aus- 
sprache wie  kw;  desgleichen  sind  die  Interpunktionszeichen  nicht 
erwähnt;  die  liegein  Über  deutsche  Orthographie  §-8  —  12  sind  doch 
wol  zu  kurz  gefasst.  um  dem  Schüler  eine  feste  Handhabe  zu  bieten; 
daselbst  fehlt  auch  der  Unterschied  von  betonten  und  tonlosen 
Silben;  die  Regeln  über  Silbentrennung  im  Lateinischen  §.  7,  5  sind 
zu  compliciert;  §.  22  wären  Paradigtnate  für  die  deutsche  Deklination 
sehr  wünschenswert,  der  Vocativ  im  Deutschen  ist  daselbst  gar  nicht 
erwähnt;  §.  4  fehlt  das  Wort  Strauch;  Anm.  2  ist  bestimmter  aazu- 
.  geben,  wann  das  Enduogs-e  wegfällt;  §.  26  fehlt  der  Ungar;  §.  27 
wäre  die  Vorausschickung  der  allgemeinen  Deklinationsregeln 
im  Lateinischen  praktisch;  §.  28  p.  12  a.  E.  warum  ist  Athenae  nicht 
gleich  als  plurale  tan  tum  bezeichnet,  da  doch  §  116,  p.  134  bei  una 
castra  diese  Bezeichnung  gebraucht  wird? 

Die  Kegel  §.  29  lautet  zu  unbestimmt;  der  Schüler  muss  wissen, 
dass  ue  und  um  Kasusendungen  sind,  dass  den  Wörtern  auf  er  hingegen 
im  Nom.  eine  solche  fehlt,  puer  mithin  der  reine  Stumm,  bei  den 
anderen  wie  ager  etc.  das  e  nur  eingeschoben  ist;  §.  50  ist  die 
Bedeutung  von  ab  nicht  erwähnt;  §.58,  3  ist  die  Passung:  „Neutra 
sind  die  Wörter  auf  a,  c,  c;  l,  n,  t;  ar,  ur,  ue  sicher  mundgerechter; 
um  dem  Schüler  ein  Bild  von  der  Mauuichfaltigkeit  der  Stämme  in 
der  dritten  Deklination  und  der  bisweilen  so  grossen  Verschiedenheit 
desiVow.  und  Gen.  zu  geben,  wäre  eine  grössere  Anzahl  von  Beispielen 


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373| 


zu  wünschen,  etwa  leo,  virgo,  miles  etc.;  §.  64  muss  es  heissen:  c, 
'Wörter  auf  o,  l  etc.,  da  in  den  Uebungsstücken  sich  poäma,  aenigma  finden. 

§.  66.  Fragen  wie  calidus  abgeleitet  von  —  V  oder  timidus  von  —  ? 
wird  der  Schaler  nicht  beantworten  können;  bezüglich  der  Ableitung 
der  Wörter  (§§.  75.  79.  124)  dürften  die  Verfasser  bei  einer  neuen 
Auflage  ihres  Werkchens  die  Winke  nicht  unbeachtet  lassen,  weiche  in 
einer  als  Manuscript  gedruckten  Kecension  desselben  von  dem  Anonymus 
gegeben  sind.  §.  67,  2  vermisst  man  fas  und  nefas  unter  den  Aus- 
nahmen; desgleichen  4  bei  der  Zusammenstellung  der  Masculina  auf 
t*  die  gebräuchlichen  faxis,  vomis.  §.  68  fehlt  der  Genitiv  von  turtur  - 
turturis,  desgleichen  §.  71.  Anm.  Gen.  von  par  pdris)  §.  71  bei  der 
Kegel  über  den  Nom.  Acc.  Voc.  plur.  im  neutrum  der  Adjectiva  einer 
Endung  fehlt  die  genauere  Angabe,  welche  Adjectiva  überhaupt  einen 
Pluralis  im  Neutrum  bilden;  §77,1  fehlt  c oh«,  2.  der  Formen  domorum 
und  Acc.  Plur.  domus  ist  keine  Erwähnung  gethan;  §.81,  2  fehlt  nach 
ss  (&)  das  sch  z.  B.  frisch,  frischest.  Entschieden  vermisst  man  sowol 
im  Deutschen  als  Lateinischen  die  unregelmässige  Steigerung  der  so 
häufig  vorkommenden  Adjectiva  „gut,  schlecht,  gross,  klein", 
während  §.  86  Anm.  die  unregelmässige  Comparation  des  Adverbiums 
„gern,  lieber,  am  liebsten"  bemerkt  ist;  so  findet  sich  §.  84,  2  der 
unregelmässige  Superlativ  derer  auf  ilis,  die  Adjectiva  auf  dtcus,  ficus, 
vdlus ,  sind  nicht  erwähnt.  Für  die  Kegeln  §.  92  p.  84  „Das  Ferfect, 
Plusquamperfect  etc.  desgleichen  §.  99  wäre  eine  andere  Fassung 
erwünscht.  §.  106  p.  1U4  sind  die  Formen  es,  este  von  esto  etc.  als 
Imperativus  Präsentis  und  Imperativus  futuri  zu  trennen,  was  ja  in 
W  irklichkeit  §  111  Anm.  bei  laudo  geschieht.  §.  108.  Bei  der  Angabe 
der  vom  Präsensstamm  abgeleiteten  Formen  ist  4.  den  Imperativ,  5.  den 
Inf.  Präsens,  6.  das  Particip  Präsens  besonders  aufzuführen  überflüssig, 
da  dieselben  als  Modus-  und  Nominalformen  des  Präsens  unter  1.,  das 
Präsens  Activ  und  Passiv,  mit  einbegriffen  sind;  desgleichen  §  109,  1. 
Anmerkung;  §.  111  ist  der  Modus  Imperativus  den  Tempora 
Präsens,  imperfect  und  Futur  coordiniert;  §.  III,  p.  112  fehlt  bei 
laudaturus,  und  beim  Inf.  fut.  die  deutsche  Bedeutung,  so  auch  §.  113 
p.  129  bei  hortatus,  hortatum  etc.  §,  112  p.  119  a  aber  bloss  vor  Con- 
sonanten  fehlt  mit  Ausnahme  von  h;  §.  118  ist  der  AOL  des  refle- 
xiven Pronomens  se  gar  nicht  erwähnt,  obwol  p.  154  Uebungsstück  273 
Anm.  2  es  heisst:  „Auch  an  se  wird  cum  angehängt".  Schliesslich  sei 
noch  der  Quantität  Erwähnung  gethan,  welche  in  einer  neuen  Auflage 
mit  einer  grösseren  Präcision  und  (Jonsequenz  durchzuführen  ist. 

So  ist  z.  B.  §.  31  und  §  32  allein  lux  die  Endung  des  Gen.  plur. 
dieselbe  bemerkt;  ebenso  ist  §.  106  die  Quantität  zwar  für  das  futur. 
exaetum  fuero  angegeben,  nicht  aber  für  fueram,  fue'rim;  sie  fehltauch 
§.  74  bei  laudabas ,  laudabat,  laudabant;  es  möge  noch  eine  Anzahl 
von  Wörtern  lolgen,  bei  denen  sie  ohne  Grund  mangelt.  §.  55  p.  38 
äpud,  39  prope,  penes,  pöne,  circiter  §.  57  p.  40  habCto  §.  58  p.  4  2 
ist  bei  dolor  die  Quantität  im  Abi.  Sing,  und  Pluralis  nicht  durch- 
geführt; §.  60  p.  44  Carthago ,  unägo,  origo,  probt  tas ,  45  preces, 
fltro,  Cicero,  §.  63  p.  47  titer,  p.48  cZhors,  §.  64  p.  49  eöttr,  röbur, 
decus,  sidus,  opus  nennen,  §.  65  p.  50  vectigal,  §.  66  p.  51  öris,  äcer 
der  Ahornbaum  im  Gegensatz  zu  äcer,  acris,  acre,  §.69  p.  56,  §  67  p.  53 
etnis ,  cälix,  pävo}  stTpes,  sflex,  p.  54  acutus,  §.  69  celer,  püter,  §.71 
p.  59  dives,  vetus,  locüples,  p.  60  vehemens,  §.  74  p.  62  fügo;  §.  75 
p.  63  öro,  orator,  p.  64  firmitas,  firmitüdo,  infirmitas,  judCco,  §.  76 
p.  66  nurus,  genu.   §.  77  p.  67  t  diw,  §•  79  p.  70  bei  denen  auf  Ctas, 


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374 


p.  ~4odorifer,  §.  106  p.  103  si'tis,  §  112  p.  118  laudäri,  §.113  p.  129 
gratulor,  §  1 14p  131  unus,  pn  »n/s,  novem,  nonus,  dlctmy  §.  116  p.  135 
ditörum,  duärum,  duöbus  etc  ,  §.  123  b.  Tdem  Zeile  17  v.  u.,  §.  124  p.  146 
dmo,  uro,  cino,  cena,  labor,  tütor,  tütus,  p.  158  rapidus,  Situs,  cadüver, 
sSlum,  p.  159  vägor,  cuptdus,  räna,  sedes ,  plcnus ,  exclämo,  itdque, 
alienus,  viridis  u.  s  w. 

Grosse  Vorzüge  de3  Buches  liegen  dagegen  in  der  Reichhaltigkeit 
and  Mannichfaltigkeit  des  Uebungsstoffes,  der,  wenn  er  auch  nur  zum 
grösseren  Teile  von  dem  Sextaner  durchgearbeitet  wird,  eine  grosse 
Sicherheit  im  Treffen  einzelner  Formen  sowol ,  als  Gewandtheit  in  der 
Construction  des  Satzes  erzielen  muss.  Besonders  ist  nach  der  Durch- 
nahme des  Verbums  in  den  Uebungsstücken,  welche  erweiterte  Sätze 
enthalten,  fortwährend  auf  gründliche  Hepetition  des  früheren  Lehr- 
stoffes Bedacht  genommen.  Instructiv  sind  §  12  p.  10  die  Uebungen 
über  deutsche  Eigennamen;  desgleichen  §  53  die  über  Verbindung 
von  Präpositionen  mit  ihrem  Casus,  ebenso  §.  66  Uebung  89;  zur 
Erlangung  grösstinöglichster  Sicherheit  in  den  Formen  des  Verbums 
sind  die  Bestimmung  von  Genus,  Tempus,  Modus,  Numerus  und  Person 
einzelner  Formen  und  umgekehrt  die  Bildung  deutscher  und  lateinischer 
Formen  nach  angegebenem  Tempus  etc.  wie  §.  105  §  111  Hebung  192 
§.  112  Uebung  220,  221  und  an  anderen  Orten  sehr  fördernd;  des- 
gleichen die  Verwandlung  von  Aktivformen  in  die  entsprechenden 
Passiv  formen  und  umgekehrt  wie  Uebung  197  sqq.  Durch  die  Um- 
wandlung von  Aktivsätzen  in  Passivsätze  und  umgekehrt  wie  in  den 
Uebungen  202  etc.  wird  der  Schüler  Gewandtheit  im  Construieren  des 
Satzes  erlaugeu ;  praktisch  sind  auch  die  Uebersetzungen  der  römischen 
Zahlzeichen  in  die  entsprechenden  Cardinalia  und  Ordinalia  Ueb.  248; 
überhaupt  ist  für  Numeralia  reiches  Uebungsmaterial  geboten. 

Die  Regeln,  besonders  im  Lateinischen,  lehnen  sich  vielfach  an 
die  Englmann'sebe  Fassung  an  und  sind  kurz  und  praktisch  zusammen- 
gestellt —  §.  6  ist  beim  Ablativ  neben  der  Fragestellung  wovon?  auch 
die  von  wodurch?  womit?  mit  Recht  erwähnt.  Recht  fasslich  sind 
die  Regeln  über  die  Deklination  der  deutschen  Substantive,  besonders  der 
Eigennamen  z.  B.  §.  22.  4.  Anm  1  —  bei  Englmann  §  18.  1.  passen 
die  Wörter  Geist  und  Leib  nicht  für  die  dort  angegebene  Regel  — 
ferner  §  24.  a.  2.  5;  einfacher  ist  es  auch,  die  Wörter  auf  o  §.  58,  2 
der  Hauptgenusregel  für  die  Feminina  einzuverleiben  und  §.  67  als 
Ausnahmen  auf  o  die  Tiernamen  und  die  wenigen  carbo  etc.  anzu- 
führen ;  lobenswert  ist  ferner  die  Einfügung  der  Bildung  der  von 
Adjectiven  abgeleiteten  Adverbia,  sowie  die  Angabe  der  gebräuchlichsten 
Adverbia  des  Ortes,  der  Zeit,  der  Art  und  Weise,  unmittelbar  vor  dem 
Yerhura,  die  in  Englmann's  Elementarbuch  gänzlich  fehlen;  schliesslich 
sind  bisweilen  eingestreute  Bemerkungen  und  Regeln  recht  brauchbar, 
wie  §  6  4  Anm.  über  die  Trennung  des  Dehnungs-A;  p.  15  a.  E.  *) 
„Wie  können  etc."  so  später  der  Hinweis  wie  im  Lateinischen  zusammen- 
gesetzte Hauptwörter,  wie  Taubenpaar,  Landtier,  Bürgerkrieg,  Reiter- 
treflen  etc.  zu  übersetzen  sind;  §.  56  der  Unterschied  wenn  mit  durch 
cum  ,  wenn  es  durch  den  blosen  Abi.  übersetzt  wird;  §.67p.  54  unter 
Uebung  95;  §.  82  a.  h.  „der  Comparativ  wird  im  Lateinischen  auch 
dann  gesetzt  etc.";  §.  112  p.  118  die  Uebersetzung  von  laudare,  lauda- 
miui  mit  lass  dich  loben,  lasst  euch  loben  1  statt  „werde  du,  werdet  ihr 
gelobt  1"  §.  116,  p.  135  3.  4.  6  die  Bemerkungen  über  den  gen.  plur. 
bei  millia.  den  Acc.  auf  die  Frage  wie  hoch?  etc.  die  Uebersetzung 
des  deutschen  im  Jahr  1870  etc. ;  Regeln ,  welche  zwar  der  Syntax 


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?75 


vorentnommen  sind  ,  jedoch  sehr  gut  für  den  erweiterten  Satz  ver- 
wendet werden  können. 

Als  Druckfehler  seien  erwähnt : 

§.  27  tbÜ8  statt  Tbu8  bei  der  vierten  Deklination, 
im-    statt  m 

§  37  Anm.  Nom.  und  Acc.  statt  Mask.  und  Neutr. 

§.  72  p.  61  erant  statt  eränt. 

§   102  p.  9j  flicht  statt  fliecht. 

§.  112  p.  118  laudare  statt  laüdare;  vor  laudamini  fehlt  P. 

§.  113  p  127  vor  hortumini  fehlt  P. 

p.  177  viola  statt  w'oJo. 

p.  179  libido  statt  Zt&ärfo. 

p.  180  itäqwa  statt  itaque. 

p.  184  tepM*  statt  delus . 

p.  187  rt/acer  statt  a/äecr. 

p.  193  res  familiäris  statt  familäris. 
.  p-  195  mdüc,  »et*  statt  ici«,  tempus,  oris  statt  öri>,  cunetatio,  önis 
statt  oni«,  veettgal  statt  vecttgal. 

Aus  dem  Gesagten  erhellt,  dass  das  Werkchen  der  Verfasser  recht 
gute  Seiten  hat  und  dass  es  sicherlich  dem  Lehrer  der  ersten  Latein- 
klasse durch  sein  reiches  und  vielgestaltiges  Material,  welches  ihm  das 
zeitraubende  Diktieren  von  Uebungsaufgaben  erspart,  viel  willkommener 
und  handlicher  wäre,  wenn  der  Lehrstoff  für  den  deutschen 
Unterricht  ausgeschieden  wäre  und  das  Werkchen  in  zwei 
Teile  zerfiele : 

1)  Leitfaden  für  deutsche  Grammatik  mit  Uebungsaufgaben. 

2)  Deutsch -lateinisches  und  lateinisch  -  deutsches  Elementarbuch. 

Wunsiedel.  E  Lange,  k.  Studienlehrer. 


W.  Härtel,  Homerische  Studien  I  -  III.  Wien.  1871  --  74. 
in  Commission  bei  Karl  Gerold's  Sohn.  [Aus  den  Sitzungsberichten 
der  phil.-hist.  Classe  der  kais  Akademie  der  Wissenschaften  April  1871, 
März  und  October  1874.  (LXVIII  Bd.  S.  383  ff.  -  LXXVI  Bd.  S.  329  ff. 
und  LXXV11I  Bd.  S.  7  ff.)  besonders  abgedruckt.]  8.    86,  48  u.  84  SS. 

Die  Statistik  ist  sozusagen  die  Modewissenschaft  unserer  Tage. 
Sie  ist  etwas  sehr  Schönes  und  etwas  sehr  Hässliches ,  je  nachdem  sie 
mit  voller  Umsicht,  Unbefangenheit  und  Unparteilichkeit  gehandhabt 
wird  oder  nicht.  Mit  gutem  Recht  wird  die  statistische  Methode  in 
ihrer  ganzen  Peinlichkeit  mehr  und  mehr  grammatischen  Studien  zu 
Gruude  gelegt,  ja  sie  liefert  allein  diesen  die  sichere  Grundlage.  Wer 
solche  versteht  uud  Geschick  dazu  hat,  der  wird  trotz  aller  früheren 
Forschungen  noch  immer  überraschende  Schlüsse  gewinnen.  Das  sieht 
man  bei  W.  Härtel,  wenn  er  in  seinen  „Homerischen  Studien"  die 
von  ihm  angelegten  reichhaltigen  Tabellen  homerischen  Sprach- 
gebrauches auslegt. 

In  seiner  I.  Studie  (1871)  hat  H.  nach  Besprechung  der  früheren 
Literatur  über  die  Erscheinungen  des  Hiatus  und  der  Längung  kurzer 
Silben  dargethan,  dass  die  Längung  kurzer  Silben  im  homerischen 

Blitter  f.  d.  bajrer.  Oymn.-  u.  Re»l -Schulw.    XL  Jahrg.  26 


r^initi7p<i  h\/  C-iOOO 


376 


Verse  vor  den  mit  k  tu  v  p  <f  ?  beginnenden  Wörtern  ihren  Grund  in 
der  Beschaffenheit  des  nachfolgenden  Anlautes  hat,  sofern  bei  einigen 
Wurzeln  ein  zweiter  vorausgegangener  Anlautsconsonant  ,  verloren 
gegangen,  oder  insofern  die  Dauerlaute  selbst  einst  mit  einem  besseren 
Lautgehalto  ausgestattet  waren,  wodurch  sie  Positionslange  zu  bewirken 
vermochten,  aber  zur  Zeit  der  Entstehung  der  homerischen  Gedichte 
schon  nicht  mehr  immer  bewirkten  und  jedenfalls  zu  dieser  Wirkung 
zumeist  des  Schutzes  fester  Former;  und  ausnahmslos  der  unterstützenden 
Hilfe  der  Arsis  bedurften.  Diese  „Altertümlicbkcit"  bat  sich  im  Laufe 
der  Zeit,  wie  Hesiod  und  die  Hymnen  ausweisen,  nicht  etwa  auf  dem 
Wege  falscher  Analogieen  erweitert,  sondern  an  ihrem  ursprunglichen 
Gebiete  verloren.  Eine  kleine  Anzahl  von  Verlangerungen  vor  nicht - 
liquidem  Anlaut  findet  ihre  befriedigende  Erklärung  in  der  Natur  der 
Endungen.  Fernerhin  wird  der  Begriff  „mittelzeitig"  gegen  L  Bekker 
in  Schutz  genommen,  insofern  die  Arsis  Vokale,  welche  einmal  laug 
gewesen,  nachdem  sie  diese  Eigenschaft  in  der  Ausspruche  verloren, 
noch  als  solche  zu  erhalten  vermag  auch  ohne  Eiurluss  einer  Inter- 
punktion. Die  Interpunktion  findet  sich,  abgesehen  von  den  Veraendeu, 
gern  mit  den  beiden  Haupt  -  und  den  wichtigsten  Nebenciisuren  zusammen 
(spki  Ii  Ii  innerhalb  der  zweiten  Vei  sbälfte),  weil  dieselbe  im  gesprochenen 
oder  gesungeneu  Vers  ein,  wenn  auch  kleines,  so  doch  merkliches 
Innehalten  der  Stimme  erforderte,  wodurch  ein  Zeitverlust  gegebcu  ist  : 
daher  erscheinen  in  diesem  Fall  auch  in  der  Umgebung  möglichst 
wenige  Consonanten.  Und  so  kommt  es,  dass  auch  entschieden  kurze 
Silben  bei  folgender  Interpunktion  in  die  Arsis  gestellt  werden  Darauf- 
hin werden  die  einzelnen  Endungen,  welche  also  vorkommen,  geprüft. 

Der  II  Artikel  (im  Märzbett  1874)  geht  dazu  Uber,  auf  Grund  sehr 
ausführlicher  Verzeichnisse  und  Tafeln  neuerdings  die  Erscheinungen 
des  Hiatus  und  Verwandtes  nach  den  Bedingungen  ihres  Vorkommens 
zu  prüfen.  Dabei  zeigt  sich,  dass  in  der  That  die  Arsis  oder  etwas  an 
der  Arsis  Haftendes  die  wesentlichste  Bedingung  für  Erhaltung  der 
Länge  sei,  wann  eine  mit  vokalischem  Anlaut  zusammentreffende, 
auslautende  Länge  oder  Kürze  als  Länge  in  die  Arsis  zu  stehen  kommt, 
wobei  abermals  die  Interpunktion  teilweise  und  unterschiedlich  Hilfe 
leistet.  Auf  die  grammatische  Funktion  der  Endungen,  welche  C.  A. 
J.  Hoffmann  wirksam  finden  wollte,  kommt  es  nicht  an,  wol  aber  neben 
der  Festigkeit  des  Vokals  in  erster  Linie  auf  die  Betonungsfähigkeit, 
die  Fülle  der  Betonung,  welche  die  Wörter  vermöge  ihrer  Bedeutung 
stets  besitzen  oder  im  Zusammenhang  der  Hede  vorübergehend  erhalten. 
Im  allgemeinen  vermag  die  Kraft  der  Arsis  jeden  vokalisch  langen 
Auslaut,  mag  dieser  der  Auslaut  eines  Nomens,  Verbums  oder  einer 
Partikel  sein,  in  seiner  Quantität  zu  erhalten,  indem  sie  das  Zusammen- 
sprechen  mit  dem  nächsten  Vokal  —  die  Bedingung  der  in  der  Thesis 
stattfindenden  Verkürzung  —  hemmt.  „Das  Wesen  der  Arsis  ist  Ton- 
verstärkung, bewirkt  durch  Verstärkung  des  Ausathmuugsdruckcs.  Der 
verstärkte  Ton  wirkt  durch  die  für  das  Aussprechen  eiuer  Länge  erforder- 
liche Zeit".  Ein  folgender  Consonant  begrenzt  diesen  Kraft-  und  Zoit- 
Aufwand  „Folgt  kein  Consonant,  so  liegt  der  Höhepunkt  der  Arsis  im 
Verlaufe  des  langen  Vokales,  der  gegen  den  folgenden  vokalischen  Anlaut 
durch  Verschlussbildung  abgegrenzt  wird,  indem  wir  „,vor  jedem  an- 
lautenden Vokal  den  Kehlkopf  verschliessen,  so  dass 
unter  der  grösseren  Spannung  der  Ausatbmungsluft, 
welche  biedurch  bedingt  wird,  die  Stimmbänder  prompt 
anlauten!"'  (Brücke).  Das  ist  Hiatus  in  bester  Form.  „Die  Arsis 
verweigert  also   keinem   der   langen  Vokale   und  Diphthonge  ihren 


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377 


Schutz,  allein  sie  nimmt  nicht  alle  Träger  derselben,  nicht  alle 
Wörter  gleich  gerne  auf".  —  In  der  Thesis ,  wo  so  ungemein 
häufig  ein  langer  Vokal  oder  Diphthong  vor  vokalischem  Anlaut 
erscheint,  schrumpft  zwar  die  prosodische  Länge  in  der  über- 
wiegenden Mehrzahl  der  Fälle  unter  dem  Einflüsse  des  vokalischen 
Anlautes  zur  Kürze  zusammen,  aher  die  verschiedenen  Ausgänge  sehr 
verschieden  und  ungleich,  die  Ausgänge  «*,  01,  et,  ov,  sehr  häufig,  die 
Ausgänge  /?,  r„  w,  m  höchst  sparsam.  Den  Grund  für  die  unverhältnis- 
mässig häufige  Kürzung  jener  vier  Ausgänge  erkennt  Härtel  in  ihnen 
selbst,  in  einer  Eigentümlichkeit  derselben,  und  zwur  in  dorn  zweiten 
Bestandteile  dieser  Diphthonge,  „in  i  und  v,  welche  Im  Flusse  der  Rede 
sich  willkürlich  jenen  labialen  und  palatalen  Reibungsgerftuschcn 
näherten  oder  in  sie  umsetzten,  welche  die  homerischen  Gedichte  uns 
noch  in  grossem  Umfang  als  lebendige  und  dem  Munde  der  Sänger 
geläutige  Töne  zeigen". 

Den  Beweis  für  diese  Behauptung  erbringt  das  III  Heft,  indem  es 
zunächst  von  allen  verwandten  Erscheinungen  im  Innern  des  Wortes 
ausgeht.  Es  wird  wahrscheinlich  gemacht,  dass  noch  in  homerischer 
Zeit  und  darüber  hinaus  neben  dem  i  ein  j  sich  erhielt  und  beide  Laute 
einander  vertraten,  und  dass  dasselbe  er.- 1  mit  der  eintretenden  Spaltung 
der  griechischen  Sprache  in  Dialekte  zu  verklingen  begann.  Nachdem 
dann  auf  die  bekanntere  analoge  Verwandtschaft  und  Abwechselung 
zwischen  /*  und  v  hingewiesen  ist,  werden  solche  Beispiele  vorgeführt, 
welche  die  Erklärung  einer  Reihe  bisher  nicht  genügend  erkannter 
prosodischer  Erscheinungen  hei  Homer  an  die  Hand  gehen,  um  auch 
hier  ausdrücklich  das  angebliche  homerische  Recht  zu  bekämpfen,  die 
Quantität  der  Vokale  beinahe  unbedingt  nach  Bedürfnis  des  Verses 
zu  bestimmen.  Z  B.  an-ovgag  identifiziert  sich  mit  ano-fot«;  von 
W.  fQa,  oder  l/=rrcf£  hat  in  der  an  ev  ä&e  anklingenden  Schreibweise 
tvttde  seinen  ursprünglichen  Lautwert  gerettet.  Also  «,  f,  o  erhalten 
vorübergehend  durch  den  Einfluss  der  anstossenden  Consonanten  die 
Geltung  einer  wirklieben  Länge.  Wie  aber  Consonantengruppen  über- 
haupt bald  von  dem  vorausgehenden  Vokal  sich  attrahieren  lassen  und 
Position  bilden,  bald  von  dem  nachfolgenden  und  nicht  Position  bilden, 
so  unterliegt  insbesondere  f  der  Attraktion  bald  des  vorausgehenden, 
bald  des  folgenden  Vokals  (z.  B.  af-iov,  ä-fiop)  und  erzeugt  so  den 
Schein  einer  Beweglichkeit  der  Quantität  der  Vokale.  Digamma  im 
Anlaut  des  Wortes  oder  der  Silbe  tritt  uns  bei  Homer  fast  durchweg 
in  seiner  consonantischen  Natur  entgegen.  Nach  allen  Umständen 
scheint  in  der  diphthongischen  Natur  der  sonst  so  leichten  Endungen 
oi,  01,  et,  ov  etwas  gelegen  zu  sein,  was  den  Hiatus  milderte,  so  dass 
man  nicht  den  Diphthongen  als  solchen ,  sondern  nur  den  ersten 
Vokal  mit  dem  betreffenden  Spiranten  sprach. 

Schliesslich  werden  die  Fragen  über  die  Natur  des  Digamma  von 
neuem  aufgenommen,  insbesondere  ob  dasselbe  vor  sich  Elision  gestatte, 
und  ob  es  jede  consonantisch  auslautende  kurze  Silbe  zu  längen  ver- 
möge Gemäss  einer  gewissenhaften  Tabelle  aller  zweifellos  digamraiert 
anlautenden  Wörter  und  ihres  betreffenden  Vorkommens  wirkt  Digamma 
teils  auf  Arsis  teils  auf  Thesis  im  Ganzen  in  3354  Fällen,  und  zwar 
wird  hauptsächlich  betont,  dass  man,  da  W.  o<pe  ein  Gebiet  für  sich 
bilde,  bis  jetzt  eine  sichere  Regel  nur  so  formulieren  könne:  „Digamma 
vermag  consonantisch  auslautende  Silben  nur  in  der  Arsis  zu  längen,  in 
der  Thesis  bleiben  sie  kurz".  Digamma  hat  aber  immerbin  „für  einen 
geläutigen  und  kräftigen  Laut  der  homerischen  Sprache  zu  gelten,  für 

26* 


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378 


so  kräftig  wenigstens,  als  seine  zum  Vokal  hinneigende  und  in  diesem 
Austausch  flüchtige  Natur  ihm  zu  sein  gestattet".  Bei  den  äolischen 
und  aolisierenden  Dichtern  fungiert  das  Digamma  ganz  wie  bei  Homer. 

Es  liegt  in  der  Natur  solcher  Studien,  dass  sich  die  hübschen 
Detail- Resultate  in  einer  kurzen  Anzeige  nicht  besprechen,  nicht 
einmal  erwähnen  lassen  An  der  exacten  und  selbstloseu  Forschung 
Härtel'*  kanu  man  nur  seine  Freude  haben,  wenn  man  auch  nicht 
allen  Aussprüchen  zustimmt. 

Würzburg.  A.  Riedenauer. 


Adelmann,  praktisches  Lehrbuch  der  französischen  Sprache 
zum  Schul-  und  Privat- Unterricht.  Nach  einer  neuen,  leicht fasslicheu 
Methode  mit  besonderer  Rücksicht  auf  Anfänger  verfasst.  L  Cursus, 
dritte  vermehrte  und  verbesserte  Aufluge,  II.  Cursus,  München  1872,75. 
Lindauer  (Schöpping). 

Der  Unterricht  in  der  französischen  Sprache  an  einem  huma- 
nistischen Gymnasium  soll  sich  einerseits  in  systematischer  Behandlung 
genau  an  die  übrigen  sprachlichen  Disziplinen  anscbliessen ,  anderseits 
soll  er  doch  auch  die  Schüler  praktisch  soweit  führen,  dass  sie  bei 
ihrem  Abgange  von  der  Anstalt  einige  Gewandtheit  in  der  Conversation 
besitzen.  Um  dies  erreichen  zu  können,  muss  bei  den  wenigen  Stunden, 
die  auf  das  Französische  verwendet  werden,  die  Methode  ganz  vor- 
trefflich  d  h.  so  beschaffen  sein,  dass  der  Schüler  gleich  Antaugs  Lust 
und  Liebe  zu  diesem  Gegenstande  gewinnt,  indem  er  wahrnimmt,  dass 
er  das  Erlernte  sogleich  praktisch  verwerten  kann ,  und  indem  sein 
Gedächtnis»  nicht  der  Reihe  nach  mit  einer  grossen  Masse  von 
Regeln  und  Wörtern  überladen  wird. 

Nach  solchen  Grundsäuen  ist  Adelmann's  Lehrbuch  verfasst;  dess- 
halb  muss  der  unparteiische  Beurteiler  anerkennen,  dass  dasselbe  zu 
den  bessten  unter  den  an  den  Studienanstalten  eingeführten  Lehr- 
büchern gehört,  ja  dass  es  vielleicht  das  passendste  und  praktischeste 
ist  Denn  im  I.  Ours  werden  dem  Schüler  in  kurzen  Lektionen  nur 
so  viele  Regeln  und  Wörter  geboten,  dass  er  sie  leicht  im  Gedächtnisse 
behalten  kann ;  dazu  sind  die  Wörter  vorzugsweise  dem  geselligen 
Leben  entnommen  und  eignen  sich  ganz  besonders  zu  einer  leichten 
Conversation ;  um  diese  zu  ermöglichen ,  ist  teilweise  nach  der  cal- 
culirenden  Methode  Einiges  aus  später  zu  behandelnden  Kapiteln  bei- 
gegeben, was  zur  Bildung  kleiner  Satze,  zu  Sprechübungen  in  einfachster 
Form  durchaus  nötig  ist.  Denn  diese  Uebungen  müssen  baldigst 
beginnen,  wenn  sich  das  Ohr  des  Schülers  an  die  Töne  der  fremden 
Sprache  gewöhnen ,  wenn  derselbe  überhaupt  bald  zum  Sprechen 
gebracht  werden  soll.  Weit  entfernt  also,  dass  dieses  Lehrbuch  wegen 
der  im  Anfange  teilweise  eingehaltenen  calculirenden  Methode  mit 
Rücksicht  auf  das  an  humanistischen  Gymnasien  herrschende  System 
getadelt  werden  müsste,  verdient  es  vielmehr  gerade  desswegen  den 
Vorzug,  weil  es,  aus  der  Praxis  hervorgegangen,  ebenso  dem  praktischen 
Bedürfnisse,  wie  der  systematischen  Behandlung  Geuüge  leistet  Dass 
aber  durch  diese  Methode  dem  Schüler  der  erste  Unterricht 
erleichtert  wird,  das  wird  derjenige  gewiss  nicht  tadeln,  der  die 


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379 


guten  Fortschritte  bemerkt,  die  beim  Unterrichte  nach  dieser  Methode 
rasch  erzielt  werden,  da  er  zugleich  anerkennen  muss,  dasa  in  den 
folgenden  Teilen  des  Lehrbuches  das  ganze  System  der  Etymologie 
und  Syntax  in  der  vollständigsten  Weise  entwickelt  wird. 

Zur  Begründung  des  Gesagten  folgt  eine  kurze  Darstellung  des 
in  beiden  Cursen  bebandelten  Stoffes  I.  Curaus,  1.  Abteilung 
bietet  vor  Allem  Regeln  Ober  die  Aussprache  des  Französischen  und 
zwar  so  vollständig  und  so  treffend,  wie  sie  nur  derjenige  verfassen 
kann,  der  als  geborner  Deutscher  das  Deutsche  genau  kennt  und 
zugleich  so  lange  in  Frankreich  gelebt  hat ,  dass  ihm  das  Französische 
zur  zweiten  Muttersprache  geworden.  In  den  ersten  Lektionen  werden 
dem  Schüler  leicht  zu  merkende  Wörter  mit  dem  Praesens  von  avoir 
eboten;  dadurch  wird  schon  in  der  ersten  Stunde  ermöglicht,  kleine 
ätze  zu  bilden  und  das  Sprechen  zu  üben.  In  den  folgenden  Lektionen 
kommen  de  und  d  zur  Anwendung,  um  den  Genitif  und  Datif  der 
Hauptwörter  ohne  Artikel  zu  bilden ,  während  die  schwierigere 
Deklination  des  bestimmten  Artikels  erst  folgt.  Denn  in  den  ersten 
Teilen  des  Buches  ist  nur  das  Leichteste  behandelt,  das  Schwierigere 
aufgespart. 

Es  folgt  nun  die  Bildung  der  Mehrzahl,  der  Teilungsartikel,  das 
Zahlwort  von  I  —  20,  das  Adjectif,  einige  Fürwörter,  das  Präsens  von 
ttre,  der  Indicatif  der  übrigen  Zeiten  von  avoir  und  etre,  die  Verneinung 
und  die  einfachen  Formen  der  I  IL  und  III  (=  IV.)  Conjugation; 
denn  zur  Vereinfachung  wurde  die  Conjugation  der  Verba  auf  oir,  die 
der  Franzos  als  regelmässige  Conjugation  aufnimmt,  hier  ausgelassen 
und  zu  den  unregelmässigen  gerechnet,  weil  sie  wegen  der  vielfachen 
Veränderungen  des  Stammes  der  Zeitwörter  weniger  zu  den  3  regel- 
mässigen Conjngatio^cn ,  die  ihren  Stamm  nicht  verändern,  als  zu  den 
unregelmässigen  passt.  An  diese  schliessen  sich  die  persönlichen  Für- 
wörter, Zahlwörter.  Ergänzungen  zu  der  regelmässigen  Conjugation, 
die  passive  und  reflexive  Form.  Die  behandelteu  Wörter  und  Regeln 
werden  durch  zahlreiche  Uebungsbeispiele  wiederholt  und  den  Schülern 
so  oft  vorgeführt ,  dass  er  sie  leicht  im  Gedächtnisse  behalten  kann. 
Diese  Wiederholung  des  Vorausgegangenen  wird  dem  Schüler  in 
diesem  Buche  vollständiger  geboten,  als  in  jedem  andern. 

I.  Cursus  2.  Abteilung  enthält  die  unregelmässigen  Zeitwörter, 
aber  nur  stufenweise,  indem  die  leichteren  und  gebräuchlicheren,  nach 
Conjugationen  eingeteilt,  immer  nur  in  solcher  Anzahl  gelehrt  werden, 
dass  sie  der  Schüler  auch  verdauen  und  durch  hinreichend  gebotene 
üebung  fest  einprägen  kann.  Dazu  werden  schwierigere  Regeln  über 
Fürwörter,  unpersönliche  Zeitwörter,  überBilduug  des  Femininums  der 
Eigenschaftswörter,  über  Neben-,  Vor-,  Binde-  und  Empfindungswörter 
eingefügt,  so  dass  hiemit  die  Formenlehre  abgeacblosst n  wird.  15  Kr- 
zählungeu  zum  Uebersetzea  in  das  Deutsche  sind  nach  Inhalt  und  Korm 
genau  dem  bereits  behandelten  Lehrstoffe  angepasst,  so  dass  sie  der 
Schüler  leicht  übersetzen  kann;  den  Scbluss  bildet  ein  alphabetisches 
Verzeichmss  der  unregelmässigen  und  mangelhaften  Verben  mit  Angabe 
der  4  Stammzeiten  und  der  Abweichungen  von  denselben. 

II.  Cursus  1.  Abteilung.  In  dieser  werden  die  leichteren  und 
notwendigeren  Regeln  der  Syntax  in  systematischer  Ordnung  vorgeführt, 
nämlich:  Wortstellung,  Artikel,  Hauptwörter,  de  und  d  mit  und  ohne 
Artikel,  Eigenschaftswort,  Zahl-,  Für-,  Neben-,  Vor-,  Binde-  und 
Empfindungswort;  dann  die  Zeitwörter,  Rektion  derselben,  Regeln  über 


380 


Jmparfait,  Difini ,  Subjonctif,  Infinitif,  Participe.  Daran  reihen  sich 
4  französische,  5  deutsche  Krzählungen  zum  Uebersetzen. 

II.  Cursus  2.  Abteilung  ergänzt  ausfühl  lieh  die  erste  \bteilung 
und  bietet  Alles,  was  zur  genauen  Kenntnis»  der  Sprache  gehört. 
Besonders  ausführlich  findet  man  die  Stellung  der  Eigenschaftswörter, 
die  Neben-  und  Vorwörter,  die  Uebereinstimmutig  des  Zeitwortes  mit 
seinem  Subject,  die  Verneinung,  die  Folge  lier  Zeiten,  S'ubjoncHft 
Infinitif  und  Participe  passe.  Dazu  kommen  3  zusammenhängende 
französische  und  3  deutsche  Erzählungen.  Ueber  die  in  beiden  Ab- 
teilungen des  II.  Curs  enthaltenen  Wörter  ist  jeder  Abteilung  ein 
alphabetisches  Verzeichnis*  beigefügt;  den  Schluss  des  ganzen  Buches 
bildet  ein  alphabetisches  Sachregister  über  den  Gesamintinhalt  der 
Grammatik. 

Soviel  über  Inhalt  und  Form  des  Werkes ;  wenn  ich  nun  auch  mit 
der  Methode  vollkommen  einverstanden  bin  und  die  gründliche  Be- 
handlung des  grammatischen  Teiles,  sowie  die  Reichhaltigkeit  und 
sorgfältige  Auswahl  der  Ucbungsbeispiclc  anerkenne,  so  muss  ich  doch 
den  Verfasser  auf  Einiges  aufmerksam  machen,  was  bei  einer  neuen 
Auflage  geändert  werden  dürfte: 

1)  Bei  den  deutschen  Eigennamen  z.  B.  I.  Curs  p.  23 
dürfte  der  Artikel  besser  wegfallen,  Karl,  Karnline  statt:  der  Karl, 
die  Karoline. 

2)  Wenn  sich  derjenige  auf  ein  vorhergehendes  Substantiv 
bezieht,  tritt  dafür  der,  die,  das  ein  z.  B.  I,  I  p. ,  30  derjenige  deines 
Freundes  etc. 

3)  Die  Stammzeiten  sind  erst  hei  den  unregelmäßigen  Verben 
angegeben;  wenn  auch  die  regelmässige  Conjugatit.n  ohne  Stamm- 
zeiten gelernt  werden  kann,  so  dürfte  sich  doch  empfehlen,  diese  Stamm- 
zeiten gleich  bei  Lektion  52  des  I.  Curs  p.  131  anzuführen,  damit  sich 
der  Schüler  dieselben  fester  einprägen  und  dann  bei  Behandlung  der 
unregelmässigan  Verba  sicherer  vorgehen  kann. 

4)  l>a  der  11.  Curs  vollständig  systematisch  geordnet  sein  soll, 
werden  die  von  Lektion  23  de?»  II.  Curs  p.  79  ff.  behandelten  Verba 
besser  vor  die  Nebenwörter  p.  04  gesetzt;  das  Nämliche  gilt  für  die 
2.  Abt.  dieses  Curses 

5)  Ebenso  wie  am  Schlüsse  jeder  Abteilung  des  II  Curses  sollte 
auch  jeder  Abteilung  deB  1.  Curses  ein  alphabetisches  VVürter- 
verzeichniss  angefügt  sein,  damit  der  Schüler,  besonders  der 
schwächere,  ein  oder  das  andere  Wort,  das  er  trotz  aller  Wiederholung 
vergessen  hat,  schnell  nachschlagen  kann. 

6)  Die  Wörterverzeichnisse  und  das  Sachregister 
bedürfen  vielfach  der  Vervollständigung,  z.  B.  II,  2  p.  380  besetzt, 
enrichi  fehlt  garni,  wie  es  Nro.  179  übersetzt  wird,  p.  388  fehlt  sich 
einbohren  —  se  fixer,  entreissen  =  enlecer,  p.  389  Erbprinz 

prince  hereditaire ,  p.  :191   halb  geschwellt        ä  demi  en/lz, 
heraufbeschwören      evoquer,  p.  392  hohe  Schule  academie, 
p.  395  Pelias  —  eschene  i'elias  =  frene  de  Pelion,  p.  399  zu 
umgeben  --  entourer  fehlt  environner  zu  Nro.  159,  Vergleich  - 
Convention,  p.  400  zu  versetzen  =  transporter  fehlt  repliquer  zu 

Erzählung  IV,  p.  401   wag»-n         tenter  Nro.  175  und  =  riaquer 

Nro.  304  etc.  —  Denn  im  Sachregister  p.  405  zu  aller,  aller  au  devant 
verschieden  von  d  la  reconlre  11,284,  nach  apercevoir  fehlt  Apposition 
mit  und  ohne  Artikel  11,  12  n.  208;  nach  changer  fehlt  chaque  ver- 
schieden von  tout  II,  265;  p.  401  fehlt  devant,  aller  au  devant  U,  284; 


381' 


nach  en  gehört  entgegen  gehen  II,  284:  nach  il  y  a  fehlt  il  est  ver- 
schieden von  c*est  11  254;  p.  405  vor  la  plupart  gehört  langer  als 
I,  160  etc. 

Wenn  ich  nun  Adelmann's  Grammatik  mit  anderen  vergleiche,  so 
komme  ich  zu  folgendem  Schlüsse:  Erstere  enthält  einmal  deu  gramma- 
tischen Teil  so  vollständig,  dass  beim  Unterrichte  weder  Ergänzungen, 
noch  viel  weniger  eine  zweite,  Grammatik  neben  jener  notwendig  wäre; 
dann  bietet  sie  soviele  Uebungsbeispiele.  dass  sie  zur  Einübung  der 
Regeln  nicht  nur  vollständig  ausreichen,  sondern  dass  der  Lehrer  auch 
mit  denselben  mehrere  Jahre  abwechseln  kann ,  um  das  Cursiren  • 
geschriebener  Uebersetzungen  möglichst  zu  verhüten  Dagegen  bieten 
die  bisher  gebrauchten  Grammatiken  teils  den  grammatischen  Teil  so 
unvollständig,  dass  z.  B.  im  vorigen  Jahre  an  U  Gymnasien  2  von 
einander  ganz  verschiedene  Lehrbücher  in  den  einzelnen  Klassen  nach 
einander  genommen  werden  mnssten  ;  dadurch  muss  der  systematisch« 
Unterricht  offenbar  leiden;  abgesehen  davon,  dass  manche  wie  Ahn  und 
Machat  sich  überlebt  haben;  —  teils  enthalten  sie  so  wenige  Uebungs- 
beispiele,  dass  viele  Regeln  in  denselben  gar  nicht  berührt  werden, 
wesshalb  der  Schüler  sie  nicht  behalten  kann;  andere  Regeln  kommen 
höchstens  einmal  in  den  Beispielen  vor,  wodurch  der  Lehrer  genötigt 
wird ,  die  nämlichen  wiederholen  zu  lassen  Aber  die  bedauerliche 
Folge  hievon  ist,  dass  die  Schüler  diese  Beispiele  zwar  auswendig 
lernen,  dass  sie  aber  nicht  in  den  Stand  gesetzt  werden,  Sätze  mit 
anderem  Inhalt  und  in  anderer  Form  zur  Einübung  der  nämlichen 
Regeln  auch  nur  annähernd  richtig  zu  übersetzen.  Desshalb  ist  an 
mehreren  Gymnasien  ausser  der  Grammatik  auch  noch  ein  Lesebuch 
eingeführt,  das  aber  oft  mit  der  Grammatik  in  k*  inem  Zusammenhang  steht. 

Was  nun  schliesslich  den  Preis  betrifft,  so  ist  Adelmann's  Gram- 
matik in  Anbetracht,  dass  an  den  meisten  Anstalten  Grammatik  und 
Lesebuch,  an  manchen  sogar  2  Grammatiken  und  Lesebuch  eingeführt 
sind,  jedenfalls  billiger,  als  jene  zusammengenommen  :  zudem  wird  ein 
mehr  geeigneter  Druck  des  1.  Teiles  des  II.  Curses  den  Umfang  und 
somit  den  Preis  in  etwas  verringern. 

Desshalb  darf  Adelmann's  Lehrbuch  den  humanistischen  und 
Realgymnasien,  den  Gewerbschulcn  und  andern  Anstalten  mit  gutem 
Grunde  empfohlen  werden. 

Landshut.  Zeiss. 


The  First  Story -Book  by  C.H.  Abbehusen.  Berlin.  Published 
by  Robert  Oppenheim  1875. 

Diese  Erzählungen,  Anekdoten  und  Gedichte  sind  hinsichtlich  der 
Sprache  und  des  Inhaltes  so  gut  ausgewählt,  dass  sie  als  erstes  Lese- 
buch für  junge  Zögliuge  ganz  geeignet  und  wol  zu  empfehlen  sind. 
Für  Gymnasien  erscheint  die  Anordnung  derselben  auf  jeden  Fall  zu 
bequem,  da  der  grösste  Teil  der  Wörter  unter  dem  Text  übersetzt  ist, 
wodurch  das  Verständniss  zu  sehr  erleichtert  und  das  Nachdenken  des 
Schülers  fast  unnütz  wird.  Ich  ziehe  immer  ein  am  Ende  beigedrucktes 
Wörterverzeichniss  vor.    Die  zum  Nachschlagen  verwendete  Zeit  lohnt 


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382 


sich  reichlich.  —  Viele  dieser  Lesestücke  finden  sich  bereits  wörtlich 
in  anderen  Uebungsbüchern  und  Grammatiken  vor.  Bei  den  Gedichten 
ist  nirgends  der  Verfasser  genannt. 

Elementarbuch  der  englischen  Sprache  für  Anfanger  von  Dr.  Franz 
Meffert.    Leipzig,  Druck  und  Verlag  von  B.  G.  Teubner.  1875. 

Ich  kann  dem  günstigen  Urteile,  welches  dirt  Zeitung  für  das 
höhere  Unterrichtswesen  (1874  Nr  23)  über  die  vom  nämlichen  Ver- 
fasser herausgegebene  englische  Schulgrammatik  enthält,  nicht  ein 
gleich  vorteilhaftes  Uber  vorliegendes  Elementarbuch  beifügen.  Die 
knappe  Behandlung  der  Regeln,  die  an  der  Grammatik  lobend  hervor- 
gehoben wird,  wird  hie  und  da  zur  Uugenauigkeit.  So  p.  14:  „Who 
bezieht  sich  auf  Masculina  und  Feminina,  ichich  auf  Neutra,  that  auf 
alle  drei  Geschlechter".  Wie  wird  nach  dieser  Kegel  der  Schüler  den 
einlachen  Satz :  „Der  Mond ,  welcher  gerade  autgegangen  war  eto " 
richtig  übersetzen?  Dann  gibt  der  Verfasser  als  erste  Lesestücke  eine 
Reihenfolge  von  Abschnitten  aus  Dickens,  bei  denen  jeder  Schüler,  der 
weder  ein  regelmässiges  noch  ein  unregelmässigos,  oder,  um  beim  Ver- 
fasser zu  bleiben,  weder  ein  schwaches  noch  ein  starkes  Verb  kennt, 
vollständig  in  Verlegenheit  geraten  muss.  Denn,  wenn  er  unter 
Anderem  schon  auf  der  11.  Zeile  findet:  ,,.  .  .  and  lay  asleep  in  a 
manger",  wie  soll  er  wissen,  dass  lay  von  to  lie  kömmt.  Offenbar 
kann  er  aus  der  unmittelbar  vorhergegangenen  Anmerkung  ,  dass  lying 
von  to  lie  kömmt,  nicht  erraten,  dass  auch  lay  dazu  gehöre.  Dieses 
ist  die  Art  und  Weise,  nach  welcher  es  der  Verfasser  im  vorliegenden 
Buche  vermeidet,  den  Schüler  durch  inhaltslose  und  triviale  einzelne 
Sätzchen  zu  ermüden,  um  ihn  dafür,  nach  meinem  Ermessen,  vor  einem 
ihm  unverständlichen  Stück  sitzen  zu  lassen. 

Petits  Contes  pour  les  enfants  mit  Sprechübungen  und  Wortregister 
von  Fr.  W.  S  te  u  p,  10  Aufl.  Liegnitz,  1875.  Verlag  von  H.  Krumbhaar* 

Diese  vielbekannten  Erzählungen  vom  Verfasser  der  Ostereier 
liegen  hier  in  französischer  Sprache  vor  und  bilden  mit  dem  am 
Schlüsse  gegebenen  Wörterverzeichnisse  und  den  jedem  Lesestücke 
unmittelbar  beigefügten  Questions  teils  eine  leichte  Lektüre  für  junge 
Schüler,  teils  eine  gute  Anleitung  zur  Conversation.  In  Bayern  sind 
sie  etwa  im  2.  Curse  der  Gewerbschulen  verwendbar. 

Lectures  instruetives  et  amüsantes  ä  V  usage  des  ecoles  von 
Fr.  W.  Steup.    Liegnitz,  1873    Verlag  von  II  Krumbhaar 

Uiese  ans  leichteren  französischen  Schriftstellern  gut  ausgewählten 
Lesestücke  sind,  wie  der  Verfasser  im  Vorworte  angibt,  wol  geeignet, 
das  Interesse  der  Jugend  zu  fesseln  und  den  Geist  zu  bilden  Auch 
hier  ist  jedem  einzelnen  Lesestücke  ein  Questionaire  beigefügt,  um, 
wie  der  Verfasser  meint,  den  Unterricht  zu  beleben,  und  wol  auch, 
denke  ich,  um  zum  Nacherzählen  und  zur  Conversation  zu  führen. 
In  Bayern  scheinen  sie  der  3.  Klasse  der  Realgymnasien  sowol,  als 
auch  an  humanistischen  Anstalten  gut  verwendbar.   Am  Schlüsse  des 


383 


Buches  finden  sich  fQr  die  einzelnen  Lesestucke  Wort-  und  Sach- 
erklärungen. Da  die  Lektüre  dieser  Lesestücke  unmittelbar  der 
Lektüre  eines  vollständigen  Klassikers  vorausgebt,  so  würde  ich  ein 
alphabetisches  Wörterverzeichniss  vorziehen.  Die  Sucherklärungen 
könnten  dann  passend  bei  jedem  einzelnen  Stücke  sich  finden. 

Pleasing  Tales ,  a  selection  of  Anecdotes  and  little  Stories, 
accentuirt  undmit  Sprechübungen  und  Wortregister  von  F.  W.  Steup. 
Liegnitz  1875.    Verlag  von  II.  Krumbhaar. 

Diese  Auswahl  von  Anekdoten  und  kleinen  Geschichten  kann  als 
erstes  englisches  Lesebuch  für  Schulen  jeder  Art  empfohlen  werden, 
da  sie  viele  Abwechslung  bietet  und  in  richtiuer  Abstufung  vom 
Leichten  zum  Schwierigeren  fortschreitet.  Die  beigefügten  Questions 
sollen  auch  hier  zu  kleinen  Sprechübungen  führen.  Auf  die  Anleitung 
zur  Aussprache  und  auf  die  Bezeichnung  derselben  in  den  einzelnen 
Lesestücken  ist  grosse  Sorgfalt  verwendet  Am  Schlüsse  findet  sich 
auch  in  diesem  Buche  ein  Wörterverzeichniss  mit  beigesetzter  Aus- 
sprache, was  ich,  ohne  jedoch  andere  Ansichten  bekämpfen  zu  wollen, 
in  Büchern,  die  für  die  Schule  bestimmt  sind  uud  die  der  Schüler 
unter  Anleitung  des  Lehrers  liest,  nicht  liebe.  Wie  in  allen  derartigen 
Lesebüchern  finden  sich  auch  hier  viele  schon  anderwärts  gelesene  Stücke. 

S.  Fränkel'8  französisches  Lesebuch  für  die  unteren  Klassen  etc., 
von  Dr.  K.  Brunnemann,2  Teile  mit  einem  Wörterbuche,  3.  Aufl., 
Berlin  1875.   Julius  Imme's  Verlag. 

Die  Anordnung  des  Lesestoffes,  die  Heifügung  von  gleichartigen 
Sätzen  nach  jedem  Lesestücke  zum  Uebersctzen  in's  Französische  und 
namentlich  die  Auswahl  der  Sätze  sind  wol  geeignet,  dieses  Lesebuch 
als  eines  der  besseren  vorhandenen  Uehungsbücher  zu  empfehlen. 
Dennoch  finden  sich  auch  hier  kleinere  Bedenken.  Bei  den  mit  h 
beginnenden  Wörtern  ist  es  dem  Schüler  sicherlich  schwer,  herauszu- 
finden, ob  das  h  aspirirt  oder  stumm  ist,  so  z.  B.  p.  14  hanneton,  p.  15 
hirisson  etc.  Die  Behandlung  iler  Fürwörter  vor  den  Zeitwörtern  hat 
im  Französischen  stets  die  grössten  Schwierigkeiten  und  bringt  den 
Schüler  in  manche  Verlegenheit  So  ist  hier  der  erste  Satz :  „Der 
Friede  der  Seele  ist  kosthar,  er  macht  uns  glücklich"  wol  einfach  und 
passend  gewählt-  Nun  beginnen  wir  aber  als  Schüler  ihn  zu  übersetzen. 
Nach  halbstündigem  Suchen  fand  ich  p.  16  faxt  macht,  p.  36  rendit 
machte.  Wir  werden  also  ohne  Zweifel  macht  fälschlich  mit  faxt 
übersetzen.  Zu  entscheiden,  ob  der  Versuch  im  2  Teile,  wo  der  Ver- 
fasser den  Lesestoff  teilweise  den  übrigen  Disciplinen  entnommen  hat, 
geglückt  ist,  muss  ich  jenen  Collegen  überlassen  ,  die  dieses  Uebungs- 
buch  beim  Unterricht  benützen.  Mir  scheint  es  z.  B.  gewagt,  die 
Regeln  für  die  Städtenamen  im  Lateinischen  in  französischer  Sprache 
zu  erörtern,  ohne  beim  Schüler  Verwechslungen  zu  befürchten. 

München.  Dr.  Wall n er. 


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384 


Die  Grundidee  des  Hermes  vom  Standpunkte  der  vergleichenden 
Mythologie  von  Dr.  Christian  Mehlis    Erlangen  1875.    lte  Abt. 

Solche  Arbeiten  thun  not,  soll  einmal  klares  Licht  aber  die 
Mythologie  vorbreitet  werden.  Sehr  schön  ist  die  Auffassung  des 
Hermes  l.  als  des  Gottes  des  Sonnenaufganges,  2tens  des  Sonnen- 
unterganges und  3tens  in  seiner  utilitari  sehen  Bedeutung  für  die 
Menschheit.  Im  ersten  Abschnitt  werden  die  Beinamen  des  Hermes 
besprochen  z.  B.  oVtxfopoc  ((f*-«x-  d  h.  &t«  und  t]xv)  ~  der  Renner, 
Stürmer  und  Hr  Mehlis  setzt  das  analoge  Wuotan  bei  (von  vatan  =z 
trannmeare,  dt-t'x-io).  Sogar  der  Lichtgott  Baldr,  verw.  zu  goth. 
balts  celer,  ttQyoq  hü'to  noch  verglichen  und  auf  'Egurtg  seihst  auf- 
merksam gemacht  werden  können;  denn  KQu-r^  lüsst  sich  mit  skr. 
saramd  f.  diu  wandelnde,  wandernde  verbinden,  wieder  vergleichlich 
mit  nord.  Gangrädr,  Gänleri ,  Vidßrull  (der  Weitfalirer) ,  Vegtamr, 
lauter  Bcinan  en  des  Wuotan  und  zusammentreffend  mit  Jänus  (zu  skr. 
ja -na  gebend)  —  Das  merkwürdig?  Beiwort  'jQysiyot'Ti]$  heisst  nicht 
„Argostödter",  sondern  -epovrtis  ist  äol.  Form  -tpdvrm  und  bedeutet 
der  Hellstrahlende.  S.  33  und  30.  Der  Name  '£tyu$c  fällt  mit  iQ-fti$ 
die  Stütze,  i'oit«  zusammen.  S.  19.  Ich  erlaube  mir  hier  auf  die 
Analogien  in  meinem  Lexicon  etym.  (S  203)  aufmerksam  zu  machen, 
wo  die  Asen  auch  als  Joxoi  Stutzen  erklart  und  mit  skr.  mülasthäna 
die  Stütze,  daun  auch  Gott,  verglichen  werden.  Die  Dioskuren  hiessen 
ebenso  „Asen",  foxayu;  s.  Gust  Meyer  p  74.  —  Der  Beiname  6air6g 
eraiQOi  wird  als  Opferfreund  erklärt  und  auch  hier  möge  es  mir 
gestattet  sein,  auf  mein  Lexicon  zu  verweisen,  wo  S.  72  das  verwandte 
dap'8  als  mit  altn.  taf-n  (~  althochd.  zep-ar)  das  Opfer  zusammen- 
hängend) erklärt  wird.  —  Das  S  f>f>  angeführte  BW.  r/cVa|  der 
Lügner  hat,  wie  ich  glaube,  ursprünglich  den  üeberredner,  Beredner 
bedeutet,  wol  zu  skr.  bhan-nti  reden,  also  eigentlich  facundus,  Xoyiog. 
Dessgleichen  dürfte  dem  B.W.  xXcipiygtoy  neben  der  Bed.  „diebisch" 
auch  die  von  „sch liessend"  (den  Tag  „schliessend")  zugekommen  sein, 
verglcichlich  zu  Clusius  (Janas).  Die  Bedeutung  „schliessend"  liegt 
auch  in  xAfVirw,  verw.  zu  altbulg.  za-klop-iti  claudere.  S.  Joh.  Schmidt 
„zur  Geschichte  des  indogerm.  Vocalismus',  zweite  Abteil.  S.  285. 

Möge  bald  ein  zweiter  Teil  solcher  Arbeit  der  gelehrten  Welt 
geboten  werden. 

Freising  Zehetmayr. 


Literarische  Notizen. 

Aufgaben  für  das  elementare  Ilecbnen  in  einer  neuen,  durch  das 
Münz-,  Mass-  und  Gewichtssystem  des  deutschen  Reiches  bedingten 
Stufenfolge.  Nach  den  Intentionen  der  kgl.  Regierung  zu  Potsdam 
bearbeitet  von  W.Adam,  kgl.  Seminarlehrer.  2.  gänzlich  umgearbeitete 
Auflage.    Verlag  von  A.  Stein  in  Potsdam. 

W.  Bertram.  Grammatisches  Uebungsbuch  für  die  mittleren 
Klassen  des  französischen  Unterrichts.  Zusammengestellt  in  genauem 
Anschluss  an  die  Ploetz'sche  Schulgrammatik,  Heft  1  und  3.  Berlin. 
Verlag  von  E.  Kobligk.  1875.    Eignet  sich  vortrefflich  zum  Unterricht 


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385 

Titi  Livii  ab  urbe  condita  Uber  XXII.  Für  den  Schulgebrauch 
erklärt  von  Eduard  Wölfflin.  Leipzig,  Teubner,  1875.  I  AI.  20  Pf. 
Die  Ausgabe  legt  den  Text  von  Weissenborn  zu  Grunde,  bietet  aber 
manche  Abweichungen ,  vorzugsweise  nach  Madvig.  Die  Noten  sind 
ausreichend  und  im  Ganzen  zutreffend.  Ein  Kärtchen  zeigt  das  Schlacht- 
feld am  trasimenischen  See. 

Titi  Livi  ab  urbe  condita  Uber  L  Für  den  Schulgebrauch  erklärt 
von  Dr.  Mor.  Müller.  Leipzig,  Teubner.  187  >.  1  M  50  Pf.  Eine 
neue  Bearbeitung  der  Ausgabe  von  Frey.  Auch  hier  ist  der  Text  nach 
Weissenborn,  mit  einzelnen  Abweichungen ,  meist  fach  Madvig,  kon- 
stituiert. Das  Buch  will  nicht  Schülern,  sondern  geübteren  Livius  - 
Lesern  und  Lehrern  dienen.  Die  Eigenartigke.it  des  Livianischen 
Sprachgebrauches  ist  möglichst  bemerkbar  gemacht  und  zum  Bewusst- 
sein  gebracht;  auch  der  deutschen  Uebersefzung  wird  an  schwierigen 
Stellen  nachgeholfen.  Die  Einleitung  ist  kurz,  aber  ausreichend; 
Verweisungen  auf  eine  Grammatik  oder  auf  philologische  Werke  sind 
ausgeschlossen. 

Plutarch's  ausgewählte  Biographien.  Für  den  Schulgebrauch  erklärt 
von  Otto  Siefert  und  Friedr.  Blass.  »Ues  Bündchen.  Tiberius  und 
Gaiua  Gracchus  von  Dr.  Friedr.  Blass.  Leipzig,  Teubner,  1875  Wie 
die  vorausgegangenen  Bändchen  eingerichtet. 

Quellenbuch  zur  alten  Geschichte  für  obere  Gymna9ialklassen. 
II.  Abteilung.  Römische  Geschichte  bearbeitet  von  Dr.  A.  W  ei  du  er, 
Direktor  des  Gymnasiums  zu  («iossen.  I.  Heft  1874.  II.  Heft  1875. 
Zweite  verbesserte  Auflage.    Leipzig,  Teubner. 

Cornelii  Taciti  Historiamm  libri  qui  super  sunt.  Schulausgabe  von 
Carl  Heracus.  Zweiter  Band.  Buch  III  —  V.  Zweite  vielfach  ver- 
besserte Auflage.    Leipzig,  Teubner.    1875.    1  M.  80  Pf 

Xenophons  Anabasis.  Für  den  Schulgebrauch  erklärt  von  Ferd. 
Voll  brecht.  Zweites  Bändchen.-  Buch  IV  -  VII.  5.  verbesserte 
und  vermehrte  Auflage.    Leipzig,  Teubner.    1875    1  M.  50  Pf- 

M.  Tullii  Ciceronis  Laelius  de  tmicilia.  Für  den  Schulgebrauch 
erklärt  von  Gustav  Lahmeyer  3.  verbesserte  Auflage.  Leipzig, 
Teubner.    1875.   60  Pf. 

Börners  Ilias.  Für  den  Schulgebrauch  erklärt  von  K.  Fr.  Am  eis. 
Erster  Band.  Drittes  Heft.  Gesang  VII  IX.  Bearbeitet  von  Dr.  C. 
Hentze.  Leipzig,  Teubner.  1875.  Text  und  Noten  sorgfältig 
überarbeitet. 

Sophoclis  tragoediae.  Recensuit  et  explanavit  TT.  Wundern  s. 
Vol  I.  Sect.  1.  continens  Philoctetani  Kditio  quarta,  quam  curavit 
N.  Wecklein.  Lips.,  in  aed  Teubner  MDCCCXXV.  1  M.  50  Pf. 
Die  Einrichtung  der  Wunder'scchou  Ausgabe  ist  mit, all'  ihren  Vor- 
zügen beibehalten,  nur  hat  der  Verlässei-  die  kritischen  Noten  unter 
dem  Text  entfernt  und  sie,  soweit  sie  zur  Erklärung  gehörten,  dem 
übrigen  Kommentar  einverleibt,  ausserdem  in  den  Anhang  verwiesen 
Text  und  Erklärung  zeigen  überall  die  Sorgfalt  des  neuen  Herausgebers. 

P.  Ovidius  Naso  ex  iterata  R.  Merkeiii  recognitione.  Vol.  IL 
Metamorphoses  cum  emendatiotiis  summario.  Lips.  in  aed.  Teubneri. 
MDCCCLXX  V 


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386 


P.  Ovidii  Nasonis  Metamorphoses.  Auswahl  für  Schulen.  Mit 
erläuternden  Anmerkungen  und  einem  mythologisch  -  geographischen 
Register  versehen  von  Dr.  Joh.  Siebeiis.  Zweites  Heft,  Buch  X  —  XV 
und  das  mythologisch  •  geographische  Register  enthaltend.  8.  Auflage. 
Besorgt  von  Dr.  Friedr.  Polle.    Leipzig,  Teubner.    1875.    I  M.  50  Pf . 

Handbuch  der  Religion  und  Mythologie  der  Griechen  und  Römer 
für  tiymnasien  von  H.  W.  St  oll.  .Mit  32  Abbildungen.  6  Auflage. 
Leipzig,  Teubner.  1875.  231  S.  in  8.  Das  Werk,  welches  auf  dem 
Standpunkt  der  neueren  Wissenschaft  steht  und  dem  Schüler  kurz  das 
Notwendige  bietet,  ist  ganz  geebnet,  einesteiles  bei  der  klassischen 
Lektüre  zu  unterstützen,  anderseits  auf  grössere  mythologische  Werke 
vorzubereiten.  Die  neue  Aufläse  unterscheidet  sich  vou  den  voraus- 
gehenden nur  durch  unwesentliche  Aenderungen. 

Thucydidis  de  hello  Peloponnesiaco  libri  oclo.  Herum  recognovit 
et  praefatus  est  Godofredus  B nehme.  Vol.  I.  II.  Lips.  in  aed. 
Teubneri.  MDCCCLXXV.  ä  Vol.  IM.  20  Pf.  Der  lange  Zwischen- 
raum zwischen  der  ersten  und  der  vorliegenden  zweiten  Auflage  hat 
vielfache  Veränderungen  notwendig  gemacht 

Thucydidis  de  hello  Pelponnesiaco  libri  VIII  ed.  Poppo. 
Vol.  II  Sect.  II  editio  altera,  quam  ait.vit  et  emendavit  Joh.  Math 
Stahl.    Lips.  in  aed.  Teubneri.    MCCCCLXXV.    2  M.  25  Pf 

Sophokles.    Erklärt  von  K  W.  Schneidewin.  Viertes  Bändchen 
Anligone.    7.  Auflage  von  A.  Nauck     Berlin,  Weidmann.  1875. 

Cicero's  ausgewählte  Reden  erklärt  von  K  Halm  III.  Bändchen. 
Die  Reden  gegen  L.  Sergius  Catilina,  für  P.  Corn.  Sulla  und  für  den 
Dichter  Archias.    9.  verbesserte  Auflage.    Berlin,  Weidmann-  1875. 

Materialien  zu  griechischen  Exemtion  behufs  Einübung  der  Verba 
auf  fit,  der  unregelmässigeu  Verba  und  der  Syntax  der  Kasus  von 
Dr.  Aug  DihJe.  3.  vermehrte  Auflage.  Berlin,  Weidmann.  1875. 
296  S.  in  8.  Die  Beispiele  sind  zahlreich,  auch  an  zusammenhängenden 
Stücken  fehlt  es  nicht.  Die  Beispiele  für  die  einzelnen  Kasus  verbreiten 
slfch  gleich  über  die  manniebfacben  Anwendungen  derselben  und  sind 
nicht  nach  den  einzelnen  Begeln  geschieden.  Die  Vokabeln  unter  dem 
Text  sind  sparsam  angegeben ;  das  übrige  ist  im  Wörterverzeichniss 
zu.  suchen.  Verwiesen  ist  auf  die  Grammatiken  von  Curtius,  Koch 
und  Krüger. 

Die  deutscheu  Klassiker,  erläutert  und  gewürdigt,  für  Gymnasien, 
Real-  und  höhere  Töchterschulen  von  Ed.  Kuenen.  1  Bändchen. 
Schillers  Wilhelm  Teil.  1876.  Verlag  von  C  Römke  und  Co.  in  Cöln. 
Preis  75  Pf.  71  S.  in  16.  Eine  Einleitung  gibt  Winke  für  die  Ein- 
richtung des  deutschen  Unterrichtes ,  namentlich  in  Bezug  auf  die 
Lektion.  Dann  folgt  eine  kurze  Inhaltsangabe  des  Stückes,  die  Ex- 
position und  Entwicklung  der  Handlung,  wie  sie  sich  in  den  5  Akten 
abwickelt,  eine  Schilderung  der  Charaktere,  die  Darlegung  der  Idee,  das 
Notwendige  von  der  Entstehung  des  Dramas  und  seiner  Quelle,  seiner 
Geschichte  und  der  zu  Grunde  liegenden  Sage,  endlich  eine  Sammlung 
von  Sentenzen.  Auf  die  Worterklärung  im  Einzelnen  lässt  sich  der 
Verfasser  nicht  ein. 

Dispositionen  über  Themata  zu  deutschen  Arbeiten  für  die  oberen 
Klassen  höherer  Lehranstalten  von  G.  L  euchten berger.  Bromberg 


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387 


1875.  Mittler'sche  Buchhandlung.  168  S.  in  8.  Das  Buch  enthält 
38  Themen  allgemeinen  Inhaltes,  und  :17  im  Anschluss  an  die  Literatur 
und  Lektüre.  Die  Dispositionen  sind  ziemlich  eingehend,  geben  für 
Schüler  vielleicht  teilweise  zu  viel;  sie  sind  übrigens  wol  durchdacht, 
auch  im  allgemeinen  gut  gewählt. 

Tabellarische  Uebersicht  der  griechischen  und  römischen  Geo- 
graphie und  Geschichte.  Von  Dr.  W.  Pfitzuer.  Parchim,  H.  Wehde- 
mann's  Buchhandlung.    1874.   64  S.  in  8. 


A  u  s  z  ü  g  e. 

Zeitschrift  für  d  i  e  ö  s  t  err  e  i  ch  is  ch  e  u  Gy  ra  n  asi  e  n.  7. 

I.  Zur  Kritik  derAnnalen  von  (Nieder-) Altaich.  Von  H.  Zeissberg 
in  Wien.  (Das  Annalenwerk  sei  in  seiner  gegenwärtigen  Form  das  Produkt 
einer  nochmals  erfolgten  Redaktion,  dein  mit  Ausnahme  der  späteren  Jahre 
frühere  Aufzeichnungen  zu  Grunde  lagen.  Möglich  dass  die  in  redigierter 
Gestalt  vorliegenden  Annalen  ursprünglich  das  Werk  mehrerer  Müuche  waren).  - 

IV.  Nekrolog  des  am  18.  Juli  verstorbenen  Mitredakteuni  der  Zeitschr. 
f.  d.  österr.  G.  Joh.  Gabriel  Seidl,  bedeutend  als  Gelehrter  und  Dichter. 

8.  9. 

t  Beiträge  zur  Kenntniss  des  attischen  Theaters.  VI.  Mit  einer 
lithograph.  Tafel.  Von  Otto  B  enndorf.  Handelt  von  den  Marken.  — 
Kritische  Miscellen.  Von  Dr.  Fr.  Pauly.  (Zu  Caes  b.  g).  —  Zu  Michael 
PBellos  dem  Jüngeren.  Zum  Gedichte  negi  Xovtftov.  Von  Isidor  Iii  lb erg. 

Zeitschrift  für  d.  Gymnasialwescn  8 

I.  Rhythmische  Studien  Von  Dr.  E.  v.  Sallwürk.  —  Jahresberichte 
des  philolog.  Vereins  zu  Berlin:  Horatius;  Caesar. 

9. 

I.  Vorschläge  zu  einer  vereinfachten  praktischen  Schulgrammatik  der 
hebräischen  Sprache.    Von  Prof.  Rath. 

III.  Jahresberichte  des  philolog.  Vereins  zu  Berlin:  Caesar.  Von  Dr. 
Richard  Müller. 


Statistisches. 

Ernannt:  Prof.  Heiss  in  Straubing  zum  Lyc -Prof.  in  Passau;  die 
Studl.  Himmer  in  Landshut  und  Baldi  in  Würzburg  zu  Gymn. -Pro- 
fessoren in  Burghausen;  Studl.  Wieden) ann  in  Regensburg  zum  Prof.  in 
Straubing;  Aas.  Siessl  (Konk.  1872)  in  Landshut  zum  Studl.  in  Kaisers- 
lautern;  Ass.  Proschberger  in  München  (Wilh.-Gymn)  (Konk.  1872) 


388 


zum  Studl.  in  Regensburg;  Stadl.  Netzle  in  Zweibrücken  zum  Prof.  in 
Hof;  Stadl-  Barnikel  in  St.  Ingbert  zum  Subrektor  daselbst;  Math.-L. 
An  schütz  an  der  Gew. -Seh.  in  Zweibrücken  zum  Studl.  in  Neuburg; 
Ass.  Dr.  Zipperer  in  Würzbarg  (Konk.  1873)  zum  Studl.  daselbst;  Ass. 
Hei  in  reich  in  Zweibrücken  (Konk.  1873)  zum  Studl.  in  Augsburg 
(St  Anna);  qu.  Studl.  Schmidt  zum  Studl.  in  Kempten;  Ass.  Liebl 
in  Passau  (Konk.  1873)  zum  Studl.  in  Günzburg;  Ass  Zehl  (Konk.  1873) 
in  Speier  zum  Studl.  in  Windsheim;  Ass.  Volkert  (Konk.  1873)  in 
Nürnberg  zum  Studl.  in  Landau;  Ass.  Hcilfritzsch  in  Bamberg 
(Konk.  1873)  zum  Studl-  in  Blieskastel;  Ass.  Dr.  Kbcrl  am  Ludw.-Gymn. 
in  München  (Konk.  1872)  znm  Stull,  in  Neuborg;  Studl.  Ja ck lein  in 
Bamberg  zum  Prof.  in  Burghausen;  Lehramtskand.  Dr.  Neudecker  /uro 
Ass.  am  Realgyam.  in  R< gensburg;  Ass.  Huber  in  Dilingen  (Konk.  1872) 
znm  Studl  in  Wür/.bnrg;  Ass  Dr.  Orterer  am  Ludw.-G.  in  München 
(Konk.  1873)  zum  Studl.  in  Sehwoinfurt;  Studl.  Maurer  in  Neuburg  zum 
Prof.  in  Münnerstadt;  Studl  Richter  in  Hof  zum  Prof.  in  Zweibrücken; 
Ass.  Pflüg  1  in  Arnberg  (Konk.  1872)  znm  Studl.  in  Hof;  Ass.  Roth  bei 
St.  Anna  iu  Augsburg  (Konk.  1873)  zum  Studl.  in  Kaiserslautern;  Ass. 
Senge  r  am  Max-Gymu.  in  Münchm  (Konk.  1873)  zum  Studl.  in  Dürk- 
heim; Ass.  Rummi'lsberg.'r  am  Realgymn.  in  München  (Konk.  1872) 
zum  Studl.  in  Lndwigshafen ;  Ass  Franziss  in  Landau  (Konk.  1873)  zum 
Studl.  in  Grünstadt;  dcrRel-L.  an  der  lat.  Schule  des  Wilh  - Gymn.  Stifts- 
vikar G.  Megsmcr  zum  Rel  -  Prof.  am  Max-G.  in  München;  zum  Hilfs- 
lehrer für  Realien  an  der  Industrieschule  in  Augsburg  der  Realienlehrer  an 
der  dortigen  Kreisgewerbschule  G.  Pumpl  ün;  Lehramtskand.  Ley  zum 
Lehramtsverw.  für  die  neueren  Sprachen  an  der  Gewerbschulc  zu  Landau; 
Lehramtskand.  Hasenklever  zum  Lehramtsverw.  für  den  Zeichenunterricht 
an  der  Kreisgewerbschule  in  München ;  zum  Lehramtsverw.  für  Realien  an 
der  Gewerbschule  in  Hof  der  Lehramtskand.  Adler;  Lehramtskand.  Botz 
zum  Lchramtsveiw  für  den  Unterricht  im  Zeichnen  an  dor  Gewerbschule 
in  Kaufbeuern;  Ass.  Weber  in  Bayreuth  zum  Studl.  in  Speier. 

Versetzt:  Studl.  Mayer  von  Burghausen  nach  Landshut;  Prof. 
Stähl  in  von  Hof  nach  Straubing;  Studl.  Plank  von  Blieskastel  nach 
Winnweiler;  Studl.  Scbed  Ib.iuer  von  Neubirrg  nach  Bamberg;  Prof. 
Hin  hack  von  Burghausen  nach  Eichstätt;  Ass.  Hoff  mann  von  Ansbach 
nach  München  (Uealgymn);  Prof  Dr  Walberer  von  Münnerstadt  nach 
Hof;  Stndl.  Hörner  von  Nördlingen  nach  Zweibrücken;  Studl.  Röder  in 
Nürnberg  vom  humanistischen  ans  Realgymnasium. 

Qniesciert:  Studl.  Dr.  R  ied  enauer  inWürzbnrg;  Prof.  Britzel- 
mayr  in  Eichstätt;  Prof.  Zink  in  Schweinfurt;  Prof.  Butters  in 
Zweibrücken. 

Gestorben:  Studl.  Heinr.  Stadelmann  in  Speier. 


Oedruckt  bei  J.  GotteJiwiriter  Si.  Müssl  in  München,  Thcatinerstruse  Ift. 


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üeber  den  „Hellespont"  mit  Berücksichtigung  der  gleichnamigen 
Artikel  In  den  Iteal  Wörterbüchern  von  Paul),  Kraft  und  Ltibker. 

Es  ist  nicht  wenig  zu  bedauern,  dass  die  vorzüglichsten  Historiker 
des  griechischen  Altertums  weder  in  sprachlicher  noch  sachlicher  Hin- 
sicht bereits  die  Durcharbeitung  gefunden  haben,  welche  dieselben  in 
so  hohem  Grade  für  Wissenschaft  und  8chule  verdienen. 
Abgesehen  davon  ,  dass  sie  durch'  einen  nach  Möglichkeit  gereinigten 
Text  ihrer  ursprünglichen  Einfachheit,  Wahrheit  und  Schönheit  naher 
gebracht  und  so  bei  grösserer  Lesbarkeit  der  studirenden  Jugend  eine 
nicht  blos  ansprechendere,  sondern  auch  erspriesslichere  Lektüre 
gewähren  würden ,  es  würde  auch  dio  Ausbeute  für  alte  Geschichte 
und  —  was  wir  ganz  besonders  hervorheben  wollen  —  für  alte 
Geographie  eine  sehr  bedeutende  werden.  Sind  ja  doch  die  besten 
Geschichtschreiber  der  Griechen  —  und  das  liegt  in  der  Natur  der 
Sache  —  zugleich  die  zuverlässigsten  und  lautersten  Quellen,  denen 
Stoff  wie  Form  der  alten  Geographie  entnommen  werden  können. 

Und  bei  keinem  Lande  der  alten  Welt  möchte  sich  von  diesem 
Gesichtspunkte  aus  die  Notwendigkeit  einer  durchgreifenden  Reform 
mehr  rechtfertigen ,  als  bei  dem  allerwichtigsten ,  bei  Griechenland 
selbst.  Denn  gerade  bei  diesem  Lande  lasst  uns  die  bisherige 
Hauptquelle,  der  in  so  vieler  Hinsiebt  unschätzbare  Strabon ,  nur  zu 
häufig  im  Stiche  oder  führt  uns  auf  Abwege  Um  von  der  argen 
Lückenhaftigkeit  und  Verderbtheit  seines  Werkes  nicht  zu  sprechen, 
so  kennt  er  jenes  wichtige  Land  nicht  genau  genug,  bebandelt  es 
einerseits  zu  sehr  nach  dem  Zuschnitte  seiner  Zeit  und  hat  andrerseits 
wieder  den  Kopf  zu  voll  von  Homer,  so  dass  gerade  die  wichtigsten 
Zeiten  Griechenlands  am  leersten  ausgehen.  Man  vergleiche  z.  B. 
seine  in  unsere  Bücher  und  Karten  nur  zu  treu  übergegangene  Dar- 
stellung Thessaliens,  sowie  der  östlichen  Lokris  mit  dem,  was  wir  bei 
Herodot,  Thukydides,  Xenophon ,  Polybios  und  auch  Pausanias  darüber 
finden,  und  man  wird  sich  von  der  Bichtigkeit  des  Gesagten  leicht 
überzeugen  können. 

Indem  ich  Eingehenderes  hierüber  einer  anderen  Gelegenheit  vor- 
behalte, will  ich  jetzt  an  einem  Beispiele  zu  zeigen  suchen,  wieviel 
auch  für  die  Darstellung  der  Kolonieländer  der  alten  Hellas  aus  den 
Historikern  gewonnen  werden  könne. 

Welchem  Gymnasialschüler  sollte  nicht  der  Name  Hellespont 
bekannt  sein?    Hat   er  ja   schon   frühzeitig   von   dem  grossartigen 

Blätter  f  d.  b«7«r.  Uymn.-  u.  Ittl  -  Sehalw.   XI.  Jtfarg.  27 


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Brückenbau  gehört  oder  gelesen,  welchen  der  Perserkönig  Xerres 
über  jene  Meerenge  aufführen  Hess  ,  um  sein  ungeheures  Heer  gegen 
das  Mutterland  der  seiner  Herrschaft  unterworfenen  Hellenen  zu  führen, 
so  wie  dass  in  späterer  Zeit  Alexander  von  Makedonien  zur  Eroberung 
des  grossen  Perserreichs  dieselbe  Meeresstrasse  mittelst  einer  Flotte 
überschritten  habe! 

Ist  hierauf  während  des  weiteren  Geschichtsunterrichtes  demselben 
Zögling  in  Folge  der  Belehrungen  eines  die  örtlichen  Verhältnisse 
besonders  berücksichtigenden  Lehrers  noch  manches  Genauere  über 
jene  wichtige  Meeresgegend  bekannt  geworden,  ja  weiss  er  zuletzt  alle 
bemerkenswerten  Städte  auf  beiden  gegenüberliegenden  Küsten  der 
Reihe  nach  aufzuzählen;  dann  wird  es  ihm  nicht  schwer  dünken,  sich 
zurecht  zu  finden,  so  oft  bei  irgend  einer  Gelegenheit  vom  Hellesponte 
die  Rede  sein  sollte.  Und  wie  häufig  kann  gleichwol  bei  der  Lektüre 
der  Fall  eintreten,  wo  derselbe,  trotz  aller  vermeintlichen  Bekannt- 
schaft damit,  nicht  wissen  wird,  wie  er  daran  sei!  Es  wird  vielleicht 
Herodots  viertes  Buch  Kap.  76  gelesen ,  wo  von  3er  Rückkehr  des 
Anacbarsis  in  seine  Heimat  Skythien  die  Rede  ist.  Wird  er  da  nicht 
bei  der  Stelle:  nXiotv  de  dV  EXX^anot  j  ov  ixQoaia^n  ie  Kv^ixov ,  fatl6 
er  anders  gewöhnt  ist,  über  das  Gelesene  nachzudenken,  meiuen.  es 
solle  eigentlich  nkevoas  de  dC  'EXXrianovxov  heissen,  denn  Kyzikos 
liege  ja  an  der  Propontis  und  Herodot  spreche  hier  entweder  nicht 
genau  oder  er  habe  sich  geirrt?  Was  soll  er  ferner  denken,  wenn  er 
bei  demselben  Herodot  (IV,  138)  als  Tyrannen  der  Hellespontier, 
welche  mit  beauftragt  waren ,  des  Dareios  Kriegsflotte  nach  der 
Istermündung  zu  führen,  nicht  blos  die  von  Abydos,  Lampsakos  und 
Parion,  sondern  auch  die  von  Prokonnesos,  Kyzikos,  Byzantion 
aufgeführt  findet,  während  er  doch  nicht  anders  weiss,  als  beide  ersten 
genannten  Städte  gehörten  der  Propontis ,  Byzantion  dagegen  diesem 
Meere,  sowie  dem  Bosporos  an?  Und  doch  bezeichnet  der  genaue 
Herodot  alle  sechs  zusammen  zweimal,  sowol  vor  (qoav  de  —  'EAxjj- 
onovxl<ovTVQaw<n)  als  nach  der  Aufzählung  (oviot  pev  yaav  ol  i$'EXXt}- 
9:i6vtov)  als  dem  Hellespout  angehörig  1  Noch  bestimmter  spricht  sich 
derselbe  Historiker  (VI,  33  in )  aus :  eiai  de  i»  t/j  EvQunp  aYde  toi 
'T.XXnanovxov.  Xe(>o6vr{o6s  re  4y  rjj  noXieq  ov/mi  eveioi  xui  TJeQtvSog 
xai  —  ZrjXvßQti]  re  xui  Bv^avnov  vgl.  V,  103  m.  nXevanvTes  de  ig  tov 
' EXXqonovtov  (o/  "Iwyee)  Bvticvriov  re  xai  ras  aXkac  JioXig  anaaas  ras 
xavxfi  tJ/f'  iutvToiot  inottjouvro)  sowie  ganz  ähnlich  Xen  Hell  IV,  8,  31, 
wo  nach  Nennung  von  Byzantion  und  Kalchedon  mit  x«t  ul  aXXai'EXXr)- 
anovxwt  noXeis  fortgefahren  wird. 

Diese  wenigen  Beispiele  von  vielen  werden  schon  zur  Genüge 
einen  Beleg  geben  zu  dem,  was  Strabon,  obwol  er  selbst  Hellespont 
und  Propontis  von  einander  trennt  und  diese  Trennung  bereits  bei 


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Abydos  und  Sestos  herinnen  lässt  (p.  108.  124.  a.  f.  331,  52  a.  m.,  p  663 
a.  m  ,  591  in.),  an  einer  andern  Stelle  (p. 331,58)  sagt:  öxt'EXX^traoyxog 
ov%  ouoXoyeixtu  71  uQ«  naaiv  6  avxog,  dXXti  do£at  itepi  avxov  Xiyovxai 
nXeiovg'  ol  ftey  ydq  oXijv  xqy  Dg  onovx  id «  xaXovaiy  'EXXtjonoyxoy, 
ol  db  fiegog  xijg  Ugoitovxidog  To  ivxog  JleQivSov  —  x.  ovroi  ieXXog  dXXa 
«notefivofjiBvog'  ol  (jUv  To  dno  2iyeiov  ini  AdfAtyaxov  xai  Kv^ucov  tj 
JlttQtoy  ij  nqiitnov  x.  r.  X. 

Zu  denen  nun,  welche  zwar  den  Hellespont  in  dieser  seiner 
weiteren  Bedeutung  ziemlich  oft,  den  Namen  Propontis  aber  gar  nicht 
haben,  gehören  Thukydides,  Xenophon,  Demosthenes.  Herodot  bedient 
sich  diesen,  schon  bei  Aescbylos  (Perser,  v.  875)  vorkommenden  Namens 
nur  dreimal:  IV, 85  a. f.  und  V,  122  (zweimal),  um  in  möglichster  Kürze 
eine  genauere  Unterscheidung  von  Meer  und  Meerenge  zu  gewinnen  ; 
doch  findet  sieb  sogleich  (IV,  86  a.  f.)  die  Zusammenstellung  o  (xiv  vw 
Ilovxog  ovxog  xai  BoanoQog  xe  xtti  'EXXijonoyxog ,  so  dass  in  diesem 
letzteren  Ausdruck  die  Propontis  schon  wieder  inbegriffen  ist,  womit 
man  noch  vergleiche:  IV,  38  m.  rj  ttxxij  tj  er^ij  und  4>d*tog  —  naQa- 
tetaiai  —  nuQa  xe  xov  Uovxov  xtti  roV  'EXXytrnoyroy  jue/pt  liyeiov  xov 
TQtoutov  und  IV,  95  in.  «V  de  iyto  nvv»dvo^ai  xciy  xov  'EXXtjonoyxoy 
olxeovxiov  'EXXtjyuty  xai  llovxov. 

Bei  Herodot  befindet  sich  zwar  eine  Stelle (VII, 45),  wo  nur  vom 
Hellespont  im  engeren  Sinne  die  Rede  sein  kann  und  es  gleichwol 
heis9t:  <vg  cTe  üqu  (6  Sigtrjg)  ndvxa  f*ey  xov  'EXXtJtrnovx  ov  vno 
xaiy  yediy  anoxsxQvjufJtyov ,  nttaag  de  xdg  dxxäg  x.  xd  Aflvdrjytoy  nediu 
inmXt'tt  dy&QtoTWty  und  so  wol  auch  Thuc.  VIII,  62  f.  Iqoxov  noXiv  xijg 
XiQaoytjoov  xafHaxuxo  tfQovqioy  x.  tpvXaxriy  xov  navxog  'EXXtj  a  • 
ndyxov  (int.  6  2xQ0f4ßtx(d>}g).  Doch  gibt  ja  auch  hier,  wie  anderswo, 
der  Zusammenhang  an  die  Hand,  in  welchem  Umfange  der  Auadruck 
zu  nehmen  sei. 

Und  so  möchte  es  einmal  an  der  Zeit  sein,  den  Namen  Hellespont 
in  sein  altes  Recht  wieder  einzusetzen  und  nicht  blos  eine  Meerenge 
sondern  auch  ein  Meer»)  darunter  zu  begreifen. 

Wir  erhalten  auf  diese  Weise  einen  zwischen  dem  pon  tischen  und 
ägai9chen  Meere  gelegenen,  keineswegs  unbeträchtlichen,  Bestandteil  des 
ganzen  grossen  Griechenlandes.  Derselbe  umfasste  einesteils  das 
sogenannte  Vormeer  des  Pontos  mit  den  beiden  Meerengen  des 
Hellespont  und  Bosporos  (von  diesem  letzteren  jedenfalls  die  Ein- 
mündungsgegend) andernteils  sämmtliche  die  genannten  Meeresteile 
begranzenden,  zur  Hälfte  zu  Europa  und  zur  Hälfte  zu  Asien  gehörenden 
Küsteu.  Die  zu  einem  grossartigen  Handelsverkehr  einladende  Lage 
derselben,  ihre  günstigen  klimatischen  Verhältnisse,  die  Mannigfaltigkeit 
und  der  Wert  ihrer  Erzeugnisse  bewirkten,  dass  bereits  zwischen  der 
Mitte  des  achten  und  siebenten  Jahrhunderts  v.  Chr.  Hellenen  aus  dem 

27* 


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392 


Mutterlande  wie  insbesondere  ausJonien  in  jenen  gesegneten  Gegenden 
sich  eine  neue  Heimat  schufen,  welche,  wie  das  umgränzte  Meer,  der 
Hellespont  genannt  zu  werden  pflegten. 

Davon  kamen  die  an  der  asiatischen  Küste  gelegenen  St&dte  in 
der  Folgezeit  unter  die  Herrschaft  des  ersten  Perserkönigs.  Bereits 
der  dritte  König  Persiens  Hess  nach  seiner  Heimkehr  von  dem  Skytben- 
zuge  auch  die  an  der  europäischen  Küste  befindlichen  unterwerfen  b>. 

Durch  Joniens  Erhebung  gegen  die  Persermacht  wurden  auch 
sämmtliche  Städte  des  Hellespont  zu  einem  ähnlichen  Wagniss  ver- 
anlasst; doch  gelang  es  den  Persern,  zum  Teil  durch  Verrat,  dieselben 
sowie  alle  anderen  griechischen  Bestandteile  ihres  Reiches  wieder  zur 
Unterwerfung  zu  bringen.  Als  nicht  lange  hierauf  des  Dareios  Sohn 
und  Nachfolger  seinen  Kriegszug  gegen  AHhellas  unternahm,  sahen 
sich  auch  die  Hellespontier  in  die  Notwendigkeit  versetzt,  durch 
Stellung  von  hundert  Kriegsschiffen  zu  des  Grosskönigs  Flotte  daran 
Teil  zu  nehmen«). 

Der  Rückzug  der  bei  Salamis  geschlagenen  Perserflotte  gab  den 
Hellenen  des  Mutterlandes  das  Signal  zur  Befreiung  ihrer  dem  persischen 
Scepter  noch  unterworfenen  Stammverwandten.  Daher  der  Zug  der 
griechischen  Flotte  im  Frühjahr  479  an  Asiens  Küste,  Vernichtung 
des  Restes  der  Perserflotte  bei  Mykale  und  Befreiung  Joniens,  welcher 
die  Einnahme  von  Sestos  sowie  im  Jabre  477  die  von  Byzantion  folgte, 
welche  letztere  die  Befreiung  des  Hellespont  vollendete,  wie  die  von 
Sestos  dieselbe  begonnen  hatte. 

Durch  den  bald  erfolgenden  Uebergang  der  Hegemonie  an  die 
Athener  wurden  auch  die  hellespontischen  Städte  dem  Einflüsse 
Sparta's  entzogen  und  kamen  allmählich  mit  Verlust  ihrer  Ring- 
mauern und  Kriegsschiffe  als  tributpflichtige  Bundesgenossen  unter  die 
Botmässigkeit  jenes  nun  vorherrschenden  Staates  d>  Zwar  versuchte  es 
zur  Zeit  des  samischen  Krieges  Byzantion  seine  Selbständigkeit  wieder 
zu  erlangen,  jedoch  ohne  Erfolg. 

Erst  mit  dem  gänzlichen  Untergange  der  athenischen  Kriegsmacht 
auf  Sikelien  tauchen  sowol  in  Jonien  als  im  Hellespont  Aufstands- 
gelüste gegen  Athen  auf.  Während  diesmal  Samos  treu  bleibt,  lassen 
sich  vor  allen  Milet  und  Cbios  namentlich  durch  den  jetzt  mit  Lake- 
dämon befreundeten  Alkibiades  zum  Abfall  bringen.  In  jenen  nörd- 
lichen Gegenden  hatten  die  Peloponnesier  unter  hauptsächlicher  Mit- 
wirkung der  Lakedämonier  Derkyllidas  und  Klearchos ,  des  Megarers 
Helixos  sowie  des  persische^  Statthalters  vom  hellespontischen  Pbrygien 
Pharnabazos  die  bedeutendsten  Städte ,  darunter  Abydos .  Kyzikos, 
Kalcbedon,  Byzantion,  zum  Abfall  von  Athen  vermocht.  Zum  Glück 
für  letzteren  Staat  war  Alkibiades  bald  wieder  gewonnen  und  schnell 
brachte  er  durch  die  glänzendsten  Waffenthaten ,  vor  allen  Beinen,  die 


» 

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393 

 r 

peloponnesische  Flotte  vernichtenden  Sieg  bei  Kyzikos  diese  Stadt 
selbst,  hierauf  die  übrigen,  selbst  Kalchedon  und  Byzantion,  und  somit 
das  ganze  kostbare  Besitztum  seiner  Vaterstadt  wieder  zu. 

In  Folge  des  grossen  Schlages  jedoch,  welcher  die  athenische 
Kriegsflotte  am  Aegosflusse  getroffen,  wurden  natürlich  alle  bisherigen 
Teile  der  Herrschaft  Athens  wieder  selbständig  oder  vielmehr  sie 
kamen  unter  die  Herrschaft  Lakedämons.  Dies  führte  schliesslich 
dahin ,  ilass  im  Antalkidischcn  Frieden  387  wie  alle  Griechenstädte 
Asiens  so  auch  die  "am  Hellespont ,  und  zwar  von  Sigeion  bis  Kal- 
chedon ,  dem  Perserköuige ,  der  seine  Ansprüche  auf  dieselben  nie 
aufgegeben  hatte,  wieder  unterthünig  wurden. 

Nun  kam  aber  auch  von  der  entgegengesetzten  europäischen  Seite 
des  Hellespont  ein  Gewalthaber  zum  Vorschein,  Philippos  von  Makedonien, 
dessen  immer  weiteres  Umsichgreifen  in  Thrakien  ihn  auch  mit  den  griech- 
ischen Städten  der  bellespontischeu  Nordküste  in  Berührung  brachte,  wie 
dies  ein  Jahrzohend  früher  mit  denen  an  der  dem  ägäischen  Meere  zuge- 
kehrten Seite  desselben  grossen  Landes  der  Fall  gewesen  war  Für  diesen 
musste  es  von  besonderer  Wichtigkeit  sein,  hier  festen  Fuss  zu  fassen, 
um  seine  Hauptfeinde ,  die  Athener,  von  hier  aus  durch  Abschneidung 
der  ihnen  so  unentbehrlichen  Getreidezufuhr  aus  dem  Pontos  auf  das 
Lmpfindlicbste  zu  treffen.  Daher  sein  Angriff  auf  Perinth,  dann  auf 
Byzantiou ;  von  welchen  Städten  erstere  durch  nachdrücklichen  Beistand 
von  Byzauz  und  selbst  von  Persien  her,  letztere  von  Athen  aus 
gerettet  wurde«). 

Seit  Alexanders  Uebergang  nach  Asien  ist  der  Hellespont  beinahe 
gänzlich  als  ein  makedonisches  Besitztum  zu  betrachten ,  dessen 
europäische  Küste  nach  des  grossen  Königs  Tod  an  Lysimachos,  den 
Statthalter  Thrakiens,  kommt,  während  die  asiatische  d.  h.  Phrygien, 
am  Hellespont  zuerst  dem  Leonnatos,  dann  bei  der  zweiten  Teilung 
der  Provinzen  dem  Arrhidäos  zufällt,  nach  dessen  Vertreibung  Anti- 
gonos  sich  auch  dieses  Pbrygiens  bemächtigt,  welcher  durch  Gründung 
zweier  bedeutender  Städte  seines  Namens,  des  späteren  Nikäa,  sowie 
des  den  Eingang  zum  Hellespont  beherrschenden  nachmaligen  Ale- 
xandria Troas  sich  um  jene  Gegenden  verdient  macht,  bis  nach  dessen 
Besiegung  und  Tod  bei  Ipsos  Lysimachos,  der  Erbauer  Lysiniachia's,  seinen 
schon  länger  au  den  Tag  gelegteu  Wunsch  (Diod.  XIX,  57  p.  in.)  nach 
Vereinigung  beider  Küsten  unter  seiner  Herrschaft  erfüllt  sieht.  Mit  dem 
Verfall  der  makedonischen  Macht  üben  im  Norden  die  Fürsten  Thrakiens  0, 
im  Süden  das  neu  entstandene  Königreich  Bithynien  «)  ihren  Einfluss 
auf  die  Beherrschung  des  Hellespontes  aus  Die  Griechenstädte  an  der 
Küste,  deren  Freiheit  von  den  Nachfolgern  Alexanders  Antigonos,  wenn 
auch  im  eigenen  Interesse,  noch  am  meisten  gewahrt  hatte,  wurden 
derselben  immer  mehr  verlustig. 


394 


Endlich  dem  römischen  Reiche  einverleibt,  sollte  jenes  Meer  mit 
seinen  Küsten  m  trotz  mancher  grossen  Bedrängnisse')  zu  neuer  Be- 
deutung und  zu  neuer  Blüte  sich  erheben,  indem  Diocletian  tür  die 
Osthälfte  des  Reiches  Nikomedia  zu  seinem  Herrscbersitze  erkor  und 
noch  weit  mehr,  als  Constantin  der  Grosse  mit  dem  durch  Umbau, 
Erweiterung  und  Verschönerung  veränderten  Byzantion  dem  ganzen 
Römerreiche  eine  neue,  später  mit  seinem  eigenen  Namen  bezeichnete, 
glanzvolle  Hauptstadt  gab 

Bemerkungen. 

a)  Ersteres  nach  Arr.  An.  VII,  9,  10  ev&vg  [*kv  tov  'EXXtjano'vrov 
Vfitv  tqv  noqov  SaXuoooxQttxovvtwv  iv  zip  Tore  flegadiv  avetiraaa, 
wo  ich  statt  iioqov  noQ&pov  lese,  so  wie  auch  I,  11,  10. 

Letzteres,  nämlich  SaXuaou  q  tov  'EXXrjanovrov  nach  Thuc.  II,  96 
p.  in.,  wo  statt  der  verderbten  Worte:  f*ixQl  Wtfww  &s  Ev- 
feivov  ts  novrov  xai  tov  'EXXqonovT  ov  zu  ändern  ist:  f*ixQl 
Mlaar.q  rijg  tov  Ev^tvov  TS  hovtov  xai  tov  'EXXrjariovr  ov.  vgl.  Hdt. 
II,  33  f.  tbXbvt^  de  6  "loTqog  ig  &aXaaauv  ri?V  tov  Evgeivov  :iovxov. 
Und  so  ist  an  zwei  Stellen  des  Thuc.  I,  128,  c.  f.  riepne  ("tvifoa  marov 
&ii  &aXa<rcav  und  c.  29,  p.  in.  xai  anooriXXei  'Agraßatov  ini  »äXaooav 
der  erklärende  Zusatz  rijV  tov  'EXXrjanovrov  zu  ergänzen,  sowie  zu 
niQav  &aXa<ro-t}s  (c.  129  c.  to.)  in  ähnlicher  Weise  rt)g  tov  'EXXqonovrov, 
was  die  Herausgeber  von  Schulausgaben  oder  wenigstens  die  Lehrer 
bei  der  Lektüre  zu  erinnern  nicht  vergessen  sollten.  An  der 
zuletzt  augeführten  Stelle  dürfte  auch  auf  das  wohin?  aufmerksam 
gemacht  werden,  auf  Daskyleion ,  die  Hauptstadt  des  hellcspontischen 
Phrygiens  und  Residenz  des  jedesmaligen  persischen  Statthalters  —  So- 
wie in  diesen  drei  letzten  Beispielen  von  einer  Ueberfahrt  über  das 
h  ellespontische  Meer  und  nicht  die  Meerenge  die  Rede  ist  und 
zwar  von  Byzantion  nach  Daskyleion  und  umgekehrt,  so  handelt 
es  sich  bei  Thuc.  II,  67  w.  um  eine  solche  von  Bisanthe  (Hdt.  VII, 
137)  nach  derselben  phrygischen  Satrapenstadt  Bei  Xen.  Hell.  III,  2, 9 
dtxtßaivei  (6  JSQXvXXiöag)  tov  'EXXtjonovrov  ovv  rw  arqarevfxari  ig  r*jv 
EvQoSurjv  xai  dui  rpiXiag  rfjg  fig^xrjg  nogevSeig  xai  gevto~9eig  v\io  2* ev&ov 
a<pixveiTai  ig  XsQQovqaov  x.  r.  X.  wol  von  Lampsakos  nach  P  c  r  i  n  t  h  o  s, 
sowie  bei  Xen.  An.  VII,  5,  15  von  Selymbria  nach  Lampsakos 
(VII,  8,  1  in).  So  setzt  des  S.  Severus  Heer  von  Byzantion  nach 
Kyzikos  über  (Herod  III,  2,  1). 

Eine  bestimmte  Andeutung  der  Propontis  findet  man  bei  Arr.  An  I,  12, 
11:  og  (int.  6  ÜQaxxiog  noxapog)  (tiutv  ix  xtov  ögvSv  rtov  'idaiiov  ixdidoi  ig 
9aXaeaav  rr]v  pexaj-v  xov  'EXXrjonovTov  xe  xai  Ev£eivov  novrov  (Helles- 
pont  daselbst  im  eingeschränkteren  Strabonischen  Sinne);  der  Name 
Propontis  selbst  steht  bei  demselben  An.  IV,  15,  11  und  zwar  mitten 
zwischen  dem  des  Hellespont  und  des  Pontos. 


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395 


b)  Der  Hellespont  erhielt  als  Bestandteil  des  Perserreiches 
ebenso  wie  das  gleichfalls  unterworfene  thrakiscbe  Küstenland  am 
ägäischen  Meere  durch  König  Dareios  in  seinen  bedeutendsten  Städten 
persische  Statthalter.    Hauptstelle  II  dt  VII,  106  p.  m  xaxicxaaav  ydg 

Bit  ngoxegov  ravrqg  xr\g  iXactog  vna{>/>u  (int.  vno  Jaoetov)  iv  r/jl  &or;(xr} 
(—  iv  xoig  naoa^akaooiotg  xfjg  Sgij(x^g)  xai  tov  'EXXijgnovxov  navra^y. 
Dass  unter  den  letzteren  der  von  Sestos  (Hdt.  VII,  33  p.  m.  78  f. 
IX,  115  in.  und  115  in.)  und  der  von  Byzantion  die  Hauptrollen 
spielten,  ist  klar. 

c)  die  Hauptst«lle  bei  Hdt .  VII,  95  m.  ^EXXnana vxov  o*h  nXi}* 
Jßvdrjvüy  —  ol  öe  Xouial  ol  ix  tov  n 6  vxov  atqaxBvofABvo^  ist  offen« 
bar  verderbt.  Das!  ol  o*h  Xotnoi  ol  ix  xov  'EXXuenovxov  gelesen 
werden  müsse,  glauie  ich  in  meinem  zweiten  Herodotischen  Programm 
(vom  Jahre  185?)  }  11  und  12  sowol  in  sprachlicher  wie  sachlicher 
Hinsicht  aus  Herocbt  selbst  zur  Genüge  dargethan  zu  haben.  Uebec 
die  Bedeutung  des  Sfamens  Hellespont  an  dieser  Stelle  sprach  ich  mich 
in  folgenden  Wortei  aus:  „Hellesp  onti  auf  cm  nomine  hoc  low  non 
fretum  illitd  angusaim ,  qnod  Xerxes  rex  pontibus  junxerit ,  inteüi- 
gendum  esse,  sed  nare  illud  satis  amplum  intet  Aegatum  Ponticumgue, 
cujus  tres  partes  praecipuas:  Hell  espontum  proprie  sie  dictum, 
Propontidem  aque  Bosporum  Herodotus  (IV  ,  86.  86)  accurate 
distinxit,  et  ex  cettum  navium  longarum  numero ,  quem  illius  regionis 
incolae  ad  classen  regiam  miserunt  et  inde  quod  non  Jonum  modo 
sed  etiam  Dorum  coloni  Graeci  Uli  nominantur  satis  apparet  Erat 
autem  Hellespontts ,  aicut  mare  Aegaeum,  »aXuaang  rfjg  'EkXqvtxijg  (V, 
54  m  l  vel  'EXXyiöog  (VII ,  28  m.)  pars,  multo  quidem  quam  illa 
altera  minor  sed  tarnen  ipsa  etiam  Graeci s  undique  urbibus  einet a, 
ita  ut  inter  magrus  illas  universae  Graeciae  regiones,  quas  vel  potoat 
tfjg  'EXXädog  cun  Herodoto  (VII,  15?  m.)  vel  pioi  xaiv  'EXXtjvatv  cum 
Isocrate  (Paneg.  \  169  f)  dixeris ,  suo  quodam  jure  referretur.  cf. 
Thuc.  II,  9."  Ich  kann  demnach  weder  mit  H.Stein  mich  einverstanden 
erklären,  wenn  er  in  seiner  Ausgabe  zu  dieser  Stelle  bemerkt:  „J/oVrow 
hier  im  engeren  Snne  von  Bosporos,  Propontis  und  Hellespont"  noch 
mit  E.  Curtius,  wacher  in  seiner  griechischen  Geschichte  Band  II  p.  39 
des  Ausdruckes:  „Inwohner  des  Pontus"  sich  bedient;  denn  weder  das 
Eine  noch  das  Anlere  möchte  sich  irgend  rechtfertigen  lassen. 

d)  Der  Hellepont  als  Bestandteil  des  Gebietes  der 
athenischen  lerrschaft  genannt  neben  den  Küstenbewohnern 
Kariens,  den  Dortrn  an  derselben  Küste,  Jonien,  der  Küste  Thrakiens 
und  der  Inselwelt  Thuc.  II,  9.  —  VIII,  96  p.  m.  xai  iv  rowry  'EXXt}o~- 
novtog  x$  av  r\v  vvxoig  xai  'itavla  xai  al  vrjaoi  xai  xd  /UC/pt  Evßotag 
xai  <og  eiiiBlv  ij  4$)valu>v  doxn  näaa.  -  VIII,  86,  c.  m.  iv  y 
aatpioxaxa  'loiviav  xai  "EXXijonovxov  cv$vg  bIxov  ol  noXi/Atot  Plut.  Ale. 


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396 


C.  26  p.  m.  sv&vf  $xeiv  vnq(?xe"  «V"1**»  'ImIhv  änaoav,  'EXX/jOnovxoy 
xui  rag  v^tsovg.  vgl.  mit  Thuc.  VI,  77  c.  m.  <feifnt  «rroi?  o'r«  ovx  "/awfff 
ra<Je  cftri»'  ovV  'EXXrjffnovxioi  xai  vrjouoxai  x.  x.  X. 

Die  Steuereintreibung  aus  dem  Hellespont  öfter  erwähnt  Thuc 
IV,  75  p.  in.  ol  tiüv  dgyvQoXoytay  veoiv  'j&qyaivüy  axgax^yoi  ovreg 
nsQi  'EXXqonovTov.    Xen.  Hell.  IV,  8,  35  f. 

Erhebung  des  Zehnten  von  der  Ausfuhr  der  Schiffe  aus  dem 
Pontos  zu  Chrysopolis  durch  Alkibiades  Xen.  Hell.  I,  1 ,  22,  dagegen 
wieder  zu  Byzantion  durch  Thrasybulos  Jd  IV,  8  .  27  §  31  und  nur 
im  Allgemeinen  mit  angedeutet  IV,  8,  34  «  xttreaxevteev  eV  t«5  'EXXyo- 
novxy  SgaovßovXog. 

e)  Demosth.  JPAi'Z.  III  §.  18  xiaiv  olv  v/teis  xiydvyevaaix1  av 
et  ri  yivoixo ;  r  m  t  6  v  'EXXrjonovxoy  aÄXtxgno&ijyai,  x<3 
MeyaQtov  xai  xrjg  Evßolag  toV  7ioX(fiovv9'  vpiv  y&'£oS-«i  xvqiov,  xtp 
neXonovyijolovg  xdxeivov  <pQoyij<xai  vgl.  mit  de  cor.  §.  71  und  specieller 
de  cor.  87:  eneidt]  xoivvy  ix  xyg  Evßoiag  6  ^iXinno^  i^Xd^tj  —  ixegoy 
xiva  xard  xrjg  noXetog  tnn  zt/KTuov  4£tjxfi.  tiyuiv  J  öri  aixio  ndvxtav 
dv&Qwntov  nXeiory  yQtafisP  intiadxxto ,  ßovX6fieyo<  xttg  aixonopnekts 
xvoiog  yevioSkti,  naoeX&ü>y  ini  &Q(cxi]g  Bv^ayxtovg  inoXiooxei  x.  x  X. 
§.  88  aXXu  rie  tjy  6  ßori^rjaag  xoig  BvCayxioig  xai  ooaug  at'xovg:  xig  6 
xioXvaag  xov  'EXXrjonovxov  dnaXXoxQtu)9r}vai  xux"1  txeOovg  xovg  xonvovg; 
vftsig,  o)  aytgeg  'jfyvaioi  x  t.  X.  §.  93  §.  230  §.  241  adv.  Leptin.  §  60 
vgl.  mit  Plut.  Phoc.  14  a.  m.  Id.  Demosth.  17  a.  m.  Liod.  XVI,  74  -  77 
—  aus  welchen  teils  vollständig  mitgeteilten,  teils  nur  angedeuteten 
Stellen  die  Oberaus  grosse  Bedeutung  Byzantions  für  den  Hellespont 
erhellt.  Aus  der  herrlichen  Stelle  über  den  rct/ur^uot  des  Dcmostbenes 
(de  cor.  §.  299  --  303)  lernt  man  auch  die  wichtigsten  Punkte  auf 
der  Getreidestrasse  von  Byzantion  bis  zur  Hafenstad  Athens  kenneu: 
Prokonnesos,  Cherrh  onesos ,  Abydos,  Ten^dos,  Euböa, 
an  deren  Besitz  oder  Befreundung  soviel  gelegen  seinmusste. 

f)  Von  dem  Einfluss  auf  die  an  der  Nordküse  des  Hellespont 
gelegenen  Städte  spricht  bereits  Xen.  Hell.  IV,  8,  2>  (o  &QuovßovXog) 
Big  xov  'EXXrjanovxov  nXevaag  xai  xrcxafAa&ajy  -  yaxaadCotxug  'Auddoxov 
xe  xov  'OdQvotvy  ßaaiXia  xai  Zev&rjv,  xov  ini  &aXaxx[j«Qxorxat  uXXyXoig 
[Xtv  dir]XXa£6v  avxovg ,  'j&qvaioig  <ft  tplXovg  xai  w/jpaxovg  inoitjae 
yojuit<av  xai  xovg  vno  xjj  9o<{Xf]  (w0'  zu  le8en:  ?*>  xavxß  xjt  Öp^'xfl) 
oixovcag  noXeig  'EXXijvifug ,  cpiXotv  ovxtov  xovxtov ,  uuXXov  nqoc4rti¥ 
ay  xoig  'A&tjvaioig  roV  vovv.  Womit  verglichen  werda  kann,  was  Xen 
weiter  in  Betreif  der  hellespontischen  Südküste  sagt  §.  27: 

ii  rovxtoy  xe  xaXdg  xai  x<ov  iv  xij  'Aoiq  noXtwy  did  ro  ßaaiXea  tpiXov 
xoig  Ufyyaioig  ilvui  nXtvoag  dg  BvStlvxtoy  x.  x.  X  verliehen  mit  §.31. 
Uebrigens  spricht  schon  Thuc.  II,  9ii  p.  in.  u.  67  m.  v)j  der  Ausbreitung 
der  Herrschaft  des  Odrysenkönigs  Sitalkes  bis  an  den  Hjllespont  (Bisanthe) ; 
vgl.  Hdt.  VII,  137  c.  f. 


% 

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397 


g)  Nachdem  bereits  zur  Diadochenzeit  ein  König  der  Bithyner 
Zibötes  nach  dem  Besitze  von  Astakos  and  Kalchedon  gestrebt  (Dd. 
XIX,  60  p.  m.)  ,  gründete  dessen  SobD  und  Nachfolger  Nikomedes  I 
nahe  der  Stelle  des  zerstörten  Astakos  Nikomedia  als  Residenz, 
während  Prnsias  I  Prusa  und  statt  der  zerstörten  Städte  Kios  und 
Myrlea  Prusias  und  Apamea  erbaute. 

h)  Umgeben  war  damals  der  Hellespont  von  den  Provinzen: 
Thracia  (später  Europa) ,  Asia  (später  Hellesponttts)  und  Bithynia 
Der  eben  erwähnte  Namen  Hellespont  in  eingeschränkterer  Bedeutung 
für  die  Südwestküste  des  alten  Hellespont,  welche  Bedeutung  man 
schon  angedeutet  findet  bei  Xen.  Hell.  111,4,  11  IV,  3,17  wo  zusammen 
genannt  werden  "JttMf,  MoXeis ,  'EXXtjanovrtut  ,  während  dies  nach  dem 
Sprachgebrauch  der  früheren  Zeit  wenigstens  durch  den  Zusatz :  ol 
ini  <f«£i«  (ionXiovTi)  müsste  ausgedrückt  werden  vgl.  Hdt.  III ,  90  m. 
VI,  33  in.  —  Bezüglich  des  späteren  Sprachgebrauches  Zosim.  I,  43 
p.  in.  xai  7i  uq  an  Xsv  a avx  s  s  rov  'EXX^anovtov  (ol  Zxv&ui)  «XQ1 
ts  tov  vA$tti  7i aoevex&s'yTes  x.  x.  X. 

i)  Schlachten  zwischen  Severus  und  Niger  bei  Kyzikos  und  bei 
Nikäa;  dreijährige  Belagerung,  Eroberung  und  harte  Bestrafung 
Byzantions  durch  Severus;  Verödung  derselben  Stadt  durch  des 
Gallienus  Truppen;  Einnahme  und  Plünderung  von  Kalchedon,  Niko- 
media, Nikäa,  Kios  (=  Prusias),  Apamea,  Prusa  durch  die  Gothen 

Wenden  wir  uns  nun  nach  dem  bisher  Gesagten  zu  den  drei  oben 
genannten  Realwörtef büchern ,  so  sagt  uns  schon  von  vornherein  die 
Trennung  in  die  Artikel  Hellespont  und  Propontis,  dass  wir  nichts  zu 
finden  hoffen  dürfen  über  den  gemeinschaftlichen  Namen  jener  beiden 
Meeresteile  sowie  über  dasjenige,  was  sich  daran  knüpft.  Und  doch 
hätte  gerade  der  Hellespont  Veranlassung  bieten  können  zu  einem 
herrlichen  Gesammtartikel,  unter  welchem  sich  alles  Dahingehörige 
würde  haben  vereinigen  lassen  ,  auch  die  verschiedenen  zu  nennenden 
Städte.  Dann  würde  der  Schüler  z.  B.  die  Artikel  Sestos  und  AbydoB, 
Byzantion  und  Kyzikos  zwar  auch  einzeln  in  seinem  Wörterbuche 
gefunden  haben,  aber  bei  jedem  dieser  Städtenamen  nur  eine  Ver- 
weisuug  auf  den  Artikel  Hellespont,  wo  er  die  weitere  Gliederung 
dieses  Namens  und  die  Verteilung  der  dahingehörigen  Städte  kennen 
gelernt  haben  würde.  Denn  da  wir  bei  Bearbeitung  der  altbellenischen 
Geographie  für  pädagogische  Zwecke  schlechterdings  von  der  Blütezeit 
der  hellenischen  Geschichte  auszugehen  haben ,  so  muss  bei  einer 
geographischen  Darstellung  des  Hellespont  die  allgemeinste  Bedeutung 
desselben  zur  Grundlage  gemacht  werden,  woran  die  wichtigsten 
allmählichen  Veränderungen  dieses  geographischen  Begriffs  sich  anzu- 
reihen haben.  Durch  jene  beständigen  Verweisungen  auf  den  Gesammt- 
artikel wird  dem  Nachschlagenden  so  recht  eingeprägt,  dass  von  den 


oben  genannten  vier  Städten  die  zwei  letzteren,  sowie  alle  sonst  der 
Propontis  zugewiesenen,  mit  demselben  Rechte  hellespontische  heissen 
wie  dies  mit  Sestos  und  Abydos  sowie  mit  den  übrigen  an  der  Meer- 
enge selbst  liegenden  der  Fall  ist. 

Aber  auch  in  den  beiden  Sonderartikeln  finden  wir  mehr  Rücksicht  ' 
genommen  auf  Unwesentliches  als  auf  das  Wichtige  und  besonders 
Hervorzuhebende.  So  werden  zwar  die  Namen  Hellespont  und  Pro- 
pontis erklärt  nach  dem  Woher  dieser  Benennung,  angegeben  sind  die 
heutigen  Namen  derselben,  wir  erfahren  ferner,  dass  über  die  engste 
Stelle  des  Hellespont,  zwischen  Sestos  und  Abydos  einst  Leander 
bioQberge8chwommen  sei,  dass  Lord  Byron  im  Jahre  1810  dasselbe 
getban  habe,  dass  man  das  Wasser  des  H.  für  kälter  und  süsser 
gehalten  als  das  des  Mittelmeeres.  Pauly  und  Lübker  schliesson  den 
Artikel  H.  mit  den  Worten:  auch  hiess  so  die  Gegend  am  H.  (es  ist 
natürlich  blos  von  der  Meerenge  die  Rede),  besonders  in  Asien  (Thuc. 
II,  9  Xen.  Hell.  I,  7,  2).  Bei  Lübker  stehet  zuletzt  noch  die  Worte: 
(auch  heisst)  6  'EXkrjonovrias  ein  vom  H.  wehender  Wind  Hdt.  VII,  188. 
Dagegen  findet  sich  nichts  über  die  Ausdehnung  des  hellespontischen 
Sundes  nach  Länge  und  Breite  (insbesondere  der  engsten  Stelle,  welche 
so  oft  als  Uebergangspunkt  dienen  musste),  nichts  aber  die  wichtige, 
die  Meerenge  beherrschende  Lage  von  Sestos  (Strab.  XIII  p.  591  a.  m.  u.  a.f. 
vgl.  mit  Hdt.  IX,  116  m.  Thuc.  VIII,  62  f.  Xen.  Hell.  IV,  8, 5  a.  f.).  Ver- 
gebens sieht  man  sich  um  nach  Aufzählung  der  wichtigsten  hellenischen 
Städte ,  welche  so  durchaus  erforderlich  ist.  Forbiger  allein  hat  (in 
Pauly'sR.)  für  die  Propontis  vier  Städte  genannt:  Heraklea,  Perinthos, 
Byzantion  und  Kyzikos,  wovon  freilich  die  beiden  ersten  in  Eine 
zusammenfallen.  Also  drei  Städte  der  Propontis,  während  wenigstens 
zehn  aufzuführen  waren:  die  vier  megarischen  Pflanzstädte  (im  0) 
Selymbria,  Byzantion,  Kalchedon ,  Astakos ;  die  zwei  samischen 
(im  N.W.)  Bisanthe  und  Perinthos;  endlich  die  vier  milesischen 
(im  S.)  Eios,  Kyzikos,  Artakc  und  Prokonnesos.  Für  die  Meerenge  des 
H.  möchten  ausser  den  zwei  bereits  genannten  wichtigsten  noch  gegen 
acht  Städte  zu  nennen  sein:  Sigeion  (Rhoeteion),  Dardanos,  Lampsakos, 
Parion,  sowie  auf  der  europäischen  Seite  Eläus,  Madytos,  Kallipolis 
(Krithote),  Paktye. 

Gänzlich  falsch  verstanden  sind  die  zwei  angeführten  Stellen  Thuc. 
II,  9  und  Xen.  Hell.  I,  7,  2,  in  denen  nur  vom  Hellespont  mit  seinen 
Städten  im  weitesten  Sinne  die  Rede  ist. 

Nicht  weiter  befremden  wird  es,  wenn  wir  bemerken,  dass  wir 
auch  auf  die  in  den  Artikel  Hellespont  gehörenden,  allerwichtigsten 
historischen  Notizen  Verzicht  leisten  müssen ,  über  die  Zeit  der  Helle- 
nisirung  dieser  Gegenden,  über  die  Herrschaft,  welche  Persien,  Athen, 
Lakedämon  etc.  nach  einander  über  dieselben  ausgeübt,  über  die  Ver- 


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399 


änderungen  des  Kamens  und  der  Bedeutung  des  hellespontischen  Meeres 
und  seiner  Kasten  etc. 

Schliesslich  thut  es  uns  leid,  aussprechen  zu  müssen,  es  lasse  die 
Bearbeitung  der  erwähnten  Artikel  in  Bezug  'auf  Gründlichkeit  und 
Zweckmässigkeit  so  Vieles  zu  wünschen  übrig,  dass  die 
Absicht  der  Herausgeber  der  Wörterbücher ,  ein  Hülfsmittel  zum 
leichteren  Verständnisse  der  alten  Klassiker  zu  bieten,  in  Hinsicht  auf 
den  so  lange  besprochenen  Namen  weder  durch  das  grössere  Werk, 
noch  durch  die  beiden  kleineren,  für  einen  grösseren  Kreis  berechneten, 
als  auch  nur  annähernd  erreicht  zu  betrachten  sei. 

Hof.  G.  Gebhardt 


Stillstische  Aphorismen. 

IV.   Ueber  Gedankenarmut. 

Wir  haben  in  den  vorhergehenden  Aphorismen  zunächst  nur  die 
wissenschaftlichen  Mängel  der  bisherigen  Stillehre  betont;  ein 
in  diesen  Blättern  S.  275  erschienener  Artikel  über  die  Gedankenarmut 
der  Gewerbscbüler  veranlasst  uns  aber,  heute  auf  die  Mangelhaftigkeit 
der  Aufsatzlehre  auch  in  praktischer  Hinsicht  zu  sprechen 
zu  kommen. 

In  jenem  Artikel  wird  uns  ein  recht  düsteres  Bild  von  den 
Leistungen  der  Schüler  im  Deutschen  entworfen.  Ibre 
Aufsätze,  sagt  der  Verfasser,  seien  dürr  und  matt,  und  man  sehe  es 
ihnen  an,  welch'  ein  mühevolles  Machwerk  sie  sind.  Da  sei  kein 
Schwung  der  Rede,  kaum  je  eine  passende  Vergleichung  aus  dem 
alltäglichen  Leben  zu  finden ,  und  wenn  sie  noch  so  nahe  läge. 
Gewöhnlich  dürfe  der  Lehrer  zufrieden  sein ,  wenn  seine  Schüler  am 
Ende  ihrer  Studienlaufbahn  über  ein  entsprechendes  Thema  in  leid- 
licher Richtigkeit  sich  auszusprechen  verstehen,  aber  —  in  rassei- 
dürrer  Prosa. 

Sind  dies  die  Resultate  eines  systematischen  Unterrichts  im  deutschen 
Stil ,  so  finden  wir  es  sehr  natürlich ,  dass  man  nach  den  Ursachen 
eines  solchen  Standes  der  Dinge  uud  nach  Mitteln  zur  Abhilfe  suche. 
Denn  es  ist  gewiss  ein  sehr  peinliches  Gefühl,  solchem  Mangel  an 
Früchten  seiner  mehrjährigen  Arbeit  gegenüberstehen  zu  müssen. 

Es  fragt  sich  nun  aber,  ob  die  angführten  betrübenden  Warnehm- 
ungen  allgemein  gemacht  werden  oder  ob  sie  mehr  auf  individuellen 
Erfahrungen  beruhen.  Uns  wenigstens  haben  sich  so  trostlose  Resultate 
nur  als  Ausnahmen  aufgedrängt;  wir  sind  aber  auch  noch  nicht  damit 
zufrieden,  wenn  der  Schüler  sich  mit  leidlicher  Richtigkeit  über  ein 


400 


Thema  ausspricht.  Weil  uüb  aber  II.  Coli.  Krällinger  in  seinem  Artikel 
versichert,  dass  so  ziemlich  jeder,  der  in  die  Lage  komme,  deutsch  lehren 
zu  müssen,  in  diesen  Jamroor  einstimme,  und  dies  auch  durch  vielfache 
öffentliche  Klagen  über  geringe  Leistungen  der  Schüler  im  Deutschen 
bestätigt  zu  werden  scheint,  so  fühlen  wir  uns  bei  dem  Standpunkt, 
den  wir  der  Stilistik  und  dem  stilistischen  Unterricht  gegenüber  ein- 
genommen haben ,  gedrungen ,  unseren  Anschauungen  über  das  auf- 
geworfene Thema  im  Nachfolgenden  Ausdruck  zu  geben. 

Was  zunächst  die  von  Coli.  Erallinger  angegebenen  Ursachen 
der  Gedankenarmut  betrifft,  so  sind  dieselben  leicht  als  hinfällig 
nachzuweisen.  Er  sagt  nämlich  selbst,  dass  auch  am  Gymnasium  über 
das  besprochene  Uebel  geklagt  wird  und  H.  Ludwig  Mayer  hat  dies 
erst  jüngst  in  diesem  Bl.  S-  323  am  Schluss  seiner  Abhandlung 
„Schriftliche  Uebungen  in  der  deutschen  Grammatik  für  Sexta" 
bestätigt.  Wenn  dem  aber  so  ist,  dann  kann  weder  die  schlimme 
Einrichtung  unserer  Gewerbschulen,  uoch  die  reale 
Richtung  derselben  und  das  Präponderiren-  der  mathematischen 
Fächer  noch  auch  das  schlechtere  Schüler material  an  jener 
Armut  schuld  sein.  Auch  unsere  ganze  Zeitrichtung  kann  die 
Ursache  der  beklagten  Erscheinung  nicht  sein;  denn  die  Klagen  über 
Gedankenarmut  sind  ja  nicht  neu. 

Keine  von  den  angeführten  Ursachen  ist  daher  stichhaltig  und 
folglich  kann  auch  die  Gedankenarmut  nicht  zur  geistigen  Eigenart  des 
Gewerbschülers  gehören.  Die  Gründe  müssen  anderswo  gesucht  werden, 
denn  die  aufgeworfene  Frage  ist  vor  allem  eine  psychologische  und 
mu8S  daher  zunächst  psychologisch  geprttft'werden. 

Nun  ist  aber  bekannt,  dass  die  Quelle  der  Gedanken  die 
Erfahrung  ist.  Diese  kann  wieder  sein  eine  äussere  =  Sinneswar- 
nehmungen,  Anschauungen  u.  s.  w.  und  eine  innere  =  Empfindungen, 
Gefühle  u.  s.  w. ;  oder  nach  einem  andern  Gesichtspunkt  eine  un- 
mittelbare =  die  Anschauung  des  Gegenstandes  selbst,  eigne  Anschauung, 
eigne  Erfahrung  etc.  und  eine  mittelbare  —  Abbildungen ,  Lektüre, 
Erfahrungen  durch  Unterricht  etc.  Wenn  wir  daher  den  Begriff 
Erfahrung  specialisiren,  so  ergibt  sich:  der  Mensch  bekommt  Gedanken 
durch  Sinneswarnehmungen ,  Anschauungen,  Erlebnisse,  Abbildungen, 
Lektüre,  Unterricht  u.  s.  w.  Nun  weiss  aber  jedermann,  dass  diese  ver- 
schiedenen Erfahrungen  dem  Menschen  erst  allmählich  zu  Teil  werden  und 
ihre  grössere  oder  geringere  Quantität  in  erster  Linie  bedingt  ist  durch 
das  Alter.  Wäre  nun  alles,  was  ein  junger  Mensch  von  14  —  15  Jahren 
schon  erfahren  hat,  sein  bleibendes  geistiges  Besitztum  geworden,  so 
würde  ihm  Niemand  Gedankenarmut  vorwerfen.  Allein ,  wenn  der 
Schüler  im  Aufsatz  über  9eine  Kenntnisse  und  Erfahrungen  Rechenschaft 
geben  soll  ,  so  macht  das  von  ihm  geschaffene  Produkt  nicht  selten 
den  Eindruck  der  Dürftigkeit,  die  man  mit  dem  Namen  „Gedanken  - 


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401 

armut"  belegt  Dieselbe  tritt  —  und  wir  haben  hier  zunächst  die 
unteren  Kurse  im  Auge  —  in  doppelter  Form  auf: 

1.  Viele  Schüler  haben  von  Erfahrungen,  die  sie  täglich  machen, 
wol  einen  Totaleindruck,  vermögen  aber  Ober  dieEinzelheiten 
keinen  Aufschluss  zu  geben. 

2.  Andere  dagegen  haben  vieles,  was  sie  erlebt  und  gelernt  haben, 
im  Geiste  bewahrt;  allein  trotzdem  erscheinen  ihre  Aufsätze 
gedankenarm,  da  sie  es  eben  nicht  verstehen,  ihre  Erfahrungen 
im  Aufsatz  praktisch  zu  verwerten. 

Ersterea  wollen  wir  wirkliche ,  letzteres  scheinbare  Gedanken- 
armut nennen. 

Ausser  diesen  beiden  Formen  tritt  in  den  oberen  Cursen  noch 

3.  eine  neue  Art  von  Gedankenarmut  sporadisch  auf,  die  darin 
besteht,  dass  Schüler,  die  vorher  den  gestellten  Anforderungen  genügten, 
auf  einmal  Aufsätze  liefern,  die  verh  ft  1  tni  asm  äs  sig  dürr 
und  mager  sind.  Dies  ist  die  Folge  einseitiger  geistiger  Ausbildung 
und  wir  werden  sie  daher  als  einseitige  Gedankenarmut  bezeichnen. 

In  diesen  3  Formen  erscheint  erfabrungsgemäss  die  Gedankenarmut 
in  der  Schule,  und  wir  werden  nun  versuchen,  die  Ursachen  einer 
jeden  dieser  Arten  aufzuzeigen  und  Mittel  zu  erwägen,  die  etwa 
geeignet  sein  dürften,  hier  abzuhelfen. 

1.   Ueber  wirkliche  Gedankenarmut. 

Dass  die  Gedanken  aus  der  Erfahrung  entspringen,  wurde  schon 
oben  gesagt.  Wer  daher  gedankenreich  werden  will,  muss  zusehen, 
dass  er  recht  viel  erfahre.  Es  genügt  jedoch  nicht,  sich  die  Dinge 
blos  anzusehen*,  sondern  soll  eine  Erfahrung  bleibendes  Eigentum  des 
Menschen  werden ,  dann  muss  an  ihr  erst  ein  geistiger  Process  voll- 
zogen werden,  durch  den  sie  eben  in  unser  Bewusstsein  und  in  unsere 
Ideenassociation  aufgenommen  wird.  Dieser  geistige  Process  aber 
ist  folgender :  Wenn  ich  eine  Erfahrung  mache ,  muss  ich  sie  mir 
jederzeit  in  ihre  Einzelheiten  zerlegen  und  diese  Einzelheiten 
mir  dadurch  zum  Bewusstsein  bringen.  Denn  nur  das,  was  ich  an 
einer  Erfahrung  unterschieden  habe ,  wird  in  mein  Bewusstsein  ein- 
gehen ;  alles  übrige  aber  geht  nicht  ein  und  kann  daher  nicht  mehr 
reproducirt  werden.  Das  blosse  Anschauen  oder  Hören  hilft  daher 
dem  Schüler  nichts,  wenn  er  vergisst,  das  was  er  gesehen  oder  gehört, 
in  seine  Teile  zu  zerlegen.  Sehr  richtig  sagt  daher  Cbolevius  in  seiner 
„praktischen  Anleitung  zur  Abfassung  deutscher  Autsätze  in  Briefen" 
Leipzig  1868  Brief  8:  „Ihr  seht  nichts,  weil  ihr  nicht  gewohnt  aeid, 
zu  zerlegen!"  und  macht  die  Notwendigkeit  des  Zerlegens  nun  an 
folgendem  Beispiel  klar: 


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402 


„Du  hast  vor  einem  Thore  der  Stadt  ein  sehr  anmutiges  Land- 
schaftsbild gesehen ;  wegen  der  Weite  des  Weges  warst  Du  nie  bis 
dahin  gekommen.  Bei  Deiner  Heimkehr  rühmst  Du  dem  Freund  die 
herrliche  Gegend.  Du  drängst  in  ihn ,  dass  er  sich  ebenfalls  bald 
diesen  Oenuss  bereiten  möge.  Will  er  nun  aber  wissen,  was  in  dem 
Grade  Deine  Verwunderung  erregt  bat,  so  hört  er  wieder  nur  Exkla- 
mationen  und  einige  unbestimmte  abgerissene  Bemerkungen,  aus  denen 
er  nichts  machen  kann.  Du  hast  zwar  einen  Gesammteindruck 
empfangen,  aber  Du  hast  Dir  denselben  nicht  zum  Bewusstsein  gebracht 
und  kannst  deshalb  auch  keine  Rechenschaft  ?on  ihm  geben,  weil  Du 
es  versäumt  hast,  den  Gegenstaud  zu  zergliedern  und  in  seinen  Einzel- 
heiten zu  erfassen.  Wer  sich  aber  diese  Tugend  zu  eigen  gemacht, 
der  wird,  wenn  ihn  eine  schöne  Gegend  ansieht,  nicht  mit  blosser 
Bewunderung  in's  Blaue  hinausstarren:  er  wird  nicht  blos  das  Ganze, 
sondern  auch  die  Teile  warnehmen;  ihm  kann  es  daher  nicht  schwer 
fallen,  die  Reize  der  Landschaft  auf  eine  geordnete,  anschauliche  und 
erschöpfende  Weise  darzulegen,  wie  schon  seine  Betrachtung  und 
Auffassung  selbst  vielleicht  unwillkürlich  durch  eine  gewisse  Methode 
geregelt  wurde". 

Und  was  hier  von  der  Betrachtung  einer  Gegend  gesagt  ist,  das 
gilt  für  alle  Sinneswarnehmungen ,  für  alle  Erfahrungen.  Eine  Er- 
fahrung, die  wir  nicht  in  ihre  Einzelheiten  zerlegen ,  hinterlässt  nur 
einen  verschwommenen  Totaleindruck  und  wird  kein  verwendbarer 
geistiger  Besitz.  Die  Ursache  jener  auffallenden  Erscheinung,  dass 
junge  Leute  selbst  über  das  ,  was  sie  alle  Tage  erleben ,  oft  keinen 
befriedigenden  Aufscbluss  geben  können,  ist  daher  keine  andere,  als 
dass  dieselben  die  Eindrücke,  die  sie  empfangen,  .nicht  in  ihre 
Einzelheiten  zerlegen,  weshalb  ihnen  diese  folgerichtig  auch 
nicht  zum  Bewusstsein  kommen. 

Diese.  Zerlegen  der  Erfahrungen  in  ihre  Einzelheiten  erfordert 
allerdings  eine  ziemliche  geistige  Anstrengung  und  muss  wie  jede 
andere  Fertigkeit  erst  allmählich  erlernt  werden;  ja  es  muss  so 
gründlich  erlernt  werden,  dass  es  uns  zur  Gewohnheit  wird,  so 
dass  wir  jede  Erfahrung  unwillkürlich  und  instinktiv  in  ihre  Einzelheiten 
auflösen.  Damit  aber  haben  wir  bereits  das  Mittel  angedeutet ,  durch 
welches  die  in  Rede  stehende  Art  der  Gedankenarmut  allein  radikal 
geheilt  werden  kann,  nämlich  durch  methodische  Gewöhnung 
ans  Zerlegen  der  Erfahrungen  in  ihre  Einzelheiten. 

Aber  wird  denn  dadurch  nicht  alles  zerstückelt?  Haben  wir  denn 
schliesslich  nicht  blos  Teile  in  der  Hand,  fehlt  leider  nnr  das  geistige 
Band?  Gewiss  nicht.  Das  Zerlegen  ist  nicht  ein  Zerstückeln  der 
Erfahrung,  sondern  es  besteht  darin,  dass  wir  an  einem  Ganzen  die 
Teileuieses  Ganzen  unterscheiden,  wobei  wir  uns  immer  bewusst 


403 


sind,  dass  das  Unterschiedene  ebea  Teile  jenes  Ganzen 
Bind.  Das  Zerlegen  ist  nämlich  eine  Thätigkeit ,  die  analytisch 
and  synthetisch  zugleich  ist:  das  Ganze  wird  in  seine  Teile 
aufgelöst,  aber  ich  bin  mir  dabei  stets  bewusst,  dass  diese  Teile 
zusammengehören  und  in  ihrer  Totalität  eben  jenes 
Ganze  bilden.  Davon  kann  man  sich  jederzeit  leicht  uberzeugen. 
Z.  B.  nehmen  wir  an,  wir  hätten  erst  jüngst  mit  den  Schülern  einen 
Spaziergang  gemacht.  Lassen  wir  nun  den  Verlauf  dieses  Spaziergangs 
stilistisch  bearbeiten,  so  wird  die  Besprechung  dieses  Themas  darin 
besteben,  dass  wir  den  ganzen  Spaziergang  in  seine  Teile  zerlegen.  Wir 
werden  also  den  Schüler  nach  den  Einzelheiten  fragen,  nach  der  nächsten 
Veranlassung,  nach  Zeit  und  Ort^der  Zusammenkunft,  nach  der  Art 
und  Weise,  wie  man  abmarschirte  u.  s.  w.  Durch  diese  Fragen  wird 
der  Schüler  gezwungen  ,  den  ganzen  Spaziergang  in  seine  Einzelheiten 
zu  zerlegen  und  sich  dieselben  dadurch  nochmals  zum  Bewusstsein 
bringen.  Sind  wir  dann  am  Ende  angekommen,  so  fordern  wir  ihn  auf, 
den  ganzen  Verlauf  des  Spaziergangs  im  Zusammenhang  zu  erzählen. 
Und  siehe!  obgleich  nur  zerlegt  wurde,  kann  er  doch  alles  zusammen- 
hängend erzählen,  weil  er  sich  eben  von  Aniang  an  immer  bewusst  war, 
dass  alle  Teile  nur  Teile  jenes  Ganzen  seien;  er  hat  den  Vorgang 
nicht  zerstückelt,  sondern  nur  die  Teile  an  demfelben  unterschieden. 

Es  ist  daher  nicht  zu  fürchten,  dass  auch  ohne  nachfolgende  Syn- 
these die  Analysis  das  Ganze  zerschneide;  doch  ist  es  zur  Befestigung 
des  gesammten  Eindrucks  zweckmässig,  auf  die  Analysis  eine  Synthesis 
folgen  zu  lassen. 

Damit  nun  aber  die  in  Frage  stehende  Art  der  Gedankenarmut 
radikal  geheilt  werde,  ist  es  notwendig,  den  Schüler  recht  oft  Ganzes 
in  seine  Teile  zerlegen  zu  lassen,  so  dass  ihm  das  Zerlegen  allmählich 
zur  Gewohnheit  wird.  Dazu  brauchen  wir  aber  gar  keine  besonderen 
Uebungen  anzustellen,  denn  jeder  Unterricht,  jede  Unterweisung 
ist  ja  thatsächlich  allemal  auch  als  eine  methodische  Schulung  im 
Zerlegen,  Unterscheiden  uud  Zergliedern.  Denn  bei  jedem  Unterricht 
wird  der  Schüler  gezwungen ,  Ganzes  in  seine  Teile  zu  zerlegen, 
Verwandtes  und  Aehnliches  scharf  zu  scheiden  ,  Ursachen  und  Wirk- 
ungen zu  sondern  etc.  So  ist  z.  B.  die  Besprechung  eines  Themas  in 
der  Stilstunde,  die  Besprechung  eines  Lesestückes  und  die  Feststellung 
des  logischen  Zusammenhangs  nichts  anderes  als  ein  solches  Zerlegen 
des  Ganzen  in  seine  Teile.  Dasselbe  geschieht  in  der  Geometrie-, 
in  der  Geschichts-,  in  der  Geograpbiestunde  etc.  Kurz  jeder  Unter- 
richt gewöhnt  den  Schüler  methodisch  an  jene  Thätigkeit ,  von  der  die 
geistige  Ausbildung  so  wesentlich  abhängt;  ist  ihm  aber  dieselbe  ein- 
mal zur  Gewohnheit  geworden,  dann  braucht  er  keinen  Lehrer  mehr, 
der  ihm  alles  zurechtlegt,  dann  ist  er  reif,  sich  selber  fortzubilden. 


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404 


Dass  aber  jeder  Unterricht  mit  der  Zeit  wirklich  diese  Aufgabe 
erfüllt,  wird  durch  die  Erfahrung  bestätigt.  Denn  in  je  höhere  Kurse 
der  Schüler  aufsteigt,  um  so  mehr  .wird  die  hier  in  Frage  stehende 
Gedankenarmut  verschwinden.  Ein  specielles  Mittel,  die  Kinder  von 
Jugend  auf  an  das  Zerlegen  von  Erfahrungen  zu  gewöhnen ,  ist  der 
Anschauungsunterrichjt,  der  aber  die  Gefahr  in  sich  trägt,  nur 
allzuleicht  in  eine  geistige  Spielerei  auszuarten.  Die  erste  Unter- 
weisung im  Anschauen ,  d.  i.  im  Zerlegen,  erhält  das  Kind  schon  zu 
Hause ;  denn  jede  Belehrung ,  die  eine  Mutter  dem  Kinde  über  das, 
was  es  sieht  und  hört ,  gibt ,  ist  thatsächlich  nichts  anderes  als  ein 
erster  Anschauungsunterricht.  Kommt  das  Kind  in  die  Volksschule, 
so  wird  dieser  Unterricht  methodisch  betrieben,  aber  sehr  verschieden, 
je  nachdem  man  eben  das  eine  das  andere  als  Zweck  desselben 
betrachtet  (Siehe  Karl  Richter  „der  Anschauungsunterricht  in  den 
Elementarklassen"  Leipzig  1S69).  Bald  soll  er  die  Kinder  „unterrichts- 
fähig machen",  bald  ihre  „Vorstellungen  klären,  ordnen  und  erweitern", 
bald  im  „richtigen  und  gewandten  Gebrauch  der  Sprache  üben  und 
ihren  Wortvorrat  bereichern"  u.  s.  w.  Alles  das  beweist,  dass  derselbe 
für  die  Entwicklung  des  Kindes  in  vielfacher  Beziehung  nütztich  werden 
kann.  Seine  eigenste  Aufgabe  aber  und  das,  was  für  die  Weiterbildung 
des  heranwachsenden* Knaben  den  bleibendsten  Wert  hat,  scheint  uns 
eine  methodische  Gewöhnung  an  das  Zerlegen  der  Erfahrungen  zu 
sein.  Kommt  er  diesem  Ziel  nahe,  so  ist  alles  Uebrigo,  was  man  sonst 
einseitig  als  seinen  Zweck  hervorhob,  zugleich  miterreicht.  Deshalb 
soll  er  sich  auch  unseres  Erachtens  nicht  blos  auf  körperliche ,  im 
Raum  ausgedehnte  Gegenstände  be'schränken ,  sondern  sich  auch  auf 
das  Zerlegen  von  Thätigkeiten ,  Erscheinungen,  Erlebnissen,  Begeben- 
heiten etc.  erstrecken,  damit  nicht  der  Schüler  nur  Körper  nach  ihren 
Teilen  unterscheiden  lerne,  vor  Begebenheiten,  Thätigkeiten  etc.  aber 
ratlos  dastehe.  Ob  es  aber  zweckmässig  sei,  nach  dem  Vorschlage  des 
Nürnberger  Inspektors  Feuerlein  und  wie  auch  Krallinger  will  aus  der 
Schule  hinaus,  in  die  Natur  selbst  zu  gehen,  darüber  Hesse  sich  wol 
streiten.  Jedenfalls  dürften  sich  solche  Experimente  nur  für  ganz  kleine 
Schulen  empfehlen  und  würden  besser  vom  Vater,  der  Mutter  oder 
einem  Kinderfreund  unternommen.  — 

Die  eben  behandelte  Art  von  Gedankenarmut  verliert  sich,  wie  wir 
erwähnten,  in  Folge  des  fortgesetzten  Unterrichts  mit  der  Zeit  von 
selbst  und  ist  daher  weniger  bedenklich.  Gefährlicher  dagegen  ist  die 
Erscheinungsform  der  Gedankenarmut,  die  wir  jetzt  behandeln  werden. 
Denn  diese  ist  mit  den  bisherigen  Mitteln  nicht  auszurotten  und  lastet 
wie  ein  Alp  auf  Lehrern  und  Schülern. 


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405 

2.   Die  scheinbare  Gedankenarmut. 

Die  scheinbare  Gedankenarmut  besteht  darin ,  dass  der  Schaler 
über  einen  Gegenstand  so  manches  zu  sagen  wüsste,  aber  nicht  die 
Fähigkeit  hat,  seine  Kenntnisse  auch  im  Aufsatz  zu  verwerten. 
Diese  Art  von  Gedankenarmut  ist  es,  über  welche  Coli.  Krallinger 
klagt,  wenn  er  hervorbebt,  dass  die  Schüler  selbst  das,  was  sie  doch 
offenbar  aus  der  Geschichte  und  Geographie  etc.  wissen  müssten,  nicht 
zo  benützen  verstehen. 

Die  Ursache  dieser  Erscheinung  liegt  aber  keineswegs  in 
dem  betr.  Fachunterricht,  also  nicht  am  Geschicbts-,  Geographie-  etc. 
Unterricht,  sondern  gerade  da,  wo  man  sie  merkwürdiger  Weise  nicht 
sucht,  im  deutschen  Sprachunterricht  Man  glaube  doch 
nicht,  dass  man  dem  Schüler  „die  nötige  Anweisung  zur  Verwertung 
der  anderweitig  erworbenen  Kenntnisse'1  hat  zu  Teil  werden  lassen. 
Beim  heutigen  Stand  der  Stilistik  haben  wir  eben  keine  genügende 
derartige  Anweisung.  Mit  nicht  geringem  Erstaunen  haben  wir  daher 
gelesen  (S.  277),  „was  den  stilistischen  Unterricht  betrifft,  so  Messe  es 
nur  ein  Tröpfchen  in»  Meer  giessi  n  ,  wenn  wir  uns  länger  dabei  auf- 
hielten !"  Gerade  hier  ist  der  Sitz  des  Uebels,  hier  muss  still- 
gehalten werden  1 

Man  täusche  sich  nicht  länger  und  gestehe  zu ,  was  nicht 
länger  geleugnet  werden  kann,  dass  nämlich  die  Stilistik,  wie  sie  uns 
vorliegt,  keineswegs  im  Staude  sei,  dem  Schüler  eine  Anleitung  zur 
Abtastung  von  Aufsätzen  zu  sein.  Wer  dies  uur  für  unsere  subjektive 
Meinung  hält ,  der  lese  doch  den  ersten  Brief  der  bereits  erwähnten 
Anleitung  des  Cholevius,  welcher  den  Titel  führt:  „Dass  die  gelehrten 
Handbücher  der  Rhetorik  einem  Schüler  wenig  Nutzen  gewähren" 
und  begreite  danu ,  dass  die  Stilistik  und  Rhetorik  keines- 
wegs das  leisten,  was  sie  versprechen.  Eine  gründliche 
Reform  derselben  ist  dringend  uötig  und  nur  von  einer  solchen 
darf  man  sich  eine  Beseitigung  der  acheiubareu  Gedankenarmut  und 
überhaupt  eine  Besserung  der  Leistungen  der  Schuler  im  Deutschen 
erwarten. 

Bei  der  bisherigen  Methude  kann  nicht  viel  geleistet  werden;  denn 
sie  hiltt  dem  Schüler  weder  auf  methodisch  rationellem  Weg  Gedanken 
finden ,  noch  verhilft  sie  ihm  zu  einer  den  logischen  Anforderungen 
genügenden  Disposition;  sie  ist  unfähig,  ihn  vor  Abschweifungen  zu 
bewahren  und  leitet  ihn  im  Gegenteil  selbst  zu  solchen  au  und  statt 
im  logischen  Denken  methodisch  zu  schulen,  lässt  sie  seiner  Freiheit 
und  Willkür  vollen  Spielraum,  so  dass  die  deutschen  Aufsätze  not- 
wendig jene  durchaus  unbeiriedigende  Gestalt  bekommen,  über  welche 
allgemein  geklagt  wird.  Und  wer  hat  darunter  am  meisten  zu  leiden? 
Der   arme  Schüler.    Die   deutschen  Noten  drücken  beständig  seine 

BUtt,r  f.  d.  bW.  Gymn,-  u.  Bea]-8cbulw.   XI.  J»hrg.  28 


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1 


404 


Dass  aber  jeder  Unterricht  mit  der  Zeit  wirklich  di 
erfüllt,  wird  durch  die  Erfahrung  bestätigt.    Denn  in  je  h 
der  Schüler  aufsteigt,  um  so  mehr  wird  die  hier  in  Fr; 
Gedankenarmut  verschwinden.    Ein  specielles  Mittel ,  die 
Jugend  auf  an  das  Zerlegen  von  Erfahrungen  zu  gew< 
A ns  ch  au  u  n  gs  u  n  ter  r  ic  hjt,  der  aber  die  Gefahr  in 
allzuleicht   in   eine  geistige  Spielerei  auszuarten.  I' 
Weisung  im  Anschauen  ,  d.  i.  im  Zerlegen,  erhält  das 
Hau9e ;  denn  jede  Belehrung  ,  die  eine  Mutter  dem 
was  es  sieht  und  hört ,  gibt ,  ist  thatsächlich  nichts 
erster  Anschauungsunterricht.    Kommt  das  Kind  in 
so  wird  dieser  Unterriebt  methodisch  betrieben,  alx 
je  nachdem  man  eben  das  eine  oBer  das  andere  b 
betrachtet  (Siehe  Karl  Richter    „der  Anschaum 
Elementarklassen"  Leipzig  1869).    Bald  soll  er  die 
fähig  machen",  bald  ihre  „Vorstellungen  klären, 
bald  im  „richtigen  und  gewandten  Gebraiu.li 
ihren  Wortvorrat  bereichern"  u.  s  w.  Alles  da 
für  die  Entwicklung  des  Kindes  in  vielfacher  Bi 
kann.    Seine  eigenste  Aufgabe  aber  und  das, 
des  heranwachsenden* Knaben  den  bleibende 
eine  methodische  Gewöhnung  an  das  Zerl 
sein.    Kommt  er  diesem  Ziel  nahe,  so  ist 
einseitig  als  seinen  Zweck  hervorhob,  i 
soll  er  sich  auch  unseres  Erachtens  ni 
Raum  ausgedehnte  Gegenstände  beschr 
das  Zerlegen  von  Thätigkeiten ,  Erscb« 
heiten  etc.  erstrecken,  damit  nicht  d< 
Teilen  unterscheiden  lerne,  vor  Be1 
ratlos  dastehe.    Ob  es  aber  zweckn 
Nürnberger  Inspektors  Feuerlein  i 
Schule  hinaus,  in   die  Natur  se1 
streiten.  Jedenfalls  dürften  sieb 
Schulen  empfehlen   und  wür 
einem  Kinderfreund  unternor 

Die  eben  bebandelte  Ar 
erwähnten,  in  Folge  des 
selbst  und  ist  daher 
Erscheinungsform  d< 
Denn  diese  ist 
wie  ein 


Ige  des 
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und  Verhältnisse  dar- 
n,  sondern  wie  sie  waren, 
nicht  Geschichte,  sondern 
das  vielfach  vorkommt, 
nn  seine  Schrift  natürlich 
I  ist  aber  auch  nur  an  die 
seine  willkürlich  angelegten 
_  er  muss  sie,  wie  im  Drama, 
»entsprechend  denken,  fühlen^ 
»nicht  thut,  ist  kein  Klassiker, 
Hion  nach  ihrem  Charakter  und 
id  da  der  Klassiker  sie  richtig 
^■r  von  vornherein  denken ,  wie 
Httimmten  Verbältnissen  gehandelt 
Bder  Erklärer  den  Schlüssel  zum 
Eiken.  Hiezu  kommt  natürlich  dann 
■der  Text.  Zusammenhang  und  zw:ir 
■B  Text  und  zwar  der  Text  in  allen 
Brungen ,  geben  das  Verstundniss,  die 

nun,  meines  Wissens,  allgemein  als 
•«Ich  desswegen  verschiedene,  mehr  oder 
ftngsvorscbläge  gemacht,   die  ich  nicht 

■  Text  für  vollkommen  richtig  und  nehme 

■  sie  ja  auch  sonst  vorkommt.  Theramenes 
utt-Tin  avy  roi£  dvyafiiyoig  xai  fxe&*  i'nnuty 
\oXitevity  oder  noXirevea&ui  ngoaSey  uQiozoy 
in  1 < yi: ?./.(, ik  i  ;    allein  während  des  Kedens 

avv   rois  dvyaueyois  (oyekety  noktreveiy  zu 
tet  werden  könnte  und  nun  verbessert  er  das 
ut  dessen  ö  u<  rovuvy ,  worauf  gauz  naturgemäss 
Ureter  übergehen  muss.    Um  nun  diese  meine  Auf- 
Frtigen,  muss  ich  nachweisen  1)  dass  für  den  Thera- 
Tng  da  war,  sich  unrichtig  auszudrücken,  2)  dass  die 
reise  zu  seinem  Schaden  gedeutet  werden  musste  und 
'Veranlassung  hatte ,  sich  zu  korrigiren  und  3)  warum 
;se  Correctio  aufgenommen  hat. 

erkennen,  dass  Theramenes  Veranlassung  hatte,  sich  un- 
izudrücken ,  etwas  zu  sagen ,  was  er  eigentlich  nicht  sagen 
ld  nicht  sagen  durfte ,  muss  man  sich  die  ganze  Situation 
iwärtigen,  in  der  Theramenes  diese  Worte  sprach.    Als  Athen 
Gysander  erobert  worden  war  und  sich  unter  die  spartanische 
Fmonie  beugen  musste,  wurde  daselbst  eine  aristokratische  Regier- 

28* 


f 


äl  •  »BDI  '  D,i.«t>t«,8k 


406 


sonstigen  Leistungen  herunter ;  ratlos  und  verzweifelnd  steht  er  da, 
weil  er  trotz  allen  FUisses  nicht  vorwärts  kommen  kann.  Die  Schuld 
von  dem  allen  aher  ist  die  Aufsatzlehre  seihst  und  die  ganze  Metbode, 
wie  man  den  Schüler  schult.  Wir  brauchten  nur  ein  im  Lande  nicht 
unbekanntes  Stil  buch  aufzuschlagen,  das  „auf  dem  Boden  der  Schul- 
praxis erwachsen"  ist,  wie  es  in  der  Vorrede  heisst  und  das  uns  die 
bisherige  Methode  an  einem  ausgesprochener  Massen  „aus  der  Schul- 
praxis" herausgenommenen  Beispiele  vorführt.  Würden  wir  die  dem- 
selben gebührende  Kritik  hier  beisetzen,  so  wäre  der  klarste  Beweis 
geliefert,  dass  alles,  was  wir  eben  sagten,  leider  nur  zu  wahr  sei. 
Doch  Bei  dies  auf  eine  eventuelle  Provokation  verschoben.  Dagegen 
wollen  wir  nun  kurz  andeuten  ,  nach  welchen  Richtungen  hin  unseres 
Erachtens  eine  Neugestaltung  der  Stilistik  vor  allem  angestrebt 
werden  müsse- 

(Schluss  folgt.) 

Kaiserslautern.  M.  Schiessl  und  W.  Götz. 


Xenopta.  Hell.  II.  8,  48. 

To  fiivjoi  avv  rots  övva  fiivo  iq  xai  fie&  l'nmov  xai 
per'  von  ((f  wv  tuq-.eXeiy  diu  rovrioy  tijv  noXtreiav  ngoa&sv 
uqiOTOV  rtyov /urjV  c/V«*  xai  vvv  ov  (xei(tpnX'Aoiicu. 

Es  ist  ein  ganz  gewöhnlicher  Fehler  bei  Erklärung  der  Klassiker, 
dass  man  das  psychologische  Moment  gar  nicht  oder  zu  wenig  berück- 
sichtigt. Es  handelt  sich  nämlich  nicht  darum,  wie  in  einem  bestimmten 
Falle  die  meisten  Menschen,  wie  ein  ganz  ruhiger,  vollkommen 
objektiver  Mann  gehandelt  kätte  (logischer  Zusammenhang),  sondern 
wie  eine  bestimmte  Persönlichkeit  von  einem  bestimmten  Charakter, 
von  bestimmten  Naturanlagen,  von  einer  bestimmten  politischen  oder 
religiösen  Ueberzeugung  in  einem  ganz  bestimmten  Falle,  unter  ganz 
bestimmten  Verhältnissen  gefühlt,  gedacht,  gesprochen,  gehandelt  hat 
und  handeln  musste  (psychologisches  Moment).  Der  Mensch  ist  ja 
keine  logische  Formel,  kein  abstrakter  Begriff,  sondern  eine  lebendige 
Persönlichkeit  von  Fleisch  und  Blut  und  er  selbst  ist,  wie  auch  seine 
Handlungsweise,  das  Produkt  von  Nnturanlagc ,  Erziehung  und  den 
Verhältnissen.  Von  einem  Klassiker  muss  ich  aber  annehmen,  dass  er 
alle  Persönlichkeiten,  alle  Verhältnisse  richtig  erkennt,  beurteilt  und 
richtig  darstellt.  Wie  im  Drama  der  Dichter  seine  Personen  ihrem 
Charakter  nach,  den  er  ihnen  gibt,  fühlen,  sprechen  und  handeln,  wie 
er  die  ans  den  Persönlichkeiter.  und  Thatsachen  sich  entwickelnden 
Verhältnisse  naturgemäss  aus  einander  hervorgehen  lassen  muss,  so 


* 

407 


.  muss  auch  der  Gescbichtschreiber  dio  Personen  und  Verhältnisse  dar- 
stellen, nicht  wie  sie  sein  konnten  oder  sollten,  sondern  wie  sie  waren. 
Es  müsste  denn  Bein,  dass  ein  Schriftsteller  nicht  Geschichte,  sondern 
einen  historischen  iioman  schreiben  will,  wie  das  vielfach  vorkommt. 
Will  er  aber  einen  Roman  schreiben,  dann  kann  seine  Schrift  natürlich 
keinen  historischen  Wert  mehr  beanspruchen,  ist  aber  auch  nur  an  die 
Gesetze  der  Puesic  gebunden  d.  b.  er  muss  seine  willkürlich  angelegten 
Persönlichkeiten  consequent  durchführen,  er  muss  sie,  wie  im  Drama, 
den  Verhältnissen  und  ihrem  Charakter  entsprechend  denken,  fühlen 
sprechen  und  bandeln  lassen.  Wer  dies  nicht  thut,  ist  kein  Klassiker, 
sondern  ein  Stümper.  Da  aber  jede  Person  nach  ihrem  Charakter  und 
nach  ihren  Verhältnissen  bandelt  und  da  der  Klassiker  sie  richtig 
auffasst  und  darstellt ,  so  kann  ich  mir  von  vornherein  denken ,  wie 
eine  bestimmte  Persönlichkeit  unter  bestimmten  Verhaltnissen  gehandelt 
haben  muss.  Dies  gibt  dem  Leser  oder  Erklärer  den  Schlüssel  zum 
Verständniss  der  Begriffe  und  Gedanken.  Hiezu  kommt  natürlich  dann 
als  zweites  eben  so  wichtiges  Moment  der  Text  Zusammenhang  und  zwar 
psychologischer  Zusammenhang  und  Text  und  zwar  der  Text  in  allen 
seinen ,  auch  den  feinsten  Nuancirungen ,  geben  das  Verständniss,  die 
Erklärung  und  die  Uebersetzung. 

Die  oben  citirte  Stelle  wird  nun,  meines  Wissens,  allgemein  als 
corrupt  bezeichnet  und  es  werden  desswegen  verschiedene,  mehr  oder 
weniger  glückliche  Verbcsserungsvorscbläge  gemacht,  die  ich  nicht 
angeben  will.  Ich  halte  den  Text  für  vollkommen  richtig  und  nehme 
nur  eine  Correctio  an,  wie  sie  ja  auch  sonst  vorkommt.  Theramenes 
wollte  nämlich  sagen:  to  fxivxot,  <reV  roft  övrapivoig  xai  petf  Vnnaw 
xai  fi€i%  <tonid<ov  ojqieleiv  noXatvtiv  oder  noXireveo&ui  nQoadev  uqioiov 
tjyovfjtjv  eivai  xai  vvv  ov  nsTufia\'Ao(iai\  allein  während  des  Hedens 
fällt  ihm  ein,  dass  das  ovv  tqS$  dwauivoig  tocpeXetv  noXitsveiy  zu 
seinem  Schaden  gedeutet  werden  könnte  und  nun  verbessert  er  das 
cvv  rot?  und  setzt  statt  dessen  <tui  tqvtiov,  worauf  ganz  naturgemäss 
noXirevciv  in  tijV  noXiTeiav  übergehen  muss.  Um  nun  diese  meine  Auf- 
fassung zu  rechtfertigen,  muss  ich  nachweisen  1)  dass  für  den  Thera- 
menes Veranlassung  da  war,  sich  unrichtig  auszudrücken,  2)  dass  die 
erste  Ausdrucksweise  zu  seinem  Schaden  gedeutet  werden  mussto  und 
dass  er  also  Veranlassung  hatte ,  sich  zu  korrigiren  und  3)  warum 
Xenophon  diese  Correctio  aufgenommen  hat. 

Um  zu  erkennen,  dass  Theramenes  Veranlassung  hatte,  sich  un- 
richtig auszudrücken ,  etwas  zu  sagen ,  was  er  eigentlich  nicht  sagen 
wollte  und  nicht  sagen  durfte ,  muss  man  sich  die  ganze  Situation 
vergegenwärtigen,  in  der  Theramenes  diese  Worte  sprach.  A1b  Athen 
von  Lysander  erobert  worden  war  und  sich  unter  die  spartanische 
Hegemonie  beugen  musste,  wurde  daselbst  eine  aristokratische  ßegier- 

28* 


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408 


ungsform  nach  dem  Muster  der  spartanischen  eingerichtet.  An  die 
Spitze  des  Staates  traten  30  Männer,  gewöhnlich  die  30  Tyrannen 
genannt,  welche  eiue  Gesetzgebung  entwarfen  und  nach  dieser  regieren 
sollten  (Hell  II,  3,  2),  entsprechend  der  spartanischen  Gerusia.  Diese 
30  Männer  wählten  nun  300t»  Bürger  aus ,  die  natürlich  wie  sie  aristo- 
kratisch gesinnt  und  ihnen  ergeben  waren.  Diese  hatten  allein  politisch« 
Rechte  entsprechend  den  Spartiaten,  während  die  übrigen  7000  Bürger 
ohne  politische  Berechtigung  waren,  gleich  den  Periüken.  Zu  dem 
Collegium  der  30  gehörte  nun  auch  Tberamencs,  der  nicht  unwesentlich 
zur  Knechtung  Athens  beigetragen  hatte.  Allein  Theramenes  kam  bald 
in  Opposition  zu  dem  Vorstande  der  30,  Kritias ,  indem  er  mit  den 
Massregeln  desselben  nicht  zufrieden  war  und  im  Verdachte  stand, 
eine  Umwälzung  herbeiführen  zu  wollen.  Da  klagte  ihn  nun  Kritias, 
offenbar  in  Üebereinstimmung  mit  seinen  Collegen,  eines  Tages  in  einer 
Senatssitzung  des  Verrates  an  und  1  eantragte  gegen  ihn  die  Todes- 
strafe. Es  war  nun  allerdings  ein  Teil  der  Senatoren  ebenfalls  mit  der 
Wirtschaft  des  Kritias  unzufrieden  und  fürchtete,  dass  es  kein  gutes 
Ende  nehmen  werde,  allein  Kritias  schüchterte  sie  ein.  Eine  Abteilung 
der  spartanischen  Besatzungstruppen  staud  vor  dem  Rathhause  und 
junge  Leute  mit  Dolchen  Stauden  an  den  Schrankeu  im  Sitzungssaale, 
um  der  Rede  des  Kritias  den  nötigen  Nachdruck  zu  geben. 

Da  sich  nun  Theramenes  gegen  so  schwere  Anklagen  und  unter  so 
misslichen  Verhältnissen  vertheidigen  muss,  da  nicht  nur  seine  ganze 
politische  Reputation,  sondern  sein  Leben  auf  dem  Spiele  steht,  so  ist 
leicht  erklärlich,  dass  er  sich  in  der  Aufregung  der  Tragweite  seiner 
Worte  nicht  sogleich  bewusst  ist  und  dass  ihm  ein  Gedanke  entschlüpfen 
will,  der  seinen  Feinden  eine  Handhabe  gegen  ihn  geben  kann  und 
dessen  Gefährlichkeit  ihm  erst  während  des  Ausspreebens  klar  wird 

Dass  aber  der  Gedanke  avv  roig  fvntttiytfic  uHfekeiv  noktzevetv  dem 
Theramenes  gefährlich  werden  musste  uud  dass  er  desshalb  Grund 
hatte,  ihn  zu  corrigiren,  lässt  sich  ebenfalls  aus  den  Verhältnissen 
leicht  entnehmen.  Xcbstdem  nämlich,  dass  Kritias  dem  Theramenes 
vorwirft,  er  opponire  gegen  alle  Vorschläge  und  Massregeln,  die  er  im 
Interesse  der  bestehenden  Regierung ''mache,  beschuldigt  er  ihn  auch, 
dass  er  ein  politischer  Achselträger  sei,  immer  seine  Freunde  verraten 
habe  und  nur  seinen  Vorteil  suche.  Und  wirklich  gehörte  auch  Thera- 
menes zuerst,  wie  sein  Adoptivvater  Hagnon,  zur  demokratischen  Partei, 
dann  ging  er  zu  den  Aristokraten  über  und  half  mit  zur  Einsetzung 
der  400,  später  beteiligte  er  sich  am  Stnrze  der  400,  gehörte  dann 
wieder  zur  aristokratischen  Partei,  Hess  sich  von  Lysander  zum  Unter- 
gange  Athens  missbrauchen  und  trat  in  das  Collegium  der  30.  Dess- 
wegen  hatte  er  auch,  wie  ihm  Kritias  in  seiner  Anklagerede  vorwirft, 


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409 


den  Spottnamen  „Cothurn"  bekommen,  weil  dieser  für  jeden  Fuss  zu 
passen  scheint,  im  Grund  genommen  aber  für  keinen  recht  ist. 

Theramenes  behauptete  nun  freilich  in  seiner  Vertheidigungsrede 
die  er  mit  vielem  Geschick  führte,  dass  er  immer  im  Interesse  der 
bestehenden  Regierung  gehandelt  habe  und  dass  er  auch  jetzt  wieder 
das  wahre  Interesse  der  dermaligen  Regierung  vertrete,  weil  sie  sich 
durch  ihre  extreme  Handlungsweise  unmöglich  machen  müsse.  Er 
verwahrt  sich  gegen  den  Vorwurf  der  politischen  Veränderlichkeit,  den 
ihm  Kritias  macht  und  legt  dabei ,  so  zu  sagen ,  sein  politisches 
Glaubensbekenntniss  ab.  Er  gibt  zu,  dass  er  seither  bald  auf  der 
aristokratischen,  bald  auf  der  demokratischen  Seite  stand;  allein  dieses 
sei,  sagt  er,  nicht  aus  Principipienlosigkeit,  sondern  aus  Princip 
geschehen.  Sein  Ideal  sei  eine  gemässigte  Regierungsform,  weder  eine 
schrankenlose  Demokratie  «Ochlokratie),  noch  eine  schrankenlose  Aristo, 
kratie  (Tyraunis).  Desswegen  habe  er  jede  Regierungsform  unterstützt- 
so  lange  sie  sich  in  den  Schranken  der  Mässigung  gehalten  habe. 
Sobald  sie  aber  die  rechte  Grenze  überschritten  habe,  sei  er  gegen 
sie  aufgetreten 

Allein  gegen  ihn  sprach  besonders  sein  schmähliches  Benehmen  gegen 
seine  Mitfrldherrn  in  der  Arginusonsehlaeht,  das  ihm  Kritias  vorwirft 
und  das  er  nicht  widerlegen  kann.  Als  nämlich  die  Schlacht  gewonnen 
war,  machten  sich  die  athenischen  Anführer  auf,  um  ihren  Sieg  zu 
verfolgen,  die  spartanische  Flotte  einzuholen  und,  wo  möglich,  zu  er- 
obern oder  zu  vernichten,  den  Theramenes  aber  und  den  Thrasybulus 
beauftragten  sie,  die  verunglückten  Athener  aufzufischen  und  zu  retten 
oder  wenigstens  ehrlich  zu  bestatten.  Allein  es  entstand  ein  solcher 
Sturm,  dass  die  athenischen  Feldherrn  weder  die  spartanische  Flotte 
einholen,  noch  die  Verunglückten  auffischen  konnten.  Dieses  benutzte 
nun  die  aristokratische  Partei,  um  die  siegreichen  Feldherrn  zu  ver- 
derben und  der  elende  Theramenes  gab  sich  als  Ankläger  her.  Diese 
Handlungsweise  hatte  seinen  politischen  Leumund  getrübt  und  den 
Beweis  geliefert,  dass  es  richtig  sei,  was  ihm  seine  Gegner  vorwarfen, 
nämlich  dass  er  immer  nur  seinen  Vorteil  suche ,  dass  es  ihm  nur 
darum  zu  thun  sei,  eine  Rolle  zu  spielen. 

Unter  diesen  Verhältnisssen  will  ihm  der  Satz  entwischen  arv  roff 
öw(t[i4voiq  tofpekety  noXntx'eiv.  Dieses  musste  nun  offenbar  gegen  ihn 
sprechen  und  musste  gerade  den  Beweis  liefern,  dass  er  überall  an  sich 
denke.  Desswegen  corrigirt  er  sich  und  muss  sich  corrigiren,  indem 
er  ovv  xoig  in  efi«  rovxwv  umwandelt.  Er  will  sagen  und  muss  in 
seinen  Verhältnissen  sagen,  dass  er  eine  gemässigte  Regierungsform 
wünsche,  abgesehen  davon,  ob  er  an  der  Regierung  Teil  habe  oder  nicht. 

Auch  die  auffallende  Stellung  von  dtn  jovxmv  r*?V  noXireiav  statt 
rijV  diu  Tovrutv  noXiritcr  findet  durch  den  bei  der  Correctio  notwedigen 
scharfen  Gegensatz  ihre  vollständige  und  einzig  mögliche  Erklärung. 


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410 


leb  glaube  also ,  dass  die  handschriftliche  Lesung  ganz  richtig, 
dass  weder  etwas  zu  änderu  noch  zu  ergänzen  sei.  sondern  erkläre  die 
Stelle  als  eine  einfache,  in  den  Verbältnissen  wol  begründete  Cotrectio. 

V 

Dillingen.  Geist. 


Hör.  Od.  I.  3. 

In  den  neuen  Jahrbüchern  für  Philologie  und  Pädagogik  (Bd  107 
und  108,  Heft  3  und  4  S  24r>  ff.)  bestreitet  Bartsch  die  Einheit  dieses 
Gedichtes  Er  zerlegt  dasselbe  in  zwei  Teile,  von  welchen  jeder  ein 
fär  sich  bestehendes  Gedicht  bilden  soll  und  zwar  die  zwei  ersten 
Strophen  das  Abschiedsgedicht  bei  der  Abfahrt  des  Virgilius,  und  die 
acht  folgenden  Strophen  ein  Gedicht  Aber  den  Frevel  der  Erfindung 
der  Schifffahrt  und  über  den  menschlichen  Frevel  überhaupt  Es  gebe, 
sagt  er,  zwischen  den  zwei  vorhergehenden  Strophen  und  der  dritten 
Strophe  keine  Gedanken*ermittelung;  denn  es  liege  zwischen  denselben 
eine  Kluft,  die  durch  keine  Ergänzung  irgend  welcher  Art  überbrückt 
werde.  Horaz  habe  nach  den  zwei  ersten  Strophen  nic  hts  Anderes  thun 
können,  als  ruhig  nach  Hause  zu  gehen,  statt  sich  in  fremdartigen 
Deklamationen  zu  ergehen. 

Ich  kann  seiner  Ansicht  und  den  von  ihm  vorgebrachten  Gründen 
nicht  beistimmen. 

Horaz  empfiehlt  in  der  ersten  Strophe  das  Schiff,  auf  welchem 
sein  Freund  Virgil  fährt,  der  Cypris,  den  Dioskuren  und  dem  Gotte  der 
Winde  und  lässt  un9  hieraus  und  aus  der  folgenden  Apostrophe  an 
das  Schiff  selbst  und  aus  der  Bitte  um  Erhaltung  des  Gutes,  das  es 
aufgenommen  hat,  die  innige  Liebe  zu  seinem  Freunde  und  die  Sorge 
um  denselben  erkennen.  Erhalte  ihn  mir,  achliesst  er,  er  ist  mein 
halbes  Leben.  Was  wäre  nach  dieser  Bitte  bei  den  Gefahren,  welchen 
er  seinen  Freund  durch  seine  Seereise  ausgesetzt  sieht,  und  bei  der  be- 
kümmerten Sorge,  mit  welcher  der  Dichter  selbst  dadurch  erfüllt  wird, 
natürlicher  als  der  Ausbruch  in  den  Ausruf:  0  verwünschte  Schiffahrt  1 
0  menschlicher  Frevel !  Gerade  in  diesen  Ausrufen  liegt  nun  die 
Gedankenassociation  zwischen  der  dritten  Strophe  und  den  zwei  vorher- 
gehenden Strophen.  Es  ist  der  Uebergang  von  den  Bitten  und  Wünschen 
um  Erhaltung  eines  Gutes  in  Gefahren  zum  Vorwurfe  gegen  denjenigen 
und  zur  Verwünschung  dessen,  durch  das  jenea  Gut  gefährdet  wird* 
Denn  Nichts  ist  bei  irgend  einem  Leiden  ,  bei  einer  Not ,  bei  einem 
Unglücke,  in  dem  wir  uns  befinden  und  Befreiung  davon  wünschen, 
natürlicher,  als  auf  die  Ursache,  den  Urheber  derselben  zurückzugehen. 
Versetzen  wir  uns  in  die  Wirklichkeit  des  Lebens.   Wenn  Mütter  im 


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411 


letzten  Kriege  ihre  Bitten  und  Wünsche  för  ihre  Söhne  aussprachen 
und  zuletzt  ihren  bangen  Herzenswunsch  „Wenn  er  nur  gesund  und 
glücklich  heimkömmt"  (Et  serves  animae  dimidium  meae)  beigefügt 
hatten,  so  fuhren  sie  nicht  selten  unmutig  klagend  fort:  „Ja  der 
Franzos*j,  der  ist  von  Eisen  und  Stein  (IM  robar  et  aes  triplex  .  .  .); 
der  kann  ungerührten  Herzens  all  das  Unglück  sehen."  ff.  Ist  diesem 
Gedankengange  die  Gedanken  folge  in  drin  horazischen  Gedichte  nicht 
ganz  ähnlich  oder  vielmehr  ist  sie  nicht  dieselbe?  Man  setzo  nur  statt 
Krieg  und  Sohn  Schiffahrt  und  Freund.  Es  ist  eine  Befangenheit,  in 
die  man  durch  die  zwei  ersten  Strophen  versetzt  wird,  wenn  man  den 
logischen  Anscbluss  der  nächsten  Strophe  verkennt.  Man  haftet  eben 
nur  an  den  Wünschen  und  Bitten  jener  Strophen  und  schliesst  damit 
ah,  ohne  der  weiteren  aufgeregten  Gemütsstimmung  des  Dichters  irgend 
eine  Folge  einzuräumen.  Wenn  daher  Bartsch  ineint,  der  Dichter  hahe 
nach  den  zwei  ersten  atrophen  nichts  Anderes  thun  können,  als  ruhig 
nach  Hause  zu  gehen  \  so  erschliesse  ich  aus  dem  bisher  Erörterten 
gerade  das  voll«  Gegenteil.  Der  Dichter  spricht  bei  der  Abfahrt  seines 
Freundes  nicht  blos  Bitten  und  Wünsche  aus,  er  ist  durch  die  Gefahren 
desselben  auch  in  Sorgen  und  Unmut  versetzt.  So  bilden  denn  die 
obigen  Ausrufe  den  wesentlichen  Inhalt  der  folgenden  Strophen;  diese 
sind  der  Nachklang  jener  und  in  ihnen  verschafft  sich  erst  das  gepressto 
rlerz  des  i'ichters  Erleichterung.  Nehmen  wir  diese  weg,  so  lassen 
wir*  den  Dichter,  fast  möchte  ich  sagen,  gedrückten  Herzens  ersticken. 
So  ergiesst  er  sich  nun  im  Folgenden  zunächst  über  die  menschliche 
Frevelhaftigkeit  durch  Erfindung  der  Schiffahrt,  und  indem  er  ihre 
vielen  Gefahren  aufzählt  und  dabei  namentlich  anf  das  adriatische  Meer 
Beziehung  nimmt,  liegt  ebeu  darin  die  Beziehung  auf  seinen  Gegenstand, 
auf  das,  was  sein  Herz  bewegt.  Denn  auch  sein  Virgil  hat  ein  Schiff 
bestiegen,  er  geht  über  das  adriatische  Meer  nnch  Griechenland  und  ist 
somit  allen  den  erwähnten  Gefahren  ausgesetzt.  Diese  Beziehung  ist 
es,  die  denn  auch  die  längere  Ausführung  rechtfertigt,  und  sie  ist  wol 
auch  das,  wovon  Weber  meint,  dass  es  zwischen  den  Zeilen  zu  lesen 
sei.  Aber  keck  und  waghalsig  wie  das  Menschengeschlecht  ist, 
schreitet  es  von  Frevel  zu  Frevel,  und  so  wird  ein  zweiter  Frevel  von 
dem  Dichter  angeführt,  dio  Entwendung  des  Feuers,  die  durch  ein 
neues  Heer  von  Krankheiten  so  grosses  Unheil  über  die  Menschen 
brachte.  Wer  sollt«  nicht  auch  hier  zwischen  deu  Zeilon  lesen?  Die 
Beziehung  auf  seinen  Freund,  der  Nachteil  dieses  Frevels  für  ihn  liegt 
deutlich  vor,  denn  Virgil  ist  krank. 


•)  Napoleon  III.  gemeint. 


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412 


Aus  dem  Erörterten  ist  ersichtlich ,  dass  der  Dichter  nicht ,  wie 
Bartsch  meint,  im  Folgenden  alles  das,  womit  sein  Geist  sich  in  den 
zwei  ersten  Strophen  so  lebhaft  beschäftigte,  vollständig  vergessen  hat. 
Allerdings  enthalten  die  folgenden  Strophen  eine  andere  Gemüts- 
bewegung, aber  eine  solche,  die  mit  den  vorhergehenden  Gedanken, 
den  Wünschen,  Bitten  und  Sorgen  in  vollem  Zusammenhange  steht 
und  aus  ihnen  sich  ergibt. 

Die  Luftschiffahrt  des  Dädalus,  die  seinem  Sohne  das  Leben  kostete, 
der  Gang  des  Herkules  in  die  Unterwelt,  welcher  der  ganzen  Welt- 
ordnung entgegen  lief,  dienen  als  neue  Belege  für  das  frevelhafte 
Streben  der  Menschen ,  bei  dessen  Besprechung  die  Erfindung  der 
Schiffahrt  und  dann  die  Entwendung  des  Feuers  der  nächste  Zweck 
des  Dichters  war.  Die  beiden  neuen  Frevel  erwähnt  er  daher  nur 
kurz  —  sie  stehen  ja  nicht  unmittelbar  in  Beziehung  zu  seinem  Gegen- 
stande, den  Gefahren  und  Leiden  seines  Freundes  —  und  nur  um  eine 
Mehrheit  von  Fällen  und  damit  für  seine  speziellen  Fälle  die  Geltung 
der  Allgemeinheit  zu  gewinnen.  Nach  Anführung  der  einzelnen  Fälle 
spricht  er  sich  nämlich  im  Folgenden  durch  Nil  mortalibus  arduum  est  *) 
allgemein  und  mit  den  Worten  Coelum  ipsum  petimus  stultitia  aufs 
Höchste  steigernd  aus  und  gewinnt  damit  den  beabsichtigten  Schluss. 

Das  Gedicht  zerfällt  sonach  deutlich  in  zwei  zusammenhängende 
Teile  mit  folgendem  Inhalte:  i)  Wünsche  und  Bitten  für  die  Seereise* 
seines  Freundes;  2)  Unmut  über  die  menschliche  Frevelhaftigkeit  Und 
zwar  zunächst  wegen  Erfindung  der  Schiffahrt  und  dann  wegen  der 
Entwendung  des  Feuers. 

Ich  lasse  die  Uebersetzung  des  Gedichtes  folgen: 

Nun  soll  Cypris  die  Mächtige, 

Sollen,  Sterne  so  klar.,  nelenens  Brüder  auch 

Leiten  dich  und  der  Winde  Gott, 

Alle  fesseln  er,  frei  sei  Japyx  nur. 

Schiff!  Virgil  ist  dir  anvertraut 

Und  du  schuldest  ihn  uns;  gib  ihn  dem  attischen 

Land,  ich  flehe  dich,  unversehrt. 

Meiner  Seele  ist  er,  schütz'  ihn,  ihr  halbes  Sein. 

Starres  Holz  und  dreischichtiges 

Erz  lag  dem  um  die  Brust,  welcher  den  schwachen  Kiel 

Gab  zuerst  auf  dio  grimme  See 

Und  nicht  scheute  den  wild  stürmenden  Afrikus, 


•)  II.  XIII  317  ainv,  oi  ieatfrai. 


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413 


Wenn  im  Kampf  mit  dem  Nord  er  ringt, 

Nicht  Hyadenge9türm,  auch  nicht  des  Notus  Wut, 

Der,  wie  Keiner,  auf  Hadria 

Herrscht,  will  legen  die  Flut,  will  er  empören  sie. 

Welchen  Schritt  hat  gescheut  des  Tods, 

Wer  mit  trockenem  Aug  schwimmende  Ungeheur, 
Wer  die  wogende  See  und  des 

Hohen  Donnergebirgs  drohende  Felsen  sah? 

Ja,  vergeblich  hat  Land  von  Land 

Durch  das  scheidende  Meer  göttlicher  Plan  getrennt, 

Wenn  doch  über  die  Fluten  hin, 

ünbetretbar  für  sie,  frevelnde  Schiffe  zieh'n. 

Keck  zu  dulden  das  Schrecklichste, 

Stürzt  in  Frevel  der  Mensch,  wie  auch  verpönt  sie  Bind; 

Keck  trug  Japetos  Sprosse  mit 

Arger  Tücke  der  Welt  zündendes  Feuer  zu. 

Als  das  Feuer  der  Himmelsburg 

War  entwendet,  befiel  Siechtum  und  eine  Schaar 

Neuer  Fieber  die  Welt,  und  war 

Ferngerückt  einst  der  Tod,  seine  Notwendigkeit 

Nahm,  sonst  säumend,  jetzt  raschem  Schritt 
In  die  Oede  der  Luft  wagte  mit  Schwingen  sich 
Düdal,  die  nicht  der  Mensch  erhielt; 
Durch  den  Acherou  brach  Herkules  Kraft  sich  Bahn. 

Nichts  Unmögliches  kennt  der  Mensch; 

Ja  den  Himmel  auch  selbst  stürmen  wir  Thoren  und 

Dulden  frevelen  Sinnes  nicht, 

Dass  den  grollenden  Blitz  Jupiter  niederlegt*). 


*)  Würde  alljährlich  an  jeder  Studienanstalt  nur  eine  Ode  des  Horaz 
von  irgend  einem  Lehrer  metrisch  übersetzt,  so  würden  die  Lehrer  der 
bayer.  Gymnasien  in  kurzer  Zeit  in  den  Besitz  einer  eigenen  Uebersetzung, 
zunächst  der  Oden  des  Dichters ,  gelangen  Ich  würde  mich  freuen ,  wenn 
der  Anfang,  den  ich  mache,  eino  Veranlassung  dazu  werden  könnte. 


/ 


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414 


Horat.  Sat.  I.  7.  9. 

Ad  Regem  redeo. 

Lohrs  beanstandet  diese  Stelle,  weil  der  Dichter  weder  vorher 
allein  bei  dem  Rex  verweilt  habe,  noch  von  ihm  abgekommen  sei, 
indem  er  ihn  eben  noch  mit  Persius  erwähnt  habe. 

Ich  habe  mir  die  Stelle  stets  in  folgender  Weise  zu  erklären  gesucht:  . 

Als  Thema  wird  von  dem  Dichter  die  Rache  des  Persius  an  dem 
Rex  aufgestellt.  Das  ist  nun  freilich  Ironie.  Denn  das  Folgende  zeigt, 
wie  schlecht  er  Bich  gerächt  bat,  gerade  er  ist  der  im  hohem  Grade 
Dlamirte.  Von  dem  aufgestellten  Thema  aber  ist  der  Dichter  durch 
die  längere  Zeichnung  des  Persius  abgekommen,  und  indem  er  nach 
dieser  Abschweifung  zu  seinem  Thena  zurückkehrt,  konnte  er  recht 
wol  sagen:  Ad  Regem  redeo.  Denn  diess  ist  gerade  so  viel,  als  ob  er 
sagte:  Ad  rem  jam  redeo,  i.  e.  jam  dicturus  snw,  quo  pacto  Persius 
Regia  Rupüipus  atque  venemim  ultus  sit.  Die  Aendernng  Lohrs'  durch 
das  von  ihm  in  den  Text  genommene  Moliri  exitium  scheint  mir  daher 
nicht  nötig  und  jedenfalls  zu  gewaltsam.  Ich  würde,  wenn  ich  eine 
Aenderung  für  nötig  hielte,  gerade  die  Worte  Ad  rem  jam  redeo  vor- 
schlagen. Wenn  in  diesen  Worten  bei  rem  das  m  wegfiel,  so  lag  durch 
Ad  re  jam  redeo  die  Aenderuug  in  Ad  regem  redeo  nahe 

Die  folgende  Parenthese  gibt  mir  keinen  Anstoss,  im  Gegenteile, 
ich  finde  sie  trefllich  nach  Zweck  und  Ausführung,  um  die  zwei  Grob- 
heitsbelden  des  Prozesses  recht  lächerlich  zu  machen.  Der  Dichter 
räumt  den  beiden  Zänkern  gleiches  Recht  ein  wie  tapferen  Helden  und 
veranschaulicht  diesen  Gedanken  durch  das  Beispiel  der  zwei  grössten 
homerischen  Helden.  Was  ist  natürlicher,  als  dass  die  Namen  dieser 
die  Klänge  des  homerischen  Epos  in  seiner  Seele  wachrufen?  So  ahmt 
er  denn  den  grossen  Epiker  nach,  und  die  breite,  äebt  epische  Aus- 
führung des  erläuternden  Falles  wird  eben  durch  ihre  Umständlichkeit 
die  herrlichste  Parodie.  Zu  dergleichen  Ausführungen  aber  wird  zur 
Erhöhung  der  Lebhaftigkeit  der  Rede  gerade  die,  ich  möchte  sagen, 
redselige,  Parenthese  benützt.  In  ganz  gleicher  Weise,  wie  hier,  hat 
Homer  {II.  XIII  276  —  287)  eine  ebenfalls  acht/.oilige  Parenthese 
zwischen  den  Vordersatz  und  den  nach  ihr  folgenden  Nachsatz  ein- 
gesetzt. Ich  ziehe  daher  die  Parenthese  der  Verbindung  vor,  welche 
Lehrs  den  Sätzen  gibt,  und  kann  jene  auch  nicht  wegen  ihrer  Länge 
beanstanden. 

Kempten.  •  nannwacker. 


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415 

Ans  der  Schulmappe. 

Fortsetzung  der  MiBcellen  von  A.  Kur«*). 

19.   Andenken  für  einen  jüngst  verstorbenen  Physiker. 

Wer  ist  unter  uns,  kann  man  fragen,  der  nicht  dem  Freiburger 
Professor  J.  Müller,  dem  bekannten  Pouillet- Müller,  Anregung  und 
Belehrung  verdaukte,  insoferne  er  durstig  war  nach  physikalischen 
Kenntnissen?  Ein  Nekrolog  über  ihn  wird  auch  in  der  „Allgemeinen 
Zeitung"  dahier  ersbeinen*')  Hier  möge  eine  Stelle  aus  seinem  Briefe 
vom  15.  April  d.  J.  Platz  finden,  welcher  teilweise  durch  Miscelle  II 
(Seite  124)  veranlasst  wurde,  die  ich  in  einem  Separatabdrucke  an  ihn 
gesendet  hatte:  „Mit  Ihrer  Bemerkung,  dass  man  auch  im  Unterrichte 
wenigstens  annähernd  richtige  Bestimmungen  der  specifischen  Wärme 
ausführen  könne,  erkläre  ich  mich  ganz  einverstanden;  ich  hätte  besser 
meinen  Ausspruch  auf  S.  26  meines  kleinen  Aufsatzes,  der  sich  freilich 
nur  auf  genauere  Bestimmungen  bezieht,  zurückgehalten,  weil  dadurch 
manche  Lehrer  abgehalten  werden  könnten,  die  Versuche  in  der  von 
Ihnen  angedeuteten  Weise  auszuführen4' 

Im  weiteren  Verlaufe  ersucht  mich  der  Briefsteller  um  die  nötigen 
Notizen  über  die  Demonstration  des  Trägheitsmomentes  ,,nach  der  in 
meinem  Lehrbuche  enthaltenen  schematichen  Darstellung'1,  welche  auch 
am  Schlüsse  der  Miscelle  b)  (Seite  22)  angedeutet  ist;  „bei  Ausarbeitung 
einer  neuen  Auflage  meines  Lehrbuchs  könnte  ich  nun  wahrscheinlich 
von  diesem  Arrangement  Gebrauch  machen  etc.-. 

Auch  die  6  Miscelle  weist  auf  Muller'scben  Ursprung  zurück.  Es 
sind  das  nur  kleinere  von  den  Steinen  des  Denkmales,  das  sich  J  Müller 
gesetzt  hat;  aber  viele  kleine  Steine  (ich  deuke  an  die  vielen  Besitzer 
von  solchen)  geben,  wenn  passend  gefügt,  allein  schon  ein  statt- 
liches Haus. 

♦ 

20.  Fortsetung  über  das  Verhältniss  der  spezifischen  Wärme  der  Gase***  ). 

Wie  der  (thermische)  Ausdehnungscoefficient,  so  ist  auch  die  spec. 

c 

Wärme  c  bei  konstantem  Drucke  und  das  Verhältniss     ,  wo  c,  die  spec. 

ci 

Wärme  bei  konstantem  Volum  bedeutet,  je  eineConstante  für  alle  „vollkom- 
menen" Gase.  Am  ausführlichsten  »unter  den  mir  bekannten  Lehrbüchern 

handelt  vou  diesem  -  Wüllner,  2.  Aufl.  187*,  Bd  3,  Seite  419-431. 


•)  S.8.  269-274.    ••)  Ist  erschienen,  s.  Beilage  vom  16.  Okt.  und 
vom  19.  Okt   •••)  S.  Miflcelle  15  Seite  271.| 


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416 


Ich  will  hier  nur  ohne  oder  mit  möglichst  wenig  sogenannter  höherer 
Rechnung  die  strikte  Formel 

c  _  log  p,  —  log  pt 
c,  ~~  log  pi  —  log  p3 
herleiten,   wozu   ich  allerjüngst  durch   den    letzten  Aufsatz*)  von 
f.  J.  Muller  (den  seine  Freunde  mit  dem  Namen  J.  Quadrat  -  Müller 
unterschieden)  angeregt  wurde. 

Bekommt  die  Gewichtseinheit  Gases  die  Wärmemenge  db  von  aussen 
zugeteilt,  so  erfahren  ihr  Drucke,  ihr  Volum  r,  und  ihre  (absolute) 
Temperatur  T  die  Zunahme  dp,  dv,  dT.   Die  Wärmemenge  c,dT  oder 

C|  ifp   dp  ist  zur  Erwärm"ng  t>ei  konstantem  Volum  und  cdT  oder 

c,  j-    dv  bei  konstantem.  Drucke  nötig;   beide  sind  die  Teile  von  dQ 

Bekannt  darf  ich  voraussetzen  das  Gesetz  von  Mariotte  und  Gay  Lussac 
,npt>      p0  v0  (TT        T0        ,  T0  .  M 

w  t  =  ■^•™™^  =  i^tvaaiav-]zt  »  be"or- 

T 

gehen.   Somit  ist  d  Q  —  — —  (c,  v  dp  -f-  c  p  dv). 

Po  ^0 

Ein  spezieller  Fall  hievon  ist  der  sogenannte  adiabatische  Process, 
dass  nämlich  kein  Wärmeaustausch  zwischen  dem  eingeschlossenen  Gas- 
quantum und  der  Aussenwelt  stattfindet:  dQ  —  o  oder  —  =  — —  ^ 

p  cl  v 

Hieraus  erhält  man  das  eine  der  drei  nach  Poisson  benannten 
Gesetze 

—  -  _  1 

~  =  (~y*  und  mit  Hilfe  von  (1)  die  beiden  anderen  = 


Lässt  man  also  von  einem  abgesperrten  Gasquantum  (px  T,  vt) 
wobei  Tl  gleich  der  äusseren  Temperatur ,  aber  p,  grösser  als  der 
äussere  Druck  ist,  plötzlich  einen  Teil  heraus,  so  dass  px  und  T,  auf 


pt  und  T2  herabsinken,  so  ist  nach  <2)  (^V*  =  (ffi* 

und  wenn  die  innere  und  äussere  Temperatur  sich  wieder  ausgeglichen, 
wobei  pt  auf  p3  steigt,  gilt  nach  (1) 


•)  Poppendorff  Ann.  Bd  154  S.  113  -  127  (1875)  Leider  ist  dieser 
Aufsatz  ein  nachgelassener  des  im  Januar  d.  J.  kaum  29  Jahre  alt  ver- 
storbenen Züricher  Professors. 


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417 

£  =  A 

und  aus  den  beiden  letzten  Gleichungen  erhält  man  durch  Elimination 

T 

von  y  die 

zu  beweisende  Formel, 

21.    Die  Schallgeschwindigkeit  in  der  Wärmelehre. 

(Fortsetzung  der  Miscellen  15  und  20)  Ich  habe  gerade  §.  180  in 
Recknagel's  Compendium  (Stuttgart,  Meyer  und  Zeller  1874)  aufge- 
schlagen, um  die  Formel  pv~  *         abzuleiten,  worin  p  und  v  die 

frühere  Bedeutung  hoben,  n  die  Anzahl  der  im  Würfel  v  =  x*  ein- 
geschlossen gedachten  Gasinoleküle ,  m  die  Masse ,  u  die  mittlere 
Geschwindigkeit  eiues  der  nach  allen  Richtungen  umherschwirrenden 

Gasmoleküle  bedeuten.  Auf  die  Fläche  x*  stossend,  da  "  Moleküle  in  dem 

2  x 

Zeitintervallc  — ,  welches  zwischen  den  zwei  konsekutiven  Stössen 
u 

desselben  Moleküles  an  derselben  Wand  verstreicht   Also  ist  die  Zahl 

der  Stösse  in  der  Zeiteinheit  und  per  Flächeneinheit  ^— -    •  Und 

«5  x       £  X 

da  ein  (elastischer)  Stoss  die  Quantität  der  Bewegung  2  m  u  bedeutet, 
so  ist  der  Antrieb  der  Kraft  (des  Gasdruckes,  Zeit  =  1). 

V  —  g"^j  «  2  w Ii  oder  pv  —  — ^— 
1 

(die  lebendige  Kraft  g-  n  m  u*  proportional  der  absoluten  Temperatur 

T  geset2t,  so  hat  man  nebenbei  das  oben  gebrauchte  Gesetz  von  Mariotte 
und  Gay  Lussac  als  notwendige  Folgerung  der  mechanischen  Gastheorie). 

Denkt  man  sich  nun  mit  Stefan*)  die  Würfel  so  gestellt,  dass  die 
durch  zwei  Gegenecken  gezogene  Diagonale  senkrecht  zu  den  Schichtung«' 
ebenen  der  Verdünnung  und  Verdichtung  (bei  der  Scballfortpßanzung) 

1 

steht  —  dann  sind  alle  Moleküle,  und  nicht  etwa  bloss  -  derselben, 
in  gleicher  Weise  bei  der  Fortpflanzung  beschäftigt  — ,  so  ist  u  =. 
VV$;  also  pv  —  nm  F*,  oder,  die  Dichte  q  =  ™  eingeführt,  F  = 


IL    Das  ist  Newton's  Formel. 

Diese  bleibt  aber  bekanntlich  hinter  der  gemessenen  Schall- 
geschwindigkeit (in  der  atmosphärischen  Luft  z.  B.)  merklich  zurück 


•)  Poppendorfif  Ann.  Bd.  118,  S.  494-496.  (1868.) 


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418 


und  Laplace  hat  dieselbe  mit  dem  oben  öfters  verzeichneten  Faktor  - 


V  —  l/—  •  —  mit  den  Messungen  stimmte  (zr3J0m  rand). 
f  q  c, 

Jetzt  komme  ich  wieder  auf  die  genannte  Abhandlung  von  J.  J.  Müller 
zurück,  worin  letztere  Formel  als  eine  einfache  theoretische  Folgerung 

dp 

sich  ergibt.  Es  ist  nämlich  principiell  _  J       —  q  der  gewöbnliche 

(isothermische)   Elastizitätsmodul ,   and   durch  Vergleicbung   mit  der 
Folgerung  p  dv  4-  t;  dp  =  0  des  Mariotte'schen  Gesetzes  ersieht  man, 
p  =  q. 
Nun  folgt  aus 

dT  dT 
dQ  =  c,       dp  -\-  c  jj-  dv  =  0  (Miscelle  20) 

dp  c  dp  dp  e       dp  c 

f  =  -f  oder  -3—  -  =  .  .  r    —     .  a 

dv         ct  dv         dv  :  v         et    dv  :  v  c, 

aber   kann    der   adiabatische   Elastizitätsmodul    q'  genannt 


werden,  welcher  demnach  mit  dem  gewöhnlichen  q  in  der  einfachen 

Beziehung   steht   q'  =  — ,  qx  unter  qi   und  q  jetzt  die  absoluten 

Werte  verstanden.  Also  heisst  endlich  die  obige  Correktur ,  welche 
Laplace  an  der  Newton'scben  Formel  vornahm,  im  Sinne  der 
mechanischen  Wärmetheorie  ganz  einfach  und  nach  kurzem  Nachdenken 
so  zu  sagen  selbstverständlich:  In  der  Newton'schcu  Formel  darf  nicht 
der  gewöhnliche,  sondern  es  muss  der  adiabatische  Elastizitätsmodul 
eingesetzt  werden. 

22.   Der  elementare  „freie  Fall"  als  spezieller  Fall. 

Ein  Stein  m  fällt  aus  bedeutender  Höhe  y  (Luftleere)  normal  zur 
Erdoberfläche  (4  n  r»)  herab;  mit  welcher  Geschwindigkeit  v  und  nach 
welcher  Zeit  t  langt  er  an? 

Lösung : 

.0 


s- 


a  r2 

mg'  dy  wo  g'  =  .  £J — _  nach  Newton's  Gesetz. 


Also  I)  t>*  =  2  gr*  (  -J—  +  -)  =  2^r 

Wenn  y  klein  gegen  r,  so  wird  v*  =  2  gy 

Ferner  wird       =         =  |/^oder*=  -1=  |V^EI% 

<tt       f  r  +  y  y<igr  )   V  y 


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419 

l  /~T~/  r~  r      i  +  y+  Vry  +  y\ 

2 

Wenn  y  klein  gegen  r,  80  wird 

•  =  VrF[^  +  ;*0+¥  +  »VD] 

Ich  hatte  zuerst  den  ganzen  Logarithmus  vernachlässigt,  welche 
Inkonsequenz  im  Annäberungskalkul  mir  zuerst  durch  die  Nichtüber- 
einstimmung mit  der  Formel  des  freien  Falles  sich  enthüllte.  In  diesem 
Falle  müssto  man  auch  das  dem  Logarithmus  vorhergehende  Glied 
weglassen,  wodurch  man  zu  der  in  gewissem  Sinne  auch  richtigen 
Lösung  t  —  o  gelangte. 

23.   Aufgabe  über  dynamische  Stabilität 

Eine  Mauer  hat  die  Länge  l  und  das  Gewicht  y  der  Cubikeinheit; 
ihr  Querschnitt  besteht  einfachster  Weise  aus  dem  Rechtecke  ab  und 

c  b 

dem  gleichschenkligen  Dreiecke  -c- :   welche  Arbeit  ist  zum  Unikanten 

m 

erforderlich  ? 
Autwort: 

*>ly  (a  +  |^  (V^-  +  **  —  w<>l>ei  die  Höhe  des  Schwer- 
punktes,   sich  ergibt  aus  der  Gleichung        -f-        bx  =  ab  .  ~ 

+  *(•  +  *>' 

Statt  dessen  rechneten  mehrere  der  besseren  Schüler  so,  als  ob 
jene  Arbeit  zerfiele  in  die  zwei  Teile:  Arbeit  der  Hebung  des  Rechteck 
Schwerpunktes  plus  Arbeit  der  Hebung  des  Dreieckschwerpunktes  (beide 
auf  die  grösstmügliche  Höhe).    Sie  kamen  nämlich  zu  dem  Resultate 

-  *  (VF?  -  0 +^  "  (W -<*+3->) 

Durch  Fehlen  lernt  man.  Die  Vergleichung  beider  Resultate  zeigt, 
dass  erstens  das  Rechteck  zu  hoch  gehoben  worden,  und  zweitens  dass 
ausserdem  die  Mithilfe  des  Dreieckes  vernachlässigt  worden  war,  dessen 
Schwerpunkt  zuerst  die  Vertikale  über  dem  Umkautungspunkte  erreicht 


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420. 

und  von  da  ab  fällt,  während  der  Schwerpunkt  des  Rechteckes  noch 
gehoben  werden  mnss. 

24.   Aufgabe  Qber  zusammengesetzte  Momentenfläche. 

Durch  eine  Polemik  Ober  die  in  der  8.  Miscelle  S.  122  vorgeführte 
Momentenfläche  ward  ich  zur  Lösung  folgender  Aufgabe  veranlasst: 

Ein  prismatischer  Balken  AB  vom  Gewicht  Q  und  der  Länge  c 
ist  an  beiden  Enden  A  und  B  frei  aufgelegt  und  noch  durch  das 
äussere  Gewicht  P  in  dem  Punkte  C  belastet,  wobei  AC  —  a,  BC  —  b  \ 
0  heissc  der  Mittelpunkt  von  AB;  a  sei  grösser  als  6 

P verteilt  sich  also  auf  die  Lagerstätte  A  als  P&  und  auf  B  &hP°  ; 

c  c 

denkt  man  sich  C  als  Einmauerungstelle,  so  findet  man  als  die  von  P 

ab 

herrührende  Momentenfläche  das  Dreieck  ABB  mit  der  Höhe  CD  —  P  -  . 

c 

Hinsichtlich  Q  dient  0  als  Einmauerungstelle;  ^istaufl  gleich- 

mässig  verteilt;  demnach  ist  OE  —        die  Höhe  der  Spitze  E,  in 

welcher  sich  die  beiden  symmetrischen,  zu  AB  konvexen  Parabeläste 
schneiden,  welche  mit  AB  die  daherige  Momentenfläche  einscbliessen. 

Nun  sind  die  aufeinanderfallenden  Ordinaten  der  beiden  Momenten- 
flächen zu  addiren.  Die  so  zusammengesetzte  Momcntenrluche  hat  die 
Gerade  AB  und  eine  Curve  AB  als  Begränzung,  welch  letztere  augen- 
scheinlich zwei  Diskontinuitätspunkte  besitzt,  D'  und  E'  vertikal  über 
C  und  O.  Auch  sieht  mau  im  Voraus,  dass  die  drei  Aeste  BD ,  D'E\ 
E'A  zu  AB  konvex  sein  müssen. 

Zum  Ueberflus8e  will  ich  noch  die  Gleichungen  der  drei  Aeste 
ohne  Abkürzungen  hinschreiben,  wobei  A  als  Ursprung,  AB  als 
Abscissenaxe  dienen  soll: 

AE')   y  =  P--  .  -  +  ^  .  —  yoü^o  bis  x  =  2 
ED')    y\=P*cb  .  I  +  gl  .  -^JL  von  *  =  |  bis  .  =  a 

D'B)    y  =  P±>  .  ^  ^  +  «|  •  7^  ?V  V°n 

Der  sogenannte  gefährliche  Querschnitt  ist  entweder  in  0  oder 
in  C;  die  Entscheidung  hierüber  liegt  in  den  bezüglichen  Ordinaten 

OE'  ss  p|  4-  g|  und  CD'  =  P~  +  Welche  von  beiden 


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421 


die  grössere ,  ist  dem  numerischen  Beispiele  vorbehalten.  Zieht  man 
statt  der  Parabene  die  Geraden  (Sehnen)  AE' ,  ED',  D'B,  so  hat 
man  bei  dieser  bequemen  Annäherung  keines  der  Momente  zn  klein, 
man  hat  nur  stellenweise  etwas  zu  grosse  Bieguogsmomcnte  verzeichnet, 
so  dass  hieraus  uur  das  Gegenteil  einer  Gefährdung  der  nötigen  Festig- 
keit  des  Balkens  entspringt.  Die  Gleichungen  dieser  Geraden  auch  noch 
aufzustellen,  halte  ich  an  diesem  Orte  für  entbehrlich. 


> 

Beziehung  zwischen  Bild-  nnd  Gegeustandswelte  bei  sphärischen 

Linsen.   Ton  C.  Bender. 

Bei  der  Entwicklung  dieser  Beziehung  werden  folgende  Voraus- 
setzungen gemacht.  Es  wird  die  Dicke  der  Linse  als  sehr  klein  ver- 
nachlässigt und  es  werden  nur  solche  Strahlen  in  Betracht  gezogen, 
bei  welchen  die  EintrittBwinkel  «  und  «'  sehr  klein,  also  die  Sinus- 
linien mit  den  Kreisbogen  verwechselt  werden  können.  Die  Ablenkung 
D  ist  vom  Prisma  bekannt,  D  —  «  -|-  «,  _  Anderseits  ist 

Aussenwinkel  <D=:<ö-f<J3,  folglich  <  O  +  <  B  =  « 
+  «»  -  iß  +  /»«)• 

Ferner  «  =  ßn  und  «,  —  /?,*>,  wenn  mit  n  der  Brechungscoef- 
ficient  aus  Luft  in  Glas  bezeichnet  wird. 

Also  <  G-h  <  B ■  ä  ßn  «+-  fitn  —  (ß  +  flt) 
oder  <  ö-f-  <  5  =  (n  -  1)  0  +  /*,). 

Da  ß  +     =  <  ÄH-  <  r,  so  felgt 

<0+<  2>  =  («•  -  I)  (<a+<r). 

Werden  die  den  G,  .B,  i2,  r  entsprechenden  Bogen  gleich 
gross  angenommen,  so  kann  man  die  selber  als  den  sie  einsch liess- 
enden Radien  umgekehrt  proportional  setzen.    Man  wird  daher  auch 

setzen  können   ^  -f-      —  (n  -  1)  ^-g  -f-         wobei  wir  mit  den 

Buchstaben  selber  zugleich  die  Entfernung  der  betreffenden  Punkte 
von  der  Linse  bezeichnet  haben. 

Die  gegebene  Ableitung  der  Beziehungen  zwischen  Bild-  und 
Gegenstandsweite  bei  sphärischen  Linsen  dürfte,  indem  sie  allen  un- 
nötigen trigonometrischen  Apparat  ausschliesst,  an  Einfachheit  nichts 
zu  wünschen  übrig  lassen.  Ihr  pädagogischer  Wert  liegt  in  dem 
direkten  Anknüpfen  an  verhältnissmässig  Einfaches  und  Bekanntes. 


felittu  f.  d.  bayer.  Gymn.-  u.  Re*l- Schul  w.   XL  Jahrg.  29 


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422 


Der  Triumphzug  des  Gerrnanicag.  Eine  Studie  von  Anton  Lins- 
majer.    Mönchen  1875 

Der  Verfasser  erklärt  im  Vorworte,  er  habe  die  Tor  liegende  Studie 
MS  persönlichem  wissenschaftlichem  and  patriotischem  Bedürfnisse 
gemacht,  er  veröffentlich*  sie  als  deutschen  Grass  aas  Bajern  znr 
Enthüllungsfeier  des  Hermannsdenkmals  im  Teutoburger- Walde.  „Ich 
gewann  bei  der  Untersuchung  der  Thatsachen  Anhaltspunkte,  dass  raeine 
Erwartung  (Tacitus  möge  gegen  Strabo  Recht  behalten,  die  Gemahlin 
and  der  Sohn  des  Arminius  seien  nicht  im  Triumphzuge  des  Germanicus 
als  Gefangene  aufgeführt  worden)  durch  den  geschichtlichen  Sachver- 
halt bestätigt  werde,  und  so  fohlte  ich  mich  beglückt,  weil  sich  mir  ein 
dunkler  Punkt  in  der  Geschichte  zu  Gunsten  unserer  Nationalehre 
aufhellte'4.  „Der  Wunsch",  beisst  es  später,  „das  störende  Gefühl 
nationaler  Schmach  mir  bei  der  Erinnerung  an  den  26.  Mai  des  Jahres  17 
n.  Chr.  Geburt  auf  das  richtige  Mass  zu  beschränken,  trieb  mich  dazu, 
die  Nachrichten,  die  uns  aus  dem  Altertum  über  den  Triumphzug  des 
Germanicus  erhalten  sind ,  zusammenzustellen  und  mit  einander  zu 
vergleichen" 

Zu  diesem  Zwecke  werden  nun  S.  5  —  9  die  auf  unsere  Frage 
bezüglichen  Inschriften  vorgeführt,  S.  9  —  18  die  einschlägigen  Nach- 
richten der  alten  Autoren ;  S  18  —  23  wird  die  Uebereinstimmung 
dieser  Nachrichten  mit  dem  Berichte  des  Tacitus  dargethan,  jedoch 
abgesehen  von  Strabo;  die  Zusammenstellung  des  Strabonischen  Berichtes 
mit  dem  des  Tacitus  und  die  Be-  resp.  Ver  -  urteilung  des  ersteren 
füllt  als  der  Ilaaptteil  die  übrigen  66  Seiten. 

Als  Ergebniss  der  Untersuchungen  wird  angenommen: 

1)  Der  Triumphzug  des  Germanicus  war  ein  unberechtigter  (S.  42); 

2)  a)  Der  Bericht  des  Tacitus  steht  mit  den  Angaben  des  Strabo 
über  das  Schicksal  der  Gemahlin  und  des  Sohnes  des  Arminius  in  un- 
lösbarem Widerspruch  (S.  62); 

b)  Vom  wissenschaftlichen  Standpunkte  aus  ist  daher  die  Be- 
hauptung ,  dass  die  Gemahlin  des  Arminius  und  ihr  Sohn  vor  dem 
Triumphwagen  des  Germanicus  als  Gefaugene  geführt  wurden,  als 
historische  Wahrheit  nicht  zu  erweisen  t  S.  88). 

Mit  dem  ersten  dieser  Resultate  hat  es  keine  Not:  durch  die  ein- 
stimmigen Berichte  des  Altertumes,  Strabo  im  Zusammenhalte  mit 
Tacitus  nicht  ausgenommen,  die  der  Verfasser  in  dankenswerter  Weise 
gesammelt  bat,  ist  dieses  ausser  allen  Zweifel  gestellt.  Um  so 
schwieriger  wird  der  Kritik  ihre  Aufgabe  bei  dem  zweiten  gemacht, 
zumal ,  wie  wir  oben  gesehen ,  die  Absicht  des  Verfassers  eine  so 
anerkennenswerte,  ja  bestechende  ist. 

Unbestritten  bleibt  doch  wol,  dass  der  für  Rom  und  die  Tiberius- 
herrschaft  eingenommene  und  gleichzeitig  lebende  Asiate  und  ein  Jahr- 
hundert später  der  von  tiefer  innerer  Entrüstung  über  die  Zustände 
Roms  ergriffene  und  mit  unverkennbarer  Vorliebe  nach  Germanien 
ausblickende  Römer  den  in  Rede  stehenden  Triumphzug  mit  ver- 
schiedenen Augen  betrachten  und  nach  verschiedenem  Massstabe  beur- 
teilen mu&sten,  dass  folglich  Tacitus  von  seinem  Standpunkte  aus  gute 
Gründe  haben  mochte,  und  wäre  der  allein  massgebende  auch  nur 
Gleichgiltigkeit  gewesen,  eine  Sache  mit  kurzen  wol  bemessenen  Worten 
abzutbun,  die  der  redselige  Grieche,  vielleicht  unter  dem  unmittelbaren 
Eindrucke  schreibend,  einer  eingehenderen  Erwähnung  wert  erachtete. 


423 


Straho'a  eigenes  Wort  ro  Myeiv  oi>  rov  p>)  ehtevai  or)uti6r  ianv 
mag  hier  aaf  Tacitus  volle  Anwendung  finden. 

Der  Verfasser  freilich  urteilt  ander«  Kr  vergleicht  die  Darstellung 
des  einen  mit  der  de9  andern  Ihr  in's  Minutiöse  und  sucht  scharfsinnig 
Widersprüche  zu  eruiren,  teilweise  von  betrachtlicher  Tragweite,  an 
die  bisher  niemand,  gedacht. 

Wenn  auch  nicht  in  Abrede  gestellt  werden  kann,  dass  hiebei  die 
Motivirung  mitunter  auf  die  Spitze  getrieben  wird  und  so  ernstes 
Kopfscbütteln  veranlasst,  so  gelingt  es  dem  Verfasser  vielfach  eben  so 
unleugbar,  die  gegenteilige  Beweisführung  sehr  zu  erschweren  oder  sie 
doch  auf  das  Gebiet  zu  beschränken,  auf  dem  sich  die  eigene  bewegt, 
das  der  Möglichkeit,  im  günstigsten  Falle  der  Wahrscheinlichkeit 
Es  werden  aber  dabei  historische  und  antiquarische  Fragen  von  nicht 
geringer  Bedeutung  behandelt. 

Ich  beschränke  mich  hier  auf  die  kurze  Erörterung  eines  einzigen 
Punktes,  allerdings  desjenigen,  in  welchen:  meines  Erachtens  dem  Ver- 
fasser am  leichtesten  beizukommen  ist ,  mit  dem  aber  auch  das  zweite 
Resultat  der  Linsniayer'schen  Studien  steht  und  fallt:  Woher  hat  Strabo 
seine  angeblich  aller  historischen  Grundlage  entbehrende  Notiz? 

Creuzers  schon  wiederholt  bekämpfte  Annahme,  Strabo  habe  dem 
Triumphzuge  vom  Jahre  17  n.  Chr  als  Augenzeuge  augewohnt,  be- 
streitet L.  lebhaft  mit  weder  besseren  noch  schlechteren  Gründen  als 
jüngst  noch  Schroeter  in  seiner  Dissertatio  de  IStrabonis  itineribus 
p.  II  glaubhaft  zu  machen  suchte,  Strabo  habe  das  Ende  seiner  Tage 
in  Rom  verlebt.  So  erwünscht  völlige  (Jcwissheit  wäre  über  diese  zur 
Evidenz  nicht  zu  lösende  Controverse ,  so  wenig  beruht  doch  auf  ihr 
allein  für  unsere  Zwecke  die  Entscheidung.  Auch  Strabo's  Persönlich- 
keit wird  hier  nicht  umgangen  werden  dürfen 

Wer  Straho's  Schriften  kennt,  wird  ihm  den  von  Ritter  (Geschichte 
der  Erdkunde  und  der  Entdeckungen  8  114)  zuerkannten  „sehr  ge- 
sunden und  geübten  Blick"  nicU  absprechen  wollen.  Belanglosere 
Versehen  und  vereinzelte  erb  Midiere  lirmmer,  wie  sie  L.  teils  nach 
andern,  teils  durch  selbstangestelitc  Beobachtungen  vermehrt  S  26  und 
64  f.  vorführt,  beeinträchtigen  Kitters  vollberechtigtes  Wort  nicht. 
\\  ol  aber  wäre  es  um  .struho's  Wert  geschehen  und  es  In  sse  sich  von 
seinen  Schritten  als  von  einem  ».höchst  schätzbaren  Werke"  nicht  sprechen, 
könnte  ihni  nachgewiesen  werden,  dass  er  eine  so  bestimmt  und  ib  tuillirt 
gegebene  Nachricht,  wie  die  vom  Triuuiphzug  des  Germanicus  lediglich 
einem  schlecht  unterrichteten  römischen  Kauffabrer  nacherzählt  habe 
(S.  33) ,  oder  gar  einem  miles  gloriosus ,  iler  vielleicht  als  Quartier- 
macher des  Germanicus  für  die  ori»  ntalische  Expedition  im  Jahre  17 
n.Chr.  ihm  voraus  nach  Kleinasien  ging  oder  verabschiedet  als  Matrose 
in  die  Nähe  von  Silistria  kam  und  dem  Strabo  vorprahlte,  indem  er 
Namen,  die  er  halb  unrichtig  gehört  oder  im  Gedächtniss  behalten 
hatte,  in  ungeeigneten  Zusammenhang  bnirhte"  (S.  64).  So  hätte  ein 
Strabo  ge  chriftstellert,  an  dem  Forbiger  I,  308  „fast  übertriebene 
Gründlichkeit  und  Genauigkeit"  tadelt,  der  Blatt  um  Blatt  gegen  die 
angesehensten  Autoren  in  unerbittlicher  Polemik  um  Wichtiges  uud 
Nichtwichtiges  rechtet  1  So  nicht  etwa  in  leichtlebiger  Jugend  oder  über 
längst  vergangene  Zeiten  ,  sondern  an  der  Neige  eines  erfahrungs- 
reichen greisen  Alters  über  eine  aller  Welt  bekannte  Prunkfeier,  noch 
dazu  unmittelbar  nach  Vollendung  der  Festlichkeiten  1  (S  31)  So  nach- 
dem er  43  Bücher  Iotoqixu  ü  inuit^uju  geschrieben  als  Fortsetzung 
eines  gleich  streitlustigen  Historikers,  wie  er  selbst  ist,  des  Polybiusl 

29' 


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1 


424 


Vermag  ich  sonach,  patriotische  und  anderweitige  Herzenswünsche 
bei  Seite  gelegt  und  einzig  und  allein  der  historischen  Wahrheit  zuge- 
wandt, das  zweite  Kesultat  der  Untersuchung  nicht  allein  als  kein  end- 
giltig  genügendes  zu  bezeichnen  (S.  27),  sondern  rnuss  ich  dieses  viel- 
mehr ein  für  allemal  al->  unerweisbar  erklären,  so  bindert  das  nicht, 
die  hiemit  angezeigte  Studie  der  Leetüre  eines  thunlichst  weiten 
Leserkreises  angelegentlichst  zu  empfehlen.  Abgesehen  von  der  wol- 
tbuenden  Wärme  für  eine  ehrenvolle  Geschichte  unsers  weitern  Vater- 
landes, die  allenthalben  aus  dem  Schriftchen  spricht,  ist  dasselbe  bis 
in's  Kleinste  planmässig  angelegt,  durchweg  wissenschaftlich  gehalten, 
vorzüglich  geschrieben  und  für  die  Behandlung  derartiger  Fragen 
vielfach  geradezu  mustergiltig  Insbesondere  werden  jüngere  Fach- 
geooBsen  aus  den  eben  so  inhaltsreichen  als  schön  ausgestatteten 
und  sauber  corrigirten  Blättern  in  hohem  Grade  Anregung  und 
Belehrung  schöpfen. 

Speier.  Mark  hauser. 


Kleine  Grammatik  der  deutschen  Sprache  nebst  einem  Abriss  der 
deutschen  Metrik  und  Poetik  von  Dr  F.  W.  R.  Fischer.  Nicolai'schc 
Verlagsbuchhandlung  in  Berlin.    1875.   5.  Auflage. 

Ueber  die  Notwendigkeit  eines  systematischen  Grammatik - 
Unterrichts  auf  Mittelschulen  sind  die  verschiedensten  Ansichten  in 
Umlauf,  die  in  dem  Gegensätze  von  nichts  und  alles  gipfeln.  Die 
Anhänger  der  ersteren  scheiuen  zum  Teil  die  Modernen  zu  sein, 
hoffentlich  aber  nur  desshalb,  weil  nicht  selten  durch  die  Mangel- 
haftigkeit der  Methode  des  grammatischen  Unterrichts  dieser  selbst  in 
Misskredit  gekommen  ist.  Dass  deutsche  Grammatik  auch  auf  unsern 
Gewerbschuleu  und  ähnlichen  Bihiungsanstalten  gelehrt  werden 
müsse,  dafür  sprechen  praktische,  nationale  und  allgemein 
pädagogische  Gründe.  Freilich  wäre  es  ebenso  verkehrt,  wollte 
man,  besonders  an  unsern  technischen  Schulen,  darauf  das  Haupt- 
gewicht beim  deutscheu  Unterricht  legen,  so  dass  die  Erstrebung  der 
praktischen  Fertigkeit  im  Aulsatzschreiben  und  die  Pflege  der  Leetüre 
in  den  Hintergrund  träte. 

Das  oben  erwähnte  Büchlein  scheint  mir  zwischen  dieser  Scylla 
und  Charybdis  glücklich  hindurchzuführen.  Es  enthält  auf  75  Oktav- 
seiten die  wichtigsten  Gesetze  unserer  Muttersprache,  an  Beispielen 
trefflich  erläutert  Daran  schliefst  sich  in  *20  Seiten  eine  Besprechung 
der  wichdgsteu  Lehren  der  Metrik  und  Poetik.  Wir  haben  ein  Werkcheu 
vor  uns,  das  unter  den  mir  bekannten  Büchern  ähnlichen  Schlages  eine 
hervorragende  Stellung  einnimmt  Uebtrall  last  sich  die  methodische 
Sicherheit  und  Klarheit  erkeunen.  Für  die  Brauchbarkeit  des  Büchleins 
dürfte  wol  schon  die  Tatsache  sprechen,  dass  es  innerhalb  einer  kurzen 
Reihe  von  Jahren  fünfmal  aufgelegt  wurde. 

Welches  sind  nun  die  wichtigsten  empfehlenden  Eigenschaften  an 
dem  Buche?  Abgesehen  von  der  Uebersichtlichkeit,  welche  es 
zum  guten  Teil  dem  bedeutenden  Unterschied  der  Lettern  verdankt, 
scheint  vor  allem  eine  Erbsünde  der  meisten  üblichen  Ge^ammatikeu 


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425 


abgestreift  zu  sein,  nemlich  die  unseligen  logischen  Defini- 
tionen von  Satz,  Sprache,  Muttersprache  u.  s.  w.  Bekanntlich  haben 
solche  Dinge  für  die  Jugend  bis  zu  einem  gewissen  Alter  nur  den  Wert 
einer  Gedäcbtnisquälerei.  Definitionen  gehören  ausserdem  weder 
wissenschaftlich,  noch  vom  Standpunkt  der  Methodik  aus  an  den  Anfang. 
Im  vorliegenden  Buche  ist  ganz  richtig,  wo  eine  derartige  Erklärung 
nötig  schien,  der  genetische  Weg  eingeschlagen.  Der  Autor  stellt  sich 
in  der  Regel  nicht  die  Krage  „Was  ist  das  Ding?",  sondern:  „wie 
wird  es?,  was  tut  es?,  oder  wozu  dient  es?u. 

Die  Anwendung  der  lateinischen  Terminologie  und 
die  Fernhaltung  aller  orthographischen  Neuerungen 
schliessen  sicher  keinen  Vorwurf  in  sich. 

Besonders  möchten  aber  die  Abschnitte  von  den  Präpositionen 
und  Konjunktionen,  die  dem  Schulmanne  häufig  die  grössten  Schwierig- 
keiten bereiten,  Erwähnung  verdienen.  Bei  der  Lehre  von  den  Präpo- 
sitionen bat  offenbar  das  praktische  Moment  den  Ausschlag 
gegeben,  und  daher  kommt  die  Klarheit  des  betreffenden  §.  Dass  die 
Lehre  von  den  Konjunktionen  in  die  Syntax  verwiesen  ist,  zeigt  von 
pädagogischem  Tukt  des  Autors.  Der  Abschnitt  von  der  Ableitung  der 
Wörter  hat  den  Vorzug,  dass  auf  die  Bedeutung  der  wichtigsten 
Ableitungssilben  1  ingewiesen  ist,  so  dass  der  Schüler  zum  Nach- 
denken angeregt  wird  und  nicht  geistlos  an  die  Stammsilben  seine  Vor  - 
und  Nachsilben  anklebt. 

Doch  sind  mir  auch  einige  weniger  empfehlende  Dinge  aufgefallen. 
So  teilt  der  Verfasser  die  Lehre  von  der  Rechtschreibung  in  folgende 
vier  Abschnitte  ein:  I  Die  Umlautung,  II.  Die  Verlängerung,  III.  Die 
Dehnung,  IV.  Die  Schaffung;  dazu  kommt  ein  „Nachtrag",  welcher 
das  Notwendigste  über  die  Schreibung  einzelner  Laute  enthält  Beim 
ersten  Blick  glaubte  lob,  die  Nummer  II  müsse  mit  III  zusammenfallen. 
Aber  bei  näherer  Iii tracbtiH'g  stellte  sieb  diese  Meinung  als  Irrtum 
heraus,  denn  eh  handelt  sich  dort  um  die  Regel:  „Weisst  du  nicht,  ob 
du  am  Ende  eines  Wortes  das  Zeichen  für  einen  weichen  oder  für 
einen  harten  Mitlaut  setzen  sollst,  so  verlängere  das  Wort  in  irgend 
einer  Weise". 

Demnach  ist  aber  obige  Einteilung  nicht  richtig,  da  ihr  ein  ein- 
heitlicher Einteilungsgrund  fehlt. 

Unrichtig  ist  die  Regel  über  den  Gebrauch  des  Punktes, 
welche  heisst :  „Der  Punkt  steht  nach  jedem  Satze,  welcher  einen  in 
sich  abgeschlossenen  (iedanken  darstellt",  denn  hienach  stellte  z.  B.  der 
Sats:  „Hätte  doch  die  ganze  Welt  dieselben  moralischen  Grundsätze  1" 
keinen  in  sich  abgeschlossenen  Gedanken  dar  Auch  dürfte  es  sich 
empfehlen,  an  dieser  Stelle  die  andern  Fälle  anzugeben,  in  denen 
gleichfalls  ein  Punkt  steht. 

An  vielen  Schwächen  scheint  mir  die  Partie  vom  \kkusativobjekt 
zu  leiden.  „Dor  Accusativ",  heisst  es,  „steht  bei  allen  transitiven 
Verben".  Schlägt  man  nun  8.  25  auf,  um  zu  erfahren,  was  denn  unter 
einem  transitiven  Verb  zu  verstehen  sei,  so  erhält  man  die  wenig  in- 
struktive Weisung,  dass  diejenigen  Verba  transitiv  seien,  welche  den 
Acc.  regieren.  Es  heisst  also  obige  Kegel  auf  gut  deutsch :  „Den 
Accusativ  regieren  die  Verba ,  welche  den  Accusativ  regieren" ,  eine 
Lehre  übrigens,  die  auch  zu  den  Erbsünden  unserer  Grammatiken  zu 
gehören  scheint.  Ich  werde  bei  dieser  Manier,  den  Schüler  im  Kreis 
herum  zu  führen,  stets  an  den  Och=en  im  Faust  erinnert  nnd  bedauere 
die  Jungen  ,  welche  die  Rolle  desselben  zu  Übernehmen  haben.  Wenn 


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man  kein  gemeinschaftliches  Merkmal  für  diese  Kategorie  von  Verben 
findet,  so  zähle  man  einfach  einige  von  ihnen  auf.  Ich  sehe  auch  nicht 
ein,  was  die  Erklärung  des  Wortes  „transitiv"  in  der  Etymologie  zu 
tun  hat.  Seiten  heisst  es  dann  unter.  Nr  4,  „bei  manchen  subjektiven 
Verben  stehe  auch  ein  Accusativohjekt,  z  B.  er  starb  den  Tod  für's 
Vaterland".  Der  Heisatz  „aber  nur  in  gewissen  Verbindungen"  liesse  sich 
mit  Leichtigkeit  durch  etwas  Bestimmtes  ersetzen.  Diese  Tatsache  tritt 
nemlich  bekanntermassen  da  ein,  wo  das  Substantiv  dem  Begriffe  nach 
mit  dem  Verb  zusammen  füllt  (inneres  Objekt).  Dass  dann  die  Accu- 
sative,  welche  bei  Adjektiven  und  Verben  „zur  Bezeichnung  der  Aus- 
dehnung von  Raum  und  Zeit,  Mass ,  Gewicht  und  Wert"  stehen ,  eben- 
falls unter  den  Objekten  figurieren ,  obwol  sie  „nicht  als  Objekte  zu 
betrachten  sind",  nimmt  mich  wunder.  Map  setze  sie  eben  hin,  wohin 
Bie  naturgemäss  gehören,  unter  die  Adverbialien. 

Zum  Schlüsse  nur  noch  eine  Bemerkung!  Auf  Seite  57  findet  sich 
folgender  Passus  :  x 

„b)  Das  doppelte  Objekt.    Dem  Herrn  befehlen  wir  unsere 

Wege.    Er  schilt  mich  einen  Narren.    Ihr  beraubet  mich 

meiner  Kinder. 

Der  erste  Satz  enthält  ein  Dativ-  und  ein  Accusativobjekt ;  der 
zweite  Satz  enthält  zwei  Accusativobjekte  und  der  dritte  ein  Accusativ  - 
und  ein  Genitivobjekt."  Ich  führe  diesen  ganzen  Absatz  an,  weil  in  ihm 
ein  methodisches  Prir.cip  zur  Anwendung  gebracht  ist,  das  meiues 
Erachtens  bei  allen  Grammatikgesetzen  zur  Geltung  kommen  sollte, 
nemlich  das  Anschauungsprincip.  Erst  Beispiele  und  dann  die 
Regel!  Das  braucht  man  indes  nicht  so  auszulegen,  als  müsste  man 
den  Schüler  das  betr.  Sprachgesetz  selbst  aus  dem  Beispiele  heraus- 
finden lassen,  sondern  dasselbe  soll  vielmehr  vor  den  Augen  des 
Schüler 8  von  dem  Lehrer  entwickelt  werden.  Man  könnte  dagegen 
einwenden,  dies  Verfahren  halte  sehr  lange  auf;  allein  das  so  Gelernte 
ist  dann  auch  kein  blosser  Gedächtniskram,  sondern  lebendiges  Eigen- 
tum. Gewichtiger  könnte  vielleicht  der  Einwurf  erscheinen,  dass  die 
Anwendung  dieser  Methode  auf  Mittelschulen,  also  auch  an  unsern 
Gewerbschulen,  gewissermassen  überflüssig  sei,  da  die  aus  der  Volks- 
schule kommenden  Knaben  die  wichtigsten  Spracbgesetzc  bereits  auf 
diesem  Wege  erlernt  unH  infolge  dessen  nur  eine  Auffrischung  nötig 
haben,  die  auf  dogmatische  Weise  rascher  herbeigeführt  werde.  Diese 
Ansicht  hätte  etwas  für  sich,  wenn  tatsächlich  alle  in  höhere  Schulen 
Eintretenden  dieselbe  Vorbereitung  mitbrächten,  was  aber  bekanntlich 
nicht  der  Fall  ist.  Dabei  ist  ja  immer  eine  abwechslungswcise  dog- 
matische Behandlung  einzelner  hiezu  besonders  geeigneter  Abschnitte 
Dicht  ausgeschlossen. 

Für  den  Fall,  dass  vorliegendes  Büchlein  eine  weitere  Auflage 
erlebt,  dürfte  auf  vorstehende  Bemerkungen  Rücksicht  zu  nehmen  sein. 
Es  könnte  auf  diese  Weise  für  Gewerb-  und  ähnliche  Schulen  eine 
sehr  gute  Sprachlehre  geschaffen  werden. 


München. 


H.  Krallinger. 


427 


Gottfried  Ebener'«  französisches  Lesebuch  für  Schulen  und  Erzieh- 
ungsanstalten in  vier  Stufen.  Herausgegeben  von  Georg  Storme. 
Stufe  I,  14.  Auflage.    Hannover.    Verlag  von  Carl  Meyer.  1875. 

Die  mir  vorliegende  1.  Stufe  dieses  Lehrbuches  enthalt  grössten- 
teils Fabeln,  leichtere  naturgoschichtlicbe  Beschreibungen  und  geschicht- 
liche Merkwürdigkeiten  abwechselnd  mit  Dialogen.  Haas  sich  das  Buch 
als  brauchbar  erwies,  beweist  wol  der  Umstand,  dass  es  bereits  in  der 
14.  Auflage  erscheint.  Dennoch  ist  es  mir  nicht  einmal  klar,  ob  es 
beim  Schüler  die  Erlernung  der  unregelmässigen  Verba  voraussetzt 
oder  nicht,  da  die  am  Ende  im  ausführlichen  Wörterverzeichnis«  bei- 
gesetzten Erläuterungen  in  dieser  Beziehung  sehr  unbestimmt 
sind  So  wird  z.  B.  Nro  5  gesagt:  „vit  von  wir,  v.  irr.,  sehen". 
Weiss  der  Schüler  die  unregelmässigen  Verba  bereits,  so  ist  es  höchst 
verwerflich,  ihm  durch  derartige  Erläuterungen  zu  Hilfe  zu  kommen; 
er  schlage,  wenn  ihn  sein  Gedächtniss  im  Stiche  lässt,  in  seiner  Gram- 
matik nach.  Weiss  er  sie  noch  nicht,  so  ist  ihm  obiger  Aufschluss 
nicht  genügend,  um  vit  übersetzen  zu  können  Diese  Unbestimmtheit 
setzt  sich  bis  zum  Schluss  fort;  z  B  Nr.  91:  „meurs  von  mourir,  v.irr., 
sterben"  Von  den  Bemerkungen,  die  der  Verfasser  über  den  Gebrauch 
des  Buches  den  Lehrern  gibt,  heisst  die  erste:  „Der  Lehrer  lese 
jeden  8atz  seinen  Schülern  so  oft  vor,  bis  sie  jedes  einzelne  Wort 
desselben  richtig  nachzusprechen  vermögen.  Besonders  schwierige 
Wörter  werden  in  ein  Heft  eingetragen  und  von  Zeit  zu  Zeit  wieder- 
holt". Wie  ist  diese  Anweisung  zu  verstehen?  Soll  der  Lehrer  den 
Schülern  diese  Lesestücke  so  und  so  oft  vorlesen,  ohne  dass  diese  von 
den  ersteren  präparirt  sind?  Wie  oft  würde  man  ihnen  da  wol  Nr.  7 
(Les  cr%8  des  animaux)  vorlesen  dürfen !  Oder  soll  der  Lehrer  den 
Schülern  beim  Vorlesen  die  Uebersetzung  geben,  wobei  diese  dann  die 
schwierigen  Wörter,  die  ohnehin  alle  im  Wörterverzeichnisse  vom  Ver- 
fasser Stück  für  Stück  gedruckt  gegeben  sind,  in  ein  Heft  eintragen? 
%  Kurz,  ich  glaube,  dass  das  Erste  immer  die  Präparation  des  Schülers 
sein  müsse  Die  übrigen  6  Anleitungen  scheinen  ganz  zweckdienlich;  nur 
müsste  dem  französischen  Unterrichte,  um  so  zu  verfahren,  eine  gegen 
andere  Gegenstände  hervorragende  Anzahl  von  Stunden  zugemessen  sein. 

München.  Dr.  Wallner. 


Liierarische  Notizen. 

Piatonis  8y  mposium  in  usum  studiosae  juventutis  et  achol- 
arum  cum  commentario  critico  edidit  Georg  Fer  dinand  Bettig. 
Halis  in  libraria  orphanotrophei  a.  1875.  VI  und  86  Seiten,  gr.  8. 
Wenn  auch  gerade  kein  liedürfniss  zu  einer  neuen  kritischen  Aus- 
gabe des  platonischen  Symposions  vorlag,  so  ist  doch  die  vorliegende 
trefflich  ausgestattete  Ausgabe  dieses  Dialoges,  welche  für  die  studier- 
ende Jugend  und  zum  Zweck  von  Vorlesungen  bestimmt  ist,  mit 
Freuden  zu  begrüssen ,  da  sie  auf  ueuen  Kollationen  beruht  und  die 
Leistungen  neuerer  Kritiker  eingebend  berücksichtigt,  so  dass  hier  zu 
einem  gründlichen  Studium  des  Dialoges  eine  Fülle  von  Material 
geboten  ist.  Bei  der  guten  t  Ueberlieferung  des  Textes  tritt  natürlich 
die  Konjekturalkritik  mebr'iu  den  Hintergrund  —  von  eigenen  Ver- 
mutungen des  Herausgebers  sei  erwähnt:  189  B  »JJij  (Jij£»jaeff$a*  für 
ijrrij^oSf« ,  197  E  £v  X6X<?  statt  iv  Xoyy  und  220  D  Uutovw  statt 


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'iwrwv  —  und  die  Annahme  von  Interpolationen,  die  der  Herausgeber 
an  einigen  Stellen  zu  erweisen  sucht,  entbehrt  meist  der  Sicherheit. 
Eine  besondere  Aufmerksamkeit  ist  d*>n  grammatischen  Fragen  ge- 
widmet Wie  weit  man  hier  den  Handschrifteo  folgen  dürfe,  ist  schwer 
zu  bestimmen.  Wenn  z  B.  193  E  gegen  die  Autoritat'der  Handschriften 
Zvvfjdij  geschrieben  wird,  so  erscheint  es  doch  nicht  konsequent,  wenn 
anderwärts  den  Handschriften  so  viel  Wert  beigelegt  wird,  das9  192  E 
die  Form  «ff eiv,  4  Zeilen  zuvor  aber  d'voiv  aufgenommen  wird.  Oder  ist 
es  wahrscheinlich,  dass  Piaton  iunerhalb  weniger  Zeilen  in  den  Formen  so 
wechselte?  Eine  unpraktische  Einrichtung  des  Buches  ist,  dass  die  Zahl 
der  Zeilen  nur  von  10  zu  10  statt  von  5  zu  5  am  Rande  bezeichnet  ist; 
auch  hätte  eine  grössere  Sorgfalt  auf  die  Revision  des  Druckes  ver- 
wendet werden  sollen,  da  im  Texte  und  im  Kommentar  nicht  wenig 
Fehler  stehen  geblieben  sind. 

Homers  Odyssee    Erklärende  Schulausgabe  von  Heinr.  Dttntzer 
I.  Heft     II   Abteilung.    Buch  IV  —  VIII.     Zweite  ,  neu  bearbeitete 
Auflage.    Paderborn,  Verlag  von  Schöningh.    1875.    1  M.  50  Pf. 

Uebungen  zur  Repetition  der  lateinischen  Syntax,  entworfen  von 
Dr.  Karl  von  Jan.  2.  vermehrte  Auflage  Landsberg  a.  W.  bei  Schäffer 
&  Comp.  1876.  Pr.  70  Pf.  Das  Büchlein  ist  von  43  auf  72  Seiten 
angewachsen;  das  Neuhinzugekommene  umfasst  neben  den  früheren 
Regeln  noch  die  abhängigen  Bedingungssätze,  die  Fragen  mit  an  u.  a. 
Im  üebrigen  ist  die  Einrichtung  die  gleiche  geblieben.  Vergl.  Bd.  X 
8.  334  dieser  Blätter. 

Illustrationen  zur  Topographie  des  alten  Rom.  Mit  erläuterndem 
Texte  für  Schulen  herausgegeben  von  Christoph  Ziegler,  Prof.  in 
Stuttgart.  Drittes  Heft,  erste  und  zweite  Abteilung  Verlag  von  Paul 
Neff.  Tafel  IX.  Möns  Capitolinus.  X.  Möns  Palatinus.  XL  und 
XII.  Amphitheatrum  Flavium  (Colusseum). 

Aufgaben  zum  Uebersetzen  aus  dem  Deutschen  in's  Lateinische 
für  Secunda  in  genauem  Anschluss  an  die  Grammatik  von  Ellendt - 
Seyflert  und  an  die  lateinische  Leetüre  von  Paul  Klaue  ke  Berlin, 
Verlag  von  W.  Weber.  1875.  242  S.  in  8.  Pr.  2  M.  80  Pf.  Der 
Verfasser  geht  von  dem  richtigen  Satze  aus,  dass  der  Secunda  die 
Aufgabe  zufalle,  das  grammatische  Wissen  zu  erhalten  und  zu  er- 
weitern. Für  diesen  Zweck  (und  nur  für  diesen,  nicht  auch  für 
Stilistik)  bietet  das  vorliegende  Buch  Materialien,  ohne  dass  ein  wesent- 
licher Fortschritt  vom  Leichteren  zum  Schwereren  ersichtlich  wäre, 
aber  mit  ausdrücklicher  Benennung  der  Abschnitte  aus  der  Gramm., 
auf  die  sich  die  Debungsstücke  zumeist  und  zunächst  erstrecken.  Da 
sich  die  Uebersetzungsstücke  an  die  Klassenlektüre  (Liv  XXI.  XXII.  Cic. 
Arch,  Dqot.  Cot.  I  —  TV,  Rose.  A.,  Ligar.,  d.  imp.  Cn.  Pomp.,  Laelius  ; 
Sali  )  anschliessen ,  so  ist  die  Phraseologie  sehr  sparsam  und  be- 
schränken sich  die  Noten  mehr  auf  Fragen  und  Warnungen,  iu  welcher 
Hinsicht  wohl  zu  weit  gegangen  ist,  wenn  auch  die  am  Schlüsse  ange- 
hängte „alphabetisch  geordnete  Erläuterung  der  Anmerkungen"  vielfach 
aushilft  Die  grammatischen  Verweisungen  beziehen  sieb  dem  Zwecke 
und  der  Anlage  des  Buches  entsprechend  auf  Ellendt- Seyffert. 

Ausführliche  Erläuterung  des  allgemeinen  Teiles  der  Germania 
des  Tacitus.  Von  Dt.  Otto  Baumstark,  o.  Prof.  der  Univ.  Freiburg. 
Leipzig;  T.  0.  Weigel.  1875.  744  S.  in  8.  Preis  8  fl.  45  kr.  Nach- 
dem  der  Verfasser  in  der  Vorrede  die  bisherigen  Leistungen  auf  diesem 


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Gebiete  als  ungenügend  bezeichnet  and  damit  das  Erscheinen  seines 
Werkes  in  diesem  Umfange  begründet,  spricht  er  in  den  „Vorbemerk- 
ungen1' von  dem  Charakter  der  „Germania" ,  ihrer  bandscbrittlichen 
Ueberlieferung ,  speziell  von  der  Ueberschrilt  und  vom  „Inhalt"  des 
allgemeinen  Teiles,  um  dann  mit  grosser  Fach  -  und  Literaturkenntnis 
in  27  Kapiteln  alle  einschlägigen  Fragen  zu  behandeln.  Die  Ausführ- 
lichkeit und  Vollständigkeit,  mit  der  das  geschieht,  verleibt  dem  Werke 
in  der  Tat  den  Wert  einer  kleinen  Germania -Bibliothek.  In  seinem 
Urteil  über  Andersgläubige,  unter  denen  bi  sonders  Holtzmann  schlimm 
wegkommt,  tritt  der  Verfasser  mit  sclbstbewusster  Schärfe  auf;  die 
Bedeutung  des  Buches  liegt  denn  auch  mehr  in  seiner  negativen  Seite, 
soferne  gar  manche  falsche  Auffassung  und  Erklärung  aus  alter  und 
neuer  Zeit  wobl  für  immer  abgethan  wird,  ohne  dass  der  Verfasser  selber 
immer  zu  unumstößlichen  positiven  Resultaten  kommt.  Eine  auf  Ein- 
zelnes eingehende  Besprechung  des  bedeutsamen  Werkes ,  dem  der 
Kommentar  zum  speziellen  Teil  in  Bälde  folgen  soll,  bleibt  vorbehalten. 

Anhang  zu  Homers  Ilias  »Schulausgabe  von  K.  F.  A  m  eis  3.  Heft.  Er- 
läuterungen zu  Gesang  VII— IX.  von  Dr.  C.  Hentze.  Leipzig,  Teubner,  1875. 

Römische  Geschichte  in  kürzerer  Fassung.  Von  C.  Peter.  Halle, 
Verlag  der  Buchhandlung  des  Waisenhauses  1875.  591  S.  in  gr.  8. 
Pr.  7'  t  M.  Nicht  ein  Auszug  aus  der  dreibändigen  Geschichte  Roms 
des  verdienten  Verfassers,  sondern  eine  dnrehaus  selbständige  Arbeit, 
zunächst  bestimmt  den  reifereu  Schülern  des  Gymnasiums  als  Hand- 
buch zu  dienen,  aber  auch  für  Lehrer  wohl  brauchbar  und  dem  grösseren 

Sebildeteu  Publikum  sehr  zu  empfehlen.  Unter  Verzichtleistung  auf 
ie  Erörterung  streitiger  Punkte  sind  die  Tbatsachen  in  einfacher  und 
klarer  Sprache  dargestellt  und  Bedeutung  und  Zusammenhang  derselben 
zur  Anschauung  gebracht.  Selbständiges  Studium  der  Quellen  und 
Hilfsmittel  ist  bekanntlich  ein  wesentliches  Verdienst,  des  Verfassers; 
darnach  ist,  wie  das  grössere  Werk,  so  auch  die  vorliegende  Ausgabe 
zu  beurteilen,  die  allen  Freunden  der  römischen  Geschichte,  eines  der 
lehrreichsten  Teile  der  Weltgeschichte,  bestens  empfohlen  werden  kann. 

Die  Geschichten  des  Herodot.  Deutsch  von  Dr.  Heinrich  Stein. 
In  2  Bänden.  Oldenburg  Ferdinand  Schmidt,  1875  Pr.  9  M.  Der 
verdiente  Herausgeber  der  kommentierten  Ausgabe  sowie  der  kritischen 
Textausgabe  des  Herodot  hat  hier  in  seböuer  Ausstattung  eine  Ver- 
deutschung geliefert,  die  gebildete  Leute  ohne  Kenntnis  der  griechischen 
Sprache  mit  einem  der  interessantesten  und  anziehendsten  Schriftsteller 
des  Altertums  bekannt  machen  und  befreunden ,  daneben  aber  auch 
Fachgelehrten  Dienste  leisten  kann 

Erzählungen  aus  der  Geschichte  für  den  ersten  Unterricht  in 
Gymnasien  nnd  Realschulen  zusammengestellt  von  Karl  Kappes. 
5.  verb.  Aufl.  Freiburg  i.  B.  Fr.  Wagner'sche  Buchhandlung.  1875. 
Die  neue  Aufl.  des  hier  schon  wiederholt  angezeigten  Werkes  (s.  Bd 
V  S  60  nnd  Bd.  10  S.  32)  hat  keine  wesentlichen  Aenderungen  erfahren, 
wohl  aber  erhielten  ei!izelne§§.  cinr  schärfere  Abgrenzungoder  Erweiterung. 

Siebentes  Jahreshelt  des  Vereines  Schweizerischer  Gymnasiallehrer. 
Aarau,  1875.  Bei  U.  R.  Sauerländer  08  S.  iu  gr.  8  Das  Heft  enthält: 
1)  Protokoll  der  lünfzehnteu  Jahresversammlung  in  Ölten,  Okt.  1874. 
Besonders  interessant  ißt  darin  ein  Vortrag  von  Prof.  K.  Thomann 
über  die  Einrichtung  der  Realgymnasien  und  die  sich  daran  knüpfende 
Discussion.   2)  Biographie  des  Prof.  Dr  W.  Vischer.   3)  Verzeichniss 


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der  im  Jahre  1874  erschienenen  Programme  der  Schweizerischen  Gym- 
nasien. 4)  Verzeichniss  der  eingegangenen  Bacher  und  Schriften. 
6)  Verzeichniss  der  Vereinsmitglieder. 

Der  Mentor.  Notiz -Kalender  für  Schüler  für  das  Jahr  1876. 
Altenburg.  Verlag3handlung  von  H.  A.  Pierer.  Pr.  60  Pf.  Enthält 
ausser  dem  eigentlichen  Kalender  u.  A.  geschichtliche  und  geographische 
Tabellen,  historische  Notizen  für  jeden  Tag,  Tabellen  zu  Lektionsplanen , 
Schüler-  uud  Bücherverzeichnissen  und  sonstigen  in  ein  Tagebuch  gehörigen 
Aufzeichnungen.    Eignet  sich  vortrefflich  für  den  Weihnachtstisch. 

Waltber  von  der  Vogelweide.  Schulausgabe  mit  einem  Wörterbuche 
von  Karl  Bartsch  Leipzig,  Brockbaiis.  1875.  Zweck  uud  Plan  wie 
bei  der  im  selben  Verlag  erschienenen,  von  demselben  Verfasser  bear- 
beiteten Ausgabe  des  Nibelungenliedes  (X.  214  d.  Bl )  und  der  Kudrun. 

Schillers  Briefe  über  die  ästhetische  Erziehung  des  Menschen. 
Zunächst  für  die  obersten  Klassen  höherer  Lehranstalten  mit  einer 
Einleitung  und  erklärenden  Anmerkungen  herausgegeben  von  Dr. 
Arthur  Jung.  Leipzig,  Teubner.  1875.  374  S.  in  kl.  8.  Zunächst 
für  die  Hand  des  Lehrers  bestimmt. 

Carl  Ritter.  Ein  Lebensbild  nach  seinem  handschriftlichen  Nach- 
lasse dargestellt  von  Dr.  0.  Krämer,  Direktor  der  Franckischen  Stift- 
ungen zu  Halle.  Zweite  Ausgabe.  Halle,  Verlag  der  Buchhandlung 
des  Waisenhauses.  1875.  I.  Teil  458  S.  II  Teil  320  S.  in  8.  Unter 
Hinweis  auf  die  empfehlende  Anzeige  der  ersten  Ausgabe  dieses  Werkes 
Bd.  VII  S-  288  ff.  dieser  Blätter  sei  hier  nur  erwähnt,  dass  in 
der  ganzen  Form  der  Darstellung ,  abgesehen  von  einigen  Aeusserlich- 
keiten  und  einem  Paar  gegen  Ende  hinzugefügter  Zusätze,  wenig,  in 
der  ganzen  Auffassung  aber  nichts  geändert  ist  Neu  sind  einige  Reise- 
briefe aus  den  Jahren  1846,  1849  und  1853,  ferner  ein  früher  gedruckter 
Aufsatz  Ritters,  in  welchem  er  die  ersten  Eindrücke  bei  seinem  Besuche 
in  Konstantinopel  schildert,  wodurch  der  auf  diesen  bezügliche  Reise- 
bericht vervollständigt  wird,  endlich  ein  Verzeichniss  seiner  Schriften, 
soweit  sie  in  den  Buchhandel  gekommen  sind.  Zur  Verbreitung  des 
interessanten  Werkes  wird  der  Umstand  wesentlich  beitragen,  dass  der 
Preis  von  4'/3  Thlr  auf  9  Mark  ermässigt  werden  konnte. 

Kurz,  W.,  Transparente  Tafeln  aus  dem  Gebiete  der  Mikroskopie 
5  Tafeln  mit  erläuterndem  Texte.  Pichler's  Witwe  und  Sohn.  Wien. 
1875  Wir  stimmen  dem  Verfasser  vollkommen  darin  bei ,  dass  die 
niedern ,  mikroskopischen  Organismen,  deren  Kenntniss  in  unserer  Zeit 
eine  so  grosse  Ausdehnung  und  Bedeutung  erlangt  hat,  bei  dem  Unter- 
richte in  der  Naturgeschichte  nicht  übergangen  werden  können,  dass  es 
aber  fast  unmöglich  ist,  dieselben  einer  ganzen  Klasse  unter  dem 
Mikroskope  vorzuführen.  Daher  verdient  der  Gedanke  Beachtung, 
durch  transparente,  nach  gelungenen  Präparaten  entworfene  Tafeln  die 
mikroskopische  Anschauung  zu  ersetzen.  Die  auf  den  vorliegenden 
5  Tafeln  dargestellten  Gegenstände  sind  sämmtlich  der  niedern  Tier- 
welt unserer  Süsswasser  entnommen;  es  sind:  eine  Vorticelle,  eine  Hydra, 
eine  Plumatella ,  eine  Nais  und  ein  Cyclops.  Der  beigegebene  Text 
enthält  nebst  einer  Gebrauchsanweisung  sachgemässe  und  gemeinver- 
ständliche Erläuterungen.  Bei  einer  Fortsetzung  des  Werkes,  dem  wir 
im  Interesse  des  naturgeschichtlicben  Unterrichts  einen  raschen  Fort- 
gang wünschen ,  möchten  wir  nur  dem  Verfasser  empfehlen,  sich  nicht 
auf  eine  ,  wenn  auch  genaue  Copie  des  mikroskopischen  Präparates  zu 


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beschränken,  sondern  gute,  auf  genaues  Studium  des  Objektes  gegründete 
Abbildungen  zur  Ergänzung  zu  benutzen.  Es  wäre  dies  besonders  bei 
Hydra  fusca  sehr  erwünscht  gewesen ,  wo  durch  die  Lage  der  stark 
kontrahierten  Fangarme  die  Mundöffnung  verdeckt  erscheint. 

Wünsche,  Dr.  0.,  Die  Kryptogamen  Deutschlands.  Nach  der  ana- 
lytischen Methode  bearbeitet  1.  Heft.  Die  höheren  Kryptogamen. 
Leipzig.  B.  G.  Teubner.  1875.  Anfängern  das  Studium  der  höheren 
Kryptogame  (der  Gefäss  -  Kryptogamen  ,  Laub-  und  Lebermoose)  zu 
ermöglichen  und  als  Einleitung  zum  Gebrauche  der  systematischen 
Specialwerke  zu  dienen,  ist  der  ausgesprochene  Zweck  dieses  Büchleins. 
Tabellen,  in  welchen  die  Pflanzen  nach  augenfälligen  Merkmalen  (bei 
den'  Laubmoosen  auch  nach  ihrem  standörtlichen  Vorkommen)  geordnet 
sind,  dienen  dazu,  das  Auffindeu  der  Familien  und  Gattungen  zu  er- 
leichtern. So  wünschenswert  dem  Anfänger  auf  so  schwierigem  Gebiete 
solche  Erleichterungen  sind,  so  bergen  sie  für  ihn  doch  auch  Klippen, 
indem  er  oft  an  Nebensächliches  sich  haltend ,  ein  tieferes  Eingehen 
auf  das  Wesentliche  sich  ersparen  zu  können  glaubt.  Damit  soll  jedoch 
ein  Tadel  gegen  das  Bestreben  des  Verfassers  nicht  ausgesprohen  sein. 
Nur  gegen  den  Titel  „Kryptogame  Deutschland s"  müssen  wir 
protestieren.  Fast  möchte  es  scheinen,  als  zähle  der  Verfasser  Bayern 
nicht  zu  Deutschland,  denn  eine  grosse  Anzahl  der  in  den  bayerischen 
Alpen,  zum  Teil  auch  durch  ganz  Süd- Bayern  verbreiteter  Arten 
(besonders  Moose)  fehlen  gänzlich  in  dem  Werkchen.  Jedenfalls 
wäre  die  Bezeichnung  „Kryptogamen  Mitteldeutschlands"  die  ent- 
sprechendere gewesen. 

Samuel  Schilling's  Grundriss  der  Naturgeschichte.  Das  Tier- 
reich. 12.  vielseitig  verbesserte  und  bereicherte  Bearbeitung.  Breslau 
1875.  Ein  so  allgemein  bekanntes  und  weit  verbreitetes  Lehrbuch 
bedarf  wohl  kaum  einer  empfehlenden  Auzeige.  In  Beziehung  auf  die 
vorliegende  neueste  Auflage  verdient  nur  hervorgehoben  zu  werden, 
dass  in  derselben  die  Sinnesorgane  eine  eingehendere  Bebandluag 
erfahren  haben  und  die  Systematik  den  Resultaten  der  neueren  Forsch- 
ungen entsprechend  vielfach  umgestaltet  worden  ist 

Crapelen,  C,  Leitfaden  für  den  botanischen  Unterricht  an  mitt- 
leren und  höheren  Schulen.  Leipzig.  B.  G.  Teubner  1875.  In  klarer 
und  bündiger  Darstellung  gibt  der  Verfasser  in  diesem  Werkchen  einen 
dem  Standpunkt  der  heutigen  Wissenscbatt  entsprechenden  Abriss  der 
Botanik.  Eigentümlich  ist  demselben  die  Verbindung  der  Physiologie 
mit  der  Morphologie,  indem  bei  der  Beschreibung  der  einzelnen  Organe 
zugleich  deren  physiologische  Bedeutung  dargelegt  wird.  Für  Mittel- 
schulen, in  welchen  dem  naturgeschichtlichen  Unterricht  verhältnis- 
mässig wenig  Zeit  gewidmet  werden  kann,  dürfte  sich  dieser  Leitfaden 
als  ein  sehr  zweckmässiges  Lehrmittel  empfehlen.  Dabti  müssen  wir 
jedoch  voraussetzen  (und  diese  Voraussetzung  liegt  wohl  auch  im  Sinne 
des  Verfassers),  dass  den  Schülern  auf  früheren  Unterrichtsstufen  eine 
gewisse  Summe  von  Anschauungen  aus  der  Pflanzenwelt  geboten  worden 
ist,  so  dass  der  vorliegende  Leitfaden  dazu  dienen  kann,  den  botanischen 
Unterricht  an  mittleren  und  höheren  Klassen  in  zusammenfassender 
und  zugleich  ergänzender  Weise  zu  einem  gewissen  Abschluss  zu  bringen. 

Leitfaden  der  Physik  von  Dr.  M.  Beetz  o  Prof  u.  d.jZ.  Dir.  des 
Polytechnikums  in  München.  V.  Auflage.  Berlin  1875.  Nauck.  Vor 
3  Jahren  erst  war  die  IV.  Aufl.  erschienen  und  bestehen  die  Vcränder- 


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432 


ungeu  laut  Vorwort  hauptsächlich  in  weiterer  Ausführung  mancher  An« 
gabeu,  welche  in  den  früheren  Auflasen  nur  durch  einzelne  Stichworte 
angedeutet  waren"  Feiner  wurde  das  Format  verkleinert,  so  dass  die 
Seitenzahl  von  176  auf  272  gestiegen  ist.  Der  Preis  von  I  Thlr.  wird 
wohl  derselbe  gehlieben  sein.  Das  Buch  verrät  seiuen  Ursprung  ans 
einem  vollkommen  ausgestatteten  Laboratorium,  welches  mit  dem  Neuesten 
Schritt  halten  kann  und  will. 

Leitfaden  für  den  Anfangsunterricht  in  der  Geometrie  an  höheren 
Lehranstalten  von  H.  Kost ler.  Zweites  Heft.  Der  Flächeninhalt  der 
Figuren.  Halle  a./S.  L.  Nebert,  187.">.  „Es  ist  eine  Fortsetzung  von  einem 
dem  Ref.  unbekannten  ersten  Teile;  injjdemselben  ward  kein  neuer  Gedanke, 
nur  eine  Zusammenstellung  der  elementaren  Sätze,  sowie  die  einfachsten 
Aufgaben  über  Verwandlungen  und  Teilungen  gefunden. 

Lehrbuch  der  italienischen  Sprache  von  Dr.  Armin.  Schäfer. 
5  Teil:  Darstellungen  aus  dem  öffentlichen  Leben.  6. Teil:  Lesestücke, 
nach  den  Redegattungeu  geordnet.  Paderborn,  Ferdinand  Schöningh. 
1875.    147  S.  in  8. 

Vocabulario  italiano  sintern atico.  Italienisches  Wörterbuch  nach 
einer  Anordnung,  wodurch  es  als  Hilfsbuch  der  Konversation  brauchbar 
wird  von  P.  Ph.  Alexander  S  c  h  1  i  c  k  u  m.  2.  verbesserte  und  stark 
vermehrte  Auflage.    Paderborn,  Schöningh.    1875.   448  S.  in  kl  8. 


Ernannt:  der  vormalige  Lehrer  an  der  Gewerbschule  in  Amberg 
Schulz  zum  Lehrer  der  Mathematik  und  Physik  an  der  Kreisgewerbschule 
in  Bayreuth;  zum  Lehramtsverweser  für  Realien  in  Würzburg  der  Lebramts- 
kand.  Loewe;  zum  Lehrer  der  Handelswissenschaften  an  der  Geworbschule 
in  Bamberg  der  derzeitige  Verweser  Marstatt;  zum  Realienhilfslehrer 
in  Augsburg  der  Lehramtskand.  Bräuninger;  zum  Lehranitsverweser  für 
die  neueren  Sprachen  an  der  Gewerbschule  in  Neumarkt  der  Lehramtskand. 
Schlund;  Ass.  Mahl  am  Ludwigsgymn  in  München  und  Asa.  Dusch  in 
Speier  zu  Studienlehrern  in  Lohr. 

Versetzt:  Mathematik-  und  Realien-Lehrer  Eissel  von  Grünstadt 
an  die  Gewerbpchnle  in  Zweibrücken;  Rcalicnlebror  Schiessl  von  Kaisers- 
lantern  nach  Regensburg;  Studicnl  hrcr  Fr  omun n  von  Landau  nach  Nürnberg. 

Gestorben:  Studl.  P.  Jos.  Nag  ler  in  Augsburg. 


Nachdem  dieses  Büchlein  von  höchster  Stelle  in  das  Verzeichnis« 
der  gebilligten  Lehrbücher  aufgenommen  ist,  hält  es  der  Unterzeichnete 
für  geboten,  mehrere  nicht  mehr  rechtzeitig  entdeckte  sinnstöreude 
Fehler  nachträglich  zu  berichtigen. 

Seite  12  Zeile  10  von  unten  lies  „die  Länge  des  Schattens". 
„     17    „      ti    ,f   oben  ist  nach  „anderen"  einzuschalten  „und 
zur  erhaltenen  Differenz  das  Azimut  von  A  addirt". 
Seite  32  Zeile   4  von  oben  lies:  m  —  Z  —  to. 
„     32    „    1t   „     „      „    —  Iii  m  18  8  anstatt  -f-  .  .  . 


Statistisches. 


Berichtigungen 
zu  Schelle's  Lehrgang  der  populären  Astronomie. 


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433 


Seite  56  ist  der  tropische  Monat  vor  den  Drachenmonat  zu  setzen. 
„     60  Zeile  18  von  unten  lies  „Halbmesser"  statt  „Durchmesser" 

„     64     „    2  von  oben  lies  (H  -  Ä)  anstatt  *  (H  -  h). 

„  69  setze  an  Stelle  der  ersten  4  Zeilen,  die  hinwegzulassen 
sind,  die  nachfolgende  Bemerkung  :  Die  jenseitige  Berechnung 
der  scheinbaren  Grösse  von  Ali  unter  Voraussetzung  der 
Grösse  deB  Sonnenhalbmessers  wurde  nur  unternommen,  um 
jene  bei  dem  Mangel  des  erforderlichen  Beobachtungsmaterials 
wenigstens  annähernd  zu  erhalten.  Die  Berechnung  selbst 
mit  dem  Ergebnisse  von  22,8"  ist  aus  Versehen  in  das 
Manuscript  übergegangen.  Aus  dieser  Grösse  berechnet  sich 
sodann  leicht  der  Winkel,  unter  welchem  von  der  Sonne  aus 
der  860  Ml  lauge  Erdbai  bnusser  gesehen  wird ,  oder  die 
Parallaxe  P  ~  8,5". 

Fig.  XII  bei  Ä  ist  die  rechte  Hälfte  des  Mondes  zu  schattiren 
und  die  linke  weiss  zu  lassen. 

Der  Verfaaaer. 


Heinrich  Stadelmann,  der  Poet. 

Nachruf  von  Karl  Zettel. 

In  den  ersten  Tagen  des  Weinmondes,  welchen  er  mit  manchem 
süssen  Liede  bekränzt  hatte,  ging  Heinrich  Stadel  mann  unter  die 
Erde.  Ein  sangreicher  Mund  ist  geschlossen,  eiu  glühendes  Herz  bat 
ausgeschlagen.  —  Wer  wie  ich  im  Leben  und  Streben  dem  Geschiedenen 
nahe  gestanden  ist,  darf  wol  eine  Rose  weihender  Erinuerung  auf  dem 
frischen  Grabhügel  einsenken. 

Der  Verlebte  war,  wenn  auch  keine  originell  schöpferische,  so  doch 
eine  tiefinnige,  reiche  Dicbternatur,  iudeui  er  seilet  alltäglichen  Djngen 
einen  poetischen  Heiz  abzugewinnen  oder  sie  hiuwiderum  mit  demselben 
zu  bekleiden  wusste  Seine  Muse  hatte  ein  liebemildes  Antlitz,  und 
wenn  ja  zuweilen  düstere  Schatten  ernster  Trauer  über  dasselbe  gleiten 
mochten,  bald  lächelte  wieder  sanfter  Sonnenschein  mit  allem  warmen 
Glänze.  Sie  muntert  uns  entweder  zu  freudigem  Genüsse  des  Lebens 
auf,  indem  sie  unter  himmlischem  Lächeln  den  funkelnden  Becher 
kredenzt  und  in  die  holden  Augensterne  der  Geliebten  uns  schauen 
lässt,  oder  sie  sieht  uns  auf  Augenblicke  wehmütig  zu,  wenn  wir  im  un- 
verstandenen, wirren  Spiel  des  Daseins  dahintreiben,  aber  sinnend  und 
herzgewinnend  bleibt  sie  immer.  Diejenigen  Gedichte  nun,  welchen  das 
Leid  seinen  Stempel  aufdrückte,  klingen  allerdings  aus  reichbewegter  Inner* 
liehkeit  heraus;  gleichwol  hätte  niao  dem  Dichter  etwas  männlichere 
Fassung  anwünschen  mögen,  wodurch  dem  Schmerz  mehr  Adel  und  Weihe 
verlieben  würde.  Seine  patriotischen  Gesänge  dagegen  sind  grossentcils 
von  trotziger  Kraft  und  edlem  Stolze.  Aber  insbesondere  war  Stadel- 
mann ein  Meister  poetischer  Kleinbilder,  lyrische  Gemmen  möchte  ich 
sie  heissen ,  Dichtungen  von  unvergleichlicher  Zartheit.  leb  erinnere 
nur  an  ein  einziges  dieser  Kleinodien,  „Abendläuten",  ein  Wunderstück, 
das  auch  musikalisch  verwertet  worden  ist.  Entschieden  weniger  Glück 
hatte  Stadelmann  auf  dem  Gebiete  epischer  Dichtungsarten.  Seinen 
Balladen  und  Romanzon,  so  formschön  sie  auch  sein  und  so  melodisch 


434 


sie  sich  ablesen  mögen  ,  fehlt  die  geniale  Verve.    Man  vermiest  die 
sichern,  festen  Zage,  die  sich  nnter  Umständen  bis  zur  dramatischen 
Plastik  J  gestalten  und  steigern  müssen.    Ich  habe  hierüber  mit  dem 
Verlebten  manche  Zeile  gewechselt,  und  er  pflichtete  mir  schliesslich 
bei,  indem  er  in  scherzhafter  Weise  zugestand,  dass  ihm  allerdings  nur 
dann  so  recht  wohl  sei ,  wenn  er  seinen  „frommen"  Fegasus  auf  der 
reichbeblümten  Au  der  Lyrik  tummeln  könne    Aber  selbst  in  der 
Lyrik  ist  unser  geschiedener  Freund  von  vielen  erreicht,  von  manchen 
überragt.    Unerreicht,  wenigstens  in  unserer  Zeit,  steht  er  auf  dem 
üebiete  der  Uebertragung  deutscher  Poesien  iu  die  Sprache  Latiums 
und  versificierter  Uebersetzung  antiker  Gedichte  ins  Deutsche.  Von 
dieser  Seite  zunächst  kannten  und  würdigten  ihn  die  Kreise  der  gelehrten 
Fachmänner,  die  Philologen  und  Orientalisten;  neidlos  gestanden  selbst 
viele  Koryphäen  zu,  dass  eine  solche  An  -  und  Nachempfindung,  wie 
Stadelmann  ihrer  lühig  sei,    unterstützt    von  einer  unglaublichen 
Sicherheit  und  Gewandtheit  in  der  lateinischen  Ausdrucksweise,  geradezu 
in  Stuunen  versetze.    Oder  wer,  um  Bekanntes  anzuziehen,  sollte  die 
zwanzig  „römischen  Elegien"  von  Götbe  in  der  lateinischen  Uebertraguug 
Stadelmanus  lesen,  ohne  angemutet  zu  weiden,  als  ob  Glanz  und 
Duft  Ovid'scher  Dichtung  ihn  umwehe?   Er  mag  uns  ferner  mit  eim  m 
leichtgeschürzten  Skolion  des  Kallistratos  beschenken,  oder  die  holde 
Liebespein  der  Sappho  nachsingen;   er  mag  des  Katull  flötende  Lieder 
uns  ans  Herz  schmeicheln  oder  die  frohen  Weisen  des  liebeseligen 
Alten  von  Teos  auf  deutscher  Lyra  wecken:   wir  glauben  unweit  der 
schimmernden  Hallen  eines  jonischen  Tempels  zu  träumen  oder  an 
einem  rieselnden  Quell  des  waldreichen  Kithäron  zu  lagern,  bekränzt 
mit  Kosen  und  Eptieu,  den   einen  Arm  um  den  leuchtenden  Nacken 
der  schönen  Freundin,  den  andern  verlangend  ausgestreckt  nach  dem 
winkenden  Becher.    Aber  auch  die  Harfen  des  nordischen  Inselreiches 
tönten  seinem  Ohre  so  vertraut  und  klangen  so  tief  in  seine  Seele 
hinein  ,  dass  er  es  wohl  versuchen  konnte  ,   Dichtungen  englischer  und 
schottischer  Lyriker  in  glücklicher  Auswahl  unserm  Idiouie  zu  über- 
geben.   Während  er  aber  von  Felicia  Hemans,  von  Moore  und  Burns 
etc  nur  wenige  auserlesene  Lieder  übersetzte,  widmete  er  dem  britischen 
Genius,  der,  ungehindert  durch  die  Verkeilung  von  Seite  seines  Vulkes, 
wie  ein  glänzend  Meteor  über  die  Welt  geflogen  ist,  seine  warme  Liebe 
und  Verehrung:  Byrons  lyrische  Gedichte  in  entsprechender  Auswahl  zu 
übersetzen,  war  unserem  Freunde,  wie  ich  ihn  kannte,  mehr  ein  Hirzens- 
bedürtniss  als  eine  Folge  literarischer  Studien.    „Ks  ward  mir.  dabei 
warm  ums  Herz,  und  ich  habe  keine  Zeile  ohne  innere  Bewegung 
geschrieben",   sagt  Stadelmann    in  seinem  Vorwort.  Schliesslich 
möchte    ich    noch    der    herrlichen  Uradichtung  des  „Hohen  Liedes" 
gedenken,  iu  welchem  er  das  „wunderbar  liebliche,  gazellenartig  dabin- 
schwebende  Lied"  in  freien  Strophen  vor  unser  entzücktes  Ohr  führt. 
Dass  er  hiebei ,  um  dem  Originale  thunlichst  gerecht  zu  werden  ,  die 
Feder  in  glühende  Tinten  taucht,  bedarf  wol  kaum  der  Erwähnung. 

Wenn  ich  nunmehr  die  einzelnen  Züge  zu  einem  Gesammtbilde  des 
Verstorbenen  als  Dichters  verweben  will ,  so  mag  es  sich  also  erweisen : 
In  Stadelmann  quoll  ein  reiches,  inneres  Dichterleben,  sodass  mit  der 
Saide  seiner  Poesie  viele  poetische  Steppen  erquickt  werden  könnten.  Seine 
Vollkraft  jedoch  lag  in  der  Nach  -  und  Anempfindung  der  griechischen 
und  römischen  Lyriker.  In  allen  seinen  Produkten  aber  pulsiert  der 
Herzschlag  eines  ganzen  Poeten  und  eines  herrlichen  Menschen.  — 

====ö<^cirt*r^o^  ~ 


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Zn  LyslaH  und  Demosthenes, 


Der  Vorschlag,  den  K  Hammer  zu  Lys.  7,  22  (si  tp^attg  fi  ideiv 
xrty  fioQiuv  utfut  i^oi  ru  roik  ivvt«  uQ/ovrag  injyayec  ovx  «v  eräQiav 
htei  ooi  (tKQT*ifuy)  im  5ten  Hefte  dieses  Jahrganges  S.  I98  macht, 
für  ei  ypfatts  fi%  id'eir  oder  <pqr<t{  tu  io*<av  zu  lesen:  ei  tptjyag  ue  rtjv 
uoqIkv  atpuyiCot  r«  x.  t  X.  fjohört  jedenfalls  zu  den  glücklichen  Ver- 
mutungen, die,  so  einfach  sie  sind,  eben  durch  ihre  Einfachheit,  mit 
der  sie  alle  Schwierigkeiten  ein*>r  Stelle  lösen,  sieb  auf  den  ersten 
Klick  empfehlen.  Nur  mit  der  Art,  wie  Hammer  seine  entschieden 
richtige  Verbesserung  der  Stelle  rechtfertigt,  bin  ich  nicht  einverstanden, 
indem  sie  keineswegs  durch  den  Hinweis  auf  die  angeführteu  Abschnitte 
der  Krüger'scben  Grammatik  unterstützt  zu  werden  braucht,  die  dazu 
kaum  geeignet  scheinen  dürften.  Ich  glaube  im  Gegenteil,  dass  das 
Particip  des  Aorist  in  ^tjyac  in  seinem  ganz  gewöhnlichen  Gebrauche 
erklärt  werden  muss,  nach  welchem  es  eine  Handlung  bezeichnet,  die 
der  im  Hauptverbum  enthaltenen  Handlung  vorhergegangen  ist-  Das 
Verbum  tfttiveiy  wird  als  gerichtlicher  Ausdruck  gebraucht,  wenn  man 
der  Behörde  eine  Person  anzeigt,  die  man  über  einer  verpönten  Hand- 
lung trifft  und  damit  beschäftigt  findet  Es  ist  demnach  offenbar,  dass 
diese  Anzeige  (<jp«<rif)  dem  tnayayeiv  xovg  aQxovtttg  (also  der  iyijyrioig) 
vorangegangen  sein  musste,  und  der  Satz  ist  demnach  zu  übersetzen: 
Hättest  d-:  die  Vernichtung  des  Oelbaumstamines  zur  Anzeige  gebracht, 
während  ich  damit  beschäftigt  war,  und  dadurch  die  neun  Archonten 
dazu  herbeigerufen  (—  veranlasst,  in  ich  über  dieser  Tbat  wirklich  zu 
ertappen),  so  brauchtest  du  jetzt  weiter  keine  Zeugen. 

Eine  andere  meines  Erachteus  noch  nicht  vollständig  verbesserte 
Stelle  findet  sich  in  der  vielgclesenen  Rede  gegen  Eratosthenes  §.  20. 
Sie  lautet  nach  dem  Texte  »bei  Frohberger:  o'vrtog  eig  »J,«"5  r" 
XQtjfi€(ia  iStjUaQrtevot' ,  ÜOJlBQ  kv  gregot  ueyaXiov  «dixtiuttnov  oqyriv 
t/ovres,  ov  tovxujv  «$iovg  ye  oviug  rfj  nokei,  aXXd  ndong  fxlv 
jag  xnQ'iyit($  X°Qiytatll'J(tS  noXXovg  Je  'A&tivaiioy  ix  ruiv  noXeuiuy 
Xvaapevnvg  t  oi  o  vr  (uv  tjsiiooiti',  ovx  öuuitag  fjetoixovvTug  üaneQ 
avToi  inoXtxevovzo.  Dass  die  Steigerung  hier  den  Sinn  erfordert:  „sie 
vergiengen  sich  so  gegen  uns  um  des  Geldes  willen ,  wie  andere  es 
nicht  einmal  thun  würden  im  Zorn  über  erlittenes  schweres 
Unrecht",  und  deshalb  nach  üaneg  die  Negation  ov&'  einzusetzen  ist, 
wodurch  sich  aus  dem  vorhergehenden  Verbum  leichter  der  Optativ 

Blatte  L  d.  b»jrer.  Gjrmn.-  u.  Ee*l-8chulw.   XL  Jahr*.  30 


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436' 


ergänzen  lägst,  bat  schon  Westermann  quatst  lys.  III,  11  dargethan 
und  Eanchenstein  deshalb  mit  Recht  ot'cP  ay  i'xfQoi  in  den  Text 
gesetzt.  In  den  folgenden  Worten  nimmt  Erohberger  ein  Anakoluth 
an,  dessen  Härte  aber  an  dieser  Stelle  in  die  Augen  springt.  Da  al'e 
andern  Anakoluthe  in  des  Lysias  Reden  aus  künstlerischer  Absicht 
oder  zur  Vereinfachung  der  Konstruktion  angebracht  sind,  dürfen  wir 
ihm  hier  keines  zumuten  ,  für  das  Nachlässigkeit  als  der  einzige  nach- 
weisbare Grund  erscheinen  könnte,  wenn  durch  eine  so  leichte  Aender- 
ung,  wie  die  Einsetzung  einer  Partikel  ist,  das  Anakoluth  gehoben  und 
die  bei  Lysias  so  beliebte  Antithese  ov  xot'xmv  «»«'off  ovrug  (qua?) 
xoiovxujy  r^itoaav  vollständig  hergestellt  werden  kann.  Darum,  weil 
diese  Worte,  die  ebenso  gewiss  zusammengehören,  wie  in  §.  5  die 
Worte:  xoutvxa  Xiyovxtg  ovxoiavxu  noieiy  itoX^tmy  dadurch  auseinander 
gerissen  würden,  ist  auch  die  Interpunktion  unrichtig,  die  Scheibe  und 
Andere  vorgeschlagen  haben,  indem  sie  vor  xotoiiuiy  ein  Kolon  setzen 
Ich  glaube,  dass  statt  des  nach  a$iovg  wenig  passenden  ye  nach  ov 
xovxtay  die  Partikel  <fe  einzusetzen  ist,  die  an  dieser  Stelle  ausfiel,  wie 
in  allen  Handschriften  im  Folgenden  nach  naaaq  das  durchaus  not- 
wendige utr.  wie  in  §.  6  nach  xtjy  fxkv  noXiv  vetcoSai  bei  dem  Gegen- 
satze xrty  ico  •/']*■  dsUiftai  ^Qt^dxtoy  das  nach  ttp  einzusetzende  de  und 
in  §.  1  die  Partikel  y«Q  fehlt,  die  nach  xoutvxa  vor  avxoig  (vielleicht 
richtiger  xovxoig)  nicht  fehlen  kann.  Die  Stelle  lautete  also  nach 
meiner  Ansicht:  o'vxms  eis  »J/i«?  diu  r«  /q^uuxu  i^rtiurtQxayoy ,  (vaneQ 
ovd'  ay  ixegot  /ueyttXwy  adixr^uxtoy  ogyt]v  e^oyxe g  ,  ov  xovxojy  dt 
ß|  iovg  oyxttg,  uXXti  —  Xvoapiyovs,  xoiovxtay  qtiutaay. 

Zu  der  bisher  unbeanstandeten  Stelle  in  §.  12  der  dritten  olyn- 
thischen  Rede  des  Demosthenes  bat  M.  Miller  in  dem  4.  Hefte  S  174  f. 
eine  Konjektur  beigebracht,  mit  der  ich  mich  durchaus  nicht  befreunden 
kann.  Ich  halte  die  Stelle  für  vollkommen  heil  und  gesund  und  glaube, 
dass  Miller  hier  dem  Redner  eine  falsche  Gliederung  der  Gedanken 
unterbreitet  und  einen  Gedanken  in  diesem  Satze  erwartet,  an  den  der 
Redner  nicht  gedacht  hat.  In  den  Worten  desselben  tritt  nämlich  dem 
xovxov  fxoyov  negiyiyyea&ai  piXXovxog  na&eiy  a<ftxa>$  xi  keineswegs  t'tXXii 
xaieigxo  Xoinoy  -  xo  xa  tieXxiox«  Xtyeiy  (fotiegioxegoy  voit,atu  gegenüber, 
wie  Miller  annimmt,  wenn  er  diese  Gliederung  matt  und  verschwommen 
nennt  und  übersetzt :  zumal  da  dies  allein  als  Resultat  in  Aussicht 
steht,  dass  der  Redner  ungerechter  Weise  irgend  eine  Schmach  erleidet, 
ohne  dabei  dem  Staate  zu  nützen,  aber  auch  für  die  Zukunft  die 
Erteilung  eines  guten  Rates  noch  gefährlicher  macht  Miller  hat  hier 
offenbar  übersehen,  dass  der  Satz  «A/.«  x«i  —  tfoieguntgov  notfcoi 
einfach  den  Gegensatz  bildet  zu  (Hfj&'ty  de  uipeXqaat  xd  7ig<cytuuxa, 
indem  statt  dXXu  xai  avxd  gleich  der  bestimmte  Schaden,  der 

dadurch  gestiftet  wird,  angegeben  wird,  und  somit  die  dem  Demosthenes 


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437 


geläutige  Beträchtlich  eines  Zu  st  au  des  von  seiner  uegativen  und  posi- 
tiven Jämte  auch  hier  vorhanden  ist  Der  ganz  richtige  wirkliche 
Gedanke  des  Deniostbcncs  ist  demnach:  Es  wird  das  einzige  Resultat 
sein,  dass  der,  der  diesen  Antrag  mündlich  und  schrittlich  stellt, 
irgend  etwas  Schlimmeres  erleidet,  dem  Staate  aber  damit  iu  keiner 
Weise  nützt,  sondern  im  Gegenteil  auch  für  die  Zukunft  ein 
freies  Wort  noch  mehr  gefährdet,  als  es  jetzt  schon  der  Fall  ist.  — 
Das  Fehlen  des  Artikels  vor  nufrtiv  kann  niemand  auffallen,  welcher 
weiss,  dass  Deuaosthenes  nach  dem  ankündigenden  iovto  den  Infinitiv 
weit  hantiger  ohne  Artikel  folgen  lässt,  als  mit  demselben 

Dagegen  ist  eine  Stelle  in  §.  7  derselben  Rede  noch  immer  nicht 
in  den  neuesten  Ausgaben  so  hergestellt,  wie  sie  nach  den  Spuren  der 
besten  Handschrift  gelautet  haben  muss.  Ich  habe  schon  vor  Jahren 
(in  dem  Herbstprogramme  des  Ludwigsgymnasiums  vom  Jahre  1857) 
die  Stelle  gelegentlich  in  der  meiner  Ansicht  nach  allein  richtigen 
corm  angeführt  und  ergreife  daher  hier  die  Gelegenheit,  jetzt  erst 
meine  Ansicht  darüber  etwas  naher  zu  begründen.  l>ie  Stelle  lautet  in 
den  neuesten  jetzigen  Ausgaben:  ov  jQonoy  vueic  EarQart}yrr 

xores  7i«Vr'  iaeott  vveg  4>tXimov.  §  7  vnijQj^oy  OXt'yfttot  Jvvafiiy  nva 
xextquetot  xui  dtextiiV  ovtta  tti  nQuyuuiu  ovre  4>iXmnog  i&dqQet  xoviovs 
ot?>'  OVtOi  4>i'Ai7inov  {7i(m'i«utr  *',fislq  xuxetfoi  ff£of  fj/t&(  (tyfapr'  ?ty 
tovP  t'uG7iS{>  eunädtafj«  it  i p  *u«7»nn»  xui  dW/f pdf ,  nnXiv  ueydX^y 
iqiOQueii'  roic  iuviov  xrcipoic  thtiXXayfiitnp  nQQf  tj/jug  ix:ioXe^am  dsi> 
t»6[A{$u  fov$  ay&Qttnovs  sx  neartos  tootiov  xui  ö  narret  i&Qt'Xovy, 
TiinQtcxiut  yvyi  ioi&  öntoa d^nore.  Wir  haben  hier  in  §  7  sechs  Sätze, 
von  denen  die  ersten  fünf  asyndetisch  an  die  vorausgehenden  angereiht 
sind,  jährend  der  letzte  Satz  mit  dem  vorhergehenden  durch  xai  ver- 
bunden erscheint.  Betrachten  wir  aber  die  einzelnen  Sätze,  so  finden 
wir,  dass  alle  aus  zwei  Gliedern  bestehen  mit  Ausnahme  des  vorletzten 
aus  einem  Gliede  bestehenden.  Trotz  dieser  Mängel  in  der  sym- 
metrischen Anknüpfung  und  Gestaltung  der  Sätze  würde  wol  niemand 
hier  an  ein  Verderbnis«  der  ursprünglichen  Ueberlieferung  denken, 
da  die  einzelnen  Sätze  für  sich  nichts  auffalliges  bieten,  wenn  nicht 
die  deutlichen  Spuren  in  der  besten  Handschrift  auf  ein  solches  Ver- 
derbnis* hinwiesen.  Ks  hat  nämlich  2  ö  nuyrsg  erst  durch  spätere 
Korrektur,  während  ursprünglich  offenbar  unuvtH  in  der  Handschrift 
stand  und  wie  nach  wvi  findet  sich  in  derselben  Handschrift  rovro 
auch  nach  i^t'Xovy  und  ist  daselbst  erst  von  spaterer  Hand  getilgt 
worden.  Sehen  wir  von  dieser  späteren  Besserung  ab,  die  zwei  Sätze 
bedeutend  verschlimmerte,  und  folgen  wir  der  ursprünglichen  Lesart 
der  Handschrift,  so  erhalten  wir  die  beiden  letzten  Sätze  in  folgender 
Form:  ixnoXfin'jaut  d'iiv  MotttSu  mit  uy$(toinot>c  ix  ,/«itoc  iqotiov  xui 
unayieg  i&pvAow  iovto    utUQttxiui  yvyi  tov»'  6niood/t.ioi e.    In  dieser 

30* 


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438 


ursprünglichen  Gestalt  der  Sätze  wird  erstens  das  in  dieser  Schilderung 
so  passende  lebhafte  Asyndeton  bis  ans  Ende  beibehalten ,  zweitens 
erscheint  auch  der  vorletzte  Satz,  wie  die  andern  vorhergehenden,  in 
doppelter  Gliederung,  während  der  aus  einem  Gliede  bestehende  letzte 
Satz  einen  kräftigen  Abschluss  bildet,  und  endlich  wird  auch  die 
Stellung  von  foi$'  nach  nsiiQecxrai  vwi  nicht  mehr  auffallen,  was  aller- 
dings der  Fall  ist,  wenn  der  nur  durch  Verderbniss  entstandene  Relativ- 
satz ö  ndyreg  i&Qt'Xovy  vorhergeht. 

Ich  lege  somit  diese  längst  von  mir  vorgeschlagene  und  für 
unbedingt  notwendig  gehaltene  Aenderung  hier  noch  einmal  dem  Urteile 
aller  Fachgenossen  vor,  nachdem  bisher  niemand  davon  Notiz  genommen 
hat,  ausser  der  verstorbene  verdiente  Herausgeber  des  Demosthenes, 
J.  Th.  Vömel,  der  in  einer  brieflichen  Mitteilung  mir  seine  volle 
Zustimmung  zu  meinem  Vorschlage  und  den  Entscbluss  aussprach,  bei 
einer  neuen  Auflage  denselben  in  den  Text  aufzunehmen,  was  ihm 
leider  nicht  mehr  gegönnt  gewesen  ist. 

Kein  Verderbniss  in  der  Ueberlieferung,  aber  eine  unrichtige  Er- 
klärung einer  richtig  überlieferten  Stelle  findet  man  in  den  bisherigen 
Ausgaben  im  §.  10  der  Rede  über  den  Frieden.  In  dem  Abschnitt 
§.  4  —  10,  in  welchem  Demosthenes  die  Fälle  aus  der  früheren  Zeit 
anführt,  in  welchen  er  das  Richtige  stets  erkannt  und  schlecht  und 
recht  (og&fSs  xai  dtx«/w?)  auch  ausgesprochen  habe  ,  heisst  es  bei  dem 
letzten  Falle,  in  dem  die  Mitgesandten  des  Demosthenes  den  Athenern 
die  trügerischen  Hoffnungen  vorspiegelten,  durch  die  sie  sich  verleiten 
Hessen,  den  Namen  der  Phokier  aus  der  Friedensurkunde  streichen  zu 
lassen  §.  10:  ij'Wx«  rotte  oqxovs  —  dneiXtj(p6ree  '^xofxev  ol  ngiaßeis,  tote 

—  cvdkv  rovrtov  ovt'  4ga;iattjoas  ovte  aiyr^aas  iyo)  q  n  v  *j  c  o  fim  ,  riXXd 
ngoemcjy  vpiy,  tif  o«T  Ott  fAvqpovsvets,  ort  xavta  ovte  oida  ovte  ngoa- 
(foxu),  vofx^ta  di  tov  Xiyovta  Xygeiy.  Während  er  bei  Erzählung  des 
ersten  Falles  von  sich  sagt:  ngaitoi  xai  fxoyos  nageX&oiy  dytei.ioy 
und  darauf:  -navtes  vpeif  eyytore  ra  ßeXtiota  elgyxota  iue,  beim 
zweiten  Falle  aber  in  ganz  ähnlicher  Weise  xatiduiv  Xeonto'Xetuoy  — 
xaxa  igyaCo/neyoy  tijV  noXiy  —  nuui /.'hm  einoy  eis  vfiäg  und  darauf: 
tovto  y*  vfxäs  otfitti  vvy  anavtaq  flc&ij  o&at,  braucht  er  bei  Er- 
Zählung  des  dritten,  der  jüngsten  Zeit  angehörigen  Falles  nicht  die 
gleiche  Form  ngoeinov  vpiy  und  beruft  sich  nicht  auf  die  schon 
gewonnene  Erkenntniss  von  der  Richtigkeit  seiner  Angabe,  sondern 
stellt  diesen  Erfolg  erst  in  der  Zukunft  in  Aussicht  (tpavtia  o  fia  * 

—  npo«m<uV  vfiiy  'ort  tavta  orte  olda  ovte  ngoodoxiu)  und  beruft  sich 
nur  auf  die  Erinnerung  der  Athener  («Jf  otd"  ort  fty^/noyeveie),  nicht 
aber  auf  die  schon  allgemein  gewonnene  üeberzeugung  von  der  Wahr- 
heit seiner  Behauptung. 

Zu  (pnvt'toniu.i  gibt  Franke  die  Erklärung:  si  memoriam  illius 
temporis  reputeti*  und  in  ganz  ähnlicher  Weise  sagt  Rehdantz  und 


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nach  ihm  Westermann:  „nämlich  ay  oxo  iqre",  wobei  Rehdantz  noch 
hinzufügt:  „was  14,  24  und  18,  310  dabeisteht44.  Diese  Bemerkungen 
können  nicht  zur  Erklärung  des  in  dieser  Stelle  gebrauchten  Futurums 
fpavrjoo/uui  dienen.  Hätte  Demosthenes  an  den  von  Franke  gegebenen 
Zusatz  gedacht,  so  hatte  er  diese  Form  weit  eher  bei  den  ersten 
Beispielen  anwenden  müssen,  von  denen  namentlich  das  erste  auf  eine 
viel  frühere  Zeit  zurückgeht,  während  das  dritte  Beispiel  der  aller- 
jüngsten  Vergangenheit  angehört,  deren  Erinnerung  den  Zuhörern, 
wie  ja  der  Redner  selbst  sagt,  noch  lebhaft  gegenwärtig  sein  muss. 
Die  Stell.-  in  14,  24  aber,  auf  die  sich  Rehdantz  beruft  (in  18,  310  steht 
ay  <rxon?tT(  nicht  bei  dem  dort  ganz  natürlichen  Futurum  </e>  /ar)  hat 
mit  unserer  nichts  gemein,  da  nach  ihr  sich  eine  Behauptung  als  wahr 
erweisen  »oll,  deren  Mitteilung  der  Redner  erst  ankündigt,  die  also 
nicht,  wie  die  vorliegende,  schon  gemacht  worden  ist. 

Ich  glaube,  es  muss  der  auffallende  Ausdruck  ,<j;n-i«;r  (payqaofiat 
aus  den  thatsärblicben  Verhältnissen  erklart  werden,  unter  denen  die 
Rede  gehalten  ist,  und  die  derselben  vorhergegangen  -ind  und  folgten. 
Demosthenes  hatte  mit  Timarchos  im  Skirophorion  Ol  108,  3  (im  Juli  346) 
gegen  Aeschines  wegen  Verletzung  seiner  Pflichten  als  Gesandter  eine 
Anklage  erhoben  ,  welcher  Aescbines  eine  Anklage  gegen  Timarchos 
wegen  unsittlichen  Lebenswandels  entgegenstellte,  damit  derselbe  im 
Kalle  der  Verurteilung  nicht  mehr  als  öffentlicher  Ankläger  vor  Gericht 
gegen  ihn  auftreten  könne.  In  den  Herbst  desselben  Jahres  fällt  die 
Rede  über  den  Frieden,  nach  welcher  bald,  wie  Demosthenes  hoffte, 
diese  Zwischenklage  des  Aescbines  gegen  Timarchos  und  im  Falle 
der  Freisprechung  desselben  sein  eigener  Process  gegen  Aeschines 
zum  Austrag  kommen  sollte,  in  welchem  der  an  unserer  Stelle 
besprochene  Punkt  einen  Hauptgegenstand  der  Anklage  bildete.  Auf 
diesen  seinen  nach  des  Demosthenes  Ansicht  nahe  bevorstehenden 
Process  bezieht  sich  offenbar  da>  Futurum  tpay^aouai,  da  sich  durch 
seine  Anklage  gegen  Aeschines  und  durch  die  gehoffte  Verurteilung 
desselben  klar  herausstellen  werde,  dass  er  damals  das  Richtige  voraus- 
gesagt ,  Aeschines  aber  trügerische  Vorspiegelungen  vorgebracht  habe. 
Dem  diesem  Process  mit  Spannung  entgegensehenden  athenischen  Volke 
war  die  in  diesem  Futurum  liegende  Berufung  auf  die  bevorstehende 
Entscheidung  klar  und  von  selbst  verständlich,  während  sie  von  den 
diesen  Verhältnissen  so  fern  stehenden  bisherigen  Erklärern  des 
Demosthenes  aus  Nichtbeachtung  derselben  nicht  erkannt  worden  ist. 
Durch  die  im  Winter  (am  Anfange  des  Jahres  345)  erfolgte  Verur- 
teilung des  Timarchos  und  die  damit  verbundene  Erstarkung  der 
macedonischen  Partei  verzögerte  sich  auch  der  Process  des  Demosthenes 
gegen  Aeschines,  der  erst  im  Jahre  343  zur  Verhandlung  kam.  Wir 
begegnen  daher  auch  in  dem  letzten  Abschnitte  der  im  Sommer  344 


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440 


gehaltenen  zweiten  pbilippisehen  Rede,  wie  schon  Libanios  iu  seiner 
Einleitung  dazu  bemerkt,  deutlichen  Hinweisen  auf  d«  n  Gesandtschafts- 
process,  der  um  diese  Zeit  wieder  mit  neuem  Eifer  von  dem  Hedner 
aufgegriffen  wurde,  wenn  er  auch  durch  die  Umtriebe  der  Gegner  erst 
ein  volles  Jahr  später  seine  Entscheidung  fand 

Ich  glaube,  dass  diese  aus  den  damaligen  politischen  Verhältnissen 
geschöpfte  Erklärung  das  richtige  Verständnis^  des  Futurum!  an 
unserer  Stelle  allein,  ohne  dass  man  zu  einer  künstliehen  l»eutung 
zu  greifen  braucht,  hinlänglich  vermittelt. 

München  E.  Kurz 


„Owe  war  sint  verst  unden  all  iu  miuiu  j»u  u  (No.  1*8),  der  Sehn  aneii- 
gesang,  uiclit  das  llciinntlicd  Wulthcis. 

Im  Auschluss  au  meinen  Artikel  in  diesen  Blattern  (V,  214 1  will 
ich  nun  zeigen,  dass  unser  Spruch  eine  positive  Aussage  über  Walthers 
Teilnahme  an  einem  Kreuzzuge  nicht  enthält,  dasb  er  auf  Beine  Heimat 
nicht  bezogen  werden  kann  und  dass  demnach  „otoe  IWW  8int  ctr- 
stounden  etc."  der  Schwanengesang  Walthers,  nicht  aber  sein  lleiinat- 
lied  ist. 

Kaum  kann  man  den  Inhalt  unseres  Spruches,  der  nicht  ausserhalb 
der  Reihe  jener  tiefgehenden  Sprüche  betrachtet  werden  darf,  die  schon 
mit  dem  wiederkehrenden  „omc"  ihre  Zusammengehörigkeit  andeuten, 
ich  sage ,  kaum  kann  man  den  Inhalt  unseres  Spruches  treffender 
als  Schwanengesang  charakterisieren,  als  wenn  man  ihn  mit  R  Menzel 
in  eine  Parallele  mit  Schillers  ,,die  Ideale1  «teilt  ,,Jcues  (kann  nichts 
dich,  Fliehende,  verweilen  etc.)  sagt  der  Jüngling  aul  der  Schwelle  des 
Mannesalters,  dieses  (o  weh!  wohin  sind  verschwunden  etc  i  der  Greis 
an  der  Schwelle  des  Grabet*.  Die  Klage,  die  Klage  eiues  lebensmüden, 
schwarzsehenden  Greises  ist  der  Grundton ,  der  den  ganzen  Spruch 
durchklingt.  Alles,  ach  alles,  klagt  Walther,  ist  anders  geworden, 
Land  und  Leute  sind  verändert,  man  kennt  mich  nicht  mehr,  man  will 
mich  nicht  mehr  kennen  Alles,  alles  ist  anders  gewordeu,  aber, 
o  weh,  alles  schlimmer,  nichts  besser!  Immer  noch  erschrecken  uns 
die  Hannflüche,  die  der  heilige  Vater  sendet;  nur  wenige  denken  daran, 
die  Freuden  der  falschen  Welt  dahinzugehen  und  für  ihr  Seelenheil 
zu  sorgen.  Und  es  ist  doch  so  leicht  ,  Vergebung  der  Sunde  zu 
erlangen,  man  braucht  ja  nur  die  Fahrt  /um  heiligen  Grabe  zu  unter- 
nehmen, um  sündenrein  sterben  zu  können.  Ich  freilich,  ich  armer, 
kranker,  alter  Mann,  ich  kann  nicht  mehr  zum  heiligen  Grabe  wallen; 
ich  kann  mich  nur  mehr  darnach  «ebnen.  ,, Einst  und  jetzt1*,  wie 
Pfeiffer  unseren  Spruch  überschreibt,  besingt  Wallher,  nichts  anderes. 


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441 


Und  obwohl  ich  mir  alle  Mühe  gab,  etwas  von  einem  Wiedersehen 
darinnen  zu  lesen,  ich  konnte  nichts  finden.  Noch  kann  ich  nicht 
einsehen ,  wie  man  die  Verse  9  —  12  einschliesslich  als  Gedanken 
des  Wiedersehens  betrachten  kann.  Immer  freilich  werden  diese  Verse 
im  Sinne  eines  Wiedersehens  gedeutet,  weil  man  von  der  Voraussetzung 
ausgebt,  Walther  habe  sieb  im  Jahre  1228  an  dem  KreuzzugFriedr.il. 
beteiligt.  Diese  allgemeine  Voraussetzung  ist  aber  irrig  und  zwar  aus 
zwei  Gründen:  für's  erste  belehrt  uns  die  Geschichte  anders  über  den 
vermeintlichen  Kreuzzug  Walthers ,  sodann  gibt  uns  unser  Spruch 
keinerlei  positive  Anhaltspunkte  zur  Annahme  eines  Kreuzzuges  von 
Seile  Walthers  Die  Geschichte  lehrt,  dass  Gregor  IX.  zu  wiederholten 
Malen  den  Bann  auf  Friedriche  Haupt  schleuderte,  am  29.  September, 
am  10.  und  18  November  1227,  und  am  23.  Marz  1228.  In  das  Jahr 
1227  verlegt  nun  keiner  derjenigen,  die  Walther  an  einem  Kreuzzuge 
teil  nehmen  lassen,  unseren  Spruch,  da  in  dieses  Jahr  die  strophisch 
ahnlichen,  „oicr  es  kamt  ein  teint  etc."  (No.  187)  fallen,  welche 
zweifelsohne  in  der  Heimat  gedichtet  siud,  wohl  aber  in  das  Jabr  1228. 
In  diesem  Jabre,  sagen  sie,  und  bei  dieser  Gelegeheit  habe  Walther 
auf  dem  Wege  nach  Italien  seine  Heimat  wieder  gesehen.  Aber  diess 
ist  eben  nicht  nachweisbar.  Die  Teilnahme  Walthers  an  dem  Kreuz- 
zug desJubres  1228  ist  vorerst  unwahrscheinlich,  denn:  „die  Teilnahme 
(Waltheis)  an  dem  letzten  Zuge  1228  wird  aber  dadurch  unwahr- 
scheinlich, dass  der  Kaiser,  der  in  Italien  weilte,  sich  plötzlich  nach 
der  Kunde  von  den  unter  den  Muhamedaneru  ausgebrochenen  Zwistig- 
keiten  zur  Verwirklichung  der  Fahrt  entschloss,  und  ohne  Zuzüge  von 
Kreuzfahrern  aus  Deutschland  abzuwarten,  was  bei  der  Feindschaft  des 
Papstes  und  der  kriegerischen  Stellung  der  Lombarden  wohl  ohuedies 
eitel  gewesen  wäre,  nur  mit  dem  eigenen  sicilischen  Heer,  aus  seinen 
treuen  Deutschen ,  zum  Teil  auch  aus  Saracenen  bestehend ,  den 
II.  August  1228  von  Otranto  aus  nach  Palästiua  hinüberfuhr". 
(Programm  des  Gymnasiums  zu  Wittenberg,  Dr.  Dietz  )  Die  Teilnahme 
Waltbers  au  dem  Kreuzzug  des  Jahres  1228  ist  aber  nicht  nur  unwahr- 
scheinlich ,  sondern  unmöglich.  Denn  nun  sollten  wir  aus  unserm 
Spruch  die  Gewissheit  schöpfen  köunen,  dass  Walther  zum  heiligen 
Qmbe  pilgerte,  eine  Gewissbeit,  die  man  aber  nimmermehr  aus  unserem 
Spruch  herauslesen  kann,  man  müsste  sie  denn  vorher  hineingelegt 
haben.    Sehen  wir  die  Worte  an! 

Vers  2b'  lautet : 

uns  sint  unsenfte  brieve  her  von  Möme  körnen. 

Hier  ist  von  mehreren  Hannbriefen  die  Rede,  entweder  von  denen, 
die  im  Jabre  1227  uach  Deutschland  gelangten  mit  Ausschluss  des- 
jenigen vom  23.  März  1228,  oder  von  jenen  mit  Einschluss  des  letzteren. 
Ist  das  Erstere  der  Fall ,  so  müsste  man  annehmen ,  dass  Walther 


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442 

mitten  im  kalten  Winter  aufgebrochen  sei,  was  oben  niemand  ausser 
Walther  getan  hatte,  da  die  andern  Kreuziahrer  schon  im  August  oder 
September  1227  nach  Italien  kamen ,  und  was  selbst  ein  so  leiden- 
schaftlicher Verteidiger  des  Kreuzzuges  Walthers,  wie  R.  Menzel,  nicht 
anzunehmen  wagt.  „Allein  (Menzel  p.  33*)  es  ist  im  höchsten  Grade 
unwahrscheinlich,  dass  der  gebrechliche  Greis  im  Januar,  in  der 
strengsten  Winterkalte  seine  Heise  antrat".  Denken  wir  uns  aber, 
dass  unter  den  Briefen  jene  vom  Jahre  1227  sammt  dem  vom  Marz 
1228  verstanden  sein  wollen,  also  überhaupt  die  letzten  Bannbriefe  des 
Papstes,  dann  müsste,  der  letztere  wenigstens,  um  mich  so  auszudrücken, 
auf  telegraphischem  Wege  nach  Deutschland  und  zu  Walthers  Heimat 
gelangt  sein,  wenn  Walther  bis  Mai  in  Italien  hätte  sein  wollen  Für 
diesen  Mouat  aber  war  die  Abfahrt  nach  Palästina  festgesetzt,  und 
Walther  konnte,  als  er  von  Deutschland  aufbrach",  nicht  wissen,  dass 
sich  diese  verzögere,  wie  es  allerdings  geschah. 

Von  einer  grossen  Schwierigkeit  wird  ferner  die  beliebte  Auffassung 
des  9.  und  10.  Verses  gedrückt. 

Die  mine  gespilen  waren,  die  siut  traege  und  alt. 

Ks  steht  fest,  dass  wir  uns  unter  einem  Vogelweidehof  {fogilweida 
=  aviarium)  keine  grosse  Besitzung,  keine  Burg  mit  ragenden  Zinnen, 
sondern  „das  einlache  Gehöfte  eines  niederen  Dienstmauues  in  der 
Lichtung  eines  Waides"  zu  denken  haben.  Was  soll  nun  zu  einer 
solchen  Heimat  Walthers  Klage?  Auf  wessen  Gruss  soll  er  denn 
gewartet,  wem  soll  er  es  denn  verübelt  haben,  wenn  ihm  ein  Gruss 
verweigert  wurde?  Woher  soll  er  denn  Zeit  genommen  haben,  um  so 
lange  in  seiner  Heimat  weilen  zu  können,  bis  er  die  Gesinnungen  seiner 
ehemaligen  Gespilen  erkannt  hätte?  Es  hätte  ihm  die  höchste  Eile  not 
getan  und  unmöglich  hätte  er  so  lange  verweilen  können,  bis  er  ein 
Hecht  hatte  zu  seiner  Klage  I  Und  wer  sollen  denn  die  Gespilen  seiner 
Jugend  sein?  Doch  nicht  allein  die  f>  —  8jährigen,  mit  denen  er  sich 
einst  an  Kinderspielen  vergnügte.  „Denn  die  Gespielen  und  Bekannte, 
deren  er  sich  wohl  entsinnt  und  deren  lauen  Gruss  er  beklagt,  dürfen 
nicht  auf  dem  Tummelplatz  der  allerersten  Kinderspiele  allein  gesucht 
werden,  deren  Erinnerung  schwerlich  ein' halbes  Jahrhundert  über- 
dauert hätte". 

Unbeachtet  blieb  auch  bisher  das  Wort  „her"  in  Vers  26.  Her 
bedeutet  nichts  anderes,  als  hier,  d.  h.  wo  wir  uns  aufhalten,  in 
unserer  Heimat  Und  damit  stimmt  wieder  der  Gedanke  in  V  39—51, 
wo  er  klagt,  dass  er  daheim  bleiben  müsse  Schon  in  seiner  Mahnung 
an  die  Ritter,  des  Krenzzuges  nicht  zu  vergessen,  „dar  an  gedenket, 
ritttr,  ez  ist  iuwer  dinc",  drückt  er  diess  aus,  denn  ich  wüsste  nicht, 
wie  man  sich  entschiedener  von  einer  Handlung  ausnehmen  könnte, 
als  mit  diesen  Worten.    Auch  das  Wort  „mügen"  in  V  49  verdient 


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443 


volle  Beachtung.  Es  ist  das  französische  pouvoir,  das  englische  to  ca», 
so  dass  Waltber  uumissverstaudlich  damit  ausspricht,  es  sei  ihm  eine 
physische  Unmöglichkeit,  an  einem  Kreuzzuge  teil  zu  nehmen. 

Habe  ich  unsern  Spruch  richtig  verstanden,  woran  zu  zweifeln 
ich  bis  jetzt  keinen  Grund  habe,  dann  kann  er  nicht  auf  einer  Reise 
Waltbers  nach  Italien  gedichtet,  auch  nicht  das  Heimatlied,  sondern 
nur  das  Schwancnlied  Walthers  sein  Allerdings  ist  dann  auch 
die  Errichtung  einer  Gedenktafel  Walthers  (Hof  zur  inneren  Vogel- 
weide bei  Waidbruck,  in  Tyrol)  keine  wissenschaftliche,  sondern  eine 
politische  Tat  gewesen,  ein  Fingerzeig  für  die  Italiener,  die  in  dem 
kindlichen  Wahn  leben,  als  könnte  Italien  seine  Sprachgrenze  gegen 
Norden  vorschieben 

lieber  die  Heimat  Walthers  gibt  allerdings  auch  dieser  Spruch 
keine  positive  Aussage,  so  dass  man  wobl  annehmen  kann,  dass  die 
Resultate  der  Untersuchungen  über  Waltbers  Heimat  leider  noch 
immer  negative  sind. 

Landau.  Falch. 


Stilistische  Aphorisiueu. 

V.    Ueber  Gedanke  narm  ut 
(Sehluss.J 

Soll  die  Stilistik  die  ihr  unerlässlich  notwendige  Neugestaltung 
erhalten,  so  muss  vor  allem  eine  neue  Compositionslobre 
geschaffen  werden.  Die  bisherigen  topischen  Schemen  müssen 
über  Bord  geworfen  werden  Denn  mit  diesen  kommt  die  Individualität 
des  Themas  nicht  zu  ihrem  Rechte.  Sie  passen  für  zehn  Fälle,  für 
zwanzig  andere  aber  nicht  und  können  in  der  Regel  weder  für  die 
Zahl  noch  für  die  Ordnung  ihrer  Teile  einen  wissenschaftlichen  Grund 
angeben.  Hieher  gehört  auch  die  Chrie,  die  nichts  als  ein  unbe- 
wosster  Versuch  dessen  ist,  was  wir  erstreben  müssen,  nämlich  ein 
primitiver  Versuch  einer  heuristisch  -  dispositionalen  Compositions- 
methode,  aber  ohne  wissenschaftlichen  Wert  und  ohne  Berechtigung. 

An  die  Stelle  dieser  Schablonen  hätte  alsdann  eine  heuristisch« 
dispositionale  Compositionslehre  zu  treten,  d.  h.  eine 
Compositionslehre,  die  derartig  eingerichtet  ist,  dass  mit  der  Disposition, 
soweit  dies  nur  möglich  ist,  zugleich  die  Hauptgedanken  und  umge- 
kehrt mit  den  Hauptgedanken  auch  die  Ordnung  auf  einmal  gefunden  . 
und  gesetzt  wird.  Und  eine  solche  Compositionslehre  gibt  es;  denn 
die  Disposition  baut  sich  nach  logiseben  Gesetzen  auf,  die  ewig  die 
gleichen  bleiben.   Gelingt  es,  diese  Gesetze  festzustellen  —  und  sie 


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444 


sind  nichts  anderes  als  die  Gesetze  der  Entwicklung  — ,  dann  ist 
dem  Aufsatz  Schritt  für  Schritt  der  einzuschlagende  Gedankengang 
vorgezeichnet,  und  die  heuristisch •  dispositionale  Compositionslehre 
ist  gefunden. 

Man  darf  sich  dieselbe  indessen  nicht  so  vorstellen,  als  ob  dadurch 
die  Heuristik  oder  die  Lehre  von  der  Gcdankcnfiiidung  ganz 
entbehrlich  würde,  sondern  wie  es  in  der  Mathematik  Nebenrechnungen 
gibt,  so  bleiben  auch  in  der  Stilistik  noch  gewisse  Geschäfte  übrig, 
die  selbständig  besorgt  werden  müssen  (und  die  ihrer  Natur  nnch  eine 
selbständige  Behandlung  erfordern),  so  z.  Ii  die  Aufsuchung  der  Beweis- 
punkte. Dass  aber  auch  hier  reformirt  werden  muss,  dürfte  bald 
klar  werden. 

Die  sogenannte  ungeregelte  Erfindung,  die  Gedaukensucht 
ohne  zu  wissen ,  ob  und  wie  sie  dieselben  verwerten  könne ,  die  ohne 
Plan  und  Methode  zu  Werk  geht  (sie  erinnert  uns  immer  an  den  so- 
genannten „wilden  Stich"),  sie  muss  gleichfalls  gänzlich  verbannt  und 
eiue  ueue  rationelle  Metbode  an  ihre  Stelle  gesetzt  werden.  Einen 
grossen  Schritt  vorwärts  hat  hier  schon  Kinne  getban,  iudem  er  zeigte, 
dass,  wenn  ich  ein  Urteil  zu  beweisen  habe,  die  Beweispunkte  eigentlich 
gar  nichts  anderes  sind,  als  wesentliche  Merkmale,  die  im  Prädikats- 
begriff  stecken  Um  sie  zu  finden,  hat  mau  also  nichts  weiter  zu  thun, 
als  diese  Merkmale  zu  suchen.  Freilich  die  Methode,  die  Rinne  zur 
Auffindung  dieser  Merkmale  vorschlägt,  ist  zu  verwickelt  und  unnatür- 
lich und  deshalb  unpraktisch.  Es  lasst  sich  aber  leicht  eine  einfachere 
finden  und  wir  werden  selbst  gelegentlich  Vorschläge  in  dieser 
Hinsicht  machen. 

Was  ferner  die  Kunst,  eiuen  Beweispunkt  auszuführen, 
betrifft,  so  war  bisher  die  Stilistik  darauf  angewiesen,  sich  mit  Beispielen 
zu  helfen.  Allein  was  nützte  es  dem  Schüler,  wenn  ihm  der  Lehrer 
sagte:  so  etwa  musst  Du  diesen  Punkt  ausführen!  Da  sah  der  Schüler 
wol  das  Ziel,  das  er  zu  erreichen  hatte,  aber  der  Lehrer  war  nicht  in 
der  Lage,  ihm  zu  sagen,  auf  welchem  Wege  d.  h.  wie  er  es  erreichen 
konnte.  Mau  darf  sich  daher  nicht  wundem,  wenn  die  deutschen  Auf- 
sätze vielfach  dürr  und  matt  ausfallen,  wenn  man  ihnen  ansieht,  welch 
ein  mühevolles  Werk  sie  sind 

Auch  hier  muss  Rat  geschaffen  werden.  Eine  rationelle  Compo- 
sitionslehre wird  hier  helfen.  Ist  der  Aufsatz  z.  B.  eine  Entwicklung, 
so  muss  auch  nach  einein  ewigen  Entwicklungsgesetz  jeder  Teil  eine 
Entwicklung  repräsentiren ,  also  muss  auch  jeder  Beweispunkt  selbst 
wieder  drei  Teile  haben,  nämlich:  1)  den  Beweispuukt  (Anfang 
der  Entwicklung),  2)  die  Begründung  desselben  (Verlauf),  3)  deu 
Abschluss  (Ende.  Letzterer  kann  als  selbstverständlich  auch  ver- 
schwiegen werden  —  stilistische  Ellipse). 


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445 


Was  die  Begründung  seihst  wieder  betrifft,  so  hilft  uns  hier  die 
Logik,  nämlich  die  Lehre  vom  Schlau  uud  vom  Beweise  weiter.  Da  muss 
nun  freilich  erst  wieder  gezeigt  werden,  wie  man  die  Logik  für 
die  Stilistik,  für  die  Ausführung  der  Beweispunkte,  ver- 
werten könne.  In  unsern  stilistischen  Lohrbüchern  fehlt  fast  nirgends 
eine  Belehrung  über  den  Syllogismus,  über  den  indirekten  Beweis  u.  s  w. 
Allein  kein  einziges  Lehrbuch  und  wir  haben  deren  viele  durchsucht 
ist  uns  in  die  Hand  gefallen,  das  gezeigt  hatte,  wie  man  den  Syllo- 
gismus oder  eine  andere  Schlussweise  uueh  für  den  Aufsatz  verwerten 
könne.  Mau  begnügte  sich  vielmehr  damit,  an  einem  Beispiele 
die  syllogistische  Schlussform  vorzuführen.  Man  lese  ad  exemplum 
nur  die  „theoretisch  -  praktische  Anleitung  zur  Abfassung  deutscher 
Aufsatze4'  von  Dr.  J.  Naumann ,  Leipzig  1874 ,  durchaus  keines  der 
geringeren  Stilbücher.  S.  203  heisst  es  da  wörtlich :  „Die  strenge  Form 
des  direkten  oder  ostensiven  Beweises  heisst  Syllogismus  oder  Vernunft- 
schluss.  Mau  bildet  ihn,  indem  man  den  zu  beweisenden  Satz  an  einen 
allgemein  giltigen  Satz  (Obersatz)  anlehnt,  dann  einen  den  allgemeinen 
Begriff  verengernden  Untersatz  bildet  uud  den  zu  beweisenden  Satz  zum 
Schlusssatz  macht".  (  Vergleiche  die  stilistischen  Lehrbücher  von  Fr.  Beck, 
Hoffmann  u.  A.)  Was  soll  nun  das  für  eine  Anweisung  sein?  Weiss 
jetzt  der  Schüler,  wie  er  es  machen  soll  ?  Wie  soll  er  jenen  allgemein 
gütigen  Gedanken  linden?  Oder  ist  es  ganz  gleich,  welchen  Gedanken 
er  zu  Grunde  legt?  Dann,  wo  soll  er  einen  den  allgemeinen  Begriff 
verengernden  Untersatz  hernehmen  ?  Wie  ihn  finden?  wie  erkennen? 
II.  s.  w.  Kurz,  es  dürfte  Jedermann  einsehen,  dass  mit  Bolchen  Kxcerpten 
aus  der  Logik  für  den  stilistischen  Unterricht  durchaus  nichts  getban 
ist.  Man  wird  es  daher  als  wohlbegründet  ansehen,  wenn  wir  sagen, 
dass  erst  gezeigt  werden  müsse,  wie  mau  die  Logik  auf  die  Stilistik 
anwende;  denn  von  selbst  versteht  iich  dies,  wie  so  manche  Stilistiker 
zu  glauben  scheinen,  durchaus  nicht  Doch  kämen  wir  zu  weit,  wollten 
wir  hier  auch  zeigen  ,  dass  sich  dieses  in  einer  auch  den  minder 
befähigten  Schülern  hegreiflichen  Weise  bewerkstelligen  lasse 

Nachdem  wir  nun  die  Hauptmängel  der  modernen  Stilistik  in 
heuristischer  Hinsicht  hervorgehoben  haheu,  erscheint  es  uns  nicht  am 
Orte,  noch  auf  kleinen- Schwächen  hinzudeuten.  Nur  auf  eines  möchten 
wir  noch  aufmerksam  machen  In  stilistischen  Lehrbüchern  findet  man 
häutig  die  Forderung,  der  Aufsatz  müsse  vollständig  sein  und  zwar 
(lenkt  mau  dabei  an  eine  absolute  Vollständigkeit  (bei  Rinne 
z.  B.  verlangt  dies  sogar  die  Consequenz  seiner  Theorie).  Diese 
Forderung  ist  ein  Unding  und  führt  zu  widerwärtigen  Detaillirungen, 
in  welchen  über  den  Teilen  das  Ganze  zu  verschwinden  droht  Ver- 
nünftiger Weise  kann  unter  Vollständigkeit  des  Aufsatzes 
nur  verstanden  werden:  es  darf  kein  Punkt  weggelassen  sein, 


446 


dessen  Besp  rechung  sich  der  Leser  bei  der  Behandlung 
des  betreffenden  Themas  unwillkürlich  und  mit  Recht 
erwartet.  Genügt  der  Aufsatz  dieser  Forderung,  so  ist  er  voll- 
ständig; absolute  Vollständigkeit  aber  ist  unerreichbar  und  nimmt  dem 
Aufsatz  alleu  ästhetischen  Heiz. 

Wäre  nur  einmal  nach  den  angezogenen  Seiten  hin  der  Reform- 
bedürftigkeit der  Stilistik  ein  Genüge  geschehen .  dann  würde  jene 
scheinbare  Gedankenarmut,  von  der  wir  oben  gesprochen,  vollständig  ver- 
schwinden. Denn  dann  hätte  der  Schüler  einen  sichern  Wegweiser, 
der  ihm  Gedanken  finden  hilft,  ihn  aber  zugleich  vor  Abwegen 
möglichst  schützt. 

Wir  können  indess  hier  uicht  abschliessen ,  ohne  noch  kurz  auf 
den  methodischen  Weg  zu  sprechen  zu  kommen,  der  von  Coli. 
Krallinger  S.  221  ff.  zur  Beseitigung  der  Gedankenarmut  vorgeschlagen 
wird.  Man  liebt  es  heutzutage,  Stilistik  und  Grammatik  mauchfach 
zu  vermengen  :  die  Grammatikübungen  sollen  zugleich  Stilübungen 
sein  und  die  Stilübungen  werden  häutig  zu  Gramroatikübungen  gemacht. 
Ja  die  Grammatik  soll  überhaupt  nur  praktisch  betriebet)  werden;  um 
Einteilungen  etc.  dürfe  man  gar  nicht  mehr  fragen  Wir  halten  ein 
solches  Streben  für  kein  Glück;  denn  dabei  kommt  die  Grammatik  zu 
kurz  und  für  den  Aufsatz  wird  sehr  wenig  gewonnen.  Es  wäre  über- 
haupt sehr  zu  wünschen,  dass  einmal  jene  kindlich  naive  Ansicht  ver- 
schwinden möchte,  die  sieb  noch  in  vielen  Stilbüchern  findet  und  dahin 
geht,  dass  der  Stilunterricht  mit  Uebungen  im  Satzbilden 
beginnen  müsse,  daran  müssten  sieb  dann  etwa  Beantwortungen  von 
Fragen  reihen  und  so  weiter.  Man  behandelt  da  den  Schüler,  der 
wenn  er  in  die  Mittelschule  kommt,  doch  schon  mehrere  Jahre  eine 
Volksschule  durchgemacht  hat,  gerade  als  wenn  sein  Geist  noch  eine 
tabula  rasa  (cf.  S.  220)  wäre,  und  der  Schüler  erat  reden  und  Ge- 
sprochenes verstehen  lernte,  und  man  vertrödelt  die  Zeit  mit  solchen 
Tändeleien,  die  dem  Aufsatz  nichts  nützen.  Wir  sagen  es  unumwunden  : 
Derartige  Uebungen  halten  wir  für  wertlose  Spielereien  (cf. 
S.  221  „Quelle  der  Unterhaltung"  und  S.  276  unten!)  und  wundern 
uns  nicht,  wenn  dabei  geklagt  wird,  dass  die  Schüler  im  Deutschen 
nicht  vorwärts  kommen  wollen.  Sollen  befriedigende  Fortschritte 
gemacht  werden,  so  muss  wol  sofort  mit  dem  Nacherzählen  von 
vorerzählten  Fabeln,  Märchen,  Sagen,  kleinen  Erzählungen  und  der- 
gleichen begonnen  werden;  dann  wird  es  rasch  vorwärts  gehen.  Dasr 
aber  solche  Uebungen  nicht  zu  schwer  sind,  hat  erst  jüngst  Herr  Miller 
in  diesen  Blättern  S.  315  ff.  sehr  klar  und  verständlich  gezeigt.  Wir 
können  ihm  nur  beipflichten  und  möchten  deshalb  vor  den  lockenderen 
und  bequemeren  Wegen  warnen ,  auf  welche  II.  Krallinger  und 
II.  L.  Mayer  einladen.   Denn  das  sollte  man  wol  beachten,  dass  ein 


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447 

Aufsatz  nicht  ein  Conglomerat  von  Sätzen  ist,  sondern  ein  einheitliches, 
in  sich  abgeschlossenes  Ganzes.  Satzbildungen  sind  daher  keine 
Stilübungen. 

Was  endlich  die  so  oft  genannten  Vater-,  Schön-  und  Ist- 
s ätze  betrifft,  so  ist  unsere  Ansicht  die,  dass  es  in  der  Grammatik- 
stunde  ohne  Belang  ist,  ob  der  Schüler  Vater-,  Mütter»  oder  Räuber- 
Sätze  macht,  gerade  wie  in  der  Logik  es  gleich  ist,  ob  man  sagt:  „Alle 
Menschen  sind  sterblich",  oder  „Alle  Neger  sind  schwarz'*.  Stilübungen 
aber  sind  jene  Satzconstruktionen  nimmermehr  und  der  Knabe  wird 
durch  derartige  Exercitien  weder  gedankenreicher  noch  gedankenärmer. 

3    Die  einseitige  Gedankenarmut. 

Als  eine  dritte  Art  von  Gedankenarmut  haben  wir  oben  jene 
bezeichnet,  welche  die  Folge  einseitiger  Ausbildung  ist  und  erst  im 
spätem  Scholleben  hervortritt. 

Dieser  Art  von  Gedankenarmut  lässt  sich ,  wenn  sie  einmal  vor- 
banden ist,  eben  weil  sie  erst  spät  auftritt,  in  der  Schule  wol  schwer 
mehr  abhelfen.  Sehr  erheblich  kann  sie  aber  gemildert  werden  durch 
eine  methodische  Schulung  in  der  Heuristik  und  zwar  in  einer  Heu- 
ristik, wie  wir  sie  oben  geschildert  habt  n.  Natürlich,  wenn  man  dem 
Schüler  keine  gründliche  Anleitung  zur  Ausführung  eines  Aufsatzes 
und  der  Beweispunkte  gibt  und  bei  dem  gegenwärtigen  Zustand  der 
Aufsatzlebre  auch  nicht  wol  geben  kann ,  wenn  man  ihn  also  sich 
selbst  überlässt ,  dann  muss  seine  Einseitigkeit  schliesslich  auch  im 
deutschen  Aufsatz  zur  Erscheinung  kommen.  Ist  man  aber  im  Stand, 
ihm  eine  Anleitung  zu  geben,  die  eine  derartige  Einseitigkeit  überhaupt 
nicht  aufkommen  lässt,  sondern  ihn  fortwährend  zwingt,  auch  auf  das 
reale  Leben,  die  Geschichte  etc.  hinüberzublicken  und  nicht  Mos  rein 
abstrakt  das,  was  vorliegt,  auszuführen:  dann  wird  es  einem  solchen 
Schüler  auch  schliesslich  beim  Absolutorium  nicht  an  Gedanken  fehlen, 
wenn  auch  sein  Aufsatz  etwas  karger  werden  mag  als  der  anderer,  die 
sich  mehr  von  einer  einseitigen  Ausbildung  ferngehalten  haben  — 

Zum  Schluss  wolleu  wir  noch  auf  jene  Mittel  kurz  hinweisen, 
welche  geeignet  erscheinen,  den  Gedankenschatz  über- 
haupt zu  bereichern. 

Da  Gedankenreichtum  durch  Erfahrungen  erzeugt  wird,  so  ist 
alles,  was  dem  Schüler  neue  Erfahrungen  zuführt,  was  seinen  Ideen- 
kreis erweitert,  als  ein  Mittel  zur  Vermehrung  des  Gedanken  Schatzes 
zu  betrachten. 

Ein  solches  Mittel  ist  vor  allem  jeder  Unterricht,  jede  Unter- 
weisung; denn  jeder  Unterricht  involvirt  eine  Stoffzufuhr  und  sei 
dieselbe  auch  noch  so  gering. 


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448 


Ausserdem  gibt  es  noch  eine  Reihe  anderer  Mittel,  die  man  häufig 
empfiehlt:  insbesondere  Privatlckture,  Reisen,  Besuch  von  Vor- 
trägen, Abbildungen  etc.  Was  nun  diese  Dinge  betrifft,  so  scheint 
uns  ihr  Wert  für  die  Gedankenvermehruug  nicht  so  unbedingt  festzu- 
stehen, als  man  gemeinhin  annimmt.  Sie  involviren  zwar  auch  eine  und 
zwar  massenhafte  Stoffzufuhr,  allein  wir  erkannten  ja  oben,  dass  das 
bloss  Anschauen  oder  Hören  den  Gt'dankcuscbatz  noch  keineswegs 
bereichere  Letzteres  setze  vielmehr  ein  Zerlegen  des  Angeschauten, 
Gelesenen  oder  Gehörteu  voraus,  und  erst  dann  würden  diese  Uebungen 
gewinnbringend.  Nun  sind  aber  die  Schüler,  namentlich  in  den  untern 
Kursen,  im  Zerlegen  uud  Unterscheiden  noch  zu  wenig  geübt,  es  ist 
ihnen  noch  nicht  zur  instinktiven  Gewohnheit  geworden:  folglich 
bereichern  jene  Mittel,  wenn  der  Schüler  sich  selbst  überlassen  ist, 
den  Gedankeuschatz  nur  wenig;  jedenfalls  aber  nicht  in  dem  Masse, 
in  welchem  man  dieses  erwartet. 

So  wird  ein  Schüler,  wenu  er  ohne  Begleitung  reist,  sehr  wenig 
lernen,  weil  er  mit  offenen  Augen  und  Ohren  nicht  sieht  und  hört  d.h. 
nur  einen  verschwommenen  Totaleindruck  in  sich  aufnimmt-  Anders 
dagegen,  wenn  er  einen  kündigen  Führer  bei  sich  hat,  der  ihn  auf 
alles  aufmerksam  macht  uud  ihn  dadurch  zwingt,  deu  Totaleindruck  in 
seine  Einzelheiten  oder  Teile  zu  zerltgen.  In  diesem  Fall  wird  seine 
Reise  für  seine  Gedaukenbereicherung  grossen  Nutzen  haben. 

Dasselbe  ist  der  Fall,  wenn  ein  Schüler  einen  Vortrag  hört. 
Auch  hier  empfangt  er  nur  einen  verschwommenen  Totaleiudruck, 
weil  er  eben  nicht  zerlegt.  Daher  sind  förmliche  Vorträge  an  unsern 
Schulen  mit  Recht  verboten.  Soll  der  Schüler  von  einem  Vortrag 
Nutzeu  haben,  so  muss  unmittelbar  danach  Jemand  mit  ihm  den  ganzen 
Vortrag  besprechen  und  ihn  auf  das  aufmerksam  machen,  was  ihm 
entgangen  oder  was  er  nur  mit  halbem  Ohr  gehört  bat. 

»  Ebenso  ist  es  mit  Abbilduugen.  Lege  dem  Schüler  solche  vor, 
j-o  wird  er  wol  eine  Reihe  von  Bildern  in  sich  aufnehmen,  allein  sie 
sind  nicht  geklärt;  nur  Totaleindrücke  empfängt  er;  aber  alles  ist  ihm 
ziemlich  verschwommen,  so  dass  er  schliesslich  doch  nicht  viel  mehr 
weiss  als  zuvor.  Macht  ihn  dagegen  Jemand  auf  das  und  jenes  auf- 
merksam, zwingt  er  ihu  also  zun»  Zerlegen  des  Augeschauten,  dann 
klärt  sich  jener  verschwommene  Totaleindruck;  die  Bereicherung  des 
Gedankenschatzes  beginnt. 

Endlich  komraeu  wir  zur  Pri vatlektürc.  Ihr  Wert  für  den 
deutschen  Aufsatz  wird  ohne  Zweifel  häutig  überschätzt  ;  ja  wie  weit 
man  hier  geht,  zeigt  am  besten  das  bedenkliche  Diktum :  „Ohne 
Privatlektüre    kein    ordentlicher    deutscher  Aufsatz44. 


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440 


Wie  sehr  man  sich  aber  hier  täuschen  dürfte,  mag  nachfolgende  Aus- 
einandersetzung dartbun. 

Soll  die  Privatlektüre  deu  Gedankenschatz  bereichern,  so  müssen 
folgende  Bedingungen  erfüllt  werden: 

1)  Der  Schüler  muss  lesen,  um  zu  lernen,  nicht  blos  um  sich 
zu  unterhalten. 

2)  Er  muss  das,  was  er  liest,  zerlegen,  muss  öfters  innehalten 
und  sich  Rechenschaft  über  das  Gelesene  geben  (vergl.  Garve's 
bekanntes  „Weihnachtsgeschenk"),  er  muss  über  die  Situationen, 
über  Ursachen  und  Wirkungen,  kurz  Obel  den  logischen  Zusammen- 
hang und  die  Disposition  des  Ganzen  sich  klar  werden. 

3)  Endlich  sollte  er  bereits  so  viele  Erfahrungen  gemacht  haben, 
dass  er  alles,  was  er  liest,  auch  vorsteht. 

Nun  ist  aber  bekannt,  dass  der  Schüler  in  der  Regel  nicht  um  zu 
lernen,  sondern  blos  um  sich  zu  unterhalten  liest.  Man  besehe  sich 
nur  einmal  den  Bestellzettel  bei  der  Schülerbibliothek.  Was  will  der 
Schüler?  Eine  schöne  Räubergeschichte,  eine  Indianer-,  eine  Ritter-, 
eine  rührende  Geschichte  etc.:  also  vor  allem  Unterhaltung  verlangt  er. 

Bekannt  ist  ferner,  dass  er  viel  zu  wenig  zerlegt.  Einmal  hat  er 
noch  zu  wenig  Uebung  in  diesem  Geschäfte;  dann  aber  will  er  nur 
unterhalten  sein  Deshalb  interessirt  ihu  vor  allem,  wie  die  Geschichte 
ausgeht  und  er  stürmt  daher,  ohne  sich  irgendwo  aufzuhalten,  dem 
Schlüsse  zu,  überschlugt  ganze  Blätter,  die  etwa  das  Land  und  den 
Charakter  seiner  Bewohner  schildern  —  denn  das  führt  ja  die  Hand- 
lung nicht  weiter  —  und  ist  er  endlich  am  Ende  angekommen,  und 
hat  er  gesehen,  wie  die  Geschichte  ausging  —  dann  schlägt  er  das 
Buch  für  immer  zu  und  ist  um  einen  Totaleindruck  reicher,  aber 
gelernt  bat  er  sehr  wenig,  weil  er  nicht  zerlegte.  Was  hilft  ihm  nun 
das  für  den  deutschen  Aufsatz?  Sein  Gedankenvorrat  wurde  um  so 
Weniges  bereichert,  dass  es  nicht  der  Rede  wert  ist. 

Endlich  ist  auch  bekannt,  dass  die  meisten  Schüler  keineswegs 
alles ,  was  sie  lesen ,  auch  verstehen.  Wir  sehen  das  ja  in  der  Schule 
in  jeder  Lesestunde  Hier  wird  es  ihm  nun  erklärt;  zu  Hause  aber 
hüpft  er  darüber  hinweg,  da  es  ihm  ja  auch  um  die  Einzelnheiten  gar 
nicht  zu  thun  ist.  Und  so  ist  seine  Privatlektüre  in  der  Regel 
ein  Schlendrian,  der  für  den  deutschen  Aufsatz  so 
ziemlich  wertlos  ist. 

Wir  begreifen  daher  nicht,  wie  man  behaupten  kann :  „Ohne  Privat- 
lektüre kein  ordentlicher  deutscher  Aufsatz".  Man  lasse  sich  doch 
nicht  täuscheu !  So  massenhaft  die  Privatlektüre  Gedanken  zuführen 
könute,  so  gering  ist  ihr  thatsächlicber  Nutzen,  weil  die  psychologischen 
Voraussetzungen,  von  denen  letzterer  abhangt,  nicht  erfüllt  werden. 


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450 


Ganz  anders  gestaltet  sich  natürlich  die  Sache,  sobald  derjenige, 
der  Privatlektüre  treibt,  liest,  um  zu  lernen,  sobald  er  ferner  daB,  was 
er  liest,  zerlegt  und  ihm  dieses  Geschäft  schon  zur  Gewohnheit 
geworden  ist,  sobald  er  endlich  auch  Erfahrung  genug  besitzt,  um  das, 
was  er  liest,  auch  zu  verstehen.  In  diesem  Stadium  aber  ist  erst  der- 
jenige angekommen,  der  die  Schule  bereits  hinter  sich  hat,  oder  der 
Schüler  in  den  obersten  Cursen.  In  den  höchsten  Classen  eines  Gym- 
nasiums wird  daher  der  Schüler  mit  Erfolg  Privaticktüre  treiben  können. 
Freilich  durften  sieb  die  Ansichten  darüber  teilen,  ob  dieses  auch  im 
dritten  Curse  einer  Gewerbschule  nach  nur  zweijähriger  Schulung,  von 
dem  Mangel  an  freier  Zeit  ganz  abgesehen,  schon  möglich  sei. 

Der  eigentliche  Wert  der  Privatlektüre  für  den 
Schüler  scheint  uns  überhaupt  nicht  in  der  Gedankenbereicherung 
und  weniger  auch  in  der  Förderung  des  Ausdruckes,  als  vielmehr  in 
dem  Umstände  zu  liegen  ,  dass  dieselbe  die  Freude  an  der  Beschäft- 
igung mit  der  schönen  Literatur ,  d;\s  Wolgefallen  am  Schönen  und 
Idealen  ,  an  allem  Grossen  und  Erhabenen,  erweckt,  dass  sie 
dem  Schüler  Begeisterung  und  höheren  Schwung ,  idealeres  Streben 
einimpft  ~  was  natürlich  voraussetzt,  dass  sie  entsprechend  gewählt 
wird.  Das  ist  vor  allem  der  Wert,  den  die  Privatlektüre  für  den 
Schüler  besonders  in  den  unteren  Cursen  hat  (vgl.  auch  Quintilian's 
Anleitung  zur  Beredsamkeit  I,  8;,  und  wenn  sie  das  leistet,  hat  sie 
genug  gethan.  Die  Gedankenbereicherung  aber  muss  vor  allem  der 
Unterricht  selbst  übernehmen 

Die  angeführten  Bedenken  werden  sich  auch  durch  ein  Gontrole 
der  Privatlektüre  nicht  heben  lassen.  Am  besten  wäre  es  wohl, 
wenn  sich  biezu  das  Haus,  etwa  der  Vater  des  Knaben  ,  herbeiliesse. 
Allein  wie  viele  Väter  haben  Zeit  und  Lust  und  auch  Bildung  genug, 
um  das  Gelesene  mit  dem  Knaben  eingehend  zu  besprechen?  Die 
Schule  selbst  aber,  wenigstens  die  Gewerbschule,  kann  sich  auf  eine 
solche  Controle  nicht  einlassen.  Zu  einer  ständigen  und  eingehenden 
Controle  fehlt  uns  an  unseren  Anstalten  die  Zeit;  eine  blos  zeitweise 
und  oberflächliche  aber  hat  wenig  praktischen  Wert.  Was  nützt  es 
auch ,  wenn  man  dann  und  wann  einen  Aufsatz  über  ein  Thema  aus 
der  Privatlektüre  gibt!  Damit  ist  nicht  viel  gethan  und  bei  der  geringen 
Stundenzahl,  die  dem  Deutschen  im  3.  Curse  einer  Gewerbschule  zuge- 
wiesen ist,  gibt  es  wahrlich  Dinge,  die  viel  wichtiger  sind  als  derartige 
Aufsätze,  die  in  der  Regel  auch  noch  oberflächlicher  ausgearbeitet 
werden,  als  Themata,  die  in  der  Schule  besprochen  wurden.  Damit  sei 
jedoch  nicht  gesagt,  dass  man  nicht  dann  und  wann  einen  solchen 
Aufsatz  machen  lassen  soll;  aber  einen  besonderen  Wert  möchten  wir 
ihnen  nicht  beilegen. 


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> 


451  • 

Damit  sind  wir  am  Schlüsse  unserer  Darlegungen  angekommen 
und  können  nur  unser  ceterum  censeo  wiederholen,  dass  eine  Refo>m 
der  Stilistik  und  des  stilistisch  on  Unterrichts  allein  im 
Stande  sei,  die  Klagen  über  die  geringen  Leistungen  der  Schüler  im 
Deutschen  verstummen  zu  machen. 

Regensburg  und  Kaiserslautern.      M.  Sfhiessl  und  W.  Götz. 


Schriftliche  Uebnngen  im  Deutschen  für  Sexta. 

Noch  einmal  muss  ich  wegen  eines  nun  schon  öfter  aufgeworfenen 
Themas  die  Feder  ergreifen,  um  auf  die  Einwendungen,  mit  welchen 
Herr  Kol!.  Miller  gegen  meinen  Aufsatz  (S.  220  ff)  aufgetreten  ist, 
einiges  zu  erwidern.  Es  geschieht  nur  im  Interesse  der  Sache,  und 
sei  der  Erfolg  dieses  meines  Strebens,  wie  er  wolle,  wenigstens  bean- 
spruche ich  das  Verdienst,  auf  verschiedene  Schwierigkeiten  und  Ob- 
liegenheiten hingewiesen  zu  haben,  mit  welchen  man  in  der  ersten 
Klasse  der  Lateinschule  bei  dem  stilistischen  Unterricht  sich  abzu- 
finden hat. 

nerr  Koll.  Miller  schreibt,  ich  traue  zehnjährigen  Knaben,  die  noch 
dazu  die  Aufnahmsprüfung  in  die  Lateinschule  bestanden  und  demnach 
ein  gewisses  Mass  von  Kenntnissen  in  der  deutschen  Sprache  nachge- 
wiesen haben,  zu  wenig  zu,  wenn  ich  Anstand  nehme,  sie  gleich  von 
vornherein  zusammenhängende  Stücke  schriftlich  nacherzählen  zu  lassen  • 
sodann  nennt  er  den  „erst  nach  vielen  Fragen"  zustande  gekommeneu 
Satz:  „Auf  der  blumigen  Wiese  etc."  gar  zu  mager  für  einen  Sextaner 
und  behauptet,  bei  gehöriger  Anleitung  könne  auch  ein  Sextaner  eine 
ganz  verständige  Beschreibung  liefern;  ausserdem  scheint  er  sich  auch 
an  der  von  mir  empfohleneu  Methode  des  Herauscxaminierens  zu 
stossen,  wie  aus  einigen  Ausdrücken  seines  Artikels  hervorgeht. 

Was  nun  die  erste  Behauptung  des  Herrn  Opponenten  betrifft,  so 
kann  ich  wohl  zugestehen,  dass  es  manchmal  neun  -  oder  zehnjährige 
Knaben  gibt,  die  sofort,  nachdem  sie  eine  mässig  grosse  Erzählung 
gehört  haben,  dieselbe  in  erträglicher,  ja  sogar  in  recht  netter  Form 
niederzuschreiben  vermögen.  Das  sind  denn  die  aufgeweckten,  glücklich 
begabten,  von  Haus  aus  gutgezogenen  Schüler.  Wenn  alle  sich  so 
zeigten,  dann  wäre  es  gut  Lehrer  sein.  Das  wird  mir  aber  Herr 
Koll.  einräumen,  dass  solche  Knaben  nicht  sehr  häufig  sind;  er  wird, 
wie  ich ,  die  Erfahrung  gemacht  haben ,  dass  man  bei  der  grossen 

B'atter  f  d.  b»ycr.  Gymn.-  u.  Rc&l-Schalw.   XL  Jtbru.  01 


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452 


Mehrzahl*),  der  man  doch  deshalb  die  Aufnahme  in  die  Lateinschule 
nicht  versagen  kann,  nichts  so  Erfreuliches,  soudern  im  Gegenteil  nur 
mehr  oder  minder  ungeordnete  Arbeiten  zu  lesen  bekommt.  Ausser 
den  Mängeln  in  der  Interpunktion,  die  mau  allenfalls  ignorieren  kann, 
und  abgesehen  von  Fehlern  gegen  die  Orthographie,  die  schon  bedenk- 
licher sind,  muss  man  da  alle  möglichen  logischen  uud  sprachlichen 
Verstösse  wahrnehmen,  wi#  Weglassuug  von  Haupt-  und  Hervorhebung 
von  Nebensächlichem,  Verwechslungen  z.  13.  von  Ursache  und  Wirkung, 
gezwungenen  oder  verkehrtes  Gebrauch  der  Ausdrücke,  die9  zumeist 
infolge  der  von  mir  beklagten  mechanischen  Anklammerung  an  den 
Wortlaut  des  Vorgelesenen  ,  ungeschickte  oder  uurichtige  Anwendung 
der  Konjunktionen ,  falsche  Rektion  der  Yerba  und  der  Präpositionen, 
Provinzialismen,  Formfehler.  Das  kommt  eben  davon  her,  dass  die 
Schüler  noch  nicht  die  nötige  Herrschaft  über  ihre  Mutter- 
sprache, ich  meine  die  Schriftsprache,  besitzen.  Sehr  viele  von 
ihnen  hören  zu  Hause  nur  schlecht  sprechen,  sie  haben  noch  wenig 
gelesen,  der  Lehrstoff  der  deutschen  Schule  ist  an  ihren  noch  halb 
schlummernden  Sinnen  wie  ein  Traum  vorübergegangen.  Woher 
sollten  sie  eine  nur  einigermassen  ausreichende  Darstellungsfäbigkeit 
haben?  —  Non  kann  ich  mir  bei  diesen  Schülern  noch  eine  mündliche 
Nacherzählung  denken  und  habe  sogar  nicht  viel  dagegen  einzuwenden, 
dass  sie,  wie  in  der  deutschen  Elementarschule,  so  auch  bei  uns  fleissig 
geübt  werde;  denn  hier  kann 'der  Lehrer  ermuntern,  anleiten,  darauf- 
helfen, das  Nebensächliche  rechtzeitig  einfügen,  uud  hier  treten  auch 
die  eben  bezeichneten  Fehler  nicht  so  scharf  hervor,  vox  emissa  perit, 
litera  scripta  mattet.  Aber  schriftlich  (und  wir  bandeln  ja  von  schrift- 
lichen Uebungen)  ist  die  Sache  auch  deshalb  noch  viel  schwieriger, 
weil  Sextaner  in  der  Regel  nicht  sehr  rasch  schreiben  können*, 
so  da9s  sich  ihnen  die  bereits  gefassten  Gedanken  oft  unter  der  Feder 
wieder  entziehen  oder  wenigstens  verschieben;  zudem  tritt  hier  die 
Mithilfe  des  Lehrers  in  den  Hintergrund.  Zwei  andere  Arten  der 
Uebungen  aber,  nämlich  eine  vollständig  memorierte  Erzählung  aus 


•)  Bei  dieser  Gelegenheit  muss  ich  im  Vorbeigehen  auch  eines  Um- 
standes  gedenken,  der  die  Leitung  einer  Sexta  bei  uns  bis  jetzt  nicht 
unbedeutend  erschwert  hat,  nämlich  die  grosse  Alters-  und  Entwicklungs- 
verschiedenheit der  in  diese  Klasse  eintretenden  Knaben.  Während  nämlich 
ein  Teil,  berechtigt  durch  die  neue  Schulordnung,  in,  ja  bisweilen  uuter 
dem  Alter  von  0  Jahren  aus  der  3.  Klasse  der  deutscheu  Schule  zu  uns 
herüberkommt,  zählen  andere  Schüler  10,  11,  ja  nahezu  12  Lebensjahre 
und  kommen  ans  der  4  ,  5.,  ja  0.  Klasse  der  deutschen  Schule.  Wieviel 
macht  gerade  auf  dieser  Altersstufe  ein  Jahr  in  Hinsieht  auf  geistige 
Entwicklung  aus!  l>ie  Eltern  waren  eben  bisher  nicht  hinlänglich  informiert 
über  den  grossen  Vorteil,  den  ihnen  die  neue  Studienordnuug  gewährt- 


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I 


453 


dem  Gedächtniss  niederschreiben  oder  ein  eben  vorgelesenes  Stück 
neben  der  mündlichen  Wiedergabc  durch  einen  Schüler  zugleich  von 
der  ganzen  Klasse  schriftlich  ins  Heft  eintragen  zu  lassen ,  mögen 
zwar  auch  in  gewissen  Beziehungen  gut  sein,  aber  sie  werden  die 
Schüler  nicht  so  weit  fördern,  als  es  verlangt  werden  muss.  Wir 
stehen  also  hier  vor  grossen  Schwierigkeiten.  Obige  Schäden  wurden 
aber  notwendig  noch  grösser  werden,  wenn  man  etwa  (wie  Herr  Koll. 
Miller  andeutet)  der  Jugend  bei  solcherlei  Arbeiten  nicht  gestatten 
wollte,  sich  an  den  Wortlaut  des  Vorgelesenen  anzuklammern ;  da  hat 
sie  erst  gar  keinen  Halt  mehr.  Und  wie  wird  es  in  Zukunft  mit  so 
behandelten  Schülern  sein?  Alle  jene  Fehler  auf  einmal  zu  bekämpfen, 
ist  für  den  Lehrer  eine  reine  Unmöglichkeit,  und  die  Knaben  schleppen 
sie  fort  und  fort  und  laborieren  noch  in  höheren  Klassen  an  mangel- 
hafter Auffassung  und  unkorrekter  Ausdrucksweise.  Es  mögen  das 
alles  auch  die  Gründe  sein ,  weshalb  ein  bedeutender  Pädagog ,  wie 
der  oft  citierte  Laas,  selbst  in  Quinta  noch  keine  derartige  schriftliche 
Arbeit  leiden  will.  Das  ginge  nun  freilich  zu  weit;  aber  man  mutet 
den  Schülern  auch  nicht  zu  wenig  zu,  wenn  man  glaubt,  darnach 
trachten  zu  müssen,  dass  sie  sich  in  der  Wahrnehmung  des  Stoffes 
üben,  bevor  sie  sich  an  die  selbständige  Gestaltung  desselben 
machen,  und  dass  sie  ordentliche  Sätze  schreiben  lernen,  bevor 
sie  zur  Abfassung  zusammenhängender  Stücke  schreiten.  Da 
ist  denn  auch  Korrektur,  Unterweisung  im  Richtigen  und  Heilung  vom 
Falschen  viel  leichter.  Alleu  Anforderungen  aber  dürfte  Rechnung 
getragen  werden,  wenn  man  in  der  von  mir  angegebeueu  Weise  die  zu 
schreibenden  Sätze  so  aus  einer  Erzählung  au  einander  reiben  lässt, 
dass  sie  den  Inhalt  derselben  vollständig  wiedergeben.  Da  wird  der 
Geist  des  Knaben  in  Hinsicht  auf  Sprache  und  Materie  genugsam  in 
Anspruch  genommen;  zudem  lässt  sich  von  da  aus  leicht  zum  Satz- 
gefüge übergehen,  indem  man  mit  den  Schülern  an  den  ausgearbeiteten 
Aufgaben  einzelne  geeignete  Hauptsätze  in  Nebensätze  mit :  als ,  da, 
weil,  so  dass,  um  zu  etc.  verwandelt.  Ich  denke,  das  ist  eine  schul- 
mässige  Anleitung  zum  Schreiben,  während  ich  die  Methode,  die 
Schüler  gleich  zur  Wiedergabe  der  Erzählung  mit  Haupt-  und  Neben- 
sätzen anzuhalten,  mehr  in  das  Gebiet  der  „wilden  Praxis"  ver- 
weisen möchte,  mit  welcher  man  noch  selten  etwas  erreicht  hat.  Mein 
Herr  Kollega  bedenke  endlich  auch,  was  man  vor  der  Entstehung  der 
neuen  Schulordnung  in  Quinta  von  Knaben  verlangte,  die  in  der  Regel 
über  11  Jahre  alt  waren.  Eben  auch  Nacherzählungen!  Und  selbst  da 
waren  wenigstens  nach  meiner  Erfahrung  obige  Fehler  noch  lange 
nicht  ausgetilgt.  Will  man  jetzt  brevi  manu  diese  Aufgaben  in  die 
Sexta  für  zehn-  oder  neunjährige  Knaben  herübernchmen?  Herr  Koll. 
meint  freilich,  es  seien  „vor  allem  einfache,  klare  und  leichtfassliche 

3f 


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454 


Stücke"  zum  Nacherzählen  auszusuchen,  und  somit  sei  die  Sache  für 
Sexta  geregelt.  Aber  auch  hier  kommen  nach  meiner  Ueberzcugung 
die  oben  bezeichneten  Gefahren  durchaus  nicht  in  Wegfall.  Doch  sei 
dem,  wie  es  wolle!  Einerseits  hat  es  mit  stilistischen  Arbeiten  in  Sexta 
gewiss  keine  gar  so  grosse  Eile ;  andrerseits  gebe  ich  ja  selbst  den 
Schülern  zuletzt  eben  so  freie  Nacherzähltingen  (einfacherer  Art)  wie 
Herr  Koll.  Miller;  nur  lasse  ich  die  von  mir  auseinandergesetzten 
Vorübungen  vorausgehen. 

Ich  komme  nun  an  den  „mageren"  Satz :  „Auf  der  blumigen  Wiese  etc." 
—  Das  kann  man  sicher  nicht  bestreiten,  dass  die  Bildung  von 
Sätzen  eine  sehr  zweckmässige  Ucbung  ist.  Wenn  man  nun  diese 
in  der  Schule  vornimmt,  so  wird  man  finden,  dass  wohl  einzelne 
Knaben  schnell  mit  mehr  oder  weniger  geeigneten  Antworten  zur 
Hand  sind,  dass  aber  viele  die  ganze  Zeit  stumm  dasitzen  und  nicht 
einen  einzigen  Gcdankeu  produzieren.  Fordern  wir  z.  B.  die  ganze 
Klasse  auf,  einen  Satz  zu  sagen,  in  welchem  der  Ausdruck:  ,;der 
Baum"  vorkommt  I  Gewiss  eino  leichte  Aufgabe !  Es  werden  da  aller- 
dings viele  Schüler  aufstehen  und  sprechen:  „Der  Baum  blüht;  der 
Baum  trägt  Früchte;  der  Baum  verliert  im  Herbste  seine  Blätter  u.  s.  w." 
Manche  aber  werden  sich  nicht  melden,  um  etwas  zu  sagen;  „es  fällt 
ihnen  eben  nichts  ein".  Diese  bedürfen  doch  offenbar  des  hilfreichen 
Arztes  ,  nämlich  des  Lehrers ,  der  sie  mit  Geduld  und  Berechnung 
anleitet  zum  Suchen  und  Aufweisen,  zum  Deukcn.  und  Sprechen.  Wie 
hilft  Herr  Koll.  Miller  solchen  Schülern?  Vollends  aber  eine  zusammen- 
hängende Beschreibung  von  diesen  Leutchen  zu  verlangen ,  und  wäre 
es  nur  in  der  Form  der  Nachbildung,  die  meinem  Herrn  Opponenten 
vorzuschweben  scheint,  das  wäre  schon  ziemlich  aussichtslos.  Dies  gilt 
von  den  unentwickelteren  unter  den  Schülern.  Bei  andern  aber  müssen 
die  Einfälle  durch  Attribute,  adverbielle  Zusätze  ergänzt,  bei  wieder 
andern  gezflgelt ,  geregelt,  bei  allen  aber  streng  auf  die  äussere  Form, 
den  Ausdruck  geachtet  werden,  was  alles  nirgends  so  gut  und  leicht 
geschehen  kann,  wie  bei  der  Bildung  solcher  Sätze.  Und  sollte  irgend 
Einem  trotz  des  eben  Ausgeführten  so  ein  Satz  (Auf  der  blumigen 
Wiese  etc.)  noch  mager  erscheinen ,  so  beachte  er  doch ,  was  die 
Schüler  bei  der  Herstellung  desselben  innerlich  gewinnen;  ihre  noch 
wenig  regsamen  Geister  erhalten  dadurch  mehr  und  mehr  Beweglich- 
keit, sie  werden  mehr  heimisch  im  Reiche  der  Gedanken,  es  wird 
lichter  in  ihren  Köpfen.  Dieses  innere  Resultat  scheint  mir  keines- 
wegs mager  zu  sein.  —  üehrigens  wickeln  sich  ja  die  Fragen  und  Ant- 
worten rasch  ab ;  man  wird  in  einer  Stunde  15 ,  20  Sätze  mit  den 
Schülern  finden  können,  ja,  man  wird  sie  über  ein  und  dasselbe 
Thema  (z.  B.  der  Schmetterling)  finden  lassen  können.  Da  sehe  ich 
nun  nicht,  wa9  es  Erspriesslicheres  gibt.   Einer  zusammenhängenden 


< 


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Beschreibung  aber  stehen  ausser  auderen  Schwierigkeiten  auch  wieder 
jeue  entgegen,  die  ich  oben  bei  der  Nacherzählung  angegeben. 

Noch  habe  ich  die  Methode  des  Ilerausexaminierens  zu  verteidigen- 
Diese  ist  nicht  etwa  Ton  mir  zum  erstcnmalc  vorgeschlagen,  wie  ich 
überhaupt  weit  davon  entfernt  biu ,  für  meine  Anträge  Neuheit  zu 
beansprucht.-::.  Fragen  bildeten  vielmehr  von  jeher  einen  wesentlichen 
Bestandteil  eines  induktiven  Unterrichts.  So  ersehe  ich  aus  den  Lese- 
büchern der  deutschen  Schule  (z  B.  Lese  -  und  Sprachbuch  für  die 
Mittelklassen  katholischer  Volksschulen,  München,  im  kgl.  Central  - 
Schulbücher -Verlage,  30.  Auflage,  1.  Abteilung,  Seite  &,  Aufgaben), 
dass  dort  ausdrücklich  verlangt  wird,  der  freien  Wiedergabe  einer 
Erzählung  ein  Abfragen  des  Inhalts  vorauszuschicken.  Nun 
kann  man  allerdings  darüber  streiten ,  in  welcher  Reibenfolge  die 
Fragen  zu  stellen  sind.  Meine  Ansicht  hierüber  habe  ich  bereits  aus- 
gesprochen ;  sie  geht  dahin ,  dass  man  dabei  am  besten  von  einem 
Funkte  ausgeht,  den  der  Schüler  vorgebracht  hat.  Gewandtere  Knaben 
werden  ohnehin  beim  Anfang  der  Krzählung  beginnen,  und  das  wird 
man  ihnen  gewiss  nicht  wehren.  Wenu  übrigens  irgend  etwas  dazu 
geeignet  ist,  den  Wortlaut  des  Vorgelesenen  zu  durebkreuzeu  und  so 
den  Bann  des  gedankenlosen  Nachsagens  zu  brechen  ,  so  sind  das 
geschickt  gestellte  Fragen.  —  Die  etwaige  „Gestaltungskraft"  der 
Schüler  aber,  welcher  Herr  Kol!.  Miller  das  Wort  redet,  frei  walten 
zu  lassen ,  bevor  sie  hinreichende  Hebung  in  der  Sprache  haben,  halte 
ich  für  bedenklich  aus  den  oben  angegebenen  Gründen.  Erst  wenn 
sie  einmal  durch  geregelten  Uutcrricht,  durch  des  Lehrers  Vorbild, 
durch  geeignete  Lektüre  sich  sprachlich  mehr  gebildet  haben ,  dann 
ist  Zeit  dazu. 

Ich  übergebe  auch  diese  Zeilen  ,  wie  die  früheren ,  der  Prüfung 
meiner  Amtsgenossen.  Wenn  einer  ohne  die  von  mir  gemeinte  Vor- 
stufe zurecht  kommt ,  so  will  und  kann  ich  selbstverständlich  nichts 
dagegen  aushaben;  doch  einen  Ausgangspunkt  muss  jeder  Unterricht 
haben,  und  wenn  man  anfänglich  den  Schülern  etwa  auch  zu 
wenig  zutraut,  so  thut  man  deshalb  noch  nicht  unklug;  denn  der  Weg 
zum  richtigen  Masse  ist  hier  natürlicher  und  mehr  versprechend 
von  dem  Zuwenig  aus,  als  von  dem  Zuviel. 

München.  Ludwig  Mayer. 


Ans  der  Turnschuh*. 

Trotz  der  von  Einsichtigen  anerkannten  Vorteile  des  Turnens  für 
körperliche  Entwickclung  und  Kräftigung  unserer  Jugend  suchen  sich 
doch  noch  von  verschiedenen  Seiten  Vorurteile  gegen  dasselbe  geltend 


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I 


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zu  machen.  Die  meisten  derselben  entspringen  allerdings  aus  Un- 
kenntniss  der  Sache  oder  aus  einer  übergrossen  Aengstlicbkeit  und 
Verzärtlungssucht  seitens  der  beteiligten  Eltern.  Ueber  diese  kann 
man  deshalb  auch  hinweggehen ,  ohne  eine  Widerlegung  derselben  zu 
versuchen.  Aber  anders  verhält  es  sich  jenen  Bedenken  gegenüber, 
die  sich  nicht  gegen  das  Turnen  an  sich,  dessen  Nutzen  gerne  aner- 
kannt werden  will,  erheben,  sondern  nur  gegen  einzelne  Hebungen, 
*  deren  Vornahme  eher  schädlich  und  gefährlich,  als  nützlich  und  gesund- 
heitsfördernd scheinen  will.  Solche  Bedenken  verdienen  Beachtung, 
und  wenn  sie  von  Eltern  oder  Lehrern  auf  Grund  gemaebter  Beob- 
achtungen und  Erfahrungen  beim  Turnlehrer  vorgebracht  werden,  so 
ist  es  die  Pflicht  desselben,  die  beanstandeten  Uebungen  vom  Programme 
des  Turnunterrichts  zu  streichen.  Das  richtige  Mass  lernt  ja  doch 
jeder  an  sich  noch  so  Tüchtige  erst  durch  praktische  Erfahrung  kenneu. 

So  will  ich  im  nachfolgenden  vier  Punkte  anführen,  über  welche 
ich  teils  auf  Grund  gemachter  Beobachtungen  und  Erfahrungen,  teils 
(offiziell  und  privatim)  empfangener  Mitteilungen  zu  folgenden  An- 
sichten gekommen  bin  : 

1)  Für  die  ersten  drei  Lateinklassen  sind  Gerätübungen  nur  mit 
Vorsicht  und  Beschränkung  anzuordnen.  Keck-,  Barren-  uud 
Kletterübungen,  kurz  alle  Uebuugcn ,  bei  welchen  der  Schüler  die 
ganze  Schwere  seines  Körpers  zu  ziehen  hat,  sind  unbedingt  zu 
verwerfen.  Sie  sind  für  den  zarten  Körper  zu  anstrengend,  dehnen 
die  Muskel  zu  heftig  und  strengen  die  innero  Organe  über- 
mässig an.  Schon  manches  Herzleiden,  Blutspuckcu  uud  ähnliche 
Uebel  sind  nach  ärztlichen  Aussprüchen  durch  frühzeitige  Ueber- 
anstrengung  herbeigeführt  oder  befördert  worden. 

2)  Das  Emporklettern  an  einer  Stange  mit  Nachhilfe  der  Füssc 
ist  »choo  an  und  für  sich  unseköu,  infolge  der  dadurch  leicht 
erweckten  geschlechtlichen  Erregungen  aber  höchst  bedenklich  und 
deswegen  unbedingt  zu  verhinderu.  Manche  Turnlehrer  und  Eltern 
haben  in  dieser  Beziehung  schon  sehr  unliebsame  Beobachtungen 
gemacht. 

3)  Der  auf  manchen  Turnplätzen  gern  geübte  Tiefsprung  ist 
höchstens  zu  gestatten,  keinesfalls  aber  von  jedem  Schüler  zu 
verlangen.  Die  durch  diesen  Sprung  verursachte  Erschütterung 
des  Unterleibes,  auch  beim  Niederspruug  in  der  Kniebeuge,  ist 
nicht  jedem  zuträglich ;  manche  werden  auf  diese  üebung  sofort 
unwohl  oder  müssen  sich  erbrechen.  Anlagen  zu  Unterleibsleiden 
werden  durch  diese  Uebung  nur  zu  leicht  befördert. 

4)  An  kalten  Wintertagen  sehe  man  darauf,  dass  die  Schüler 
nicht  erhitzt  oder  direkt  von  deu  Uebungen  weg  auf  die  Strasse 


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457 


eilen.  Denn  Katarrh,  Lungenentzündung,  Rheumatismus  siud  uur 
zu  hänhg  die  Folge  von  Erkältungen,  die  auf  solche  Weise 
zugezogen  wurden. 

Mögen  diese  in  wohlmeinender  Absicht  vorgetragenen  Bemerkungen 
bei  den  Kollegen  die  gewünschte  Beachtung  finden  und  eventuell  zu 
weiteren  Mitteilungen  Anlass  geben  •)  I 

Straubing.  M.  Miller. 


Neue  coiistruttivc  Bestimmung  voii  Itild-  nud  Gegciistauriwelle  bei 
sphärischen  Hohlspiegeln  und  Linsen  und  neue  t'oustructiou  der 

Kegelselinlttslinien. 

Wir  erinnern  zunächst  an  die  bekannte  Gleicbuug 
u  f       a  ^  b 

in  welcher  b  die  Bildweite,  a  die  Gegenstandsweite  und  f  die  Brenn- 
weite des  sphärischen  Spiegels  (Linse)  bedeutet.  Wir  gehon  zur  Eut- 
wickelung  einer  ähnlichen  Gleichung  von  einem  Dreiecke  aus,  dessen 
Seiten  c  und  d  sein  mögen.  Der  von  diesen  Seiten  eingeschlossene 
Winkel  werde  rp  genannt.  Man  ziehe  durch  seinen  Scheitel  eine 
beliebige  Transversalo  /*,  welche  den  Winkel  rp  in  die  beiden  Teile 
u  und  v  teilt.    Es  gilt  nun  die  Gleichung: 

c  .  d  .  sin  rp  —  f  (C  .  sin  v  -f-  d  .  sin  p) 

oder 

1  sin  y  sin  f* 

—)   —    j    '    .  T*   ' — ;  — 

Id.  stn  q>         c  .  stn  tp 
welche  Gleichung  in  obigo  Gleichung  1)  übergeht,  wenn  man  setzt 

-r-^-.-^— -  —  *  ;      **H  f*      —  J     \Yir  wählen  jedoch  die  Form: 
d  .  stn  tp        a     c  .  stn  rp  b 

a    _  sin  <p    b     _  sin  rp 

d        st«  v     c        stn  pt 
denn  dieselbe  zeigt  uns,  das*,  wenn  /'  die  Brennweite  eines  sphärischen 
Hohlspiegels  (Convexlinsr)  als  Transversale  dos  oben  beschriebenen 


*)  Die  Redaktion  ist  sehr  dankbar  für  die  vorstehenden  Winke  und 
Anregungen,  die  sie  der  Beachtung  der  Kollegen  empfehlen  zu  müssen 
glaubt.  Das  Turnen  wird  leider  von  einer  Seite,  die  wesentlich  kompetent 
wäre,  darüber  mitzureden,  wenig  oder  gar  nicht  beachtet,  von  der  ärztlichen. 
So  lange  das  nicht  geschieht,  sind  die  Bedenken  mancher  Eltern  wohl 
begreiflich. 


Diaitized  bv  CjOOqIc 


458 


Dreiecks  aufgcfasst  wird,  die- Bildweite  ganz  allgemein  als  Seite  eines 
Dreiecks  gefunden  werden  kann,  dessen  andere  Seite  c  ist  und  dessen 
gegenüberliegende  Winkel  respective  tp  und  u  sind.  Einen  ähulicheu 
Satz  kann  man  für  die  Constructiou  der  entsprechenden  Gegenstands- 
weite,'  aussprechen.  Das  'Auffinden  von  Gegenstandsweite  und  dazu 
gehöriger  Bildweite  ist  hier  das  Resultat  zweier  Constructionen,  welche 
ausserdem  noch  das  Unbequeme  besitzen,  duss  es  nicht  leicht  geliugt, 
zu  einer  gegebenen  Gegenstandsweite  die  zugehörige  Bildweite  auf- 
zufinden. Diese  Uebelstände  werden  beseitigt,  wenn  wir  tp  —  90u 
wählen.  Es  sei  zu  dem  Endo  d  die  eine  Kathete  eines  rechtwinkligen 
Dreiecks,  welche  beliebig  gross  angenommen  werden  kann.  Die  Grösse 
der  andern  Kathete  ergibt  sich  aus  der  jedesmaligen  Constructiou. 
Wir  wählen  den  Scheitel  des  rechten  Winkels  zum  Mittelpunkte  eines 
Kreises  von  dem  Radius  f.  Durch  den  Endpunkt  von  d  ziehen  wir 
eine  Parallele  zu  c  und  wählen  auf  derselbcu  einen  Tunkt ,  welcher 
von  dem  Scheitelpunkte  des  rechten  Winkels  um  die  gegebene  Gegen- 
standsweite absteht.  Wir  bemerken  uns  den  Durchschnitt  der,  durch 
Verbindung  der  beiden  Punkte  entstehenden  Linie  mit  der  Peripherie 
des  Kreises  von  dem  Radius  /'  und  ziehen  durch  diesen  Punkt  von  dem 
Endpunkt  der  Kathete  d  eine  Gorade,  welche  auf  dem  anderen  Schenkel 
des  rechten  Winkels  die  Kathete  c  abschneidet.  Eine  Senkrechte  in 
diesem  Schnittpunkte  auf  diesem  Schenkel  errichtet,  liefert  iu  ihrem 
Durchgänge  durch  die  als  Gegenstandsweite  gezeichnete  Linie  den 
Bildpunkt.    Was  die  Wahl  der  Grösse  von  d  anbelangt,  so  wird  man 

bei  allen  Gegenstandsweiten ,  welche  >  f  auch  d  >    f  annehmen. 

Bei  Gegenstaudsweitcn,  welche  jedoch  <;  f,  muss  man d  <  /'annehmen. 

Lassen  wir  den  Lichtpunkt  auf  oben  beschriebener  Parallele  aus 
dem  Unendlicheu  kommend,  sich  dem  spärischen  Spiegel  (Linse)  mehr 
und  mehr  nähern,  so  beschreibt  der  Bildpunkt  eine  krumme  Linie, 
deren  Gleichung,  bezogen  auf  die  Schenkel  des  rechten  Winkels  als 
Achsensystem  (d  als  X  Achse) : 

,  { 1  1  ^    .    V*        2x  , 

«)•••«"  {r   -  d,)  +  fl  -   a  ~  '  =  o 

Diess  ist  die  Gleichung  einer  Kegelschnittslinie,  bezogen  auf  den 
Brennpunkt  und  wir  erhalten  für 

d  >  f  eine  Ellipse, 
d  —  f  eine  Parabel, 

d  <.  f  eine  Hyperbel. 
Die  Coordinaten  des  Mittelpunktes  sind: 

f*  d 

Vl  =  o;  xx  =  ^—^ 


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t 


% 


459 

Die  kleiue  Halbachse  der  Ellipse  -     *  dL—n 
Die  grosse  Halbachse  der  Ellipse  —   ^  ^  ^ 

Der  Brennpunkt  füllt  mit  dem  Scheitel  des  rcchtcu  Winkels  zusammen- 
Die  Resultate  vorstehender,  im  Auszug  wiedergesehener  Uuter- 
suchuugen  lassen  die  Zusammengehörigkeit  der  Kegolschnittslinieu 
deutlich  erkennen,  indem  es  durch  die  angegebenen  Methoden  gelingt, 
die  3  Kurven  zweiten  Grades  von  einem  Gesichtspunkt  aus  mit  Hilfe 
ein  und  derselben  Constructionsmethode  darzustellen,  folgende  ana- 
lytische geometrische  Aufgabe  dürfte  unmittelbar  aus  dieser  Cou- 
struetionsmethodo  hervorgehen : 

Zieht  man  vom  Ii  renn  punkte  einer  Kegelschnitts- 
linie beliebige  Strahlen  nach  der  Kurve,  projicirt 
diese  Hadicn  vectoren  auf  die  YAchse  des  durch  den 
Brennpunkt  gelegten  rechtwinkligen  Achscusystems  und* 
verbindet  d  ie.  Endpunkte  dieser  1' rojectionen  mit  einem 
bestimmten  Punkte*  der  Hauptachse,  so  sch  neiden  letzte  re 
Geraden  die  entsprechenden  Hadicn  vectoren  in  Punkten, 
welche  auf  einer  Kreisperipherie  liegen,  deren  Kadius 
gleich  dem  Parameter  der  Kurve  ist  und  deren  Mittel- 
punkt mit  dem  Brennpunkte  der  Kurve  zusammenfallt. 
Nennen  wir  .1  die  grosse  Halbachse  der  Ellipse  oder  Hyperbel  B, 

respective  B[^—\  die  kleine  Halbachse  dieser  Kurven,  so  fällt 
der  erwähnte  bestimmte  Punkt  auf  der  X  Achse  in  die  Entfernung 

r/r;  von  dem  Anfangspunkte  der  oben  zu  Grunde  gelegten 

VA*  -  B* 

Coordinaten.  Bei  der  Parabel  ist  diese  Entfernung  gleich  dem  Para; 
meter  derselben. 

Speier.    C.  Bender. 

Ueber  Maxlma. 

Unter  allen  isoperimetrischen  Dreiecken  hat  das 
gleichseitige  den  grössten  Inhalt. 

Geht  mau  aus  von  dem  Satze:  Unter  allen  isoperimetrischen 
Dreiecken,  welche  eine  Seite  gleich  haben,  hat  das  über  dieser 
Seite  gleichschenklige  den  grössten  Flächeninhalt,  so  lässt  sich 
immer  ein  gleichschenkliges  Dreieck  herstellen,  das  mit  dem  ursprüng- 
lichen ungleichseitigen,  dessen  Seiten  «,  b,  c  sind,  eine  Seite  gemein 
hat  und  isoperimetrisch  ist.  Dieses  Dreieck  ist  dann  grösser 
als  das  ursprüngliche.  Errichtet  man  nun  eine  Folge  von  gleich- 
schenkligen  isoperimetrischen   Dreiecken ,   von   denen   das  folgende 


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2 

a 

—  m 

o? 

Im 

a 

—  in 

2> 

4C0 

immer  den  Schenkel  des  vorhergehenden  als  Basis  hat,  so  ergeben 

b  4-  c 

sich  folgende  Dreiecke,  wobei  ^  m  ist. 

Basis,  Schenkel,  Differenz  aus  Basis 

und  Schenkel. 

La  m  a  —  m 

2.  .»  <-!)"— ~ 

3.  °-±m  (_!)« 

a  -|"  3  m  3  a  -f  5  «i  .  _  .  5 

4.  |  8  1  "  iJ 

und  so  fort. 

Für   das   nte    Dreieck   ergibt   sich    demnach    durch  Induction 

(— ,1)  11      *  Geht  mau  iu  diesem  Ausdrucke  auf  die  Grenze 

2  n  -  -  1 

über,  so  ist  für  n~  00  ~  —    -  -  o,  d.  h. 'der  Unterschied  zwischen 

2  n  1 

Basis  und  Schenkel  =  o,  somit  das  Dreieck  gleichseitig.  Da  aber  alle 
diese  Dreiecke  gleichen  Umfang  haben  und  jedes  folgende  grösser  ist 
als  das  vorausgehende,  so  ist  das  letzte  das  grösste. 

Wollte  man  für  obigen  Inductiousscbluss  die  Richtigkeit  nach- 
weisen, so  könnte  dies  folgendcrmassen  geschehen.  Für  das  (»*■+■  1)te 
Dreieck  muss  obiger  Formel  gemäss  der  Unterschied  zwischen  Basis 

und  Schenkel  —  (-  \)n  .  °  sein.   Ist  nun  für  das  «te  Dreieck 

2  " 

der  Schenkel  l,  so  ist  die  Ba>is  l  +  (     1)M  ~  1    a    ~  \  folglich 

2  n  ~  1 

die  Basis  für  das  («  +  l)te  Dreieck  l  und  der  Schenkel 
2!  +  (-  *)*  1 

2  oder  l  +      I)  "     1  U       m    und  die 

Differenz  ^-  -  (     1)  n     1  a  ~~  *  -  (     l)"  "  "  '".velchcr Aus- 

druck  dem  obigen  gleich  ist. 

Vielleicht  ist  dieser  Beweis,  wenigstens  für  Schüler  humanistischer 
Anstalten,  dem  in  der  Geometrie  von  Dr.  Rccknagel  gegebenen 
vorzuziehen. 

Speier.  Deel. 


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461 


Einiges  filier  Kegelschnitte. 

In  Nachstehendem  soll  gezeigt  werden ,  mit  wolchcm  Vorteile  sich 
die  symbolische  Rechnungsweise  verwerten  Iiis  st  und  iu  welch  einfacher 
Weise  sie  die  Ableitungen  von  Sätzen  und  Gleichungen  gestattet, 
die  auf  anderem  Wege,  ebenso  allgemein  durchgeführt,  nur  mit  grossen 
Schwierigkeiten  bewerkstelligt  werden  können. 

Sind  f  (x,y)  —  o  und  <p  (x,  y)  =  o  die  Gleichungen  zweier  Kegel- 
schnitte, so  stellt  die  Gleichung: 

f      SM  —  *  9  f«i  9)  =  0 
alle  Kegelschnitte  vor,  die  durch  die  Schnittpunkte  der  beiden  gegebenen 

gehen.  Zerfällt  nun  der  zweite  Kegelschnitt  in  ein  Liuienpaar,  dessen 
Gleichung  A  .  B  —  o  sei,  so  ropräsentirt  dio  Gleichung: 

f  {x,  y)  —  X  A  .  B  —  o 
alle  Kegelschnitte,  welche  durch  die  Schnittpuukte  des  Kegelschnittes 
f  (x,  y)  —  o  und  der  Geraden  A  und  B  gehen.  Lässt  man  nun  die 
Geraden  A  und  B  sich  fortwährend  nähern,  so  dass  die  Schnittpunktc- 
paare derselben  mit  dem  Kegelschnitte  /"  !/)z-°  «ich  auch  einander 
näher  rücken;  so  ist  begreiflich,  dass,  wenn  A  mit  B  zusammenfällt, 
die  Gleichung: 

f  (*,  80  —  X  A*  —  o 
alle  jene  Kegelschnitte   vorstellen   muss ,   welche    den  Kegelschuitt 
f  (x,y)  —  o  in  den  Schnittpunkten  der  Geraden  A  berühren. 

Zerfällt  aber  auch  der  Kegelscbuitt  /  (x,  y)  —  o  in  ein  Liuienpaar 
C  .  1),  so  geht  obige  Gleichung  Über  in: 

0  .  D  -  X  A*  —  o 
und  stellt  olle  Kegelschnitte  vor,  welche  die  Geraden  C  und  D  in  den 
Schnittpunkten  der  Geraden  A  berühren.  Für  alle  diese  Kegelschnitte 
sind  also  die  Geraden  C  und  1)  Taugenten  uud  die  Gerade  A  die  zu- 
gehörige Berührsehnc.  Denkt  man  sich  die  Gleichungen  der  Geraden 
C,  J) ,  A  auf  die  Normalform  gebracht,  so  drückt  die  symbolische 
Gleichung  folgenden  Satz  aus: 

Das  Produkt  der  senkrechten  Abstände  jedes  Punktes  eines  Kegel- 
schnittes von  zwei  Tangenten  ist  proportional  dem  Quadrate  des  senk- 
rechten Abstandes  desselben  Punktes  von  der  zugehörigen  Berührsehne. 

Mit  Hille  der  letzten  symbolischen  GUichung  kann  man  nun  auch 
die  Gleichung  des  Tangentenpaares  feststellen ,  welches  von  einem 
Punkte  o  an  einen  Kegelschnitt  F  (x,  y)  —  o  gezogen  werden  kann. 
Auf  jedem  andern  Wege  ist  die  Ableitung  geuaunter  Gleichung  mit 
grossen  Umständlichkeiten  verbunden ,  weil  man  alsdann  nothweudig 
die  Coordinaten  der  Berührungspunkte  der  Tangenten  hereinziehen 
muss,  deren  Elimination  hernach  grosse  Schwierigkeiten  bereitet. 


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462 


Sei  also:  C  D  —  X  Al  —  F  (x,  y)  —  o  die  Gleichuug  eines  Kegel- 
schnittes, so  ist  die  Gleichung  des  Tangenteupaars  eines  Punktes  o: 

CJ)  —  F       y)  +  X  A*  —  o. 
Da  aber  der  Punkt  o  der  Schnittpunkt  der  Tangenten  C  und  D  ist 
und  somit  seino  Coordinatcu  der  Gleichung  C.D  —  o  genügen  müssen, 
so  besteht  auch  die  Gleichung  F  (:c„y0)  -J-  X  A0*  ~  o,  und  somit  folgt, 
nachdem  man  die  Grösse  X  elimiuht: 

F  (x,  y)  A0*  -  F  (x0  yQ)  A*  -  o 
als  Gleichung  des  gesuchten  Tangentonpaars. 

Die  feerührschue  A  ist  aber  nichts  anders  als  Polare  des  Punktes 
o  bezüglich  des  Kegelschnittes  F,  also  ist: 

A  =:  x  l  F»(*o)  +  y\  F'{%)  +  z\  F(z)  -  o 

A„  =  F  (x,  y0) 
Demnach  geht  obige  Gleichung  über  in: 

oder  indem  man  berücksichtigt,  dass: 

*  W  +  ?/  F  (y„)  +  *  7'"  (- ,)  ^  xfl  2*"  (x)  +  //o  F  (y)  +  *,  F'  (#) 
ist,  hat  man: 

x  F'  («)  +  y  F'  (>,)  +  j  7'"  ( -X     *  F'  (.r„)  +  y  F'  (y0)  +  -  F'  fojj  . 
k  *M.  (*)  +  y«  **'  (y)  +  *0  F'  (*,),  x0  F*  (x0)  + y0  F'  (y„)  +  F' 
Dringt  man  die  Determinante  auf  eine  höhere  Ordnung,  indem  mau  die 
Uorizontalrcihe  1,  F'  (x),  F'  (x.)  hinzufügt,  so  folgt: 
i,  F'  (x)  F'  (.£„) 


—  o 


X 


y  F  (//)  +  z  F  (-),  y  F>  (y0)  +  z  F' 


-  *V  v/o  2'"  (y)  +  *0  *'  (*),  Sfo  V        +  *o) 
Fügt  man  nochmals  die  Ilorizontalrcihe  J,  0,  F'  (y),  7«''  (y„)  hinzu, 
so  hat  man: 

1,        0,      F  (y),       7'"  (y0) 
0,        1,      F'  («),       F'  (*„)! 


y,  -  s,  5  F'  u),  *  F>  (zn) 
y0,  —  ar,,  z(}  F*  (z),  z0  F'  (g0)\ 


~  o 


und  wenn  man  abermals  die  Horizor.talrcihe  1,  0,  0,  F'  (z)t  F' 
beifügt  und  umformt,  so  folgt: 

|i,  0,  0,  F'  (x),  F*  (x0) 

0,  1,  0,  F'  (y),  F  (y0) 

0,  0,  1,  Fl  (z),  F'  (*°)  =  o 

x,  y,  z,     0    ,  0 

**  t/o  *o»  0  .  0 
Setzt  man:  F  {x,  yt  z)  —  a*,  a;'  -}-  a,,  yl  -f  oiV  **  +  2  aol  x  y  -f- 
2  a„z  x  z  -f  2ari  y  z  —  o  und  denkt  man  sich  nun  die  Elemente  der 
ersten  Vertikalreihe  mit  a00  multiplizirt  und  hiezu  die  a„,fachen  Ele- 


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463 


mente  der  zweiten  und  anfachen  Elemente  der  dritten  Vertikalreihe 
addirt;  multiplizirt  man  ferner  die  Elemente  der  zweiten  Vertikalreibe 
mit       und  addirt  hiezu  die  anfachen  Elemente  der  ersten  und  die 
anfachen  Elemente  der  dritten  Vertikalreihe,  und  multiplizirt  endlich 
die  Elemente  der  dritten  Vertikalreibe  mit  ait  und  addirt  hiezu  die 
anfachen  Elemente  der  ersten  und  «„fachen  Elemente  der  zweiten 
Vertikalreihe,  so  folgt  als  Gleichung  des  Tangentenpaars: 
«oo      «,,       *     F'  (x)   F'  (x0) 
«.*      «,.     «„     F'  (»/)    F'  (y0) 
a,0      atl     a,t     F'  (j)    I<y  (*0)  =  o 
F  (x)  F'  (y)  F'  (*)     0  0 
l-P  (xQ)  F'  {yj  F'  (s0)    0  0 
Füllt  der  Punkt  o  mit  dem  Mittelpunkte  des  Kegelchnittes  zu- 
sammen, so  bestehen  die  Gleichungen:   F'  (x,)  —  o  und  F'  (y0)  =  o 
und  es  folgt  somit  für  die  Gleichung  dieses  speziellen  Tangenten paars, 
oder  als  Gleichung  des  Asymtotcn paars: 

aoo      a01     F'  (x) 
«io      «i,     F'  (y)  :=  o 
F'  (x)    F>  (;,)  0 
Kehrt  man  nun  wieder  zur  Gleichung: 

C  D  —  X  A*  —  o 
zurück,  und  lässt  die  Gerade  A  ins  Unbegrenzte  rücken,  wodurch  ihre 
Gleichung  in  eine  constante  Grösse  fibergeht,  so  folgt : 

CD  —  u  —  o  —  F(xy  y). 
Da  nun  die  Beruhrsehnc  A  sich  im  Unendlichen  befindet,  so  gehen 
die  Tangenten  C  and  D  in  die  Asymptoten  über,  und  es  stellt  somit 
obige  Gleichung  die  einer  Hyperbel  mit  den  Asymptoten  C  und  D  vor. 
Weil  aber  C  D  —  F  (x  y)  -f-  ,«  ist ,  so  sieht  man  ,  dass  sich  die 
Gleichung  des  Asymptotenpaars  von  der  des  Kegelschnittes  nur  durch 
eine  Constante  unterscheidet. 

Durch  Addition  dieser  Constanten  u  zur  Kegelschnittsgleichung, 
geht  dieselbe  also  über  in  die  Gleichung  eines  Linienpaares,  wesshalb 
die  Gleichung  bestehen  muss: 


!«oo   «oi  «oi 

«10    «II  «IS 


—  o 


|«fO     «21    «,*   +  i"l 

woraus  sich  für  die  Grösse  p  ergibt: 

**00       **01  **0l 

[4  =z  —  al0    au  au 

!«?0      «21  ««l 

Aus  der  Gleichung:  CD  —  f*  —  o  für  die  Hyperbel  folgt  ferner, 
wenn  man  sich  die  Gleichungen  der  Asymptoten  C  und  D  in  der  Nor- 
malform gegeben  denkt,  der  Satz: 


«00  «Ol 

«io  «ii! 


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4G4 


Das  Produkt  der  seukrechten  Abstände  irgend  eines  Punktes  der 
Hyperbel  von  den  beiden  Asymptoten  ist  constant.. 

In  der  Hauptaxengleicbung  6*  x'1  ±  a?y*  —  a?  o*  —  o -eines  Kegel- 
schnittes stellt  bekanntlich  b*  xx  dr  «*  y*  —  o  die  Gleichung  des 
Asymptotenpaars  dar;,  denkt  man  sich  nun  obige  Gleichung  auf  ein 
beliebiges  rechtwinkliges  Achsensystem  trausformirt,  so  geht  der  Aus- 
druck b*  x*  ±  o*  y*  im  Allgemeinen  über  in  —  CD  und  die  ganze 
Kegelschnittsgleichung  geht  sonach  über  in: 

-  C  .  D  —  a*  b*  —  o 
x 

so  dass  also:  fi  —  x  a*  6l  oder: 

a*  ö*  =r  ^ 

X 

ist,  wobei  x  der  Transformationsfaktor  genannt  wird    (Grunert,  Archiv 
der  Mathematik  und  Physik.    LVIL  Teil.   4.  Heft.) 
Dieser  Transformationsfaktor  ergab  sich  als: 


x  =r  — 


!«>o  flu 


«0| 

«II 
«tl 


Es  folgt  somit  für  das  Quadrat  des  Kegelschnittsinhaltes: 

J*  =  7i»  a<  &'  = 

oder: 

<*oo 

«,0 


J  =  -  n 


»Ol 


«1. 
«vi 


«0!  «II 


2 


«*0       «»1  «« 

Sind  ferners  C,  2>,  —  pt  —  o  und  Ct  l)t  —  pt  —  o  die  Gleichungen 
von  zwei  Hyperbeln,  so  bat  jeder  durch  ihre  vier  Schnittpunkte 
gehender  Kegelschnitt  die  Gleichung: 

(C,  2>,  -  ,",)  -  Q  (Ct  Dt  -  <u,)  =  o 

Erteilt  man  der  Grösse  e  insbesonder«  den  Wert      so  geht  ein  Kegel- 

schnitt  hervor,  dessen  Gleichung: 


ist,  welcher  immer  noch  durch  die  Schnittpunkte  der  beiden  Hyperbeln 
geht.  Dieser  Kegelschnittsgleichung  genügen  aber  ausserdem  noch 
die  CoonliDaten  der  Schnittpunkte  beider  Asymptotenpaarc ,  so  dass 
also  der  Satz  folgt: 

Die  Schnittpunkte  zweier  Hyperbeln  liegen  mit  den  vier  Schnitt- 
punkten ihrer  beiden  Asymptoten  auf  einem  und  demselben  Kegelschnitte. 


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405 


Kehrt  man  nun  nochmals  zur  symholichen  Gleichung 
F  (x,  y)  —  A*  -  XCD  =z  o 
zurück  und  lässt  die  eine  Tangente  D  ins  Unendliche  rückeu,  so  muss 
die  Gleichung 

A*  —  n  C  —  o 

eine  Parabel  darstellen ,  da  nur  ihr  eine  unendlich  ferne  Tangente 
Zukommt.  Die  Gerade  A  muss  somit  als  Berührsehne ,  ein  Durch- 
messer der  Parabel,  also  eine  Parallele  zur  Parabelaxe  sein. 

Aus  der  Form  der  Gleichung  ergibt  sich  ferner: 

Da«  Qnadrat  des  senkrechten  Abstandea  eines  Punktes  der  Parabel 
von  einem  Durchmesser  derselben  ist  proportional  dem  senkrechten 
Abstände  desselben  Punktes  von  der  Tangente  der  Parabel  im  End- 
punkte des  Durchmessers. 

Dieser  Satz  bleibt  auch  bestehen,  wenn  die  Tangente  C  zur 
Scheite ltangente  und  A  zur  Parabelaxe  wird. 

Wählt  man  erstere  zur  y  Axe ,  letztere  zur  x  Axe ,  so  folgt  die 
bekannte  Schcitelgleichung  der  Parabel:  y1  —  p  x  —  o. 

Aub  der  Form  der  Parabelgleichung  ergibt  sich  ferner  noch,  dass 
die  drei  quadratischen  Glieder  ihrer  Gleichung  ein  vollständiges  Quadrat 
bilden  müssen,  dass,  wenn  also 

«oo  «»  +  <»!.  j/,-f-2a01a;jf-r2a0|x  +  2  ait  y  +  att  =  o 
die  Gleichung  einer  Parabel  sein  soll,  die  Gleichung  bestehen  muss: 

«oo  *"  +  «,,  ?/*      2  a01  xy  =  (V^oo  *  +  K«n  y)? 

oder: 

«Ol  =  W«  «n 
woraus  sich  die  bekannte  Bedingungsgloichung  ableitet 

«oo  «oi  _  0 

«10  «ti 

Uegcnsburg.  Max  Greiner. 


M.  Tullii  Ciceroni8  de  Oratore  l.  tres.  Erklärt  von  Dr.  G.  Sorof, 
Director  des  k.  Pädagogiums  zu  Putbus.  Erstes  Bändchen:  Buch  I. 
Berlin.   Weidmann'sche  Buchhandlung.  1875. 

Die  von  der  bezeichneten  Verlagsbuchhandlung  längst  versprochene 
Schulausgabe  von  Ciceros  Gespräch  über  den  Redner  ist  nun  endlich 
wenigstens  in  ihrem  ersten  Teile  erschienen.  Warum  die  Herausgabe 
so  lange  auf  sich  warten  Hess,  erfahren  wir  aus  der  Vorrede.  Wenn 
iu  derselben  Sorof  die  Hoffnung  ausspricht,  dass  die  ihm  noch  während 
der  Arbeit  gewordene  Gelegenheit,  unsre  Schrift  mit  seinen  Primanern 
durchzulesen,  einigen  Ersatz  für  die  lange  Verzögerung  der  Herausgabe 
bieten  werde,  so  finde  ich  diese  Hoffnung  vollständig  gerechtfertigt. 


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_466 

Man  sieht  es  dem  Buche  auf  jeder  Seite  an,  dass  es  in  und    aus  de 
Schule  heraus  entstanden  ist:  durchwegs  ist,  wenige  Kleinigkeiten  vic 
leicht   ausgenommen,   in  Bezug  auf  den  Umfang  sprachlicher  ud 
sachlicher  Erklärungen  das  rechte  Mass  eingehalten,  der  Ausdrucl 
klar  und  präcis,  übertlüssige  Citate  und  Verweisungen  sind  vermieden 
nicht   selten   sind  anregende  sprachliche  Beobachtungen  an  fzt*Y>racb£ 
jede  Wortkritik  dagegen  ist  mit  allem  Recht  aus  den  Bemerkungen 
unter  dem  Texte  verbannt.    Die  Einleitung  schildert  in  lichtvoller1 
Darstellung  von  S.  VI  —  XIII  die  Vorfalle,  welche  den  histor/Vc/ien 
Hintergrund  unsres  Gespräches  bilden,  dann  folgt  bis  S.  XXXIII  die 
Charakterschilderung  derjenigen  Männer,  welche  an  dem  Gespräche 
teilnehmen,  von  Crassüs  bis  Caesar.    Daran  schliesst  sich  eine  Aus- 
einandersetzung über  Veranlassung,  Zweck  und  Form  unsres  Werkes, 
sowie  über  die  Verdienste,  die  sich  C.  in  demselben  in  Bezug-  auf 
Inhalt  und  Form  erworben  hat.    Die  nötigsten  Mitteilungen   über  die 
bandschriftliche  Ueberlicierung  und  die  Hauptaufgaben  unserer  Schrift 
seit  KUcndt  bilden   den  SrkluSB.     Die  Inhaltsübersicht  enthält  eine 
vollständige  Skizze  der  Gespräche  im  erstell  Buche  auf  5  vollen  Seiten, 
dagegen  sind  fortlaufende  Inhaltsangaben  unter  dem  Texte ,    wie  in 
Piderits  Ausgabe,  nicht  vorhanden.  Der  tüchtige  Lehrer  mag  allerdings 
auch  hei  der  Behandlung  eines  so  schwierigen  Gegenstandes  ein  solches 
Hilfsmittel  zur  Präsenthaltung  des  Zusammenhangs  entbehren  könrjefl.- 
ein  bequemes  Mittel,  um  sich  beim  Nachschlagen  rasch  zurechtzufinden, 
bleibt  es  doch  immer.    Die  Herausgabc  des  Werkes  in  getrennten 
Bändchen  bat  die  Aufnahme  der  notigen  Mitteilungen  über   die  im 
Texte  vorkommenden  Persönlichkeiten  u-  dgl.  unter  die  fortlaufenden 
Anmerkungen  nötig  gemacht.  Ausgesprochen  hat  S.  seine  Ansicht  Ober 
diese  Einrichtung  nicht;  wie  mir  aber  scheint,  hat  Pidcrit  durch  die 
alphabetische  Zusammenstellung  der  im  Texte  vorkommenden  Realien 
und  die  teilweise  ziemlich  ausführlichen  Citate  und  Auseinandersetzungen 
seinem  Buche  einen  erhöhten  Wert  gegeben,  wenn  er  auch  andrerseits 
über  das  Bedürfniss  der  Schule  mitunter  hinausgegangen  ist.  Im  kritischen 
Anbang  hat  sich  S.  auf  ein  Verzeichniss  seiuer  Abweichungen  vom 
Texte  Kaysers  und  Piderits  beschränkt  und  diesen  zum  grossen  Teil 
eine  Begründung  seiner  Ansicht  beigefügt:  für  eine  Schulausgabe,  die 
einen  vollständigen  kritischen  Apparat  nicht  bieten  kann,  vollkommen 
ausreichend.    Bei  dieser  Gelegenheit  .mögen  einige  Bemerkungen  Platz 
finden.  16,71  geht  dieAenderung  von  num  qua  re  in  namquod  meines 
Wassens  schon  in  die  ältesten  Zeiten  zurück;   19,  85  ist  schon  1871 
(Bayer.  Gbl.  S.  193)  von  mir  das  aique  omni  abundans  doctrina  vor- 
geschlagen worden;  22,  102  ist  cx  magna  h.  fr.,  wie  ich  glaube,  mit 
Recht  in  den  Text  aufgenommen,  aber  die  Abweichung  von  K.  und  P. 
im  Anhang  nicht  verzeichnet;  ebenso  hat  25,  117  K.  habet  (nach  den 
Handschr.?)  statt  habuit  und  46,  253  P.  das  hdschr.  ne  rcrum  quidem 
statt  ne  rei  quidem;  endlich  ist  50,  216  H  cloqu.  statt  etsi  und  217  ei, 
quos  etc.  statt  et  quos  etc.  meines  Wissens  zuerst  von  Bake  vorge- 
schlagen worden. 

Uebrigens  gibt  auch  die  kritische  Seite  von  Sorofs  Arbeit  will- 
kommenes Zeugniss  von  seinem  Flciss  und  seiner  Besonnenheit.  Mit 
Recht  bat  er  eine  gute  Anzahl  der  Klammern  Kaysers  entfern' 
und  manche  unnötige  Aenderung  zurückgewiesen,  so  wie  er  ander- 
seits auch  vor  mancher  nötigen  Correctur  der  Vulgata  sich  BfcM 
gescheut  hat,  vgl.  z.  B.  18,  81  (et  palacstrac):  42,  187  {di*jtda)\ 
44,  196  (tanta  necessitas  natura),  58,  246  (wo  in  quo  statt  inj*» 


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noch  die  einfachste  Abhilfe  sein  dürfte).  Wenn  ich  trotzdem  mit  de  r 
Gestaltung  des  Sorofschen  Textes  öfters  nicht  einverstanden  bin ,  so 
liegt  das  in  der  Natnr  der  Sache.  Insbesondere  aber  glaube  ich,  dass 
man  in  der  Annahme  von  Anakoluthen  in  einer  Schrift  Ciceros  von  so 
eleganter  und  gefeilter  Ausdrucksweise  nicht  so  weit  gehen  darf,  als 
es  S.  gethan  bat-  So  scheint  mir  3,  11  (vgl.  Vindiciae  Tull.  p.  3  f.) 
die  Erklärung  des  uberlieferten  Textes  durch  ein  Anakoluth  ganz 
unstatthaft  (vgl.  G.Progr.  Hof  1874,  S.  3  ff.),  ebenso  12,  53,  wo  S.  das 
Anakoluth  jetzt  anders  wie  früher  in  den  Vindic.  Tull^  fassen  will, 
und  17,  75  soll  ebenfalls  das  unpassende  quae  durch  eine  Kachlässig- 
keit des  Ausdrucks  erklärt  werden,  sowie  32,  146  das  dem  non  ut  etc 
entsprechende  Glied  anakoluthisch  noch  in  die  Rection  von  intellego 
hineingezogen  sein  soll:  eine  Nachlässigkeit,  die  man  dem  geringeren 
Schrifsteller  kaum  zutrauen  dürfte  (ganz  anders  verhält  sichs  §.  154 
mit  itu  —  prodesse  —  obesse).  Ebenso  glaube  ich  Perioden,  wie  18,  82 
und  45,  198  trotz  Sorofs  Erklärungeu  nicht  auf  Rechnung  unsers  Schrit- 
stellers  setzen  zu  dürfen,  und  30,  135  lassen  sich  die  Worte  exponam 
nobis  non  quandam  —  consuetudinis  tneae  eben  nicht  so  übersetzen, 
wie  es  S.  thut,  wenigstens  nicht  auf  natürlichem  Wege.  23,  108  beweisen 
die  Beispiele  de  fin.  II,  4,  13  u  8.  w.  nichts  für  eine  Ergänzung  von 
ut  constet\  ex  ist  wol  zu  streichen  und  mit  eiuem  Teil  der  Handschr. 
ara  istg,  statt  ita  zu  schreiben.  31,  139  ist  der  Schwierigkeit,  die  in 
factum  liegt,  in  der  Anmerkung  zu  in  utraque  re  ausgewichen. 
Noch  wäre  eine  Reihe  anderer  Stellen  zu  besprechen,  in  denen  meine 
Ansicht  von  der  Sorofs  abweicht ,  doch  damit  würde  ich  den  Raum 
und  Zweck  einer  Anzeige  überschreiten:  ist  doch  auch  die  Zahl  der 
Stellen  nicht  gering,  in  denen  mir  S.  seine  Vorgänger  überholt  zu 
haben  scheint.  Manche  Unebeuheiten  und  Versehen  geringerer  Art, 
sowie  die  nicht  eben  seltenen  Druckfehler,  wird  der  Verfasser  teils  schon 
selbst  bemerkt  haben,  teils  bei  wiederholter  Durchsicht  noch  finden. 

Hof.  Rubner. 


Cicero  Brutus  de  claris  oratoribus.  Kür  den  Schulgebrauch  erklärt 
von  Dr.  K.  W.  Pider  it.   Zweite  Auflage.   Leipzig,  Teubner.  1875. 

Zu  den  letzten  Arbeiten  des  genannten  Meisters  auf  dem  Gebiete 
der  Erklärung  von  Cicero 's  rhetorischen  Schriften  gehört  die  vor- 
liegende zweite  Auflage  der  im  Jahre  1862  in  der  Teubner'schen  Samm- 
lung erschienenen  Ausgabe  des  Brutus.  Die  grossen  Vorzüge,  welche 
Piderits  Arbeiten  in  praktischer  und  wissenschaftlicher  Beziehung  aus- 
zeichnen, die  Klarheit  und  Akribie  seiner  Interpretation,  die  Besonnen- 
heit und  Unbestechlichkeit  seiner  Kritik,  sind  zu  sehr  anerkannt,  um 
weiteren  Lobes  zu  bedürfen.  Auch  unser  Werk  gibt  Zeugniss  von  der 
Sorgfalt  und  Gewissenhaftigkeit  des  nun  verewigten  Verfassers;  denn 
man  erkennt  deutlich,  wie  er  überall,  wo  es  ihm  nötig  schien,  nach- 
gebessert' und  nachgetragen  und  von  neuen  Beiträgen  der  Kritik  alles, 
was  ihm  wertvoll  zu  sein  schien  ,  wenigstens  im  kritischen  Anhang 
geschickt  benützt  hat. 

So  ist  jetzt  §■  125  der  Ausdruck  in  manibus  saebgemässer  erklärt, 
§.  219  mit  Recht  wieder  zu  dem  überlieferten  solitam  (statt  solidam) 

Blätter  f.  d.  bayer.  Gymn.-  u.  Re*l-8cbulw.   IX.  Jahrg.  32 


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4C6 


Man  sieht  es  dem  Buche  auf  jeder  Seite  an ,  da9s  es  in  und  aus  der 
Schule  heraus  entstanden  ist:  durchwegs  ist,  wenige  Kleinigkeiten  viel- 
leicht ausgenommen ,  in  Bezug  auf  den  Umfang  sprachlicher  und 
sachlicher  Erklärungen  das  recbte  Mass  eingehalten ,  der  Ausdruck 
klar  und  präcis,  Überflüssige  Citate  und  Verweisungen  sind  vermieden, 
nicht  -fiten  sind  anregende  sprachliche  Beobachtungen  angebracht, 
jede  Wortkritik  dagegen  ist  mit  allem  Hecht  aus  den  Bemerkungen 
unter  dem  Texte  verbannt.  Die  Einleitung  schildert  in  lichtvoller* 
Darstellung  von  S.  VI  —  XIII  die  Vorfalle ,  welche  den  historischen 
Hintergrund  unsres  Gespräches  bilden,  dann  folgt  bis  S.  XXXIII  die 
Charakterschilderung  derjenigen  Männer,  welche  an  dem  Gespräche 
teilnehmen ,  von  Crassüs  bis  Caesar.  Daran  schliesst  sich  eine  Aus- 
einandersetzung über  Veranlassung,  Zweck  und  Form  unsres  Werkes, 
sowie  über  die  Verdienste,  dio  sich  C.  in  demselben  in  Bezug  auf 
Inhalt  und  Form  erworben  hat.  Die  nötigsten  Mitteilungen  über  die 
handschriftliche  Ueberlieferung  und  die  Hauptaufgaben  unserer  Schrift 
seit  Ellcndt  bilden  den  S<  bluss.  Die  Inhaltsübersicht  enthält  eiue 
vollständige  Skizze  der  Gespräche  im  ersten  Buche  auf  5  vollen  Seiten, 
dagegen  sind  fortlaufende  Inhaltsangaben  unter  dem  Texte,  wie  in 
Piderits  Ausgabe,  nicht  vorhanden.  Der  tüchtige  Lehrer  mag  allerdings 
auch  bei  der  Behandlung  eines  so  schwierigen  Gegenstandes  ein  solches 
Hilfsmittel  zur  Präsenthaltung  des  Zusammenhangs  entbehren  können: 
ein  bequemes  Mittel,  um  sich  beim  Nachschlagen  rasch  zurechtzufinden, 
bleibt  es  doch  immer.  Die  Herausgabe  des  Werkes  in  getrennten 
Bändchen  hat  die  Aufnahme  der  nötigen  Mitteilungen  über  die  im 
Texte  vorkommenden  Persönlichkeiten  u.  dgl.  unter  die  fortlaufenden 
Anmerkungen  nötig  gemacht.  Ausgesprochen  hat  8.  seine  Ausicht  über 
diese  Einrichtung  nicht;  wie  mir  aber  scheint,  hat  Piderit  durch  die 
alphabetische  Zusammenstellung  der  im  Texte  vorkommenden  Realien 
und  die  teilweise  ziemlich  ausführlichen  Citate  und  Auseinandersetzungen 
seinem  Buche  einen  erhöhten  Wert  gegeben,  wenn  er  auch  andrerseits 
über  das  Bedürfniss  der  Schule  mitunter  hinausgegangen  ist.  Im  kritischen 
Anhang  hat  sich  S.  auf  eiu  Verzeichniss  seiuer  Abweichungen  vom 
Texte  Kaysers  und  Piderits  beschränkt  und  diesen  zum  grossen  Teil 
eine  Begründung  seiner  Ansicht  beigefügt:  für  eine  Schulausgabe,  die 
einen  vollständigen  kritischen  Apparat  nicht  bieten  kann,  vollkommen 
ausreichend.  Bei  dieser  Gelegenheit  .mögen  einige  Bemerkungen  Platz 
finden.  IG,  71  geht  dicAendcrung  von  nam  qua  re  in  namquod  meines 
Wissens  schon  in  die  ältesten  Zeiten  zurück;  19,  85  ist  schon  1871 
(Bayer.  Gbl.  S.  193)  von  mir  das  atque  omni  abundans  doctrina  vor- 
geschlagen worden;  22,  102  ist  ex  magna  h.  fr.,  wie  ich  glaube,  mit 
Recht  in  den  Text  aufgenommen,  aber  die  Abweichung  von  K  und  P. 
im  Anhang  nicht  verzeichnet;  ebenso  hat  25,  117  K.  habet  (nach  den 
Handschr.V)  statt  habuit  und  46,  253  P.  das  hdschr.  ne  rerum  quidem 
statt  ne  rei  quidem;  endlich  ist  50,  216  8t  cloqu.  statt  etsi  und  217  ei, 
quos  etc.  statt  et  quos  etc.  meines  Wissens  zuerst  von  Bake  vorge- 
schlagen worden. 

Uebrigens  gibt  auch  die  kritische  Seite  von  Sorofs  Arbeit  will- 
kommenes Zeugniss  von  seinem  Eleiss  und  seiner  Besonnenheit.  Mit 
Recht  hat  er  eine  gute  Anzahl  der  Klammern  Kaysers  entfernt 
und  manche  unnötige  Aeuderung  zurückgewiesen,  so  wie  er  ander- 
seits auch  vor  mancher  nötigen  Correctur  der  Vulgata  sich  nicht 
gescheut  hat,  vgl.  z.  B.  18,  81  (et  palaestrac) ;  42,  187  (disjecta); 
44,  1%  (tanta  necessitas  natura).  58,  246  (wo  in  quo  statt  in  qua 


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noch  die  einfachste  Abhilfe  sein  dürfte).  Wenn  ich  trotzdem  mit  de  f 
Gestaltung  des  Sorofscben  Textes  öfters  nicht  einverstanden  bin,  so 
liegt  das  in  der  Natur  der  Sache.  Insbesondere  aber  glaube  ich ,  dass 
man  in  der  Annahme  von  Anakoluthen  in  einer  Schrift  Ciceros  von  so 
eleganter  und  gefeilter  Ausdrucksweise  nicht  so  weit  gehen  darf,  als 
es  S.  getban  bat.  So  scheint  mir  3,  11  (vgl.  Vindiciae  Tull.  p.  3  f.) 
die  Erklärung  des  Uberlieferten  Textes  durch  ein  Anakoluth  ganz 
unstatthaft  (vgl.  G.Progr.  Hof  1874,  S.  3  ff.),  ebenso  12,  53,  wo  S  das 
Anakoluth  jetzt  anders  wie  früher  in  den  Vindic.  Tull.^  fassen  will, 
und  17,  75  soll  ebenfalls  das  unpassende  quae  durch  eine  Machlässig- 
keit des  Ausdrucks  erklärt  werden,  sowie  32,  146  das  dem  non  ut  etc. 
entsprechende  Glied  anakoluthisch  noch  in  die  Rection  von  intellego 
hineingezogen  sein  soll:  eine  Nachlässigkeit,  die  man  dem  geringeren 
Schrifsteller  kaum  zutrauen  durfte  (ganz  anders  verhält  sichs  §.  154 
mit  ita  —  prodesse  —  ob  esse).  Ebenso  glaube  ich  Perioden,  wie  18,  82 
und  45,  108  trotz  Sorofs  Erklärungen  nicht  auf  Rechnung  unsers  Schrit- 
stellers  setzen  zu  dürfen,  und  30,  135  lassen  sich  die  Worte  exponam 
nobis  non  quandam  —  consuetudinis  meae  eben  nicht  so  übersetzen, 
wie  es  S.  tbut,  wenigstens  nicht  auf  natürlichem  Woge.  23,  108  beweisen 
die  Beispiele  de  fin.  II,  4,  13  u  s.  w.  nichts  für  eine  Ergänzung  von 
ut  constet'y  ex  ist  wol  zu  streichen  und  mit  eiuem  Teil  der  Handschr. 
ars  istq  statt  ita  zu  schreiben.  31,  139  ist  der  Schwierigkeit,  die  in 
factum  liegt,  in  der  Anmerkung  zu  in  utraque  re  ausgewichen. 
Noch  wäre  eine  Reihe  anderer  Stellen  zu  besprechen,  in  denen  meine 
Ansicht  von  der  Sorofs  abweicht ,  doch  damit  würde  ich  den  Raum 
und  Zweck  einer  Anzeige  überschreiten:  ist  doch  auch  die  Zahl  der 
Stellen  nicht  gering,  in  denen  mir  S.  seine  Vorgänger  überholt  zu 
haben  scheint  Manche  Unebeuheiten  und  Versehen  geringerer  Art, 
sowie  die  nicht  eben  seltenen  Druckfehler,  wird  der  Verfasser  teils  schon 
selbst  bemerkt  haben,  teils  bei  wiederholter  Durchsiebt  noch  finden. 

Hof.  Rubner. 


Cicero  Brutus  de  claris  oratoribus.  Für  den  Schulgebrauch  erklärt 
von  Dr.  K.  W.  Pider  it.    Zweite  Auflage.   Leipzig,  Teubner.  1875. 

Zu  den  letzten  Arbeiten  des  genannten  Meisters  auf  dem  Gebiete 
der  Erklärung  von  Cicero's  rhetorischen  Schriften  gehört  die  vor- 
liegende zweite  Auflage  der  im  Jahre  1862  in  der  Teubner'schen  Samm- 
lung erschienenen  Ausgabe  des  Brutus.  Die  grossen  Vorzüge,  welche 
Piderits  Arbeiten  in  praktischer  und  wissenschaftlicher  Beziehung  aus- 
zeichnen, die  Klarheit  und  Akribie  seiner  Interpretation,  die  Besonnen- 
heit und  Unbestechlichkeit  seiner  Kritik,  sind  zu  sehr  anerkannt,  um 
weiteren  Lobes  zu  bedürfen.  Auch  unser  Werk  gibt  Zeugniss  von  der 
Sorgfalt  und  Gewissenhaftigkeit  des  nun  verewigten  Verfassers;  denn 
man  erkennt  deutlich,  wie  er  überall,  wo  es  ihm  nötig  schien,  nach- 
gebessert' und  nachgetragen  und  von  neuen  Beiträgen  der  Kritik  alles, 
was  ihm  wertvoll  zu  sein  schien ,  wenigstens  im  kritischen  Anhang 
geschickt  benützt  hat. 

So  ist  jetzt  §■  125  der  Ausdruck  in  manibus  sachgemässer  erklärt, 
§.  219  mit  Recht  wieder  zu  dem  überlieferten  aolitam  (statt  solidatn) 

Blatter  f.  d.  bayer.  Gjrnn.-  u.  Real-Scbulw.   IX.  Jahrg.  32 


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zurückgekehrt  und  §.  200  die  emendirte  Stelle  ut  avis  c.  al.  von  dem 
unnötigen  suavi  befreit.  Erweitert  ist  ferner  die  Bemerkung  zu 
judiciis  repeterentur  §.  46,  während  sich  im  übrigen  mit  ganz  wenig 
Ausnahmen  die  Erweiterungen  auf  hinzugefügte  Belegstellen  beschränken, 
wie  §.  22  zu  exquisita,  wo  es  im  Citat  175  statt  106  heissen  muss, 
§.  40  zu  ülixi  etc.,  §.  77  zu  si  corpore  valuisset  u.  a.  m.  Von  den 
kritischen  Bemerkungen,  die  früher  unter  dem  Texte  standen,  ist  nun 
ein  gut  Teil  in  den  kritischen  Anhang  verwiesen ,  zum  Teil  vermehrt 
durch  Angabe  der  Vermutungen  oder  Vorschläge  anderer  Gelehrten, 
von  denen  P.  Mähly  (Rhein.  Mus.  N.  F.  XX)  und  Feldhügel  (Progr. 
des  Paedag.  in  Magdeburg  1871)  auch  in  der  Vorrede  unserer  Auflage 
nennt:  vgl.  kr.  Anh.  §.  31  zu  solebat.  Hujus,  §  40  zu  tarn  (idem)  omatus, 
§.  128  zu  invidi08a  illa  quaestione  o.  s.  w.  Das  Verfahren ,  den 
kritischen  Teil  der  Anmerkungen  einem  besondern  Anhang  einzuver- 
leiben ,  scheint  mir  für  Schulausgaben  so  sehr  das  richige  zu  sein, 
dass  ich  sogar  diesen  Teil  für  Lehrer  und  Studierende  gesondert 
gedruckt  sehen  möchte.  P.  hätte ,  glaube  ich ,  noch  einen  Schritt 
weiter  geben  und  auch  Bemerkungen  wie  §.  59  zu  cujus  effector  und 
§.  120  zu  eorum  phil.  sectam,  wo  es  sich  um  Entfernung  von  Glossen 
handelt,  oder  §§.  112  (lectu),  191  (centum  milium)  und  283  (cum  esset), 
wo  der  Fehler  durch  Verschreibung  entstanden  ist,  aus  dem  fort- 
laufenden Commentar  entfernen  sollen. 

Die  Einleitung  ist  unverändert  und  fast  gänzlich  correkt  abgedruckt. 
Im  Text  ist  mir  an  Versehen  aufgefallen:  §  131  wieder  paene  statt 
plane  und  §.154  Etiatn  statt  Etenim ,  sowie  §.  167  oratione  statt 
orationes,  dann  in  den  Anmerkungen  §.  277  zu  indicia  mortis  statt 
Galliti8  Galba,  abgesehen  von  leicht  corrigirbaren  falschen  Zahlen  in 
einigen  Citaten.  Die  erklärenden  Indices,  deren  Wert  ich  hoch  an- 
schlage, sind  unverändert  (wieder  Caepasisus  S.219)  abgedruckt;  nur 
zu  Trasimenus  (S.  285)  finde  ich  die  richtigere  Schreibweise  mit  Hin- 
weis auf  die  Quelle  nachgetragen.  Zur  Erleichterung  für  die  Schüler 
wäre  zu  C.  Gallus  §.  90  unter  dem  Text  oder  im  Register  eine  Hin- 
weis un«  auf  C.  Sulpicius  Gallus,  ebenso  zu  Q.  Maximus  eine  solche 
auf  Q.  Fabius  Maximus  {Allobrogicus)  zu  wünschen.  Ausserdem 
fehlen  die  Artikel  Gorgonius  (vgl.  §.  180),  T.  Torquatos  T.  F.  (vgl. 
§.  345  und  pro  Plane.  11,  27)  und  Vestales,  worauf  §.  236  hingewiesen 
ist  (vgl.  Licinia  virgo  S.  263)  und  der  Ser.  Naevius  §.  217,  heisst  im 
Register  Cn.  Naevius.  Im  kritischen  Anhang  ist  zu  §.  162  (S.  292) 
juneta  hinter  defensio  zu  streichen.  So  sparsam  auch  P.  mit  sprach- 
lichen Bemerkungen  im  allgemeinen  ist  (und  ich  pflichte  ihm  hierin 
nicht  ganz  bei),  so  scheint  er  mir  doch  mehrere  Male  des  guten  zu 
viel  gethan  zu  haben.  So  hätte  z.  B.  zu  ut  temporibus  Ulis  §.  27 
(nicht  28),  zum  Sing,  fuit  §.  30,  zu  ne-quidem  „auch  nicht"  §.  68, 
zu  tantamne  fuisse  §.  219,  zu  unus  t  multis  und  loco  „an  der  rechten 
Stelle"  §.  274  die  Anführung  einer  oder  der  andern  Stelle  genügt,  da 
die  betreffenden  sprachlichen  Erscheinungen  bekannt  genug  sind;  die 
Bedeutung  von  velim  §.  249  bedarf  wol  keiner  Hinweisung  auf  die 
Grammatik,  wie  ich  überhaupt  bei  der  grossen  Menge  der  verschieden- 
artigsten lateinischen  Grammatiken  solche  Citate  immer  sehr  misslich 
finde,  abgesehen  davon,  dass  der  ordentliche  Schüler  die  betreffende 
Regel  von  selbst  auffinden  wird. 

Dass  in  Bezug  auf  die  Textkritik  meine  Ansichten  von  denen  P.'s 
öfters  abweichen ,  ist  selbstverständlich.  Der  Raum  einer  Recension 
erlaubt   nur  eine  kurze  Besprechung  eines  kleinen  Teils  derselben 


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4G9 


Zu  §.  16  babe  ich  zu  bemerken,  dass  ich  mir  nicht  denken  kann,  wie 
eine  Blüte,  die  von  der  Sonne  ausgebrannt  ist,  erst  noch  vor  brennendem 
Verlangen  (siti)   nach   der   in   früheren   Zeiten    vorhandenen  Fülle 
(Fruchtbarkeit?)  verdorren  soll.    Mir  scheint  eher  bei  fetus  eine  auf 
die  frühere  Ergiebigkeit  des  geistigen  Schaffens  hinweisende  Bestimmung 
•  zu  fehlen.   §.  46  liegt  et  controversiae  essent  der  Ueberlieferung  (et 
controversia   natura)   zu   fern;   ansprechend   ist  Jahn's  Vermutung 
(III.  Aufl.):  e  controversia  natam  (artem  et  praeeepta  etc.).   §.  117 
a.  Schi,  sind  Friedrichs  (N.  Jbb.  J873,  S.  845  ff.)  Gründe  gegen  die 
Ueberlieferung  (vgl.  die  Anmerk.  zur  Vorrede  S.  IV)  wol  zu  beachten, 
denn  C.  konnte  doch  nicht  einen  Mann  medioeris  in  dicendo  nennen, 
von  dem  er  eben  erst  gesagt  hat:  fuit  nullo  in  oratorum  numero  und  : 
sed  ut  vita  sie  oratione  durus,  incultus,  horridus,  und  von  dem  Brutus 
§.118  sagt:  in  Tuberone  nullam  [sc  eloquentiam)  video  fuisse  (vgl. 
§.108:  in  aliquo  numero  etiam  —  medioeres  oratores).  Ebenso  scheinen 
mir  dessen  Gründe  gegen  devorabatur  §.  283  stichhaltig,  Purgold's 
Vermutung  deserebatur  aber  der  Ueberlieferung  angemessener.   §.  1{0 
behalt  P.  die  Lesart  der  Hdscbr.  bei  und  ergAnzt  zu  sed  illa  die  voraus- 
gehenden Worte  laude  caruit.    Kayser  (N.  Jbb.  1860,  8.  845)  und 
Mähly  (a  a.  0.)  weisen  mit  Recht  darauf  hin,  dass  auf  diese  Weise  C. 
mit  sich  selbst  in  direkten  Widerspruch  geriethe,  da  dem  Antonius 
gleich  darauf  die  propria  laus  or.  in  verbis  zuerkannt  wird.  Aber 
auch  die  Piinschiebung  des  non  vor  illa  (Kayser)  oder  vor  propria 
fMähly)  hat  ihre  Bedenken,  wie  sich  bei  genauerer  Betrachtung  ergibt. 
Ist  diej>  Überlieferte  Lesart  überhaupt  richtig,  so  muss  man  annehmen, 
dass  G.  die  mit  illa  quae  propria  etc.  angefangene  Construction  nach 
dem  längeren  Zwischensatz  nam  ipsum  —  videtur   aufgegeben  und 
die  eigentümlichen  Vorzüge  des  Ant.  zum  Hauptgedanken  gemacht  hat. 
§.  234  lässt  sich  zwar  das  von  P.  aufgenommene  mirum  quantum  an 
sich  hören,  sieht  man  aber  näher  zu,  so  wird  man  gestehen  müssen, 
dass  ein  weiteres  charakteristisches  Merkmal  der  actio  des  Lentulus 
viel  besser  am  Platze  ist.   Unter  den  mannigfachen  Conjecturen  ist 
wol  die  Kayscrs  (a.  a.  0.  S.  846) :  admiranda  dignitate  vcücbat  am 
ansprechendsten;  nur  vermisst  man  eine  nähere  Bestimmung  zu  digni- 
tote  wie  corporis  oder  gestus.    §.  253  ist  nicht  ersichtlich ,  was  mit 
cum  hinter  occupationibus  anzufangen  ist,  wenn  man  nioht  mit  Ernesti 
die  Schlusswortc:  hunc  facilem  —  est  habendum  dem  Cicero  zuteilt. 
Uebrigcns  ist  die  ganze  Stelle  noch  lange  nicht  genügend  erklärt  (vgl. 
Madvig  advers.  crit.  II,  p.  187).   §.  306  nimmt  Madvig  (a.  a.  0.)  mit 
Recht  An stobs  an  der  Gegenüberstellung  der  Sätze]ef*i  —  rettnebat,  tarnen 
sublata  —  videbatur ,  hilft  aber  mit  attentius  (etsi  —  retinebat),  quod 
tarnen  etc.    durchaus   nicht    gründlich   ab.     Mir   scheint  C.  ohne 
Zweifel  geschrieben  zu  haben:  in  quo  etsi  rerum  —  retinebat ,  tarnen 
hoc  etiam  commorabar  attentius ,  quod  sublat*  jam  esse  etc.  Durch 
ein  VerBeben  konnte  die  Zeile  hoc  etiam  commorabar  attentius,  quod 
leicht  um  2  Zeilen  zu  hoch  gerückt  werden. 

Hof.  Rubner. 


32» 


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470 


Zehetmayr,  Seb.,  Lexicon  etymolo gicum  Latino  etc.  - 

tanscritum  comparativum  quo  eodem  setitentia  verbi  analogice  expli- 

caiur.    Vindob.  Alfr.  Holder  1873.   VII  u.  379  S.    Lex.  8. 
— 

Der  Herr  VerfaBser  dieses  Werkes  ist  den  Lesern  dieser  Blätter 
längst  bekannt:  pflegt  er  doch  nicht  selten  das  Füllhorn  seines  lingui- 
stischen Reichthums  in  dieselben  auszugiessen.  In  vorliegendem 
Werke  nun  ist  das  Latein  nicht  nur  mit  Sanskrit  in  Verbindung ' 
gesetzt,  wie  schon  der  Titel,  freilich  etwas  unbestimmt  und  formlos, 
andeutet ;  deutlicher  wird  es ,  wenn  man  die  reichhaltigen  indices 
betrachtet,  nämlich  graecus  S.  323  —  33,  goticus  —  37,  german.  (sie, 
gemeint  ist  Neuhochdeutsch)  —  49,  anglicus  —  52,  slavicus  —  53, 
gallicu8  et  Italiens  —  57,  Nominum  propriorum  (wo  nachzutragen: 
Bismarck  165.  310)  —  62,  sanscriticus  —  379;  aber  ein  Blick  in  das 
Buch  selbst  zeigt  sofort ,  dass  damit  der  Kreis  der  berücksichtigten 
Sprachen  keineswegs  abgeschlossen  ist ,  denn  keltisch  ,  litauisch ,  alt- 
nordisch ,  bairisch  u.  v.  a.  Dialecte  liefern  gar  oft  Stoff  zur  Vergleich- 
ung.  Dies  Lexicon  unterscheidet  sich  also  durch  die  herbeigezogenen 
Sprachen  wesentlich  von  dem  andere  Zwecke  verfolgenden  fleissigen 
und  verdienstlichen  Etym.  W.B.  von  Vanicek.  Herrn  Z.  ist  es  mehr 
darum  zu  tbun ,  die  fremden  Verwandten  des  lateinischen  Wortes 
aufzuführen  als  die  lateinischen;  so  ist  denn  sein  Lexicon  dem  Material 
nach  auch  verschieden  von  Curtius  Grundzügen ,  welcher  bekanntlich 
von  jeder  verwandten  Sprache  die  formell  oder  semasiologisch 
bedeutendsten  Vertreter  auswählt,  um  daran  literarische  Nachweise 
und  Raisonnement  zu  knüpfen.  Das  Aeussere  des  vorliegenden  Werkes 
erinnert  agegen  in  seiner  Anordnung  mehr  an  die  Fülle  von  Benfey's 
W.L.  und  von  Diefenbachs  got.  Glossar,  nur  hält  es  sich  in  engeren 
Rahmen  und  ist  daher  übersichtlicher,  stellt  auch  nicht  wie  die  eben- 
genannten eine  Wurzel  an  die  Spitze,  sondern  benützt  diejenigen  lat 
Wörter,  welche  eine  Erklärung  finden  sollen,  als  Lemmata. 

Für  wen  ist  nun  das  Buch  bestimmt?  Eine  Introductio  enttäuscht 
uns  insoferne,  als  sie  nichts  enthält  als  vier  kurze  Abschnitte:  I.  Com- 
pendia  scribendi  (besonders  Chiffern  für  die  öfter  angeführten  Autor- 
namen und  Werke).  U.  Literae  quaedam  vulgo  parum  notae  expli- 
cantur,  aber  nt  h  e.  ta,  d>  h.  e.  da,  gh.e.scha"  führt  den  Laien  ent- 
schieden irre ;  '  über  letzteres  vgl.  jetzt  Ascoli  fonologia  compar. 
p.  38  ff.  50  ff.  —  III.  Cotrigenda  (unvollständig).  —  IV.  Delenda.  In 
dem  ersten  Abschnitt  sollten  übrigens  genauere  Angaben  sein  als  z.  B. 
Fl.  =  Fleckeisen ,  H.  —  Heyne ;  Leo  Meier  sehreibt  sich  mit  y  und 
Referent  mit  ie. 

Dass  das  Buch  nicht  blos  für  Sprachforscher  bestimmt  ist,  lässt 
sich  aus  manchen  elementaren  Nachweisungen  scbliessen  und  man  kann 
ja  mit  Empfehlung  einiger  Vorsicht  (brevis  esse  laboro:  obscurus  fio) 
dasselbe  auch  z.  B  Gymnasialschülern  recht  wol  in  die  Hände  geben ; 
der  Kundige  versteht  natürlich  leicht  die  Meinung  des  H.  Verf.,  der 
Anfänger  wird  in  manchen  Artikeln  zweifelhaft  sein  (lar ,  ma?ies, 
pruina,  vester)  und  muss  sich  eben  achtsam  erst  einlesen. 

Die  Anordnung  der  Artikel  ist  alphabetisch,  jedoch  nicht  etymo- 
logisch, denn  sonst  müsste  manches  Wort  einem  anderen  Artikel 
einverleibt  werden,  auf  den  jetzt  nur  verwieseu  ist.  Dies  ist  jedenfalls 
des  bequemeren  Nachschlagens  wegen  geschehen,  weil  sonst  auch  ein 
index  latinus  nötig  wäre.   Was  die  Auswahl  der  Artikel  betrifft,  so 


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471 


sind  Wörter  vom  alten  Latein  an  bis  herab  znr  Vulgata  (leunculus), 
gelegentlich  auch  noch  andre  cf.  eabolus  und  cojus  als  Lemma,  para- 
fredus  S.  85,  aufgenommen ;  ein  Princip  der  Auswahl  hat  Referent 
nicht  finden  können,  es  fehlen  nämlich  viele  Wörter:  Vollständigkeit 
war  alao  nicht  angestrebt ;  es  scheinen  vorwiegend  solche  aufgeführt 
211  sein,  über  welche  der  Hr.  Verf.  Selbständiges  oder  Neues  beibringen 
wollte,  und  dessen  findet  sich  in  der  That  gar  vieles  Interessante. 

Wenn  dem  Anfänger  gleichfalls  wirklich  gedient  sein  soll,  so  w&re 
doch  ratsam,  etwas  vollständiger  die  lateinischen  Wörter  zu  geben; 
leicht  könnte  man  Artikel  wie  „suovelaurilia  cf  /torpe^o/zvo/*«/*«*' 
oder  Yiie'clyster  darum  hingeben.  Das  letztere  scheint  seine  Aufnahme 
fast  dem  BedQrfniss  zu  verdanken,  bei  dieser  Gelegenheit  Qber  Suffix 
rij'p,  rutQ,  tvq  zu  belehren.  Es  finden  sich  nämlich  ausser  dem  Reich- 
tum von  Heiegen,  welche  insbesondere  auch  die  Bedeutungsentwicklung 
vielseitig  beleuchten  und  so  einen  wichtigen  Bestandteil  des  Werkes 
ausmachen,  auch  gelegentliche  Bemerkungen  Qber  die  Entstehung  der 
Flezionssuffixa  z.  B.  unter  abs,  tu,  ego,  und  nicht  minder  werden  die 
Wortbildungssuffixa  geflissentlich  erläutert.  Dies  ist  neben  der  Erklärung 
einer  sehr  grossen  Zahl  von  Eigennamen  aus  den  verschiedensten 
Sprachen,  insbesondere  auch  von  mythologischen,  ein  sehr  bedeutendes 
Kebenergebniss  der  aufgewendeten  Arbeit.  Freilich  tritt  auch  hiebei 
wie  anderwärts  ein  gewisser  Mangel  an  Uebersichtlicbkeit  in  Folge 
der  Fülle  hervor.  Die  semasiologischen  Excurse ,  welche  den  Artikeln 
oft  einverleibt  sind  und  mitunter  von  der  Hauptsache  etwas  ablenken, 
so  dass  wol  einmal  der  Hr.  Verf.  selbst  mit  einem  Sed  redeamm  ad 
—  (zum  Lemma  nämlich)  wieder  einzulenken  nötig  findet,  sind  der 
Sache  nach,  wie  schon  bemerkt,  sehr  verdienstlich,  aber  es  wäre  doch 
zu  wünsohen,  dass  bei  einer  neuen  Auflage  durch  kleineren  Druck  oder 
die  Form  von  Anmerkungen ,  Parenthesen  oder  sonstwie  die  Ueber- 
sichtlicbkeit erleichtert  würde,  wie  auch  duroh  Anwendung  der  Cursive 
zur  Unterscneidung  des  Contextes  von  blossen  Beispielen.  Darlegungen 
wie  die  über  Flexionssuffixe  würden  wol  noch  besser  in  einen  besonderen 
Anhang  verwiesen ;  die  wortbildenden  Elemente  sollten  auch  regelmässig 
als  Lemmata  aufgeführt  sein ;  manche  sind  in  anderen  Artikeln  geradezu 
versteckt,  so  scheint  -  tfnus  nur  unter  nuper,  —  trum  unter  muletrum, 
dagegen  —  Unus,  —  ivus  gar  nicht  erwähnt  zu  sein.  Unter  —  idus 
wird  auf  timidus  verwiesen  ,  das  ausnahmsweise  in  Art.  timeo  steckt 
und  hier  wird  —  idus  „ut  x>ideturli  mit  skr.  itas  griech.  cro?  gleich- 
gesetzt* Manches  liesse  sich  auch  vereinfachen,  wenn  ein  Derivatum 
unter  das  benachbarte  Primitivum  u  dgl  {regio  unter  rego)  eingereiht 
wäre  (wie  timidus).  Der  bekannte  Uebergang  des  s  zwischen  Vokalen 
in  r  (generis,  amaverim)  wird  doch  auf  seltsamem  Umweg  durch  alt- 
nord.  reri  ex  resi  =  remigavi  erläutert  h>.  301  findet  sich  eine  Zeile 
(virga)  als  Dittographie. 

Bisher  war  nuu  von  formalen  Seiten  des  Buches  die  Rede,  welche 
in  einer  zweiten  Auflage  (vielleicht  durch  eine  reicher  ausgestattete 
Officio)  praktischer  eingerichtet  werden  könnten. 

Bezüglich  des  materiellen  Teils  muss  nun  constatirt  werden,  dass 
der  vielseitig  gelehite  Hr.  Verf.  es  verstanden  hat,  nicht  blos  Anfängern 
und  Geübteren,  sondern  auch  Forschern  eine  reiche  Fülle  von  Belehrung 
und  Anregung  zu  geben;  die  mit  Bienenfleiss  zusammengetrageneu 
Artikel  des  überreichen  Buchs,  dem  man  seinen  Reichtum  äusserlich 
kaum  anmerkt,  sind  auch  wo  man  anderer  Ansicht  huldigt,  immer 
anregend.    Dass  bei  solcher  Fülle  nicht  alles  unanfechtbar  ist,  liegt  in 


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472 


der  Natur  der  Sache,  an  mancher  Stelle  wird  man  wol  ein  Fragezeichen 
an  den  Rand  Betzen  müssen  und  so  will  der  Referent  einige  der 
Beinigen  hier  zum  Schlüsse  zur  Erwägung  vorlegen,  mit  dem  Wunsche, 
dass  der  fleissige  und  scharfsinnige  Hr.  Verf.  recht  bald  in  di  •  ange- 
nehme Lage  kommen  möge,  in  einer  zweiten  Auflage  seines  iii.ches 
davon  etwa  Gebrauch  zu  machen. 

Der  Artikel  „augur  cogn.  augustus.  Gr.  V  691  b.  Augua-  ex 
avi-gus  der  Yogelkieser.  cgn.  jush  =  kiesen  von  gusto"  ist  trotz 
Grimms  Autorität  sehr  zweifelhaft;  denn  der  Vogelflugdeuter  ist  doch 
kein  Vogelwähler.  Wenn  Max  Müller  Vöries,  üb.  d.  VV.  d.  $pr.  11228 
das  Wort  von  W.  gar,  gr  schreien  (garrio  yijQvs  girren  etc.)  ableitet, 
so  könnte  man  augur  als  n.  Vogelschrei  sich  gefallen  lassen  und 
augura  pU  bei  Attius  könnte  eine  Stutze  zu  sein  scheinen,  allein  ein 
ma8c.  würde  eben  nur  einen  Vogelschreier  ergeben,  was  doch  ebenso- 
wenig zu  brauchen  ist.  Vanicek  macht  auf  die  durch  Prisciau  über- 
lieferte altlateinische  Nebenform  aufmerksam:  au~ger;  er  erklärt  „der 
heilige  Vögel  zur  Weissagung  hält  und  beobachtet".  Referent  kann 
freilich  trotz  der  tripudia  diese  Erklärung  von  gerere  nicht  sehr  stich- 
haltig finden  ;  ohnedies  drehen  wir  uns  hier  im  Kreise,  wenn  Corssen 
Ausspr.  II  202  Recht  hat ,  dieses  auger  selbst  nur  für  Entartung  aus 
augur  oder  augor  zu  erklären.  Allein  es  fragt  sich  ,  ob  dies  Wort 
wirklich  mit  aves  zusammenhängt  und  hier  könnte  der  Vergleich  mit 
augustus  (vgl.  venustus  von  venus)  auf  ein  augua  —  augur  oder  augor 
führen,  das  aus  der  Wurzel  ug  erwachsen  konnte;  skr.  (vgl.  Curtius 
N-  1&9)  o.jas  Kraft,  ugras  gewaltig ,  so  dass  augur  vielleicht  als  der 
Starke  und  Mächtige  bezeichnet  wäre?  Eine  regelmässige  Erklärung 
der  zweiten  Hälfte,  wenn  man  au-gur  teilt,  scheint  nicht  möglich. 

Unter  litera  ist  richtig  bemerkt:  cgn.  skr.  lina  das  Ankleben; 
ein  Hinweis  auf  linea  ist  nur  vergessen;  dort  ist  das  Stammwort  Itno 
richtig  erwähnt,  freilich  nur,  um  dann,  wie  öfters,  ein«'  minder  wahr- 
scheinliche Etymologie  zur  ersteren  hinzuzufügen,  bis  ist  aber  litera 
so  gut  wie  obliteratua ,  oblitus ,  oblivio  nebst  Ittus  4.  Deel  ,  litura, 
obh'tus,  olle  vi  etymologisch  zu  Uno  gehörig,  während  das  vom  Herrn 
Verf.  nicht  behandelte  litus  {litoris)  nicht  mit  Vanitfek  zu  linea,  sondern 
mit  Pauly  zu  xluve  zu  stellen  sein  dürfte. 

Marc  soll  nach  B.  R.  „die  Welt  des  Sterbens"  sein  und  somit 
zu  mori  und  marcere  gehören:  hier  ist  die  Kürze  wieder  dunkel,  auch 
wäre  besser  als  Gewährsmann  Curtius  in  Kuhn's  Zeitschr  1,33  genannt, 
und  dann  nach  Art  von  Vanicek  mit  G.  Curtius  G.  Z.4  353  eine 
vermittelnde  Erläuterung  der  Verwandtschaft  mit  marcere  beigefügt. 
Es  will  übrigens  trotzdem  nicht  natürlich  erscheinen,  dass  die  Haupt- 
bezeichnung des  Meeres  von  dem  Wrelken  d  h.  1)  vor  Durst  umkommen, 
oder  2)  Mangel  der  Vegetation  hergenommen  sein  ßollc.  Referent 
möchte  doch  lieber  an  fiv^u)  anknüpfen,  dessen  Grundbedeutung  Strömen 
ist,  daher  vielleicht  auch  /avqioi  stammt,  jedenfalls  (aoq-^vq-ü>  sehr 
strömen,  rauschen,  wozu  dann  slav.  more  {po-more  Pommern,  kelt. 
Ar  •mor-icai  fränk.  Mer-ouwe  u.  s.  f.  gehören  würden. 

Hitor  wird  mit  ahd.  hneg-enti  nitens  verglichen;  cgn.  nicto', 
unter  diesem  wird  goth.  Jineivan  ahd.  hniga  neigen  erwähnt;  allein  es 
ist  wol  bei  nltor  (vgl.  co-nüi  und  e-nixa)  eher  mit  Corssen  an  eine 
Ableitnng  von  genu  zu  denken:  mit  den  Knieen  sich  stemmen,  dann 
sich  anstemmen,  klettern,  endlich  allgemeiner:  sich  anstrengen,  streben. 
Davon  würde  meto:  und  seine  Verwandten  natürlich  zu  trennen  sein. 

Prosper  wird  nur  mit  skr.  und  slav.  Wörtern  verglichen  und 
dazu  pro-spe-ritas  (sie)  gestellt  unter  Verweisung  auf  Fick,  welcher 


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I 


473 


dem  Ref.  nicht  zur  Hand  ist.  Dem  Ref.  ist  es  von  jeher  so  erschienen, 
als  ob  auszugehen  wäre  von  proapere  Die  bei  Enniua  und  Varro  er- 
haltenen Casus  sperea  und  aperibua  legen  die  Vermutung  nahe,  dass 
z.  B  pro  spere  res  procedit  bedeutete:  Der  Erwartung  entsprechend 
—  günstig;  dann  konnte  nach  Analogie  von  proconaul  aus  dem  geläu- 
figen proapere  (wie  v.i£qhoqos  «  aus  vucq  uoqov)  ein  Nominativ, 
schwankend  wie  puer  und  puerua ,  proaper  und  proaperua ,  entstehen 
oder,  wol  eher  noch,  direct  aus  dem  Nomen  (nicht  aus  aperare)  jedoch 
nicht  ohne  Eintiuss  des  Präpositionalausdruckes  gebildet  werden,  wie 
ivaiouiu;  nach  tv  «tau,  na^ävouot  nach  nttori  vouav  u.  a  Ueber  die 
Etymologie  von  apes  selbst  spricht  G.  Curtius  G  Z.*  G94  eine  Vermut- 
ung aus,  die  weit  von  skr.  aphdra  abliegt. 

Unter  pania  wird  ausser  „messap.  ?r «ro? c^n.  Paw  (besser :  cf  poaco) 
skr.  panaaa,  dann  apanage  und  panicum  erwähnt.  Dass  es,  wie  schon 
Varro  berichtet,  von  paaco  stamme,  könnte  in  aller  Kürze  erwähnt  werden. 

In  peeco  =  peco  ist  das  zweite  c  nicht  erklärt;  vielleicht  hat 
Pauli  K.  Z.  18,  35  Recht,  mittels  eines  pedus  (vgl.  pejor ,  peaaimua 
peaaum)  an  skr.  pädyate  er  kommt  zu  Fall,  anzuknüpfen. 

Ueber  quum  wird  der  doch  ungenügende  Ausschluss  gegeben: 
==  quam;  acc.  ntr.  Bf.  (Benfey).  Und  doch  ist  des  Ref.  Abhandlung 
„die  Conjunction  quom"  in  der  Introductio  angeführt.  Quom  fehlt, 
unter  cum  ist  mit  Recht  nur  von  der  Präposition  die  Rede. 

Satellea  ist  durch  „aatdlyat ,  aatasyant  von  eamtarämi  =  x*iq<o 
Corss."  nicht  genügend  erklärt.  In  Ausspr.  II*  210  erklärt  Corssen 
das  Wort  ans  dem  Demin.  aatulo~  von  W.  aat  mitgehen;  wenig  wahr- 
scheinlich: Näher  liegt  (ebenfalls  mit  Corssen,  wenn  Ref.  nicht  irrt) 
aa-tell-ea  zu  teilen  wie  mil-ea,  ped-es,  equ-ea,  und  es  abzuleiten  von 
skr.  tili,  til  gehen,  sich  bewegen  (allerdings  verwandt  mit  tardmi),  so 
dass  aa-tell-itea  wörtlich  dasselbe  wie  comitea  bedeutet. 

Tellua,  wozu  aubtel  Fussfläcbe  mit  Recht  gestellt  ist,  bezeichnete 
wol  ursprünglich  überhaupt  eine  Fläche,  einen  Raum;  daher  medi- 
tull-ium  (zusammengesetzt  wie  franz  milieu)  Mitte.  Dazu  mag  das 
angeführte  tj?M«  (Nebenform  aylia)  gehören;  aber  die  gena  Tullia 
und  TJ?*e,  rtjXov  liegen  jedenfalls  ferne.  Wollte  man  mit  B.R.  der 
Wurzel  noch  weiter  nachgraben,  so  würde  wol  anstatt  atar  —  aterno, 
vielmehr  atar  —  arsgeos ,  orrtQtt ,  sterilia  (öfters  Beiwort  von  tellu8), 
atarr  zu  vergleichen  sein;  freilich  müsste  dann  im  skr.,  wo  talam 
Otters  in  Compositis  blos  als  Raum  erscheint  (nabhaa •  talam)  diese 
Grundbedeutung  früh  erloschen  sein. 

Unter  via  wird  die  altüberlieferte  Ableitung  von  vehere  zuerst 
gegeben ,  dann  fortgefahren :  quamqitam  vox  viae  trahi  poteat  ad  [deri- 
vata  eaae  —  de]  skr.  witcaydmi  —  eo,  agot  unde  (d.  h.  von  ago)  ajani 
f.  via  trita.  Allein  die  Ableitung  von  vi  I,  pf.  viväya  liegt  doch  ferner; 
s.  Grassmann  WB.  zum  R.V.pg.  1312.  1314;  die  erstere  ist  ausreichend: 
G.  Curtius  G.Z.«  192 

Unter  veto  wird  zwar  das  alte  voto  (Plaut.)  erwähnt,  dann  aber 
gesagt:  cohaeret  c.  germ  md  ge-wet-an  conjungere.  Allein  vom  Ver- 
binden zum  Verbieten  ist  doch  ein  weiter  Weg;  letzteres  müsste  ja 
eher  ein  Trennen  oder  Abhalten  sein.  Die  Nebenform  vetuere  und  die 
tribua  Veturia  weist  auf  vetua  hin,  so  dass  vetuere  =  antiquare  auf- 
heben ,  dann  verbinden  ist ,  wie  0.  Keller  in  N.  Jbb.  107 ,  602 
dargelegt  hat 

In  „veaper  =.  ianioa  cgn.  der  West  von  skr.  vasati  f.  das  Ueber- 
nachten,  die  Wohnung"  bleibt  die  zweite  Hälfte  des  Worts  unerklärt. 


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474 


CurtiuB  nimmt  die  Urform  vas-karas  an,  dies  würde  auf  die  Bedeutung: 
Umhüllung  (Nacht)  machend  führen;  vgl.  C6(pog  und  Ct'tf  vQog  wegen  West. 

Ve-stibulum,  ubi  stare  solebant  etc.  lässt  das  ve-  unerklärt; 
es  ist  wol  (mit  Keller  a.  0.)  der  Platz  des  heiligen  llcnlfeucrs  Vesti- 
hulum  (von  Vesta  =  iaria)  ~  atrium.  l>ieses  selbst  aber  düifto  mit 
zend.  ätar  Feuer  zusammenhängen. 

Zweibrücken.  Autenrieth. 


Ein  Votum,  betreffend  die  Reorganisation  unserer  Go werbschulen. 
Von  Rektor  F.  Mann  in  Kitzingen.  Separatabdruck  aus  der  „Gemein- 
nützigen Wochenschrift"  1875.    Würzburg.    Tb  ein. 

Dieses  Votum  unterstützt  auch  die  Ansicht  derer,  welche  mit  der 
Broschüre  „der  Realunterricbt  in  Prcussen  und  Baiern(i  eine  mehr  als 
vierkursige  und  früher  als  mit  dem  12.  Lebensjahre  beginnende  Real- 
schule für  dringend  geboten  erachten.  Es  will  auch  eine  vierkursige 
Unterrealschule  und  zwar  für  11—  15jährige  Schüler,  während  es  für 
die  Altersstufe  10  —  11  eine  fakultative  Vorbereitungsklasse  einräumt 
Die  Oberrealschulc  für  15  —  17jährige  Schüler  würde  auch  nur  in 
einem  Teile  der  mit  Unterrealscbulen  versehenen  Städte  zu  errichten 
sein.  Aber  Mann  will  die  Oberrealscbule  nicht  als  Vorschule,  sondern 
als  Parallelanstalt  zur  Industrieschule  gelten  lassen ,  während  nach 
unsererer  Ansicht  wenigstens  die  „ordentlichen"  Schüler  der  Industrie« 
schale  die  volle  Realschule  durchzumachen  hätten,  um  dann  mit  dem 
Absolutorium  der  Industrieschule  versehen  wie  die  Absolventen  der 
beiderlei  Gymnasien  auf  technischen  Staatsdienst,  auf  einschlägige 
Lehrämter,  auf  Oftiziersstellen  etc.  adspiriren  zu  können. 

In  dieser  Sorglosigkeit  um  die  Industrieschulen  müssen  wir  den 
schwachen  Punkt  des  von  Mann  vorgeschlagenen  Systems  erblicken. 
So  wird,  um  noch  zu  zeigen,  dass  wir  die  Schrift  mit  Aufmerksamkeit 
und  mit  grossem  Interesse  gelesen  haben,  nur  einmal  im  Vorbeigehen 
gesagt:  „Sollte,  was  kaum  ausbleiben  wird,  später  der  Industrieschule 
ein  drittes  Schuljahr  angefügt  werden,  so  wäre  entsprechend  auch  die 
Oberrealschule  zu  einer  dreikursigen  zu  erweitern4'.  An  einer  anderen 
Stelle  wird  der  Behauptung  gegenüber  (die  nur  von  Professoren  des 
Polytechnikums  herrührt  und  herrühren  bann),  dass  sich  die  Industrie- 
schulen als  Vorbereitungsanstalten  zum  Polytechnikum  trefflich  bewährt 
hätten,  durchblicken  gelassen,  dass  die  vorgeschlagenen  Oberrcalschulen 
diesen  Zweck  besser  erfüllen  würden,  und  nicht  zugegeben,  dass  den 
Industrieschulen  „das  Privilegium  dieser  vorbereitenden  Aufgabe  auch 
dann  noch  gesichert  bleiben  mflsste ,  wenn  Gkursige  Realschulen  im 
Sinne  unseres  Vorschlages  vorbanden  wären".  Dass  biemit  der  geehrte 
Verfasser  nach  Utopien  geraten  ist,  braucht  für  Kenner  der  Verhält- 
nisse des  Polytechnikums  und  der  Industrinschule,  beziehungsweise 
deren  organischer  Bestimmungen  ,  nicht  auseinandergesetzt  zu  werden. 
Auf  das  Detail  des  vorgeschlagenen  Stundenplanes  endlich  soll  aus 
denselben  Gründen  nicht  eingegangen  werden ,  aus  welchen  auch  die 
Lehrerversammlung  zu  Ostern  in  München  hierauf  verzichtete,  solange 
die  Grundlinien  der  neuen  Realschule  nicht  festgestellt  sind. 

A.  K  u  rz. 


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475 


Eine  andere  Stimme  über  das  „Votum"  sagt: 

Das  Votum  von  Rektor  F.  Mann  liefert  zur  Reorganisationsfrage 
der  Gcwcrbschulen  sehr  schätzenswerte  Beiträge,  und  müssen  wir  vor 
Allem  das,  was  der  Herr  Verfasser  über  das  spätere  Eintrittsalter 
und  die  damit  zusammenhängende  gesteigerte  Leistungsfähigkeit  der  zu 
schaffenden  Realschulen  sagt,  als  einen  Fortschritt  gegen  anderweitige 
Vorschläge  begrüssen.  Bezuglich  des  späteren  Eintrittsalters  von 
11  Jahren  hebt  der  Verfasser  mit  Recht  hervor,  dass  für  die  Fächer,  in 
welchen  der  Schwerpunkt  der  realistischen  Bildung  liegt,  auch  schon  beim 
Betrieb  der  ersten  Elemente  das  Verständniss  die  Hauptsache  ist  und 
mithin  die  Altersreife  eine  sehr  bedeutsame  Rolle  spielt.  Für's  zweite, 
weil  damit  die  überwiegende  Mehrzahl  der  Gewerbschulen  ,  welche  in 
vier  kl  assige  Realschulen  umzuwandeln  wären  ,  in  ihrem  Bestände  nicht 
alterirt  würden,  während  bei  einem  Schülermaterial  von  10—  14  Jahren 
die  Leistungsfähigkeit  und  das  Ansehen  derselben  bedeutend  sinken, 
daher  die  Einführung  solcher  Unterrealschulcn  gleichbedeutend  mit 
einer  Degradirung  der  ineisten  Gewerbschulen  sein  würde.  Wir  stimmen 
dem  Verfasser  vollkommen  bei ,  wenn  er  sagt ,  dass  gegenüber  der 
dreikursigen  Gewerbschule  mit  Schülern  von  12  —  15  Jahren  nur  die 
vierklassige  Realschule  mit  11  —  15jährigen  Knaben,  nicht  aber  die 
mit  10 —  14jährigen  ein  Fortschritt  ist,  und  dass  sich  unsere  Bevölk- 
erung durch  die  Gewerbschule  an  die  Zeit  bis  zum  Ifiten  Jahre 
gewöhnt  hat.  Wenn  es  im  Weiteren  heisst :  „An  dieser  Errungenschaft 
müssen  wir  unbedingt  festhalten  ,  hinter  diese  Linie  dürfen  wir  nicht 
zurückgeben,  wollen  wir  uns  nicht  in  einen  Rückschritt  hineinorganisiren, 
wollen  wir  nicht  einen  hochwichtigen  Erwerb  preisgeben ,  wollen  wir 
nicht,  dass  ein  Teil  des  bereits  zinstragend  angelegten  geistigen 
Nationaleigcnthums  in  todtes  Kapital  verwandelt  werde" ,  so  wird  dies 
sicherlich  Allen  denen  ,  welche  einen  gedeihlichen  Ausbau  unserer 
Gewerbschulen,  nicht  aber  eine  Degradirung  derselben  wünschen,  aus 
dem  Herzen  gesprochen  sein. 

Als  Ergänzung  der  vierklassigen  Realschulen  würde  eine  zwei- 
klassige  Oberrealschule  dienen.  Hier  wird  sicherlich  bei  Manchen  die 
Befürchtung  aufsteigen ,  dass  eine  derartige  mit  der  Industrieschule 
gleichlaufende-  Anstalt  der  letzteren  eine  merkliche  Conkurrenz  bieten 
würde.  Der  Verfasser  glaubt  dies  nicht,  er  ist  im  Gegenteil  überzeugt, 
dass  die  Gründung  von  Oberrealscbulen  die  Wirkung  haben  würde, 
die  Gesammtz'abl  derer,  welche  eine  weitergehende  realistische  Bildung 
anstreben,  zu  erhöhen  und  weiter,  dass  die  Conkurrenzverhältnisse  der 
Industrieschulen  besser  gewahrt  sind,  wenn  dieselben  aus  circa  40  Unter- 
realschulcn gespeist  werden,  ah  wenn  sie  sich  lediglich  auf  10  —  12 
secbsklassige  Realschulen  angewiesen  sehen.  Hiebei  drängt  sich  uns 
unwillkürlich  die  Frage  auf,  ob  es,  um  allen  berechtigten  Wünschen 
nachzukommen  ,  nicht  zweckmässig  wäre ,  an  unseren  Industrieschulen 
allgemeine  Abteilungen  zu  errichten,  welche  das  Pensum  der  Oberreal- 
schulc  zu  erledigen  hätten.  Dies  hätte  noch  einen  nicht  zu  unter- 
schätzenden Vorteil  im  Gefolge,  nämlich  den  grösserer  Billigkeit 

Sind  wir  bisher  mit  den  Ausführungen  des  Herrn  Verfassers  fast 
durchweg  einverstanden,  so  ist  dies  nicht  in  gleichem  Masse  der  > all 
bezüglich  des  von  ihm  aufgestellten  Lehrplanes.  Wir  glauben  nämlich, 
dass  man  aus  letzterem  allzusehr  den  Mathematiker  herausfühlt,  tlenn 
was  zunächst  ins  Auge  fällt,  ist  wol  eine  Utberladung  mit  Mathematik. 
Es  ist  ja  selbstverständlich,  dass  in  der  Realschule  die  mathematischen 


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47G 


Fächer  in  den  Vordergrund  zu  treten  haben,  aber  27  Stunden  in  der 
vierklassigen  und  45  in  der  sechsklassigeo  Realschule  dürfte  denn 
doch  etwas  zu  weit  gegangen  sein.  Ob  man  schon  in  der  zweiten 
Klasse ,  also  bei  12jährigen  Knaben ,  mit  Algebra  und  Planimetrie, 
auch  Physik  kommt  bereits  dazu ,  anfangen  kann ,  möchten  wir  fast 
bezweifeln ,  glauben  hingegen ,  um  nur  eines  zu  erwähnen ,  dass  auf 
Kosten  dieser  Gegenstände  ein  zweistündiger  Schönschreibeuntcrricbt 
für  dieses  Alter  mehr  am  Platze  wäre  Auch  in  den  Naturwissen- 
schaften ,  mit  Ausnahme  der  Katurgeschichte ,  wird  zu  viel  verlangt 
Der  Physik  in  der  zweiten  Klasse  wurde  bereits  Erwähnung  gethan, 
dazu  kommt  in  der  dritten  Klasse ,  also  mit  dem  13  Jahre ,  noch 
Chemie.  Ein  Vergleich  mit  dem  in  der  Brochüre  „Der  Realunterricht 
in  Preussen  und  Bayern"  angegebenen  Lehrplan  ist  gerade  hier  von 
Interesse.  Was  dort  fQr  Naturwissenschaften  zu  wenig,  erscheint  hier 
als  zu  viel.  Der  goldne  Mittelweg  dürfte  wol  auch  hier  das  Richtige 
treffen.  Ist  für  die  genannten  Fächer  ein  allzureichlichcr  Raum  bean- 
sprucht ,  so  vermissen  wir  dagegen  etwas ,  was  uns  allerdings  auch  in 
der  Brochüre  „Der  Realunterricht  in  Preussen  und  Bayern"  als  eine 
Lücke  auffiel ,  nämlich  eine  gebührende  Würdigung  der  ästhetischen 
Aufgabe  der  Realschule,  wir  meinen  eine  gebührende  Berücksichtigung 
des  Zeichenunterrichts  Wir  haben  bereits  an  einer  andern  Stelle*) 
unser  Bedauern  ausgesprochen,  dass  bei  einer  so  hochwichtigen  An- 
gelegenheit, wie  die  Reorganisation  der  Gcwcrbschulen  das  auf  aner 
kanut  hoher  Stufe  stehende  Realschulwesen  Oestreichs  gänzlich  ignorirt 
worden  ist,  und  wir  müssen  dasselbe  bei  dieser  Gelegenheit  wieder- 
holen. Wir  sind  nämlich  der  Ansicht,  dass  die  östrcichischcn  Real- 
schulen weit  besser  organisirt  sind  und  gerade  für  unsre  süddeutschen 
Verhältnisse  eher  als  Muster  aufgestellt  werden  können ,  als  die 
preussischen  und  schweizerischen.  Oestrcich  ,  das  uns  in  technischer 
und  kunstgewerblicher  Beziehung  eingestandener  Massen  überlegen  ist, 
widmet,  durchdrungen  von  der  grossen  Wichtigkeit  des  Gegenstandes, 
dem  Zeichnungsunterricht  an  seinen  Realschulen  eine  weit  grössere 
(die  doppelte)  Stundenzahl,  als  dies  nach  den  erwähnten  Lehrplänen 
bei  uns  der  Fall  sein  würde.  Wenn  nicht  abgeleugnet  werden  kann, 
was  uns  so  häufig  von  kompetenter  Seite  gesagt  wird  ,  dass  die  Kunst 
in  der  Erziehung  des  Volkes  fehlt,  so  wäre  es  doppelt  zu  beklagen, 
wenn  an  Anstalten,  die  berufen  sind  in  bescheidenem  Masse  dazu  bei- 
zutragen, diese  Lücke  auszufüllen,  wenn,  sagen  wir,  an  solchen  Anstalten 
auch  noch  dieses  Wenige  verkümmert  werden  sollte,  was  dieselben  bis- 
her in  dieser  Richtung  zu  leisten  befähigte  Dies  wäre  aber  der  Fall, 
wenn  im  Sinne  der  erwähnten  Lchrpläne  vorgegangen  würde.  Man 
könnte  doch  wol  billigerweise  erwarten ,  dass  das  Pensum  und  die 
Stundenzahl  für  den  Zeichnungsunterricht  der  dreikursigon  Gewerb- 
schule ohne  Verkürzung  auf  die  vierklassige  Realschule  verteilt  werde, 
von  einer  Vermehrung  gar  nicht  zu  reden.  Gerade  in  der  vierklassigen 
Realschule  mit  Schülern  von  11  —  15  Jahren  darf  mit  den  Anforder- 
ungen im  Zeichnen  nicht  unter  das  Pensum  der  dreikursigen  Gewerb- 
schulen herabgegangen  werden,  denn  einerseits  würde  dies  eine  Benach- 
teiligung der  gewerblichen  Interessen  im  Gefolge  haben,  weil  von  hier 
aus  die  meisten  Schüler  in's  Gewerbe  übertreten,  andrerseits  aber  auch 


•)  Augsb.  Abdztg.  1875,  No.  240. 


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477 


die  Leistungsfähigkeit  der  Industrieschulen  beeinträchtigen.  Wir 
wiederholen  also,  es  würde  dies  ein  Rückschritt  sein,  denn  gerade  die 
Realschule  muss  dazu  beitragen,  dass  sich  die  Kunst  die  Gemeinschaft 
der  Wissenschaft  und  damit  ihren  Einflu9s  sowol  auf  die  Industrie,  als 
auf  die  Volkserziehung  gewinne  Lässt  sich  demnach  dem  vorliegenden 
Lehrplan  eine  gewisse  Einseitigkeit  nicht  absprechen,  so  glauben  wir 
doch,  dass  derselbe  allen  billigen  Anforderungen  genügen  würde,  wenn 
Mathematik  and  Naturwissenschaften,  letztere  mit  Ausnahme  der  Natur- 
geschichte ,  zu  Gunsten  des  Zeichnungsunterrichtes,  und  wol  auch  des 
Deutschen  und  Schönschreibens  eine  entsprechende  Roduktion  er- 
leiden würden. 

D.  P. 


Literarische  Notizen. 

Lateinische  Stilistik  für  die  oberen  Gymnasialklassen  von  Dr.  Aug. 
Haacke.  Berlin,  Weidmann'sche  Buchhandlung.  1875.  368.  Pr.  4  AI. 
Das  Werk,  18G7  ah  grammatisch  -  stilistisches  Lehrbuch  für  den  Int. 
Unterricht  in  den  oberen  Gymnasialklassen  erschienen  und  damals 
bestimmt,  die  Ellendt- Seyffert'sche  Gramm,  auf  stilistischem  Gebiete 
zu  ergänzen  ,  erscheint  jetzt  unabhängig  von  dieser  Gramm,  in  um- 
gearbeiteter Auflage.  Indes  ist  auch  hier  die  Stilistik  nicht  von  der 
Grammatik  geschieden ,  vielmehr  im  innigen  Anschluss  an  dieselbe 
behandelt.  Das  Material  ist  sehr  reich,  so  reich,  dass  das  Buch  dem 
Privatflei8s  der  Schüler  überlassen  werden  muss;  nach  unseren  ilcr- 
maligen  Einrichtungen  wenigstens  wäre  nicht  abzusehen,  wie  man  auch 
nur  die  Zeit  finden  sollte,  es  als  obligates  Lehrbuch  in  der  Schule 
durchzuarbeiten.  Dass  auch  hier  wieder  die  Angabe  der  Stellen  für 
die  Beispiele  unterblieben  ist,  wird  kaum  allgemeine  Billigung  finden. 

Lateinisch  -  deutsches  Schulwörterbuch.  Von  Fr.  Ad.  Hein  ich  en. 
Dritte  umgearbeitete  und  vielfach  verbesserte,  sowie  vermehrte  Auflage. 
Leipzig,  Teubner.  1875  Die  neue  Auflage  ist  noch  weiter  und  konse- 
quenter vorgegangen  in  Bezug  auf  neuere  allgemein  als  richtig  aner- 
kannte Orthographie,  ausserdem  wurde  nach  Inhalt  und  Umfang  vielfach 
verbessert  und  ergänzt,  so  dass  das  Buch,  welches  für  die  Lektüre  der 
Gymnasialscbrift8teller  und  selbst  darüber  hinaus  vollkommen  ausreicht, 
an  Brauchbarkeit  wieder  gewonnen  hat. 

Griechisch  -  deutsches  Schulwörterbuch  von  Dr.  Gust.  Ed.  B  e  n  s  e  1  e  r. 
Fünfte  verbesserte  Auflage  besorgt  von  Dr.  J.  Rieckher.  Leipzig, 
Teubner  1875.  Die  neue  Auflage  ist  auf  Grund  umfassender  eigene! 
Lektüre  des  Verfassers  vielfach  berichtigt  und  ergänzt.  Das  Buch  erstreckt 
sich  bekanntlich  auf  alle  in  der  Schule  zu  lesenden  Klassiker  und 
(aus  guten  Gründen)  auch  noch  auf  das  Neue  Testament,  und  kann  nach 
Anlage  und  Ausführung  Gymnasialschülern  bestens  empfohlen  werden. 

Uebungsbuch  zum  Ucbersetzen  aus  dem  Deutschen  ins  Lateinische 
für  Tertia  im  Anschluss  an  die  gebräuchlichsten  Grammatiken,  besonders 
an  die  von  Ellendt -Seyffert ,  von  Dr.  Herrn.  Warschauer.  Jena, 
Ed.  Frommann  1876.  188  S.  in  8.  Das  Buch  enthält  zunächst  eine 
ziemliche  Anzahl  zusammenhängender  Uebungsstücke  zur  Wiederholung 


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478 


der  Kasuslehre  mit  Einschluss  der  Präpositionen,  dann  über  die  Syntax 
des  Verbums  in  entsprechenden  Abschnitten  teils  Satze,  teils  wieder 
zusammenhängende  Aufgaben,  endlich  wieder  eine  erkleckliche  Anzahl 
zusammenhängender  Stücke  zur  Einübung  der  ganzen  Syntax.  Koten 
unter  dem  Text  sind  nicht  angegeben ;  die  wenigen  Bemerkungen,  welche 
am  Schlüsse  folgen,  sowie  das  Wörterverzeicbniss  schützen  kaum  davor, 
dass  die  Anforderungen  für  die  angenommene  Unterrichtsstufe  mitunter 
zu  hoch  gestellt  erscheinen. 

•  Lateinische  Metrik  und  Prosodik.  Für  die  Schule  zusammengestellt 
von  Dr.  Konrad  Bock.  Berlin,  Weidmann.  1875.  112  S.  in  8.  Will 
die  Resultate  der  neueren  metrischen  Forschungen  für  die  Schule 
nutzbar  machen. 

Piatonis  Phaedo.  Recetisuit ,  Prolegomenis  et  comwentariis  in- 
strxixit  Martinu8  Wohl r ab.  (Vol.  L  Lekt.  II.  der  Stallbaum'scben 
Ausgabe,  in  5ter,  wesentlich  veränderter  Aufl  ).  Leipzig,  Teubner  1875. 

Griechische  Mythologie  von  L.  Preller.  Zweiter  Band.  Die 
Heroen.  Dritte  Auflage  von  E.  Plew  Berlin,  Weidmann.  1875. 
537  S.  in  8.  Pr.  5  M.  Vgl.  IX.  S.  74.  Der  zweite  Band  enthält  auch 
das  Register. 

Kurze  pragmatische  Geschichte  der  Philosophie  von  Chr.  A.  Thilo, 
Oberkonsistorialrat.  Erster  Teil.  Geschichte  der  griechischen  Philo- 
sophie. Cöthen,  Otto  Schulze  1876.  305  S.  in  8.  Den  zweiten  Teil 
hiezu  bildet  die  vor  zwei  Jahren  erschienene  Geschichte  der  neueren 
Philosophie  (6  M.).  Die  Principien,  nach  denen  der  Verf.  gearbeitet, 
sind  hier  und  dort  die  gleichen,  nur  sind  die  erläuternden  und  kri- 
tischen Bemerkungen  bei  der  griechischen  Philosophie  mehr  als  bei  der 
neueren  in  die  Darstellung  der  philosophischen  Systeme  verwoben. 

Thukydides  erklärt  von  J.  C lassen  Dritter  Band.  Drittes  Buch. 
Zweite  Aufloge.   Berlin,  Weidmann.  1875. 

Herodotos  erklärt  von  Heinr.  Stein.  Fünfter  Band.  Buch  VIII 
uud  IX  Namenverzeichnis8.  Mit  zwei  Kärtchen  von  Kiepert.  Dritte 
vielfach  verbesserte  Auflage.    Berlin,  Weidmann.  1875. 

Tili  Livi  ab  urbe  condita  libri.  Erklärt  von  W.  Weissenborn. 
Neunter  Band.  Erstes  Heft:  Buch  XXXIX.  XXXX  Zweite  verbesserte 
Auflage.    Berlin,  Weidmann.  1875. 

Priebatsch,  Allgemeiner  Lehrmittel -Katalog  Breslau,  1876 
5.  mit  Rücksicht  auf  höhere  Lehranstalten  bedeutend  erweiterte  Aufl. 
Pr.  1  M.  Die  neue  Auflage  ist  durch  Ergänzung  und  sorgfältige 
Berücksichtigung  der  neuesten  Lehrmittel  um  mehr  als  die  Hälfte 
erweitert  worden. 

Deutsches  Lesebuch  für  die  Unterklassen  höherer  Lehranstalten 
von  Dr.  J.  Buschmann.  Zweite  Abteilung  (Quarta,  Tertia).  Münster. 
Ad.  Rüssel.  1874.  590  S  in  8.«  Pr.  4',  M.  Wie  im  ersten  Teile 
(s.  X  S.  103)  rücksichtlich  der  Auswahl  und  Anordnung  d<'8  prosaischen 
Lesestoffes  besonders  auf  den  mündlichen  Vortrag  Rücksicht  genommen 
ist,  so  hier  auf  den  „Aufsatz".  Der  poetische  Teil  enthält  eine  reiche 
Auswahl  der  anerkannt  edelsten  und  besten  Schöpfungen  auf  dem  Gebiete 
der  deutschen  Nationalliteratur.  Die  ganze  reichhaltige  Sammlung  darf 
zu  den  besseren  dieser  Art  gerechnet  werden. 


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479 


Lebren  der  Weisheit  und  Tugend  in  auserlesenen  Fabeln,  Erzähl- 
ungen, Liedern  und  Sprüchen.  Herausgegeben  von  Dr.  Karl  Wagner. 
26.  vermehrte  und  verbesserte  Auflage.  Leipzig,  E.  Fleischer.  1875. 
Auch  ein  Lesebuch,  nur  nicht  zunächst  für  die  Zwecke  des  deutschen 
Unterrichtes,  sondern  der  ethischen  Ausbildung  zusammengestellt. 

E.  A.  Hahn's  althochdeutsche  Grammatik  nebst  einigen  Lesestücken 
und  einem  Glossar.  Herausgegeben  von  Adalb.  Je'itteles.  4.  wesent- 
lich verbesserte  und  vermehrte  Auflage.  Prag,  Tempäky.  1875. 
152  8.  in  8. 

Deutsche  Aufsätze  verbunden  mit  einer  Anleitung  zum  Anfertigen 
von  Aufsätzen  und  275  Dispositionen ,  vorzugsweise  für  die  oberen 
Klassen  der  Gymnasien  und  höherer  Lehranstalten  von  Jos.  Venn. 
9.  umgearbeitete  Aufl.  Wiesbaden.  1875  Verlag  von  Ad.  üestewitz. 
Bd.  V  S.  236  f.  dieser  Blätter  ist  auf  dieses  Buch  in  seiner  dritten 
Aufl.  aufmerksam  gemacht;  seitdem  ist  dasselbe  von  193  S.  auf  361 
angewachsen  und  um  125  Dispositionen  reicher  geworden.  Es  hat  aber 
nicht  bloss  an  Umfang,  sondern  auch  an  innerem  Werte  wesentlich 
gewonnen. 

Dispositionen  und  Materialien  zu  deutschen  Aufsätzen  über  Themata 
für  die  beiden  ersten  Klassen  höherer  Lehranstalten.  Von  Dr.  L. 
Chol  e  vi  us.  Zweites  Bändchen.  6.  verbesserte  Aufl  Leipzig,  Teubner. 
1875  302  S.  No  3.  18.  23  49.  69  sind  durch  passendere  Themen 
ersetzt,  ausserdem  sind  am  Schluss  12  neue  angehängt. 

Historischer  Atlas  von  Carl  Wolff.  18  Karten  zur  mittleren  und 
neueren  Geschichte,  in  3  Lieferungen  ä  3  M.  Preis  der  einzelnen 
Karten  80  Pf.  Berlin,  Verlag  von  Dietrich  Reimer.  1875.  Die  vor- 
liegende erste  Lieferung  des  eine  Art  Fortsetzung  des  Kiepert'schen 
Atlas  antiquu8  bildenden  Werkes  enthält  6  Karten:  N.  1)  Europa 
um  das  Jahr  500.  N.  11)  Mitteleuropa  nach  dem  westfäl.  Frieden. 
N.  12)  Europa  im  Jahre  1721.  N  14)  Deutschland  im  Jahre  1789. 
N.  15)  Deutschland  im  Jahre  1806.  N.  16)  Mitteleuropa  im  Jahre 
1812.  N.  11.  14.  15,  teilweise  auch  12  ,  sind  in  Folge  zu  massenhafter 
Details  weniger  gut  übersichtlich  und  leserlich. 

Spanien  und  Portugal.  Schulwandkarte  von  Dr.  C  Arendts. 
Verlag  von  Franz  Halbig  in  Miltenberg.  Preis  8  M.  Die  Karte  ent- 
spricht in  Hinsicht  auf  Zeichnung  und  Kolorierung  den  Anforderungen 
per  Schule,  sie  ist  auch  in  grösserer  Entfernung  noch  gut  sichtbar, 
im  Einzelnen  freilich  könnte  hie  und  da  mehr  Sorgfalt  gewünscht  werden. 


Auszüge. 
Zeitschrift  für  d.  Gymnasialwesen.  10. 

I  Ein  französisches  Urteil  über  unsere  Art  und  Weise  durch  den 
Unterricht  den  Patriotismus  der  Schüler  zu  erwecken.  Von  Dr.  E.  Meyer. 
(Der  Franzose,  H.  Michel  Breal,  Professor  am  College  de  France,  findet, 
dass  in  Deutsehland  (Prenssen)  der  Unter icht  ein  energisches  „Ensemble" 
von  Massregeln  bilde,  um  die  Seele  des  Schülers  ganz  und  gar  mit  der  Idee 
des  Vaterlandes  und  des  Staates  (zu  erfüllen).  —  Ueber  den  Zusammen- 
fall von  Hochton  und  Vershebung  in  den  beiden  letzten  Versfüssen  des  Hexa- 
meters.   Von  Dr.  Schulze.    (Im  Anschluss  zunächst  an  die  Kontoverse 


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zwischen  Corssen  und  Ritsehl  konstatiert  der  Verfasser,  dass  die  romischen 
Dichter  der  klassischen  Zeit  mit  Ausnahme  von  Virgil  und  Horatius  den 
Widerstreit  zwischen  Hochton  nnd  Versuchung  am  Ende  des  Hexameters 
im  ganzen  selten  und  zwar  nur  nach  bestimmten  Kegeln  zugelassen  haben, 
nämlich  1,  bei  Eigennamen,  2,  beim  vers.  spond.  3,  bei  enklit.  Wörtchen, 
und  4,  bei  que  — ). 

Jahresbericht:  Caesar  v.  Müller  (Schluss ). 

11. 

I.  Homerische  Etymologien.  Von  Dr.  Ant.  Göbel.  "ExttTos,  IxqßoXoc, 
ixfir>i,i6Xog ,  txaTrrfsXirqg ,  ixa£Qvo$  :  angenommen  wird  ein  Neutral  subst. 
to  ixoi  -z  Pfeil.  —  v>]dvfjosi  auf  yrj  -f-  a<f  (insatiabilis)  zurückgeführt.  — 
Beiträge  zur  Erklärung  der  Vergil  Von  Dr.  Bentfeld.  Uebor  die  Ablativ- 
formen capiti,  latcri,  silici  bei  Vergil.  Zu  Aen.  VII.  7fil  (puleherrima 
hello  zu  verbinden ).  —  XII.  88  (habendo  ist  Ablativ,  indem  er  handhabt)  — 
XII.  101  f.  totoque  ardentis  ab  ort  Scintillae  absistunt  soll  ein  nicht 
von  Verg.  herrührendes  Einschiebsel  sein.  — 

Jahresberichte:  Lysias.   Von  H.  Röhl.  —  Sokrates.   Von  Jacob. 

Zeitschrift  für  die  österreichischen  Gymnasien.  10. 

I.  Beiträge  zur  Kenntniss  des  attischen  Theaters.  Von  Otto  Benndorf. 
VII.  (Pansanias  I.  20.  1.  2).  VIII.  (Eine  Votivinschrift  aus  dem  Dionysos- 
Theater)  —  Ein  neues  Zeugniss  für  die  Echtheit  der  Isokratischen  Rede 
aus  Demonicus.  Von  J.  Wrobel.  Im  Proemium  des  Chalcidius  an  Osius 
hat  eine  Handschrift  des  richtigen  Isocrates  statt  Socrates,  nebst  den  Kom- 
mentar zum  lat  Timaeus  des  Chalcidius;  in  beiden  Fällen  bandelt  es  sich 
^ber  um  Citate  aus  der  Rede  an  Demonicus. 

II. 

I.  üeber  einige  wichtige  Bestandteile  des  römischen  1  Hauses.  Von 
Fr.  Velis*sky'.  Handelt  vom  atrium,  cavaedium  und  peristylium  und 
ihrem  Verhältniss  zu  einander. 

IV.   Franz  Hochegger  (Nachruf).   Von  K.  Schenk  1. 


Statistisches. 

Ernannt:  zum  Lehrer  für  Zeichnen  und  Modellieren  an  der  Gewerb- 
schule Ingolstadt  der  Lehramtskanditat  L.  Schoenlaub;  der  Lehrer  an 
der  Latein-  und  Realschule  in  Kulmbach  Merk  zum  Realienlehrer  an  der 
Kreisgewerbschule  in  Kaiserslautern;  zum  Lehrer  für  neuere  Sprachen  an 
der  Gewerbschule  in  Kempten  der  derzeitige  Verweser  Hornung;  zum 
Realienlehrer  an  der  Gewerbschule  in  Kaufbeuern  der  Lehramtskandidat 
und  derzeitige  Verweser  Micheler;  Lehramtskandidat  Meincl  zum 
Studienlehrer  für  Arithmetik  in  Fürth. 


Berichtigungen  zu  den  Seiten  416  —  419. 

Seite  416  Zeile   7  lies  d  Q  statt  db. 
„     41?    „      3  lies  Tx  statt  T. 
„     „     „     12  lies  „stossen"  statt  „stossend". 
„    418    „     15  lies  ein  Komma  statt  des  Index  vor  „unter". 
„     419    „     10  von  unten  lies  c  statt  h. 

===  ^äruckrbel  J-  Gottvater  *¥.  "MÄmI  ii  Mftichon^  TEeÜineratrMM  187 


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