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Full text of "JAHRBUCH DER GESELLSCHAFT FUR DIE GESCHICHTE DES PROTESTANTISMUS IN OESTERREICH."

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JAHRBUCH DER 
GESELLSCHAFT FÜR 
DIE GESCHICHTE 

DES... 




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* 1. 





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4/ 



JAHRBUCH 



der 



Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus 



in Oesterreich. 



Dritter Jahrgang. 



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Wien und Leipzig. 

Julius K 1 i n kha r d t. 
1882. 



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Druck von Wilhelm Kohler, Wien, VI. Mollardgas»e 41. 



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INHALT. 



Seite 

I. Paul Wiener, Mitreformator in Krain, Gebundener des Evangeliums in 
Wien, erster evangelischer Bischof in Siebenbürgen. Von Dr. Theodor 



Elze in Venedig t 

11. Bericht des Central- Ausschusses über das Vereinsjahr 1881 S.i 

III. Studien zur Reformationsgeschichte Nordböhmen?. I. Von Dr. X. Wölkau 

in Prag 55 

IV. Analekten. Mitgetheilt von Marlin Kühne, ev.-Iuth. Pfarrer zu Langen- 
wolmsdorf in Sachsen . . . . . . , , , , , , , . , , , 66 

V. Zur Geschichte der Protestanten in Oesterreich. Von Prof. G. Wolf . 70 
VI. Zwei evangelische Glaubensbekenntnisse aus der Toleranzzeit. Mitgetheilt 

von Prof. Dr. G. Frank in Wien 7q 

VII. Die höheren Lehranstalten der evangelischen Kirche Augsb. Conf. in 

Ungarn. Von Eduard Schmidäg, Pfarrer in Unterschätzen 86 

VIII. Bucherschau: 

I. Julius Wallner: „Kurzer Abriss des Schulwesens zu Iglau bis zur 
Begründung einer protestantischen lateinischen Schule 1561." (Dr. 

Traulenberger) 96 

II. Gustav Trautenberger : „Kurzgefasste Geschichte der evangelischen 

Kirche in Oesterreich." (Dr. 0. Otto) 10a 

IX. Martin Philadelphus Zamrseenus. Von Dr. Theodor Haast . . IOJ 

X. Studien rur Reformationsgeschichte Nordbühmens. II. Von Ä*. Wölkau . 107 
XI, Von »lo» Iacobi Simleri, Coli. Parthenici Ephori, Oratio solennis de nato 



Iesu Christo, recitata die 24. Decembris anno 1749", zweiter Theil, die 
Beziehungen zwischen den böhmischen Brüdern und der schweizerischen 
Kirche betreffend. Aus dem MS. zum ersten Mal veröffentlicht von 
Prof. Dr. Böhl 120 



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XII. Beiträge zur Geschichte der Landschaftsschule in Graz. Vom Landesarchiv- 

Director Prof. Dr. J. v. Zahn 128 

XIII. „Circulare, ddo. 31. Augusti 1752, in Keligionssachen", erlassen von dem 
Präsidenten und den Rüthen der k. k. Repräse ntantenknmmer des Herzog 
thums Steycr. Mjtgetheilt von Lic. Dr. Gustav Trautenberger ... ijb 

XIV. Aus Martin Boos' Leben. Mitgetheilt von J. Scheuffler, Pfarrer in Lawalde 



(Sachsen) 146 

XV. Unser erster Zweigverein und unsere erste Ausstellung 150 

XVI. Die Schulordnung von Loosdorf. Mitgetheilt von Dr. C. A. Witt . . 153 

XVII. Zur Geschichte einer merkwürdigen Bibel. Von Superint. J. E. Koch . 185 
XVIII. Bücherschau: 

'I. Oesterreichische Exulantenlieder (Scheuffler) . ioj 

II. Znr Geschichte der Gegenreformation in Steiermark und Kärnten . 195 

XIX. Mitglieder- Verzeichniss 197 

Namenregister . . . 201 



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I 




\ 



Paul Wiener, 



Mitreformator in Krain, Gebundener des Evangeliums in Wien, erster evangelischer 



In den Küstengebieten des adriatischen Meeres und deren 
nächsten Hinterländern hatten die Lehren und Grundsätze der Refor- 
mation schon frühe Anklang und Verbreitung gefunden, und selbst 
ein Theil der humanistisch gebildeten höheren Geistlichkeit hatte sich 



hier denselben zugeneigt. In Venedig predigte schon 1520 Fra 
Andrea von Ferrara auf dem Stcphansplatz öffentlich unter grossem 
Zulauf Luther s Lehren 1 ), und 1542 wurden die Predigten des be- 
rühmten Generalvicars der Kapuziner Fra Bernardino Ochino 
von Siena in der Apostelkirche daselbst Anlass zu dessen Verfolgung, 
Flucht und Uebertritt in die evangelische Kirche Die Gesinnungen 
und der Tod des edlen Cardinais Gasparo Contarini in Bo- 
logna (gest. 24. August 1542) sind allgemein bekannt 3 ). Vittore 
Soranzo, Bischof von Bergamo (1547 — 58), welcher derselben 
Richtung zuneigte, entging nur durch mancherlei Zugeständnisse an 
Rom dem Gefängniss und seiner Absetzung 4 ). Johannes VI. Gri- 
mani, Patriarch von Aquileja (1545 — 93), konnte wegen seiner 
Ansichten über die Lehren von der Gnade und der Gnadenwahl 



') Marino Sanuto in seinen Diarien, XXIX fol. 297 b. schreibt am 25. Dec. 1520 
von ihm : „Dieser folgt der Lehre Bruder Martin Luther's, eines sehr gelehrten Mannes 
in Deutschland, der dem h. Paulus folgt und sehr gegen den Papst ist. der vom Papst 
exeommunicirt worden". (Markus-Bibliothek in Venedig.) 

2 ) K. Benrath: Bernardino Ochino von Siena, Leipzig 1875, S. 106 ff. 

3 ) K. Hase: Kirchengeschichte, u. v. A. 

4 ) Er war wegen Verdachts der Ketzerei zwei Jahre im Castello S. Angelo zu 
Rom in Untersuchung (1552 — 54); Gius. Cappelletti: Le Chiese d' Italia, vol. XI, 
Venezia 1856. p. 517. 

Jahrbuch des Protestantismus 1882. ■ 



Bischof in Siebenbürgen. 



Von Dr. THEODOR ELZK, evangelischem Pfarrer in Venedig. 



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2 



erst nach vierzig Jahren (1585) den Cardinalshut erreichen 1 ). Pietro 
Bonomo, Bischof von Triest (1501 — 46), der einflussreiche Secretär 
und Rath dreier Kaiser, Reuchlin's wohlwollender Freund, ein Gönner 
junger gebildeter Männer wie Girol. Muzio und Primus Trüber, hatte 
in seinem Gewissen die Communion unter beider Gestalt gebilligt 2 ). 
Sein Nachfolger Franz II. Joseph ich gen. Rizzano (1547 — 48), 
vorher Bischof von Zengg (1541 — 46), ward wegen seiner Hinneigung 
zur Reformation bereits nach wenigen Monaten amtlichen W irkens 
in Triest seines Bisthums entsetzt und vertrieben 3 ). Peter Paul 
Vergerius, gewesener päpstlicher Nuntius, Bischof von Capo- 
distria (1536 — 49, gestorben in Tübingen 4. October 1565), und sein 
Bruder Joh. Bapt. Vergerius, Bischof von Pola, traten förmlich 
zur evangelischen Kirche über 4 ). In Krain billigten nicht nur Chri- 
stoph Freiherr von Rauber, Bischof von Laibach (1497 bis 
1536), und sein Nachfolger Franz Kazianer Freiherr von 
Katz enstein (1536 — 44) wie Peter Bonomo von Triest die Aus- 
theilung des Abendmahles unter beiderlei Gestalt, wenn sie auch 
dieselbe nicht gestatteten 5 ), sondern ein späterer Bischof von Laibach, 
Peter von Seebach (1558 — 68) hatte selbst, bevor er diese Würde 
erhielt, in Oesterreich als Pfarrer das Abendmahl so ausgetheilt 

Bei solchen Beispielen unter den Bischöfen war es natürlich, 
dass auch die ihnen untergebene Geistlichkeit sich vielfach der 



l ) Gius. Cappelletti 1. c. vol. VIII, Venezia 1851, p. 522 f. Gius. de Leva, 
Giov. Grimani Patriarca d'Aquileja in den Atti del R. Istituto Veneto di Scienze, 
Lettere ed Arti, Serie V, Tomo VII, Venezia 1881, p. 407—454. 

a ) „Herr Paulus (Wiener) und ich (Primus Trüber) — wir haben gute Erinne- 
run g gehabt, dass der Herr Christoph Rauber, Franciscus Kanntzianer seligen, beide 
Bischöfe zu Laybach, und Herr Petrus Bonomus seliger, Bischof zu Triest, in ihrer 
letzten und sterbenden Noth das ganz Sacrament haben empfangen, wie sie es ohn 
Verletzung ihrer Gewissen nit anders empfangen wollen. u Brief Primus Trüber' s an 
Bischof Peter von Seebach, Laibach 8. Juli 1561. (Krain. Landes-Archiv.) 

») Dan. Farlati: Illyricum sacrum, tom. IV, Venet. 1769, p. 135 sq. — Pietro 
Kandier: Indicazioni del Litorale. 

4 ) Chr. H. Sixt: Petrus Paulus Vergerius, Braunschweig 1855, S. 105 ff. 

6 ) S. oben Anm. 2. 

•) „Ir mögt Im sagen, von wegen der Hoffnung, Ir gn. (Bischof Peter von 
Seebach in Laibach) werde zu vnser Kirchen tretten, dieweil Ir g. in Osterreich das 
h. Sacrament In beiderlei gestalt geraicht." Brief Primus Trüber 's an Jobst von Gallenberg, 
Landesverweser, und die Verordneten in Krain, Urach II. April 1562. (Krain. Landes- 
Archiv.) 



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3 



evangelischen Richtung zuneigte. In der That waren denn auch 
schon im Jahre 1525 der aquilejische Erzprister in Krain und die ihm 
unterstehenden Geistlichen sowie im Jahre 1527 mehrere Domherren 
des Laibacher Kathedral-Capitels, wie Dr. Leonhard Mertlitz, 
Dompropst, Georg Dragolitz, Generalvicar, und Paul Wiener 
derselben zugethan l ). Namentlich der Letztgenannte wandte sich 
später ganz der Reformation zu und ward in weiten Kreisen einer 
ihrer hervorragendsten Herolde und Häupter. Auch ist unter den 
reformatorischen Männern Oesterreichs kein anderer, in dessen Lebens- 
geschichte sich die Entwicklung der Kirchenreformation in den ver- 
schiedenen Ländern dieses Reiches so voll ausgeprägt und verkörpert 
hat, wie in derjenigen Paul Wieners, der in hochangesehener 
kirchlicher und weltlicher Stellung zuerst Gehilfe des krainischen 
Reformators Primus Trüber ward, dafür längeres Gefängniss in 
Laibach und Wien erduldete, und schliesslich, zur Auswanderung 
nach Siebenbürgen begnadigt, dort als erster Bischof der evange- 
lischen Kirche A. B. starb. 

Ueber Paul Wieners Familie, Abkunft und Jugend ist fast 
nichts bekannt. Er stammte aus Laibach 2 ) und hatte noch einen 
Bruder, der später (1536) in kön. ungarischen Diensten vor Clissa 
seinen Tod fand, so dass Paul sich veranlasst sah, dessen Witwe und 
Kinder durch zwölf Jahre aus seinen eigenen Mitteln zu unterhalten 3 ). 

Paul Wiener selbst erscheint bereits im Jahre 1520 als Dom- 
herr in Laibach, Generalvicar und Rath des Bischofs Christoph 
Rauber daselbst 4 ). Zehn Jahre später (1530) war er Mitglied des 
geistlichen Standes im krainischen Landtage und Einnehmer der 
Landschaft 5 ); im Landtage des folgenden Jahres (1531) ward er in 
einen engern ständischen Ausschuss zur Abfassung der Instruction 
für die fünf Abgeordneten auf die von K. Ferdinand nach Stein 

') Jahrbuch der Gesellschaft f. d. Geschichte des Protestantismus in Oester- 
reich, I, 23. 

8 ) Mart. Schmeizelius : Dissert. Epist. de statu Eccl. Luth. in Transilvania, Ienae 
1772, p. 43, nennt ihn Labaco-Carniolanus. Wenn Raupach dieses deshalb anzweifelt, 
weil dieser Name sich damals im Erzherzogthum Oesterreich finde, so ist zu bemerken, 
dass derselbe zu jener Zeit und noch heute in mehreren Ländern ziemlich verbreitet ist. 

8 ) P. Wiener's Supplication an K. Ferdinand v. J. 1548 (s. später). 

4 ) Zufolge einer Vormerkung des Laibacher Bischofs Thomas Chrön (Kren) 
v. J. 160 1; Mitth. des histor. Vereins f. Krain 1862, S. 17. 

5 ) Landtags-Protokolle, Bd. I. (Krain. Landes-Archiv.) 

1* 



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4 



berufene Tagsatzung über Triester Angelegenheiten gewählt, sowie 
in die Commissionen zur Revision der Rechnungen des ständischen 
Einnehmers Wolf von Lamberg und zur Inspection der Landesfrei- 
heiten 1 ), — ein Beweis, welcher Beliebtheit und welch' hohen An- 
sehens er sich wegen seines Charakters und seiner Einsicht in der 
Verwaltung der Landesangelegenheiten bei den Mitgliedern des 
Adels und der übrigen Stände des Landes erfreute. 

Wie tüchtig und ehrenwerth aber auch Paul Wiener s Wirken 
in dieser Hinsicht gewesen sein mag, so würde es doch kaum seinen 
Namen auch nur in der Geschichte seiner Heimat erhalten und auf 
die Nachwelt gebracht haben. Allein Begebenheiten von weiter 
tragender Bedeutung, welche sich in seiner nächsten Umgebung er- 
eigneten und in der Stimmung seines innersten Seelenlebens sympa- 
thischen Widerklang fanden, lenkten seine Thätigkeit auf ein anderes, 
ihm eigentlich näherstehendes Gebiet und führten ihn dann auf 
Lebenswege, die von seiner bisherigen Laufbahn weitab lagen. 
Gerade in dieser Zeit erklang nämlich in Krain zum ersten Male 
die evangelische Predigt öffentlich vor dem Volk. Ein weit jüngerer 
krainischer Priester, Primus Trüber (geb. in Raschiza 1508, gest. 
in Derendingen 1586) 2 ), ein Schützling des früher genannten Triester 
Bischofs Peter Bonomo, der ihm einige Pfründen in Cilli und in 
Laek bei Ratschach in Untersteier verschafft hatte, begann hier an 
den Ufern der Save 1530 gegenüber dem in dieser Gegend grassi- 
renden Aberglauben in seinen Predigten das Volk zur wahren Busse 
und zur Erkenntniss des alleinigen Heilandes Jesu Christi mit deut- 
lichen Zeugnissen der heiligen Schrift und nach Anleitung des christ- 
lichen Katechismus hinzuweisen 3 ). Der Ruf dieser Predigten ver- 
breitete sich bald nach Laibach, wo bei der Abwesenheit des Bischofs 
Christoph Rauber, der als königlicher Statthalter von Oesterreich 
sich in Wien aufhielt, und der geheimen evangelischen Gesinnung 
der angeschensten Domherren, wie Mertlitz, Dragolitz und 
Wiener, dem jungen, unerschrockenen Prediger um so leichter im 
nächsten Jahre (1531) im Dome zu predigen gestattet wurde. Hier 

*) Landtags-Protokolle, Bd. 1. (Krain. Landes- Archiv.) 

•) Th. Elze: Die Superintendenten der evang. Kirche in Krain während des 
16. Jahrh., Wien 1863, S. 1—29. 

*) Derselbe, Primus Trüber u. d. Reformation in Krain, in Herzogs Real-Ency- 
klopädie f. Theologie u. Kirche, I. Aufl., Bd. 21 (Suppl. 3. Bd.), Erlangen 1866. 



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5 



hörte nun Paul Wiener mitten unter seinen eifrigen Arbeiten für 
das Wohl seines Vaterlandes dasjenige laut aussprechen, was er bis 
dahin still im Herzen gehegt oder allenfalls im kleinen Kreise ver- 
trauter und gleichgesinnter Freunde verhandelt hatte. Noch bedurfte 
es jedoch längerer Zeit und weiterer innerer Entwicklung, ehe der 
in der Welt so hochstehende Mann sich entschloss, seine Ueber- 
zeugung neben dem jüngeren, muthigen Genossen öffentlich auszu- 
sprechen. Diesem hatte inzwischen der Bischof das fernere Predigen 
im Dome verboten, da ihm nach Wien hinterbracht worden war, 
dass Trüber gegen die Ehelosigkeit der Geistlichen und die Aus- 
theilung des Abendmahls unter Einer Gestalt und von der Recht- 
fertigung allein durch den Glauben an Jesum Christum predige. Denn 
wenn auch in jener Zeit Viele die evangelischen Anschauungen über 
diese damals fast die ganze christliche Welt bewegenden Fragen 
theilten, so sollten dieselben doch nicht öffentlich ausgesprochen 
werden. Wenn nun auch nicht länger im Dome, so durfte Trüber 
seine Predigten doch (1532) in der dem Patronate des Laibacher 
Stadtmagistrats unterstehenden Spitalskirche der h. Elisabeth fort- 
setzen, unter steigender Theilnahme des Adels und der Bürgerschaft. 

Noch hatte Paulus Wiener bisher mit der öffentlichen Dar- 
legung seiner Ueberzeugung zurückgehalten. Als aber der Bischof 
Christoph Rauber am 26. October 1536 gestorben war begann er, 
obwohl im selben Jahre von den Ständen zum Verordneten gewählt 2 ), 
neben Trüber in evangelischer Weise zu predigen, wenn vielleicht 
auch nicht im Dome selbst, doch in St. Elisabeth oder in seiner 
Kaplanei St. Johann vor der Brücke *). Doch geschah dies anfänglich 
mit aller Vorsicht und Milde, indem er sich aller Polemik gänzlich 
enthielt und mehr die erbauliche, heiligende Seite der christlichen 
Religion und des Evangeliums hervorhob 4 ). Dennoch konnte es nicht 
fehlen, dass seine katholische Rechtgläubigkeit bald anrüchig wurde, 
umsomehr als es scheint, dass er sich zu dieser Zeit verheirathet 
habe. Schon im folgenden Jahre 1537 erliess daher der Laibacher 
Stadtrichter Michael Dischler einen Haftsbefehl gegen ihn, der jedoch 

*) Pius Bonifac. Garns : Series Episcoporum Eccl. Cathol., Ratisb. 1873. 
*) Landtags-Protokolle, Bd. I. (Krain. Landes-Archiv.) 
•) Mitth. d. hist. Ver. f. Krain, 1864, S. I. 

*) P. Wiener's Brief an Bischof Friedrich Nausea in Wien v. J. 1539 (s. später). 
— Desselben Memorial an K. Ferdinand v. J. 1548 (s. später). 



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in Folge der dagegen vom (ebenfalls evangelisch gesinnten) General- 
vicar Leonh. Mertlitz erhobenen Beschwerde vom 9. April 1537 
offenbar nicht zum Vollzug kam 1 ). 

Es dauerte auch nicht lange, bis Paul Wiener bei seinem 
eigenen Bischof Franz Kazianer Freiherrn von Katzenstein 
(Bischof von Laibach 1537 — 44) 2 ) und selbst bei Friedrich Nausea 
in Wien 3 ) als Ketzer denuncirt wurde. Der Letztere, welcher 1536 
einen freundschaftlichen brieflichen Verkehr mit ihm angeknüpft 
hatte 4 ), forderte ihn daher im Anfang des Jahres 1539 zu einer recht- 
fertigenden Erklärung auf. Er antwortete 5 ): 

,Was meine Lehre anbelangt, so wisse, dass ich hier Tag 
und Nacht darauf bedacht bin, dass das Evangelium Christi, wie es 
durch die Apostel und sodann durch die katholischen und appro- 
birten Lehrer der h. Kirche Christi gleichsam von Hand zu Hand 
uns überliefert und anbefohlen ist, rein und treu gelehrt werde, und 
besonders dafür sorge, dass das Volk mit einer richtigen Ansicht 
von Gott und ausnehmender Frömmigkeit gegen ihn zugleich eine 
solche Erkenntniss verbinde, die zum ruhigen und gedeihlichen Lauf 
der christlichen Religion gehört. — Den Urheber jenes unbilligen 
Verdachts über mich habe ich jedoch in keiner Weise sicher aus- 
findig machen können.* 



J ) Mitth. d. hist. Ver. f. Krain, 1864, S. I. Wenn hier der Regeste der Urkunde 
(im Domarchiv) die Angabe beigefügt wird, dass P. Wiener „spät Abends gegen 8 Uhr 
in einem bürgerlichen Hause in nicht ganz unverdächtiger Gesellschaft gefunden" 
worden sei, so ist dies ganz unverständlich; bezieht sich das auf eine Versammlung 
von Protestanten? oder auf Wiener's Verheirathung ■ Gegen dessen Sittlichkeit haben 
seine Feinde nie ein Wort der Anklage erhoben. 

*) Franz Kazianer, ein Bruder des krainischen Landeshauptmanns Hans Kazianer, 
früher Domherr in Passau, dann Propst zu Maria-Saal bei Klagenfurt in Kärnten, war 
seines Vorgängers Christoph Rauber Coadjutor und wie dieser in hohem Ansehn bei 
Hof; er ward den 18. April 1537 zum Bischof von Laibach erwählt und starb den 
3t. März 1544. 

•) Friedrich Nausea, gebürtig von Weissenfeid im Bambergischen (daher ^Blanci- 
campianus" genannt), früher im Kreise der oberitalienischen Humanisten, dann Theol. 
Dr., Prediger in Mainz, später in Wien, 1536 Hofprediger und Rath König Ferdinand's, 
1541 Bischof von Wien, gestorben in hohem Alter auf dem Cnncil zu Trient den 
6. Februar 1552. 

*) Vgl. Beil. 1. 

•) Epistolarum miscell. ad Frid. Nauseam lib. VII p. 243. S. Beil. 2. 



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Hierdurch beruhigt, setzte Nausea, auch nachdem er Bischof 
von Wien geworden war (1541), die befreundete Correspondenz 1541 
und 1542 mit Wiener fort, der ihm unter anderen einen Vorrath 
von Krainer Wein besorgte *) und 1542 als einer der Abgeordneten 
von Krain zum Ausschusstage der Inner- und Niederösterreichischen 
Lande in Wien (April bis Juni) seine persönliche Bekanntschaft 
machte 2 ). Bei dem eigenen Laibacher Bischof Franz Kazianer 
waren dergleichen Anschuldigungen umsoweniger von Erfolg, als dieser 
selbst in seinem Innern evangelischen Anschauungen zuneigte, über- 
trug er doch 1543 dem im vorhergegangenen Jahre (1542) zum Dom- 
herrn ernannten Primus Trüber die Predigten in sl ovenischer 1 win- 
discher ) Sprache im Dom zu Laibach 3 ). Selbst Franz Kazianers 
Nachfolger, der streng gesinnte Bischof Urban Textor (1544 — 58) 4 ). 
nahm keinen Anstand, im Jahre 1544 den beiden Domherren Paul 
Wiener und Primus Trüber, jenem die deutschen, diesem die 

') Epistolarum miscell. ad Frid. Nauseam üb. VII p. 243. — S. Beil. 3 u. 4. 
a ) Vgl. Dimitz: Geschichte Krains, II 178. 

s ) Pr. Trüber nennt sich ausdrücklich ^diser zeit windischer prediger zu 
Labach" in einem Einkommen-Bekenntniss von seiner Kaplanei S. Maximilian bei Ciili, 
datirt Laibach 12. November 1543. (Steir. Landes- Archiv.) 

4 ) Urban Textor, aus niederem Stande zu Klausich am Karst geboren, war 
Pfarrer zu Bruck an der Mur in Steiermark, dann K. Ferdinand's Beichtvater, Hof- 
kaplan und Almosenier, ward zum Bischof von Laibach erwählt den 19. December 
1544 und starb zu Nördlingen, wo er sich mit dem Kaiser auf der Rückreise von 
Frankfurt nach Wien befand, 1558 in Folge eines Sturzes von einer Wendeltreppe. 
(Oratio funebris de morte R. D. D. Urbani Episc. Labac, autore Const. Selendro 
Cadanensi; angeführt in V. F. Klun: Pr. Trüber, in Prutz: Deutsches Museum, 1857, 
Nr. 33, S. 222, Anm.) Er stand mit dem Stifter der Jesuiten Ignax von Loyola und 
dessen Begleiter Claudius Jajus in vertrauter Verbindung und Briefwechsel, und ver- 
anlasste 1550 die Berufung der Jesuiten nach Oesterreich. Sein Tod ward von seinen 
jesuitischen Freunden der Bosheit der Protestanten zugeschrieben, die in strenger 
Winternacht seine Treppe mit Wasser begossen haben sollten, so dass er am andern 
Morgen, die übereisten Steinstufen hinabsteigend, ausgeglitten sei und im Falle das 
Genick gebrochen habe. (Valvasor : Ehre Krains, VIII. Buch, S. 664.) Die Protestanten 
hingegen sahen dies Ende Textor's als eine von ihm durch die Verfolgung der Evan- 
gelischen verdiente Strafe Gottes an. (Vgl. ein Epigramm in: M. Flacius Hlyricus, 
Von der grewlichen Vneinigkeit, Zwitracht, Secten und Rotten der Bäpstischen Reli- 
gion vnd Kirchen. Jena 155g ; angeführt in \V. Sillem : Primus Trüber, Erlangen 1861, 
S. 22. — Schreiben des Krain. Landschafts-Ausschusses an Kaiser Ferdinand, Laibach 
21. August 1502; Krain. Landes- Archiv ; k. k. Staats-Archiv in Wien; abgedruckt im 
Notizenblatt der kais. Akademie der Wissenschaften, Wien 1852, S. 220 — 224, und 
daraus in den Mitth. des histor. Ver. f. Krain. Laibach 1853. S. 44 ff-) 



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slovenischen Predigten im Dom zu Laibach zu übertragen l ), ob ihm 
gleich von Anfang an die Lehre von der Rechtfertigung durch den 
Glauben gänzlich zuwider war 2 ). Und auch sonst war das Ansehen 
beider Männer immer höher gestiegen. Während Trubern 1546 die 
dem Laibacher Domcapitel unterstehende Pfarrei St. Bartholomäen- 
feld in Unterkrain verliehen wurde, ernannte König Ferdinand im 
selben Jahre (1546) Paul Wiener, der schon 1541 und 1543 Verord- 
neter der krainischen Landschaft gewesen war, sogar zu einem der 
landesflirstlichen Commissare beim krainischen Landtage 3 ). 

Um so unerwarteter brach im folgenden Jahre (1547) der Sturm 
los, der sich nach und nach über Wieners Haupt zusammengezogen 
hatte. Drei Umstände kamen zusammen, von denen jeder für sich 
schon hinreichend gewesen wäre, ihn zu stürzen und zu verderben. 
Bischof Urban Textor, welcher als König Ferdinand s Beichtvater, 
erster Hofcaplan, Almosenier und Vorstand der königlichen Hof- 
capelle meistens in Wien lebte, wurde in Kenntniss gesetzt, dass 
Paul Wiener und Primus Trüber, zwar nicht öffentlich, aber 
doch insgeheim das Abendmahl unter beider Gestalt austheilten 4 ). 
Bei seiner streng katholischen Gesinnung war es natürlich, dass er 
dies in keinem Wege dulden wollte. War doch auch das drakonische 
Generalmandat, das König Ferdinand von Ofen 20. August 1527 
gegen diese und andere evangelische Religionsübungen hatte aus- 
gehen lassen, noch immer in Kraft 6 ) und bot dem Bischöfe das 
leichteste Mittel, die weltliche Macht gegen die beiden evangelisch 
gesinnten Domherren und ihre Anhänger in Anspruch zu nehmen. 
Auch wurde dem Bischof gemeldet, dass Paul Wiener den Trauer- 



l ) Brief Primus Truber's an Bischof Peter von Seebach, Laibach 8. Juli 1561. 
(Krain. Landes-Archiv.) — Neben Beiden predigten bald darauf im Dome noch Georg 
Dragolitz, Generalvicar, und Kaspar Rokavez, Vicar an der Domkirche, zwei Männer 
von gleicher Gesinnung, welche auch in die folgende Untersuchung verflochten wurden 
(s. nachher) und von denen der Letztere späterhin als evangelischer Prediger in Krain 
wirkte. — Vgl. Dimitz, Geschichte Krains, III, 2t I, 

*) Jac. Andrea, Christliche Leichpredigt bei der Begräbniss u. s. w. Primus 
Truber's u. s. w., Tübingen 1586, S. 59. 

3 ) Landtags-Protokolle, Bd. I. (Krain. Landes-Archiv.) 

4 ) Brief Pr. Truber's an Bischof Peter v. Seebach, Laibach 8. Juli 1561. (Krain. 
Landes-Archiv.) 

5 ) Raupach, Evangelisches Oesterreich, II, Beil. S. 60. — Dimitz, Geschichte 
Krains, III, 220. 



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9 



gottesdienst, welchen ein königlicher Befehl für die am 27. Januar 
1547 verstorbene Königin Anna, die Gemalin Ferdinand's, angeordnet 
hatte (sowie schon bei dem Tode der Königin Elisabeth von Polen, 
einer Tochter König Ferdinand's, gest. 15. Juni 1545), nicht oder 
wenigstens nicht nach der vorgeschriebenen Weise der römischen 
Kirche abgehalten habe '). Nichts konnte mehr geeignet sein, um 
die Forderungen des ohnehin bei Hof so angesehenen und einfluss- 
reichen Bischofs zu unterstützen, als diese Anklage, welche eine 
Verletzung zugleich des Königs und der Kirche in sich schloss. 
Endlich wurde dem Bischof noch angezeigt, dass Paul Wiener 
nach dem Tode seiner ersten Frau zum zweiten Mal geheirathet 
habe 2 ). Das war zu viel. Ward wohl auch damals das Gebot des 
Priester-Colibats mannigfach bei Seite geschoben, so war es doch 
eine uralte, jenem Gebot noch vorangehende römische Satzung, 
dass ein Geistlicher, der nach dem Tode seiner ersten Frau eine 
zweite Ehe einging, vom Predigtamt vertrieben wurde 3 ). Daher war 
es denn das Erste, dass Wiener mit seiner Frau aus dem Kano- 
nikatshause gestossen wurde. Doch damit war es nicht abgethan. 
Gerade stand Kaiser Karl V. nach siegreicher Beendigung des 
Krieges gegen die protestantischen Reichsflirsten (schmalkaldischer 
Krieg) im Begriff den Reichstag in Augsburg zu eröffnen und bereits 
war König Ferdinand von Wien dorthin abgereist (im August 1547)» 
da benützte Bischof Textor diese seinen Absichten so günstige Lage 
der politischen Verhältnisse, und es fiel ihm nicht schwer, die gefäng- 
liche Einziehung der sämmtlichen Häupter der evangelisch gesinnten 
Partei in Krain zu erwirken 4 ). 

So kam denn nach Laibach der Befehl, den Dompropst Dr. 
Leonhard Mertlitz 5 ), Generalvicar Georg Dragolitz, Dom- 

l ) Die Funeralien für die Königin von Polen waren gerade auf Wiener s Be- 
treiben bei der Landschaft schon vor Eintreffen eines k. Befehls abgehalten worden. 

*) Waldau: Geschichte der Protestanten in Oestreich, Steiermark, Kärnten und 
Krain, 2 Bde, Anspach 1784; II, 412. 

8 ) Vgl. „Von der Digamia" in Luther's Tischreden, Eisleben 1567, fol. 397 b; 
Frankfurt am Main 1576, fol. 311 b. 

*) Chr. Fr. Schnurrer: Slavischer Bücherdruck in Würtemberg, Tüb. 1799, s - 3- 

5 ) Leonhard Mertlitz, Theol. Dr., schon seit 1520 Domherr, seit 1534 Dom- 
propst und Archidiakonus zu Radmannsdorf, war ein alter, schwächlicher, vom Podagra 
gequälter Mann. — Dimitz: Geschichte Krains, III, 211. — J. Andreä: Leichpredigt 
bei der Begräbniss Pr. Trubers, Tübingen 1586, S. 51. 



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10 



herrn Paul Wiener, Domherrn Primus Trüber und die welt- 
lichen Männer Matthes Klombner, Martin Pregl und Adam 
Concili zu verhaften 1 ). Inwieweit dieser Befehl zur Ausführung 
kam, lasst sich nicht mehr genau feststellen; wenigstens lebten 
Pregl und Concili, zwei angesehene Bürger, noch viele Jahre 
später unbehelligt in Laibach ; ebenso Matthes Klombner 2 ), den 
man gern ganz aus dem Krainer Lande entfernt hätte, in welchem 
er mit den beiden Anderen, mit Trüber, mit den Geistlichen Juri- 
tschitsch und Rokavez u. A. fort und fort für die Ausbreitung des 
Evangeliums thätig war. Schlimmer erging es den Geistlichen des 
Domcapitels. Zwar Domherr Primus Trüber, der gerade auf 
seiner einige Meilen entfernten Pfarrei St. Bartholomäenfeld abwesend 
war und hier rechtzeitig von den anderen Freunden Warnung erhielt, 
entging für seine Person dem drohenden Schicksale, indem er sich 
an sichere Orte begab 3 ); doch ward sein Haus in Laibach mit Ge- 
walt erbrochen, seine darin befindliche Büchersammlung (im Werth 
von 400 Gulden) weggenommen, er selbst seiner Pfründen und 
Aemter entsetzt. Der Domprobst Dr. Leonhard Mertlitz ward, 
weil er seine Köchin, obschon nicht öffentlich, sondern heimlich zur 
Ehe genommen hatte, aller seiner Pfründen beraubt und excommu- 
nicirt 4 ). 

Dem Domherrn Paul Wiener wurden nicht nur seine Ein- 
künfte gesperrt 5 ), seine Wohnung und seine darin befindlichen Hab- 

») Schnurrer, Slavischer Bücherdruck in Würtemberg, S. 3. — Waldau, Ge- 
schichte der Protestanten u. s. w., II, 413. 

2 Matthes Klombner, schon 1529 ff. Landschreiber in Krain, 1548 — 49 (also 
unmittelbar nach der oben erzahlten Verfolgung) auch Gegenschreiber des Vicedom- 
amtes in Laibach, 1565 Hauseigenthümer daselbst, lebte noch 1569 ; er war ein unruhiger, 
aufstorerischer, intriganter Mensch, und hatte 1561 alle seine landschaftlichen und landes- 
fürstlichen Aemter verloren ; unter Bischof Urban Textor versuchte man mehrmals ihn 
aus dem Lande zu treiben, doch ohne Erfolg. — Vgl. Brief M. Klnmbner's an Herrn 
H. Ungnad, o. D., Laibach 17. Juli 1561. (K. Haus- und Staats-Archiv in Stuttgart.) 

3 ) Vermuthlich begab er sich jetzt nach Triest, wo er eine Zeit lang windischer 
Prediger war. 

') J. Andreä: Leichpredigt b. d. Begräbniss Pr. Truber's, S. 49 f. 

5 ) Von hier ab vgl. B. Raupach: Historische Nachricht von den Schicksalen 
der christlichen Religion und der Ev. Luther. Kirche in den Herzogthümern Steyer- 
mark, Kärndten und Crain von der Einführung der christl. Rel. bis aufs Jahr 1564, 
in Joh. Dietr. Winckler's Anecdota historico-ecclesiastica novantiqua, 8. und 9. Stück, 
Leipzig 1770, S. 233 ff. 



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11 



Seligkeiten mit Beschlag belegt, seine Güter versiegelt und seine 
Bücher und Schriften weggenommen, sondern er selbst ward ver- 
haftet und, wie auch der Generalvicar Georg Dragolitz, auf das 
Laibacher Schloss in s Gefängniss gebracht. 

Bischof Urban Textor, welcher während König Ferdinand s 
Abwesenheit ohnehin in Wien nichts zu thun hatte, kam selbst nach 
Laibach, um die Untersuchung zu leiten, zu welcher er mehrere , 
andere hochstehende Geistliche berief. 

Unter dem Vorsitz des Bischofs war der Guardian von »Zwen- 
goecz* (?) der Hauptexaminator Wien er's bei dessen Verhör 1 ), in dem 
es sich zunächst um die Unterlassung der Fürbitte für die Seele der 
verstorbenen Königin Anna, dann um Wien er's Verheirathung 
handelte. Die erste Beschuldigung konnte nicht erwiesen werden. 
Wiener berief sich auf die ganze Gemeinde zu Laibach, auf die 
ganze Landschaft in Krain, besonders die Herren und Landleute, die in 
grosser Anzahl der von ihm gehaltenen Leichenpredigt beigewohnt, 
und mit angehört hätten, ,wie er im gemeinen Gebet ein christ- 
liches Gedächtniss derjenigen Person, von der wegen das Begängniss 
gehalten worden, gethan, und Gottlob! Männiglich wüsste, wie 
treulich und fleissig er jederzeit zu schuldigem Gehorsam der Obrigkeit 
Männiglich ermahnt und gewiesen hätte*. Auf die zweite Frage: 
ob er ein Weib habe ? antwortete er : ,Ja ; er habe zuvor schon ein 
Eheweib gehabt ; als ihm aber dieselbe gestorben, habe er lange nach 
derselben Absterben diese genommen, die er noch habe.' Und als 
man ihn fragte: wie er habe wagen können, wider die Canones ein 
Weib zu nehmen? erwiderte er mit sittlicher Offenheit: »weil dieses 
ja besser sei, als dass er wider Gottes Ordnung und sein eigen Ge- 
wissen in der Hurerei gelebt hätte, wie viele Priester thun* 2 ). 

Hauptgegenstand der Untersuchung war jedoch Wieners 
religiöse Ueberzeugung und Lehre, und es ward ihm daher auferlegt, 
über folgende Lehrartikcl seine Ansichten darzulegen: i. von der 
Gewalt der Kirche; 2. von den Sacramenten; 3. von der Trans- 
substantiation ; 4. vom Gebrauch der beiden Theile im h. Abend- 
mahle; 5. vom Messopfer; 6. von der Busse und ihren Theilen; 

') Dasselbe fand vermuthlich Ende September 1547 statt, da die Zeugen in den 
ersten Tagen des October verhört wurden (s. nachher). 

8 ) Klun a. a. O. sagt hiervon: „Er vertheidigte seine Verheirathung allerdings 
in frivoler Weise." 



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12 



y. von der Beichte; 8. von der Rechtfertigung; 9. vom Anrufen 
und Anbeten der Heiligen ; 10. vom Fegefeuer. Wieners Antworten 
und Aeusserungen über diese zehn Artikel wurden von seinen Examina- 
toren als eine Art Glaubensbekenntniss desselben niedergeschrieben, 
doch ward weder das Niedergeschriebene ihm vorgelesen, noch ward 
er befragt, ob dasselbe wirklich seiner Ueberzeugung gemäss sei. 
Ueber das Benehmen des Bischofs Textor bei diesem Verhör er- 
zählt Wiener selbst: »Ich bin nit eingedenk, dass mein Ordinarius 
und Bischof von einem einigen Artikel mit mir causirt hätte; allein 
als wir vom Anrufen und Anbeten der Heiligen geredet, hat er 
aus seinem Betbüchlein ein langes Gebet gelesen, das zum Handel 
nichts gedient, wie Männiglich, der es gehört, weiss. So hat er 
auch zuvor auf mein Anbringen und Ersuchen von keinem Artikel 
mit mir reden und disputiren wollen, sondern gesagt: ihm sei ver- 
boten zu disputiren, er sei kein Doctor. 4 

Paul Wiener, nach diesem Verhör in das Gefängniss zurück- 
gekehrt, schrieb aus dem Gedächtniss seine Aussagen als sein Be- 
kenntniss nieder, und fand Mittel und Wege, dasselbe an Primus 
Trüber gelangen zu lassen 1 ), der es nach Nürnberg an Veit 
Dietrich schickte 2 ). Dieser aber säumte nicht, Wiener und seinen 
Mitgefangenen 3 ) durch einen Trostbrief zu stärken. Er schrieb 4 ) : 

,An Paul W T iener und Georg N. (Dragolitz), 
Gefangene im Schloss zu Laibach. 

Das Heil im Herrn und die Gnade des h. Geistes, der Euch 
in Eurer Trübsal zur Lobpreisung erwecke, sei mit Euch. Amen. 
Wie viel Schmerz mir das traurige Schicksal Eurer Kirche bereitet, 



*) Also vermuthlich nach Triest. Leider ist dieses Schriftstück nicht mehr auf- 
zufinden gewesen. 

l ) Veit Dietrich, der berühmte Reformations-Prediger in seiner Vaterstadt Nürn- 
berg, war geboren 8. Dec 1506, studirte seit 1522 in Wittenberg, war hier vierzehn 
Jahre lang Luther's Tischgenosse und Amanuensis, auch Melanchthon's Schüler und 
Freund, ward 1536 Prediger zu St. Sebald in Nürnberg, und starb daselbst den 25. März 
1549. — Zwischen Veit Dietrich und Primus Trüber müssen also schon früher Bezie- 
hungen bestanden haben, über die nichts weiter bekannt ist, die aber für Trüber 
höchst wichtig wurden, als er 1548 aus Krain nach Nürnberg zu Veit Dietrich flüchtete. 

■) Georg Dragolitz. 

*) Das lateinische Original findet sich abgedruckt in: G. Th. Strobel, Nachricht 
von dem Leben und den Schriften Veit Dietrich's, Altdorf und Nürnberg 1772, S. 152 ff. 



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13 



kann ich mit Worten nicht ausdrücken, doch tröste ich mich mit dem 
Wort Christi: Ich habe deren keinen verloren, die du mir gegeben 
hast. Dass aber Christo sehr Viele vom Vater gegeben sind, das 
bezeugt Euer langer, treuer Dienst im Amt. W r as aber Dich, mein 
theuerster Paul, und Herrn Mertlitz ') und Herrn Georg (Dragolitz) 
betrifft, so sage ich nicht, dass ich über Euern Fall, der weder un- 
erwartet noch unvorhergesehen ist, noch Euch irgend ein wirkliches 
Uebel gebracht hat, Schmerz empfinde. Dann würde ich Schmerz 
empfinden, dann klagen, dann betrübt sein, wenn auch Ihr nach 
dem Beispiele Jenes, der sein Weib verläugnet hat 2 ), Euch von der 
Wahrheit hättet abspenstig machen lassen. Aber nun behauptet Ihr 
die heilige und Gott wohlgefällige Ehe, verdammet die in der falschen 
Kirche gangbaren Ausschweifungen, und beharret in Bekenntniss 
der heilsamen Lehre. Darüber sollten wir, Eure Brüder, Schmerz 
empfinden? Oder sollten wir nicht vielmehr Euch Glück dazu 
wünschen, dass Ihr ein ähnliches Geschick wie Euer Meister erfahrt ? 
Haben sie mein Wort gehalten, spricht er, so werden sie Eures 
auch halten. Bis jetzt habt Ihr das Zeugniss Eures Gewissens gehabt, 
dass Ihr Eure Kirche treu unterwiesen habt; nun kommt dazu auch 
noch das Zeugniss der Menschen und des Satans. Weil diese näm- 
lich Eure Lehre nicht ertragen können, bezeugen sie durch ihren 
Hass, dass Eure Lehre die Lehre Christi ist und Ihr Diener des 
himmlischen Vaters seid. Denn wenn Ihr von der Welt wäret, so 
würde die Welt lieben, was ihr gehört. Habt daher guten und be- 
ständigen Muth. Gefahren, Schmerzen, grosse Schrecknisse werden 
nicht aufhören Euch zu beunruhigen und werden Eure schmachtende 
Seele bisweilen heimsuchen. Aber blicket auf Euer Haupt, Christum : 
Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge 
mir. Und abermals: Wer nicht sein Leben verläugnet um meinet- 
willen, der ist meiner nicht werth. Sollte also Unruhe und elende 
Lage etwas Unglückliches sein? Nein! denn wir haben den Trost: 
Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid u. s. w. 
Und abermals : Wo wird mein Geist wohnen ? in einem zerschlagenen 
Herzen. Der Herr vergisst nicht das Schreien der Armen. Aber 

l ) Im eben erwähnten Druck steht aus Versehen: „Mycillius". 

a ) Nach dem Zusammenhang ist hier auf eine bekannte, in die krainische Reli- 
gionsverfolgung verwickelte Persönlichkeit angespielt; doch lässt sich dieselbe jetzt 
nicht mehr nachweisen. 



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14 



das ist erst recht vortrefflich: Die Leiden (dieser Zeit) sind nicht 
werth der Herrlichkeit, die (an uns) soll geoffenbaret werden ; — 
wir werden sein wie er ist ; — ich will ihm zeigen mein Heil ; — 
ich will euch bekennen vor meinem Vater ; — siehe ich bringe eine 
ewige Gerechtigkeit und ein immerwährendes Heil, Jes. 51; und zahl- 
lose ähnliche Aussprüche. Auf diese blicket und haltet fest dafür, 
dass sie sich auf Euch beziehen, die Ihr Diener des ewigen Reiches 
wäret und seid, und alles Uebrige überlasset Eurem Gott, der zu- 
gleich mit seinem Sohne in Euch verherrlicht werden will und mit 
der Versuchung auch den glücklichen Ausgang, ja in der Versuchung 
seinen Beistand, oder, wie es im Griechischen besser ausgedrückt wird, 
seine beistehende Gegenwart verheisst, wie er sagt : Ich bin bei ihm 
in der Noth. — Ein zuverlässiges Zeugniss davon, mein Paul, ist Dein 
Bekenntniss, das unser Primus (Trüber) mir zum Lesen mitgetheilt hat. 
Das ist der Weg zum Heil, alle andern führen in s Verderben. Der 
Sohn Gottes sei bei Euch und erfülle Euch mit seinem Geiste. 
Solches habe ich gemäss meiner Liebe zu Euch mit schwachen und 
von Krankheit fast wunden Fingern schreiben wollen '). Auch werde 
ich nach meinem Vermögen mit meinem Gebete Euch beistehen 2 ).* 
Inzwischen ging die Untersuchung in Laibach weiter. Im 
October 1547 wurden einige Zeugen über die Predigten und die 
Lehre des Dr. Leonhard Mertlitz, Paul Wiener's, Primus 
Truber's, Georg Dragolitz' und Kaspar Rokavez' verhört 
und deren Aussagen zu Protokoll genommen 3 ). Doch wurden sie 
den Angeklagten nicht vorgestellt, noch wurden ihre Aussagen 
diesen zur Verantwortung vorgelegt. Im Anfang October 4 ) bezeugte 
Joh. Warasdiner, Priester an der Domkirche zu Laibach, folgende 
Artikel gegen die genannten Prediger daselbst: 1. dass sie die sei. 
Jungfrau Maria und die Heiligen des Herrn nichts gelten lassen; 
2. dass sie meinen, die von den h. Vätern festgesetzten Vigilien 
nützen nichts; 3. dass sie die für den Kaiser und für den König ab- 
gehaltenen Processionen verlachen und nichts gelten lassen ; 4. dass 

*) Veit Dietrich litt schon seit längerer Zeit an der Gicht, besonders am Chiragra. 
8 ) Leider fehlen Datum und Unterschrift des Briefes. 

•) Von hier ab vgl. Mittheil, des histor. Vereins f. Krain, 1864, S. 4 f, wo das 
in der Bibliothek des Laibacher Priester-Seminars befindliche lateinische Original dieser 
Protokoll-Aufzeichnungen mitgetheilt ist. 

*) Das Datum ist nicht angegeben. 



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15 



sie die canonischen Hören niemals halten und so den Gottesdienst 
voll fuhren ; 5. dass sie unsern gnädigsten Herrn (den Bischof), als er 
die Weihe neuer Priester vornahm, verspottet haben ; 6. dass sie die 
Gregorianische Litanei für nichts achten ; 7. dass sie den Andern 
das Abendmahl unter beiderlei Gestalt austheilen ; 8. dass sie be- 
haupten, Taufe und Weihwasser seien nichts; 9. dass sie in der 
Fastenzeit Fleisch essen. 

Am 5. October 1547 erscheint der vorgeladene Pfarrer von 
Oberburg '), Jakob Scherer, und leistet den ihm vom Bischof 
auferlegten Eid. Gefragt, ob ihm bekannt sei, dass es einige Pre- 
diger gebe, welche in der Predigt des Evangeliums falsche und 
irrige Auslegungen eingeführt haben? antwortet er: das wisse er, 
dass Paul Wiener, Domherr in Laibach, am Tage Allerheiligen 
gepredigt habe, die Heiligen seien nicht anzubeten noch anzurufen, 
sondern dass die Engel für uns vermitteln. — Gefragt, ob er noch 
andere von Irrthümern angesteckte Geistliche wisser antwortet er: 
dass Herr Primus (Trüber), als er aus der Apostelgeschichte ge- 
predigt, gesagt habe, dass die Messe keinen Werth habe, weder für 
Lebende noch für Todte; und für diese Worte sei er von Herrn 
(Dompropst) Leonhard Mertlitz weder zur Rede gestellt noch 
getadelt worden. Auch verachte derselbe die Firmung. — Gefragt, 
ob er solche kenne, welche von Ketzerei befleckte Bücher lesen ? 
antwortet er: es sei ihm als gewiss bekannt, dass Herr Paulus 
(Wiener) und Herr Georg (Dragolitz) 2 ) den Brenz, den Spangen- 
berg und Andere ähnlichen Gelichters besitzen. — Gefragt, ob er 
einige Priester kenne, welche eine Ehe eingegangen seien ? antwortet 
er: er habe früher von Landleuten gehört, es gebe solche, die ihren 
Mägden den Namen von Ehefrauen beigelegt hätten. — Als Zeugen 
waren bei diesem Verhör gegenwärtig Michael Purger, Vicar von 
Künigsberg, und der edle Herr Joseph Rabatta. 

Am selben Tage erscheint der vorgeladene Kaplan von Burg- 
stall 3 ), Philipp Strauss, und wird vereidigt. Gefragt, ob er den 



*) Oberburg in Untersteiermark gehörte damals zur Diöcese Laibach, deren 
Bischöfe dort ihre hauptsächlichste Residenz hatten. 

a ) Nicht Georg Juritschitsch, wie Hitzinger in den Mitth. d. hist. Ver. f. Krain 
a. a. O. annimmt. 

•) Philipp Strauss war Kaplan an der St. Johanniskirche in Burgstall oder 
Gradischa, einer Vorstadt von Laibach. 



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16 



Predigten der Herren Paul (Wiener), Georg (Dragolitz) und des 
Primus (Trüber) beigewohnt habe? antwortet er: er habe denselben 
beigewohnt und sie folgende Worte predigen hören : wenn Ihr nicht 
dem Evangelium glaubet und den Götzendienst verlasst, werdet Ihr 
harte Strafe empfangen. — Ferner: Herr Georg (Dragolitz) habe 
gepredigt, dass die Sünden (vom Priester) nur in dieser Welt, nicht 
in der zukünftigen erlassen werden. — Ferner: dass unsere guten 
Werke kein Verdienst haben. 

Ein anderer vorgeladener Zeuge (dessen Name nicht genannt 
ist) sagt aus: Wenn in der Procession gesungen wurde: , bitte für 
das Volk*, habe Herr Paul (Wiener) immer den Singenden abge- 
halten, und öffentlich mit scharfen Tadelsworten gesagt, Maria könne 
nicht für das Volk vermitteln. — Ferner: jene Beiden, Herr Leon- 
hard (Mertlitz) und Herr Paul (Wiener) würden, wenn sie es ver- 
möchten, bewirken, dass nicht einmal der Name der sei. Jungfrau 
Öffentlich in der Kirche mehr genannt werde. — Ferner über einige 
Personen : Ich habe sie sagen hören, dass kein Sünder seinem Beicht- 
vater seine Sünden in der Beichte benennen solle; er solle nur 
sagen: ,Ich bekenne mich schuldig vor Gott und begehre eine 
Absolution von seinem Beichtkinde. Ich habe dies so bekannt, weil 
jede andere Weise vom Prediger Georg (Dragolitz) verboten ist.* 
— Ferner über den neuen Vicar Kaspar (Rokavez) *) : derselbe 
habe am Tage der Himmelfahrt Maria gepredigt, dass die sei. Jung- 
frau keinen höheren Rang oder kein höheres Verdienst habe, als 
seine eigene Mutter, die ihn geboren, und ein gleiches Verdienst 
wie die Öffentlichen Weiber. Das gesammte Volk sei aus seiner 
Predigt weggelaufen und er sei auch weggelaufen, da er solche 
Worte gehört habe. 

Am selben Tage erfolgte auch das Verhör des Herrn (General- 
vicars) Georg (Dragolitz). Befragt über den publicirten königlichen 



*) Wie schon früher angedeutet, war Kaspar Rokavez einer der ersten Reforma- 
tionsprediger in Krain. Es ist zu vermuthen, dass dem erst kürzlich Vicar am Dom 
gewordenen Manne das Predigen untersagt wurde und er dies Verbot nicht hielt. 
Daher flüchtete er 1548 mit Primus Trüber aus Krain (vgl. Elze, Superintendenten 
a. a. O., S. 5), kehrte aber, zurückberufen, dahin zurück und predigte 1560 — 61 das 
Evangelium in Krainburg, 1562 sollte er mit dem ebenfalls zurückgekehrten Pr. Trüber 
u. A. deshalb verhaftet werden, welchem Schicksal er jedoch (wie die Andern) durch 
Vermittlung der Landschaft entging. Weiteres über ihn ist nicht bekannt. 



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17 



Befehl wegen des vom Kaiser über seine Feinde zu erringenden 
Sieges 1 ), antwortete er: dieser Befehl sei Herrn Philipp (Strauss) 
und Herrn Paulus (Wiener) zu Händen präsentirt, aber von Beiden 
sei die Ausführung versäumt worden. — Gefragt, ob er gepredigt 
habe, dass es ein Fegfeuer gebe? antwortete er: er habe das nicht 
gepredigt. — Gefragt, was für Bücher er lese? antwortete er: den 
Witzel 2 ) und Andere (meist Neuerer ähnlichen Schlages), auch habe 
er sich der Schriften des Herrn Paul bedient 3 ). — Gefragt, ob er 
gepredigt habe, dass die sei. Jungfrau Maria weit höhere Prärogative 
als andere Frauen habe? antwortete er: dies sei von ihm nicht ge- 
predigt worden. — Gefragt, ob er auch irgend etwas über die 
Sacramente gepredigt habe? antwortete er: er habe über sie nichts 
gepredigt. — Gefragt, wie viele Sacramente seien ? antwortete er, nach- 
dem er einige Zeit nachdenkend geschwiegen hatte: Jen weiss nicht.' 
— Gefragt, ob er Jemanden, der nur im Allgemeinen und einfach 
seine Sünden beichtete, ohne genaue Ausfragung der Umstände 
absolvirt habe? antwortete er: ,Ich habe absolvirt.* — Gefragt, 
was er von der Hostie nach der vom Priester geschehenen Aus- 
sprechung der Worte glaube ? antwortete er : es sei der Leib des 
Herrn allein durch des Menschen Glauben. 

Das Protokoll sämmtlicher Verhöre vom 5. October 1547 wurde 



•) Es ist der schroalkaldische Krieg gegen die protestantischen Fürsten Nord- 
deutschlands gemeint, um deren Besiegung die evangelisch gesinnten Geistlichen Lai- 
bachs offenbar nicht hatten beten wollen. 

*) Georg Witzel, geb. 1501 zu Vach in Hessen, 1520 in Wittenberg, 1521 zum 
Prediger geweiht, ward Pfarrvicar in Vach, heirathete, dann Stadtschreiber in Vach, 
ward evangelisch und 1525 Prediger zu Wenigen-Lübenitz, vom Bauernaufstand ver- 
trieben, auf Luther's Empfehlung Pfarrer zu Niemeck in Sachsen (bis 153 1), wegen 
Verdachts des Arianismus eine Zeit lang im Gefängniss ; zog sich darauf in seine Heimat 
zurück, schrieb Werke in unionistischem Sinne, ward nach langem unstäten Umher- 
schweifen 1540 Rath des Abts von Fulda, 1554 Rath des Kurfürsten von Mainz bis zu 
seinem Tode 1571. Seine frühern Schriften sind protestantisch, die mittlem unionistisch, 
die spätem katholisch ; sein Religionswechsel raubte ihm die Achtung der Protestanten, 
ohne ihm das Vertrauen der Katholiken zu gewinnen. , 

•) Hier sind offenbar handschriftliche Hefte Paul Wiener's, Predigten u. dgl. 
gemeint. Dass irgend eine Schrift desselben im Druck erschienen sei, ist wenigstens 
nicht bekannt. P. Wiener wegen dieser einzigen Erwähnung seiner Schriften zum 
Hauptreformator Krains machen zu wollen, wie das von Hitzinger in den Mitth. d. 
hist. Ver. f. Krain 1865, S. 2, versucht worden ist, ist ganz unhistorisch. 

Jahrbuch des Protestantismus t88a. - 



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18 



von dem kaiserlichen Notar Martin Oenotrius 1 ) eigenhändig ge- 
schrieben und unterzeichnet; Zeugen waren Herr Gregor Portner, 
ein Geistlicher, und der edle Herr Joseph Rabatta. 

Dies Actenstück zeigt deutlich, wie die Sachen damals standen. 
Die Anbetung der Maria und der Heiligen, die Lehre von den 
Sacramenten und der Transsubstantiation, die kirchlichen Fasten- 
gebote, die Austheilung der Communion unter beider Gestalt, die 
verdienstlichen Werke, und die Priesterehe, das sind die Hauptartikel, 
um die es sich handelt. Aber noch war die evangelische Richtung, 
wie besonders die Vernehmung des General vicars Georg Drago- 
litz zeigt, bloss eine Bewegung innerhalb der katholischen Kirche, 
von der sich zu trennen sie nicht beabsichtigte. Noch verhielten sich 
die Männer, die ihr anhingen, vielfach mehr verschweigend, als an- 
greifend gegen die Lehren, die sie nicht theilten. Noch erblickten 
dieselben in der einfachen, positiven Verkündigung der Lehren des 
Evangeliums ihre eigentliche Aufgabe und entwickelten ihre Haupt- 
thätigkeit in deren Erfüllung. 

Auch Paul Wiener theilte diesen Standpunkt, wie das seine 
eigenen Worte in seiner später an König Ferdinand gerichteten 
Erläuterung 2 ) zeigen, indem er schreibt: ,Es ist Männiglich, der meine 
Predigten gehört, wissend, dass ich mich weder Leichtfertigkeit noch 
Ausrichtens auf der Kanzel gebraucht, sondern das Wort Gottes 
zur Erbauung und Besserung verkündigt, auch oft in meinem Gebet 
Gott angeruft, er wolle dem Papst, Cardinälen, Bischöfen, und allen 
Seelsorgern und Predigern die Gnade verleihen, dass sie Gottes 
Ehr und Wort befördern, ob aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit halten, 
und das Heil und ewige Seligkeit der ganzen Christenheit treulich be- 
denken.' — ,Was der Artikel seind, die ich gepredigt, die seind ohne 
Zweifel ganz gewiss als die Lehre von der Buss und Beicht, von 
der Rechtfertigung des Glaubens und rechtem Gebrauch der guten 
Werke und von Anrufung Gottes in Christi Namen; das alles ist 
klar und lauter genug dargebracht. Was ich aber im Predigen nicht 

*) Oenotrius d. i. Weinfürer. Die „Weinfürer" waren eine angesehene Bürger- 
familie in Laibach, deren Wohnhaus nahe dem Capitel und dem Spital lag; eine 
Barbara Weinfürer heirathete 1596 den evang. Prediger M. Georg Clement in Laibach. 

') Ueber diese Erläuterung s. später. — Obige Worte sind gedruckt in Raupach's 
Historische Nachricht a. a. O., S. 351 f. 



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19 



gemeldt, sondern davon geschwiegen und nicht gelehrt, das wird 
mit klarer Schrift nicht mögen bewiesen und dargebracht werden, 
darumb ich's für gewiss nit habe wollen lehren, als da ist: das wahre 
oberste Vicariat des Papstes, die Gewalt der Kirche vom Urthel 
über das Wort Gottes, die benannte Zahl der Sacramente, die 
Transsubstantiation, dass der Brauch eines Theils oder Gestalt im 
Abendmahl des Herrn gerecht und beider Theile unrecht sei, dass 
die Messe ein versühnliches Ofer sei, dass die aufgesetzte Buss eine 
Genugthuung, Bezahlung und Versühnung für die Sünde sei, dass 
eine gewisse Stelle des Fegfeuers sei, dass der Geistlichen Ehestand 
unrecht und ärgerlich sei, und ich unrecht gethan soll haben, dass 
ich mich in den ehelichen Stand begeben. Diese Artikel werden 
mit keinem Grund der heiligen Schrift bewiesen und darbracht mögen 
werden, ja das Widerspiel in heiliger Schrift und Sprüchen der 
Altväter gefunden wird, wie solches auch angezeigt worden. Und 
obwohl zu Zeiten die alten Väter von solchen Artikeln Meldung thun, 
so reden sie als Menschen ihr Gutbedünken, ohn alle Schrift, darum 
sie nicht sollen angenommen werden, welches aus der Väter Sprüchen 
selbst wohl zu verstehen ist.* So offen Paul Wiener in diesen 
Worten es ausspricht, dass er in seiner öffentlichen Wirksamkeit 
sich gegenüber den streitigen Artikeln schweigend verhalten habe, 
so zeigt er doch zugleich ebenso klar und unumwunden, dass seine 
ganze religiöse Anschauung in dem Grundsatze der Reformation 
wurzle, dass die heilige Schrift über der Kirche, nicht diese über 
jener stehe, und dass daher allein die heilige Schrift Grund und 
Richtschnur für Glauben und Leben' der Christen sei. 

Aus diesen Worten lässt sich aber auch schliessen, welcher Art 
die Antworten und das Bekenntniss Wiener's im Verhöre vor dem 
Bischof Urban Textor gewesen sei, das dieser nebst den Zeugen- 
aussagen und einem Berichte an König Ferdinand nach Augsburg 
sandte 1 ). Natürlich war es geeignet, Wiener's Lage zu einer be- 
denklichen zu machen. Bisher war seine Gefangenhaltung nicht zu 
streng gewesen; er hatte persönlich und schriftlich mit seinen 
Freunden verkehren und mancherlei Angelegenheiten regeln können. 
So hatte er z. B. an Elias Stotzinger, einen Beamten der krainischen 



*) Ausser den früher mitgetheilten Zeugenverhörs-Protokollen ist von diesen 
Acten jetzt leider nichts mehr bekannt. — Waldau a. a. O., II, 413. 

2* 



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20 



Landschaft (Procuratorr), einen' Zettel geschrieben, den dieser im 
Hofteiding 1547 vorbrachte, »das an seiner stat, weil Er in der Ku. 
Maj. gefangkhnus, Ain Ander testamentarj, wo es vonnoten, verordent 
werde* '). Allein eine Fürbitte, welche die krainische Landschaft 
bei König Ferdinand für ihn einlegte, hatte im Gegentheil zur Folge, 
dass seine Haft verschärft wurde. Niemandem ward mehr der Zu- 
tritt zu ihm gestattet 2 ). Die Untersuchung schien eine sehr schlimme 
Wendung zu nehmen und seine Freunde waren um sein Schicksal, 
selbst um sein Leben besorgt ; sie begannen zu furchten, dass der 
Feuertod oder gnädigen Falls Enthauptung sein Schicksal sein 
werde. Dies kam ihm selbst zur Kenntniss und er meldete es brief- 
lich an Primus Trüber und durch diesen an Veit Dietrich. 

Dieser hatte kaum am 9. Mai 1548 Wieners Brief empfangen, 
als er auch sofort am folgenden Tage einen zweiten Trostbrief an 
ihn und Dragolitz 3 ) schrieb. 

,An Paul Wiener. 

Heil im Herrn und Trost des heiligen Geistes sei mit Dir. 
Theuerster Paul, als ich gestern, am Abend vor der Himmelfahrt 
unseres Herrn, Deinen mir und unserm Primus (Trüber) zugesandten 
Brief erhielt, widerfuhr mir zweierlei. Zuerst war ich über Deine und 
Herrn Georgs (Dragolitz), auch Eurer ganzen Kirche Gefahr sehr 
erschrocken. Denn was kann dem Fleisch Härteres widerfahren, als 
für die höchsten Wohlthaten die schlimmsten Schmähungen zu er- 
dulden? Und was kann Eure von Euch so umsichtig begonnene 
Kirche Gutes hoffen, wenn Ihr. derselben nicht in gewohnter Weise, 
sondern mit höchstem Schimpf genommen werdet, wie wenn durch 
Euch des Satans Gift in die Welt gestreuet worden wäre. Sodann 
aber frohlockte ich in ungemeiner Freude und dankte dem treuen 
Hirten unserer Seelen, da ich erkannte, dass Ihr vor den Gefahren 
dieses Lebens nicht erzittert, sondern vorwärts auf das bessere Leben 
blicket, das man ohne grosse Gefahren des gegenwärtigen nicht er- 
langen kann. Welches Urtheil die Welt über Euch fällt, weiss man. 



») Mitth. d. hist. Ver. f. Krain 1863, S. 2. 

•) Valvasor, Ehre des Herzogthums Krain, Bd. III, Buch XI, S. 715. 

•) Das lateinische Original findet sich abgedruckt bei Strobel, Nachricht v. d. 
Leben und den Schriften Veit Dietrichs, S. 154 ff. Uebrigens dürfte dieser Brief 
Wienern schwerlich mehr in Laibach getroffen haben. 



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Ihr seid gefangen und gebunden. Fragt Jemand warum: Die Antwort 
liegt auf der Hand. Ihr seid Ketzer, habt im Staat Wirren erregt, 
die alte Art der Lehre verändert, neue Gottesdienste eingeführt, 
das alles seien Capital verbrechen. Auch zweifle ich nicht, dass Eure 
Herzen bisweilen von dem Gedanken angefochten worden, dass Ihr 
hättet grössere Behutsamkeit anwenden sollen. Aber, theuerste 
Brüder, jetzt erst habt Ihr zu lernen, was die Bosheit des Satans 
und die Schwäche unseres Fleisches ist. Das Fleisch erachtet die 
Gefahr, in die Ihr gestürzt seid, für eine Strafe der Sünde. Aber 
befraget Eure Feinde, befraget auch den Satan selbst, erforschet sein 
Herz, ob sie dafür halten, dass Ihr wegen Eurer persönlichen Sünde 
leidet. Gewiss werden sie das verneinen, sie werden sagen, es gelte 
der Lehre. Und so verhält es sich in der That. Was Eure persön- 
liche Sünde anbelangt, so wisset und glaubet Ihr, habt gelehrt und 
bekennet noch jetzt, dass Christus, der Sohn Gottes, vom Vater von 
Ewigkeit geboren, in der Zeit vom heiligen Geist empfangen und 
von der Jungfrau geboren, vom ewigen Vater dazu bestimmt sei, 
ein Opfer, ein für die Sünden aller Menschen geopfertes Lamm zu 
sein. In diesem Hafen mögt Ihr Ruhe finden. Denn Ihr wisset, wie 
mannigfaltig der h. Geist nicht nur diesen Willen Gottes geoffen- 
bart, sondern auch den Befehl hinzugefügt hat, dass wir glauben 
sollen, der Sohn sei das Opfer und Lösegeld für unsere Sünde. 
Was bleibt also übrig? Für unsere und aller Menschen Sünden hat 
der Sohn Gottes genug gethan. Also sind wir alle von dieser Last 
befreiet; sie ruht auf Christi Schultern, ja sie ist, wie Micha sagt, 
in den Abgrund des Meeres versenkt. Also ist es allein die Lehre, 
welche die Welt hasst und der Satan verfolgt. Welcher Art aber 
ist diese? Ihr habt gepredigt, dass der Sohn Gottes in die Welt 
gekommen ist, die Sünder zu retten. Sohin habt Ihr die Sünder er. 
mahnt, dass sie sich an Christus anschliessen, dass sie dem wahren 
Arzte folgen, dass sie vor dem verderblichen Gifte des Satans, der 
Anrufung der Heiligen, dem Verdienst der eigenen Werke und an- 
dern eiteln Hilfsmitteln sich hüten und lieber Gottes als des Satans 
Diener seien. Das ist Euer Verbrechen, das sie Euch nun vorwerfen, 
um dessentwillen Ihr nun die Bande Christi traget und das schaudervolle 
Urtheil des Fleisches hört : Ihr seiet dem Feuer preiszugeben oder aus 
besonderer Gnade mit dem Schwerte hinzurichten. Das ist wohl hart 
und schwer, und dem Fleisch ist es unmöglich, dabei nicht halbtodt 



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22 



und betäubt zu erstarren. Aber meine theuersten Brüder Paul und 
Georg, wir müssen unsere Augen anderswohin richten. Wir müssen 
nicht auf das nur schauen, was das Fleisch zu ertragen hat. Lasset 
uns vielmehr daran denken, welchen Dank unser Herr und Haupt 
von der undankbaren Welt davongetragen hat. Er war der Sohn 
Gottes und kam in die Welt, um uns zu retten, er lehrte den Weg 
des ewigen Lebens und ward zuletzt an s Kreuz gehängt und getödtet. 
Das war der Lohn so vieler Mühen und so grosser Wohlthaten. So 
können wir uns über nichts beklagen, da dem Sohne Gottes solches 
widerfofifren ist. Aber wir können uns nicht mit seinem Beispiele 
bloss trösten. Das erst ist ein wahrhafter Trost und eine bleibende 
Freude, dass er gen Himmel gefahren ist und sitzet zur Rechten 
des Vaters;' Idas ist, er hat die Herrschaft über alle Creatur und ist 
HerrJtiber alle seine Feinde. Die ihn nun als Herrn anerkennen und 
bekennen, für die tritt er als Vermittler ein, nimmt ihr Bitten an 
und, um alles kurz mit dem Worte Davids zu sagen, thut den 
Willen derer, die ihn fürchten. Wenn wir solches fleissig betrachten 
und .wahrhaft glauben, was kann dann uns Widerwärtiges oder Traurigfes 
begegnend Werden wir dann nicht vielmehr mit Paulus sagen: weder 
Schwert noch Hunger noch Blosse noch Verfolgung u. s. w. werden 
uns scheiden von der Liebe Gottes, das ist, wenn wir auch unsern 
Nacken dem Henker hinhalten müssen, wenn wir auch im Kerker 
umkommen müssen, so haben wir doch einen Gott, welcher uns 
liebt wegen seines Sohnes, der in unserm Fleische zur Rechten des 
Vaters aitzt und nach seinem wunderbaren Rath uns in diesem 
Leben nach seinem Vorbilde dem Kreuz unterwirft, damit wir in 
Ewigkeit bei ihm in seiner Herrlichkeit und Freude seien. Solches, 
meine theuersten Paul und Georg, erwäget in Euren Herzen und 
Ihr werdet daran selbst im Sterben einen sichern Trost haben. Denn 
Ihr habt nicht Christum gelehrt, dass Ihr in ihm die Fassung ver- 
lieren solltet. Denn selig sind, die auf Gott vertrauen und in ihm 
sterben. Das Fleisch zwar ist schwach, aber denen, die Gott an- 
rufen, wird von Christus der heilige Geist gegeben; der verleihet 
seinen Trost, welcher ewig ist. In der Kirchengeschichte des Eusebius, 
wie ich m&feie, findet sich das Beispiel eines Persers, welcher mensch- 
licher Weise zitterte und schauderte, da er zur Hinrichtung geschleppt 
wurde ; dabei stand ein gewisser Pusitius ; dieser ermahnte den Zittern- 
den mit den Worten: Was zitterst du, o Greis? schliesse die Augen 



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23 



ein klein wenig und du wirst mit Christo sein, befreiet von Sünde und 
allem Uebel. Diesen Trost gebe Euch der Sohn Gottes in der letzten 
Stunde Eures Hinüberganges. Amen. Betet fleissig für Euren Bischof, 
der in tausenderlei Weise elender ist als Ihr, da er, wenn er seine 
Sünde nicht erkennt, seinen Lohn mit Kain und allen Verfolgern 
finden wird. Wenn es dem Herrn gefallen wird, dass Ihr wegen 
seines Bekenntnisses den Tod erleidet, so verspreche ich Euch da- 
für zu sorgen, falls mich nicht Krankheit verhindert, dass Euer Be- 
kenntniss und Eurer Widersacher unauslöschliche Gottlosigkeit und 
Bosheit öffentlich bekannt werden. Der heilige Geist sei mit Euch! 
Dictirt am Himmelfahrtstage (10. Mai) 1548. 

Theuerster Paul und Georg, betet für meine zerrüttete Gesund- 
heit. 0 wie gern möchte ich, wenn meine Gesundheit es gestattete, 
die Widersacher Christi erregen und den Herrn verherrlichen!' — 

Mittlerweile hatte König Ferdinand in Augsburg, wo man 
eben mit der Aufrichtung des Interim beschäftigt war *), die von 
Bischof Urban Textor eingesendeten Acten der Laibacher Unter- 
suchung einer Commission von Theologen vorlegen und ihr Gut- 
achten darüber einholen lassen. Endlich traf unerwartet in Laibach 
ein königlicher Befehl ein, dass Paul Wiener gefänglich nach 
Wien gebracht und seine Sache daselbst nochmals von einer vom 
König zu ernennenden Commission untersucht und entschieden werden 
solle. In Folge davon ward Wiener gefesselt nach Wien geführt 2 ) 
und dort im Minoritenkloster als Gefangener untergebracht 3 ). 

Die vom König ernannte Untersuchungs-Commission in Wien 
bestand aus drei Bischöfen und fünf Doctoren. Jene waren: Fried- 
rich Nausea*), Wiener's alter Freund und nun (seit 1541) Bischof 



l ) Das Interim ging auf dem Reichstage zu Aug>burg am 15. Mai 1548 als Be- 
schluss aus, und ward am 15. Juni 1548 veröffentlicht. 

s ) Raupach a. a. O., S. 357. — Ob auch Dragolitz mit nach Wien gebracht 
wurde, ist nicht wahrscheinlich; doch gedenkt Wiener am Schluss seiner Supplication an 
den König (s. später) seines Mitgefangenen. — Vgl. Mitth. d. hist. Ver. f. Krain 1864, 
S. 2. Die hier in einem Memorial des Bischofs Thomas Chron gegebene Erzählung, 
dass Wiener auf dem Transporte in Schottwien von verlarvten Edelleuten befreit und 
nach Ober-Ungarn geflüchtet sei, entbehrt jeder historischen Grundlage. 

') Dimitz, Geschichte Krains, III, 212. 

4 ) Vgl. oben S. 6, Anm. 3. 



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24 



von Wien, Christoph Wert wein'), Bischof von Neustadt, und 
Urban Textor 2 ), Bischof von Laibach. Diese waren: Dr. Bern- 
hard Villinus und Dr. Ambrosius Salz er, beide Professoren 
der Theologie an der Universität zu Wien, Dr. Wolfgang Lazius, 
königlicher Rath und Leibarzt und Professor der Medicin 3 ), Dr. Burk- 
hard de Monte, Lector der Theologie 4 ) und Dr. Christoph Freis- 
leben 8 ) daselbst. Diese Männer 6 ) legten Wienern zunächst die- 
selben Fragen vor, über die er sich schon in Laibach hatte verant- 
worten müssen. Er beantwortete dieselben hier ebenso wie dort, 
ohne sich durch Sophistereien in seinen Ueberzeugungen irre machen 
zu lassen. Mit keinem Mitgliede der Commission hatte übrigens 
Wiener (wie er selbst berichtet) mehr zu disputiren und keiner 
setzte ihm mehr zu als Dr. Burkhard de Monte, welcher vielleicht 
eben hiermit kurz nach dem Antritt seines neuen Amtes an der 
Universität in Wien eine Probe seiner Tüchtigkeit ablegen zu sollen 
meinte. Uebrigens aber (fährt Wiener fort) hätten die Commissarien 
,mit ihm ein väterlich Gespräch gehalten, darinnen nit Bitterkeit, 
sondern christliche Sanftmüthigkeit gespüret worden , ohne was 
Dr. Burkhard (de Monte) flir Unbescheidenheit gebraucht* 7 ). 

Aus Wiener 's Antworten und Aeusserungen verfasste die 
Commission, ähnlich wie das in Laibach geschehen war, eine Art 

l ) Christoph Wertwein, eines Schusters Sohn aus Pforzheim, Theol. Dr., Hof- 
prediger und Beichtvater König Ferdinand's, Administrator, dann 1550 wirklicher Bischof 
von Wiener-Neustadt, 13. Febr. 1552 Administrator des Bisthums Wien, gestorben 
den 20. Mai 1553. 

') Vgl. oben S. 7, Anm. 4. 

•) Wolfgang Lazius, geboren in Wien 31. October 1514, studirte in Ingolstadt 
Medicin, ward 1540 Professor der Humaniora in Wien, später der Medicin, und ge- 
adelt, gestorben den 19. Juni 1565. Er war ein grundgelehrter Mann, K. Ferdinand's 
besonderer Liebling und Historiograph. 

4 J Burkhard de Monte, aus Geldern gebürtig, war 1547 auf dem Tridentinischen 
Concil anwesend, von wo ihn K. Ferdinand (von Augsburg aus) nach Wien berief. 

5 ) Christoph Freisleben, beider Rechte Doctor, war sechs Jahre lang (154 1 — 47) 
Syndicus der Universität Wien, ward 1547 Official und Syndicus des Bischofs Nausea 
und Procurator bei der Nieder-Oestevreichischen Regierung und beim Landmarschall. 

6 ) Von hier ab vgl. Raupach a. a. O., S. 358 ff. — und abgekürzt bei Waldau 
a. a. O., S. 414 ff. — dazu den Cod. der Hamburger Stadtbibliothek (s. später). 

7 ) Bischof Urban Textor benahm sich atso in Wien anders als in Laibach, ob- 
schon er das gleiche Ziel und den gleichen Weg verfolgte. 



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25 

Bekenntniss, ein »Kurz Summarium*, — aufgesetzt ward es von 
Dr. Burkhard de Monte — , welches Wienern zur Unterschrift 
vorgelegt wurde, um dann nach Augsburg an König Ferdinand zu 
dessen Urtheil und Ausspruch übersandt zu werden. Allein Wiener 
bemerkte sofort, »dass seiner Wort und Antwort der wenigste Theil 
in die Bekenntniss kommen, dazu die Artikel mit allem Fleiss ver- 
wirret und durcheinander gemenget, folglich alles arglistig, gefähr- 
lich und betrüglich gestellet worden, auf dass nur keine rechtschaffene 
Antwort von ihm sollte gesehen und gelesen werden." Er bat daher 
die Commissarien, dass das Bekenntniss so abgeändert werde, dass 
es seiner wirklichen Meinung entspreche; allein sein Bitten war bis 
auf Einzelnes vergeblich. So hatte er z. B. in der Verhandlung auf 
das anhaltende Drängen der Commissarien endlich eingewilligt, »sein 
Weib eine Zeit lang hinwegzuthun* (amovere), statt dessen stand 
aber im Bekenntniss, »sich von ihr zu scheiden* (repudiare); da er 
dies natürlich beanstandete und der Notar wie die Commissarien zu- 
gaben, dass dies Wort in der ganzen Verhandlung nicht vor- 
gekommen sei, so ward dasselbe geändert, während Dr. Burkhard 
schweigend dabei stand. Dies charakterisirt den Geist, in dem das 
ganze Bekenntniss abgefasst war. Da Wiener also auf diesem W T ege 
ein richtiges und unparteiisches Urtheil nicht zu erlangen vermochte, 
sah er sich veranlasst, eine »Bittschrift" an König Ferdinand zu 
richten, worin er diesen bat, er möge »einen jeden Commissarium 
einzeln hören und (so) von ihnen dieses Handels rechten und guten 
Bericht empfahen*. 

In Folge dessen wurden die Commissarien durch königlichen 
Befehl angewiesen, Wienern auf's Neue vor sich kommen zu 
lassen und wegen seiner Beschwerden zu verhören. Das führte je- 
doch zu nichts, und ungeachtet aller Bemühungen des Verklagten 
blieb in seinem Bekenntniss alles das stehen, auf dessen Aenderung 
er gedrungen hatte. Die Commissarien versicherten ihm jedoch, 
»sie wollen Ihrer Majestät mündlich alles Handels guten gründlichen 
Bericht thun, und wie er auf die Artikel geantwortet und was er 
bekannt habe*, und dadurch Hess er sich endlich überreden, das 
aufgesetzte Bekenntniss zu unterschreiben. Ob nun die Commissarien 
überhaupt ihre Zusage erfüllt, oder ob sie dem Könige die Bekennt- 
nissschrift einfach überreicht haben, ohne ihm noch mündlich ein- 
gehenden Bericht zu erstatten, darüber wurde Wienern nichts 



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26 



weiter bekannt. Jene glaubten indessen, nachdem sie Wienern schon 
so weit gebracht, dass er die Artikel unterschrieben hatte, nun 
einen Schritt weiter gehen und ihn sogar zu einem Widerruf be- 
wegen zu können, auf dem namentlich der Bischof von Laibach be- 
stand. Sie Hessen daher durch Dr. Burkhard de Monte aus 
jenen Artikeln die Formel eines Widerrufs zusammenstellen und 
verlangten, dass Wiener diesen öffentlich ablegen solle. Derselbe 
war aber ebenso betriiglich abgefasst, wie früher das Bekenntniss 
selbst, und Wiener sollte damit öffentlich bekennen und ver- 
sprechen, ,dass er sich in allen Punkten, über die man mit ihm ge- 
handelt, irriger Lehre schuldig befunden, nunmehr aber eines Bessern 
belehrt worden und den Lehrsätzen der römisch-katholischen Kirche 
in allen Stücken völlig beistimme und denselben künftighin bestän- 
dig beistimmen werde.* 

Wiener mochte nun wohl einsehen, wie unvorsichtig er bei 
Unterzeichnung des Bekenntnisses gehandelt, und konnte sich anderer- 
seits nicht denken, wie bei richtiger mündlicher Berichterstattung 
an den König ihm ein solcher Widerruf zugemuthet werden könne. 
Er wandte sich deshalb abermals mit einem .Bericht« an König 
Ferdinand, in welchem er sich darüber beschwerte, dass die Commis- 
sarien ihm einen derartigen Widerruf ansännen, zu welchem er sich, 
da er sich keiner irrigen Lehre bewusst sei, nimmermehr verstehen, 
viel weniger denselben, als der Ehre Gottes, dem Verdienst Christi 
und seinem eigenen Gewissen zuwider, ablegen könnte. Zugleich bat 
er den König, dass er ihn als einen unschuldigen Mann seiner Ver- 
haftung allergnädigst erlassen und ihm erlauben möchte, wieder nach 
Laibach zur Verwaltung seines frühern Amtes zurückzukehren. 

Nun musste andererseits am königlichen Hofe dieser Bericht 
Wiener's unbegreiflich erscheinen, und es wurden daher die beiden 
niederösterreichischen Regierungsräthe ') Georg von Ripur und 
Dr. Bernhard Walther beauftragt, im Namen des Königs 
Wienern einen ihnen zugesandten königlichen , Rathschlag* (Re- 
solution) mitzutheilen. In diesem ward ihm zwar zu Anfang wegen 
Verweigerung der Leichenfeiern und des Widerrufs ein strafbarer 
Ungehorsam vorgeworfen, jedoch aus besonderer königlicher Gnade 



l ) Vgl. Notizenblatt der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien. i. Bd., 
Wien 1851, S. 219. 



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I 



27 



erlaubt und befohlen, seinem »Bericht* eine weitere »Erläuterung* 
folgen zu lassen und insbesondere zu zeigen, »warum er die vor- 
gehaltene Revocation nicht thun möge und wasgestalt dieselbe 
wider Gottes Ehre und sein Gewissen, auch zur Verdunkelung und 
Unterdrückung des theuern Verdienstes Christi gereichen würde". 
Wiener erfüllte diesen Auftrag in einer an die deputirten Regie- 
rungsräthe gerichteten, ebenso treffenden als ausführlichen »Erläu- 
terungsschrift* J ). Gleich im Beginn derselben erklärte er: „Ich bin 
doppelt beschwert. Die Bekenntniss ist nicht gestellt, wie ich's be- 
kannt und begehrt hab zu stellen, jetzo aber wird die Revocations- 
schrift nicht also gestellet, wie meine Bekenntniss lautet. Wohlan, 
so nimm ich die Artikel in der Revocationsschrift für meine Be- 
kenntniss an, und will's dermassen vertheidigen, wie sie mir zuge- 
messen werden, und anzeigen, dass ich die Revocation und Wider- 
ruf ohne Verletzung Gottes, ohne Beschwerung meines Gewissens, 
und ohne vieler Menschen grosse Aergerniss keineswegs thun könne 
noch möge, wie ich's in meinem gethanen Bericht vermeldt hab. 
Die Ursachen aber sollen bei jedem Artikel lauter und klar aus der 
heiligen Schrift und Sprüchen der Väter angezeigt werden. * Hierauf 
geht er die Revocationsformel stückweise durch, prüft einen Artikel 
nach dem andern nach der heiligen Schrift und den Aussprüchen 
der ältesten christlichen Kirchenlehrer, selbst der Concilien und 
Canones, erweist dieselben unwiderleglich als irrig, und wälzt so- 
mit implicite den Vorwurf der Ketzerei auf seine Widersacher 



*) Raupach besass eine Abschrift dieser „Erläuterung", die ihm von M. Hiero- 
nymus Merz, Schulrector und Adjuncten des Ministerii in Kaufbeuern, geschenkt worden 
war. Sie trug die Bezeichnung : „Des Paul Wieners Schriften, so er der Kön. Regierung 
überantwortet in causa fidei. Anno 1548." Das Manuscript enthielt auch das „Memorial 
an König Ferdinand" (s. später), und umfasste 272 Seiten in Folio. Raupach, der doch 
viele ähnliche Schriften aus dem 16. Jahrhundert kannte, urtheilt über diese „Erläu- 
terung" : „Ich muss gestehen, dass mir nicht leicht eine Streitschrift der damaligen Zeit 
vorgekommen, die mit solcher Gelehrsamkeit, Gründlichkeit, Beurtheilungskraft, Für- 
sichtigkeit und Freimüthigkeit, als man in dieser durchgehends bemerket, abgefasset 
gewesen und daher wohl würdig wäre, der evangelischen Kirche durch den Druck 
mitgetheilt zu werden, wenn sie nicht so gar weitläufig gerathen wäre." (Raupach a. 
a. O., S. 363 f.) Aus dieser Schrift hat Raupach hauptsächlich seine Mittheilungen 
genommen. Dieselbe befindet sich gegenwärtig mit Raupach's literarischem Nachlasse 
in der Hamburger Stadtbibliothek Nr. 1144, und ward bei dieser Arbeit ebenfalls be- 
nutzt. Vgl. Beil. 6. 



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zurück. Aus alle dem zieht er die Folgerung, dass er eine solche 
Revocationsformel unmöglich mit gutem Gewissen ablegen könne. 
Auch beruft er sich auf das eben ergangene kaiserliche Interim. 
Zum Schluss wendet er sich mit den Worten an die deputirten 
Räthe, >dass er der unterthänigen Hoffnung lebe, weil die König- 
liche Majestät sie zu Commissarien in seiner Handlung verordnet, 
seinen Bericht von ihm zu empfahen, dass sie denn auch solchen 
seinen Bericht (d. i. eben die gegenwärtige Erläuterung) Ihrer Ma- 
jestät zuschicken und ihn Ihrer Majestät mit bestem Fug und 
gnädiger Beförderung befehlen werden*. 

Ganz in der Form und Sprache der Augsburgischen Confes- 
sion vertheidigte Wiener in dieser Darlegung seine religiöse Ueber- 
zeugung und seine Weigerung des Widerrufs, und indem er viel- 
fach weitläufiger sich aussprach, als eigentlich die Veranlassung 
erforderte, gestaltete sich seine Schrift zu einer vollständigen Apo- 
logie der Reformation. Bisweilen nimmt seine Sprache darin eine 
oratorische Wendung und bezeugt seine Gewohnheit des Predigens, 
bisweilen durchfliegt ein leiser Hauch von Ironie den vollen Ernst 
sittlicher Strenge und selbst der Indignation und gibt von der Ruhe 
seines Geistes und Gemüthes Kunde. Die Klarheit der theologischen 
Ausführung und die Offenheit, mit welcher er sich ausspricht, be- 
weisen überall die Unerschütterlichkeit der gewonnenen und fest 
gegründeten Ueberzeugung, wobei er stets im Auge behält ,nit 
den Leib und das Zeitliche, worauf er in diesem Handel wenig 
achte, sondern das Ewige*. 

Gleichzeitig verfasste Wiener noch ein längeres Schreiben 
(»Memorial") an König Ferdinand 1 ), worin er diesem anzeigt, 
dass er die ihm allergnädigst gestattete 3 Erläuterung" den dazu 
bestimmten königlichen Räthen übergeben habe, und werde die- 
selbe wohl gleichzeitig mit diesem Seiner Majestät zugekommen 
sein. Obgleich er den ganzen Winter schwer krank gewesen, so 
dass er auch jetzt nur am Stock gehen könne und sein Gedächt- 
niss noch schwach sei, und obgleich er der nöthigen Bücher er- 
mangle, habe er doch seinen Bericht so gestellt, dass jeder Artikel 
seines Bekenntnisses in der heiligen Schrift begründet sei. Der 
König möge nicht seine Widersacher, die ihn anschwärzen, zu 



»J Beil. 6. 



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seinen Richtern machen, sondern seine Predigten, die jene in Hän- 
den haben, und seine Zuhörer examiniren lassen. Sein Glaube und 
seine Lehre, bei denen er beharre, er werde denn mit besserem 
Grunde anders gelehrt, sollten billig nach der Richtschnur des gött- 
lichen Wortes beurtheilt werden. Der König habe seinem hohen 
Amt und Pflicht nach allergnädigst zu bedenken, wozu die heilige 
Schrift von Gott gegeben sei. Demgemäss habe auch Kaiser Con- 
stantin beim nicänischen Concil sich ausgesprochen. Dessen Rathe 
solle Seine Majestät als ein christlicher König, an dessen Eifer für 
die Gerechtigkeit und den rechten wahren Gottesdienst er nicht 
zweifle (Gott gebe, dass solcher Eifer zur Ehre Gottes gereiche!), 
folgen und überzeugt sein, „dass dem jetzigen Zwiespalt und Irrung 
nicht allein mit mir, sondern mit der ganzen heiligen christlichen 
Kirche durch keine andern Mittel und Wege geholfen werden möge, 
denn durch die prophetischen, evangelischen und apostolischen 
Bücher u . Danach solle man alles entscheiden lassen, denn darin sei 
alles geschrieben, was zu unserem Heile nöthig sei. Thue man an- 
ders, so handle man wider Gott und bringe viele Seelen in's Ver- 
derben. Solches zeigen auch die Geschichten der biblischen Chronik 
in den Geschicken der guten und bösen Könige, und wie diese 
stets zu rechtem oder falschem Gottesdienst bewogen worden seien, 
je nachdem sie fromme oder böse Hohepriester gehabt '), daran er- 
innere er Seine Majestät in unterthänigstem Gehorsam. Da nun 
seine Meinungen theils von frühern Concilien gebilligt, theils erst 
in einem künftigen Concil zu entscheiden seien, andererseits auch 
bei des Königs vielen Geschäften die Verhandlung seiner Ange- 
legenheit noch lange dauern könne, so möge ihm ein anderer Auf- 
enthaltsort gestattet werden, an dem er seinen nothdürftigen Unterhalt 
finden könne, denn dieser werde ihm nun schon in den fünften 
Monat nicht gereicht, und er habe zuerst sich und seinen Mitgefan- 
genen, nachher aber sich und seine Wärter mit entlehntem Gelde 
erhalten müssen. Auch möge der König seinem Gesinde in Laibach 
erlauben, nach seinen schon so lange versperrten Sachen zu sehen, 
und von seinem dortigen Getreide etwas für ihn zu verkaufen und 
anderes für sich und für die von ihm bisher erhaltene Witwe und 

') Man erinnere sich, dass P. Wiener's eigener Bischof Urban Textor von 
Laibach, sein Ankläger und sein Richter, zugleich König Ferdinand's Beichtvater, 
Hofkaplan und Almosenier war. 



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30 



Kinder seines Bruders zu gebrauchen, damit sie nicht zum Bettel- 
stab gezwungen würden. 

So freimüthig und offenherzig bei aller Unterthänigkeit schrieb 
an den König der Mann, dessen Leben noch vor wenigen Monaten 
in grosser Gefahr zu schweben schien, dessen glaubensstarkes Herz 
aber über Menschen- und Todesfurcht erhaben war. 

Beide Schriften, die „Erläuterung* wie das „Memorial", müssen 
zu Ende des Monats Juni 1548 verfasst sein, weil Wiener in der 
„Erläuterung* das .neulich publicirte Interim" erwähnt 1 ). König 
Ferdinand befand sich gerade damals in einer eigenthümlichen Lage. 
Obwohl von Natur milder und ausserdem in das deutsche Geistes- 
leben mehr eingelebt als sein Bruder, Kaiser Karl V., war er doch 
durchaus nicht geneigt, der Ausbreitung der Reformation irgendwie 
Raum zu gewähren. Zu seinem grossen Leidwesen sah er seinen 
ältesten Sohn Maximilian sich der letztern immer mehr zuneigen. 
Andererseits konnte es ihm unmöglich verborgen sein, dass schon 
damals die ultramontan gesinnten spanischen Rathgeber des Kaisers 
darauf hinarbeiteten, ihn und seinen Sohn von der Nachfolge im 
deutschen Reich zu verdrängen, und dafür Karl's Sohn, den spani- 
schen Philipp vorzuschieben. Diese Wahrnehmung musste ihn mit 
der Zeit ebenso sehr der evangelischen Reichspartei näher bringen, 
als von der katholischen entfernen. Dazu kam noch, dass Kaiser 
Karl V. damals mit Papst Paul III. wegen der Verlegung des 
Trienter Concils nach Bologna und anderer Fragen in ernstem Zwie- 
spalt war, und im Einverständniss mit Ferdinand das Interim er- 
richtet hatte, welches ebensosehr dem Papste wie den Protestanten 
beweisen sollte, dass die kaiserliche Macht von sich allein aus im 
Stande sei, die kirchlichen Angelegenheiten im deutschen Reiche 
zu ordnen 2 ). Unter solchen persönlichen und politischen Stimmungen 
und Rücksichten traf König Ferdinand in den damals aus seinen 
eigenen Ländern an ihn herantretenden kirchlichen Angelegenheiten 
seine Entschlüsse 3 ). Abgesandte der niederösterreichischen Erb- 
länder hatten sich bei ihm in Augsburg vorgestellt und hatten ihn 



*) Vgl. oben S. 23, Anm. 1. 

8 ) Vgl. Paolo Sarpi: Historia del Concilio di Trento, Hb. III. 
•) Sämmtliche hier erwähnte kün. Entscheidungen sind nicht mehr vorhanden, 
aber nichtsdestoweniger gewiss. 



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■ 



I 



31 



unterthänigst ersucht, ihnen die wahre Lehre des Evangelii, die 
Rechtfertigung durch den Glauben, und den Empfang des h. Abend- 
mahles unter beiderlei Gestalt nach Christi Einsetzung zuzulassen *). 
Ferdinand schob eine Entscheidung auf diese Bitte hinaus, die 
endlich 20. Februar 1554 abschlägig beschieden wurde 2 ). Die krai- 
nische Landschaft insbesondere hatte sich in einem Bittschreiben bei 
ihm für Primus Trüber verwendet, dass er demselben die Rück- 
kehr in die Heimat gestatte. Er genehmigte dieselbe, jedoch unter 
der Bedingung, dass derselbe fernerhin sich des Predigens enthalte 3 ). 
Dazu kam nun Wiener's Angelegenheit, über welche die Ansichten 
der Commissarien offenbar getheilt waren. Er begnadigte (wie es 
scheint) den Angeklagten, indem er jedoch demselben, wie seiner 
eigenen Bitte entsprechend, die Auswanderung nach Siebenbürgen 
auferlegte 4 ). Damit handelte König Ferdinand ganz dem Verfahren 
gemäss, welches nach Erlass des Interims gegen so viele unnach- 
giebige evangelische Geistliche eingeleitet wurde, und griff zugleich 
schon 1548 zu jenem Auskunftsmittel »ewiger Relegirung* oder 
y zwangsweiser Transmigration* nach Siebenbürgen, welches unter 
Kaiser Karl VI. und Kaiserin Maria Theresia von 1733 — 74 Tausende 
fleissiger und ordentlicher Unterthanen aus Oberösterreich, Steier- 
mark und Kärnten wegen ihres evangelischen Glaubens nach Sieben- 
bürgen und Ungarn führte, bis Joseph II. es am 7. November 1774 
aufhob 5 ). Diese Massregel, deren erstes Beispiel in Paul Wiener's 
Schicksal erscheint, war ja auch umsoweniger aufrecht zu erhalten, 
als der dadurch beabsichtigte Zweck dennoch im 18. Jahrhundert 
so wenig als im 16. erreicht ward. 

*) Diese Stücke wären nach dem „Interim" ganz zulässig gewesen, wenn Kaiser 
Karl V. dasselbe, wie es ursprünglich seine Absicht war, auch bei den Katholiken 
hätte zur Geltung bringen können. 

*) Vgl. „Supplication der Nider-österreychischen Erblandt u. s. w. Auff den 
letsten tag Januarij des M. D. Lvj. Jars zu Wien in Oesterreych vbergeben." (Gleich- 
zeitiger Druck o. O. u. J.) Bl. A. iij. b. 

*) J. Andreä, Leichpredigt b. d. Begräbniss Pr. Trubers, Tübingen 1586, S. 51. 
— Schnurrer a. a. O., S. 3. 

4 ) So Valvasor a. a. O., 3. Bd., Ii. Buch, S. 715, — und Raupach a. a. O., 
S. 366. — Dimitz a. a. O., III. 212, gibt an, Wiener habe sich durch die Flucht 
von Wien gerettet. Das ist offenbar unbegründet. 

6 ) Vgl. H. von Zwiedineck-Südenhorst, Geschichte der religiösen Bewegung in 
lnner-Oesterreich, im Archiv f. Österreich. Geschichte, 53. Bd., 2. Hälfte, S. 457 ff., 
und Sonderabdruck, Wien 1875. 



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32 



So kam Paul Wiener, der in seinem Vaterlande einst so 
hochgestellte Mann, nachdem die drohende Lebensgefahr glücklich 
an ihm vorübergegangen war, als ein armer, unbekannter, wegen 
des Glaubens verbannter Fremdling in das gastliche Siebenbürgen, 
das ihm eine zweite Heimat werden sollte und ward. Die poli- 
tischen Verhältnisse dieses Landes waren jedoch damals nichts 
weniger als ruhig und geordnet, und König Ferdinand war eigent- 
lich nur dem Namen nach Herr desselben. Denn auf Betreiben des 
Bischofs von Gross- Wardein, Georg Utyschewitsch, genannt Marti- 
nuzzi, eines Mönches, dem (neben Peter Petrowitsch) Johann Zapolya 
sterbend die Erziehung seines kurz vorher geborenen Sohnes Johann 
Sigmund übertragen hatte, war der im Jahre 1538 geschlossene Ver- 
trag zwischen Ferdinand und Zapolya nach dessen Tode (1540) bei 
Seite geschoben worden. Isabella, Zapolya's Witwe, von Sultan 
Suleiman II. aus Ungarn verdrängt, hatte sich mit ihrem jungen 
Sohne und Martinuzzi, ihrem Schatzmeister und obersten Rath, in 
Siebenbürgen festgesetzt, wo der Letztere durch mancherlei Ränke 
bald mächtiger ward als Isabella selbst. Dieser zweideutige Mann, der 
früher vielfach König Fedinand's Unterhändler bei Sultan Suleiman, 
zugleich aber auch Zapolya's Vertrauter gewesen war, verständigte 
sich jetzt wieder mit Ferdinand und bewirkte gegen das Versprechen 
des Erzbisthums Gran und des Cardinalshutes 1549 den Abschluss 
eines Vertrages, durch welchen Isabella diesem unter gewissen Bedin- 
gungen Siebenbürgen überliess. Doch kam dieser Vertrag wegen der 
andauernden Türkenkriege nicht sofort zur Ausführung. Martinuzzi, 
nun Erzbischof geworden, stand an der Spitze einer Armee in Un- 
garn gegen die Türken, unterhandelte aber gleichzeitig mit diesen 
und auch mit Ferdinand, so dass er vom siebenbürgischen Landtag 
förmlich für einen Landesverräther erklärt wurde. Ferdinand's Armee 
unter Castaldo nahm einen Platz Siebenbürgens nach dem andern 
ein, Isabella war nach Karlsburg geflohen und erfüllte endlich am 
27. Juni 1551 den Vertrag von 1549. Sie trat Ungarn und Sieben- 
bürgen an Ferdinand für die Herzogthümer Ratibor und Oppeln ab, 
und verlobte am 11. August 1551 ihren Sohn mit einer Tochter Ferdi- 
nand's. Martinuzzi ward im November Cardinal. Allein schon im 
folgenden Jahre (1552) verliess Isabella unzufrieden ihre schlesischen 
Länder wieder, begab sich zu ihrem Bruder, König Sigismund II. 
von Polen, und knüpfte von hier aus neue Einverständnisse mit den 



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33 



Unzufriedenen in Ungarn und Siebenbürgen, mit der Moldau und 
der Türkei an. Martinuzzi begann sein altes verrätherisches Spiel mit 
dem Sultan wieder, um womöglich Siebenbürgen für sich selbst zu 
erhalten, ward aber am 18. December 1552 in seinem Schlosse Alvincz 
ermordet. Die Türken benützten diese Umstände zu einem neuen 
Kriege gegen Ferdinand, welcher diesem Siebenbürgen kostete, den 
jungen Johann Sigmund Zapolya zum Grossfürsten dieses Landes 
machte, und erst 1562 durch einen theuer erkauften, achtjährigen 
Waffenstillstand ein Ende fand. 

Dies waren nun gewiss keine günstigen und lockenden Zustände 
für einen Einwanderer aus einem österreichischen Erblande. Dass 
aber Paul Wiener trotz der erduldeten Verfolgung unter so 
schwierigen und wechselnden Verhältnissen dennoch dem König 
Ferdinand und dem österreichischen Hause stets treu blieb und 
durch loyales Benehmen ein hervorragendes Beispiel gab, das darf 
ihm gewiss zum Lob angerechnet werden, wie es denn auch seine 
krainischen Landsleute mehrfach mit Anerkennung hervorhoben '). 

Aber auch Wieners evangelische Ueberzeugung und seine 
kirchliche Stellung schienen nicht gerade geeignet, ihm in Sieben- 
bürgen eine glückliche Lebenszukunft zu bereiten. Schon im Januar 
1527 hatte Johann Zapolya hier ein strenges Edict gegen die Pro- 
testanten erlassen, das allerdings noch weniger als Ferdinands Ofner 
Generalmandat vom 20. August 1527 in Oesterreich zur Ausführung 
kam. Als jedoch die Hauptstädte des Sachsenlandes, Kronstadt 1542 
unter Johann Honter *) und Hermannstadt 1543 unter Matthias 



») Schreiben der Krain. Landschaft an den Laibacher Bischof Peter von See- 
bach, Laibach 10. Juli 1561: „Dessen weil. Herr Paulus Wiener sei., der über seine 
Verfolgung an Kai. Mt. in Siebenbürgen nach seinem Vermögen treulich gehandelt, 
ein Exempel sein mag." (Krain. Landes-Archiv.) — Schreiben des Krain. Landes- 
ausschusses an Kaiser Ferdinand, Laibach 21. Aug. 1562: „Denn die Wahrheit und 
Unschuld hat sich hernach an Herrn Paul Wiener — dem damals seine Widersacher 
nach dem Leben getrachtet — , der sich beständiglich verantwortet, auch alsdann an 
Ew. Kai. Mt. in Siebenbürgen nach seinem Vermögen treulich gehandelt, desgleichen 
an den andern Personen befunden.« (Ebenda.) — Instruction für die Krain. Gesandten 
an Erzherzog Karl in Wien, Laibach, 26. Febr. 1565: wörtlich gleichlautend wie das • 
Vorige. (Ebenda.) 

*) Johann Honter, eigentlich Grass, der Reformator des Sachsenlandes, war 
geboren zu Kronstadt 1489, studirte auf den Universitäten zu Krakau, Wittenberg 
(unter Luther und Melanchthon) und Basel, war eine Zeit lang Lehrer der polnischen 

Jahrbuch des Protestantismus 1882. 3 



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34 



Ramser 1 ), auch Rosenau, Heldsdorf u. a. die Reformation eingeführt 
hatten, schrieb die Königin erzürnt 1543 einen Landtag nach Weissenburg 
aus, wohin auch die Kronstädter mit Honter vorgeladen wurden, um 
von ihrer Kirchenänderung Rechenschaft zu geben. Diese erschienen, 
doch ohne Honter; da schlug Martinuzzi vor, die Ketzer verbrennen 
zu lassen, aber Petrowitsch und die übrigen Räthe der Königin 
wiesen das ab. So wurde die Reformation 1544 immer t weiter ein- 
geführt, in Schässburg unter Lukas Roth, in Medwisch unter Bartho- 
lomäus Altenberger, in Birthalm unter Franz Weidner, in Keisd, 
Mühlbach, Heidendorf, Reichesdorf u. a. Daher beschloss der säch- 
sische Landtag, (,die Universität*) im selben Jahre (1544), die pro- 
testantisch gewordenen Gemeinden zur Annahme gleicher Kirchen- 
gebräuche, die andern aber zu derjenigen der Reformation zu er- 
mahnen. Am 17. Mai 1545 trat die erste sächsische Synode in Med- 
wisch zusammen und ordnete sich in einen festgeschlossenen und 
gegliederten Körper, in welchem zunächst alle evangelischen Sachsen, 
Unsrarn und Sekler in religiöser Eintracht mit einander lebten 2 ). 
Der sächsische Landtag ermahnte 1546 abermals zur Annahme 
gleicher kirchlicher Gebräuche und berief eine Commission zur Fest- 
stellung derselben, drang 1548 auf fleissigen Kirchenbesuch, und 
führte 1550 Honter's Reformationsbüchlein als allgemeine Kirchen- 
ordnung ein 3 ). Im Jahre 1551 schloss sich Bistritz unter Albert Kirschner, 

Königstochter Isabella (der nachherigen Gemalin Joh. Zapolya's), kehrte 1533 nach 
Kronstadt zurück, lehrte und schrieb hier für die Reformation, ward 1544 Stadtpfarrer 
daselbst, und starb 1549. — Vgl. (G. D. Teutsch :) Die Reformation im Sachsenland. 
Kronstadt 1852; 2. Aufl. ebenda 1859; — Joh. Michaelis, Das grössere Confirmanden- 
buchlein, 3. Aufl., Hermannstadt 1859. 

») Matthias Ramser war von Broos nach Hermannstadt berufen, wo er 1536 
bis 1547 Stadrpfarrer war, während Martin Heinz als Schulrector 1530—47 neben ihm 
wirkte und dann Pfarrer von Medwisch ward. Dagegen ward der Medwischer Pfarrer 
Bartholomäus Altenberger des verstorbenen Ramser Nachfolger als Pfarrer von Her- 
mannstadt (10. März 1547 bis 5. Mai 1552). 

*) Erst auf der Synode zu Enyed trennten sich die Nationen und Confessionen. 

') Die Grundzüge derselben finden sich schon in Honter's: Formula Reforma- 
tionis Ecclesiae Coronensis et Barcensis totius Provinciae, 1542; davon erschien eine 
neue Ausgabe mit einer Vorrede Melanchthon s unter dem Titel : Reformatio Ecclesiae 
Coronensis ac totius Barcensis Provinciae, Vitebergae 1543. Eine neue Bearbeitung 
dieser Schrift ist eben die: Reformatio Ecclesiarum Saxonicarum in Transylvania. Co- 
ronae M. D. XLVII. Gleichzeitig erschien eine deutsche Uebersetzung : Kirchen Ordnung 
aller Deutschen in Sybenbürgen. Kronstadt 1547. — Vgl. G. D. Teutsch: Rechtsqueilen 



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35 



1552 Reen der Reformation an, wie früher schon Klausenburg unter 
Caspar Helt '). Die katholische Kirche zählte fast keine Anhänger mehr. 
Zum Nachfolger des bisherigen katholischen Bischofs von Siebenbürgen, 
Johann II. Statilius, ernannte König Ferdinand am 26. Mai 1553 zwar 
den bisherigen Bischof von Veszprim Paul II. Bornemisza (Abstemius), 
aber der siebenbürgische Landtag zu Mühlbach 1556 bedeutete ihm auf 
Antrag Peter Petrowitsch's, des Hauptes des ungarischen evangelischen 
Adels, zur Partei der Konigin Isabella überzutreten. Da Bornemisza 
nicht von Ferdinand abfiel, zog der Landtag in Klausenburg 1556 
die bischöflichen Güter ein. Bornemisza floh nach Ungarn, wo er 
bis zu seinem Tode das Neutraer Bisthum verwaltete (1557 — 79). 
Aber der evangelischen Geistlichkeit des Sachsenlandes bestätigten 
Isabella und Johann Sigmund am 10. Juni 1559 ihre hergebrachten 
Einkünfte und Rechte, obschon die Sachsen protestantisch und öster- 
reichisch gesinnt waren. So änderten auch hier auf dem kirchlichen 
Gebiete die politischen Verhältnisse und Rücksichten je nach den Um - 
ständen die Gunst und Ungunst der Mächtigen. 

Solches waren die politischen und kirchlichen Verhältnisse 
Siebenbürgens, insbesondere des Sachsenlandes, in welche Paul 
Wiener eintrat, als er 1548 von Wien nach Hermannstadt kam. 
Er kam hier wie gerufen. Die Hermannstädter hatten im Jahre vor- 
her ihren alten Pfarrer Matthias Ramser durch den Tod verloren. 
Zwar hatten sie denselben durch den bisherigen Pfarrer in Medwisch 
Bartholomäus Altenberger ersetzt, dafür war aber ihr Schulrector 
Martin Heinz als Pfarrer nach Medwisch gegangen 2 ). Durch der 
Zeitumstände Schuld war ja Mangel an gelehrten und frommen 
Männern, und viele sächsische Pfarrer zeichneten sich mehr durch 

der evang. Landeskirche A. B. in Siebenbürgen, in V. Hornyansky s Protest. Jahr- 
bücher f. Oesterreich, 4. Jahrg., Pest 1857, S. 241 ff., wo auch die Reformatio Eccles. 
Saxonic. v. J. 1547 abgedruckt ist, sowie ebenda S. 581 ff. die deutsche Ausgabe: 
„Kirchenordnung aller Deutschen in Sybenbürgen, 1547. " 

*) Kaspar Helt übersetzte mit Hilfe zweier andern Gelehrten die Bibel in's 
Ungarische ; dieselbe erschien 1551 — 61 theilweise in seiner eigenen Druckerei zu 
Klausenburg. Auch gab er gegen die Unitarier die Klausenburger Confession heraus: 
Confessio de Mediatore generis humani Jesu Christo vero Deo et Homine, contracta 
nomine et uoluntate Ministrorum Ecclesiae in urbe Claudiopolj in Pannonia. A Casparo 
Heko eius loci Pastore. Ex ueterum et Recentium Theologorum scriptis. Witebergae. 
Anno M. D. LV. 

2 ) Vgl, S. 34, Anm. I. 

3* 



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36 



ehrwürdige Bescheidenheit als durch wissenschaftliche Bildung aus. 
-Somit war ein frommer und gelehrter Mann, dazu ein so erprobter 
Bekenner des Evangeliums wie Paul Wiener doppelt willkommen, 
und der Rath der Stadt nahm ihn gern auf und übertrug ihm ein öffent- 
liches Amt. Welches dieses gewesen, ob das eines Lectors an der 
Schule oder das eines Predigers an der Kirche, ist nicht recht klar, 
doch ist das letztere das wahrscheinlichere. In dieser Stellung lehrte 
Wiener drei Jahre lang das Wort Gottes und bezog dafür aus dem 
Stadtsäckel einen von 25 fl. auf 80 fl., 1551 auf 90 fl. erhöhten Jahr- 
gehalt 1 ). Man sieht, dass er sich sehr bald die Achtung und Liebe 
seiner Glaubensgenossen und seiner neuen Vorgesetzten erworben 
hatte. Am 5. Mai 1552 starb der Hermannstädter Stadtpfarrer, Bartho- 
lomäus Altenberger, und am iL Mai 1552 ward — ohne Rücksicht 
auf Verwandtschaft und Landsmannschaft — Paul Wiener zu 
seinem Nachfolger gewählt 2 ). 

Mit jedem Jahre wuchs die Verehrung und das Vertrauen, 
welche die evangelischen Sachsen, und weit über die Grenzen von 
Hermannstadt hinaus, dem frommen und bescheidenen Manne ent- 
gegenbrachten. Die einzelnen Gemeinden derselben hatten sich zwar 
(wie früher bemerkt) schon seit dem Jahre 1545 zu einer geregelten 
Kirchengemeinschaft verbunden, deren dogmatische Richtschnur die 
Augsburgische Confession war, allein sie fühlten doch bald das Be- 
dürfniss einer bestimmten und ruhigen Handhabung der Ordnung 
und Verwaltung ihrer Kirche 3 ), und mussten wegen Mangels derselben 
mancherlei Schmähung ihrer Widersacher hören 4 ). Dem abzuhelfen 
beschloss ihre Synode im Jahre 1553 die Aufstellung eines Bischofs 
oder Superintendenten zur Leitung der Synode, zur Erhaltung der 
Ordnung und zur Ordination der Geistlichen. Hätte Johann Honter 
noch gelebt, kein Anderer als er würde zu dieser Stellung berufen 
worden sein. Da er aber nicht mehr war, wählte die Synode am 
6. Februar 1553 denjenigen, der ihr nun der Geeignetste, Würdigste 
und Geehrteste schien, den Stadtpfarrer von Hermannstadt Paul 



') Dr. Teutsch : Die Bischöfe der evang. Landeskirche A. B. in Siebenbürgen, 
in den „Prot. Blättern f. d. evang. Oesterreich", 2. Jahrg., Wien 1864 S. 94. 

*) Ebenda. — Vgl. auch „Die Reformation im Sachsenland" a. a. O. 

■) Dr. Teutsch : Die Bischöfe der ev. Landeskirche in Siebenbürgen, a. a. O., S. 77. 

*) Die Reformation im Sachsenland a. a. 0. 



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37 



Wiener zum ersten Bischof der evangelischen Kirche in Sieben- 
bürgen *). 

Nun galt es ihm selbst, was er in seiner , Erläuterung* ge- 
schrieben hatte: »Auch eignet der h. Petrus sich selbst die Herr- 
schaft nit zu, sondern lehret das Gegentheil, da er die Aeltesten und 
Bischöfe ermahnt und spricht (i. Petr. 5, 2 — 3): Weidet die Herde 
Gottes, die unter Euch ist, und versehet sie, nit gezwungen, sondern 
williglich, von Euch selbst und um Gotteswillen, nit aus schändlicher 
Gewinnsucht, sondern aus geneigtem Gemüth, auch nit als Herrschende 
über das Volk, sondern als die geworden sind ein Vorbild der 
Herde. Und wäre zu wünschen, dass in des Papsts und aller Bischöfe 
Höfen diese Worte mit grossen Buchstaben geschrieben wären, und 
die Bischöfe solche Worte zu Herzen nähmen.* Und er hat sie zu 
Herzen genommen und nach Kräften erfüllt. 

Da sein Sprengel die Gesammtheit der Evangelischen in diesem 
Lande, ohne Unterschied der Nation und Sprache, umfasste 2 ), dürfte 
es ihm an Arbeiten und Schwierigkeiten in diesem neuen Amte 
nicht gefehlt haben, neben welchem er selbstverständlich auch sein 
Pfarramt weiterführte. Doch verwaltete er dasselbe mit grossem 
Eifer 3 ). Am 22. März 1553 vollzog er die erste Ordination evange- 
lischer Geistlichen 4 ). Da aber Hermannstadt bald darauf durch eine 
verheerende Pest heimgesucht wurde, was seine seelsorgerliche und 
pfarramtliche Thätigkeit ausserordentlich in Anspruch nahm, betrieb 
er die Anstellung eines Predigers, der neben ihm wirke und ihm 
helfe. Man berief als solchen an seine Seite Matthias Hebler, der 
155 1 Lehrer, 1552 — 53 Rector an der Hermannstädter Schule war, 
und in dieser Stellung sich von der grassirenden Krankheit in treuer 

*) Die „Superintendenten" der evangelischen Kirche in Siebenbürgen werden 
in den Gesetzen und Fürstenbriefen jener Zeit meistens deutsch „Bischöfe", lateinisch 
„Superintendentes" genannt. 

») Wieners Nachfolger Matthias Hebler (s. oben im Text), 1555 als Stadtpfarrer 
von Hermannstadt, am 29. Juni 1556 als Bischof, war nur Superintendent der Kirche 
der sächsischen Nation; neben ihm erscheint in der Synode zu Klausenburg 1557 der 
Klausenburger Stadtpfarrer Franz Davidis als Superintendent der Kirche ungarischer 
Nation. Dieser war jedoch der einzige ungarische Superintendent Augsb. Bek. in 
Siebenbürgen, weil die ungarische Nation sich dann dem Helvet. Bek. zuwandte. — 
Vgl. Teutsch, Die Bischöfe der ev. Landeskirche u. s. w., a. a. O., S. 93. 

s ) J. Michaelis: Das grössere Confirmandenbüchlein a. a. O., S. 121. 

*) Teutsch: Die Bischöfe u. s. w., a. a. O., S. 94. 



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38 



Pflichterfüllung nicht hatte irre machen lassen, auch diese Amtstreue 
nun im Predigtamt nicht weniger bewährte 1 ). 

Leider war es dem frommen, vielgeprüften Bischof Wiener 
nicht beschieden, lange Zeit in diesem ehrwürdigen und einfluss- 
reichen Wirkungskreise thätig zu sein. Von der Pest ergriffen, schied 
er am 16. August 1554 aus diesem irdischen Leben; — »cujus anima 
requiescat in domino* 2 ). 

So schloss sich Paul Wiener's Lebenslauf, reich an äusseren 
Schicksalen und inneren Erfahrungen. In Laibach mit hohen kirchlichen 
und weltlichen Ehrenstellen bekleidet, erschliesst er sich der besseren 
Erkenntniss des Evangeliums und fördert mit ebensoviel Klugheit als 
ohne Falsch deren Verbreitung; — dann in Wien ein gebundener 
Paulus, legt er ein furchtloses und beständiges Bekenntniss und 
Zeugniss von der Wahrheit ab gegenüber dem Könige, den Bischöfen, 
den Doctoren und Schriftgelehrten der katholischen Kirche; — 
zuletzt in Hermannstadt ein armer, um des Evangeliums willen 
verbannter Fremdling, predigt er das Wort des Lebens und wird 
bald darauf durch die Wahl seiner Amtsgenossen als der erste zu 
dem köstlichen Amte eines Landesbischofs berufen; — da endet der 
schwarze Tod die wechselvolle, segensreiche Laufbahn des treuen 
Bekenners, Predigers und Hirten, dem aus jener Zeit in den öster- 
reichisch-ungarischen Ländern nur Wenige an die Seite gestellt 
werden können. 



*) Teutsch: Die Bischöfe u. .s. Vf., a. a. O., S. 100. 

s ) Derselbe, ebenda, S. 94. — Zwei strahiende Kugeln über drei Hügeln 
darüber P W, waren Wiener's Siegel gewesen. (Krain. Landes-Archiv.) 



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Anhang. 



Paul Wiener's Briefe. 

I. 

Paul Wiener an Friedrich Nausea, Laibach 8. Februar 1536 

Paul Wiener, Domherr und Prediger in Laibach, sagt dem 
hochberühmten Theologen Friedrich Nausea seinen herzlichsten Gruss. 

Während ich öfter nach einem Wege suchte, auf welchem ich 
schicklicher Weise zu Deiner Bekanntschaft, vortrefflichster Mann, 
gelangen und meine dienstwillige Ergebenheit Dir zu erkennen geben 
könnte, hielten mich doch bald darauf neu eingetretene Vorfalle von 
meinem begonnenen Vorhaben ab, bis darüber Dein so liebes und 
freundliches Schreiben eintraf, das mir natürlich jedes Bedenken be- 
nahm. Nichts hätte mir angenehmer und willkommener sein können 
als dieses, daher weiss ich es Dir, hochgelehrter Mann, besten Dank, 
und werde Dir fortan stets dankbar dafür bleiben, dass Du, obschon 
täglich mit den bedeutendsten und wichtigsten Dingen zum höchsten 
Ruhm Deiner Stellung und Deines Namens beschäftigt, dennoch bei 
mir Unbedeutendem und Niedriggestelltem, theils aus freien Stücken, 
theils (wie Du schreibst) auf Betreiben meiner Freunde, mit so liebe- 
vollem Briefe hast vorsprechen wollen. Ausserdem hast Du mich mit 
sehr schönen und eleganten Büchlein beschenkt, für die ich Dir zu 
tiefstem Danke verpflichtet bleibe. Könnte ich doch diese Gabe er- 
widern! Inzwischen jedoch mag dieser Brief statt eines Unter- 
pfandes dienen, bis ich das, was meine Freunde versprochen, durch 
die That erweisen kann. Herr Domherr Leonhard Mertlitz, der Dir 
sehr zugethan, beauftragt mich Dich herzlichst zu grüssen. Lebewohl, 
aus vielen Gründen von mir hochzuverehrender Mann, und lass 
mich Dir befohlen sein als ganz den Deinigen. Laibach 8. Februar 1536. 

*) Aus dem Lateinischen übersetzt, und genommen aus „Epistolarum Miscel- 
lanearum ad Fridericum Nauseam Blancicampianum Episcopum Viennensem etc. singu- 
larium personarum libri X; Basileae (Oporinus) 1550; fol. : L. V p. 164 — 5. — Friedr. 
Nausea war damals zum königlichen Hofprediger designirt. 



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2. 

P. Wiener an Fr. Nausea, Laibach 11. April 1539 '). 

Paul Wiener, Domherr in Laibach etc., sagt dem hochwürdigsten 
und hochansehnlichsten Manne Herrn Friedrich Nausea, beider Rechte 
Doctor, der Römischen Majestät etc. Prediger und Rath, seinem 
werthesten Herrn und besten Patrone, herzlichsten Gruss. 

Ausgezeichnetster Herr Doctor. Deinen Brief aus Wien vom 
9. Januar habe ich vor Kurzem bei meiner Rückkehr aus Italien in 
Ordnung vorgefunden. Derselbe war mir sehr angenehm, weil ich 
daraus ersehe, dass Du mich mit besonderer Gunst und Liebe um- 
fassest, und weil mir darin alles versprochen wird, was sich von 
einem nicht nur hochgelehrten, sondern auch frommen und mit allen 
Tugenden gezierten Manne erwarten lässt. Denn Dein schon vor zwei 
Jahren an mich gerichteter freundlicher Brief ist Zeuge Deiner schon 
längst gegen mich gefassten Liebe und Freundschaft. Darauf habe ich 
damals auch nach meiner Wenigkeit geantwortet und einigermassen 
meine Liebe zu Dir brieflich erwidert, worauf Du mir abermals 
schriebest. Aber da ich wusste, dass Du von wichtigern Geschäften 
in Anspruch genommen seiest, wollte ich Deine Ohren nicht weiter 
mit meinem Geschwätz belästigen. Daher beschwöre ich Dich, bester 
und freundlichster Mann, dass Du, wie Du angefangen hast, so auch 
fortfahrest mich in Christo zu lieben. Ich aber werde mich dafür, 
wenn nicht als einen nützlichen, so doch sicherlich als einen treuen 
und aufrichtigen Freund erweisen, und als einen Solchen, bei dem 
Du Deine Wohlthat aufs Beste angebracht zu haben erkennen sollst. 

Was aber meine Lehre anbelangt, so wisse, dass ich hier Tag 
und Nacht darauf bedacht bin, dass das Evangelium Christi, wie es 
durch die Apostel und sodann durch die katholischen und approbirten 
Lehrer der heiligen Kirche Christi gleichsam von Hand zu Hand uns 
tiberliefert und anbefohlen ist, rein und treu gelehrt werde, und be- 
sonders dafür sorge, dass das Volk mit einer richtigen Ansicht von 
Gott und ausnehmender Frömmigkeit gegen ihn zugleich eine solche 
Erkenntniss verbinde, die zum ruhigen und gedeihlichen Lauf der 
christlichen Religion gehört. Den Urheber jenes unbilligen Ver- 
dachts über mich habe ich jedoch in keiner Weise sicher ausfindig 
machen können. 

l ) Aus dem Lateinischen; a. a. O., I.. VII p. 243. 



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41 



Neues haben wir hier nicht, ausser dass Alle mit grösstem 
Verlangen die Ankunft der Kaiserlichen Majestät mit einer grossen 
Seemacht in Italien erwarten. Wir aber versprechen uns inzwischen 
von unserm Kaiser und dem Könige, den besten und unüberwindlichsten 
Fürsten, alles Beste und Gnädigste, daher wir auch deren Wohl 
(wie wir schuldig sind) sowohl öffentlich als privat auf das Fleissigste 
dem Herrn unserm Gott befehlen. Lebe wohl, Bester. Gegeben zu 
Laibach den IL April im Jahre des menschlichen Heiles 1539. 

3- 

P. Wiener an Fr. Nausea, Laibach 5. Juni 1541 J ). 

Paul Wiener, Domherr und Prediger zu Laibach etc., sagt dem 
Hochwürdigsten und Hochansehnlichsten Manne, Herrn Friedrich 
Nausea, beider Rechte Doctor, der Wiener Kirche fürsorglichem Co- 
adjutor, Römischer Königlicher Majestät Rath und Prediger etc., 
seinem hochgeehrten Herrn und Patron, herzlichsten Gruss. 

Hochwürdigster und Hochansehnlichster Mann. So viele und 
fast unzählbare Ursachen fordern fast mit einem gewissen Rechte 
von mir, dass ich alles, was ich Dir dienlich weiss, nicht nur gern, 
sondern wenn möglich auch reichlich besorge. Ich erhielt Deinen 
Brief aus Wien vom 29. April gerade am heiligen Pfingsttage durch 
einen mir unbekannten Boten. Durch wessen Schuld und Nachlässig- 
keit derselbe mir so verspätet zugekommen ist, weiss ich nicht. 
Aber unverzüglich habe ich mit einigen meiner Freunde berathschlagt, 
ob sich unsere derartigen Wipacher Weine in dieser Jahreszeit auf 
weitere Strecken gut versenden lassen. Alle sind, wie ich höre, der 
Ansicht, dass dies durchaus unthunlich sei, weil diese Weine bei 
eingetretener Sommerhitze sofort sauer werden. Ich bedauere recht 
sehr Deinen derartigen Wunsch nicht früher erfahren zu haben, wo 
ich dann keine Mühe und Unkosten in Ausführung der Sendung ge- 
spart haben würde. Wenn es Dir späterhin taugt, so werde ich dafür 
sorgen, dass Du sofort nach der Weinlese mit dem besten und kost- 
barsten Weine versorgt wirst. Uebrigens haben wir hier zu Lande 
rothe Friauler Weine, die täglich hieher zu uns gebracht werden, 
und welche allgemein für dem Magen sehr zuträglich gehalten werden 
und, wie man behauptet, magenstärkend sind. Wenn Du etwa zu 

') Aus dem Lateinischen; a. a. O., L. VIII p. 313. 



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42 



diesen Lust haben solltest, so würde ich meinerseits alles aufbieten, 
dass Dir einige Eimer davon rechtzeitig zukommen. Was aber Deine 
leidende Gesundheit betrifft, so kann ich leicht begreifen, dass Du 
in diesen ernsten und schwierigen Zeitläufen so beschäftigt bist, dass 
Du kaum hie und da von Deinen Arbeiten aufathmen kannst. Darum 
möchte ich Dich ermahnen, einen Theil der Arbeit beiseitzulegen und 
für Deine Gesundheit zu sorgen. Mich und meine Dienste und was 
nur in mir ist, befehle ich Dir ergebenst. Gegeben in Eile am Pfingst- 
fest, Anno etc. (15)41. 

4- 

P. Wiener an Fr. Nausea, Laibach 3. März 1542 

Paul Wiener, Domherr und Prediger zu Laibach, sagt dem Hoch- 
würdigsten und Erlauchten Fürsten und Herrn, Herrn Friedrich Nausea, 
Bischof von Wien, der Römischen Königlichen Majestät etc. Rath, 
seinem Hochzuverehrendsten Herrn und Gönner, herzlichsten Gruss. 

Hochwürdigster und Erlauchter Bischof, Gnädigster, Hochzu- 
achtender Herr. Als ich in diesen letzten Tagen durch Briefe und 
mündliche Mittheilung meiner Freunde erfuhr, dass Du von Deiner 
so schwierigen und langen Reise glücklich nach Wien zurückgekehrt 
seiest, ward ich mit so grosser Freude erfüllt, dass ich es kaum 
sagen kann. Denn wir hatten hier in dieser Zeit keinen grössern 
Wunsch, als dass der allgütige Gott Dich wohl und unversehrt und 
in kräftiger Gesundheit uns wiedergebe. 

Was nun den Dir zu sendenden Wein anbelangt, so wirst Du 
von Deinem Freunde Joh. Frasinus Halius meine Meinung erfahren 
haben. Denn weil Du so lange Zeit von Wien abwesend wärest, 
auch weil die Pest hie und da mit grosser Heftigkeit wüthete, Hess 
sich überhaupt nichts schicken. Nachdem ich aber gehört habe, dass 
die Luft nun wieder gesünder und ruhiger sei, so lass mich, wenn 
es Dir genehm ist, so bald als möglich Deine Meinung wissen. Denn 
die sogenannten Wipacher Weine werden zu dieser Zeit vortrefflich 
gefunden, wenn ich nur weiss, wie viele Säume (nach dem gewöhn- 
lichen Ausdruck) oder Pferdelasten Du zu haben wünschest. Inzwi- 
schen empfehle ich mich und alle meine Dienstbeflissenheit Dir 
bestens. Gegeben zu Laibach 3. März Anno etc. (15)42. 

») Aus dem Lateinischen; a. a. O., L. VIII p. 345. 



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43 



5- 

P. Wiener an Fr. Nauses, Laibach 77. September 1542 l ). 

Paul Wiener, Domherr zu Laibach etc., sagt dem Hochwür- 
digsten Herrn Friedrich Nausea, Bischof zu Wien etc., seinem Hoch- 
zuverehrendsten Herrn und Patron, Gruss. 

Hochwürdigster Fürstbischof, Hochzuverehrendster Gönner und 
Herr. Die ergebene und unwandelbare Erbietung meiner Dienste zu- 
vor. Da ich erfahre, dass der Ueberbringer dieses, Mathias Klombner, 
mein vertrauter Freund und früher Landschreiber 2 ) dieser unserer 
Provinz, nächster Tage zu Dir kommen wird, so wollte ich gern 
wenigstens ein paar Zeilen schreiben, um Dich zu grüssen und 
meiner Ergebenheit zu versichern, was, wie ich nicht zweifle, Dir 
nicht unangenehm sein wird. 

In welcher Lage sich hier unsere und der benachbarten Länder 
Angelegenheiten befinden, wirst Du besser von Jenem erfahren, zu- 
mal es sich weder mit wenigen Worten sagen lässt, noch auch der- 
zeit alles sicher einem Briefe anvertraut werden kann. Ausser dem 
steten Türkenschrecken und ausser jenem kriegerischen Aufstand 
gegen die geheiligte Kaiserliche Majestät und die ganze Christenheit 
selbst, geisselt uns auch die abscheuliche Seuche und Pest der Heu- 
schrecken, die nun schon seit 22 Tagen das ganze Land durchzogen 
haben, und (um des Plinius Worte zu gebrauchen) mit solchem 
Schwirren der Flügel fliegen, dass sie für eine andere Art von Vögeln 
gelten können und selbst die Sonne zu verdunkeln scheinen. Bereits 
haben sie alle Saaten und Wiesen durch Frass und Berührung ver- 
derbt, und sind so keck und verwegen, dass sie selbst Mauern ohne 
Schaden überspringen. Dieser Heuschreckenschwarm durchzieht aber 
nicht blos diese Provinz Krain, sondern auch Kärnten, Friaul, Kroatien, 
Slavonien und einige Theile von Ungarn, so dass der Prophet recht 
geredet hat: von ihrem Anblick werden die Völker gepeinigt, weil 
die Lager des Heeres des Herrn zu viele sind 3 ). 

Was aber in den letzten Tagen zu Venedig aus den Ränken 
und Verschwörungen des Königs von Frankreich erfolgt ist, und 



*) Aus dem Lateinischen; tu a. O.. L. VIII p. 342. 
a ) Cancellarius. 

») Ueber die damalige Nothlage Krains vgl. Dimitz, Geschichte Krains, II. 179. 



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44 



welchermassen der venezianische Senat einige Patrizier bestraft hat 
das wirst Du von meinem genannten Freunde ausfuhrlicher erfahren 
können, auf dessen mündlichen Bericht ich mich beziehe. Da wir 
denselben in der bekannten Angelegenheit unseres Landes zur ge- 
heiligten Römischen Majestät, unserm gnädigsten Landesfursten und 
Herrn etc. senden, empfehle ich ihn Dir auf das Angelegentlichste 
und Wärmste. Weiteres sehr bald mündlich. Inzwischen empfehle 
ich Dir mich und alle meine Angelegenheiten bestens. Gegeben zu 
Laibach n. September Anno etc. (15)42. 

6. 

Paul Wiener an König Ferdinand (Wien im Juni 1548) 2 ). 

Allerdurchlauchtigster Grossmächtigster Römischer, zu Ungarn 
und Böheim etc. König, Allergnädigster Herr. Eurer Rom. Kön.Maje- 
stät sind meine getreuen Gebete gegen Gott und unterthänigster Gehor- 
sam in allweg zuvoran bereit. Allergnädigster König, auf Eurer Rom. 
Kön. Majestät Befehl ist mir abermals vor etlichen Wochen Eurer Maje- 
stät Rathschlag (Entschliessung) durch Derselben Räthe der Nieder- 
österreichischen Regierung, die Edlen Hochgelehrten Herrn Georg von 
Ripur und Herrn Bernhard Walter, beide der Rechte Doctor, vor- 
gehalten worden, daraus ich nicht wenig Betrübniss empfangen, 
nachdem ich finde, dass Eure Kön. Majestät durch meine Wider- 
sacher von Tag zu Tag mehr und heftiger wider mich entzündet 
werden. Doch erfreue ich mich und werde wiederum getröstet, dass 
mir Eure Kön. Majestät allergnädigst die Erläuterung zugelassen, 



*) Der Rath der Zehn verurtheilte damals (4. Sept. ff.) den Agostino Abondio 
und Nie. Cavazza zum Tode, den Bern. Capello, Constant. Cavazza, Hermol. Dolfin, 
Franc. Giustinian Maffeo Leo und Giov. Franc. Valier zur Verbannung, weil sie dem 
französischen Agenten Ant. Rincon Staatsgeheimnisse mitgetheilt hatten. (K. Staats- 
Archiv in Venedig, Cons. dei X, Rubric. L. V Criminalium.) 

a ) Aus dem früher erwähnten Cod. cart. Nr. 1144 der Hamburger Stadtbiblio- 
thek. Derselbe enthält ausser diesem „Memorial" auch die „Erläuterung" in gleich- 
zeitiger Abschrift, und zwar, wie mir scheint, von der Hand eines vieljährigen Secretärs 
des Herrn Hans Ungnad, was zugleich dessen Verbleib in Schwaben (von wo es in 
B. Raupach's Hände, und mit dessen Nachlass in die Hamburger Stadtbibliothek ge- 
langte) erklären dürfte. — Orthographie und Interpunction des alten Schriftstückes 
wurden modernisirt, auch einigen wenigen Wörtern behufs leichteren Verständnisses 
ihre jetzige Form oder Satzstellung gegeben, sonst ist es wortgetreu wiedergegeben. 



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45 



warum ich die vorgehaltene Revocation nicht thun möge, und was- 
gestalt dieselbe wider Gottes Ehre und Gewissen, auch zu Verdunk- 
lung und Unterdrückung des theuern, werthen Verdiensts Christi Jesu 
unsers Seligmachers gereichen würde etc., welche allergnädigst zu- 
gelassene Erläuterung ich mit Freuden und unterthänigster Dank- 
barkeit vernommen. Gott der Allmächtige wolle Eure Rom. Kön. 
Majestät für solche Gnade und allergnädigstes Verhör (Anhörung) 
hier zeitlich und dort ewiglich belohnen! Desshalb vergiesse ich 
täglich meine Zähre zu Gott und unserm Herrn Jesu Christo. 

Wiewohl ich aber den ganzen Winter schwer krank und 
schwach gewesen und mich noch am Stab behelfen muss, und mir 
nunmals meiner Schwäche halber an der Memorie (am Gedächtniss) 
viel fehlt, auch Mangel an Büchern habe, die doch allein meine 
Rathgeber sein sollen, so habe ich doch auf die in der Revocations- 
schrift vermeldten Artikel eine klare Erläuterung und unterthänigsten 
Bericht gestellt, den ich Eurer Kön. Majestät vermeldten Commis- 
sarien in aller Demuth überantwortet, den ferner Eurer Rom. Kön. 
Majestät gehorsamst zu übersenden, welches sonder Zweifel hierneben 
geschehen, verhofTe auch, solcher mein Bericht und Erläuterung sei 
dermassen gestellt, dass in meinem Bekenntniss kein Artikel ge- 
funden werde, der nicht gegründet sei in der heiligen biblischen 
Schrift und dazu mit Sprüchen der alten katholischen Väter be- 
wiesen. Weil aber mein Bericht in deutscher Sprache etwas lang, 
und den Eure Kön. Majestät bei so vielen hochwichtigen Geschäften 
vielleicht nicht Müsse haben zu lesen, habe ich die Sprüche der 
Väter, die ich bei einem jeden Artikel eingeführt, besonders in 
Latein gestellt, ob Eure Kön. Majestät dieselben allergnädigst zu 
sehen und zu lesen hätten, daraus würden Eure Kön. Majestät bald 
sehen, und schliessen können, dass die vermeinte Revocationsschrift 
nicht allein wider die heilige kanonische Schrift, sondern auch wider 
den Consens und die einhellige Meinung der orthodoxen Väter ge- 
stellt sei, und dass kein Christ ohne Verletzung Gottes und Be- 
schwerung seines Gewissens, und vieler Menschen Aergerniss sie 
bekennen könne. 

Und weil Eure Rom. Kön. Majestät bei vielen Nationen und 
sonderlich in der Christenheit so hohen Ruhmes und Preises ist um 
der Gerechtigkeit willen, die Eure Kön. Majestät gegen Männiglich 
in zeitlichen und weltlichen Handlungen gebraucht, davon auch Eurer 



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46 



Majestät grosse Königreiche und Länder zugestanden, so bitte ich 
Eure Kön. Majestät um des werthen theuern Verdiensts Jesu 
Christi willen, weil ich je also gnädiglich zu meiner Verantwortung 
zugelassen, Eure Kön. Majestät wolle meine Widersacher in diesem 
göttlichen hochwichtigen Handel nicht als Richter gebrauchen, auch 
mich nicht übereilen, denn es betrifft Gottes Ehre und der Menschen 
ewige Seligkeit. 

Darius befand zuletzt das falsche Urtheil über den Daniel und 
Hess seine Widersacher sammt ihren Weibern und Kindern in der 
Löwen Grube werfen, die auch von den Löwen zerrissen wurden, 
ehe sie zu der Erde kamen (Daniel 6). Also geschah dem Haman, 
der dem Mardachei einen Galgen gebaut, aber er ward selbst daran 
gehängt (Esther 7). Dem Elias vermeinten die falschen Propheten den 
Tod, aber aus Erfindung der Wahrheit wurden die falschen Propheten 
getödtet (i. Kön. 18). Daniel erlöste die Susanna von den falschen 
Zeugen, die auch darob getödtet wurden (Dan. 13 = Susanna). 

Also bin ich auch in unterthänigster Hoffnung, wo Eure Rom. 
Kon. Majestät meine wahre Unschuld und die biblische göttliche 
Schrift recht vernehmen, ersehen und ergründen lassen, Eure Kön. 
Majestät werde in aller meiner Verhandlung die rechte gründliche 
göttliche Wahrheit und meine Ankläger im Gegentheil befinden. 
Gott der Herr weiss, was sie für Ursach zu mir gehabt, dass sie 
mich bei Eurer Kön. Majestät so heftig angegeben und mich in 
diese langwierige Gefangenschaft gebracht, darin ich an Leib und 
Gut verderbe. Damit sie aber vor Eurer Kön. Majestät und Männig- 
lieh bestehen und nicht für unrecht geachtet würden, wenden sie 
allen ihren Fleiss an, damit sie Eure Kön. Majestät zu grosser Un- 
gnade wider mich entzünden möchten. Denn sie wissen wohl, dass 
des Königs Ungnade, wie Salomo spricht, ein Bote des Todes ist, 
aber er setzt hinzu : ein weiser Mann wird ihn versöhnen ; wiewohl 
sie diesen Ausspruch nicht wollen gebrauchen, sondern verharren 
in ihrem gehässigen Vornehmen, und suchen nicht mein Heil, 
sondern mein Verderben. 

Nun sind meine Predigten vorhanden; so leben noch viele 
fromme Biederleute von Adel und andern Ständen, geistlich und 
weltlich, die meine Predigten gehört und wissen, ob die christlich 
oder ärgerlich, erbaulich oder schädlich gewesen. So aber meine 
Widersacher meine Lehre, die ich gepredigt, nicht wissen noch ver- 



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mögen zu strafen, suchen sie allerlei Weg mit Inquisitionen, Aus- 
fragung anderer Personen, die doch untauglich sind, auch mit und 
durch mein selbst Befragen und Examinieren, wie zu Laibach und 
hier zu Wien geschehen, alles darum, ob sie mich in meinem Be- 
kenntniss zuwider meinen Predigten ergreifen und erschleichen 
möchten, und haben mein Bekenntniss zu Laibach so aufrecht zu- 
sammengebracht und der Zeugen Aussagen so gut gestellt, dass 
sie die an Tag zu geben nicht wagen, und doch Eure Kön. 
Majestät dahin bewogen, dass Eure Majestät zu Augsburg über das- 
selbe vermeinte Bekenntniss und Zeugenaussage durch etliche Theo- 
logen ein Urtheil (haben) sprechen lassen, dabei mein Widersacher 
Doctor Burkhard auch soll gesessen sein. Aber mir ist solch mein 
Bekenntniss, Zeugenaussage, noch Urtheil nie vorgebracht (worden), 
darin mich zu ersehen, sondern (ich) bin von Laibach aus dem Ge- 
fängniss hieher geführt worden und auf Eurer Kön. Majestät aller- 
gnädigste Verordnung durch die Hochwürdigen , Hochgelehrten, 
meine gnädigen und gebietenden Herren, nämlich drei Bischöfe: zu 
Wien, Laibach und Neustadt, auch fünf Doctores: Leonhard Vil- 
linus, Ambrosius Salzer, Wolfgang Lazius, Burkhard de Monte und 
Christoph Freisleben examinirt und verhört worden. Wie aber das- 
selbige Examen und Aufrichtung meines Bekenntnisses durch meine 
Widersacher, die auch Mitcommissarien gewesen, gehandelt und be- 
fördert worden, thue ich in meinem unterthänigen Bericht eine 
wahrhafte Meldung, und bitte Eure Kön. Majestät um Gottes Ehre 
willen sich von den Herren Commissarien , ausgenommen meine 
wissentlichen Widersacher i ), eigentlich zu erkundigen, wie die Sachen 
eine Gestalt haben, und ob sie bei ihrem Gewissen sagen mögen, 
dass mir von Recht und Billigkeit wegen irgendeine ordentliche 
Busse oder Widerruf kann und mag auferlegt werden. Denn ich 
unterschiedlich von den Artikeln, die ich gepredigt, und wieder 
unterschiedlich von denen, die ich nicht gepredigt, geredet habe, 
wie auch billig ein Unterschied soll gehalten werden in dem, was 
Einer (in) öffentlichen Predigten lehrt, und was er sonst bekennt, 
wenn er von seinem Glauben und Dafürhalten gefragt wird, wie 
auch der heilige Augustinus spricht : Aliud est quod docemus, aliud 



*) Offenbar sind hier der Bischof Urban Textor von Laibach und der Doctor 
Burkhard de Monte gemeint. 



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quod sustinemus, das ist: Es ist ein anderes, das wir lehren, ein 
anderes, das wir dulden. Also habe ich viele Sachen in der Kirche 
geduldet, die in grossem wissentlichem Missbrauch sind. Weil 
aber meines Amtes nicht gewesen, Anordnungen in der Kirche zu 
machen, habe ich's dulden müssen und derweilen von Busse und 
Besserung des Lebens, und von des Glaubens Rechtfertigung und 
derselben rechten Früchten, wahrem Gehorsam Gottes und der 
Obrigkeit desto fleissiger mit christlicher Bescheidenheit gepredigt, 
dass Eurer Kön. Majestät und Derselben nachgesetzten Obrigkeiten 
kein Aufruhr, Ungehorsam oder 'Nachtheil im ganzen Land dadurch 
erfolgen und bewiesen werden ; ist auch ohne alles Aergerniss ge- 
schehen, wie Männiglich weiss ; und bin erbötig, wer sich an meinen 
Predigten und Lehre geärgert, der komme hervor, ich will ihnen 
Rechenschaft von aller meiner Lehre geben und derselben guten 
gewissen Grund anzeigen. Solches wissen meine Widersacher sehr 
wohl, darum sie in meinen Predigten nicht viel suchen lassen. Die 
umgehen sie in meinem Bekenntniss, das Doctor Burkhard nicht 
wie ich es eigentlich bekannt, sondern wie es ihm und seiner Partei 
gefällig und gelegen, gestellt hat. Darauf er auch die vermeinte 
Revocationsschrift, die sich doch auf das gestellte Bekenntniss nicht 
fügt (passt), arglistig vorgenommen, und Eurer Kön. Majestät diesen 
jetzigen neuen Rathschlag auch eingebildet (eingeflüstert). Was er 
aber damit sucht und meint, verstehe ich, Gottlob! ganz wohl. 
Weil ich aber je zu dem berufen, dass ich mein Bekenntniss thun 
und desselben Grund und Ursach auf Befehl Eurer Kön. Majestät 
soll anzeigen, will ich um seinet- und seiner Partei willen Eurer 
Kön. Majestät in nichts heucheln, sondern was ich verstehe, das 
habe ich in diesem meinem beiliegenden Bericht und Erläuterung 
angezeigt, dabei ich auch bleiben und verharren will, nur allein ich 
würde mit besserm Grund anders unterrichtet, versehe mich aber, 
ich sei zuvor auf dem rechten Grund und Weg, wie ich auch 
damit verhoffe und von Herzen wünsche vor den Richtstuhl 
Christi Jesu, da alle Menschen und Gewissen offenbar und gerichtet 
werden, zu kommen und mit meinem Bekenntniss zu bestehen, es 
urtheile nun die ganze Welt davon wie sie wolle. Ich bitte aber 
Eure Kön. Majestät aufs Demüthigste, Eure Majestät wollen sich 
durch meiner Widersacher Einbilden und Glossieren (Einflüsterungen 
und Bemerkungen) nicht irren lassen, sondern ein gnädigstes fleis- 



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49 



siges Aufmerken haben auf die Artikel, die ich gelehrt und öffent- 
lich gepredigt, und wieder auf die, so ich bei mir selbst behalten. 
Denn wie mögen meine Widersacher für Ursach gehabt haben mich 
dermassen bei Eurer Majestät zu verklagen um der Artikel willen, 
die ich nicht gepredigt, sondern erst jetzt in meinem Bekenntniss 
auf die Fragen anzeige? Damit sie aber desto bessern Schein und 
Fug ihrer Klage haben möchten, nehmen sie jetzt alle Artikel zu- 
sammen und geben vor, man hätte gute Ursach gehabt mich ge- 
fänglich anzunehmen (festzunehmen), weil ich diese Artikel bekenne. 
Ob aber ihr Vorgeben genügend sei, (das) gebe ich Eurer Kön. 
Majestät, als einem hochverständigen und christlichen König, und 
Männiglich zu erkennen (beurtheilen). Denn wenn man meinen 
Glauben und Lehre nach der Richtschnur des göttlichen Wortes 
(wird) richten und urtheilen, wie es billig sein sollte, so würde wol 
zu sehen (sein), ob ich ein abtrinniges Glied von der heiligen christ- 
lichen Kirche genannt mag werden oder nicht, und ob meine Pre- 
digten und Lehren den Schäflein Gottes ärgerlich und verführlich 
gewesen, auch ob sich Jemand ob meinem beweibten Leben, darein 
ich mich doch aus Gottes Ordnung, Wort und Befehl begeben, wie 
in meinem jetzigen Bericht vermeldet, ärgern möchte oder nicht ; 
(ich) hätte auch keinen Zweifel, Eure Kön. Majestät würden aller- 
gnädigst befinden, dass mir meine Widersacher grösslich Unrecht 
gethan, die mich bei Eurer Majestät verklagt und für eine schäd- 
liche Person angegeben, gegen die Eure Kön. Majestät überflüssige 
Ursach gehabt hätten und noch haben sollen mit ernstlicher Strafe 
zu verfahren, wie das und anderes in Eurer Majestät Rathschlag 
vermeldet wird. (Ich) bin aber unterthänigster Hoffnung, Euer Kön. 
Majestät werden meinen unterthänigsten Bericht und Erläuterung 
der Artikel nicht nach meiner Widersacher Meinung und Einbilden 
(Einflüsterung), sondern nach der heiligen Schrift annehmen und 
ansehen. Denn Eure Kön. Majestät haben ihrem hohen Amt und 
Pflicht nach allergnädigst zu bedenken, wozu die heilige biblische 
kanonische Schrift von Gott gegeben sei, nämlich, wie der heilige 
Paulus sagt (2. Timoth. 3), dass sie nütze sei zur Lehre, zur Strafe, 
zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, dass ein Mensch 
Gottes sei vollkommen, zu allem guten Werk geschickt, etc. '). 

*) Paul Wiener bedient sich hier der Bibelübersetzung Luther's. 

Jahrbuch des Protestantismus 1882. 4 



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Aus diesen Worten versteht Männiglich, dass keine andere 
Weise, Mittel und Rath ist unter den Menschen Frieden, Ruhe und 
des Glaubens Einigkeit zu erhalten, denn durch die biblische kano- 
nische Schrift; und das beweisen auch aller alten Concilien Ver- 
handlungen. Darum auch Kaiser Constantinus in dem Nicäischen 
Concile in seiner Vorrede gerathen, man solle die Disputation, so 
zu derselben Zeit der Ketzer Arius erweckt, aus dem lautern Wort 
Gottes erörtern, und spricht also: In disputationibus rerum divi- 
narum habetur praescripta Spiritus Sancti doctrina; Evangelici et 
Apostolici libri cum prophetarum oraculis plene nobis ostendunt 
sensum numinis. Proinde discordiam ponamus et sumamus ex verbis 
spiritus quaestionum explicationes. Das ist : In der Disputation von 
göttlichen Dingen hat man die vorgeschriebene Lehre des heiligen 
Geistes; die evangelischen und apostolischen Bücher mit der Pro- 
pheten Weissagungen zeigen uns völlig an den göttlichen Verstand. 
Darum legen wir die Uneinigkeit von uns und nehmen der Fragen 
Auslegung aus den Worten des Geistes. 

Diesem kaiserlichen christlichen Rath Constantins wollen Eure 
Kön. Majestät als ein christlicher König auch nachfolgen und 
eigentlich wissen , dass dem jetzigen Zwiespalt und Irrungen, 
nicht allein mit mir, sondern mit der ganzen heiligen christlichen 
Kirche, durch keine andere Weise, Mittel und Weg wird geholfen 
werden mögen, denn durch die prophetischen, evangelischen und 
apostolischen Bücher, wie allda der Kaiser Constantinus schliesst, 
und ist dafür je und all weg angesehen, ist auch aller gelehrten 
Bischöfe und Väter Rath und Meinung nie anders gewesen. Wo 
nun Eure Kön. Majestät Gottes Ehre und der Menschen ewige 
Seligkeit nützlich befördern wollen, wie mir denn an der Meinung 
und Gemüth Eurer Kön. Majestät gar nicht zweifelt und ich weiss, 
dass Eure Kön. Majestät einen grossen Eifer zu der Gerechtigkeit 
und rechtem wahrem Gottesdienst trägt, — Gott gebe, dass solcher 
Eifer zu Gottes Ehre gereiche, wie das meine Zähren im Gebet zu 
Gott täglich bitten und wünschen, — so soll Eure Kön. Majestät 
diesem Rath des Kaisers Constantin folgen und alle Disputation, 
Zwiespalt und Irrungen mit der heiligen biblischen kanonischen 
Schrift entscheiden lassen, darin alles, was zu unserer Seelen Heil 
von Nöthen, genugsam beschrieben und angezeigt worden. Thut 
man anders, so handelt man wider Gott und wider die einhellige 



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Meinung und Consens der wahren allgemeinen katholischen und 
orthodoxen heiligen christlichen Kirche, und wird den Gewissen mit 
Grund nicht geholfen, sondern sie werden sammt dem zeitlichen 
Unglück und allerlei Plagen in ewige Verzweiflung und Verderben 
gebracht. Das wird zuletzt ein Jeder mit seinem grossen Schaden 
erfahren. Davon geben Zeugniss die Historien im Buch der Könige 
und der biblischen Chronik. Darin soll fleissig gesehen werden auf 
die guten und bösen Könige, was jedem Theil gefolgt ist, auch 
wie die Könige, nachgestalt wie sie fromme oder böse Hohe- 
priester hatten, zu rechtem oder falschem Gottesdienst bewogen 
worden sind, welches mit Exempeln auszuführen zu lang, wie ich's 
auch für unnöthig halte, allein dass ich solches Eurer Kön. Majestät 
aus unterthänigstem Gehorsam erinnere und mein treu Bedenken 
anzeige, mit demüthigster Bitte, weil ich in keinem Artikel des 
Glaubens für irrig beschuldigt werde, sondern die Artikel, so mir 
vorgehalten, auf ein christlich Concil zu entscheiden stehen, und 
zuvor etliche Male in Concilen, — darein ich mich referiert — , für 
christlich approbiert und angenommen. Darum auch alle solche 
Artikel, die mir gegenüber als irrig geachtet werden, billig sollen 
angestellt werden. Denn zum Halten solcher Artikel hat mich weder 
Wollust, Leichtfertigkeit, Frevel, Ehrgeiz, noch Gut, sondern allein 
die Ehre Gottes und meines Nächsten Seelenheil bewogen. 

Und nachdem Eure Kön. Majestät dieser Zeit schon vorher 
mit andern hochwichtigen Sachen beladen, und dieser mein Handel 
abermals eine lange Zeit anstehen möchte, mir auch der Unterhalt 
von Eurer Kön. Majestät Hof nun bis in den fünften Monat nicht 
ist gereicht worden sondern ich mich (mit) entlehntem Geld eine 
Zeit lang sammt meinem Mitgefangenen, und hernach mich selber 
mit meinen Wärtern über mein Vermögen unterhalten müssen und 
mich Armen in Schulden verstrickt ; nachdem mir durch den Herrn 
Bischof von Laibach, wie er vorgegeben auf Eurer Kön. Majestät 
Befehl, mein Einkommen die zwei Jahr (her) verboten und in Arrest 
gelegt, auch sonst meine Armuthei und Gütel verpetschiert worden, 
darum mir allhier dergestalt länger zu bleiben nicht möglich, muss 
(ich) mich Noth halben eine Zeit lang an einen andern Ort thun, 
allda ich meinen Unterhalt und Nothdurft möge überkommen, bin 



') Als Gefangener des Königs war er natürlich dazu berechtigt. 

4* 



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r>2 



aber erbotig, es sei in einem freien Concil oder vor unparteiischen 
Richtern, allweg auf meiner Widersacher Ansuchen Antwort zu 
geben. Und (ich) bitte Eure Kön. Majestät um Gottes willen, aller- 
gnädigste Verordnung zu thun, dass mein Getreide, so zu Laibach 
bei einander in Arrest liegt, meinem Gesinde zugestellt (werde), und 
sie das versilbern (verkaufen), davon sie mir ein Geld zu Abzahlung 
meiner Schulden und Unterhalt schicken, auch ihren eigenen Unterhalt 
haben und meines seligen Bruders, der in Eurer Majestät Diensten 
vor Clissa umgekommen, hinterlassenem Weib und Kindern ihre 
Nothdurft geben möchten, wie ich's denn die zwölf Jahre her er- 
halten, damit sie nicht zum Bettelstab gedrängt werden, wie ich 
Eure Kön. Majestät zuvor auch unterthänigst gebeten; bin unge- 
zweifelter Hoffnung, Eure Kön. Majestät werden mich und dieselben 
sammt meinem verlassenen Gesinde christlich und allergnädigst be- 
denken. 

Nachdem auch meine fahrende Habe eine lange Zeit versperrt 
(ist) und schadhaft wird, bitte ich Eure Kön. Majestät auf s De- 
müthigste, dieselbe meinem Gesinde öffnen zu lassen, damit sie 
dazusehen und (sie) vor Schaden behüten mögen. Das alles um Eurer 
Kön. Majestät und Derselben geliebten königlichen Kinder Gesund- 
heit und glückselige langwährende Regierung will ich mit meinem 
getreuen Gebet zu Gott dem Allmächtigen in aller Unlerthänig- 
keit zu verdienen nimmermehr vergessen, und thue mich Eurer 
Kön. Majestät, meinem allergnädigsten Herrn, in unterthänigstem 
Gehorsam empfehlen. 

Eurer Königlichen Majestät 

unterthänigster 
Paulus Wiener. 



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II. 

Bericht des Central - Ausschusses über das Vereins- 
jahr 1881. 

Viel Neues haben wir nicht zu berichten, aber, Gott sei Dank, auch nichts 
Unangenehmes. Wir haben vielmehr Ursache zufrieden zu sein mit den Fortschritten 
unserer Gesellschaft. Erstens ist die Zahl der Mitglieder gewachsen: wir zählen deren 
nun 231 und geben die Hoffnung auf eine wenn auch langsame doch sichere Vermehrung 
keineswegs auf. Zweitens laufen bei dem Redactionsbureau fortwährend interessante 
bedeutende historische Beiträge ein, welche Zeugniss ablegen von der warmen Sym- 
pathie, die man in den verschiedensten Kreisen unserem Jahrbuche entgegenbringt. 
Drittens haben wir mit Freuden wahrgenommen, dass unsere Veröffentlichungen auch 
von der Kritik auf das Wohlwollendste aufgenommen und u. A. von dem „Theolo- 
gischen Literaturblatt" (Leipzig, Nr. 20/81), von der „Theologischen Literaturzeitung" 
(Leipzig, Nr. 15/81), von der „Neuen Evangelischen Kirchenzeitung" (Berlin, Nr. 22/81) 
mit ungetheilter Freude begrüsst worden sind. Auch die „Sodete* de l'histoire du 
Protestant isme francais" hat uns in einem schmeichelhaften Schreiben ihre Freude 
über unsere Arbeiten ausgedrückt und sich bereit erklärt, uns ihre Monatshefte 
gegen unsere Vierteljahreshefte zu schenken. Und endlich ist unser Vermögensstand 
ein solcher, dass wir bis jetzt wenigstens allerdings kein Honorar zahlen, aber doch 
alle sonstigen Auslagen bestreiten können. Die Einnahmen (und zwar Saldo vom Jahre 
1S80 = 526 fl. 1 kr., eingegangene Mitgliederbeiträge = 188 fl. 80 kr.) beliefen sich 
für das Jahr 1881 auf 714 fl. 81 kr. Die Ausgaben (Miethe = IOO fl., Druckkosten 
von Heft I und 2 = 232 fl., Diverse = 35 fl. 9S kr.) betrugen 367 fl. 98 kr. Es 
ergibt sich also Ende December 1881 ein Vermögensstand von 346 fl. 83 kr. Im 
Vergleiche zu dem vorjährigen Cassabcstande scheint dieser Abschluss weniger günstig 
zu sein, allein der Schein trügt auch hier. Es waren nämlich Ende December nicht 
nur viele Mitgliederbeiträge pro 1880, sondern auch bei weitem die meisten Beiträge 
pro 1881 rückständig. Dieselben gingen erst im Laufe der Monate Januar und Februar 
1882 ein. Nachdem aber dieselben im Jahre und für das Jahr 1881 hätten eingehoben 
▼'erden sollen, so gibt der Abschluss der Verrechnung pro Ende Februar 1882 ein 
viel richtigeres Bild über den Stand des Vermögens unserer Gesellschaft als der Ab- 
schluss der Rechnung pro Ende 1881. Demnach sind eingegangen 983 fl. 83 kr. und 
wurden ausgegeben 319 fl. 50 kr., so dass wir nun (Ende Februar 18S2) im Besitze sind 
von 664 fl. 33 kr. — Das sind wahrlich keine Reichthümer, aber das tägliche Brod 
ist doch vorhanden. Hoffen wir, dass unsere Glaubensgenossen uns bald derart unter- 
stützen werden, dass es uns auch möglich sein wird, Honorare zu zahlen und Bücher 
zukaufen. Denn sonst bleiben wir ewig gehemmt. Um das statutengemässc Ziel unserer 
Wirksamkeit erreichen zu können, müssen wir über mehr Geld verfügen. Wie schön, 



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54 



wenn wir hier in Wien ein protestantisches Museum gründen könnten, in welchem 
Alles, was sich auf die Geschichte unserer Vorfahren bezieht, nach und nach Aufnahme 
finden würde. Wie sich unser Archivar — und mit ihm auch Andere — darüber freuen 
würde ! Darum bitten wir dringend : unterstützet mit reichen Mitteln die Gesellschaft für 
die Geschichte des Protestantismus. Sie wird nicht am wenigsten dazu beitragen, das 
evangelische Bewusstsein unter den Protestanten Oesterreichs zu stäiken, und wer 
dies bezweckt verdient kraftige Beihilfe. 

Um die Sympathie für unsere Sache noch mehr zu wecken, hat der Central- 
Ausschuss beschlossen, womöglich nächsten Winter schon einen Cyclus von historischen 
Vorträgen zu veranstalten. Wir rechnen auf die Zustimmung unserer Mitglieder und 
erwarten von diesen Vorträgen einen nicht geringen Erfolg. An geeigneten Kräften 
wird es nicht fehlen. Einige warme Freunde und tüchtige Historiker haben sich uns 
bereits zur Verfügung gestellt. Wie gut, wenn solche Vorträge auch ausserhalb Wien's 
gehalten werden könnten ! Vielleicht würde ihnen gelingen, was wir bis jetzt umsonst 
angestrebt haben : die Bildung von Zweigvereinen in den österreichischen Kronländern. 
Wir haben im 3. Heft des vorigen Jahres zu diesem Zwecke einen Statuten-Entwurf 
veröffentlicht, aber trotzdem hat sich noch nichts geregt. Sind etwa unsere Statuten 
schlecht? Nun dann möge man sie getrost ändern. Die Hauptsache ist der Verein 
und nicht das Statut. Also muthig vorwärts! 

Und weil wir einmal von unseren Statuten gesprochen haben, so sei es uns 
erlaubt, auch etwas von unserer Thätigkeit im Central Ausschusse zu berichten. Die 
Geschäftsleitung ist eine ziemlich zeitraubende und erfordert manche Opfer. Jeden 
Monat kommt daher der Vorstand in Comitesitzungeu zusammen, um die laufenden 
Geschäfte zu ordnen und den Plenarversammlungen vorzuarbeiten. Die Sitzungen finden 
statt I. Dorotheergasse 16, im zweiten Stock, im Archivslocale der Gesellschaft. Die 
Leitung ist in den gleichen Händen geblieben. Dr. Ritter von Otto wurde zum Präsi- 
denten, die Herren Dr. C. A. Witz und Dr. Ilaase zu Vice-Präsidenten, Dr. Trauten 
berger zum Secretär und Pfarrer J. W. Heck zum Archivar wieder- resp. definitiv 
gewählt. Die Cassagebahrung wurde Herrn Dr. Ritter von Sääf anvertraut, und der 
Vorstand freut sich in ihm einen ebenso tüchtigen als bereitwilligen Schatzmeister ge- 
wonnen zu haben. Leider haben wir auch einen Austritt zu beklagen. Dr. Burkhard 
sah sich in Folge allzugrosser Aibcitsüberbürdung genöthigt, aus dem Centrai-Aus- 
schusse zu scheiden. Wir danken ihm für seine Mitarbeit und wünschen, dass es ihm 
bald wieder gelingen möge, uns mit Rath und Thal beistehen zu können. An Stelle 
der früheren provisorischen Mitglieder des Ausschusses wurden von der letzten General- 
versammlung gewählt und haben — wofür wir ihnen freundlichst danken — die Wahl 
bereitwilligst angenommen: Baron Victor von Er langer und Dr. P. Zimmermann. 
Sie seien uns herzlich willkommen ! ( Möge ihre Mitarbeit für sie eben so interessant 
als für uns erspriesslich sein ! 

Unsere Bemühungen sind also bis jetzt wenigstens keine vergeblichen gewesen ; 
darum rechnen wir um so zuversichtlicher auf die fernere Mithilfe unserer Glaubens- 
genossen, damit dem glücklichen Beginn unseres Unternehmens ein kräftiger Fortgang 
gesichert bleibe. 



Im Namen des Central- Ausschusses : 



Dr. C. A. Wite. 




III. 

Studien zur Reformationsgeschichte Nordböhmens. 

Von R. W'OLKAN. 

I. 

Das Geschlecht der Herren Berka von Duba und Lipa und die 

Reformation in Böhmisch-Leipa. 

Die Lehren des grossen Reformators waren weit hinausgedrungen 
in die deutschen Lande und hatten überall mächtigen Anklang und 
freudige Aufnahme gefunden. Wie mit Blitzesschnelle verbreitete sich 
das Wort Luther s in allen Gauen Deutschlands und allerorten wandte 
man sich dem Worte des so schnell berühmt gewordenen Witten- 
berger Predigers zu. 

Und in der That, nicht zu verwundern war es, dass diese neue 
Lehre so bereite Anhänger gefunden hatte. Waren ja doch die 
religiösen Verhältnisse im deutschen Lande arg zerrüttet und zer- 
fahren und zeigten nur allzudeutlich die Missbräuche, die sich in der 
katholischen Kirche bemerkbar machten. Häufig waren die Klagen 
über die sittliche Verderbtheit und tiefe Ignoranz der damaligen 
Geistlichkeit, und nicht unbegründet waren die Wünsche auf baldige 
Aenderung der Dinge. Und diese Aenderung sie kam, aber in einer 
Art, wie Niemand es gedacht, geahnt hatte. Eine neue Lehre tauchte 
auf, eine Lehre, die um so begeisternder auf dasGemüth der lauschenden 
Hörer wirken musste, als sie denselben so viele Freiheiten und 
Besserungen in kirchlicher Hinsicht versprach. 

Auch in Böhmen drang Luther s Lehre in rascher und un- 
geahnter Weise vor, denn kaum waren die ersten Glaubenssätze 
Luther's der Welt verkündet, als sie auch schon in Böhmen und 
besonders in den nördlichen Theilen desselben Anklang und treue 
Anhänger fanden. Dass diese Lehre so rasch und allgemein in 

Jahrbuch des Protestantismus 1E8?. ** 



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50 



unsern Gegenden sich Bahn brach, lag jedoch nicht so sehr in den 
neuen Grundsätzen, die Luther aufgestellt hatte, sondern war tiefer 
begründet; es war einerseits begründet in den Verhältnissen der 
Geistlichkeit und andererseits, was noch viel wichtiger ist, es war eng 
verknüpft mit der Geschichte des Landes, mit der Geschichte der 
die einzelnen Theile desselben beherrschenden Herrengeschlechter. 

Die Geistlichkeit jener Zeit war an Zahl zu gering, um alle 
auf ihr lastenden Befugnisse zu vollziehen, so dass es nicht Wunder 
nehmen kann, wenn wir in Berichten aus jener Zeit lesen, dass 
manche Kirche ohne Seelsorger jahrelang verblieb ; andererseits hatte 
mancher Geistliche zwei bis drei Pfarrdörfer unter sich, die er dann 
gleichfalls nicht mit der nöthigen Sorgfalt überwachen konnte. So 
kam es, dass immer mehr unausgeweihte Priester sich einschlichen, 
ja, dass man zuletzt seine Zuflucht zu Schulmeistern und anderen 
Personen nahm, welche die kirchlichen Befugnisse ausüben mussten. 
Alle Anordnungen der höheren geistlichen Behörden vermochten 
diesem Uebelstande nicht zu steuern, denn der Zuwachs von neuen 
Geistlichen war ein äusserst geringer und vermochte kaum die not- 
wendigsten Lücken zu füllen. Dabei war noch das Leben der Geist- 
lichkeit keineswegs dazu angethan, diesen fühlbaren Mangel verdecken 
zu helfen, und zahlreiche Klagen liefen ein über die Geistlichkeit, 
welche ,ihr Leben leichtfertig führe und die Gebote ungehorsamb- 
lich verachte*. 

Brachte man sonach der neuen Lehre, welche so viele Aenderun- 
gen und Besserungen in Aussicht stellte, volles Vertrauen entgegen, 
so wirkten auch die einzelnen Herrengeschlechter unserer Gegenden, 
welche der neuen Lehre zum grössten Theile sich anschlössen, dahin, 
dass dieselbe an Ausbreitung gewann. 

Das Geschlecht der Herren Berka war seit Jahrhunderten in 
unserer Gegend ansässig gewesen und hatte sich in dieser Zeit stets 
als treuer Anhänger der katholischen Kirche gezeigt. Leipa verdankt 
diesem Geschlechte die meisten seiner Kirchen und zahlreiche der 
trefflichsten Einrichtungen. Die Husitenkriege waren über unsere 
•Gegenden dahingebraust, Vieles vernichtend und umwälzend, neue 
Besitzer waren gekommen; doch das Geschlecht der Berka war 
unberührt geblieben vom Sturm jener drangvollen Tage. Nun sollte 
es mit einem Male anders werden. Die Lehre Luthers kam und ihr 
schloss sich denn auch jetzt ein Theil der Herren Berka an. 



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57 



Zwar versuchte es Zdislav Berka, einer der bedeutendsten 
dieses Geschlechts, mit aller Macht, die ihm zu Gebote stand, der 
Ausbreitung des Protestantismus entgegenzuarbeiten, allein es gelang 
ihm dies nur theihveise. 

Zdislav, der Oberstlandhofmeister Böhmens und Landvogt der 
Oberlausitz, war eine bedeutende Persönlichkeit und hatte oft sein 
gewichtiges Wort zum Wohle des Landes ertönen lassen. Bei König 
Ferdinand stand er in hoher Gunst und manches Zeichen seiner 
Gnade gab ihm der König; so verlieh er ihm i. J. 1530 einen Theil 
der Güter nach Erasmus Hirschberger von Königsheim, die in Mähren 
und der Oberlausitz gelegen waren '). Zdislav war ein treuer An- 
hänger seines Herrn und ein ebenso treuer Verfechter der katholischen 
Lehre. Ihm zur Seite stand der Erzbischof von Prag, Zbynko Berka, 
der ihn in seinen Bestrebungen aufs Redlichste unterstützte. 

Zdislav war besonders darauf bedacht, tüchtige Prediger auf 
seine Besitzungen zu ziehen, um durch deren begeisterndes Wort 
jedes Gelüste seiner Unterthanen nach fremder Lehre zu unterdrücken, 
was umsomehr Noth that, als bereits in der ganzen Umgebung die 
neue Lehre einzudringen begann. Kr berief deshalb i. J. 1546 den 
tüchtigen und von seinen Vorgesetzten hochgeschätzten Martin 
Laurentius nach Leipa, damit derselbe nach besten Kräften dem 
Protestantismus entgegentrete 2 ). Es wurde ihm zugleich das Inspektorat 
im ganzen Dekanate von Leipa anvertraut. Die Pfarrei von Leipa 
war damals nur schlecht dotirt, weshalb ihr denn 15 Schock zugelegt 
wurden, von denen Laurentius jedoch noch einen Kantor erhalten 
sollte, ein Verlangen, dem er freilich nur mit grosser Mühe entsprechen 
konnte und das sich später als unausführbar darstellte, so dass 
Laurentius nach fünf Jahren sich genöthigt sah, Leipa zu verlassen 
und in Tetschen ein neues Heim zu suchen, wo er denn auch bis 
zu seinem Tode als der letzte katholische Pfarrer lebte. 

Zdislav Berka starb i. J. 1552 und mit ihm trug man auch die 
katholische Lehre in Leipa zu Grabe. Denn sein Nachfolger Sigmund 
Berka war ein eifriger Anhänger Luthers und trug bei Uebernahme 
von Leipa sofort Sorge dafür, dass hier der Protestantismus baldigst 
Anhänger gewinne. Auf seinem Gute Bürgstein setzte er gleichfalls 



') Hofkammerarch. Wien, Gedenkbuch L 

2 J Missiva germ. Acta Zbign. Berka 14. Dec. 1595. 

5* 



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58 



einen Prädikanten Namens Herrmann ein und i. J. 1565 verlangte 
er öffentlich, dass dem Pfarrer in Leipa aufgetragen werde, , denen 
unter beiden Gestalten* die Pfarrkirche einzuräumen und die anderen 
hinaus in eine Capelle vor der Stadt zu verweisen. Allerdings war 
es ein Begehren, mit dessen Erfüllung man dem Protestantismus 
vollen Spielraum gewährt hätte; andererseits aber war es schwer, 
dem Gebote des Grundherrn sich zu widersetzen und ihm die Gewährung 
seines Verlangens zu versagen. So entschloss man sich denn, dass 
denen sub utraque an einem Altare in der Pfarrkirche gedient werde. 
Zur selben Zeit wurde auch die Frauenkirche von den Protestanten 
in Besitz genommen und hier protestantischer Gottesdienst gehalten. 

Diese gewaltigen Neuerungen Sigmunds blieben nicht unbekannt. 
Schon am 22. October 1565 beklagt sich Johannes Magnus, der 
Dechant von Leipa, beim Erzbischof Anton von Prag über die Ver- 
kehrtheit und Ketzerei einiger Herren und Priester im Leipaer 
Distrikte, insbesondere aber über Heinrich und Sigmund Berka, so- 
wie über den Pfarrer von Gabel, von Zwickau, und Andreas, den 
Pfarrer von Leipa 2 ). Der Erzbischof, der bereits früher von den 
Vorgängen in Leipa gehört und Sigmund aufgefordert hatte, sich zu 
rechtfertigen, da sein Pfarrer der Ketzerei verdächtig sei, berief 
nun, um dem Vorgehen Sigmund s energisch entgegenzutreten, eine 
Priesterversammlung nach Dobem. Doch allen Bemühungen des Erz- 
bischofs zum Trotz breitete sich die Lehre Luther's im Gebiete von 
Leipa immer weiter aus, denn Sigmund war ein Mann, der sich auf 
keine Weise von seinem Vorhaben abbringen Hess. Doch am 
r. August d. J. 1570 ereilte ihn der Tod. Noch in seinem letzten 
Lebensjahre hatte er vom Kaiser die Bewilligung erhalten, auf allen 
seinen Gründen und Boden evangelische Prediger halten zu dürfen. 

Gestützt auf diese Bewilligung setzten Sigmunds Witwe und 
dessen Sohn Dietrich Georg Berka die Pläne Sigmund's fort. 
Schon in den ersten Jahren von Dietrich's Herrschaft kam es zu dem 
für die Katholiken trüben Ereignisse, dass in Leipa die katholische 
Lehre auf lange Jahre hinaus nicht mehr gehört werden sollte. Valentin 
Frumald berichtet uns hierüber in seinem Gedenkbuche von Dobern : 
,1573 am Tage Corporis Christi ist zur Leippe in der Stadt das letzt e- 



*) Erzbisch. Arch. Prag. 

2 ) Erzbischof!. Arch. Prag. Recepta a. 156S. 



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59 



mal die Procession corporis Christi gehalten worden, umb den Rinck, 
zur Zeit als Herr Petrus Netherus daselbst Probst und Pfarrer 
gewessen. Station ist gehalten worden am Ringe beim Kirchengassel ; 
am Christof Schönslebers Eckhaus ist ein Tiesch gesetzt worden, die 
Bürger haben daselbst in statione das Te deum laudamus figuriret, 
mann hatt allenthalben Maien gestecket und Gras gestreuet, die 
Tuchmacher haben den Himmel getragen, der Bürgermeister dieser 
Zeit, Michael Melzer, sambt dem Stadtrichter seindt neben dem 
Priester gegangen, den Schleuer an der Monstranz haltend.* Petrus 
Nether, der von dem Erzbischofe, welcher im December 1573 in 
Reichstadt abermals eine Priesterversammlung abgehalten hatte, zum 
Dechant und Propst bei St. Magdalena eingesetzt worden war, starb 
L J. 1576, ohne der weiteren Verbreitung des Protestantismus Ein- 
halt thun zu können. Neue Streitigkeiten brachen nun wegen der 
Besetzung der Pfarrei herein und schon am 29. Juli 1576 beklagte 
sich Andreas Heine bei Paul Weiss, dem Pfarrer von Reichstadt 
und Dekan des Leipaer Kreises, dass die Gemeinde von Leipa einen 
lutherischen Priester angenommen habe und die Pfarrkirche zum 
lutherischen Gottesdienst verlange. Der Dekan möge es dem Erz- 
bischof von Prag melden und ihn um seine Vermittlung ersuchen *). 
Dieser that, was in seinen Kräften stand, und sandte den Mathias 
Stueler nach Leipa, der jedoch in kurzer Zeit, gezwungen durch 
die misslichen Verhältnisse, Leipa verliess. Von Tag zu Tag nahm 
nun die Ausbreitung des Protestantismus zu und beständig ertönen 
die Klagen der katholischen Geistlichkeit über das Gebahren der 
Protestanten. Am I. März 1577 richtet Andreas Heine abermals 
eine Beschwerde an den kaiserlichen Rath Zbynko Berka, in welcher 
er über den neuen Clamanten zu Leipa und über dessen Schutz- 
herrn Dietrich Berka klagt und ihn um seine Verwendung ersucht, 
damit dem Unwesen Einhalt geschehe 2 ). Auch der Pfarrer von Reich- 
stadt wandte sich am 29. December desselben Jahres mit der Klage 
an ihn, dass der Bürgermeister und Rath in Leipa einen Pfarrer ohne 
des Erzbischofs Vorwissen aufgenommen habe 3 ). Es war dies der 
sogenannte lahme Magister, der später, wie Hans Kriesche in seiner 



l ) Erzb. Arch. Recepta a. 1565. 
a ) A. a. O. Recepta a. 1577. 
*) A. a. O. Recepta a. 1577. 



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60 



Chronik von Leipa schreibt, wegen seiner Lügen und falschen List 
die Stadt bei Sonnenschein meiden musste. Auch Johann Leisentritt, 
der Dechant von Bautzen, klagte dem Erzbischofe Anton von Prag, 
dass der Pfarrer von Leipa den Gottesdienst im Nonnenkloster zu 
Lauben nicht halten wolle *). 

So tönten die Klagen lange Jahre hindurch, aber nicht nur 
über die protestantische Geistlichkeit, sondern auch über die katho- 
lische. Am 15. August 1578 berichtete der Dechant von Leipa Paul 
Weiss dem Prager Dompropst H. Scribonius über den Pfarrer von 
Pablowitz, einen Cisterzienser Namens Poppius, der sich verheiratet 
und die Lehre Luthers in seiner Pfarre eingeführt habe, und bittet 
dies gelegentlich dem Erzbischof zu melden 2 ). Unter solchen be- 
dauerlichen Umständen darf es nicht Wunder nehmen, dass auch 
die socialen Verhältnisse in Leipa zu leiden hatten und zahlreiche 
Missbräuche sich einschlichen. Die beständigen Reibungen zwischen 
den beiden Parteien hatten alle gesellschaftlichen Bande gelockert, 
ja zum Theile ganz gelöst, und es war so weit gekommen, dass 
Mord und Todtschlag auf der Tagesordnung standen. Hans Kriesche 
berichtet uns voller Entsetzen von zahlreichen Mordthaten, die in 
jenen Tagen vorkamen. So wurde 1578 am Tage Martini Johann 
Berka, der Herr von Reichstadt, von seinem eigenen Lakai auf dem 
Markte in Leipa erstochen, und 1580 Karl v. Auscha von Hanns 
Strahwitz, einem Edelmanne, ermordet. 

Am 1. Juli 1585 starb Georg Dietrich Berka und wurde in der 
Frauenkirche begraben. Die Verhältnisse änderten sich jedoch mit 
seinem Tode keineswegs, und als der Pfarrer Andreas Jäntsch i. J. 
1592 am Tage der Bekehrung Pauli öffentlich sich verehelichte und 
seine Stelle ein protestantischer Prediger, Simon Faber, einnahm, 
hatte die Lehre Luther s in Leipa vollständig den Sieg davongetragen. 
Von Sonntag Oculi 1592 bis zum selben Tage 1595 stand die Pfarr- 
kirche in Leipa verlassen von jedem katholischen Prediger. Die 
trostlosen Verhältnisse in Leipa sah Zbynko Berka, der Erzbischof 
von Prag, mit Betrübniss und wandte sich deshalb an Rudolf II. mit 
der Bitte, er möge def Stadt Leipa den Befehl ertheilen, den 
Prädikanten aus der Stadt zu verweisen 3 ). Die warme Fürsprache 

') A. a. O. a. 1500—79 fasc. 1. lit. a. 

s ) A. a. O. Recepta 157S. 

■) Erzbisch. Arch. Prag. Recepta 1583 — 98. 



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Ol 



des Erzbischofs sollte vom besten Erfolge begleitet sein ; denn 
Kaiser Rudolf berief i. J. 1595 eine Commission nach Leipa, bei 
welcher die Abgeordneten der Stadt im Namen des Rathes und der 
ganzen Gemeinde feierlich erklärten, dass sie den Prädikanten ab- 
zuschaffen und einen katholischen Pfarrer anzunehmen willig und 
bereit seien. Am 22. October desselben Jahres, so erzählt uns Frumald, 
führte Zbynko Berka den Dompropst von Prag und den Canonicus 
von Olmütz Georg Berthold Pontanus nach Leipa und Wenzel Nigdi 
wurde als katholischer Pfarrer in Leipa eingesetzt. »Der ist dieser 
Tage*, erzählt Frumald, , ordentlicherweise introducirt worden, da- 
wieder die Leippischen, die zuvorher Eisenfresser waren und wie 
die grimmigen Löwen und Bären sich hören und vernehmen Hessen, 
nicht mocken durften.* Doch nicht ohne Weiteres Hessen sich die 
Protestanten von Leipa den ihnen aufgedrängten katholischen Pfarrer 
gefallen. Gestützt auf ihre mächtige Partei riefen sie den Prädikanten 
Simon Faber wieder zurück und verfolgten den katholischen Pfarrer 
so lange mit »Handanlegung, schriftlichen und mündlichen Injurien 
und Todesbedrohungen*, dass er ,vor ihrem Furore nach Prag 
entwich*. Der Erzbischof selbst vermochte wenig auszurichten; 
waren ja doch die mächtigen Patrone der Stadt gleichfalls Protestanten 
und alle Anstrengungen zu einer Besserung der Verhältnisse prallten 
fruchtlos an dem starren Trotze der evangelischen Grundherrn ab. 
Nur durch Vermittlung eines Verwandten des Erzbischofs gelang es, 
dass i. J. 1599 Bartholomaeus Cremer in Leipa als Pfarrer eingeführt 
wurde. Doch hatte er beständig harte Kämpfe gegen eine so mächtige 
Partei zu führen, wie die Protestanten es dazumal in Leipa waren. 
Die Verhältnisse jener Zeit schildert eine Klage des Erzbischofs vom 
6. Juni 1603, in welcher er sich über Adam Berka und Elisabeth 
v. Warten b er g beschwert und schreibt, ,dass die Stadt Leipa, die 
früher katholisch gewesen, von ihnen als Besitzern und Gegnern der 
katholischen Lehre ganz umgeändert worden, und dass der neue 
Glaube, welcher in diesem Königreiche unbekannt und fremd sei, 
eingeführt wurde, was gegen die Landesverfassung und gegen die 
Beschlüsse des Landes Verstösse. Sie dürften genug ordentliche 
Priester und einen unter beiden Gestalten, doch nicht die von der 
Augsburger Confession auf ihrem Gebiete halten. Er bat den Kaiser, 
er möge nicht erlauben, dass dem katholischen Glauben ein der- 
artiges Unrecht geschehe. Von den heterodoxen deutschen Secten 



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62 



käme nichts Gutes, sondern nur Unflat, Gottlosigkeit und Zwiespalt.* 
Rudolf II. nahm sich der Sache auch wirklich an und befahl Adam 
Berka, er solle sich auf die Beschwerde des Erzbischofs, dass er auf 
seinen Gütern sectische Priester halte und den hingeschickten katho- 
lischen Priester zurückgewiesen habe, rechtfertigen *). 

So lagen die Verhältnisse, als i. J. 1609 der bekannte Majestäts- 
brief erschien. Die Bedeutung desselben für die Geschichte des Pro- 
testantismus ist bekannt und bald zeigten sich die Folgen desselben 
auch in Leipa. Die Pfarrkirche wurde mit Zustimmung und Willen 
der Obrigkeit ,der ganzen gemeinen Stadt allhier* übergeben und 
von Adam Baudisch die erste evangelische Predigt gehalten 2 ). Jetzt 
schien der Sieg ganz auf Seite des Protestantismus. Als Baudisch 
am 16. August 1611 wahrscheinlich an der Pest gestorben war, wurde 
sofort Theophilus Lehmann an seine Stelle gesetzt. Dieser hatte an 
der Fürstenschule zu Meissen sowie an der Universität zu Witten- 
berg studirt und wurde nach beendigten Studien Hofmeister, in 
welcher Stellung er bis zu seiner Berufung nach Leipa verblieb. So 
lange Hans Sahihausen und seine Gemahlin Anna, welche damals 
Leipa in Besitz hatten, lebten, blieb Lehmann unangefochten in der 
Stadt. Allein kaum hatten Beide ihre Augen geschlossen, als er vom 
Rathe der Stadt Leipa, der schon früher mit der Herrschaft zerfallen 
war und deshalb auch den bei Letzteren beliebten Priester mit scheelen 
Augen betrachtete, auf alle Weise verfolgt wurde. In Folge dessen 
legte er sein Amt nieder und verliess zugleich mit seinem Diakon 
Johann Fleischmann sowie dem Organisten Brun und dem Schul- 
meister Heinrich Holzhammer die Stadt. Die Gemeinde scheint jedoch 
ihren Seelsorger nur ungern verloren zu haben, wenigstens bemerkt 
sein Biograph 3 ): »Sehr schmerzet solcher Abzug seine treuen Zu- 
hörer, deren über 2000, die alle der reinen evangelischen Lehre zu- 
gethan, in ordentlicher Procession ihn zur Stadt hinausbegleiteten, 
wobei das Lied gesungen wurde: , Warum betrübst du dich, mein 
Herz*. Lehmann begab sich nach Siebenlehn, wo er Pfarrer wurde 
und später als Amtsprediger nach Freiberg 4 ), während Fleischmann 
sich nach Zittau wandte, wo er lange Jahre als einer der vorzüglichsten 

») Statthalterei Arch. Prag. R. 109/15. 

3 ) Hans Kriesche: Chronik von Leipa. 

") Schrödter: Exulantenhistorie pag. 242. 

*) Peschek: Exulantenhistorie pag. 44. 



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63 



der dort lebenden neun böhmischen Geistlichen galt. Am 9. Juni 1619 
trat der neue Pfarrer Jakob Mönch sein Amt in Leipa an. Er hatte 
4 Jahre als Hofprediger in Neu-Stranov gelebt und war jetzt von 
Wolf Sahihausen nach Leipa berufen. Als Kaplan fungirte Georg 
Lorenz, ein gebürtiger Leipaer. Mit Jakob Mönch beginnt für die 
Protestanten eine schwere bedrängte Zeit, die endlich zur gänzlichen 
Ausrottung der Lehre Luther s führen sollte. 

Die Schlacht am weissen Berge hatte die Sache der Prote- 
stanten zum Falle gebracht und mit ihr war auch der Untergang des 
Trotestantismus besiegelt. Zugleich vollzog sich eine völlige Umge- 
staltung der Besitzverhältnisse im nördlichen Böhmen; denn die Be- 
sitzer unserer Gegenden waren als treue Anhänger der Lehre Luther s 
auch Vertheidiger des Pfalzgrafen gewesen und hatten sich demselben 
in seinem Kampfe gegen Ferdinand II. angeschlossen. Als durch 
die Schlacht am weissen Berge die Niederlage des Pfalzgrafen ent- 
schieden war, war auch ihre Stellung im Lande unmöglich geworden 
und alle ihre Güter waren der Confiscation verfallen. Kurze Zeit nach 
der so verhängnissvollen Schlacht sehen wir neue Adelsgeschlechter 
in unserer Gegend auftauchen und mächtige Veränderungen in den 
Besitzverhältnissen eintreten. Vor Allem war es Albrecht von 
W a 1 d s t e i n , der den grössten Theil der confiscirten Güter an sich 
brachte. So kaufte er am 19. December 1622 das Besitzthum des Wolf 
Sahihausen Leipa, ein Viertel der Stadt sammt dem Schlosse und 
das Dorf Aschendorf um 1500 Gulden 1 ), im Jahre 1623 die Herr- 
schaft Neuschloss und drei Viertel der Stadt Leipa, das einstige Be- 
sitzthum des Johann Georg von Wartenberg, um 175. 000, während 
Bürgstein, das gleichfalls dem Wolf Sahihausen gehört hatte, Zdenko 
von Kolowrat am 13. Jänner 1623 um 40.833 Gulden an sich brachte. 

W T allenstein, der nunmehrige Besitzer von Leipa, war ein Mann, 
der stets ein treuer Diener der katholischen Kirche gewesen war 
und sich deshalb jetzt beeilte, die katholische Lehre so bald als 
möglich auf seinen Besitzungen wieder einzuführen und derselben 
wiederum die Achtung gebietende Stellung zu verleihen, die sie vor 
Jahrhunderten besessen. Jakob Mönch wurde sammt seinem Kaplan 
Georg Lorenz vertrieben. Ersterer wandte sich noch i. J. 1622 
trotz seiner Krankheit nach Stolpen, während Lorenz am 1. Jänner 1623 



>) Landtafel 194, C. 18. 



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I 



04 



seine Abschiedsrede hielt, um sich hierauf nach Zittau und später 
nach Löbau zu begeben, wo er i. J. 1629 an der Pest starb '). 

Am Dreikönigstage 1623, am selben Tage, als er Leipa und 
die Herrschaft Neuschloss erkaufte, Hess Wallenstein die Pfarrkirche 
durch Ullrich Teubner, den Dechant von Reichstadt, dem katho- 
lischen Gottesdienste wiedergeben und von diesem Tage an beginnen 
die Bestrebungen, Leipa der katholischen Lehre wiederzugewinnen. 
Doch ging die Gegenreformation im Anfange nicht so gut von 
statten, wie Wallenstein es gewünscht haben mochte. Er musste des- 
halb am 16. September 1624 die Bürgerschaft von Leipa aufs strengste* 
ermahnen, den katholischen Gottesdienst fleissig zu besuchen. Auch 
auf den übrigen Gütern schienen anfangs alle Bestrebungen fruchtlos 
bleiben zu wollen. Die Bevölkerung war eben durch eine lange Reihe 
von Jahren völlig vertraut geworden mit der neuen Lehre und der 
katholische Glaube war ihr in Folge dessen völlig entfremdet. Am 
16. Februar 1618 begann Teubner sein Gegenreformationswerk auf 
der Gabler und Grafensteiner Herrschaft, das er am 24. Februar be- 
reits beendet hatte ' 2 ). Von hier wandte er sich nach Niemes und 
bekehrte im Ganzen auf den genannten Herrschaften 1233 Seelen. 

Um den Bewohnern von Leipa Gelegenheit zu geben, ihre 
Kinder daheim unterrichten zu lassen und sie hier in der Gottes- 
furcht wie auch in freier Kunst zu unterweisen, fasste Wallenstein 
den Entschluss, in Leipa ein Kloster zu gründen und die Augustiner 
mit dem Unterrichte der Jugend zu betrauen. Dieser Plan wurde 
sofort zur Ausführung gebracht und in kurzer Zeit erhob sich in 
Leipa eine Klosterschule. Paulus Conopaeus war der erste Prior, 
dem zugleich das Amt eines Seelsorgers der Gemeinde übertragen 
war. Conopaeus trachtete nach besten Kräften, die Bürger von Leipa 
der katholischen Lehre wiederzugewinnen. Sein Bekehrungswerk 
jedoch machte anfangs nur wenig Fortschritte. Viele Bürger, welche 
entschlossen waren, dem protestantischen Glauben treu zu bleiben, 
trachteten ihr Mobiliar und Vermögen beiseite zu schaffen, um dann 
Leipa so bald als möglich auf immer zu verlassen. Es fehlte daher 
auch nicht an zahlreichen Klagen über den langsamen Fortschritt 
des Bekehrungswerkes. Des öfteren wandte sich Conopaeus an Ger- 



') Peschek: Exulantenhistorie p. 73. 

3 ) Erzbischöfl. Archiv Prag. Acta reform. 1676. 



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05 



hardt von Taxis, um ihm über den Stand der Kirche und Schule 
Bericht zu erstatten und ihn zu bitten, geeignete Mittel anzuwenden, 
um die Leipaer dem katholischen Glauben zu erhalten. Balthasar 
Kühne], der Hauptmann der Herrschaft Neuschloss, bekam deshalb 
auch den strengen Auftrag, die Bürger von Leipa zu fleissigem Be- 
suche der Kirche und zu guter Behandlung der Jesuitenzöglinge an- 
zuhalten und dem Schulmeister von Leipa lutherische Bücher und 
Gesänge zu verbieten *). 

Auch Graf Kolowrat wurde mit dem Katholisirungswerke be- 
fraut. Ferdinand II. erliess am 20. April 1629 ein Schreiben, in 
welchem er ihn aufforderte, sich in den Leitmeritzer Kreis zu begeben 
und noch die übrigen Unterthanen zu bekehren und dann sich in 
den Bunzlauer Kreis zu verfügen. Die Reisekosten werde ihm der 
Prager Erzbischof ersetzen. Zugleich erhielt er eine Instruction, wie 
er sich bei dieser Rekatholisirung zu verhalten habe 2 ). Die Herr- 
schaftsbesitzer, welche sich ruhig verhielten, seien bis Ablauf des 
jeweiligen Termines im Genüsse ihrer Rechte zu belassen, solche aber, 
welche ihre Untergebenen von der Rückkehr zur katholischen Religion 
abhielten, ohne Verzug zur Auswanderung zu zwingen. Das noch 
lutherische Volk solle an einen bestimmten Ort vorgeladen und auch 
Armen und Kranken die Möglichkeit verschafft werden, daselbst zu 
erscheinen. Den Willigen habe man einen tauglichen Informator für 
die Dauer eines Monats zuzuweisen, worauf der Rücktritt zur katholi- 
schen Kirche erklärt werden solle. Wer vor der Commission zu er- 
scheinen sich weigere, könne nach einem letzten Termin von sechs 
Tagen mit Arrest oder andern angemessenen Strafen belegt werden. 
Im äussersten Nothfalle werde selbst Militär requirirt und in die 
Wohnungen der hartnäckig Ungehorsamen gelegt werden können. 

Unter solchen Umständen ging denn allmälig die Rekatholisirung 
schneller von statten und die zahlreichen Berichte des Grafen Kolowrat 
in dieser Angelegenheit zeigen von den besten Erfolgen seines Unter- 
nehmens. Die katholische Lehre fand wiederum ihre Ausbreitung, wie 
hundert Jahre zuvor, und schon in den fünfziger Jahren des 17. Jahr- 
hunderts werden die Klagen über den Protestantismus und seine 
Anhänger in Leipa immer seltener, bis sie endlich ganz verstummen. 

') Statthalterei-Arch. Prag. F. 67,8. 

*) Frind: Rekatholisirung d. bühm. Niederlandes, p. 14. 



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IV 



Analekten. 

Mitgetheilt von MARTIN KÜHNE, ev..]uth. Pfarrer zu Langenwolmsdorf in Sachsen. 

Zur Ergänzung von Raupach's Presbyterologia Austriaca und dazu 

gehörigen Supplementen. 

I. Aus den Matriculae ordinandorum der Universität Alt- 
dorf (Ms.): 

1587. 28. Maii. Matthias Auer, Austriacus, a generoso Dom. 
loh. Sigismund a Greisen uocatus ad officium pastoris in uico Michel- 
bach, in inferiore Austria sito. 

1589. 21. Sept. Petrus Stroebelius, Norimb , collaborator 
in schola oppidi Austr. infra Onasum Senftenberg, electus in diacon. 
ecclesiae Senftenbergensis. 

1591. 21, Maii. Andr. Tilmannus, uocatus ad munus diaconi 
in Austria. 

1593. 25. Mart. Isaacus Hoffmendel, Austriacus, uocatus 
ex schola quam regit in Kirchdorf, ad munus pastoris in Leonstein. 

1600. 4. Iunii. loh. Graun, Gunzenhusanus, diaconus pastoris 
Georgii Khün zu Abstorf in Oesterreich, sub ditione comitis Georg 
Friedrich ab Hardeck. 

1601. 3. Maii. Iacob Stoltius. Praefuit antehac complures 
annos ecclesiae Stadlensi in Stiria, sine tarnen ordinatione, postquam 
vero a pontificiis expulsus et aliter de alia functione sibi prospiciens 
intelligeret, ipsi in aliis ecclesiis locum dari non posse, nisi prius 
publica ordinatione ad minist, evang. ordinaretur, hanc petiit. 

1602. 14. Nou. Andreas Vul tu ri us, Grefenthalensis, minister 
uerbi in Austriae pago Stadlkirch, sub ditione generosi Dom. Georg. 
Casp. a Neuhausen. 



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67 



1604. 10. Iunii. Daniel Mann er, Ratisponensis, uocatus a 
Dom. Helmhardo Heider in Dorf ab Lindach in Austria. 

1605. 2$. Maii. Ludouicus Buschius, Austriacus, uocatus 
diaconus in opido Swans. [Schwanenstadt] superioris Austriae. 

1606. 17. April. loh. Megartopolus, ecclesiae in pago 
Reinprecht, in inf. Austr. saltuque Otronico sito, designatus pastor. 

1606. Domin. Exaudi. Ioach. Eccardus Kunst, Megapo- 
litanus Crivitzenus, a Dom. Comite ab Hardeck uocatus in eccles. 
castelli Schrembsensis, non procul a Crems, versus Moraviam, diaconus. 

1607. 20. Nou. M. Vitus Breunlein, Haydeccensis Palatinus, 
ecclesiae Losdorfensis in Austria ultra Anisum sitae designatus 
diaconus. 

1608. 7. Dec. loh. Breu, SS. theol. stud., a Dom. Baronissa 
a Losenstein uocatus, ut in eccles. illius pastor esset. 

1609. 30. Aug. Iacob Lauius, Feuchtwangensis, a Dom. 
Sigism. Adam in Traun etc. uocatus pastor in Castro Offcering. 

1609. 4. Oct. M. Hieron. Sylvius, Dornstaedensis Wirten- 
bergicus, a Dom. Barone Iac. Aschpan ab Haag uocatus pastor 
Wirmspachensis. 

1609. Dom. 17 Trin. loh. Widhauer, Ratispon., parochus 
ecclesiae Waldhausianae in Austria. 

1610. Dom. 3 Trin. Traugott Graul, Hamburgensis, in arce 
Puchberg concionator. 

1610. Dom. 21 Trin. Andr. Krainer, ex opido Grieskirchen 
oriundus, parochus in Ampflwang in Austr. eis Anisum sito. 

1612. 8. Iulij. 1) Nie. Mispachius, Wondsidelius Variscus, 
diac. in opido Pühel in Austria ob Anasum, et 2) Rhodmannus, 
Schemnizensis Hungarus, diac. in opido Pirch in Austria sito. 

1613. 5. Febr. Martin Moser, Vinariensis Thuringus, cantor 
in Aschach, a Dom. Barone Hans Ioachim Aschpan de Haag etc. 
uocatus pastor in libero suo praedio Foerthof prope Crembs in infer. 
Austria. 

1614. 1. Nou. IohannesBrendelius, Gunzenhusanus, pastor 
eccles. Elsensis in ditione Hersenstain. 

1615. 3. Maii. Wolfg. Koch, diac. eccl. Puhel. 

1615. 29. Maii. Petrus Godeschalius, pastor arcis Agstein. 
1615. 20. Aug. loh. Vischer, Augustanus, parochus in Lieben- 
berg in Austria. 



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(38 



\6\6. 12. Maii. Petr. Kr äfft, Amberg. Palat, parochus Radigers- 
dorf in Austria. 

1616. 21. Aug. M. Conrad Albin us, Thuringus, uocatus ad 
munus eccl. in superiorem Austriam. 

1617. 11. Apr. loh. Tauber us, Galspachianus Austriacus, 
diac. Puhelensis in Austria. 

1619. 12. Ian. Henr. Schechius, Ulmensis, parochus Wim 
spacensis. 

1619. 20. Iun. M. loh. Schwaeger, Villacensis, a Domra, 
iudicibus ex coetu ad D. Georgii in Sup. Austria ad pastoris uicarium 
uocatus. [S. Presbyt. p. 166: über ihn wie über Wilh. Schwaeger 
vgl. Will's Nürnbergisches Gelehrten-Lexikon.] 

1619. 12. Nou. Daniel Langkhalsius, Strelicensis Mega- 
politanus, a Dom. Elisabetha, Dom. a Polhaim etc. ad parochiam 
Raschpacensem uocatus. 

1620. 4. Oct. Andreas Winkler, a Dom. Gundacaro L. B. 
in Polhaim etc. ad pastoratum Maria-Magdalena-Montanum uocatus. 

1620. 15. Oct. M. loh. Goefius, Naumburg., a Dom. loh. 
Ioach. Mendelio E. P. ad parochiam Lintachensem uocatus. 

1620. 22. Nou. Michael Foersterus, diaconus Pühelensis 
in Austr. super. 

1621. 24. Febr. Petrus Worrasius, Cala [Kahla] Thuringus, 
diac. eccl. Loigensis in Austria infer. 

1621. 20. Apr. Theod. Vogelius, Plauiensis Variscus, a Dom. 
Georg, a Stubenberg ad eccl. Costorfensem [?] in baronatu Schallen- 
burgico uocatus. 

1621. 20. Aug. Georg. Hartmann, a Dom. Ge. Christ- zu 
Schallenbergk ad ecclesiae Hagenbergensis ministerium in Austr. 
sup. uocatus. 

1621. 30. Sept. Ioach. Brunoniu s, Wusterhusanus Marchicus, 
a Dom. Georg. Schüttero dynast. in Windhag et Klingenpurg ad 
paroch. Münsbachensem uocatus. 

II. Ferner sind mir bekannt geworden die Freiherrl. von 
Zelcking'schen Pfarrer zu Käfermarkt in Oberösterreich: 

Thomas Salzburger 1561 bis 1565, Stephan Posch bis 1567, Johann 
Schärner bis 1579, Hans Hachl bis 1594, Gedeon Siegl bis 1599, 
M. Elias Ehinger bis 1605 ( s - Presbyt. p. 33), Joh. Wolfin bis 1610, 
Christoph Sfondeli bis 1623, Matth. Masius bis 1624. 



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I 



69 



Während der Kämpfe um Ausdehnung der Religionsfreiheit 
in Oberösterreich, welche mit der Capitulations-Resolution ihren 
Abschluss fanden, war Christoph Puchner ä Puchberg Syn- 
dicus der sieben Städte. Seine Tochter Anna war mit dem Burg- 
vogt zu Wels Zacharias Langjahr von Puchberg verheirathet. 
Langjahr hatte durch seine kirchlich-politische Thätigkeit die Auf- 
merksamkeit der würtembergischen Regierung auf sich gezogen und 
wurde, nachdem er sein Amt verloren, als fürstlicher Rath nach 
Stuttgart berufen. Er starb im Jahre 1626. Seine Tochter Anna 
Susanna vermählte sich zum ersten Male mit Joh. Phil, von Kiel- 
mannsegg, einem Emigranten, Capitän-Lieutenant im Leibregimente 
Bernhards von Weimar. Nach dessen Tode heirathete sie den 
edelvesten Paul Jacob Rü nielin zu Tübingen und ward so die 
Stammmutter einer der berühmtesten Beamten- und Gelehrtenfamilien. 



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Zur Geschichte der Protestanten in Oesterreich. 

Von G. Wolf. 

Die Bibel (Hiob 38, 8) sagt vom Meere, es sei .hervorbrechend* 
geboren worden. Eine ähnliche Erscheinung nehmen wir auch bei 
der Lehre Luther s wahr. Kaum dass sie ausgesprochen und ver- 
kündigt ward, drang sie nach allen Seiten und Richtungen hin. 
Rasch fasste sie auch Wurzel in den österreichischen Landen 
und verbreitete sich da immer mehr, trotz der Hindernisse, die 
man ihr in den Weg legte. Schon am I. Mai 1528 erliess Kaiser 
Ferdinand I. von Prag aus an die Regierung in Niederösterreich ein 
Mandat und befahl derselben, dem mährischen Landeshauptmann bei 
der Ausrottung der sich dort bildenden ketzerischen Secten allen 
Beistand zu leisten. Einzel weise wurde jedoch Wien selbst insbesondere 
durch protestantische Lehrer immer mehr von lutherischem Geiste 
erfüllt. Es erging daher am 18. Mai 1567 von der römischen kaiserl. 
Majestät an den Bürgermeister und Rath ein Decret des Inhalts, da 
es in der Bürgerschule (bei St. Stephan) ,in den fürnembsten und 
nothwendigsten Hauptpunkten mangelhaft und übel bestellt sei 1 , 
welches zunächst davon herrühre, weil sectische Präceptoren und 
Collaboratoren angestellt seien, welche die Jugend verführen und den 
kleinen Katechismus, welcher von Ferdinand I. eingeführt wurde, 
nicht lehren, so sollen von nun an in allen Schulen nur solche 
Männer, als Präceptoren und Collaboratoren bestellt werden, die voll 
christkatholischen Eifers sind, und soll der bezeichnete kleine Kate- 
chismus als Lehrtext dienen. 

Doch scheint dieser Befehl nicht berücksichtigt worden zu sein ; 
denn bald hernach (18. November 1573) erschien vom Erzherzog 
Ernst, dem alter ego des Kaisers in Wien, ein Decretum, > denen von 
W r ien zuzustellen*, welches wir dem Wortlaut nach folgen lassen: 



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71 



, Auf der Rom. Kays. Maj. vnseres allergnädigsten Herrn sondere 
Verordnung von dem durchl. Ertzherzog Ernsst zu Össterreich vnseres 
gdsten Herrn wegen denen von Wien in gnaden anzuzaigen, höchst 
ermelte kays. Majestät khumen In erinnerung Weichermassen in der 
Statt alhier zum tail mit zum tail aber ohne d. von Wien erlaubnusse 
etliche viel Teutsche Schulmeisster und Schulhalterin als: Esman 
Trinkhl In Sandt Margrethe Hoff, Daniel Kunikh In Regenspurg 
Hoff, Jacob Grisenheuer zum blaben Krebsen, dessglaichen Vrsula 
Ansingerin in das Strauhs Hauss an Pittersbatthoff, Margretha Puchl- 
spergerin an Lugeckh in des Georg Schachners behausung, Anna 
Lampergerin In Kumpfgässel sich halten, welche samdt vnd sonder- 
lich nit der katholischen sonder vndschidlich newer religionen sein 
vnd die Jugend so Inen vertraut ebnermassen auf Ihre opinion ziehen 
vnd weisen sollen, weil dann Ire Kays. Maj. diese beschwerliche und 
so heylige katholische religion nachtheilige auferziehung der Jugend 
auss deren auch sonsten anders nichts dann allerlei hochschedlich 
Weiterung zu gewarten lenger zuzusehen keineswegs gemaint. Demnach 
ist an statt vnd In namen derselben Irer Fürstl. Durchlaucht ernesst- 
licher Beuelch das Sj die von Wien denen obspecificirten vnd 
andern Mans- vnd Weibspersonen so sich vber dieselb in der Statt 
finden möchten vnd biss hero mit oder ohne der von Wien Consens 
vnd erlaubnuss sich der Schuelhaltung vndfangen vnd nit katholisch 
sein, solliche Schuelhaltung alspald allerdings ab- vnd einstellen. Hin- 
füro auch nimand wer der sey ausser höchstermelter Kays. Maj. vnd 
In derselben abwesen der Fürstl. Durchlaucht oder der Ihenige so In 
Ihrer Kays. Maj. namen desshalb Beuelch haben werde ausstrucksam- 
liche Verordnung, Khaine Schuel es sey lateinisch oder deutsch auf- 
zurichten oder zu halten zuesehen vnd gestatten sollen. Dann werden 
Sj die von Wien also gehorsamblich wissen nachzukhumen vnd es 
besteht darin höchstgedachte k. M. so wol auch der Fürstl. Durchl. 
endtlich will vnd mainung.* 

Wie aus diesem Decret hervorgeht, gab es damals in nicht 
geringer Zahl nicht blos protestantische Lehrer sondern auch prote- 
stantische Lehrerinnen. 

Unter Kaiser Rudolf suchte man insbesondere die Protestanten 
im Salzkammergute zur alleinseligmachenden Kirche zu führen. Die 
Mittel, die man bei dieser Gelegenheit anwendete, schienen jedoch 
dem Erzherzog Mathias, welcher Stellvertreter des Kaisers in Wien 

Jahrbuch des Protestantismus 1883. 6 



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72 



war, nicht die angemessenen zu sein und er schrieb deshalb an den 
Kaiser (4. Mai 1599), bei diesen groben Leuten und dem unbändigen 
Pöbel im Salzkammergute dürfe man nicht strenge Mittel anwenden, 
welche die Leute zur Gegenwehr veranlassen, bessere Erfolge Hessen 
sich von einem massigen Vorgehen versprechen, und wäre es wichtig, 
ein Seminar für katholische Geistliche zu errichten. Man dürfe um 
so weniger jetzt das Volk reizen, da sonst bei dem bevorstehenden 
Feldzuge ein Stocken in der Schifffahrt und Salzmangel zu be- 
sorgen wäre. 

Es ist unnöthig zu sagen, wie sich die Verhältnisse der 
Protestanten unter Kaiser Ferdinand II. gestalteten. Hier wollen wir 
nur des Patentes vom 1. August 1628 gedenken, nach welchem den- 
jenigen, welche im evangelischen Glauben beharren wollten, die Frist 
eines Jahres gegönnt wurde, um auszuwandern und ihre Güter 
zu verkaufen. 

Am 4. Jänner 1652 erschien das Reformationspatent für Oester- 
reich unter der Enns, nach welchem alle Akatholiken katholisch 
werden mussten. Am 20. Jänner 1652 wurde constatirt, dass noch 
1594 Protestanten in Niederöstereich lebten und zwar 265 haus- 
gesessene Männer und 256 hausgesessene Weiber, 106 Kinder, 23 ver- 
witwete hausgesessene Weiber, 104 Inwohner Männer, 103 Inwohner 
Weiber und 138 Dienstleute. 

Am 29. August 1721 und am 15. Mai 1724 erflossen kaiserliche 
Befehle, nach welchen die Inquisition als forum seculare und der 
Akatholicismus als crimen contra statum erklärt wurden. Nichtsdesto- 
weniger nahm die Ketzerei in Böhmen immer mehr zu. Kaiser Karl VI. 
sah sich deshalb veranlasst, an den Cardinal in Prag, Ferdinand Graf 
von Khuenburg am 28. November 1725 ein Rescript zu erlassen, in 
welchem er denselben für die auf dem Lande und in den Städten 
zunehmende Ketzerei verantwortlich macht, indem der Cardinal im 
Gegensatz zu seinen Vorgängern Gelegenheit zum Verfalle der heiligen 
alleinseligmachenden Kirche gebe. Der Kaiser erinnerte ferner den 
Cardinal daran, dass ihm, dem Kaiser, das Recht zustehe, über 
die Reinheit der Religion zu wachen, da davon das Wohl des Reiches 
abhänge, und solle sich daher der Cardinal den getroffenen Anord- 
nungen fügen. Dieser werde auch einsehen, dass die Vorkehrungen 
von Seite der Geistlichkeit, die blosse professio fidei, wenn nicht die 
Schärfe der politischen Strafe hinzukomme, dem Uebel nicht abhelfe. 



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73 



Er, der Kaiser, habe daher auch der königl. Appellation den Auf- 
trag gegeben, wider die Ketzer sub utraque, die als Staatsverbrecher 
betrachtet werden, vorzugehen. Der Kaiser verlangte ferner, dass 
der Cardinal den Pfarrern, welche die Verantwortung für die cura 
animarum tragen, den Auftrag gebe, fleissig auf dem Lande zu kate- 
chisiren, und sollen zu diesem Zwecke auch Missionäre bestellt werden, 
welche insbesondere auf die abseitig gelegenen und einschichtigen 
Wohnungen der um Prag gelegenen Weinberge, wo die Sectirer zu- 
meist ihre Conventikeln halten, das Augenmerk richten. In Prag 
selbst soll der Cardinal wie seine Vorfahren fleissig geistliche Visi- 
tationen halten. Dasselbe gelte auch von der Königgrätzer Diöcese, 
wo das Ketzerthum mehr als anderswo Wurzel gefasst hat, und soll 
der Cardinal auch dem Metropoliten in Leitmeritz diesbezüglich 
Erinnerung machen. 

Man wird zugeben, es waren sonderbare Zustände, wenn ein 
weltlicher Monarch in rein katholischen Fragen einem Cardinal den 
Vorwurf macht, er sei nicht genug katholisch, und ihn und andere 
Würdenträger der Kirche auffordert, eifrig ihres Amtes zu walten. 

Doch die Verhältnisse besserten sich nicht und es erschien 
hierauf auf Grund eines kaiserlichen Rescriptes vom 28. December 1725 
ein Patent des Statthalters in Böhmen vom 29. Jänner 1726 folgen- 
den Inhalts: 

1. Jeder Unterthan auf dem Lande, der in Ketzerei verfallen 
ist, wird das erste Mal mit einjähriger strenger öffentlicher Arbeit 
bestraft. Bessert er sich während dieser Zeit, kann er wieder in seine 
Heimat geschickt werden. 

2. Beharrt er jedoch bei seinem Irrthum, soll er noch ein Jahr, 
und wenn er dann noch ungebessert ist, auch ein drittes Jahr zur 
öffentlichen Arbeit angehalten werden ; und wenn alles dieses nichts 
nützt, soll er gegen einen geschworenen Halsrevers des Landes ver- 
wiesen werden, und falls er es wagt zurückzukommen, soll er wegen der 
gebrochenen „Urphed" mit dem Schwcrdt bestraft werden. 

3. Wenn Jemand in Folge der geleisteten öffentlichen Arbeit sich 
bekehrt und dann nach einer Zeit rückfällig wird, so sollen derartige 
Personen ob jam commissum duplex crimen apostasiae, wenn es Männer 
sind, die zur Galeere tauglich sind, mit dieser Strafe belegt werden, 
die Weiber aber und schwächliche Männer fustigirt, deren Vermögen 
confiscirt und sie selbst auf ewig relegirt werden. 

6* 



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I 



74 



4« Gegen die Bürger in unterthanigen und obrigkeitlichen 
Städten ist ebenso wie gegen die Bauern vorzugehen. 

5. Gemeine Bürger in königl. freien Städten sind in derselben 
Weise zu behandeln. Wenn aber wider Verhoffen Honoratioren, die 
eine besondere Beachtung verdienen, Magistratspersonen, Edelleute oder 
die im k. Dienste stehen, sich der Ketzerei schuldig machen, dann 
hat die Appellationskammer darüber an den Kaiser Bericht zu erstatten. 

6. Wer ketzerischen Lehrern, Emissären etc. Aufenthalt gibt, 
soll nach dem Josephinischen Gesetze mit dem Schwerdt gerichtet 
und sollen derartige Ketzer sofort handfest gemacht werden. Die 
Denuncianten erhalten 100 Thaler, und wer sie zu Stande bringt, 
300 Thaler als Belohnung. Es darf ferner kein Kauf- oder Fuhrmann, 
Spitzen-, Garn- und Leinwandhändler, ferner Breslauer, Nürnberger, 
Leipziger und Kommotauer Bote irgendwelche ketzerische Bücher 
nach Böhmen einschleppen ; diesen sollen ausser den obigen Strafen, 
welchen sie verfallen, alle Waaren confiscirt werden. 

Dieses Gesetz lässt an drakonischer Strenge nichts zu wünschen 
übrig und kann sich wohl mit den verfehmtesten Inquisitionsgesetzen 
messen ; wie wir jedoch hinzufügen können, wurde es thatsächlich 
nicht in seiner ganzen Strenge ausgeführt und insbesondere fanden keine 
Hinrichtungen statt. So wurde Hans Lärcher, geboren in Salzburg, 
im Jahre 1732 angeklagt und überführt, in Linz Leute zum Prote- 
stantismus verleitet zu haben. Auf Grund einer kaiserl. Resolution 
vom 3. December 1733 wurde er zu acht Jahren Arbeit in Eisen und 
Banden in einem Grenzorte verurtheilt. Zugleich wurde ausgesprochen, 
dass derselbe, wenn er die Strafe abgebüsst, aus allen Erblänclern mit 
Zurücklassung der beschworenen ürfehd für ewig verwiesen sein soll. 

Auf einen Vortrag vom 14. April 1734 über die Protestanten 
im Salzkammergut rescribirte der Kaiser: ,In reliquo placet und 
genau acht zu haben und alle erdenklichen Mittel anzuwenden, um 
diess Unkraut förderst nicht weiter greifen (zu lassen), das gegenwärtige 
aber gänzlich auf alle erdenkliche Art auszurotten.* 

Während jedoch der Kaiser bemüht war, den Protestantismus 
in den Provinzen auszurotten, hatte er in Wien selbst Boden. 
Der Cardinal in Wien, Sigm. Graf v. Kollonitsch, ungleich seinem 
Collegen in Prag, waltete eifrig seines Amtes und fand sich ver- 
anlasst, über die religiösen Missstände Klage beim Kaiser zu führen. 
Hierauf rescribirte der Kaiser (16. März 1736) : ,Da das Geschäft 



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wichtig und heiküg ist und es unverantwortlich wäre derartige 
Gewissenssachen länger liegen zu lassen, andererseits aber jeder 
grössere eclat bei den dermaligen Umständen übel gedeutet werden 
und üble Folgen haben könnte, so soll dieses Werk in der engsten 
geheimen Conferenz wohl überlegt und in re et modo deliberirt, wie 
diese Sachen am nützlichsten anzugreifen, in geheim zu tractiren 
und die Abstellungsmittel so vorzukehren seien, dass sie successive 
mehr als eine natürliche Folge deren vorigen landesfürstlichen Ver- 
ordnungen von denen Stellen, denen es obliegt, vollzogen und befolgt 
werden möchten." 

Am 13. April fand hierauf eine engere Conferenz unter dem 
Vorsitze des Hofkanzlers Graf V. Sinzendorf im Beisein des Cardinal- 
erzbischofs, des Grafen v. Seilern, Grafen v. Kuefstein, Grafen v. Oed, 
des Paters Tenneman und der Hofräthe Managetta, Pelsern und 
Dobblhof statt. 

Die Beschwerden des Cardinais waren : 

1. Die grosse Zahl der protestantischen Niederläger und 
Fabrikanten in Wien, von welchen sich eine ganze Colonie in 
Schwechat befindet, dann auch die Zahl der protestirenden Künstler 
und Schutzverwandten, wenn nicht abzustellen, doch zu reduciren. 
und jene Künstler, welche einige Buben und Mägdlein in der Kost 
haben und sie nicht in die Kirche gehen lassen und sogar in der 
Irrlehre unterrichten, gänzlich abzuschaffen. Die Prädicanten und 
Missionäre, die sich hier unter dem Namen der Präceptoren der 
Kinder dieser Niederläger aufhalten, wären nicht zu dulden. 

2. Die Mannszucht bei den vielen lutherischen und calvinischen 
Hand werkslehrlingen wäre wieder herzustellen. 

3. Der allzufreie Zutritt zu den Bethäusern und Oratorien der 
protestantischen Gesandten soll abgethan werden. 

4. Der allzuweit gehende Schutz der protestantischen Gesandten 
für ihre Glaubensgenossen wäre zu restringiren ; auch sollen die 
Gesandtschafts-Prädicanten ihre kranken Religionsverwandten nicht 
besuchen, sondern dies den katholischen Priestern überlassen. 

5. Wäre die allzufreie Einführung verbotener Bücher zu ver- 
bieten. Unter den 12 oder 13 Wiener Buchhändlern befinden sich 
kaum drei oder vier katholische, welches pro futuro abzustellen 
wäre. Ebenso wäre es den protestantischen Buchhändlern zu ver- 
bieten, Catalogos librorum prohibitorum zu führen. 



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6. Der beständige Umgang der Katholischen mit den Prote- 
stantischen wäre einzuschränken. Vor kurzer Zeit seien vier 
Katholiken zum Protestantismus übergetreten, ohne 
dass sie bestraft worden wären. Unter diesen Verhältnissen werden 
noch mehr Katholiken von ihrem Glauben abfallen. 

Schliesslich beruft sich der Cardinal auf die Generale Ferdinands I. 
wegen Ausrottung der Ketzer, dann auf die von Ferdinand II. und III. 
und Leopolds L in Religionssachen. 

Die Conferenz erklärte hierauf, sie habe im Laufe der Zeit 
mehrere Anordnungen getroffen, um diese Uebelstände zu mildern, 
und geht die einzelnen Punkte durch. 

Ad I. Sei es bekannt, dass man in alter Zeit in Oesterreich 
keine oder doch nur sehr geringe Kaufmannschaft getrieben habe 
und waren blos Wienerische Kramer in Wien. Man hat daher schon 
unter Maximilian I. gestattet, dass aus dem römischen Reiche oder 
anderen Ländern Kauf- und Handelsleute mit ihren Waaren und 
mit ihren Factoren und Dienern nach Wien kämen und wurden 
ihnen auch Niederlagsfreiheiten gestattet. Ueberdies wurde ihnen 
gestattet, von Wien aus weiter Handel zu treiben. Im 15. Jahrhundert 
entstanden zwischen diesen Kaufleuten und dem Magistrate Streitig- 
keiten, weshalb sie wegziehen mussten. Dadurch wurde jedoch der 
Handel geschwächt und die Staatseinkünfte an Gefällen und Mahn- 
gebühren geschmälert, weshalb diese Kaufleute im Jahre 1515 wieder 
vom Kaiser Maximilian I. nach Wien berufen und eine Niederlags- 
ordnung errichtet wurde. Die Folge davon war, dass viele Lutherische 
nach Wien kamen und der Irrglaube wurde noch mehr ausgebreitet. 

Im Laufe der Zeit suchte man dem überhandnehmenden Uebel 
zu steuern. In Folge eines Berichtes vom 14. Mai 1670 befahl 
Kaiser Leopold, dass jedes Gesuch eines Nichtkatholischen um eine 
Niederlage dem Kaiser selbst zur Resolution vorgelegt werden 
müsse. Am 26. September 1675 rescribirte der Kaiser in Folge des 
Einschreitens des Buchhändlers Ender zu Nürnberg, dass in's Künftige 
kein unkatholischer Buchführer (Buchhändler) mehr in die hiesige 
Niederlage eingenommen werden soll. 

Trotz alldem wuchs die Zahl der protestantischen Niederläger 
auf 160 und sogar Buchhändler wurden aufgenommen. Unter den 
zwölf Buchhändlern in Wien waren blos drei bis vier katholisch. 

Im Jahre 1736 befanden sich in Wien 80 Niederläger, darunter 
waren blos 30 katholisch. 



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Da die Kanzlei nicht offen gegen die Protestanten auftreten 
wollte, gab sie am i. März 1734 und am 2. März 1736 den Unter- 
behörden die Weisung, die Zahl der Niederläger zu restringiren, 
da sie zu gross sei. Ferner wurde ihnen befohlen, sich genau nach 
den citirten Resolutionen aus den Jahren 1670 und 1675 zu halten. 
Man werde auch die kluge Einsicht gebrauchen, dass man den 
usum et lectionem librorum prohibitorum ex regula prudentiae so 
moderire, dass dieses Verbot nicht eine allgemeine Ignoranz gebähre, 
sondern habita ratione classium et cum discretione personarum ge- 
wisse Bücher zu lesen gestattet werde und werde sie diesbezüg- 
liche Vorschläge unterbreiten. 

Zu diesem Votum bemerkte der Kaiser eigenhändig: 
>Quoad hunc passum placet vndt absolut keinen ohnne aigen- 
hendige Resolution aufnemmen.* 

Was Schwechat betrifft, fährt die Conferenz weiter, so be- 
finden sich daselbst zwei bis drei unkatholische Familien. Die dritte 
kommt nächstens weg. Da die dermaligen Repräsentanten der 
orientalischen Compagnie nur katholische Directoren bestellen und 
hiesige Landeskinder in der Fabrikation unterrichtet werden, so 
werden bald die andern Akatholiken wegziehen. Auch in Linz, wo 
sich mehrere unkatholische Beamte und Arbeiter in den dortigen 
Fabriken befinden, werde man eine Reduction ohne strepitu vornehmen. 

Um dem Unfug, dass Künstler und Schutzverwandte die Buben 
und Mädchen in Kost haben und sie nicht in die Kirche schicken 
oder sogar im Irrglauben unterrichten, zu steuern, wurden die Grund- 
richter*) aufgefordert, alle Schutzverwandten und Störer aufs Neue 
zu beschreiben und zu bemerken, welcher Religion sie seien, ins- 
besondere aber Diejenigen zu specificiren, welche katholische ohn- 
vogtbare Kinder in der Lehre haben. Die Störer, wenn sie nicht 
besondere Künstler oder zu Lehrung der katholischen Jugend ge- 
schickte und anständige Leute wären, sind sofort abzuschaffen und 
über Diejenigen, die zu Gunsten des Handels hier belassen werden 
könnten, ist nach Hof Bericht zu erstatten. Insbesondere aber ist 
darauf zu sehen, dass Kinder nicht verführt werden und wird der 
Cardinal in die Wohnung der Schwankenden Curatos und Missionäre 
senden, um sie in Glaubenssachen recht zu unterrichten. 



*) In Wien gab es damals keine Bezirke, wohl aber Gründe, die ihre Richter hatten 



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In Schwechat wird die Sache untersucht werden und falls ein 
Prädicant unter dem Vorwande eines Präceptors in einem Hause ist 
oder wer lutherische Bücher einschmuggelt, so soll er sofort ab- 
geschafft werden. 

Was Wien betrifft, so existiren blos zwei zeitliche Indulte 
für Johann Ehrenreich Hoppe vom 23. April 1728 mit der Bedingung, 
dass er innerhalb 6 Jahren katholisch werde, und für den englischen 
Galanteriehändler Jon. Coste Badie vom 10. Jänner 1732 auf 3 Jahre. 
Es wurde verboten, weitere derartige Decrete zu ertheilen. Nichts 
desto weniger sind soviel lutherische Profession isten in Wien und 
in den Vorstädten und da wäre es die Frage, ob derartige Leute, 
die ohne Schutz hier sind, nicht sofort den Werbern zu übergeben 
wären, auch wenn sie verheiratet sind. 

Ad 2. So wird, um bessere Mannszucht herzustellen, auch ein 
Rath vom Hofkriegsrath bei der Hofcommission erscheinen und 
man wird wohl gute Ordnung herstellen. 

Ad 3. Der freie Zutritt in die Predigten und Oratorien der 
fremden Gesandten lasse sich schwer verbieten, da man sonst auf 
Repressalien gefasst sein müsste, da es den Katholiken gestattet ist, 
dem Gottesdienste der kais. Gesandten an protestantischen Höfen 
beizuwohnen. Was die Kranken betrifft, so soll, falls diese zur 
Familie einer fremden Gesandtschaft gehören, kein Geistlicher in's 
Haus kommen, um Repressalien zu vermeiden. Ist dies aber nicht 
der Fall, so soll der katholische Geistliche ihn besuchen und sich 
gegen die etwa herumstehenden lutherischen Leute »bescheidentlich* 
aufführen und sich nicht in Zank einlassen. 

Ad 4. Die Glaubensverwandten der Gesandten sind zu specificiren. 

Ad 5. Soll kein protestantischer Buchhändler mehr aufgenommen 
werden, und wird eine bessere Beaufsichtigung und Büchercensur 
stattfinden. 

Ad 6. Hält es die Conferenz nicht für angemessen, den Umgang 
zu verhindern, geschweige denn zu verwehren, da das in Wien, wo 
Leute aus allen Orten kommen und leben, unmöglich sei. Wohl sind 
zwei Personen vom Katholicismus zum Protestantismus übergetreten, 
Gräfin von Ringsmaul und eine bürgerliche Köchin Schätzinger, viel- 
leicht aus Schwachheit des Geistes oder Unbeständigkeit des Ge- 
müthes, aber die Fälle, dass Protestanten zum Katholicismus über- 
treten, seien noch häufiger. 



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VI. 

Zwei evangelische Glaubensbekenntnisse aus der 

Toleranzzeit. 

Mitgetheilt von Dr. G. FRANK in Wien. 

Ich bringe nachstehend zwei evangelische Glaubensbekenntnisse 
aus der evangelischen Kirche Oesterreichs, unter den Zeitgenossen 
wohl nur Wenigen bekannt, zum erneuten Abdruck. Das eine, 
welches den Titel trägt: „Glaubensbekenntniss der Evangelischen 
Augsburgischer Confession in Wien*, ist in zwei Sammelwerken des 
vorigen Jahrhunderts, nämlich in Kösters s Neuesten Religionsbege- 
benheiten mit unpartheyischen Anmerkungen* für das Jahr 1783, S. 563 
bis 72, und in den ,Neuen Miscellaneen politischen, moralischen, auch 
sonst verschiedenen Inhalts*. XVI. (Leipzig 1783), S. 631 veröffent- 
licht worden, seitdem verschollen. Der Verfasser ist mir unbekannt, 
auch über den Herausgeber, Friedrich von Ankerstein, habe ich 
Näheres nicht zu erkunden vermocht. Das zweite ist ein Proselyten- 
bekenntniss, abgelegt von dem Juden Gabriel David aus Altofen bei 
seiner mit kaiserlicher Erlaubniss durch den Superintendenten Fock 
in Wien 1785 vollzogenen Taufe. Dasselbe findet sich in folgender 
Schrift: , Anrede bey der Taufe eines Juden, welche den 19. Junii 1785 
in dem hiesigen Bethause der Augsburgischen Confessionsverwandten 
verrichtet worden ist; nebst der ganzen übrigen Taufhandlung, und 
einer kurzen Nachricht von den Lebensumständen des Täuflings, 
auch beigefügter Predigt, welche an diesem Tage vor der Tauf- 
handlung gehalten worden, von Johann Georg Fock, Superintendenten, 
erstem geistlichen Rath des Consistorii August. Confessionis und 
erstem Prediger dieser Kirchengemeine zu Wien.* (Wien 1785.) Köster 
hat es in seinen Neuesten Religionsbegebenheiten für das Jahr 1786 
S. 77 f. mit der einleitenden Bemerkung zum Abdruck gebracht: 



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>Für uns ist das von dem Proselyten bei der Taufe abgelegte Glaubens- 
bekenntniss das Merkwürdigste, weil dieses als eine Art von öffent- 
licher Urkunde von demjenigen angesehen werden kann, was man 
als Glied der Gemeinde zu bekennen schuldig sei.* 

I. 

Glaubensbekenntniss der Evangelischen Augsburgischer Con- 
fession in Wien: Zum Zeugniss und christlichen Urtheil über sie. 
Herausgegeben von Friedrich von Ankerstein. Wien 1782. 

Joseph der Weise, der Vater des Vaterlandes, hat in seinen aus- 
gebreiteten Reichen und Staaten uns unsere Religionsübung in ge- 
messenen Landesfürstl. Verordnungen zu verstatten geruht. 

Unsrer ursprünglichen Benennung der Evangelischen sind von 
Zeit zu Zeit mehrere Beynamen hinzugefügt ; wir sind bald als Augs- 
burgische Confessionsverwandte, bald als Protestanten, bald als 
Lutheraner, bald als Acatholische, bald noch änderst ausgezeichnet 
worden. 

Dahero geschieht es, dass unsrer Religion bis auf den heutigen 
Tag bald diese bald jene Gestalt gegeben, und ihrem wahren Wesen 
bald ab- bald zugethan wird. 

Die Gnade der Landesfürstl. Duldung unsrer Religionsübung 
in den vorgeschriebenen Schranken macht es uns zur Pflicht, öffent- 
lich zu erkennen zu geben, wes Glaubens wir sind. 

Unsern geliebten Christcatholischen Mitunterthanen sind wir 
zur christlichen Liebe und Verträglichkeit öffentlich befohlen. Unser 
äusserliches Thun und Lassen wird uns beyder würdig machen: als- 
dann aber am zuversichtlichsten, wenn sie uns auch unsers Glaubens 
halben nicht gefährlich achten können. 

Nach der Apostolischen Vorschrift 1. Petr. 3, 15. 16 sollen wir 
jederzeit den Grund unsers Glaubens genugsam zu erkennen zu geben, 
bereitwillig seyn. Wir bekennen also hiermit in Gottes Nahmen 
öffentlich, wer wir sind, und was wir glauben. 

Wir sind Christen : weil wir an Christum von ganzem Herzen 
glauben. 

Wir haben nichts als Christi Glaubens- und Sittenlehre so ein- 
fach und buchstäblich, wie sie im Evangelio aus dem Mund Christi 
durch die Schriften seiner Evangelisten und Apostel aufbewahrt sind, 



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zum Grund unsers christlichen Glaubens, und zum Richtmas unsers 
christlichen Wandels. 

Unsere einzige Erkenntnissquelle ist die heilige Schrift alten und 
neuen Testaments, das ist: Gottes unwandelbares Wort oder die 
Bibel ; in Verbindung der göttlichen zehen Gebote des alten mit der 
christlichen Moral des neuen Bundes. 

Unser Glaubensbekenntniss, welches ein jeder unter uns ohne 
Unterschied des Standes und Wesens bevor er zum erstemal zum 
Sacrament des heiligen Abendmals gelassen wird unter einem feyer- 
lichen Angelöbniss ablegt, ist das allgemeine Apostolische aller 
Christen, dieses wörtlichen Inhalts : 

Ich glaube an Gott den Vater, allmächtigen Schöpfer Himmels 
und der Erden: Und an Jesum Christum, seinen einigen Sohn, unsern 
Herrn, der empfangen ist von dem heiligen Geist, gebohren von der 
Jungfrau Maria, gelitten unter Pontio Pilato, gekreuziget, gestorben 
und begraben, niedergefahren zur Höllen, am dritten Tage wieder 
auferstanden von den Todten, aufgefahren gen Himmel, sitzend zur 
rechten Hand Gottes des allmächtigen Vaters, von dannen er kommen 
wird, zu richten die Lebendigen und die Todten. Ich glaube auch an 
den heiligen Geist, eine heilige christliche Kirche, die Gemeinschaft 
der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung des Fleisches, 
und nach diesem Leben ein ewiges Leben. 

Im Gebet halten wir uns vorzüglich an das Gebet des Herrn, 
oder das heilige Vater unser, so wie es Christus zu beten selbst 
vorgeschrieben hat. Matth. 6, I — 3. Luc. 11, 1 — 4. 

All unser übriges Gebet in gemeinen und besondern Anliegen 
geschieht allein im Nahmen Jesu Christi, im Vertrauen auf sein Ver- 
dienst und auf seine Fürbitte, um welcher willen allein Gott uns in 
Gnaden ansehen will. Joh. 14, 6. 16, 23. 24. Eph. 2, 18. 3, 12. 1. 
Tim. 5, 6. 1. Joh. 2, 1. 

Nach Christi Vorschrift beten wir gottgefälliger im Verborgenen. 
Matth. 6, 6. 7. Jedoch auch in öffentlichen Versammlungen zu Er- 
weckung mehrerer Andacht; nur dass es nicht in einem blossen 
Schein- oder Lippen werk bestehe. Matth. 6, 5 — 7. 

Die zwey Sacramente des neuen Testaments, welche von Christo 
im Evangelio selbst vorgeschrieben sind, haben wir buchstäblich. 

1. Das Sacrament der heiligen Taufe im Nahmen Gottes des 
Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Matth. 28, 19. 



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2. Das Sacrament des heiligen Abendmahls, in welchem wir 
den wahren Leib und das wahre Blut Christi zu seinem Gedächtniss 
und zu Vergebung unsrer Sünden empfangen, vermöge der Ein- 
setzungsworte: Nehmet hin und esset, das ist mein Leib. Trinket 
alle daraus, das ist mein Blut. Matth. 27, 26. 27. 28. 

Die Beichte ist nach christlichem Gebrauche eine nothwendige 
Vorbereitung zum würdigen Genuss des heiligen Abendmahls. Ohne 
Beichte wird Keiner, wes Standes und Würden er auch sey, zum 
Genuss des heiligen Abendmahls gelassen. Die Beichte enthält ein 
leidmüthiges Bekenntniss des Beichtenden über seinen sündhaften Zu- 
stand im Allgemeinen: eine Bezeugung seiner innigsten Bereuung 
aller seiner Sünden: eine glaubige Berufung auf Christi Verdienst 
und Gnade, mit dem aufrichtigen Vorsatz und Versprechen einer 
Lebensbesserung. Darauf wird er von seinem Beichtvater im Nahmen 
Gottes der Vergebung seiner Sünden versichert. 

Ein jedes Beichtkind von jedem Alter und Stande hat die 
christliche Freyheit, eine oder mehrere Sünden insonderheit, um eines 
besondern beichtväterlichen Raths oder Trostes willen, nach eigenem 
Antrieb seines Gewissens zu offenbaren, oder nicht. Der Beichtvater 
hat kein Recht, ein absonderliches Bekenntniss nahmhafter Sünden 
zu verlangen. 

Das Siegel der Beichte findet bei keinem Verbrechen Platz, 
wodurch die Ruhe und Wohlfahrt des Staats irgend leiden kan. 

Fasten besteht bey uns in der gänzlichen Enthaltung von aller 
Speise, ist aber dem Gewissen und der Freyheit eines jeden Christen 
überlassen. Nach dem Evangelio ist aber der Unterschied der Speisen 
weder Ge- noch Verbot, folglich weder [als] Glaubens- noch Sitten- 
lehre vorhanden. 

In der Uebereinstimmung der Evangelischen Christen, Gott 
nach der Vorschrift Christi und seines Evangelii zu dienen, ist 
Christus, nach seiner Verheissung im apostolischen Verstände,, ihr 
unsichtbares Oberhaupt. 1. Cor. 12, 27. Eph. 1, 22. 4, 15. 5, 23. 
Col. 1, 18. 2, 10. 

Ein sichtbares Oberhaupt der Christen, als Christen betrachtet, 
hat Christus, wie wir glauben, nirgends verheissen noch verordnet. 
In seiner Lehre Matth. 22, 21: Gebet dem Kayser was des Kaysers, 
und Gott was Gottes ist, bedingte er sich nichts absonderliches als 
göttlicher Lehrer, Hoherpriester und Bischof unserer Seelen. Die 



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apostolische Lehre i. Petr. 2, 17: Fürchtet Gott, ehret den König! 
gedenkt keiner absonderlichen Pflichten gegen Bischöfe, noch weniger 
einer geistlichen Herrschaft oder Obrigkeit. Zu Christi und der 
Apostel Zeiten war und blieb nur eine Gewalt im Himmel und auf 
Erden. Nur auf Gott im Himmel, und auf die Könige der Erden 
war, unserm Begriff nach, die ganze Lehre Christi und der Apostel 
gerichtet. Der ganze Inbegriff der Evangelisch-Apostolischen Lehre, 
wie wir sie glauben, besteht allein in diesem: Seyd gute Christen, 
folglich gute Unterthanen. 

Diesemnach ist unser Oberhaupt in Ansehung unsrer Religions- 
iibung in einem christlichen Staat unser christlicher Landesfürst allein. 
Das landesfurstliche Recht dazu sehen wir als ein Stück des Bildes 
Gottes an, das dem Landesfürsten beygelegt ist. Unter dessen Schutz 
und Schirm dienen wir in unsrer Einfalt nach dem Evangelio Gott, 
dem Staat und unserm Nächsten. 

Bischöfe brauchen wir bey unserer Religion nicht, weil wir sie 
nicht von Christo eingesetzt, sondern später unter Landesfursten, die 
nicht Christen waren, willkührlich und stufenweise entstanden finden. 

Eine kirchliche Gewalt oder ein bischöfliches Recht in oder 
über die Kirchen zu herrschen, zu gebieten oder zu verbieten, oder 
Recht zu sprechen, halten wir, anderer christlichen Ueberzeugung 
unnachtheilig, weder Christi noch der Apostel Ausspruch gemäss. 
Luc. 22, 25. 26. 1 Petr. 5, 3. 

Was die Bischöfe unter den ersten christlichen Gemeinen, welche 
noch keine christlichen Landesherrn hatten, der Zucht und Ordnung 
halben im Stande des Bedrucks unter nicht christlichen Landesherrn 
gethan, hörte unter christlichen Landesfursten nach unsern Grund- 
sätzen auf, ein bischöflich Recht zu seyn, nachdem unter christlichen 
Landesfursten, nach unsern Grundsätzen, die christliche Religion der 
Grund der Wohlfahrt des Staats, folglich ein Hauptstück der 
landesfürstlichen Krone und der daran haftenden Berechtigung 
geworden, im Religionswesen selbst und aliein Ordnung, Ruhe, Zucht 
und Wohlstand vorzuschreiben und zu erhalten. 

Die evangelischen Prediger sind Bürger des gemeinen Wesens 
und Diener des Staats. Sie können nach apostolischem Exempel 
und Gutbefinden ehelich leben. Matth. 8, 14. 1. Tim. 3, 2 und 12. 
Tit. 1, 6 u. f. Sie müssen übrigens im gemeinen Wesen allein durch 
evangelische Lehren und gute Exempel hervorleuchten. 



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Unsre Geistlichen und Prediger haben keinen andern evangelisch- 
apostolischen Beruf, als zum Lehren, Ermahnen, Trösten und Aus- 
theiien der Sacramente. Von aller Gewalt, die Christus im Himmel 
und auf Erden hatte, gab Christus selbst seinen Aposteln ausdrück- 
lich blos diese genannten Stücke zu handeln. Alle übrige Gewalt 
auf Erden, die im Ge- oder Verbieten besteht, blieb folglich den 
Landesfürsten, als den einzigen göttlichen Statthaltern auf Erden. 

. Dies ist der Geist der Augsburgischen Confession überhaupt, 
und ihres 28. Artikels insonderheit. Wir bekennen uns dazu frey- 
müthig; nicht weil sie D. Luther verfasst hat: sondern weil wir sie 
dem Evangelio Christi gemäss halten. 

Bey uns ist D. Luther bey weitem kein Heiliger und kein 
Apostel, [viel] weniger unfehlbar. Wir widmen seinem Namen keine 
Feyer noch Gedächtnisstage. Wir halten auf seine Meynungen nichts, 
wenn wir sie nicht im Evangelio gegründet finden. Wir vertreten 
ihn nie, wo er in menschlichen Fehlern und Schwachheiten erscheinet. 
Alles was wir ihm schuldig bleiben, beschränkt sich lediglich auf 
die christliche Erkenntlichkeit, dass er das Wort Gottes und das 
Evangelium in deutscher Sprache bekannter gemacht, dass er uns 
darnach den Willen Gottes von unsrer Seligkeit in den Glaubens- 
und Sittenlehren Christi unsers Erlösers selbst aus der Quelle schöpfen 
gelehrt, und dass, von seiner Zeit her, wir unsern dreyeinigen Gott 
in unsrer Muttersprache anbeten, loben und preisen, überhaupt aber 
von Kindesbeinen an aus dem Evangelio selbst lesen und selbst 
lernen können, wie wir unserm Gott, unserm Landesfürsten und 
unserm Nächsten dienen sollen. 

Alles was Christus von der Liebe des Nächsten und von den 
Lebenspflichten in allen Verhältnissen des Menschen zum Menschen, 
oder des Christen zum Christen, als Lehre oder Vorschrift durch 
seine Evangelisten und Apostel hinterlassen, nehmen wir von Herzen 
als segenreiche Schuldigkeiten an. Wir trachten sie, so viel bey 
menschlichen Schwachheiten möglich, zu erfüllen, mithin nach der 
apostolischen Ermahnung 2. Petr. 1, 5. 6. 7 darzureichen in unserm 
Glauben Tugend, in der Tugend Bescheidenheit, und in der Bescheiden- 
heit Mässigkeit, und in der Mässigkeit Gedult, und in der Gedult Gott- 
seligkeit, und in der Gottseligkeit brüderliche Liebe, und in der 
brüderlichen Liebe allgemeine Liebe. 

Das sey uns Gott Zeuge und Gehülfe ! durch Jesum Christum, Amen ! 



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II. 

Proselytenbekenntnias. 

Aus dem Jahre 1785. 

1) Ich glaube an einen einigen Gott, Vater, Sohn und heiligen 
Geist, der Schöpfer, Erhalter und Regierer aller Dinge ist. 2) Ich 
glaube, dass Gott alle Menschen zu einer ewigen Glückseligkeit er- 
schaffen habe. 3) Ich glaube, dass Gott die Menschen anfänglich 
weise und gut erschaffen habe, dass sie aber durch ihre eigne Schuld 
Sünder und unglücklich geworden sind. 4) Ich glaube, dass Gott 
seinen eingebohrnen Sohn Jesum Christum in die Welt gesandt habe, 
die unglücklichen Menschen von Sünden zu erlösen und ewig selig 
zu machen. 5) Ich glaube, dass dieser Jesus der von den Propheten 
verheissne Messias sey, und in ihm die Weissagungen derselben von 

J 9 DO 

einem grossen König und Retter erfüllt sind. 6) Ich glaube, dass 
alle, die an Jesum glauben, alle Sünde ernstlich meiden, alles Gute 
willig thun, und in diesem tugendreichen Glauben bis ans Ende be- 
harren, ewig selig werden. 7) Ich glaube, dass der heilige Geist uns 
Menschen bessert, heiligt, und zum Genuss der ewigen Seligkeit 
tüchtig macht. 8) Ich glaube, dass die Bücher des alten und neuen 
Testaments Gottes W 7 ort sind, und alles enthalten, was wir glauben 
und thun sollen, um selig zu werden. 9) Ich glaube, dass die heil. 
Taufe ein von Jesu verordnetes Gnadenmittel ist, ein glücklicher 
Unterthan seines Reichs zu werden, Vergebung der Sünden und ein 
Recht an der ewigen Seligkeit zu erhalten. 10) Ich glaube, dass 
Jesus Christus uns im h. Abendmahl seinen Leib und sein Blut zur 
Versicherung von der Vergebung der Sünden, zur Stärkung des 
Glaubens, und der Hoffnung auf die ewige Seligkeit schenkt. 11) Ich 
glaube nach dem Tode ein ewiges Leben, die Auferstehung des 
Fleisches am jüngsten Tage, an welchem Jesus kommen wird, zu 
richten die Lebendigen und die Todten. 



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» 



VII. 



Die höheren Lehranstalten der evangelischen Kirche 

Augsb. Conf. in Ungarn. 

Von EDUARD SCHMIDAG, Pfarrer in Unterschützen. 

L In der Theisser Superintendenz. 

i. Das Districts-Obergymnasium in Rosenau. 

Die Reformation in Ungarn hatte in dem gegenwärtigen Theisser 
evang. Kirchendistricte A. C, besonders in den Zipser und Säroser 
Gespannschaften, die ersten tiefen Wurzeln geschlagen. Trotz der 
i. J. 1521 durch den Primas Georg Szentmiklösy in Gran gegen 
Luther und seine Lehre geschleuderten päpstlichen Bannbulle, trotz des 
i. J. 1523 vom König Ludwig erlassenen Edicts, wonach »alle Luthe- 
raner als Ketzer mit dem Verluste des Lebens und ihrer Güter be- 
straft werden sollen*, und trotz des i. J. 1525 publicirten grausamen 
Gesetzes, nach welchem ,die Bekenner der lutherischen Lehre aus- 
gerottet und verbrannt werden sollen*, hatte gleichwohl der evan- 
gelische Glaube durch Gottes wunderbare Fügung eine erfolgreiche 
Verbreitung gefunden. Die Schlacht von Mohäcs, der Krieg zwischen 
Ferdinand I. und Joh. Zäpolya verhinderten die Ausführung solch' 
blutdürstiger Beschlüsse gegen die Bekenner des Evangeliums. 

Noch vor dem Augsburger Reichstag 1530 haben Männer wie 
Thomas Preissner in Kesmark, Joh. Henkel und Barthol. Bogner 
in Leutschau, Jesaias Lang in Bartfeld, Lorenz Serpilius in Bela im 
Geiste der Reformation gewirkt und unter der Leitung des Leonhard 
Stockei ward bereits i. J. 1539 die berühmte evang. Hochschule in 
Bartfeld errichtet*). — Nicht lange dauerte es, so war auch die 

*) Vergl. „Haan L. a magyarhoni a. h. evang. egyetemes nevtdra 1880 
evben.« S. 130. 



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ganze Stadt Rosenau dem evangelischen Bekenntnisse zugethan und 
ein Glied des grossen Bruderbundes im Gömörer Comitate geworden. 
Die junge Gemeinde wusste es nur zu klar, dass sie vor Allem dem 
Schulunterrichte ihre ganze Sorgfalt zuwenden müsse, um weiter 
fortbestehen zu können. Sie errichtete eine lateinische Schule, damit 
geeignete Jünglinge für den Kirchendienst herangebildet werden 
konnten, und schon i. J. 1525 wird Anton Philadelphus als Professor 
in Rosenau erwähnt *). Das war eine weise Fürsorge, eine trotz allem 
Druck still gepflegte Thätigkeit, die mit geringer Kraft Grosses 
leistete und durch alle Ränke und Gewaltthätigkeiten der Verfolger 
nicht gelähmt werden konnte. Denn nach einem blühenden Anfang 
sind ungeachtet der gewährleisteten Friedensschliessungen und 
sanctionirten Gesetze besonders unter der Regierung Leopold's I. 
die bittersten Trübsalstage für die evang. Kirchen und Schulen her- 
eingebrochen, die allerdings geeignet waren, den Geistesflug zu lähmen 
und den warmen Glaubenseifer zu erkalten. Es folgte eine lange, 
bange Passionszeit, denn i. J. 1687 wurde die damals unter Särossy, 
Bombyk und Bänöczy in Blüthe stehende Lehranstalt zu Rosenau 
aufgelöst, ihrer sämmtlichen Lehrer beraubt und mit Einstellung des 
evang. Gottesdienstes wurden auch die Prediger Jacob Regius und 
•Manhardt Biernstein aus der Stadt vertrieben. Mit der zahlreich 
studirenden Jugend zogen die Vertriebenen nach Sajö-Gömör, wo 
sie unter dem Schutz der angesehenen Grundherren eine gesicherte 
Zufluchtsstätte fanden. Erst nach der Erhebung Räköczy's II. i. J. 1704 
erhielt die Gemeinde ihre Seelsorger und Lehrer wieder, die Lehr- 
anstalt lebte neu auf und unter dem Professor Mich. Misovicz zählte 
sie wieder zu den blühendsten. Allein sie wurde gar bald wieder 
aufgelöst, die Jesuiten brachten es i. J. 1714 so weit, dass die 
Rosenauer ihrer Kirchen und Schulen beraubt wurden und kein 
evang. Prediger es wagen durfte, ohne besondere Erlaubniss auch 
nur die Stadt zu berühren. Es folgten nun 70 schwere Leidensjahre, 
in denen sie den bittersten Quälereien und Verfolgungen preisgegeben 
waren. Doch die Hand des Herrn war schützend ausgebreitet über 
das Samenkorn evangelischer Erkenntniss, dass demselben in der 
langen Zeit der Dürre die innere Lebenskraft nicht versiechte, noch 



•) Georg Bauhofer, Geschichte der evang. Kirche in Ungarn. Berlin, Wiegandt 
und Grieben, 1854. 

Jahrbuch des Protestantismus 1882. 7 



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auch der schwere Fusstritt der Gewalt es zertreten konnte. Nach 
langer trüber Zeit kam endlich wieder ein heller Tag des Lichts 
und der Freiheit; der grimmigen Verfolgungswuth, welche sich die 
Vernichtung der heiligsten Menschenrechte zum Ziele setzte, dem 
schweren Gewissensdruck wurde durch das Toleranz-Edict Joseph s II. 
(1781) ein Ende gemacht, und die neu errungene Begünstigung be- 
nützte auch Rosenau zur Wiederherstellung seines Gymnasiums. Die 
neuen geringen Anfänge hatten einen gesegneten Erfolg. Im Verlaufe 
der Jahre wurde zum gesicherten Fortbestehen der Schule ein Stamm- 
capital von 11.000 fl. im Subscriptionswege zu Stande gebracht, von 
der opferwilligen Gemeinde 1818 ein neues Gymnasial-Gebäude auf- 
geführt und die Anstalt durch ansehnliche Stiftungen bereichert. 
Und als mit dem anbefohlenen , Organisations-Entwurf 1 eine neue 
sorgenvolle Wendung eingetreten war und die Gemeinde sich aber- 
mals auf eigene Kraftanstrengung angewiesen sah, da wetteiferten 
mit derselben die treuen Schulfreunde und die Gemeinden des Districts 
mit so reichlichen Opferbeiträgen, dass nach Ueberwindung aller 
Schwierigkeiten i. J. 1852 die Anstalt zu einem achtclassigen Ober- 
gymnasium erhoben und 10 Jahre später das Gymnasial-Gebäude 
entsprechend vergrössert und vollständig ausgebaut werden konnte. 
Für die Verpflegung der ärmeren Studenten bestehen ein Convict und 
Alumneum, in welchem 103 Studenten verköstigt, und 8 Stiftungen, 
aus denen im letzten Schuljahre 200 fl. an Stipendien vertheilt wurden. 
Schülerzahl: 232. 

2. Das Districts-Collegium in Eperies. 

Aehnliche Widerwärtigkeiten und Trübsalsstürme, wie die vor- 
stehend geschilderten, hatten auch die nachfolgenden älteren Lehr- 
anstalten, zumal die in Eperies, durchzukämpfen. Bereits i. J. 1534 wurde 
hier das evang. Gymnasium errichtet und erfreute sich dasselbe 
eines besonderen Aufschwungs. Im Jahre 1660 hatte die Schülerzahl 
der Art zugenommen, dass dieselbe in dem Schulgebäude keinen 
Raum mehr finden konnte. Dies bewog die evang. Stände in Ober- 
ungarn, dass sie hier eine höhere Schule unter der Bezeichnung 
,Collegium Statuum evangelicorum* errichteten. Es wurde zu diesem 
Zwecke so opferwillig beigesteuert, dass in kurzer Zeit über ein Bau- 
capital von nahezu 100.000 fl. verfügt werden konnte. Im Jahre 1665 
wurde der Bau in Angriff genommen und zwei Jahre später konnte 



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das mit 10 Lehrstühlen versehene Collegium feierlich eröffnet werden. 
Der erste Director desselben war der aus Deutschland berufene 
Dr. Sam. Pomarius, der die Theologie und orientalischen Sprachen 
lehrte. Unter seiner Leitung war das Institut aussergewöhnlich empor- 
geblüht. Indess die Freude an der mit so vielen Opfern errungenen 
Pflanzstätte des gereinigten Christenthums sollte nicht lange währen. 
In dem trauervollen Gedächtnissjahre 1673 wurde den Evangelischen 
ihr theures Collegium sammt den Kirchen dieser Stadt gewaltsam 
weggenommen und — den Jesuiten übergeben. Sie traten zwar 
i. J. 1684 abermals in den Besitz ihres Eigenthums, aber i. J. 1688 
hatte rohe Gewalt und unduldsamer Fanatismus neuerdings das Recht 
mit Füssen getreten und evangelisches Eigenthum in die Hände der 
Jesuiten geliefert. Unter der Erhebung Räkoczy's wurde es ihnen 
zurückerstattet und unter der Leitung des Prof. Joh. Rezik fing die 
Anstalt aufs Neue zu blühen an. Allein i. J. 1711 wurde sie ihnen 
zum dritten Male genommen, bis es endlich unter der Regierung 
Joseph's II. so weit gekommen war, dass das eigene Schulgebäude 1785 
als ewiges Eigenthum für den Betrag von 6000 fl. zurückgekauft 
werden musste. — Seit dieser Zeit sind nachstehende Vorkommnisse 
zu verzeichnen: Im Jahre 1815 wurde ein Lehrstuhl für die Rechts- 
wissenschaft errichtet ; vom Jahre 1851 — 1855 war die Anstalt in Folge 
des Thun'schen Entwurfs vielen Belästigungen ausgesetzt ; 1867 wurde 
das Schulgebäude um ein Stockwerk erhöht; 1873 das Seminar hinzu- 
gefügt und 1878 der eine Zeitlang aufgehobene Lehrstuhl der 
Rechtswissenschaft wieder hergestellt. Die letztjährige Schülerzahl 
bestand in 255 Gymnasiasten, 38 Seminaristen, 39 Juristen und 
16 Theologen, zusammen 348 Studirenden. 

3. Das Districts-Lyceu m in Kesmark. 

Diese Anstalt wurde i. J. 1533 als Untergymnasium von der 
dortigen evang. Kirchengemeinde ins Leben gerufen und i. J. 1575 
zu einem fünfclassigen erweitert. Der Unterricht wurde auch hier 
i. J. 1674 sistirt und i. J. 1681 wieder aufgenommen. Im Jahre 1788 
wurde der philosophische, 180 1 der theologische, 1805 der juridische 
Lehrstuhl aufgerichtet, und als es i. J. 1839 unter das Protectorat der 
Zipser Gemeinde trat, erhielt es den Titel: ,Districts-Lyceum*. Im 
Jahre 1852 wurde es als achtclassiges Obergymnasium neu organisirt. 

Die letztjährige Schülerzahl belief sich auf 441 Studirende. 

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4. Das Obergymnasium in Iglö (Neudorf). 

Diese Anstalt wurde i. J. 1785 als Untergymnasium gegründet, 
als aber i. J. 1861 der verewigte Joseph Trangous der dortigen Ge- 
meinde ein ansehnliches Vermögen zur Errichtung eines Ober- 
gymnasiums testirte, wurden die acht Gymnasialclassen eröffnet und 
überdies i. J. 1867 das gegenwärtige stattliche Schulgebäude auf- 
gebaut. Mit dem Untergymnasiu/n ist auch eine Unter-Realschule in 
Verbindung gebracht. Das Institut ist mit trefflichen Lehrmitteln, 
Stipendienfonds, Alumneum und Museum ausgestattet. Die gegen- 
wärtige Zahl der Professoren beläuft sich auf 12, die der Schüler 
auf 500. 

5. Das sechsclassige Gymnasium in Nyiregyhäz. 

Durch freiwillige Beiträge entstand hier i. J. 1806 die erste 
lateinische Schule mit Einschluss der Rhetorik. Im Jahre 1854 musste 
sie sistirt werden, lebte aber i. J. 1861 neu auf, nachdem die Stadt 
eine Dotation von 100.000 fl. gestiftet hatte, durch welche auch 
die 5. und 6. Classe eröffnet werden konnte. Die Schülerzahl betrug 
im letzten Schuljahre 182. 

6. Das vereinigte protest. Gymnasium in Rimaszombat. 

Als solches ist es in jener Zeit entstanden, da der Thun'sche 
Entwurf mit jenen Prätensionen auftrat, denen nur wenige prote- 
stantische Gymnasien zu entsprechen im Stande waren. Unter 
solchen Umständen vereinigte sich i. J. 1853 das evang. Gymnasium 
in Osgyän mit dem reformirten in Rimaszombat. Die 6 ordent- 
lichen Professoren theilen sich in 3 evangelische und 3 reformirte, 
sowie auch das Directorat sich jährlich nach der Confession ändert. 
Die Schülerzahl in den 6 Classen beträgt 181. 

7. Das Untergymnasium in Miskolcz. 

Es ist gegründet i. J. 1780 und wird von der dortigen evang. 
Kirche erhalten. In den fünfziger Jahren zu einem Realgymnasium 
umgestaltet, wurde es i. J. 1861 als vierclassiges Untergymnasium 
wieder hergestellt. Die letztjährige Schülerzahl: 75. 



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8. Das Untergymnasium irf Sajögömör. 

Die Spuren dieser Anstalt finden wir schon i. J. 1616 und eine 
höhere Blüthe derselben i. J. 1687, als die aus Rosenau vertriebenen 
Professoren mit ihren Schülern unter dem Schutz der hiesigen Edel- 
eute eine sichere Zufluchtsstätte fanden. Vom Jahre 1852 — 1854 be- 
stand es als vierclassiges Gymnasium, von 1854 — 1862 als Bürger- 
schule und seit 1862 ist es wieder ein dreiclassiges Untergymnasium 
mit vier Professoren und 32 Studirenden im vorletzten Schuljahre. 

II. In der Montan-Superintendenz. 

1. Das D istr icts-Lyceum in Schemnitz. 

Um das Jahr 1560 ist unter der Leitung des Directors Johann 
Hensel das hierortige evang. Gymnasium gegründet worden. Es 
stand unter dem Protectorat des Stadtrathes, der die Professoren 
berief und bezahlte, die Schulgesetze aufstellte und den Lehrplan 
im Einverständniss mit dem Director bestimmte. Im Trauerjahre 1673 
sind auch dieser Stadt die Kirchen- und Schulanstalten gewaltsam 
entrissen worden. Nach dem Oedenburger Landtag i. J. 1682 ist die 
Schulanstalt zwar wieder hergestellt, aber i. J. 1748 bis zur Gramma- 
tical-Classe herabgesetzt worden. Nach dem Toleranz-Edict wurde 
sie neu organisirt und erfreute sich — besonders unter den Prof. 
Järösy und Severini — eines gedeihlichen Aufschwungs. Im Jahre 
1808 wurde sie zum Districts-Gymnasium erhoben; 1838 erhielt sie 
einen Lehrstuhl für die ungarische Sprache und das stattliche Schul- 
gebäude wurde durch die Bemühungen des damaligen verdienstvollen 
Superintendenten J. Szeber^nyi zu Stande gebracht. Das Lyceum 
ist mit Mineralien-, Muschel- und Insecten-Sammlungen, physikalischem 
Museum, Bibliothek mit 10.949 Bänden und Alumneum nebst 
Stiftungen für Stipendien reichlich ausgestattet. Es besteht hier auch 
ein Bibel- Verein, der unter die ärmeren Gemeinden Bibeln vertheilt. 
Die jüngste Schülerzahl : 295. 

2. Das Obergymnasium in Szarvas. 

Der B^keser Seniorats-Sprengel hatte i. J. 1802 in Mezö-Bereny 
ein Gymnasium errichtet, welches im Verlauf der Jahre zu einem acht- 
classigen erhoben wurde und als das einzige derartige Institut in Nieder- 
ungarn von gedeihlicher Entwicklung begleitet war. Im Jahre 1834 



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wurde es nach Szarvas transferirt, wo die römisch-katholische Herr- 
schaft beträchtliche Grundbesitzungen schenkte, deren Erträgnisse 
auch heute noch die Haupteinnahme des Gymnasiums bilden. Im 
Jahre 1860 wurde das mit dem Gymnasium in Verbindung stehende 
Lehrer-Seminar errichtet, i. J. 1871 das Schulgebäude und auch die 
landwirtschaftliche und Gewerbe-Schule mit beträchtlichen Kosten 
erweitert und verbessert. Die jüngste Schülerzahl: 490. 

3. Das Obergymnasium in Budapest. 

Dieses Institut wurde i. J. 1823 von der Pester evang. Ge- 
meinde A. C. errichtet und bestand das damalige Gymnasium in 
zwei Jahrgängen Grammatik, zwei Jahrgängen Syntax und je einem 
Jahrgang Rhetorik und Poesie bis zum Jahre 1855, wo es nach dem 
Thun'schen Lehrplan ein vierclassiges Gymnasium geworden war. 
Im Jahre 1861 wurde die fünfte, 1864 die sechste, 1871 die siebente 
und 1873 die achte Classe. hinzugefügt. Es steht unter der Inspection 
der deutschen und ungarischen evang. Gemeinde in Pest, hat 
10 ordentliche Professoren und 3 Hilfslehrer und die Schülerzahl 
von 482. 

4. Das fünfclassige Gymnasium in Neusohl. 

Es bestand hier schon zu Beginn der Reformation eine vom 
Stadtrathe aufrechterhaltene lateinische Schule. Der erste bekannte 
Professor war Johann Sigler i. J. 1537. Im Verlaufe der Jahre ist 
diese Schule bald erweitert, bald vermindert worden, bald hatte sie 
bestanden und bald wieder aufgehört. Den Höhepunkt ihres Auf- 
blühens erreichte sie unter Mathias Böl 1709 — 1714. Auf Grund des 
Thun'schen Lehrplans wurde sie i. J. 1857 159 neu organisirt und mit 
fünf Classen ausgestattet. Eine kritische Geschichte dieser Lehr- 
anstalt hat der dortige Prof. Carl Rosenauer neuestens in einer be- 
sonderen Druckschrift gründlich dargelegt. Sie wird erhalten und 
geleitet von der dortigen evangelischen Gemeinde, hat 6 ordentliche 
und 5 ausserordentliche Lehrer, Stipendienfonds und Alumneum. 
Schülerzahl; 97. 

5. Das Untergymnasium in Aszöd. 

Diese Schule besteht seit 1798, ist aber i. J. 1856 eine Privat- 
schule geworden. Im Jahre 1860 wurde sie zur höheren Bürgerschule 



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eingerichtet, i. J. 1863 aber als zweiclassiges Untergymnasium wieder 
hergestellt und später als vierclassiges erweitert. Die jüngste Schüler- 
zahl belief sich auf 109. 

6. Das Untergymnasium in Bekes-Csaba. 

Diese Anstalt wurde von der Stadt Csaba als dreiclassiges 
Realgymnasium i. J. 1858 errichtet und 1860 mit einer vierten Classe 
erweitert. Die Stadt widmete zu diesem Zwecke 43.000 fl. und das 
Presbyterium der dortigen ansehnlichen, aus 26.929 Seelen bestehen- 
den evang. Kirchengemeinde, beziehungsweise die von demselben 
gewählte Schulcommission, fuhrt das Inspectorat über die Schule. 
Deren jüngste Schüler zahl: 79. 

III. In der Superintendenz jenseits der Donau. 

1. Das Districts-Lyceum in Oedenburg. 

Dasselbe wurde i. J. 1557 durch den Oedenburger Stadtrath ge- 
gründet, der mit der überwiegenden Mehrzahl der dortigen Bürger- 
schaft sich schon damals entschieden zu den Grundsätzen der Refor- 
mation bekannte. Das unter dem Patronate des Stadtrathes stehende 
Institut wurde aus der Stadtcasse aufrechterhalten. Ein Jahrhundert 
später (1657) beschloss der Stadtrath die Errichtung eines zweiten 
Gymnasiums, in welchem die ungarische Sprache besonders gepflegt 
und dadurch die auf geringer Stufe stehenden ungarischen Pfarreien 
mehr gehoben werden sollten, deren Gebrechen in Folge der durch 
Franz Nädasdy aufgehobenen berühmten Hochschule in Csepreg tief 
empfunden wurden. Das unter dem Namen , ungarische Schule* er- 
richtete neue Gymnasium ist auch bereits i. J. 1658 eröffnet worden. 
Allein beide Lehranstalten erhielten in dem Trauerjahre 1674 ihren 
Todesstoss. Das ältere Gymnasial-Gebäude wurde den Evangelischen 
gewaltsam entrissen, während das Gebäude der ungarischen Schule 
zwar in ihrem Besitze geblieben, aber deren Lehrer theils vertrieben, 
theils zur Unthätigkeit verurtheilt worden sind. Nach dem Oeden- 
burger Landtag i. J. 1682 hatte die Gemeinde ihr Gymnasium in 
dem — in ihrem Besitz verbliebenen — ungarischen Schulgebäude 
wieder eröffnet. Es bestand aus fünf Classen und ebensovielen 
Lehrern, allein seit dieser Zeit wurde aus der Stadtcassa zur Er- 
haltung des Instituts nichts mehr beigesteuert. Im Jahre 1787 wurde 



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die Anstalt zum Lyceum erhoben und ein Fachsystem in den drei 
oberen Classen eingerichtet. In Folge eines zwischen der Oeden- 
burger evang. Gemeinde und dem Kirchendistricte abgeschlossenen 
Vertrages ist das neu organisirte Institut i. J. 1853 aus dem Protectorat 
der Oedenburger Gemeinde in das des evang. Kirchendistricts jen- 
seits der Donau übergegangen. Das Lyceum besteht gegenwärtig 
aus einem achtclassigen Gymnasium, einer philosophisch-theologischen 
Lehranstalt mit drei Jahrgängen und einem ebenfalls aus drei Jahr- 
gängen bestehenden Lehrer-Seminar. Jüngste Schülerzahl: 428. 

2. Die Lehranstalten zu Oberschützen. 

Diese wurden von dem dortigen Pfarrer Gottlieb August 
Wimmer i. J. 1845 unter Zufluss reichlicher Unterstützungen vom 
Auslande gegründet und bestehen aus einem Lehrer-Seminar mit 
fünf Jahrgängen, einem 1847 gegründeten vierclassigen Gymnasium 
und einer 1851 in's Leben getretenen Realschule, welch' letztere 
i. J. 1881 mit einer fünften und sechsten Classe vermehrt wurde. Der 
Lehrkörper besteht aus 8 ordentlichen und 5 ausserordentlichen Mit- 
gliedern. Die Schülerzahl im Realgymnasium beträgt 143, die des 
Seminars 72, zusammen 215. 

3. Das Untergymnasium in Bonyhäd. 

Dasselbe wurde vom Tolna-Barany-Somogyer Seniorat i. J. 1807 
zu Sz. Lörincz gegründet, i. J. 1853 sistirt, i. J. 1857 wieder eröffnet 
und i. J. 1870 nach Bonyhäd verlegt. In den vier Classen unter- 
richten 4 ordentliche Lehrer und 1 Nebenlehrer. Schülerzahl : 126. 

4. Das Untergymnasium in Raab. 

Im Jahre 1783 wurde dasselbe mit einem Lehrstuhl eröffnet, 
i. J. 1790 mit einem zweiten vermehrt und i. J. 1795 das Alumneum 
gegründet. Es blühte besonders zu Anfang dieses Jahrhunderts, 
während es i. J. 1852 eingegangen ist. Im Jahre 1862 wurde es aber- 
mals eröffnet als vierclassiges Untergymnasium. Es bestehen zwei 
Stipendienfonde : Steltzer-Stiftung mit 10.000 fl. und Zmeskäl-Stiftung 
mit 1000 fl. ö. W. Die jüngste Schülerzahl : 57. 

(Die fünfte Anstalt in Güns ist kürzlich eingegangen.) 



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IV. In der Superintendenz diesseits der Donau. 

Das Lyceum in Pressburg. 

Die Evangelischen dieser Stadt hatten i. J. 1606 dieses Lyceum 
mit acht Classen in's Leben gerufen. Nachdem das in der inneren 
Stadt liegende Schulgebäude i. J. 1672 in gewaltsamer Weise weg- 
genommen ward, ist ein solches nach zehnjähriger Unterbrechung 
i. J. 1682 in der Vorstadt aufgerichtet worden. Unter den älteren 
Professoren, die sich um diese Lehranstalt verdient gemacht hatten, 
waren: Math. B6\, Friedr. Beer, Joh. Thomka-Szaszky, Jos. Benczur, 
Gabr. Koväcs-Martinyi, und unter ihren Wohlthätern : Daniel Crudy, 
Mich. Institoris, Friedr. Simko, Gabr. Skaricza, Familie jeszenäk u. A. 
Im Jahre 1853 wurde die Zahl der Professoren auf 12 erhöht, und 
nachdem das bisherige Institutsgebäude dem Bedürfnisse nicht 
mehr genügend erschien, wurde von der evang. Gemeinde in der 
Nähe des alten ein neues Lycealgebäude aufgeführt und in dem 
früheren die reichhaltigen Sammlungen und Bibliotheken aufgestellt. 
Das Lyceum wird erhalten von der evang. Gemeinde in Pressburg 
und theilweise auch vom Districte unterstützt. Es besteht aus einem 
achtclassigen Obergymnasium, einem dreijährigen theologischen Lehr- 
curse und ist mit einem Alumneum und Convicte versehen. Die 
jüngste Zahl der Studirenden belief sich im Untergymnasium auf 451 
und in der theologischen Abtheilung auf 58, zusammen 509 Studirende. 

In den genannten vier Kirchendistricten befanden sich mit 
Abschluss des Schuljahres 1879] 80 19 höhere Lehranstalten mit 
160 ordentlichen und 71 ausserordentlichen Professoren und einer 
Gesammtzahl von 4868 Studirenden. 



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VIII. 
Bücherschau. 

I. 

Julius Wallner: Kurzer Abriss des Schulwesens zu Iglau bis 
zur Begründung einer protestantischen lateinischen 
Schule (1561). 

Unter diesem Titel begann der Iglauer Professor J. Wallner im 
dreissigsten Programm des k. k. Staats-Obergymnasiums in Iglau 
(veröffentlicht am Schlüsse des Schuljahres 1879 — 80) eine eingehende, 
für mehrere Programme berechnete , Geschichte des k. k. Gymnasiums 
zu Iglau*. Die weitere Arbeit wird in drei Abschnitte zerfallen : von 
Gründung einer protestantischen lateinischen Schule im Jahre 1561 bis 
zur Errichtung eines Jesuiten-Gymnasiums an Stelle der zur Zeit der 
Gegenreformation aufgelösten evangelischen Anstalt im Jahre 1626; 
das Wirken des Jesuitenordens bis zu seiner Auflösung im Jahre 1773 
und die von Gratian Marx (dem Rector der Savoyischen Ritter- 
Akademie) entworfene, von der Regierung 1777 eingeführte Neu- 
organisation der österreichischen Gymnasien; die Entwicklung der 
Anstalt unter staatlicher Verwaltung. 

Uns wird besonders der im nächsten Programme behandelte 
Abschnitt von 1561 — 1626 interessiren ; aber auch die vorliegende 
Einleitung bietet manches Beachtens werthe. 

Iglau besass schon früh eine Pfarr- oder Stadtschule : 1288 erscheint 
ein Rector scholarum Hermannus in Iglau. Mancher in weiteren 
Kreisen bekannte Schulmann (z. B.Johann von Gelnhausen 1359) 
zierte seitdem die Schule der alten Bergstadt, und bald muss sie eine 
gewisse Berühmtheit erlangt haben, denn das Lobgedicht eines Stu- 
denten aus dem Beginne des 15. Jahrhunderts (abgedr. im Archiv 
f. österr. Gesch. XXX, 194 ff.) weiss von ihr und der Stadt Iglau über- 
haupt gar herrliche Dinge zu melden. Unter Anderem preist der aus 



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Iglau (der urbs ericiana = Igelstadt) scheidende Student die Recht- 
gläubigkeit der Stadt : 

Vale, urbs ericiana, 
Mala vitans et profana 

Spernis puerilia. 
Bonos amas, malos vitas 
Et abhorres Wiclefitas, 

Cuncta quoque vilia. 

Verschiedene tüchtige Lehrkräfte wirkten an der Schule zu Iglau, 
bis auf Lucas Leupold von Löwenthal (den Ahnherrn des Mit- 
begründers der jetzigen ev. Gemeinde in Iglau) 1512 Martin Winter- 
berg er und auf diesen 1520 — 1526 ein gewisser Hanns als Schulrector 
folgte, der geistlichen Standes war, aber trotzdem heiratete. Er 
brachte eine Nonne aus dem Kloster Frauenthai nach Iglau und 
vermalte sich hier mit derselben, ein Beispiel, dem auch der gleich- 
zeitige Pfarrer Simon Schneeweis folgte. 

Kurz vorher war der Propst von Kanitz, Martin Göschl, in 
den Besitz der Pfarrkirche zu Iglau gekommen, welcher sich später 
den Wiedertäufern anschloss und ein Weib nahm. 

Zu dieser Bewegung hatte zunächst (wie in Wittenberg) der 
Ablasshandel Anlass gegeben. Der zum päpstlichen Commissär für 
die Olmützer Diöcese ernannte Dominikanermönch Paul aus Brixen 
hatte seinen Ordensbrüdern in Iglau die Durchführung der Ablass- 
verkündigung übertragen. Die Ablassscheine mit dem bärtigen Mönch, 
dem Rosenkranz, dem Kreuz, der Dornenkrone, dem feurigen Herz 
und der Empfangsbestätigung darauf, scheinen bei den Bürgern Iglaus 
wenig Anklang gefunden und (wie der noch vorhandene Em- 
pfangsschein ausweist) in der ganzen Stadt nur 8 fl., in Groschen 
10 fl., in Kreuzermünze 2 fl. und in neuer deutscher Münze 15 fl., 
zusammen 35 fl. ertragen zu haben*). Kamen dazu nicht noch namen- 
lose Privatspenden, so muss dem sittlichen Ernst der Iglauer das 
höchste Lob gespendet werden. Paulus Speratus, der mit Beginn 
des Jahres 1522 nach Iglau kam, fand solchergestalt den Boden für 
die Verkündigung des Evangeliums zubereitet. In welcher Verachtung 
die Mönche bei der Bürgerschaft standen, beweist die Eingabe der 
Iglauer an den im December 1522 zu Olmütz versammelten mährischen 
Landtag, worin sie erklärten: ,das die Mönchen zwar bei ihnen Pre- 

*) Vgl. d'Elvert, Geschichte Iglaus, S. 150. „Halte, was du hast« I. 34 u. 35. 



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digen, die seien aber so Ungeschickt, das Viel aus der gemein, da 
es ihres beruflfs were, das wort gottes bösser erklären wurden als sie', 
weshalb auch ,Viel des gemeinen Mans aus der Kirchen geloffen'. 

Paulus Speratus »begann sein reformatorisches Wirken am 5. Juni, 
indem er das Volk in seinen Predigten allmälig in die neue Lehre ein- 
führte, wobei er allerdings die Zustimmung des Rathes und der Bevölke- 
rung erwarb, die dem gelehrten und für seine Sache wahrhaft begeister- 
ten Manne mit grösstem Interesse zuhörten. Andrerseits aber machte sein 
Vorgehen bald die geistlichen und politischen Behörden aufmerksam'. 

Nun erzählt Wallner S. 18 — 22 die Schicksale des Paulus Speratus 
in Iglau von dem ersten Schreiben des Königs Ludwig II. (25. Juli 1522) 
bis zu des Reformators Landesverweisung. Darin hat er aber gewiss 
Unrecht, dass er die Nichtwiederberufung des Speratus trotz seines 
Anerbietens auf die Angst der Iglauer zurückfuhrt: ,Der Rath von 
Iglau scheint nicht mehr gewillt gewesen zu sein, den streitbaren 
Diener des Evangeliums wieder in die Mauern der Stadt aufzunehmen, 
da die vorhin erwähnten Zwischenfälle mit dem Olmützer Bischöfe 
und dem Könige sie genug gewitzigt haben dürften.' 

1526 hatte das Lutherthum in Iglau schon so sehr das Ueber- 
gewicht, dass die populärste Procession (die in's Frauenkoster), an 
welche sich die stolze Erinnerung der Stadt an einen Sieg über das 
Raubritterthum knüpfte, eingestellt werden konnte. Wie tolerant 
aber dabei die Bürgerschaft blieb, erhellt daraus, dass auf den Nach- 
folger Sperats, Christof Arwitz (f 1529), ein entschiedener Anhänger 
des Katholicismus, Martin Heusler, Pfarrer werden konnte. Dieser 
trat, undankbar genug, der neuen Lehre in Allem, besonders bezüglich 
der Privatschulen entgegen, die damals neben der noch bestehenden 
Stadt- oder Pfarrschule üppig zu wuchern begannen. Da die letztere 
nämlich noch immer vom Seelauer Abte abhängig war, so konnte 
sie nicht ohne Weiteres nach lutherischer Art umgestaltet werden. 
Es entstanden daher evangelische Winkelschulen für Knaben und Mäd- 
chen, ,von herumziehenden Scholaren, meist armen Studenten, Candi- 
daten des geistlichen Amtes, versehen*. Die zahlreichen, noch heute im 
Iglauer Stadtarchive erhaltenen Gesuche um Bewilligung der Eröffnung, 
um Eintreibung von Schulrückständen, um Schlichtung von Zwistig- 
keiten u. s. w. beweisen, dass es nicht wenige evangelische Privat- 
schulen in Iglau gab, ehe die Stadt selbst das Unterrichtswesen 
energisch in die Hand nahm. 



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Der Mädchen Unterricht, früher von den Beginnen*) besorgt, 
wurde nun, im Zeitalter der Reformation, von Lehrern ertheilt, welche 
(wie aus den zahlreichen diesbezüglichen Eingaben hervorgeht) ver- 
ehelicht sein mussten. 

Auf die Beschwerde des Pfarrers Heus ler befahl König Ferdinand 
am 17. December 1534 den Iglauern, die Winkelschulen sofort ab- 
zustellen und dagegen alle Sorgfalt auf die alte Stadtschule zu 
verwenden. Dieser Befehl führte zu einem Vergleich zwischen 
Stadtrath und Pfarrer (9. Jänner 1535), kraft dessen die Stadtschule 
der Leitung eines Magisters Jacobus anvertraut wurde, welcher 
selbst Unterricht zu ertheilen und ausserdem drei Schulgehilfen (, ge- 
lehrte Gesellen*) zu halten hatte. Die hiezu nöthigen Geldmittel 
wurden aus den Stiftungen früherer Zeiten für Seelenmessen u. dgl., 
welche durch die Reformation Iglaus gegenstandslos geworden waren, 
genommen. Der Stadtrath beschloss am 6. September 1543, dass 
derlei Einkünfte aus nicht mehr erfüllbaren Stiftungen zur Bestellung 
von Predigern, zur Auferziehung der Jugend und zu ähnlichen gott- 
gefälligen Zwecken verwendet werden sollen. 

Aus diesem Beschlüsse weht echt reformatorischer Geist heraus. 
In der That stand Iglau damals bereits mit Wittenberg im Verkehr, 
wo gar manche fähige junge Iglauer auf Kosten der Stadt für den 
Kirchen- und Schuldienst vorbereitet wurden. Nach vollendeten Studien 
mussten sie ihre Dienste der Stadt widmen, widrigenfalls sie das aus- 
gelegte Geld zurückzuerstatten hatten. Einer der ersten Jünglinge, 
welche in Wittenberg auf Kosten der »Bürgerstift* (so nannte man 
die Unterstützung aus den Stadtrenten) ihre Ausbildung erhielten, 
war wohl der Iglauer Bürgerssohn Esaias Tribauer. Seine ersten 
Studien machte er zu Prag im grossen Collcgium in der Altstadt 
(was aus einem von dort geschriebenen Briefe ddo 22. Juli 1546 
hervorgeht), dann studirte er auf Kosten der Stadt mit einem Sti- 
pendium ,ad pias causas legatum bonum* in Wittenberg Theologie, 
wie wir aus seinem im Iglauer Stadtarchiv erhaltenen curriculum 



*) Gestiftet von dem belgischen Priester Lambert le Begue oder le Beghe 
(t 1187), widmete sich diese freie, nicht durch Klostergelübde gebundene, von ihrer 
Hände Arbeit lebende Gesellschaft der Krankenpflege und dem Unterricht der weib 
liehen Jugend. In Iglau wird 1387 eine solche Mädchenlehrerin Margaretha, die ihr 
Haus den Armen vermachte, erwähnt, und 1435 eine Lehrerin der Bürgermädchen 
welche in der „Beguinengasse" wohnte. 



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vitae ddo Brieg 10. Mai 1568 ersehen. Nach Vollendung seiner 
Studien machte die Stadt Anspruch auf seine Dienste und stellte ihn 
1553 zunächst als Lehrer an der Stadtschule an, die damals unter der 
Leitung des Rectors Johannes Tapinaeus stand. Nach einigen Monaten 
wurde Tribauer auch zum Kirchenamte zugelassen, verfeindete sich 
aber durch sein entschiedenes Auftreten (weil er, wie er selbst sagt, 
, papistische Dinge nicht dulden wollte*) bald mit dem Stadtrathe, 
erhielt daher am 20. Februar 1554 seine Entlassung und begab sich 
auf Reisen. Wahrscheinlich kehrte er nach Wittenberg zurück. Im 
J. 1559 finden wir ihn wieder als Diaconus am Hofe zu Brieg. 
Inzwischen empfanden die Iglauer den Wegzug des begabten Mannes 
immer schmerzlicher und suchten ihn wieder nach seiner Vaterstadt 
zu ziehen. Sie erinnerten ihn 1559 an seine als Stipendist übernommene 
Verpflichtung und Hessen sich von ihm die ausdrückliche Zusage 
machen, dass er sich der Stadt zur Verfügung stellen wolle, wenn 
sie seiner bedürfe. 

Nur ungern verstand sich Tribauer zu dieser Erklärung. Er 
schickte zwar 1561 dem Iglauer Stadtrath aus Brieg 10 Exemplare 
seiner Uebersetzung des Buches Jesus Sirach als Zeichen des Dankes 
für genossene Wohlthaten; als ihn aber dieser Stadtrath 1563 auf die 
unter seinem Patronate stehende Pfarre Ranzern bei Iglau berief, 
veranlasste Tribauer seinen Herrn, den Herzog Georg von Liegnitz 
und Brieg, sich in einem Schreiben an den Iglauer Rath um Lösung 
der eingegangenen Verpflichtung zu wenden. Er selbst erkannte zwar 
in einem noch im Iglauer Stadtarchiv erhaltenen Schreiben vom 
1. März 1563 seine Pflicht vollständig an, gab aber dem Rath zu 
bedenken, wie wenig er zu dem dortigen unentschiedenen Wesen 
passe. Er schrieb: ,Mess lesen will ich nicht, Vigilien singen kann 
ich nicht, Kreuter weihen thue ich nicht, Kerzen taufen mag ich 
nicht, sondern Kinder taufen und den Gekreuzigten predigen.* 

Der Stadtrath von Iglau bestand auf seinem Schein und verlangte, 
falls Tribauer nicht kommen wolle, die Rückzahlung des für ihn aus- 
gelegten Studiencapitals. Es entspann sich ein lebhafter Briefwechsel, 
an dem sich auch Herzog Georg von Liegnitz zu Gunsten seines 
Diaconus (Brieg, 3. Jänner u. 27. Februar 1568, Orig. im Igl. Archiv) 
betheiligte, welcher damit endigte, dass sich Esaias Tribauer am 
27. December 1568 bereit erklärte, eine Predigerstelle in seiner Vater- 
stadt anzunehmen. So kehrte der besonders als Redner hochgefeierte 



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Mann in die Heimat zurück und wirkte hier mit grossem Erfolge 
bis zu seinem 1571 eingetretenen Tode*). 

Nach seiner Entlassung (1554) hatten sich die Iglauer direct in 
Wittenberg um einen Prediger umgesehen. Eine Deputation, bestehend 
aus Hans Leupold und M. Petrus Zesius (dem früheren Schulrector, 
1526 — 1535, seitdem Mitglied des Raths), begab sich 1556 persönlich 
zu Melanthon, der ihnen als Pastor den ebenso begabten als ent- 
schiedenen M. Albertus Cruciger empfahl **). 

Cruciger war gleich bei seiner Berufung darauf aufmerksam ge- 
macht worden, dass der Abt des Seelauer Klosters noch immer das 
Patronat über die Stadtpfarrkirche in Iglau ausübe und daher mancher 
katholische Brauch, z. B. die Messe, nach , päpstischer Weise* 
beibehalten worden sei. Cruciger wurde ersucht, auf diesen Utra- 
quismus Rücksicht zu nehmen und nur durch ruhige Belehrung auf 
die allmälige Abstellung desselben hinzuarbeiten. \Dies entsprach 
jedoch seinem feurigen, entschiedenen Wesen keineswegs. Rückhalts- 
los griff er in Iglau die ,gräuelvolle Abgötterei* an, bewog dadurch 
den Schulrector Johannes Tapinaeus und dessen Gehilfen, die Mit- 
wirkung bei der Messe zu verweigern und bewirkte gewaltige Unruhen 
in der Gemeinde, die dahin führten, dass Tapinaeus 1557 entlassen 
wurde und nach Kuttenberg als Stadtschreiber ging, er selbst aber 
sein Predigtamt in Iglau niederlegte. 

An Stelle des Tapinaeus wurde Wenceslaus Mathusius als Rector 
berufen, der diese Stelle bis zu seinem 1560 erfolgten Tode bekleidete. 
Dieser Wenceslaus scheint sich der Augendienerei befleissigt und 
dadurch die Schule herunter gebracht zu haben. Nach seinem Tode 
suchte man wieder nach einem Zögling der Universität Wittenberg und 
fand einen solchen in dem Iglauer Stadtkind M. Matthias Eberhard. 
Auf Empfehlung des um den Culturaufschwung Iglaus hochverdienten 
Patriciers Hans Leupold wurde M. Eberhard 1561 als Rector berufen. 
Unter ihm fand die Gründung und der Neubau der lateinischen 
Schule in Iglau statt. 

Hier schliesst Professor Julius Wallner seine auf gründlichen 
Studien ruhende Einleitung***). Trautenberger. 

*) Vgl. Jahrbuch d. Gesellsch. 1881. S. 145 f. 
**) S. das Ev. Volks- u. Gemeindeblatt „Halte, was du hast", Brünn, VIII. 6 ft. 
***) Die nach Einsendung obigen Artikels im Druck erschienene Fortsetzung von 
Wallner's verdienstlicher Arbeit wird in einem der nächsten Hefte besprochen werden. 



102 



IL 

Kurzgefasste Geschichte der evangelischen Kirche in Oesterreich. 

Von Lic. Dr. Gustav Trautenberge r, Senior und Pfarrer in 
Brünn. Separatabdruck [aus dem ,Evangel. Predigtbuch aus Oester- 
reich*]. Bevorwortet und herausgegeben von J. W. Heck, Pfarrer 
in Mödling (bei Wien). Wien. Verlag des Herausgebers. 1881. 
gr. 8. 102 S. Geb. 70 kr. 

Es ist das Verdienst des Herrn Verfassers, in einem übersicht- 
lichen Gesammtbild ein reiches Material zur Darstellung gebracht 
zu haben. In fünf Abschnitten schildert er: [. die , Vorbereitung* 
(das Christenthum im cisleithanischen Oesterreich bis zur Refor- 
mation, 2. den , Aufbau* (Eingang der Reformation in die einzelnen 
cisleithanischen Kronländer), 3. die »Zerstörung* (Gegenreformation), 

4. den , Wiederaufbau* (Altranstädter Convention bis zum Provi- 
sorium 1849), '5. die »Jetztzeit* (seit dem Protestanten-Patent 1861). 
Derselbe zeigt sich als gründlichen Kenner der Geschichte der evan- 
gelischen Kirche in Oesterreich ; auch ist es ihm gelungen, die ein- 
zelnen Partien gut zu gruppiren. Wir müssen uns versagen, dies im 
Einzelnen hier nachzuweisen, können aber um so weniger unter- 
lassen den Wunsch auszusprechen, es möge dieses treffliche (durch 
Pfarrer Heck in Mödling beziehbare) Buch die weiteste Verbreitung 
finden und dazu beitragen, dass auch in kirchlicher Beziehung der 
historische Sinn unter uns immer mehr geweckt werde. Nur Weniges 
findet sich, worüber man mit dem Verfasser rechten könnte, wie 
wenn derselbe S. 33 sagt: ,In Ungarn Hess er (Ludwig II.) alle 
Lutheraner verbrennen.* Die Geschichte bietet hierzu keine Beweise. 
Wohl wurden damals Luther's Schriften hier und da in Ungarn 
verbrannt: aber nur ein Lutheraner, der Buchhändler Georgi in 
Ofen, starb auf dem Scheiterhaufen. Was S. 63 von Moser als 
Factum behauptet wird, beruht doch blos auf Sage, einer That- 
sache nicht entsprechend. Der Druck des Buches ist sehr correct. 
Selten sind uns Fehler aufgestossen : so muss gelesen werden S. 1, 
Zeile 10 Petobio, S. 28, Z. 12 v. u. Klombner, S. 35, Z. 19 Musculus, 

5. 66, Z. 18 Possessionen (statt „Professionen*), S. 95, Z. 5. v. u. 1867. 
Schliesslich sei zu S. 100 bemerkt, dass im Jahre 1791, beim Ablauf 
des ersten Jahrzehnts nach dem Toleranz-Patent, im cisleithanischen 
Oesterreich 138 evangelische Pfarrgemeinden (83 luth., 55 ref.) be- 
standen und im Jahre 1881, zur Zeit des Toleranz-Jubiläums, ihre 
Anzahl 217 (140 luth., 77 ref.) betrug. Otto. 



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IX. 

Martin Philadelphia Zamrscenus. 

'\ Von Dr. THEODOR HAASE. 

Es ist bekannt, dass die Reformation um das Jahr 1540 in 
Troppau Eingang gefunden habe. Im Jahre 1580 gab es hier nur 
noch 18 Katholiken und man kann mit Sicherheit annehmen, dass 
gegen Ende des 16. Jahrhunderts die ganze Stadt ausschliesslich dem 
evangelischen Bekenntniss zugethan gewesen sei. Leider fehlt es uns 
aber an genaueren Nachrichten über die Männer, welche in jener 
glaubensfreudigen Zeit des geistlichen Amtes walteten und durch 
die begeisterte Predigt des göttlichen Wortes die Bevölkerung von 
Stadt und Land für das Evangelium zu gewinnen verstanden. Nur 
die Namen einiger weniger derselben hat uns die Geschichte über- 
liefert. 

Ein solcher Prediger war der M. Martin Zenkfrei, welchen der 
Rath im Jahre 1565 berief und dessen hartnäckigster Gegner, der 
katholische Pfarrer Blasius Siebenlot, im Jahre 1569 selbst zur evan 
gelischen Kirche überging. Aus dem Jahre 1594 werden uns die 
Namen von 5 Predigern genannt, welche gleichzeitig in Troppau 
thätig waren, nämlich M. Georg Eising, die Diakonen Michael 
Leporinus, Georg Langer, Mathias Haugwitz und der böhmische 
Prediger Bartholomäus Lortius. Von diesen gingen Langer und Ei- 
sing am 1. Februar 1605 in die Verbannung, nachdem sich die An- 
deren wahrscheinlich früher schon geflüchtet hatten. Später wirkte 
noch Kaspar Eifricht der Aeltere vom 13. Jänner 1610 angefangen, 
jedoch nur kurze Zeit hindurch als Prediger an der St. Georgskirche. 
Hiermit war bisher die Personalchronik der Troppauer Prediger im 
Reformationszeitalter abgeschlossen . 

Heute befinde ich mich in der glücklichen Lage, diesen Namen 
noch einen weiteren einreihen zu können. 

Jahrbuch des Protestantismus i88a. 8 



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104 



Vor einiger Zeit erfuhr ich, es befinde sich in einer Dorfhütte 
bei Teschen ein böhmisches Predigtbuch, welches von einem Trop- 
pauer Prediger aus der Reformationszeit herrühre, und bald darnach 
hatte ich das Werk in meinen Besitz gebracht. Es war die i. J. 1601 
erschienene zweite Auflage der böhmischen Postille des Martin 
Philadelphus Zamrski. Leider fehlten dem Exemplar das Titelblatt 
und die vier ersten Blätter des ersten, sowie mehrere Blätter des 
dritten Theiles. Auf der zweiten Seite des fünften Blattes über- 
raschte mich das Bildniss des Verfassers in Holzschnitt mit folgender 
Aufschrift : 

,VIrtVte & pletate ornatVs Martin Vs aDeLphVs probVs Pastor 
OppaVIensIs obllt Anno 1592. IX. Martii.* 

In der das Bild umgebenden Rahmenzeichnung finden sich 
die Worte: ,Sacer Martinus Philadelphus Zamrscenus, aetatis suae 42/ 

Froh der gemachten Entdeckung, wollte ich von derselben 
den Lesern unserer Jahrbücher sogleich Mittheilung machen, wobei 
ich aus dem Zusammenhalt einzelner Daten den Schluss zu ziehen 
beabsichtigte, die erste Auflage des Buches sei im Jahre 1592 er- 
schienen. Aber die Schlussfolgerung sollte sich nicht als nothwendig 
erweisen ; denn binnen wenig Tagen kam mir erst die dritte Auflage 
desselben Werkes vom Jahre 1602 und bald darauf auch die erste 
vom Jahre 1592, diese in einem wohlerhaltenen Exemplar zu Gesicht. 
Das Buch führt den Titel: jPostilla Ewangelitska, Aneb Weykla- 
dowe na Ewangelia NedSlnij A Swateßnij etc. etc. Präcy Knöze 
Martina Philadelphia Zamrsk^ho, Kazatele Slowa Boiijho Yazykem 
Cfceskym pfy Kostele Swateho Gijfy w M6stß Oppawie. M. D. XCII.' 
Zu deutsch: , Evangelische Postille, oder Auslegungen der Sonn- 
und Festtagsevangelien von Pastor Martin Philadelphus Zamrsky, 
böhmischem Prediger des Wortes Gottes an der Kirche zu St. Georg 
in der Stadt Troppau. 1592." 

Also ein Pastor in Troppau und zwar ein böhmischer Prediger. 

Die spärlichen Daten, welche uns das vorliegende Werk über 
das Leben Zamrsky 's darbietet, lassen sich in wenige Sätze zu- 
sammenfassen. Zamrsky war i. J. 1550 und zwar, wenn der Name 
diesen Schluss gestattet, in der ungarischen Slovakei geboren. 
Wenigstens stammte er aus einer slovakischen Familie. Im J. 1582 
befand er sich während einer grossen Epidemie in Prag. ,Wir 



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105 



thaten*, erzählt er in der zweiten Adventspredigt, ,vom Morgen 
bis zum Abend nicht Anderes, als dass wir die Verstorbenen zu 
Grabe geleiteten, zu zwanzig und dreissig je an einem Tage.* Bald 
darauf als böhmischer Prediger nach Troppau berufen, wirkte er an der 
St. Georgskirche, hochgeachtet von den Gelehrten, an welchen damals 
in Troppau kein Mangel war, von den Rathen und Bürgern der Stadt 
und von den Collegen im geistlichen Amte ringsum. Dies wird durch 
die lateinischen Gedichte erhärtet, welche Salomon Frencelius a Friden- 
thal, poeta caesareus, ferner der Troppauer Senator M. Heinricus 
Polanus a Polansdorff und von den Geistlichen der Pastor in Kra- 
warn Adam Gabriel und der Pastor in Prerau Bartholomäus Lortius 
(Rosenbergensis) der böhmischen Postille Zamrsky 's voranschickten. 
Die letztere, ein Werk, welches von der evangelischen Begeisterung, 
der reichen rhetorischen und poetischen Begabung, der geradezu 
stupenden Belesenheit und dem aufreibenden Fleisse des Verfassers 
in gleicher Weise Zeugniss gibt, war i. J. 1590 vollendet und am 
15. Juni des genannten Jahres konnte Zamrsky die erste Vorrede 
zu seinem gewaltigen Buche unterzeichnen. Aber der V erfasser erlebte 
das Erscheinen desselben nicht, und , Autor moriturus ad librum* 
überschrieb Salomon von Fridenthal das erste Gedicht, welches er 
der Postille Vordrucken Hess. Nachdem Zamrsky am 9. März 1592, 
erst 42 Jahre alt, gestorben war, berief die Troppauer Gemeinde 
den mehrerwähnten Pastor in Prerau Bartholomäus Lortius an die 
verwaiste Stelle. 

Die Postille betreffend, muss dieselbe einen reissenden Absatz 
gefunden haben, was schon daraus hervorgeht, dass der ersten 
Auflage, welche, wie erwähnt, in das Sterbejahr des Verfassers fiel, 
bereits 1601 und 1602 neue Auflagen folgten. Die erste Ausgabe 
zählt XXXVI und 1274 Seiten ; in der zweiten Ausgabe sind die 
Blätter, in der dritten wieder die Seiten numerirt. Aus der dritten 
Ausgabe ist auch der Druckort, nämlich Leipzig, zu ersehen. 

Das Buch, welchem der Verfasser eine Widmung an den Frei- 
herrn von Würben auf Freudenthal und ein Vorwort an die evan- 
gelischen Prediger und Leser vorangehen lässt, zerfällt in drei Theile, 
von welchen der erste die Predigten vom 1. Adventssonntag bis 
zum Pfingstdinstag, der zweite die Predigten in der Trinitatiszeit 
und der dritte die Predigten an den Aposteltagen enthält. Jeder 

Predigt ist ein, den Gedanken der letzteren behandelndes, muth- 

8* 



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106 



masslich von Zamrsky selbst gedichtetes Kirchenlied, unter Angabe 
der Melodie, nach welcher es gesungen werden kann, angeschlossen. 
Für Kenner der böhmischen Literatur fuge ich nur noch die Be- 
merkung bei, dass der Prediger Georg Tranoscius, welcher 1630 
von Bielitz nach St. Miklos ging und hier erst, also mindestens 40 
Jahre nach dem Erscheinen der ersten Auflage der Zamrsky 'sehen 
Postille, seine ,Cithara Sanctorum* herausgab, die Lieder Zamrsky s 
nicht gekannt hat, weil er sonst zweifelsohne eines oder das andere 
in seine Liedersammlung aufgenommen hätte. Zamrsky's Lieder sind 
jedenfalls bedeutend genug, um in einer Geschichte der poetischen 
Nationalliteratur der Böhmen besprochen zu werden. Ich erlaube 
mir, darauf aufmerksam zu machen. 



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X. 



Studien zur Reformationsgeschichte Nordböhmens. 

Von R. WOLKAN. 

Ii') 

Das Geschlecht der Herren Berka von Duba und Lipa und die 
Reformation in Reichstadt und Gabel. 

Das Geschlecht der Herren Berka von Duba und Lipa hatte 
sich frühzeitig in mehrere Zweige gespalten, deren jeder seine 
eigenen Wege ging, so dass, als die Reformation in Böhmen ein- 
drang, der eine sich der neuen Glaubensrichtung zuwandte, der 
andere in anhänglicher Treue an der alten katholischen Lehre fest- 
hielt. Einer der eifrigsten Vertheidiger der katholischen Lehre und 
der grösste Widersacher der Reformation, zugleich eine politisch 
bedeutende Persönlichkeit, die in der Geschichte Böhmens eine 
gewichtige Rolle spielt, gehört jenem Zweige der Berka an, der 
seinen Sitz in Reichstadt hatte. Es war Zdislav Berka. Er war 
i. J. 1467 als der zweite Sohn Jaroslav Berka's geboren. Zugleich 
mit seinem Bruder Adam besass er die Herrschaft Reichstadt, 
musste sich aber in deren Besitz anfangs auch mit seinen Vettern, 
den Söhnen Georg Berka's, Peter, Wenzel, Heinrich, Hinko, Albrecht, 
Jaroslav und Christoph theilen, von denen Peter, der älteste, die 
Führerrolle unter seinen Brüdern spielt. Mit diesen seinen Vettern 
schloss Zdislav i. J. 1518 2 ) am Montag der Gedächtniss der heil. 
Lucia einen Vertrag ab, kraft dessen ihm das Schloss Reichstadt 
sammt dem Hofe gleich unter dem Schlosse, nebst Vorwerk, Feldern 
und Wiesen, der Mühle unter der Burg, Teichen und Wäldern, sowie 
die Stadt Reichstadt und mehrere Dörfer auf Lebenszeit abgetreten 

1) Vergl. s. 55-65. 

*) Bertel : Schloss Reichstadt p. 4. 



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108 



wurden, jedoch mit dem Vorbehalte, dass nach seinem Tode der 
ganze Besitz, mit Ausnahme der von Zdislav selbst erbauten Mühle, 
an Peter, beziehungsweise dessen Brüder, zurückfallen sollte. Durch 
diesen Vertrag war Zdislav in den Besitz einer bedeutenden Herr- 
schaft gekommen, deren Wichtigkeit für ihn i. J. 1532 ') durch einen 
neuen Vertrag, der am Donnerstage vor der heil. Lucia geschlossen 
wurde, noch mehr erhöht ward, indem dadurch jene oben erwähnte 
Klausel beseitigt wurde, und Zdislav so in den Vollbesitz der Herr- 
schaft gelangte, mit dem Rechte, über sein Gut nach freiem Willen 
testamentarisch verfugen zu können. 

Zdislav Berka wandte sich frühzeitig mit regem Eifer den 
politischen Verhältnissen seines Vaterlandes zu. Bald wusste er die 
Aufmerksamkeit des Königs auf sich zu lenken und brachte es 
durch seine Betheiligung beim böhmischen Landtage in kurzer Zeit 
dahin, dass er i. J. 1523 vom Könige Ludwig zum obersten Land- 
richter des Königreichs Böhmen ernannt wurde 2 ). Da starb am 
29. August 1526 König Ludwig und mit seinem Tode war der 
böhmische Thron unerwartet in Erledigung gelangt. Wie natürlich 
musste nun die Frage entstehen, wer den Thron von Böhmen be- 
steigen solle. Obwohl Erzherzog Ferdinand die berechtigtesten 
Ansprüche besass, waren dennoch Sigismund von Polen und die 
Herzöge Wilhelm und Ludwig von Baiern als Thronprätendenten 
aufgetreten und besonders letztere versuchten es auf alle Weise, 
Zdislav Berka für ihre Partei zu gewinnen. Dieser jedoch betrieb 
eifrig die Wahl Ferdinand 's, und wirklich wurde derselbe am 24. Oc- 
tober 1526 zum Könige gewählt. Zdislav's Bote brachte ihm zuerst 
die Nachricht von seiner Wahl nach Wien. König Ferdinand zeigte 
sich nicht undankbar gegenüber den eifrigen Bestrebungen Zdislav's. 
Er liess ihm von der böhmischen Kammer für die Unkosten, welche 
ihm die Botschaft nach Wien gemacht hatte, 300 Sch. Gr. aus den 
Rückständen der dem Könige Ludwig bewilligten Türkensteuer aus- 
zahlen s ) und bald darauf für seine Verdienste abermals 720 Sch. Gr. 
verabfolgen 4 ). Wie sehr Zdislav in der Gunst des neuen Königs 
stand, mag auch der Umstand beweisen, dass er ihm schon i. J. 1527 

l ) A. a. O. p. 5. 

a ) Mikovec: Histor. Skizzen p. 61. 

8 ) Hofkammer-Archiv Wien 1527—31. fol. 31. 

*) A. a. O. fol. 58. 



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109 



am Tage Procopii das besonders in jener Zeit bedeutungsvolle und 
wichtige Amt eines Landvogts in der Oberlausitz übertrug ! ). 

Eine der Hauptbestrebungen König Ferdinands war es, der 
Lehre Luther 's, die begünstigt durch die zerrütteten Verhältnisse des 
Landes mächtige Fortschritte machte, mit allen ihm zu Gebote 
stehenden Mitteln entgegenzutreten. Auch hier wurde er von Zdislav 
auf das Thatkräftigste unterstützt, und besonders die Oberlausitz war 
es, auf die er sein Augenmerk richten musste, da sich hier die Aus- 
breitung der Lehre Luther's immer fühlbarer geltend machte 2 ). Schon 
in den ersten Jahren seiner Amtsthätigkeit musste er beständig Er- 
mahnungen an den Rath der Sechsstädte erlassen, nur unter einer 
Gestalt das Sacrament zu ertheilen und gegen verehelichte und 
, ketzerische* Priester auf das Strengste vorzugehen. Doch umsonst. 
Er vermochte in der Oberlausitz der Ausbreitung der neuen Lehre 
nur geringen Einhalt zu thun, und seine wiederholten Reisen nach 
Görlitz, Bautzen, Zittau und Lauban, seine persönlichen Beschwerden 
in Wien, hatten fast keinen Erfolg. Selbst auf seinen eigenen Be- 
sitzungen in Böhmen begann hier und da die Lehre Luther's Ein- 
gang zu finden und auch hier trat ihr Zdislav mit aller Entschieden- 
heit entgegen. Der Erfolg seiner Bemühungen war hier ein günstiger. 
Unterstützt von glaubenseifrigen katholischen Priestern und besonders 
vom Erzbischofe von Prag, gelang es ihm, während seinen Lebzeiten 
auf seinen Gütern Reichstadt, Zwickau, Gabel und Leipa, welch 
letztere er nach und nach an sich gebracht hatte, die katholische 
Lehre rein zu erhalten und alle Versuche, dem Protestantismus Ein- 
gang zu verschaffen, zu Boden zu drücken. 

Durch all' dies stieg Zdislav immer mehr in der Gunst seines 
Königs, der ihm i. J. 1530 auch Theile der in Mähren und Oberlau- 
sitz gelegenen Güter nach Erasmus Hirschberger von Königsheim ver- 
liehen hatte s ) und ihm zur Sicherstellung für ein grosses Darlehen, 
das Zdislav dem Könige zur Führung des Schmalkaldischen Krieges 
vorgestreckt, die Oybinschen Güter auf fünf Jahre verpfändete 4 ). In 
diesem Kriege stand Zdislav fest an der Seite des Königs, und 
trotzdem die utraquistischen Stände Böhmens alle Anstrengungen 

') Verzeichniss Oberlausitzer Urkunden II, 135. 
*) A. a. O. II, 147, 149. 

») Hofkammer-Archiv Wien, Gedenkbuch I, 1527—31. fol. 157. 
*) Carpzov: Analecta I, 153. 



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110 



machten, um ihn für ihre Partei zu gewinnen, ja ihn sogar auf das 
Gefährlichste bedrohten, hatte er doch den Muth, der ganzen 
Ständeversammlung am 22. April 1547 entgegenzutreten und ihr in 
herben Worten den verrätherischen Abfall von der Sache des 
Königs vorzuwerfen 1 ). 

König Ferdinand verliess sich auch vollkommen auf seinen 
Landhofmeister, den er nach Prag gesendet hatte, um von hier aus 
die Bewegungen der Aufständischen zu überwachen und ihm sofort 
Alles in sein Lager zu berichten 2 ). Zu gleicher Zeit sollte er Sorge 
dafür tragen, dass das nach Eger ziehende Heer sowie die könig- 
lichen Truppen in Sachsen Proviant erhielten 3 ). Auch sollte er sich 
mit dem Rathe der Alt- und Neustadt Prag in's Einvernehmen 
setzen, wie man bei einem etwaigen Einfall der feindlichen Truppen in 
Prag für die Töchter des Königs und für seinen Thron sorgen wolle. 
Mit der grössten Pflichttreue besorgte Zdislav, der die verantwort- 
lichste Stellung in Prag hatte, weil die Haltung der Hauptstadt leicht 
den ganzen Verlauf des Krieges entscheiden konnte, die ihm auf- 
getragenen Geschäfte; doch gingen die Befürchtungen des Königs 
glücklicherweise nicht in Erfüllung, denn die Unschlüssigkeit des 
Gegners Hess dem Könige Zeit, den Kurfürsten von Sachsen zu 
verfolgen und ihn am 24. April bei Mühlberg zu schlagen. Durch 
diese Schlacht war der Sieg für Ferdinand entschieden und in kurzer 
Zeit war er in Prag, um Gericht über die aufrührerischen Herren 
und Ritter, denen sich auch die Städte der Oberlausitz angeschlossen 
hatten, zu halten. Zdislav bat um Schonung für die ihm untergebene 
Oberlausitz , die ihr denn nach einigem Widerstreben zu Theil 
wurde. König Ferdinand vergass auch jetzt nicht der Verdienste 
Zdislav's, die derselbe sich um seinen Thron erworben hatte, und ver- 
lieh ihm zu der Herrschaft Melnik, die er schon früher als Pfandgut 
besass, auch noch die Güter Vysoki, Stfednic, Straznic, Aujezdec, 
Mustyfovic und einen Hof zu Podblatic 4 ). 

Zdislav Berka sollte die Gunst seines Königs nicht lange mehr 
gemessen. Im Mai d. J. 1552 setzte er auf dem Schlosse zu Reich- 



*) Hamburger: Gesch. d. Herrsch. Läniberg p. 132, Mikovec: Hist. Skizzen p. 61. 
*) Gindely: Landtagsverhandlungen II, 140. 
») A. a. O. II, 162. 
«) A. a. O. II, 459. 



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111 



Stadt sein Testament ein und bereits am n. September desselben 
Jahres war er gestorben. 

Er wurde in der Pfarrkirche zu Leipa begraben, wo ihm sein 
Vetter Zbinko Berka ein kostbares Denkmal aus Marmor setzen Hess, 
das eine Platte mit den Worten trug: 

Sanguine Berkoruin claro satus inclytus heros 

Zbynko Boemorum natus ubique solo 
Hoc opus erexit Zdislai propter honorem, 

Quo stirps Berkorum jure tumere potest. 
Nam fuit eximius omatus honoribus, uni 

Quali vix unquam fata dedere simul. 

Darunter stand geschrieben : Zdislaus heros Berka, quondam curiae 
magister in Boemia, Lusatiae proconsul et praefectus ac dux militum, 
prorexque, patris ad sui Jaroslai consepultus ossa, dormit in Deo. 
Decessit autem ex hac vita Anno 1552, 11. die Sept., aetat. suae 85. 

Zdislav hatte sich während seines ganzen Lebens als ein liebe- 
voller Herr gegen seine Unterthanen gezeigt und nach besten Kräften 
für ihre Wohlfahrt Sorge getragen. Reichstadt verdankt ihm manche 
Schöpfung; den Bürgern von Zwickau machte er seine .»Hahnerben* 
zum Geschenke ') und auch Gabel verdankt ihm die Verleihung von 
Rossmärkten und zwei Jahrmärkten 2 ). Gleichfalls bestätigte er den 
Bürgern von Gabel ihre Robot und die Erlaubniss, ihre Güter zu 
vererben, für welch letztere Vergünstigung er jedoch die Stadt Gabel 
zur Leistung eines Fasses Salz zu allen Weihnachten verpflichtete. 
Da er kinderlos starb (denn die öfters als seine Söhne erwähnten 
Zbinko und Dietrich Berka waren, wie sein Testament ausdrücklich 
bemerkt, nur seine Vettern), vertheilte er in seinem Testamente seine 
Güter in nachstehender Weise: Seiner zweiten Gemahlin, Anna von 
Wartenberg (die erste war Beatrix von Kolowrat gewesen) vermachte 
er das Schloss, den Meierhof und das Städtchen Reichstadt mit 
allen Adnexen als Witwensitz, das Schloss und die Stadt Gabel 
seinem Vetter Christoph Berka, die Pfandschaft Melnik seinem Vetter 
Zbinko Berka, Grossprior der Johanniter zu Strakonic, und sein Haus 
auf der Prager Kleinseite dem Johann Bofita von Martinic auf Smecno, 
Reichstadt und Götzdorf gab er den Kamnitzberg, damit jeder Bürger 
sein Holz zum Baue und seine Wiesen zur Viehweide benutzen könne. 

') Mittheilungen d. nordböhm. Excursionsclubs IV, 45. 
a ) Hamburger: Gesch. d. Herrschaft Lämberg 133. 



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112 



Durch diese Verfügung des Testamentes wurden die Herr- 
schaften Reichstadt und Gabel von einander getrennt und erhielten 
verschiedene Besitzer. Während auf Reichstadt Zbinko Berka, ein 
eifriger Katholik, der Lehre Luther's entgegentrat, vermochte sich 
dieselbe in Gabel, begünstigt durch ihren Besitzer Christoph 
Berka, weit auszubreiten. Wir müssen von nun an die Schicksale 
der Reformation auf beiden Gütern getrennt betrachten, und wenden 
uns zuerst der Herrschaft Reichstadt zu. 

Nach dem Tode der Witwe Zdislav's war Reichstadt und 
mit ihm auch Zwickau an Zdislav's Vetter, Zbinko Berka, den 
obersten Kammermeister des Königreiches Böhmen, übergegangen. 
Zbinko, zugleich auch Grossprior der Johanniter, war natürlich gleich 
Zdislav ein treuer Anhänger der katholischen Lehre und wusste wie 
sein Vorgänger die Ausbreitung der Lehre Luther's auf seinen Be- 
sitzungen zu hemmen, obwohl dieselbe ringsum immer weiter um 
sich griff. Unterstützt hierbei wurde er von seinem Pfarrer Paul 
Weiss, dem Dechant von Leipa, der früher in Kommotau gewesen 
war und an seine Seite den Sohn des Schulmeisters von Reichstadt, 
Valentin Frumald, zog, der ihm beim Gottesdienste behilflich sein 
sollte, da er allein nicht im Stande war, die über 1200 Seelen starke 
Gemeinde des Reichstädter Kirchspieles allein zu verwalten *). 
Zbinko, der i. J. 1565 die Kirche in Zwickau hatte errichten und ein- 
weihen lassen 2 ) und auch die Schlosskirche von Reichstadt umgebaut 
hatte 3 ), wandte sich, um gegen den Protestantismus kräftiger ein- 
schreiten zu können, an den Erzbischof zu Prag und dieser berief 
am 15. Juni 1573 eine Synode nach Reichstadt, an der sich fast 
sämmtliche katholische Priester der Umgebung betheiligten. Es 
waren dies der Dechant Johann Magnus, Pfarrer in Dobern, Petrus 
Netter, Propst und Pfarrer zu Leipa, Gallus Lachmann, Pfarrer von 
Wernstadt, Paul Weiss, Pfarrer von Reichstadt, Gregor Hoffmann, 
Pfarrer von Zwickau, Gregor Nowak, Pfarrer von Pablowitz, Thomas 
Dichi, Pfarrer von Brenn, Nicojaus Preitenrosus, Pfarrer von Dauba, 
und Christoph Kribitsch, Pfarrer von Pölitz 4 ). 



l ) Erzbischöfl. Archiv Prag. Recepta ab a. 1570 orig. 
a ) Mittheilungen d. nordböhm. Excursionscl. IV, 45. 
») Mikovec: Hist. Skizzen 62. 
*) Pamatky Archaeol. VIII, 469. 



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113 



Diese Synode hatte zum mindesten den Erfolg, dass, so lange 
Zbinko lebte, der Protestantismus keine weiteren Fortschritte auf 
seinen Besitzungen machte, obwohl i. J. 1577 Paul Weiss über die 
Verbreitung des Lutherthumes im Kirchspiele von Pölitz Klage führen 
musste '), da nämlich Sandau 2 ) und Neustadtl protestantisch geworden 
waren. Schon am 6. März des nächsten Jahres starb aber Zbinko, 
nachdem er in seinem Testamente seine Gemahlin, Veronika geb. 
v. Lobkowitz, zur Erbin seines Nachlasses eingesetzt hatte. Ihm folgte 
auf Reichstadt und Zwickau Heinrich Berka, der bereits früher Mit- 
besitzer gewesen sein muss und der protestantischen Lehre nicht ab- 
geneigt war, und mit diesem Besitzer beginnt nun die Reformation 
auf der Herrschaft Reichstadt allmälig vorzudringen. Dass Heinrich 
Berka selbst ein Protestant war, bezeugt uns ein Schreiben des 
Leipaer Dekans vom 22. October 1565 8 ), der sich beim Prager Erz- 
bischofe Anton über diesen Heinrich Berka beschwert und zugleich 
auch über Sigmund Berka auf Bürgstein, sowie über den Pfarrer von 
Gabel und Zwickau. Obwohl wir am letzteren Orte eine Ausbreitung 
des Protestantismus in dieser Zeit noch nicht nachweisen können, so 
ist dennoch für den Kirchsprengel von Zwickau, zu welchem Lindenau, 
Röhrsdorf, Morgentau, Glasert, Mergthal, Krombach, Lichtenwald 
und Kunnersdorf gehörten, ein Umsichgreifen der Lehre Luther's, 
begünstigt durch die protestantische Mitbesitzerin von Zwickau, 
Anna Berka, nicht abzuweisen und für die späteren Jahre mit aller 
Bestimmtheit anzunehmen; denn unter Wenzel dem Jüngeren 
Berka, einem der Söhne Zbinko's, der die Reihe der Berka auf 
Reichstadt beschloss, sehen wir den Protestantismus, mit Ausnahme 
von Reichstadt und Dobern, die durch den glaubenseifrigen Pfarrer 
Valentin Frumald dem katholischen Glauben erhalten blieben, in den 
meisten Städten und Dörfern der Herrschaft Reichstadt eingedrungen, 
obwohl Wenzel selbst ein eifriger Katholik war. Die Meinung, 
dass Zwickau und Pölitz immer katholisch blieben 4 ), ist 
als eine irrige zu bezeichnen, wie aus dem Nachstehenden 



*) Erzbischöfl. Arch. Prag. Recepta ab a. 1570 orig. 

8 ) Im Jahre 1628 lebte in Pirna Jar. Grundtmann, exil. Pastor von Sandau. 
dessen Frau am 29. April 1625 gestorben war. Pescheck: Gesch. d. Gegenreform. 
II, 521. 

») Erzb. Arch. Prag. Ree. ab a. 1568. 

4 ) Frind: Kirchengesch. Böhmens IV, 407. 



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114 



hervorgeht. Am 16. April d. J. 1608 *) beklagt sich Pancratius Scriba 
über den Pfarrer von Zwickau Matthäus Scheller, welcher der Lehre 
Luther's angehöre und das ganze Kirchspiel zu seinem Glauben ver- 
leite. Gleichzeitig bat er um seine Entfernung und schlug an dessen 
Stelle den Matthäus Schad vor. Seinem Verlangen wurde nach- 
gegeben, aber obschon Matthäus Schad sich die grösste Mühe gab, 
seinen Posten auszufüllen und seine Kirchkinder dem katholischen 
Glauben wiederzugewinnen, so gelang ihm dies doch nicht, und 
Scriba musste wiederholt beim Erzbischofe Karl Klage führen, dass 
Scheller, obwohl seiner Stelle entsetzt, dennoch durch seine Predigten 
den ganzen Kirchsprengel der katholischen Kirche entfremde und 
hierin noch von der , ketzerischen* Frau Anna Berka unterstützt 
werde 2 ). Zu derselben Zeit, als dies geschah, hatte aber auch bereits 
Lindenau dem Protestantismus sich zugewendet 3 ) und besass durch 
13 Jahre einen lutherischen Prädikanten, ebenso auch Krombach, wo 
Valentin Schurer für die Reformation wirkte, der i. J. 1602 starb und 
in Obermergthal neben seiner Frau und Kindern begraben wurde. 

Ob Brenn protestantisch war, wage ich nicht zu entscheiden. 
Uns sind für die letzten Jahre des 16. Jahrhunderts die Namen der 
katholischen Pfarrer bekannt ; es waren dies Johann Hetzler (1590 
bis 1594), Wenzel Scherer (1595) und Ludwig Hofmann (1596). Dann 
folgt eine Lücke, die erst i. J. 1615 mit dem katholischen Pfarrer 
Martin Neidhardt endet, nach dessen Tode (1628) die Pfarrei Brenn 
als Filiale mit Reichstadt vereinigt wurde. Ueber den Zustand 
der Kirche in Brenn in den Jahren 1596 — 1615 ist dem dortigen 
Pfarrgedenkbuche nichts bekannt, und nur eine Urkunde des 
Prager erzbischöflichen Archivs bringt uns aus dem Jahre 1610 4 ) 
eine Klage des Dechants und Pfarrers in Reichstadt, Bernh. Sadeler, 
welcher sich am 23. Mai bei dem Erzbischof Karl über das , schänd- 
liche Leben* des Georg Ernst Lang, Kreuzherrn und Pfarrers in 
Brenn, beklagt. Dazu kommt eine Sage, dass die Brenner einst ihren 
Pfarrer und Schulmeister vertrieben hätten. Möglich ist es immerhin, 
dass in jener Zeit die Reformation auch in Brenn Erfolge zu ver- 

l ) Erzb. Arch. Prag. Ree. ab a. 1600 — 20 orig. 
») A. a. O. 

•) Mittheilgn. d. nordb. Excursionscl. III, 21. — Im J. 1626 lebte in Pirna Mart. 
Fornitius, gewesener Pastor in Lindenau. Pescheck: Gesch. d. Gegenreform. II, 521. 
*) Arch. archiep. Prag. Ree. ab a. 1609—10. 



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115 



zeichnen hatte, umsomehr, als nach dem Tode Wenzels manche 
Streitigkeiten unter seinen Kindern ausbrachen und ausserdem auch 
Joh. Georg von Wartenberg, dem die nach Brenn eingepfarrten 
Dörfer Wesseln und Hermsdorf gehörten, ein eifriger Förderer der 
protestantischen Sache war. 

Auch Pölitz war unbedingt eine Zeit lang lutherisch, denn 
Michael Liebhardt, i. J. 1601 Pfarrer von Pölitz, sah sich am 
17. October d. J. gezwungen '), seine Stelle aufzugeben, da in Folge 
der Thätigkeit des Grundherrn die Politzer Pfarrkinder ketzerisch 
geworden seien. An seine Stelle schlug P. Scriba am 16. April 1608 
den Matth. Latus für die Politzer Pfarre vor. 

Im September 1608 starb Wenzel und nach seinem Tode kam 
der ziemlich stark verschuldete Besitz an seine minderjährigen Kinder, 
Zbinko, Zdislav, Georg Wenzel, Johann Heinrich und Wenzel posthu- 
mus, die laut des, am Freitage der Gedächtniss nach der hl. Anna 
1612 abgeschlossenen Kaufvertrages die ganze Herrschaft an Johann 
Novohradski von Kolowrat für den Preis von 131. 009 Sch. M. 
Gr. verkauften 2 ). Dieser, der mit einer Tochter Zbinko Berka's, 
Elisabeth, vermählt* war, starb jedoch schon i. J. 1613 und hinter- 
liess zwei Söhne, Albrecht und Zbinko, an welch' letzteren das Be- 
sitzthum seines Vaters gedieh. 

Mit Zbinko Kolowrat haben wir das Erlöschen der Lehre 
Luther's auf der Herrschaft Reichstadt zu verzeichnen. Denn wenn 
auch noch am 24. August 1637 König Ferdinand III. den böhmischen 
Statthaltern den Befehl ertheilen musste 3 ), der damaligen Besitzerin 
von Reichstadt, der Herzogin von Sachsen-Lauenburg, anzudeuten, 
dass sie die Administration ihrer Güter durch katholische Leute 
besorgen lasse, und deren Hauptmann zu Reichstadt, einen Edel- 
mann Namens Zach, zu verhaften, wenn er sich zur katholischen 
Religion nicht bequemen wolle, so war doch im Grossen und Ganzen 
die Bevölkerung der Herrschaft Reichstadt wieder katholisch ge- 
worden, und die vom Könige verordneten Commissäre Zdenko Leo 
Liebsteinsky von Kolowrat, der Besitzer von Bürgstein, und Wenzel 
Udalrich Teubner, der Pfarrer von Reichstadt, fanden hier das Be- 
kehrungswerk bereits vollendet; denn Zbinko hatte dafür gesorgt, 

*) A. a. O. Ree. 1600 — 20 orig. 

') Mikovec: Histor. Skizzen 63. 

3 ) Statthaltereiarch. Prag R. 109/6 orig. 



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116 



dass die katholische Lehre wieder Eingang finde. Er selbst war ein 
treuer Anhänger des Königs Ferdinand IL, wie die meisten andern 
Glieder seines Geschlechtes. Als aber Ferdinand in der Schlacht am 
Weissen Berge seinen Gegner besiegte, kämpfte der Markgraf Johann 
Georg von Brandenburg-Jägerndorf noch längere Zeit, wenn auch 
vergeblich, für den Pfalzgrafen und kam auch i. J. 162 1 nach Reich- 
stadt '), welchen Ort seine Truppen verwüsteten, wie sie denn gleichfalls 
die benachbarten Orte Brenn und Dobern plünderten und aus den 
Kirchen alle Kleinodien mitnahmen. Auch eine Brandschatzung 
wurde Reichstadt auferlegt und zur Sicherstellung der nicht unbe- 
trächtlichen Summe der Amtshauptmann Balzer nebst zwei ange- 
sehenen Bürgern von Reichstadt als Geiseln mitgenommen. 

Dies war die letzte Bethätigung der Reformation in Reichstadt. 

Während auf der Reichstädter Herrschaft somit der protestan- 
tische Glaube nur für kurze Zeit Eingang gefunden hatte, war der- 
selbe in Gabel schon ein Jahr nach dem Tode Zdislaw Berkas 
eingedrungen; denn Christoph Berka, dem die Herrschaft Gabel 
nach dem Ableben Zdislav's testamentarisch zugefallen war, zeigte 
sich sofort nach dem Antritte seines Besitzes al» Anhänger Luther 's 
und alle seine Nachfolger blieben gleich ihm dem Protestantismus 
günstig gesinnt. Schon i. J. 1553 finden wir daher in Gabel einen 
lutherischen Geistlichen, Matthäus Hacke 2 ), der, aus Zittau gebürtig, 
zu Wittenberg die Ordination erhalten hatte. Das Jahr 1565 nennt 
uns seinen Nachfolger Paulus als einen den Neuerungen zugeneigten 
Mann, der deshalb auch nach Prag citirt wurde, wo er aber mit 
einer gelinden Strafe davonkam. Doch da die Besitzer von Gabel 
selbst dem protestantischen Glauben huldigten, so kann es nicht 
Wunder nehmen, dass die Lehre Luthers trotz allen Bemühungen 
und Ermahnungen der vorgesetzten Geistlichkeit immer weitere Kreise 
zog. Auch mit dem Dominicaner-Kloster in Gabel gab es in Folge 
dessen beständige Reibungen, und mehrfache Klagen von Seiten der 
Ordensgeistlichkeit zeigen uns, wie wenig einträchtig das Leben in 
Gabel damals war, und zugleich, wie mächtig der Einfluss der Re- 
formation geworden, so dass alle Versuche, eine Besserung der Ver- 
hältnisse herbeizuführen, fruchtlos blieben. Selbst auf der Kanzel 
wurden, wie Petrus Netter am 16. April 1569 an den Prager Erz- 

l ) Mikovec: Histor. Skizzen 63. 

*) Frind: Kirchengesch. Böhmens IV, 409. 



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117 



bischof berichtet, die Klostergeistlichen von den lutherischen Prädi- 
canten angegriffen '), und 1595 musste der Prior des Dominicaner- 
Klosters einen Boten nach Prag entsenden, da die Besitzer von Gabel 
(Heinrich und Zdislav) das Kloster mit Gewalt wegnehmen wollten 2 ). 

Im Jahre 1576 erscheint Bruno Quinos aus Querfurt, der 1569 
Pastor in Quedlinburg und 1576 Archidiakonus von Zittau war, in 
Gabel, das er jedoch bereits 1580 wieder verliess, um nach einem 
kurzen Aufenthalte in Zittau nochmals nach Gabel sich zu wenden, 
wo er die zweite Ausgabe seiner , Sterbekunst oder Disce mori* 
bearbeitete. Schon in demselben Jahre aber taucht in Gabel ein 
zweiter protestantischer Geistlicher Namens Martin Tectander auf 
und die Reibungen zwischen den Protestanten und den Katholiken 
nahmen immer grössere Dimensionen an, so dass selbst Kaiser 
Rudolf II. sich genöthigt sah, vermittelnd einzutreten, und i. J. 1589 
eine Relation ausarbeiten Hess, die zwischen den beiden Parteien 
Frieden schaffen sollte 3 ). Ihr erster Punkt lautete: „Der Prior des 
Klosters soll sich religiös und schicklich betragen und so mit gutem 
Beispiel vorausgehen; dafür soll Heinrich Berka das Kloster in der 
Ausübung des katholischen Gottesdienstes beschützen.* Doch selbst 
der kaiserliche Vermittlungsversuch blieb ohne jeden Erfolg und die 
beiden Parteien geriethen nach wie vor hart an einander. Auch als 
1593 Heinrich Berka seinen Antheil an der Stadt Gabel seinem Sohne 
Wolf Berka übergab, änderten sich die Verhältnisse in keiner 
Weise; ja i. J. 1598 griffen einige Männer auf Befehl des , alten 
Ketzers* Heinrich Berka die Kirche während des Gottesdienstes 
mit bewaffneter Hand an und entwendeten einige Gegenstände 4 ). 
Vorstellungen in Prag waren nutzlos. Ein protestantischer Geistlicher 
folgte dem andern und i. J. 1601 erscheint abermals ein neuer 
Pastor, Daniel Sutorius, aus Böhmen gebürtig, in Gabel. Er war seit 
1598 Prediger in Zittau gewesen, wohin er i. J. 1613 nach zwölfjäh- 
riger Amtsthätigkeit in Gabel wieder zurückkehrte. Er war ein 
äusserst tüchtiger Mann, der selbst der katholischen Geistlichkeit 
Achtung einzuflössen wusste. Er wurde, als i. J. 1613 in Olbersdorf 
die Pest ausgebrochen war, vom Rathe der Stadt Zittau dorthin 

*) Arch. archiep. Prag. Ree. ab a. 1567 — 69. 

*) Hamburger: A. a. O. 135. 

•) A. a. O. p. 148. 

<) A. a. O. p. 150. 



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118 



berufen, und freudig eilte er an seine neue Amtstätigkeit, der er 
sich in treuer Sorgfalt widmete und sich die Liebe Aller in kurzer 
Zeit zu erringen wusste; achtzig Jahre alt starb er in Zittau i. J. 
1640. Als letzten lutherischen Geistlichen in Gabel haben wir Gregor 
Roscher 1 ) anzuführen, der i. J. 1609 Pfarrer in Spitz-Kunnersdorf 
war und nach der Abberufung des Sutorius 1613 nach Gabel kam. 
Die Verhältnisse hatten sich hier für die katholische Geistlichkeit, 
insbesondere für die Dominicaner so schlimm gestaltet, dass, als 
i. J. 1618 Dominicus Alanus zum Prior des Gabler Klosters bestimmt 
wurde, er nach seiner Ankunft eilends wieder nach Prag zurückreiste, 
um seine Wahl rückgängig zu machen. Seine Bitte wurde ihm jedoch 
abschlägig beantwortet, und so musste er, wenn auch widerwillig, 
den Posten annehmen. Doch sollte auch ihm die Schlacht am Weissen 
Berge und der Sieg der katholischen Sache Erlösung bringen ; denn 
schon i. J. 1623 wurde auf Gabel das Reformationswerk begonnen 
und Gregor Roscher mit vielen seiner Anhänger aus Gabel ver- 
trieben. Roscher wandte sich nach Zittau und starb daselbst am 
10. November 1632 *). Aber dieser erste Versuch, den protestantischen 
Glauben in Gabel auszurotten, hatte keinen wesentlichen Erfolg, und 
bald erhielten die Protestanten abermals in Gabel die Oberhand und 
walteten nach eigener Willkür, ohne sich um die katholische Geist- 
lichkeit zu kümmern. So musste das Rekatholisirungswerk i. J. 1628 
noch einmal unternommen werden, diesmal aber mit aller Energie und 
rücksichtsloser Gewalt. Eine handschriftliche, auf der Zittauer Stadt- 
bibliothek befindliche Chronik berichtet hierüber folgendermassen 3 ) : 
,1m Februar und März kam die Persecution der Religion näher und 
näher auf die Städte. Graf von Kolowrat, in der Reformation Kaiser- 
licher Majestät Commissarius, zwang die Einwohner zu Gabel mit 
Prügeln und Hess sie in Eisen schlagen, verbrannte alle lutherischen 
Bücher, die einer oder der andere Evangelische bei sich im Hause 
hatte (sie mussten dieselben hergeben und nicht verschweigen, noch 
hinterhalten), an der Staupsäule daselbst.* Die Reformation auf der 
Herrschaft Gabel war am 24. Februar 1628 beendigt 4 ), und mit ihr 
schien auch die Macht des Protestantismus in Gabel gebrochen, da 

*) Pescheck: Die böhm. Exulanten 72. 

9 ) Carpzov: Analecta I, 122. 

•) Pescheck: Gesch. der Gegenreform. II, 128. 

*) Arch. archiep. Prag. orig. Acta reform. 1676. 



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die meisten Protestanten, die sich nicht zur katholischen Lehre be- 
kehren wollten, Böhmen verlassen hatten '). Doch die Wirren des 
dreißigjährigen Krieges Hessen die Reformation bald wieder in Gabel 
auftauchen. Gabel litt in diesem Kriege furchtbar, wie der nach- 
stehende Bericht Hrastowacky's an Wallenstein unterm 21. März 1633 
bezeugt 2 ): »Hiebenebenst kan euer fürstl. Gn. ich gehorsambst zu 
berichten nicht umbgehen, welcher gestalt ich mit meinem underhaben- 
den Regiment in das arme, aussgestorbene vnd fast öde Stettlein 
Gabi, worinnen mehr alss der dritte theyl heuser ganz wüste stehen, 
einlogiret bin, vnd weillen verschienen Jahrs dess Feindtes vnd 
Kayserl. armee zu drei oder vier mallen diess Ohrts hin vnd wieder 
marschiret, das Stettlein zum öfftern ausgeplündert wordten vnd 
nichts mehr darin vorhanden ist, alss weiss Ich nicht, wie ich mein 
Regiment ferners vnt erhalten soll.* Solche Verhältnisse konnten das 
Fortblühen des Protestantismus nur unterstützen, und es nimmt uns 
nicht Wunder, wenn i. J. 1638 der Prior des Gabler Klosters sich 
über die Bürgerschaft und den Besitzer von Gabel in folgender 
Weise beklagt 3 ): ,Sie hören nicht auf, bald mit Waffen, bald mit 
Stäben, bald mit den beleidigendsten Schimpfworten, ja mit Berau- 
bungen aller Art uns zu beunruhigen. Wir werden von ihnen nur 
Schelme, Diebe, leichtfertige Männer genannt. Wenn ein Engel hie- 
her geschickt würde, sie würden ihn verfolgen, weil sie selbst Teufel 
sind, ja sie sind grobiani in octavo gradu. Sie sind Ketzer, am Samstag 
essen sie Fleisch, ja erkühnen sich noch, unseren Bruder Stefan dazu 
zu verführen ; nicht ein Zeichen katholischer Religion wird bei ihnen 
bemerkt, also, was kann ich mehr sagen, als dass sie Ketzer sind? 
Sowohl Männer als Weiber haben am letzten Pfingsten ihren Pfarrer 
so durchgeprügelt, dass er resignirte, jetzt gehen sie damit um, das 
Kloster anzugreifen, was nicht einmal Türken thun. Als ich aus Geld- 
mangel mir bei ihnen manchmal Bier borgen wollte, gaben sie es 
nicht; so geschah es oft, dass ich sogar Wasser trinken musste.* 

Das Ende des dreissigj ährigen Krieges bezeichnet auch das Ende 
der Reformation in Gabel. 

*) 1630 starb in Zittau Exulant Zacharias Langer, Küchler in Gabel. — 1638 
starb Matth. Bergmann, Seifensieder aus Gabel, als Exulant in Zittau. Pescheck : Böhm. 
Exulanten 136. 

*) Hallwich: Wallenstein's Ende L 610. 

*) Hamburger: A. a. O. 153. 

Jahrbuch des Protestantismus 1S82. 9 



■ 



XI. 

Von 

„Io. Iacobi Simleri, Coli. Parthenici Ephori, 
Oratio solennis de nato Iesu Christo, 
recitata die 24. Decembris anno 1749", 

zweiter Theil, 

die Beziehungen zwischen den böhmischen Brüdern und der 
schweizerischen Kirche betreffend. 

Aus dem MS. zum ersten Mal veröffentlicht von Prof. Dr. BÖHL. 

Der erste Theil dieser Simler'schen Festrede (Simler's Manu- 
scripte Nr. 2S7, im Besitz der Züricher Stadtbibliothek), welche die 
böhmische Kirche, die dem reinen Evangelium anhing, zum Gegen- 
stande hat, ist (nach Simler's eigner Angabe) aus der Kirchen-Historie 
der Böhmischen Brüder von Joh. Arnos Comenius compilirt. Der 
zweite, zum ersten Mal hier gedruckte Theil der Festrede enthält 
einen Ueberblick über die Beziehungen zwischen den ge- 
nannten Brüdern und der schweizerischen reformirten 
Kirche, besonders derjenigen Zürichs. Interessant ist darin beson- 
ders die Prophezeiung Simler's, dass das Evangelium noch wieder in 
Böhmen ausbrechen werde, was nach 32 Jahren (i.J. 1781) wirklich eintraf. 



Restat, Auditores Omnium Ordinum Praestantissimi, quae est 
posterior sermonis nostri pars, ut paucis ostendamus Turicensem et 
Bohemicam Ecclesiam a purgatis exinde sacris ad nostram usque 
aetatem amabili doctrinae et caritatis vinculo semper coniunctissimas 
fuisse. 

Cum igitur fugatis errorum tenebris clara veritatis lux tempori- 
bus beati Zuinglii nostri oriretur eiusque fama totum pervolaret orbem, 
ea ad Bohemos quoque pervenit, quorum plurimi, lectis Zuinglii lucu- 
brationibus in admirationem rapti, Turicensium amicitiam, inprimis 



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121 



post sanctissimi viri fata, summo opere ambierunt. Testern hic pro- 
vocamus Osualdum Pergenerum, qui Zittaviensibus in Silesia ab epi- 
stolis publicis fuit. Is cum primo frequentes ad Bullingerum, Leonem 
Judae et Pellicanum, viros toto orbe tum clarissimos, suo tantum 
nomine dederat literas, illas postea nomine Fratrum quoque Bohe- 
morum exaravit. Prolixum esset, A., omnia huc facientia ex literis 
per duo integra lustra ab ipso missis transcribere. Sufficiat unum 
atque alterum ex iis locum protulisse. Is itaque inter alia ad Bullin- 
gerum*): 

,Cum Legatum nostrae urbis apud Pragenses anno seculi decimi 
sexti tricesimo secundo agerem, incidi Pragae in domum cuiusdam 
Baronis Conradi a Krajek, mihi familiarissimi, qui et maxime delectatur 
vestris scriptis, praecipue Germanicis. Is cum aliquot libros a Biblio- 
pola accepisset, — ecce tanquam virgula Divina ostendi inter eos 
libellum tam vere christianissimum de officio Prophetico, — quem 
Baro postea mihi dono dedit, — qui observantissimus est Evangelicae 
veritatis, vestramque assertionem, imo Christi et Apostolorum doctri- 
nam de S. Domini Coena, unice complectitur. Dici non potest, quanta 
alacritate is tuus libellus me et Fratres meos, qui publice hac in re 
mecum sentiunt, affecit. Scribere non ausim, doctissime Bulüngere, 
quantum nos isto tuo libello profecimus.' 

Idem in aliis ad eundem literis mense Februario anni tricesimi 
septimi, postquam docuisset, fratres multarum Silesiae Civitatum, in- 
primis vero fratres Bohemos urgere commercium ipsorum literarium, 
felicibus auspiciis ceptum, ita pergit: »Morem, quem vos (Turicenses 
nimirum) in Coena Domini servatis, ex Commentariis, quos in caput 
decimum ad Hebraeos edidisti, Fratribus, qui sunt in Bohemia, ad 
verbum exposui, nam id unice cupiebant. Quanto gaudio perfusi sint 
eo audito, alii potius pronuntiabunt. Mos enim illorum, quem ipsi 
observare solent in sacratissima Domini Coena, tam similis est vestro 
iTuricensium) quam ovum ovo/ Quem morem postquam Pergenerus 
in literis ad Pellicanum anno tricesimo nono scriptis plenius expli- 
casset, adiecit: „Omnes, quotquot mihi noti sunt (Bohemi), novi autem 
quam plurimos, bene precantur Ecclesiis vestris, inprimis Proceres 
ac Nobiles, ad quos vestra nomina saepius perveniunt, inter quos 
sunt Barones a Krajek, a Donin et plures alii.* 



*) Hotting. Hist. Eccl. T. VI. p. 631. 632. 



9* 



I 



122 



Neque Bohemi privatis tantum literis suam cum Turicensibus 
amicitiam coluere, sed et publice» testimonio omnibus eam exposuere. 
Confessionem enim suam, in Germanicum idioma per Michaelem 
Weisham, ejusdem gentis hominem, versam, Tiguri apud Froscho- 
uerum anno dicti seculi tricesimo secundo edendam censebant. Quae 
quidem Confessionis Bohemicae editio omnium, quae Germanice 
prostant, prima maximeque memorabilis est. Maximos enim posthac 
dedit motus, de quibus dicendi locus iam non est*). 

Amicitiam hanc feliciter ceptam sanetissimae memoriae vir, Io. 
Henricus Bullingerus, praeeipuum tum omnium Ecclesiarum ornamen- 
tum, et qui eum post funera in munere et pietate secutus est, magnus 
ille Gualtherus, sanetissime ad mortem usque coluerunt. Varios enim 
in Bohemia, ad quos scriberent, habebant. Eminebat autem inter eos 
clarissimus vir, Paulus Bramburgius, Crommoviensis, qui saepius 
foliatas de religione literas ad Bullingerum dedit, , quibus Semper 
(utor ipsius Bramburgii verbis) sanetissimae memoriae vir, pro modestia 
sua vere Apostolica, prolixe rescripsit*. 

Inprimis vero memorabile est commercium illud literarium, 
quod Bullingero nostro cum concionatoribus Aulicis Maximiliani, 
Bohemorum Regis, fuit. Maximus hic Rex non solum pro pietate 
et iustitia, qua pollebat, subditos suos conscientiarum übertäte do- 
navit, sed et Ioannem Sebastianum Phauserum, intrepidum in veritatis 
caussa tuenda assertorem, a sacris Concionibus habuit, cui postea 
collegam Ambrosium Zieglerum adiunxit. Horum uterque intimam 
cum Bullingero nostro familiaritatem coluit, quibus ille in redamando 
pulchre respondebat. Quid quod ipse Zieglerus anno seculi deeimi 
sexti quinquagesimo octavo Turicum venit, quo cum Bullingero aliis- 
que illic doctis de doctrina S. Coenae, quae tunc religionum lapis 
Lydius erat, amice idque iubente Phausero conferret, quod tanto 
quidem cum successu factum est, ut Zieglerus, sentiens quantis bene- 
fieiis a Turicensibus cumulatus sit, mox post abitum ex itinere ami- 
cissimas ad Bullingerum literas dederit, in quibus inter alia haec: 
,Rogo, ut tibi persuadeas me unum esse, qui tanto te amore et 
observantia complectar, ut alium magis neminem. Neque est, ut 

*) De Confessione Bohemica 1532 Turici edita lingua germanica v. Tübingisches 
Bedenken von der Mährischen Brüdergemeine in Actis hist. eccles. I. Band, 4. Th. 
Bl. 440 ss. und Köcher Glaubensb. d. Böhm. Brüder u. s. w. — Confessionem Bohem. 
nobis öjjto'lr^ov vocat Ambr. Blaurerus. V. Hotting. Hist. Eccl. T. VI. p. 807. 



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123 



cogites quemquam esse ex amicis omnibus hoc tempore te mihi 
cariorem: quin dignus es, quem viri boni et de religione pie sen- 
tientes et colant et venerentur.* Et post pauca interposita enixe 
Bullingerum rogat, ut si quid et Ecclesiae ipsorum et eius futurae 
reformationi profuturum interim invenerit, ad ipsum pro pietate ac 
humanitate sua mittat. 

Abiit vero Zieglerus onustus Turicensium ad Phauserum literis 
elegantissimis, quibus maxime docebant, in doctrina ritibusque refor- 
mandis unum Christum in Verbo Divino Ioquentem esse audiendum, 
humana enim omnia nil nisi motus discordiasque parere. Et quo 
magis hoc probarent, testem excitant ipsam Ecclesiam nostram, his, 
inter alia, verbis: »Quadragesimus nunc agitur annus, quo ad cogni- 
tionem Christi pervenit Turicensis Ecclesia. Ea nunc ab initio mox 
uni Christo sese imposuit et doctrinam Apostolicam recepit, Papis- 
mum, Monachismum et omnis generis peregrinas religiones et doc- 
trinas deseruit. Tranquilla est etiam hodie per Dei gratiam, a tot 
annis, in tot tentationibus et afflictionibus. Nullae sunt inter nos sectae, 
nulla iurgia, nulla certamina.* 

Quantum ex hac mutua animorum inter tantos viros coniunc- 
tione fructus ad Bohemos provenerit, immo vero in quam laetitiam 
sanctissima Turicensium pectora soluta fuerint, cum septuagesimo 
dicti seculi anno universi fratres Bohemi (quidam enim antea 
Luthero addictiores erant) ad castra Reformatorum per Consensum 
illum Sendomiriensem celeberrimum propius accesserint, vos ipsos, 
A. 0. O. P., quibus santissimae religionis nostrae amor innatus est, 
testes provoco. 

At ab anno octogesimo huius seculi innumerae et inexplicabiles 
per totum orbem Christianum excitabantur lites ab Iacobo Andreae 
vel Schmidelino, Superintendente Tubingensi, per famosissimum illum 
Concordiae librum, in quo, Ubiquitate Corporis Christi asserta, qui- 
cunque alia docerent omnibus devovebantur diris. At ipsa haec 
funesta bella novum syncerae inter Bohemos et nostram Ecclesiam 
concordiae indicium praebere debuerunt. Edebant enim Reformati, 
quo venenato illi libro obviam irent, anno sequenti Harmoniam Con- 
fessionum, qua Bohemorum cum aliis orthodoxis, Helvetiorum atque 
Turicensium praecipue, firmissimis vinculis constrictam clarissime 
omnibus, nisi ex consulto insanientibus, demonstrabant. Turicenses 
vero Harmoniae illius principes autores erant. 



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124 



Ouae summa familiaritas seculo decimo sexto inter duas has 
Ecclesias fuit, ea seculo superiore egregie processit. 

Habebant enim Bohemi Io. Ulrichum Reuterum, Turici civem, 
postea templi S. Petri apud nos pastorem, Neubunzelii in Bohemia 
V. D. Ministrum, hominem maxima apud eos autoritate, utpote 
quem anno dicti seculi undecimo literis Patritii Pragensis ad Marcum 
Beumlerum, S. Th. P., quibus mire eum praedicabant, instructum 
Herbornam, quo Confessionem ipsorum denuo typis describendam 
solicite curaret, ablegarant. 

Interim Bohemiae flebilis illa aetas aderat, qua quicquid erat 
virium in hostibus in furorem conversum, ut supra ostendimus, sae- 
viebat. Hoc tarn turbido tempore Illustrissimi Bohemiae Ordines, 
ipseque eorum Serenissimus Rex Fridericus, Turicenses cum ceteris 
Helvetiae reformatae Civitatibus de omnibus, quibus premebantur, 
miseriis solicite ob purae religionis necessitudinem monebant, quibus 
nostri omnia officia sua promptissime quidem deferebant factoque 
ipso probabant. Non solum enim miseram tum gentem ; ardentissimis 
orationibus, publice etiam institutis, Deo commendabant, non solum 
deiectos animo per literas amicissime solabantur, non solum ipsorum 
caussam aliis fidei sociis gravissime commendatam esse volebant, 
sed etiam eos exules opulenta stipe publice collecta, pro pietate sua, 
promptissime iuvandos censebant. 

Neque hic silentio praetereundum iudico virum celeberrimum, 
Io. Iacobum Breitingerum, Ecclesiae nostrae tum temporis Antistitem 
vigilantissimum, qui aeternum et immortale apud nos serosque 
posteros ob syncerissimam doctrinam infucatamque pietatem nomen 
sibi paravit. Hic non modo exules Bohemos, quorum multi Turicum 
tunc venerant, liberalissime una cum piissima sua uxore excepit*), sed 
et ut genuini hi fidei socii publicis in templis nostris precibus Deo 
commendarentur facile obtinuit, quoque incredibilem suum in hos 
fratres amorem posteris testatum faceret, Martyrologio Bohemico, 
ipsi ab exulibus dono misso, Esse illud sibi omni thesauro et auro 
longe carius, propria manu adscripsit. 

Sed tempus monet, ut ad hos dies nostros accedamus, quibus 
vos, viri utriusque ordinis, tum maiorum tum vestra virtute clarissimi, 



*) V. Miscell. Tig. T. I. (6. Ausgabe) p. 21 ss. in der Lebensbeschr. Frau 
Regula Thomannin. 



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125 



paternum nomen egregie tutati, exemplo novo ac plane memo- 
rabili, Turicensem Civitatem fere esse solam, quae misereri sciat 
Urbium, vestramque liberalitatem vera pietate excitatam loco stare 
nescire, toti orbi exposuistis. 

Vix enim ac ne vix quidem D. Blanicky, a Bohemis illis, fundis 
Strehlensibus inhiantibus *), anno proxime elapso, quo stipem in 
Helvetia reformata eum in finem colligeret, missus, liminibus vestris 
salutatis, quo modo exhausti fidei Fratres iuvari possent, ostenderat. 
Et en mirum profecto dictu! ardentissimus pro gloria Divina zelus, 
indubitata in sanctissimam religionem pietas ac syncerissimus in 
fratres amor, coelitus nimirum immissi, illico omnium vestrum mentes 
ex aequo occupant easque ad fratres, miseriis tantum non deper- 
ditos, pro virili sublevandos inflectunt. Non modo enim D. Blanicky 
ambabus, ut aiunt, ulnis excipitur, liberalissime, dum Turicum eum 
retinet, publicis sumptibus sustentatur, pium quod agebat negotium 
omnibus moris ruptis ceteris Helvetiae reformatae Proceribus publicis 
literis enixe commendatur, sed et pro vere paterno, quo flagratis, 
in omnes pios amore rem eo deducitis, ut Helvetii reformati summam 
circiter millium florenorum, quorum dimidiam fere partem sola Civi- 
tas vestra adiecerat, Bohemis in subsidium numerarent. 

Quantum inde apud pios hos fratres natum sit gaudium, de- 
scribi per me nequit. Video, video, A.O.O. P., laetissimo hoc nuntio 
advolante, totum Bohemorum agmen, quod miseram et acerbam 
vitam hactenus duxit longumque et invidiosum adversus pertinacissi- 
mos host es certamen sustinuit, mox in genua procidere, plicatas ad 
coelum manus iendere, prae laetitia lacrymas effundere, suspiriis ac 
gemitibus ab imo pectore ductis, iunctis votis, piisque precibus, Ec- 
clesiam nostram, Rempublicam, vosque omnes ac singulos, Deo, 
qui gemitus suorum aspitit lacrymisque eorum Semper movetur, eni- 
xissime commendare. 

Et certe gratulor Ecclesiae nostrae, quae velut exemplum in- 
ter ceteras fulget, hanc felicitatem, quod bonam ac fidelem operam 
Christo denuo navarit, clariorque nostra aetate hac nova fratrum 
Bohemorum accessione facta fuerit. Emerget enim haec seges suo 

*) [Betrifft die Gründung der reformirten Colonie Hussinetz bei Strehlen 
i. J. 1749, deren erster Pastor Blanicky war. Die Böhmen kamen dahin von Münster- 
berg, wo sie sich zuerst niedergelassen hatten. Sie collectirten in der Schweiz und 
in Holland.] 



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126 



tempore, eluctabitur veritas, innumeri enim adhuc verae religionis 
observantissimi in Bohemia ac Moravia latent, qui gloriosum, ut 
speramus, de veritatis hostibus referent triumphum. Gratulor vobis, 
Viri Amplissimi ac Praestantissimi, qui ad Reipublicae et Ecclesiae 
nostrae gubernacula sedetis, quod virtuti vestrae tanta accesserit 
autoritas, qua possitis de Religione Christiana quam optime mereri: 
sed multo magis vobis gratulor istam religiosam mentem quod 
studetis. 

Gratulor autem singulis: quisque enim vestrum in amando 
iuvandoque pias has Ecclesiae Bohemicae reliquias ita certavit, ut 
nesciam, quem cui debeam praeponere, necesseque sit, omnes ex 
aequo redamare. 

At temperabo a laudibus vestris. Scio enim, quam nolint lau- 
dari Uli, qui soli laudem merentur omnium ; potius, quia solidus amor 
a virtute profectus tarn finem nesciat quam virtus ipsa, semperque 
regium fuerit, tegere iustos contra iniustam saevitiam, illisque bene 
facere: a vobis, o piissima pectora, per omnia contendo sacra, ut 
temporibus praecipue nostris, quibus moritur fides, germinat vero 
infidelitas, summam vestram autoritatem ingeniique praestantiam ad 
religionem, Ecclesias, harumque comites, pias Scholas, quibus potestis 
officiis, potestis autem maximis, tutandas porro benignissime conferatis, 
ac Christi doctrina, vel portis inferorum repugnantibus, fortissime 
asserta, piis fidei sociis, qui in hac postrema mundi senecta multis in 
locis durissime quassantur, suam insuper afferatis quietem. 

Ita profecto misericordia vestra (ut compendio virtutes vestras 
innumeras complectar) virtus, quae Deo copulat homines, non modo 
memoria omnium seculorum celebrabitur sempiterna, omnesque gen- 
tium annales egregia loquentur facta vestra, sed, quod maius est, 
Christus Iesus, unicus Rex noster, qui coelum deseruit ut nos orco 
liberaret, in vobis Divinus opus suum in mentibus vestris perficiet, 
usque ad magnam illam liberationis diem, qua haec mundi machina 
ruet fractusque illabetur mundus. Hic, hic erit verus vos ornandi et 
augendi locus; hic, hic manebit vos praemium illud immortalitatis 
nunquam auferendum; hic, hic videbitis Ecclesiam inter ipsas Im- 
periorum ruinas a Christo servatam ; hic sola et vera felicitas respon- 
debit virtutibus vestris; hic direptos, spoliatos, nudatos, omnique 
lacrymarum genere olim confectos innumeros ex omni gente fidei 
fratres, quorum inopiam in aerumnoso hoc seculo egregie sublevastis, 



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127 



laetissimos aeternae felicitatis socios agnoscetis, Christusque ipse vos 
Corona illa coelestis gloriae per infinita ringet secula. 

Sed nos ad unicum nostrum praesidium confugiamus, et toto 
oremus pectore: O nate Deus, qui movente coelo, canentibus ange- 
lis, tripudiante universo coelorum exercitu, verus homo ex illibata 
virgine natus es, ut Ecclesiam sustentes ac serves, aspice quaeso 
gemitus et lacrymas, quibus sancta haec sponsa tua irrigatur. Surge 
victor Israelis Rex, dissipa hostes, compesce fluctus, frena tempe- 
states, cohibe nefarios hostium ausus, et valeat, o Princeps pacis, 
plebs tua. O vera lux, fuga tenebras, quae coelesti tuae veritati in- 
ducuntur, nec sine lucem sanctissimae doctrinae extingui. Da vero, ut 
ubique terrarum laeta suavissimi tui Evangelii vox sonet. Serva in- 
primis nutricios parvi gregis tui, qui cura illius ex animo affiriuntur. 
Da, ut hanc ad certissimam felicitatem viam strenue premant, tan- 
demque nos omnes ad augustissimam illam piorum sedem ac suavis- 
simum beatarum mentium domicilium recipi. Tibi cum Patre et 
Spiritu Sancto, soli immortali triuni Deo sit laus, honos et gloria per 
infinita secula! Amen. 



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XII. 



Beiträge zur Geschichte der Landschaftsschule 

in Graz. 

Vom Landesarchiv -Director Prof. Dr. J. v. ZAHN. 

1. 

Instruction des Hausverwalters und Traiteurs der Schule. 

1574, i. Juli, Graz. 

Instruction vnd Ordnung, wie sich Magister Lampertus Glogger 
als bestelter vnd angenommener oeconomus bey einer ersamen 
Landschaflft new angerichten Schuel in seinem Ambt verhalten solle. 

Erstlich, nachdem ein ersame Landschafft des Fürstenthumbs 
Steyr die oeconomiam bey diser gemainen Landtschuel darumben ins 
Werkh zu richten bedacht vnd beschlossen, auf das erstlich die prae- 



Anmerkung. Diese Materialien schliessen sich an die hoch werthvollen acten- 
raässigen Darstellungen und Beiträge, welche Dr. R. Peinlich 1866 im Jahresberichte 
des (1.) Grazer Staatsgymnasiums pp. 8 u. ff., 23 u. Note daselbst, die Geschichte 
und Lehrverfassung der sogenannten „Stiftsschule" betreffend, gegeben, und ergänzen 
in ökonomisch-administrativer Beziehung, was dort in didaktischer dargelegt ist. — 
Nur bezüglich 1. habe ich zu bemerken, dass der Stiftsökonom oder Traiteur, welcher 
hier Glogger genannt ist, in den landsch. Ausgabenbüchern Glockhner heisst, was 
mir richtiger scheint. Sonst sind die Notate aus der letzterwähnten Quelle so wenige 
und so oberflächliche, dass sie zur Beleuchtung des Verkehrs zwischen diesem Manne 
und der Landschaft nichts Wesentliches beitragen. 

Bezüglich der Daten mag nach Peinlich's Geschichte für alle Fälle erwähnt 
sein, dass die Verhandlungen wegen des Baues der Schule 1569, die Bauarbeiten 1570 
begannen. Zur Baucommission ward der kais. Baumeister Pietro Ferabosco von Wien 
berufen; den Bau leitete dessen Landsmann Francesco Marmoro (gemeinhin Marbel 
genannt). Die Statuten und Gesetze der Schule arbeitete der Prädicant Georg Runäus 
von Rostock (December 1573 — Juni 1574), und sehr wahrscheinlich rühren auch die 
Theile der ökonomischen Verfassung von ihm. 

Die Quelle unserer Mittheilungen sind durchaus die Protokolle und Acten des 
steiermärk. Landesarchivs. 



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129 



ceptores selbst der täglichen Nahrung entladen iren studiis desto 
fleissiger vnd embssiger abwartten, vnd der Jugendt, welche auch 
daselbst ir Vnterhaltung haben wirdt, mit guetten Sitten vnd Exempl 
vorleuchten, vnd die repetitiones lectionum vnd exercitiorum desto 
ordentlicher halten mögen, alda man dan billich vor allen andern 
Ortten die Mässigkhait halten, ein feines, nüchters vnd züchtiges 
Leben füeren, vnd wie in einem Spiegel ein gleichförmig Ebenbildt 
aller christenlichen Tugendten leuchten solle, so soll demnach er- 
nenter oeconomus denselbigen praeceptores vnd Schuelcollegen gleich- 
fals, ob ime aus den Predicanten Jemandts in die Cost gestelt wirdt, 
sambt denen, so ime also durch die Herrn einer ers. Landsch.-Ver- 
ordendten zu vnterhalten beuolhen wirdt, täglich zwey Malzeit, als 
zum Fruemal vmb zehen Vhr, 'zum Abent vmb fünf Vhr sauber vnd 
wolgekhochte oder geprattene Speisen zurichten vnd zuberaitten 
lassen, also das er yederzeit ein vier guetter Rieht damit die Com- 
mensaln ir NotturfTt haben mügen, fürsetzen vnd fürtragen solle 
lassen. 

Er oeconomus soll guetten Vleiss fürkheren, das er jederzeit 
frische Victualien einkhaufFe, vnd dass er neben andern zu yeder 
Malzeit, es sey von yungen clainen Viech, als Khelbern, Khiz, Lam- 
pern vnd dergleichen, oder auch, wen ers nach Gelegenheit der Zeit 
khan bekhummen, von Capaunen oder Hüenern, inen fürtragen 
lasse, vnd in allweg sehen, das es vleissig vnd sauber zubereittet 
vnd zugericht sey. 

Einem yeden Commensaln, alssvil er deren hat, soll er aber 
die Malzeit ein Halbe Wein, alte Mass, vnd nit mehr fursetzen, dem 
Licentiaten Marbachio aber, vnd welchem insonderheit solchs zu- 
gelassen wirdt, dem soll er die NotturfTt, als vil sein Person be- 
langt, einschenkhen lassen, vnd in allweg sich befleissen, dass er guet 
geringe vnd nit gar starkhe Tischwein zeitlich einkhauffe ; doch dass 
die one Vortl, nit zäch, khamich, anzikh vnd zu sawer sein. 

Es soll auch ime oecononto vnd den Commensaln allensambt 
hiemit auferlegt sein, das sie des gemessenen Zuetrinkhens bey disem 
Tisch gänzlich (sich) enthalten, von kheinem commensali einicher 
frembder Gast, auch sonst Niemandt zu Tisch nit hinein gefüert 
werde, sondern da Jemandts einen oder mehr costfrey zu tractiren 
Vorhabens, der mag Solchs bey öffentlichen Wirdtsheusern, doch 
mit Vorwissen des rectoris oder conrectoris fürkheren. 



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I 



130 



Was dan die arme studiosos oder Stipendiaten belangt, welche 
in die Öconomey aus Beuelch der Herrn Verordenten gestelt werden, 
die soll er zu dem Nachtisch mit einer oder zwo Speisen nach Ge- 
legenhait der Zeit zur Notturfft vnterhalten, vnd was etwo an ge- 
khochter Speiss überbleibt, das soll er den armen Mendicanten auss- 
spenden. 

Dan auch ob Jemandts vnter den Commensaln mit Khrankhait 
beladen, soll er denselbigen pestes Vleiss wartten vnd khainen 
Mangl leiden lassen, auch ine mit nothwendiger Speiss, nach des 
Doctors Verordnung versehen. 

Vnd weil auch im selben Fall dise Ordnung wirdt gehalten, das 
etliche gewisse Mendicanten aufgestelt, welche von Hauss zu Hauss 
mit versperten Püxen sambln vnd colligiren, vnd den Andern die 
Almusen zuetragen werden, so wirdt der oeconomus gleichfalls aus 
Verordnung des rectoris oder conrectoris sein Aufsehen zu haben 
wissen, wie etwa nach Gelegenheit der Samblung den armen Khnaben 
im Notturfft auch gereicht werde. 

Er soll auch guetten Vleiss fürkheren, das alle Notturfft, als 
Holz, Kherzen, alsvil zu der oeconomia vonnötten, item Wein, Draidt 
vnd dergleichen Hausnotturfft zeitlich erkhaufft werde. 

Zu gewisser vnd bestimpter Stundt, welche ime durch den 
rector angezeigt wirdt, die Thür zum Haus spörren, allen mensch- 
lichen vnd müglichen Vleiss fürkheren, damit durch das Fewer khein 
Schad eruolge, das auch die Rauchfang zu rechter Zeit geputzt, vnd 
die Schuel, auch ander Zimmer vnd das ganze Hauss allenthalben 
sauber gehalten werde. 

Er soll alle Wochen sein ordentlichen Auszug, was vnd wieuil 
von einer Malzeit zur andern die Speisen costen, vnd was allent- 
halben aufgangen, specifice dem magistro Jeronimo Osio rectori schohe, 
Philippo Marbachio Licentiaten, vnd magistro yeronitno Lauterbachio 
als seniori samentlich zustöllen vnd anhendigen. Denen soll auch 
hiemit auferlegt sein, das sie allen guetten Vleiss fürwenden, damit 
diser Instruction gemäss gelebt vnd Alles mit guetter Ordnung ad- 
ministrirt werde, die Raittungen fleissig ersehen, und zu Aussgang 
einer jeden Quattember die Raittungen den Herrn Verordenten zu- 
stöllen. Sie, die obgemelten drey Personen, sollen allen volkhommenen 
Macht vnd Gewaldt haben, die Raittungen wöchentlich alle Sambstag 
zu ainer gelegenen Stundt bis auf der Herren Verordenten Ratifi- 



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131 



cirung zu übersehen, die Menglposten zuuermelden auszustellen, dem 
oeconomo in einem vnd dem andern, do sie Verordnung befinden, 
zuzesprechen, vnd do er oder andere commensales einiche Irrung 
oder Beschwärung hatten, dieselbig vernemen, anhören vnd alle 
Büligkhait darüber zuuerschaffen. Im Fahl aber Ainer oder Mehr sich 
hierinnen ungehorsamblich verhalten, oder sonst so beschwärliche 
Handlung, daraus Ergernus entstehen solten, fürfielen, sollen sie 
alssbaldt den Herrn Inspectoren, da sie zugleich nit verhandten, 
den Herrn Verordenten solchs anbringen, soll von Stund an ernst- 
liche Einsehung darüber eruolgen. 

Was dan das Gellt anbelangt, soll obbemelten rectori, conrectori 
vnd magistro Lautterbachio die notturfft, alssvil auf ein Quattember 
oder halbes Jahr vonnötten, aus einem ers. Landsch. Einnemerambt 
gegen Quittung zugstelt (werden), vnd sie dasselbig in ein Truhen 
mit vnterschidlichen Schlüssln verwaren, vnd von Wochen zu Wochen 
dem oeconomo die Notturfft geben sollen. 

Was dan noch in andern Stukhen vnd Puncten mehr, nach 
Gelegenhait der Zeit, in dise Instruction einzubringen vonnötten 
sein wirdt, dardurch guette Ordnung erhalten, die Notturfft betracht 
vnd Vnwirtligkhait vnd Verschwendung verhüettet (werde), das soll 
vnd mag noch yederzeit eingebracht werden, aber beschliesslich 
dem oeconomo nit allein ernstlich auferlegt sein, das er alle erbare 
christliche Manzucht bei seinem Gesjndt erhalte, vleissig auf alle 
Sachen Achtung habe, damit nichts Vnordenlichs vnd Ergerlichs 
eruolge, vnd daneben ein guetter vnd trewer Hausswirt, inmassen 
die Herrn Verordenten in Namen einer ers. Landsch. das Vertrauen 
zu ime thuen stöllen, erfunden werde. 

In Vrkhundt haben wolermelte Herrn einer ers. Landschaft Ver- 
ordente dise Instruction mit iren hier fürgedrukhten Pedtschaften ge- 
ferttigt, vnd eine dem oeconomo, die ander obbemelten sc/io/arc/tis, 
(dass sie) sich darnach zurichten wissen, zuegestölt. Actum Grätz, 
den ersten July, Anno etc. viervndsiebenzigisten. 

2. 

Instruction der Almoseniere der Schule. 

1574, 1. Juli, Graz. 

Instruction, was die Edlen, Wolgelarten, Ersamen vnd Weisen, 
Magister Bärtlme Pica, M. Jeronimus Lauterbach vnd Hans Aschinger, 



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132 



Burger alhie, als von einer ers. Landsch. des Fürstenthumbs Steyr 
verordente ekemosinari handien und verrichten sollen. 

Für's Erste, dieweil das Almusen, welches also von treuherzigen 
Christen zu Erhaltung Khirchen, Schuelln vnd der armen dürfftigen 
christlichen Mitbriieder vnd Schwester treuherzig dargegeben vnd 
zusamen colligirt wirdt, ein solches Gellt ist, mit welchen auch er- 
bare, trewe, christliche Personen, welche der ganzen christlichen Ge- 
main alhie billich annemblich sein, vmbgehn, dasselbig aussspenden 
vnd mit erbarer trewer Raittung alles handien vnd verrichten sollen, 
so haben demnach die Herrn einer ers. Landsch. verordent in ob- 
bemelte Personen das Vertrawen gestelt vnd inen beuolhen, mit dem 
Almusen inhalt nachuolgender Instruction, vnd wie sie es mit guettem 
Gewissen am jüngsten Tag verantworten khünnen, zu handln vnd 
zu disponiren, vnd sollen darauf obbemelte Personen alles bisher 
gefallene Almusengellt, welches par beyeinander ' oder in Schuldt- 
briefen vorhanden, zu iren Händen vnd in ir Verwahrung nemen, 
zwo starkhe vnd wolbeschlagene Truhen mit vnterschidlichen 
Schlüsseln machen lassen, vnd dieselbigen in ein gewarsamb Orth, 
es sey in der Stifftkhirchen, oder an welchem Orth sie es für rathsam 
vnd sicheristen zu sein befinden, behalten vnd verwaren, vnd die 
verbrifften vnd andere Schulden mit Ernst abfordern. 

Zum Andern, so sollen sie besundere claine eisene Trüheln, 
welche bey yederThür in der. Stifftkhirchen von beiden Seitten auf 
Stökh gesetzt vnd wol eingefast, machen lassen, welche Trüheln mit 
drey vnterschidlichen Gesperren wol verwart, ein Yeder einen Schlissl 
darzu haben vnd dieselbigen clainen Casten alle acht Tag durch sie 
auffgespert, das Gellt ordenlich in Beysein eines Predicanten gezelt, 
vnd dauon der dritte Theil, inmassen von allen Almusengeföllen, 
absünderlich gezelt vnd derselbig dritte Thail in die eine grosse 
Truhen gelegt, die andern zwey Thail auch insonderheit in die 
andere Truhen gelegt vnd behalten, vnd mit Ausstheillung solchs 
Almusen soll es also gehalten werden. 

Aus der Truhen, alda der dritte Thail der Almusen hingelegt, 
soll allain zur Vnterhaltung der armen Schueller, welche bey diser 
einer ers. Landsch. Schuel ir Lehrnung suechen vnd die Vnterhaltung 
nit haben khünnen, in welchem Faal vnd wie Solchs zum Pessten 
vnd Nützlichsten Alles angestelt khan werden, sollen sie yederzeit 
mit dem rectori scholce vnd dem conrectori guette Correspondenz 



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133 



halten, damit es nit vmbsonst, vnd denen, so etwa mehr des Vmb- 
sterzens als Lehraung halber sich vmbstraiffen, gegeben, sundern da 
ime oeconomo wöchentlich dauon etwas zuegestelt, vnd er den armen 
Schuellern, deren Namen alle beschriben, vnd auf dieselbigen guette 
Achtung gegeben soll werden, ein Suppen oder praebendam, oder 
wo nit mehr, jedoch ein Yeden ein Stückhl Prot dargebe, item nach 
Gelegenhait der Geföll die armen nackheten Khnaben, deren Vleiss 
gespürt wirdt, mit Claidungen versehen lassen, oder wan etwa sunsten 
frembde Bruedter vnd Schueller, die des Almusen bedürfftig, alheer 
khämen, das sie denselben nach Gelegenheit der Person vnd nach 
Rath des Pastors oder der andern Predicanten vnd des rectoris scholce 
distribuiren. 

Dan so sollen sie aus der andern Truhen, darin die zwey 
Theil Geföll das Almusen eingelegt, die Aussspendung nachuolgen- 
der Gestalt thuen, nemblich das sie nit wie bisheer one allen Vnter- 
schiedt der Petler aussthailen, dan die Jhenigen one das in des Fürsten 
Spital alhie mit täglicher Speiss vnd Trankh reichlich versehen, die 
sind solchs Almusen nit bedürfitig. Gleichfals sind vill Petler, welche 
alhie im Burgerspitall auch ir tägliche NotturfTt haben, denen soll 
aus disem Almusen nichts gegeben (werden), es sey dan Sach, das 
sie ire Notturfft im Spital nit haben khünnen, dan sich lautter befindt, 
das dieselbigen, welche one das ir Vnterhaltung haben, den andern 
Armen vnd sunderlich den haussarmen Leutten das Prot vor dem 
Maul abschneiden, vnd diselbigen hernach nur zum vberflüssigen 
Trunckh geraizt, vnd das empfangene Almusengellt bey den Wirtten 
vertrinckhen, in welchen Fall dan die eleemosynari mit dem Burger- 
maister vnd Spitlmaister alhie auch guette Correspondenz (halten), 
vnd das sunderlich ein Petlrichter gehalten vnd von ime guetter 
Bericht genuemmen werde. 

Sie sollen auch alle Sundtag den recht Armen vnd Dürfftigen, 
wie sie es dan befinden, nach Gelegenhait der Zeit ausspenden, ent- 
weder in Gellt, Brot oder Fleisch, wie sy es für nützlich vnd den 
Armen vnd Dürfftigen ersprieslicher zu sein erachten, doch den 
starkhen und gesundten Petlern oder sonst den Vmblauffern nichts 
geben, dardurch sie in irer Faulkhait nit gesterkht vnd gehait werden. 

Sie sollen auch dem pastori oder Predicanten, also auch khainen 
Andern auf die Handt wochenlich khain Gellt geben, sundern do 
sich arme dürfftige Personen bey innen anmelden, mügen der Pastor 



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134 



oder (die) Predicanten denselben ein Zetl an der Eleemosinarien Einen 
schreiben, vnd was sie vermainen zu geben, auf dieselbige Zedl die 
Ausgab thuen, doch in alvveeg vnd alsvil müglich ordenliche Rait- 
tung vber Empfang vnd Ausgab halten, mit Specificierung aller vnd 
yeder Ausgaben vnd der Personen, welche(n) extraordinarie also das 
Almusen wirdt gereicht vnd gegeben. 

Sie mügen auch vnter innen Einen allain die ordinari Ausgaben, 
doch was sie obgehörter Massen nach Gelegenhait der Zeit als vill 
sich thuen last, moderirt vnd eingezogen werden, verrichten lassen, 
vnd was sie an disen allen GefÖllen mit der Ausgab ersparen khünnen, 
dasselbig Alles in den baiden Truhen als einen sundern Khirchen 
vnd Schuel Schatz zu fürfallender Noth vleissig vnd treulich aufheben, 
damit volgundts in Fall fürfallender grösserer Noth des Hungers 
oder Sterbs den armen Dürfftigen allenthalben zeitliche Fürsehung 
beschehen mag. 

Denselbigen Vorrath in Gellt sollen sie one Vorwissen des 
Herrn pastoris vnd seiner Mitcollegen, also auch des rectoris vnd 
cotirectoris nit ausleihen, im Fall aber gewisse Personen, welche der 
Bezallung gnuegsam vnd gewiss, ein Darlehen auf ein khurze Zeit 
begereten, oder sunst haussarmen Leütten auf gnuegsamb Fürpfandt 
geholffen möchte werden, sollen sie den Dürfftigen nit lassen, auch 
von denen, die es gern vnd wol thuen mügen, ein Ergetzligkhait 
oder Verehrung, es sey von Traidt oder Weitz begeren, und solchs 
Alles zu Auspendung der Armen nutzlich anwenden. 

Sie sollen auch alle Sundtag bey der Khirchen die Aussspen- 
dung zu thuen nit vnterlassen, vnd sunderlich damit die Armen zu 
Anhörung des götlichen Worts vnd zu der Erkhentnus Gottes ge- 
bracht werden, vnd mag Solches jederzeit zu des cathecistni oder 
Vesperpredig beschehen, darbey dan Einer aus den Predicanten auch 
sein solle, doch darauf guet Achtung geben, das die Petler nit mehr 
ires ClefTens*) vor der Khirchen vnd auf die Gab warten vnd alss- 
baldt weitter lauffen, als das sie die Predig mit Vleiss anhören vnd 
einen Eifer darbei erzeigen solten. 

Der haussarmen Leütte sollen sie in alweg wol wahrnemen und 
derselbigen khaineswegs vergessen, vnd einem Jeden nach Gelegen- 
hait der Zeit vnd Person mittheillen. 



') Verächtlich sprechen, unehrbar reden. Schindler 3, 353. 



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135 



Ob sie auch nit Alle zugleich bey der ordinari Aussspendung 
am Sundtag sein khünnen, so sollen es die Andern oder auch nur 
Einer aus innen in Beysein eines diaconi oder des Cappelmeisters 
vleissig verrichten, also auch wo Einer, welchen die extraordinari 
Ausgaben zuuerrichten beuolhen, nit zugegen oder seine MithelfTer 
nit baldt khan erreichen, so soll er yederzeit einen Andern solchs 
treulich zuuerrichten beuelhen, vnd der Predicanten Zetln, darauf 
die Ausgaben besehenen, auch andere dergleichen Possten ordent- 
lich vnd speeifice eintragen lassen. 

Vnd was sie nun in Einem vnd dem Andern selbst befinden 
vnd warnemen, was zu trewer vnd ordentlicher Auspendung des 
Almusengeföls oder zu Ersparung desselben vonnötten, oder wie 
etwa den armen DürfTtigen vnd zu Erhaltung der Khirchen vnd 
Schnellen dassselbig zu pessten Nutz angelegt mag werden, das sollen 
sie irem Verstandt vnd dem in ir Person gestehen Vertrawen nach 
zuthuen vnd ftirzunemen nit vnterlassen, vnd hierinen yederzeit des 
Herrn pastoris vnd seiner Collegen, also auch des rectoris vnd con- 
rectoris Rath phlegen, vnd volgundts zu Ausgang yedes Jars ir or- 
dentliche Raittung schriftlich obbemelten Personen, darzu dan die 
Herrn Verordenten auch Jemanden yederzeit verordnen werden, 
vbergeben. 

Wan auch nach Gelegenheit der Zeit die Geföll stokhen vnd dar- 
durch Mangl erscheinen wurde, sollen sie einer ers. Landsch. Pastorn 
vnd seine collegas erinnern, das sie iren Ambt nach die Zuhörer 
zu Erzaigung solches christlichen Werkhs vnd die Früchte des 
Glaubens am Tag zugeben ofienlich auf der Canzl mit allen Vmb- 
ständen vermanen, das man zu Erhaltung der Armen vnd dan der 
Schuellen, sunderlich die Reichen guetwillig vnd gern contribuiren 
wollen, wan sie auch zu den Khrankhen vnd Sterbenden beruefft 
werden, sie dahin anzuhalten, das sie dieses christlichen Werkh nit 
vergessen, sundern nach dem Vermügen ein Summa Gelts oder an- 
ders guetwillig darzu stifTten vnd vertestiren wolten, damit also das 
liebe Ministerium vnd die christlichen Schuellen desto mehr erhalten 
khünnen werden. 

In Vrkhundt haben wir obbemelten Personen dise Instruction 
mit vnnsern fürgedrukhten Pedtschadten geferttigt zuegestült. Actum 
Grätz, den ersten Tag July, Anno im 74ten. 

* 

Jahrbuch des Protestantismus 1SS2. JQ 



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V 



XIII. 

„Circulare, ddo. 31. Augusti 1752, in Religionssachen", 

erlassen von dem Präsidenten und den Rathen 
der k. k. Repräsentantenkammer des Herzogthums Steyer. 

(Vgl. Jahrbuch 1880, S. 120.) 
Mitgetheilt von Lic. Dr. GUSTAV TRAUTENBERGER. 

Wir Präsident und Räthe der Kayserl. Königl. Repräsentation, 
und Cammer des Herzogthums Steyer: 

Entbieten allen, und jeden Geistlich- und weltlichen Obrigkeiten, 
deren Vierteln Judenburg, Ennss- und Paltenthal, was Standes, und 
Würde selbe seynd, wie auch dererselben nachgesetzten Verwalteren, 
und Beamten Unsern respectivc Gruss, und Dienst in guten Willen 
zuvor, und geben denenselben hiemit zu vernehmen : Wie weit das 
Übel der Irr-Lehre in obbenannten Orthen hervorgebrochen, ein 
solches ist ohnehin jedermann bekannt, und die erst neuerlich vor- 
genommene mühesame Untersuchung hat bewiesen, dass eben dises 
Unheyl an gar vilen Orthen annoch verborgen lige, einfolglich bey 
verweilenden Hülfs-Mitteln eine noch weitere Ansteckung der gesund- 
Christlichen Heerde zu befahren stehe. 

Diese leydige Beschaffenheit tringet Ihrer Kayserlich-Königl. 
Majestät um so tieffer zu Gemüth, da Sie nichtes mehrer wünschen, 
als Ihre getreueste Unterthanen an Seel und Leib in vergnügtem 
Wohlstand zu sehen, auch zu eben diesem Ende Ihre ohnermüdete 
Sorgfalt dahin richten, damit die alleinig-seeligmachende Catholische 
Religion durchaus in ihrer unverfälschten Reinigkeit erhalten, hier- 
durch der Seegen GOttes um so mehrer herbeygezogen, und denen 
verderblichen Folgen, die aus einer längern Nachsicht erwachsen 
könten, in Zeiten vorgebeuget werde. 



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137 



Das zarteste Mitleyden, so Ihre Kayserl. Königl. Majestät mit 
jenen tragen, so aus blosser Unwissenheit abgefallen, und von 
Ubel-gesinnten verleitet worden, veranlasset Allerhöchst-Dieselbe 
solche Anordnungen zu machen, wordurch einerseits diese verirrte 
Schäflein durch die sanfteste Weege anwiderum zuruckgeleitet, die 
Gutgläubige gestärcket, und sonderlich die nachwachsende Jugend 
von aller Irr-Lehre gereiniget; andererseits aber jene mit empfind- 
lichster Bestrafung angesehen werden, welche sich unterwinden, 
von der Catholischen Religion jemanden abzuwenden, oder sonsten 
etwas zu thun, was durch die Landes-Gesätze verbotten ist. 

Zu Erreichung nun dieses heylsamen Absehens seynd in allen 
Geziircken, wo einiger Verdacht obwaltet, gelehrt- und eyfrige 
Missionarii angestellt worden, welche nebst denen Pfarrlichen Seel- 
sorgern das Unkraut nach und nach mit Liebe und Sanftmut aus- 
zurotten, die Unwissende wohl zu unterrichten, und die YVanckende 
zu bevestigen ohnablasslich bemühet seyn werden. 

Damit aber dieses fromme Missions-Werck in eine standhafte 
Ordnung komme, und es denen ausgesetzten Priestern niemalen 
an Hülf und Beystand gebreche, ist für ohnumgänglich angesehen 
worden, die zu Anfangs ersagte Orthe in vier Districten zu zer- 
theilen, und in diesen Districten nebst einem Geistlichen Missions- 
Superiore zugleich einen weltlichen Commissarium durch seine 
beederseitige Gehörde zu ernennen, damit, gleichwie jener das 
geistliche Missions-Werck oberaufsichtlich besorget, und zu solchem 
Ende alle Missionarii seines Gezürcks an ihne angewiesen seynd. 
also auf gleiche Weise der weltliche Commissarius in eben diesem 
District eine frey-uneingeschränckte Hand habe, alles das vorzu- 
kehren, was die Umstände der Sachen erheischen, und denen aus- 
gegangenen Verordnungen, auch seiner mithabenden Instruction 
gemäss ist ; Wie dann das am Ende beygedruckte Schema*) weiset, 
wie sowohl die Missiones, als auch die darüber bestellte Geist- und 
weltliche Direction sich der Zeit eingeleitet befindet. 



*) Dieses dem Circulare beigefügte Schema, mit der Ueberschrift : „ Verzeichnuss deren 
Geistlichen Missionarien, wie solche im Herzogthnm Steyer zu Ausrottung des Irr- 
Glaubens eingetheilet worden", ist bereits vollständig abgedruckt im Jahrb. iSSo, 
S. 121 f. Daselbst ist S. 122, Z. 7 Ilelmreich statt Helmerich und Z. 13 Garzaroll statt 
Ganzaroll zu lesen. 

10* 



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138 



Solchemnach seyn dan eben diese vier weltliche Commissarios, 
welche von uns ohnmittelbar abhangen, alle Obrigkeiten, Beamte, 
und Unterthanen dergestalten angewiesen, dass sie alle Vorfallenheiten, 
so das Religions- Weesen betreffen, an selbe sogleich berichten, und 
ihre erlassende Verordnungen, gleich, als ob sie von dem Haupt- 
Consessu emanirten, in ohnverweilt genaue Vollziehung setzen sollen ; 
gestalten auch zu Gewinnung der Zeit, und Abschneidung des Um- 
weegs alljegliche Amt-Leuthe, Unterthanen, und Insassen bey ihnen 
Commissariis, als oft sie es verlangen, zu erscheinen, und alda 
ihre Aussagen williglich abzulegen haben. 

Und damit auch gegen jene, so einer Misshandlung in Reli- 
gions-Sachen verdächtig seynd, die Inquisition ohne Umschweif, und 
Verlängerung fordersamst könne abgeführet werden, ist der Aller- 
höchste Befehl, dass der Religions-Commissarius sothane Inquisitionem 
generalem (wann nicht sonderliche Bcdencken obwalten) selbsten vor- 
nehmen solte, daferne aber aus einschlagenden Umständen er diese 
zu bewürcken nicht vermögend wäre, so hat der Religions-Commis- 
sarius in solchem Fall Uns gleich die Anzeige zu thun, damit ein Land- 
Gerichts -Verwalter, oder andere beliebige Person zu Abführung der 
Inquisition benennet werden könnte, welcher Inquisitions-Commissarius 
sodann alle Unterthanen, so einige Zeugenschaft abzulegen haben, 
ohne sonst gewohnlicher Requisition vorforderen, und abhören möge. 

Wobey es keineswegs die Meinung hat, die Grund-Herrliche 
Rechten, und Gerechtigkeiten im geringsten zu benachtheiligen, sondern 
nur bey so gewaltiger Zerstreuung deren Unterthanen jenes zu be- 
fördern, was die Wohlfahrt des gantzen Landes ohnumgänglich er- 
forderet, und wird eben derohalben diese freye Gewalt, und Aucto- 
rität auf die alleinige Causas Religionis hiemit deutlich eingeschräncket. 

Es ist aber auch an allen diesen noch nicht genug, sondern 
zugleich nöthig, mit dem Priesterlichen Eyfer solche Mittel zu ver- 
einigen, welche zureichend seynd, die Quellen des Übels zu ver- 
stopfen, und sofort den ferneren Wachsthum desselben sorgfältigst 
zu verhüten: zuforderst aber, und 

Erstens beobachtet man, dass der eingerissene Irr-Glaube 
zwar noch von denen älteren Zeiten abstamme, seine Wurtzel aber 
mit deme ohngemein ausgebreitet habe, dass die Eltern ihre Kinder, 
und Dienst-Leuthe angestecket, diese aber ohne genügsame Be- 
forschung ihres Glaubens hin- und wider zu Unterthanen ange- 



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130 



nommen worden, und also aus einer Familia fast ohnzahibare Sprossen 
erwachsen seynd. 

Eben derohalben wirdet allen Herrschaften, und dererselben 
Verwalteren und Beamten mit Nachdruck anbefohlen : Dass sie keinen 
neuen Unterthan annehmen, oder zu einem Haus-Kauf zulassen sollen, 
er habe dann ehevor das schriftliche Zeugnuss von seinem Pfarrer 
beygebracht, dass sowohl er, als seine Ehewirthin, oder Braut der 
allein - seeligmachend - Römisch - Catholischen Religion mit Eyfer zu- 
gethan, und in selber wohl unterwiesen seye, gestalten im widrigen, 
und da sich äusserte, dass eine Herrschaft, oder derselben Beamter, 
diese heylsamste Vorsorg ausser Acht gelassen hätte, man denselben 
mit gehöriger Ahndung, ohne Nachsicht ansehen, ja nach gestalten 
Dingen die Verwaltere, und Beamte mit empfindlicher Geld- auch 
allenfals Leibs-Straf belegen, und auch eo ipso die Annehmung jenes 
Unterthans, der nicht gut Catholisch ist, aufheben, und cassiren 
wurde; so seynd auch 

Zweytens gar zahlreich-gut-Catholische Christen in diesem 
Land durch Erkaufif und Lesung lutherischer Bücher auf den Irr« 
Weeg gerathen, und von dem Gift der unreinen Lehre angestecket 
worden. Ob nun schon in vorhinigen Zeiten zu verschiedenen malen 
durch schärffeste Verordnungen denen Herrschaften, Obrigkeiten, 
und Beamten die disfällig genaue Obsicht aufgetragen worden, so 
ist doch selbe mit gehörigem Eyfer, und Ernst, wie es die Wich- 
tigkeit dieses Geschäfts erforderet, nicht bewürcket, sondern sogar 
unterlassen, oder aber mit vieler Lauigkeit, und also auch mit gar 
geringer Frucht angekehret worden. 

Es sollen dahero all- und jede Obrigkeiten, oder dererselben 
untergebene Verwaltere, und Beamte ihren Unterthanen und Inn- 
ieuthen Ernst-gemessen auftragen: dass selbe binnen vier Wochen 
alle bey Händen habend geistliche Bücher zu dero Pfarrer bringen, 
und auch in Zukunft derley neu-erkaurTenden Bücher demselben vor- 
weisen sollen, damit er in Folge des Befehls von der geistlichen 
Obrigkeit sothane Bücher genau einsehen, und untersuchen, die Ver- 
dächtige, oder offenbar Irr-Lehrige abnehmen, die ohnverdächtige 
aber mit seiner Handschrift, und Pettschaft bezeichen, und jeder 
Person anwiderumen zurückstellen solle. 

Im Fall aber nach Verlauff dieser vier Wochen, von Zeit 
der beschehenen Publication, und auch der von Seiten der Geist- 



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140 



lichkeit erfolgten Verkündung von denen Cantzlen zu rechnen ist, 
ein ohnbezeichnetes Buch bey jemanden erfunden wurde, hat der 
Eigenthumer, im Fall er bemittelt ist, für jedes derley Buch ein 
Straff von neun Gulden (wovon fünf Gulden dem Herrschafts-Ver- 
walter, oder Beamten, vier Gulden aber den Denuncianten zufallen 
sollen) zu erlegen: die ohnbemittelte, und Dienst-Leuthe hingegen 
nach Befund entweder secundum vires facultatis in Geld, oder in 
corpore eine Straff auszustehen, auch ein- und der andere bey öfterer 
Betrettung eine schärfere und ohnausbleiblich empfindlichere Straff, 
nach Beschaffenheit der Sache, und deren Umständen zu erwarten. 

Bey eben dieser Gelegenheit werden alle Verwaltere, und Be- 
amte mit Nachdruck ermahnet, im Folge derer oft widerholten Pa- 
tenten auf jene Leuthe, so die verbottene Bücher einschleppen, oder 
auch vergiftete Lehren auszustreuen suchen, mit verdoppelter Be- 
flissenheit nachzuforschen, sie in Betrettungs-Fall zu verhaften, und 
andurch, nebst dem Verdienst, so sie sich bey GOtt und der Ob- 
rigkeit erwerben, einer ausgebigen Belohnung gewärtig zu seyn. 
Uber dieses aber giebet 

Drittens die Erfahrung, dass gar viele Bauern, Innleuthe. 
und Dienst-Genosse, absonderlich aber jene, so des Lesens unkundig 
seynd, mit deme verführet werden, dass sie denen verbottenen un- 
catholischen Andachts- Versammlungen strafmässig beywohnen, anmit 
die Irr-Lehre an sich saugen, und da sie zur Lebens-Freyheit mehrer? 
geneigt seynd, mit vieler Halsstarrigkeit darauf beharren. 

Es haben demnach all- und jede Verwaltere, und Beamte die 
Conventicula ihren Unterthanen auf das schärfeste zu verbieten, und 
Falls sich jemand dergleichen zu halten erkünnete, selben dem welt- 
lichen Religions-Commissario anzuzeigen, wo sodann der Haus-Inn- 
haber, bey welchen derley Zusammenkunft, oder Andachts-Ver- 
sammlung gehalten worden, sogleich in Verhaft, und zu schweren 
Leibs-Straff gezogen, von all übrigen aber, so darbey erschienen, 
und zwar von jedem eine Geld-Buss von neun Gulden ohnnachlässlich 
eingefordert, und wie sub iipho 2do Erwehnung geschehen, in zwey 
Theil vertheilet werden solle. Um aber 

Viertens: das Übel aus der Wurzel zu heben, ist der Bedacht 
vor allen dahin zu nehmen, damit der zarten Jugend die Grund- 
Sätze des Catholischen Glaubens mit ohnausgesetzter Sorgfalt ein- 
geflösset, und andurch, wann auch das gegenwärtige Übel nicht 



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141 



aller Orthen auf einmal zu vertilgen ist, wenigst für die künftige 
Zeiten ein gut Catholisch-auferbäuliches Volck nachgezüglet werde. 

Man hat derohalben, so viel den Priesterlichen Eifer betrift, das 
nöthige mit der Geistlichkeit allschon verabredet; zumalen es aber 
ohnehin nicht an selber, sondern vielmehr an deme gebricht, dass 
viele Eltern, ohngeacht sie für das Seelen-Heyl ihrer Kinder am 
allerersten besorget seyn solten, sich dannoch hierinnen fahrlässig 
erweisen, selbe gar selten zur Christlichen Lehr schicken, noch 
auch auf andere Weise sie darinnen unterrichten lassen, ihr aber 
eueres Orths so viele Nachsicht hierinnen gebrauchet, und ob ihr 
schon mit Augen sehet, was grosse Seelen-Gefahr daraus erwachse, 
und was schwerer Verantwortung ihr durch solchen Langmuth bey 
GOTT und der Welt euch theilhaftig machet, dennoch mit dem 
behörigen Ernst nicht vorgehet, noch die Eltern zu deme verhaltet, 
was ihre wichtigste Schuldigkeit mit sich bringet, und woran dem 
gemeinen Weesen so vieles gelegen ist. 

Als werdet ihr bey eueren schweren Pflichten darob seyn, und 
alle euch untergebene Unterthanen, und Innsassen dahin mit Nachdruck 
anweisen, dass sie ihre Kinder entweders zu denen Schulmeistern, 
oder doch wenigstens zur Christlichen Lehre in die nächst gelegene 
GOttes-Häuser ohnausbleiblich schicken, und derohalben beglaubte 
Zeugnussen denen Pfarrern von Jahr zu Jahr beybringen; Wie im 
widrigen Wir gegen euch als hinlässige Beamte, da hierunter die 
Ehre GOttes, und das Heyl so vieler Seelen, ja der Grund-Stein 
dieser gantzen Verfassung waltet, mit schwerer Animadversion, nach 
Beschaffenheit deren Umständen verfahren würden. Damit aber die 
Schulmeistere selbsten ihre Obliegenheit desto gewisser erfüllen, 
und denen Pfarrern, worunter sie gehören, den schuldigen Gehorsam 
leisten, so wollen Ihro Kayserl. Königl. Majestät, dass alle Schul- 
meistere im Land in derley pur geistlichen Sachen (wie die Christen- 
Lehr ist) von dem alleinigen Pfarrer abhangen, auch wann sie von 
ihrem Unfleiss über widerholte Ermahnung nicht abstehen, oder 
de haeresi verdächtig, oder sonsten eines ohnerbaulichen Wandels 
wären, auf des Pfarrers Verlangen sogleich geänderet werden sollen. 

Wonebst eine jegliche Herrschaft, gleichwie auch der Pfarrer 
denen Schulmeistern mitzugeben hat, dass sie bey wohl empfind- 
licher Straff keinem armen Kind, soviel die Christliche Lehr betrift, 
den Zutritt versagen: sondern dieselbe aus Liebe GOttes in dem 



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142 



Glauben umsonst unterrichten, und hierinnen keine Mühe, Fleiss, oder 
Arbeit spahren sollen. 

Und gleichwie die in denen abseitig- und von denen Pfarr- 
Höfen entfernten Orthen heimlich errichtete, und sogenannte Winckel- 
Schulen aus mehreren Beweg-Ursachen bereits verbotten, und ernst- 
lich abgestellet worden seynd, also hat es dabey sein ohnab- 
änderliches Verbleiben, und wirdet solchemnach niemand sich unter 
schwerer Verantwortung, und Bestraffung unterstehen, eine Schul 
ohne Vorwissen, und Approbation des Parochi loci zu errichten, 
oder zu gestatten, worauf die Jurisdicenten, und Pfarrere statte 
Obsicht zu tragen haben. So hat sich auch 

Fünftens schon mehrfältig ergeben, dass von einigen Herr- 
schafts-Verwälteren, und Beamten solche Amt-Leuthe aufgestellet 
worden, welche selbsten der Irr-Lehre ergeben waren, mithin das 
eingeschlichene Übel vielmehr verhelet, als entdecket, ja eben dises 
Amtsmannischen Gewalts zu Unterstütz- und Aneiferung ihrer 
Glaubens-Genossenen sich missbrauchet haben ; 

Welches dann zu befehlen Anlass giebet, dass alljegliche 
Herrschaften, und Obrigkeiten, sonderlich aber die Pfleger, und Ver- 
w ältere den Religions-Stand ihrer untergebenen Amt-Leuthen nach 
aller Thunlichkeit erforschen, und bey schwerer Bestraffung keinen bey 
seiner Amtsmann-Stelle gedulden, oder in Zukunft aufnehmen sollen, 
welcher nicht von seinem Seel-Sorger ein beglaubigtes Bezeugnuss 
beybringen wird, dass er der alleinig seeligmachend-Römisch-Catho- 
lischen Religion eifrig und ohne Verdacht zugethan, auch in selbem 
genugsam unterrichtet seye. Ein gleicher Missbrauch ist 

Sechstens mit deme eingerissen, dass in denen Gast-Schenck- 
Häusern, und Tafernen, besonders an denen Marckt-Tägen das zu- 
sammenkommende Volck öfters von Glaubens-Sachen sehr frey 
rede, und höchst gefährliche Lehr-Sätze aufwerfe, hierdurch aber 
viele Unwissende verführet, und zu allerhand Zank, und Thätigkeiten, 
die wider die gute Policey lauften, Anlass gegeben werde; Ihr 
werdet solchemnach gesamten Unterthanen, und beförderst denen 
Wirthen auf das schärfeste einbinden, dass jene weder auf öffentlichen 
Plätzen, noch auch in denen Gast-Häusern von Glaubens-Sachen 
das mindeste berühren, sondern sich dessen gäntzlichen enthalten, 
diese aber nicht gestatten sollen : dass in ihren Wirths- und Schänck- 
Stuben von dergleichen Dingen geredet, oder darüber Wort ge- 



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143 



wechselt werden, wie im widrigen Fall derjene Unterthan, so sich 
in dergleichen Gespräch eingelassen, eine Straff von einem Gulden, 
jener Wirth aber, so solches in seinem Gast-Haus gelitten, und nicht 
ohngesaumt der Obrigkeit angezeiget hätte, das quadruplum, folgbar 
vier Gulden zu erlegen gehalten, und dieses auch in Ansehung derer 
Commissarien, oder bestehen Aufsehern (welche auf öffentlichen 
Märckten die Obsorg haben) verstanden, die einbringende Straff 
aber nach der in §pho 2do erwehnten Norma vertheilet, da aber 
der Wirth einen derley Gespräch fuhrenden Unterthanen aus seiner 
Schänck-Stuben abschaffete, und solchen gehörig anzeigete, so solle 
in diesem Fall der einbringende Straff-Gulden dem Wirth gegeben 
werden. Es ist weiter, und 

Siebentens eine allgemeine Klag, zugleich aber ein denen 
ausgegangenen Generalien höchst widerstrebendes strafmässiges 
Beginnen, dass die nächtliche Mahlzeiten, und Wirths-Haus-Täntze 
dergestalt in die Späte getrieben, und zu einer solch-schändlichen 
Gewohnheit gebracht worden, dass fast kein Bauers-Mann seine 
Knechte und Dirnen zu Haus zu erhalten fähig ist. 

Jederman erkennet nun, wie weit durch derley ohneingeschränckte 
üble Freyheit denen Sünden, und der Sitten Verderbung Thür und 
Thor geöfnet, folglich auch zu jener Irr-Lehr, so ein freyes Leben 
zum Grund führet, der gerade Weeg gebahnet werde. 

Vielfältige, ja zahlreiche Patente seynd diesfalls von der Lands- 
Obrigkeit zu verschiedenen Zeiten wider diesen Unfug in dem Land 
publiciret, und unter andern den 9ten Febr. 1743, den 2ßten Jen. 
1745, und I2ten Decemb. 1747 durch gedruckte Patenten wider 
dieses Übel geeiferet, ja nicht nur alle spate Täntze, sondern auch 
die ärgerliche, und im Land sogenannte üblen Herkommens seyende 
Rummel-Täntze abgestellet, die Wirths-Haus-Zeit aber im Winter 
bis höchst zehn Uhr, im Sommer aber bis eilf Uhr den ersten Dec. 1750 
per Circulare vorgeschrieben worden. 

Man kan es also nicht änderst, als der strafmässigen Nachsicht 
derer Beamten zuschreiben, dass das Übel in dem vorigen Gang, 
die heylsame Verordnungen aber ausser der schuldigen Beobachtung 
geblieben, einfolglich, dass sie Beamte vielmehr auf den schnöden 
Nutzen, so einige Straf-G eider abgeworfen, als auf die so hochwich- 
tige Zucht, und Ehrbarkeit gesehen haben. 



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I 



144 



Dahero wirdet auch hiemit anbefohlen, dass ihr ob denen schon 
obgesagten Patenten genauest halten, hiemit die Gässel-Gehungen, 
Rauffereyen ex Condicto, die unartige, und ohnehrbare Rummel- 
Täntze, dann dass über die bestimmte Zeit hinausziehende Tantzen 
unter Pön-Fall zwölf Reichs-Thaller gäntzlichen abstellen, und denen 
Wirthen neuerdings auf das schärffeste verbiethen sollet, dass selbe 
in ihren Häusern weder über die bestimmte Zeit tantzen lassen, 
noch weniger die ohngebührliche Rummel -Täntze, oder andere ohn- 
artige Handlungen gestatten, sondern in derley Fällen die tantzende 
Leuthe, und Gäste abschaffen, bey nicht Verfangung dessen aber 
ein solches gleich den änderten Tag der Obrigkeit so gewiss an- 
zeigen, als im widrigen der Wirth im ersten Fall Patent-massig ge- 
straffet, und im andern Fall das Duplum zu zahlen angehalten, bey 
widerholter Bdtrettung aber mit empfindlicher Leibs-Straf beleget: 

Gleichermassen auch die Tantzende, oder in vorgemeldten Un- 
gebührnussen betrettende Personen solchergestalten abgestraffet, und 
wohl gar nach denen Umständen die ledige Bauren-Bursche unter die 
Soldaten gestossen, oder gleich denen ledigen Weibs-Personen in 
das Zucht-Haus gegeben, von obig-einbringenden Geld-Straffen aber 
ein Drittel dem Denuncianten behändiget, die übrige zwey Drittel 
aber zu milden Wercken verwendet werden sollen. 

Achtens, werden all- und jede Obrigkeiten darauf sehen, dass 
in dem Fall, wann ein Bauer abstürbe, und die Mutter des Glaubens 
halber beargwöhnet wäre, ihr die ohnmündige Kinder keinesweegs 
beygelassen : sondern vielmehr an ein- oder andere von ihrer Freund- 
schaft entfernete ohnverdächtige Oerther zu hüten, und eines ohn- 
tadelhaften Wandels belobten Leuthen in die Erziehung gegeben, 
falls aber einige dererselben schon etwas erwachsen wären, und einer 
vorläuffigen Unterrichtung bedärfen, solches dem Districtual-Religions- 
Commissario vorläuffig angezeiget,' und die Verordnung von seiner 
Behörde erwarthet werde; und weilen endlich, und 

Neuntens, die verbottene uncatholische Bücher grössern Theils 
durch muthwillige Landstreiffer, und hochst-gefährliche Emissarien 
eingeschleppet, andurch aber das Gift in alle Theil des Landes ge- 
flissentlich ausgestreuet wird, also ist auch dieser Quelle des Übels 
mit allem Ernst, und standhaft entgegen zu tretten. 

Und wirdet demnach allen Obrigkeiten, und Beamten gemessen 
auferleget, dass sie in Folge der bekannt-publicirten, leyder aber 



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145 



seithero ausser Acht gelassenen Sicherheits-Verfassung auf derley 
Missiggänger, und Landstreicher ihre Obsicht verdoppeln, selbe aller 
Orthen anhalten, und damit Patent-mässig verfahren sollen. 

Da nun diese bishero vorgeschriebene Maass-Reguln bloss allein 
zu Beförderung des Seelen-Heyls abzielen, zu welchem ohnehin ein 
jeder Glaubiger verbunden ist; 

Als versichert man sich, dass jegliche Obrigkeit, und derer- 
selben nachgesetzte Verwaltere, und Beamte deme gehorsamlich 
nachzuleben, und von jener Verantwortung, welche selbe sich durch 
dessen Vernachlässigung bey GOTT, und Ihrer Kayserlich-Königl. 
Majestät Unserer Allergnädigsten Landes-Fürstin, und Frauen, Frauen, 
auf den Hals ziehen würde, zu hüten, und pie ohnnachlässliche Straf 
zu vermeiden beeiferen werde. Grätz den 31. Augusti des I752sten 
Jahrs. 

Ernst Wilhelm Graf v. Schaf-gotsche, 

Reprsesentations- und Cammer- President. 

(L. S.) 

Per Caesareo-Regiam Repraesentationem, 
& Cameram Styriaj. 

Johann Carl Wolffgeil. 



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XIV. 



Aus Martin Boos' Leben. 

Mitgetheilt von J. SCHEUFFLER, Pfarrer in Lawalde (Sachsen). 

Unter den »Christlichen Geschichten*, welche Fr. Wölbling 
(Weissenfeis 1843) herausgegeben, sind einige enthalten, die sich auf 
Martin Boos beziehen, welcher, ein , Protestant in der katholischen 
Kirche*, längere Zeit (1799 — 1816) in Oberösterreich (seit 1806 zu 
Gallneukirchen bei Linz) als Pfarrer segensreich wirkte*). 

In jener Sammlung christlicher Geschichten wird Seite 347 mit 
der Ueberschrift ,Glaube und Werke* Folgendes erzählt: Ein 
Kleinhäusler, Michael, in der Gemeinde des berühmten Martin Boos 
trug viele Jahre lang das Verdammungsurtheil in seinem Gewissen 
herum. Er war dabei sonst überaus gottesdienstlich und allgemein 
als ein frommer und christlicher Mann bekannt. Um seine Unruhe 
wegzubringen, versuchte er dies und das. Er gab alle Jahre zwei 
Eimer Most, zwei Metzen Korn und die Hälfte von einem gemäste- 
ten Schweine den Armen. Er Hess auf seine Kosten Fastenpredigten 

*) Vgl. M. Boos, der Prediger der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Seine 
Selbstbiographie. Herausg. von J. Gossner. Leipz. 1826. Einen Auszug daraus gibt 
H. M. Lincke: M. Boos nach s. merkw. Leben, Wirken u. Leiden. Mit Boos' Bild 
u. einem Anhange. Leipz. 1837. — M. Boos, ein Pred. d. Gerechtigkeit, die vor Gott 
gilt. Nach s. Leben, Wirken u. Leiden dargestellt von F. W. Bodemann. (Sonntags- 
bibliothek, herausg, v. A. Rische, Bd. 6, H. 4.) Bielef. 1854. — M. Boos, Der lebend. 
Glaube an J. Chr., in Beispielen u. zwei Fastenpred. Basel 1820. — Sprüche d. Väter 
u. Weisen, ges. von M. Boos, herausg. von J. Gossner. Leipz. 1828. M. Boos' Pred. auf 
alle Sonn- u. Festtage im Jahre. Herausg. von J. Gossner. Berl. 1830 f. 2 Bde. — 
Gesammelte Briefe von, an u. über M. Boos nebst Auszügen aus s. Tagebüchern 
u. sonstigem schriftl. Nachlasse. Von F. W. Bode mann. Frankf. a. M. 1855. — Fr. 
Ahlfeld „Boos" in Herzog's Real-Encykl. f. protest. Th. u. K. Bd. 2. 1854. S. 304 ff. 
u. 2. Aufl. 1878. S. 560 ff. (ohne Angabe der Literatur). D. Red. 



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147 



halten und zahlte für sechs derselben 15 fl. Wenn ihn ein Frauen- 
zimmer bat, er möchte ihr uneheliches Kind annehmen und erziehen, 
so getraute er sich nicht so etwas abzuschlagen. Aber bei allen 
seinen vielen guten Werken behielt er sein unruhiges und verzagtes 
Gewissen. 

Da trug es sich zu, dass ihm zu gleicher Zeit ein Schwein ge- 
stohlen wurde und die andern krepirten und dass ihm Korn" und 
Obst in der Blüthe durch einen starken Reif umkam, so dass er 
nicht einmal für sich und seine angenommenen Kinder etwas hatte. 
Da ward er stutzig und studirend in seinen guten Werken, und kam 
am Sonntage zu seinem Pfarrer. ,Es ist mir,* fing er an, ,als hätte 
Gott an meinen guten Werken keinen Gefallen oder als wären meine 
guten Werke nicht gut. * , Die guten Werke,* versetzte Boos, , waren 
an und für sich recht und löblich; aber wenn du sie gethan hast, 
um dir die vor Gott geltende Gerechtigkeit, den Himmel und das 
ewige Leben zu verdienen, so ist's kein Wunder, dass dir heuer die 
guten Werke theils der Dieb, theils der Schinder, theils der Reif 
geholt hat.* Michael riss seine Augen bei dieser Rede weit auf. 
»Denke nur nach,* fuhr der Pfarrer fort, ,wie soll man sich den 
Himmel und die Seligkeit verdienen können? Da kämen ja die 
Reichen alle leicht in den Himmel und die Armen müssten um ihrer 
Armuth willen alle draussen bleiben.* Er las ihm sodann folgende 
Stellen aus dem Neuen Testamente vor: Joh. 3, 16 ff. 6, 40. Rom. 
13, 20 ff. Gal. 2, 16. Tit. 3, 5 ff. Dies Alles wollte den Aengstlichen 
noch nicht beruhigen. Endlich kam die Stelle Rom. 5, iS: , Wie also 
durch die Sünde eines Einzigen* u. s. w. Diese öffneten dem Michael 
die Augen. ,So,* sagte er, ,thaten wir also die vor Gott geltende 
Gerechtigkeit ebenso erben, wie wir die Sünde und Ungerechtigkeit 
von Adam erbten?* — Alle Angst war nun weg, er lobte und pries 
Gott, that seine guten Werke nun mit Freuden und so fleissig, als ob 
ihm das ewige Leben nicht geschenkt wäre um Christi willen, son- 
dern als ob er es verdienen müsste. 

Ferner Seite 541: „Gnadenstand*. 

Eine fromme und wohlthätige Braumeisterin und Wirthin in der 
Gemeinde des Martin Boos, die viele Kinder und einen Trunkenbold 
zum Manne hatte, kam nach dessen Tode einmal zum Pfarrer und 
dankte ihm unter Thränen für alle seine Predigten. Dieser merkte 
ihr im Gespräche die Unruhe des Herzens über ihre Sünden an ; und 



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148 



sie sprach es dann auch aus: „Ich bin einmal eine zu grosse Sün- 
derin, es ist nicht möglich, dass mir Gott Alles verzeihe* u. s. w. 
Als der Pfarrer ihr diesen Unglauben, der freilich bei Vielen für eine 
Tugend gilt, zur Sünde machte, erschrak sie. Boos zeigte ihr aus 
Gottes Worte, dass die Gerechtigkeit aus dem Glauben an Jesum 
Christum über Alle und in Alle wie ein Geschenk oder Erbtheil 
komme, und da sei kein Unterschied zwischen einer Bäuerin, einem 
Pfarrer und einem Mörder. Endlich sprach sie überzeugt unter vielen 
Thränen: »Ich kann nimmer anders, ich muss glauben,* und ging 
hin in Frieden. 

Aber diese Freude dauerte nur drei Tage. Am vierten kam 
sie ganz verzagt und sagte weinend: „Ach, ich habe meine Ruhe 
verloren! Aus ist's mit mir, ich werde kaum selig werden können.* 
„Warum denn nicht?* fragte der Pfarrer. „Ach weil ich eine Bäuerin, 
Wirthin, das Weib von einem Trunkenbolde und die Mutter von 
vielen Kindern bin ; ich habe der Zerstreuungen und Geschäfte allzu 
viel.* Der Pfarrer schöpfte daraus die Gewissheit, dass ihr Glaube 
der wahre gewesen sei, weil er so angefochten worden. „Frisch 
daran,* sprach er, „lass' den Muth nicht sinken. Wenn man nicht 
in Stunden an Christum glauben und selig werden könnte, so hätte 
Jesus nie befehlen können, dass man das Evangelium aller Welt und 
allen Creaturen predigen solle. Er hätte ausdrücklich sagen müssen : 
nur den Braumeistersleuten nicht, nur den Wirthsleuten nicht, u. s. \v., 
denn die können nicht glauben, haben nicht Zeit zum Seligwerden.' 
Durch diese und andere Vorstellungen ward die Frau wieder auf- 
gerichtet. Nur äusserte sie nachher öfters den Wunsch, ihre Kinder, 
ihr Brauhaus und ihre Wirthschaft verlassen und mit ihrem Glauben 
sich in die Einsamkeit ganz zurückziehen zu können. „Nichts,* sagte 
aber der Pfarrer, „bleib' du, wo dich Gott hingesetzt und zu glauben 
geweckt und berufen hat.* So ging sie jedesmal frisch und fröhlich 
ihre Wege und hatte die Freude, dass ihre Kinder und ihr Gesinde 
auch zum Glauben kamen. 

Endlich Seite 608: „Reich thum*. 

Als Martin Boos zu einem Löffelmacher „speisen* (mit dem 
heiligen Abendmahle) kam, lachte derselbe todtenblass ihm aus dem 
Bette entgegen. Der Pfarrer blieb unten am Bette stehen und sprach 
gerührt über diesen freundlichen Empfang: „Nun, das ist recht, dass 
du den grossen Gast Jesum Christum wie Zachäus mit Freuden auf- 



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141» 



nimmst.* Jetzt weinte er und sagte: Ja, Jesum will ich; wenn meine 
Augen ihn gesehen haben, so will ich wie Simeon gern sterben/ — 
, Löffelmacher, wenn wir Ihn haben, so sterben wir gar nicht, denn 
Er sagt : Ich bin die Auferstehung und das Leben ; wer an mich 
glaubt, stirbt nicht, ob er gleich auch stirbt." — Ja, das glaube 
ich auch, aber Sünden habe ich mehr als ich mein Lebtag Löffel 
•gemacht habe.* — ,Das thut nichts, weil du's erkennst, bekennst, 
bereust. Die nimmt Christus alle von dir weg und mit fort, denn 
Er nimmt die Sünden der ganzen Welt weg, und weil der Löffel- 
macher auch ein Stücklein von der Welt ist, so nimmt er auch 
Löffelmachers Sünden weg. Christus macht den barmherzigen Sama- 
riter an uns Allen* u. s. w. Der Löffelmacher weinte und sagte: 
Ja wahrhaftig, ich bin wohl der Mensch, der unter die Mörder fiel 
und jetzt voll Wunden daliegt, aber ich hoffe, dass sich Gott meiner 
erbarme.* , Zeige mir nur deine Wunden,* sagte der Pfarrer, Jm Namen 
Jesu heile ich sie dir alle zu.* Jetzt fing er mit vielen Thränen seine 
Beichte an, war aber so voll Zuversicht, dass er keines weiteren 
Trostes bedurfte. Acht Tage lang ging der Pfarrer täglich zu ihm, 
nicht um ihn zu trösten, sondern um bei ihm Glauben und Trost 
zu holen; denn er war voll Trostes, er tröstete sein Weib, seine 
Kinder, seine Schwester und Nachbarn, so dass Alle um sein Kranken- 
bett sein wollten. Nach acht Tagen kam zwar eine Woche voll An- 
fechtung und Trostlosigkeit; aber die drei letzten Tage blieb er bis 
zum Ende voll Zuversicht und voll Liebe und Trost. Sein Kranken- 
bett und Tod war für die ganze Nachbarschaft überaus rührend und 
erbaulich. Alles sagte: Ach, wenn ich nur sterben könnte wie der 
Löffelmacher! 



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XV. 

Unser erster Zweigverein und unsere erste Ausstellung. 

Von Brünn ging seinerzeit die erste Anregung zur Gründung 
unserer Gesellschaft aus, in Brünn constituirte sich jüngst, kurz vor 
den Festtagen daselbst, unser erster Zweigverein (der , mährische') 
auf Grund der in unserem Jahrbuch (II, 138 — 141) veröffentlichten 
Statuten. Das erste Lebenszeichen dieses im Interesse unserer Sache 
mit Freuden begrüssten und zur Nachahmung wärmstens empfohlenen 
mährischen Zweigvereins unserer Gesellschaft war die Veranstaltung 
einer historischen Ausstellung, anlässlich der 20. Jahresversammlung 
des österreichischen Hauptvereins der Gustav-Adolf-Stiftung, welche 
am 14. und 15. August d. J. in dem gastlichen Brünn tagte. Diese 
Ausstellung (die erste protestantische in Oesterreich) wurde daselbst 
am 15. August um 4 Uhr Nachmittags in den Localitäten des 
Franzensmuseums und der evang. Schule eröffnet und bot in 136 
Nummern viel des Interessanten und Sehenswerthen. Die aus- 
gestellten Gegenstände stammten aus den Sammlungen des Franzens- 
museums in Brünn, unserer historischen Gesellschaft in Wien und 
des Seniors Lic. Dr. Trautenberger ; auch die evang. Gemeinde Oels 
in Mähren und Senior Dr. Haase in Teschen hatten je ein Object 
beigestellt. 

Ausser Büchern, Manuscripten, Abbildungen und 
Münzen waren ausgestellt: eine steinerne Altarplatte mit kunstvoll 
eingeätzten Sprüchen der Lutherbibel, dem Apostolicum etc., ent- 
stammend einem evang. Gotteshause in Nikolsburg (16. Jahrhundert) : 
ein silberner und ein goldener Abendmahlskelch der mährischen 
Brüder, letzterer einst Eigenthum des kunstsinnigen Freiherrn 
Ladislaus Welen von 2ierotin auf Mährisch-Trübau ; die Functions- 
kette und der Prunkdegen des Landhauptmanns Carl von 2ierotin; 
Hussiten waffen (Morgensterne, Sensen, Dreschflegel etc.) und Schweden- 
waffen, letztere aus der Zeit der Belagerung Brünns zu Ende des 
dreissigjährigen Krieges ; der Pflug, mit welchem Kaiser Josef II. 



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151 



(gesegnet sei sein Andenken allezeit !) 1769 bei Slawikowitz ackerte ; 
der Kelch, aus welchem Tobias Kiessling den geheimen Protestanten 
in den österreichischen Alpen vor dem Toleranzpatent das h. Abend- 
mahl spendete, u. s. w. 

Von den ausgestellten Münzen nennen wir: eine auf den 
Religionsfrieden von Augsburg 1555, mährische Rebellenmünze 1620, 
auf Gustav Adolf 's Tod 1632, zur Erinnerung an Kaiser Josef den 
Pflüger 1769, zum dritten Reformations-Jubiläum 1817, ferner die viel- 
besprochene Toleranzdenkmünze, welche, seiner Zeit im ,Halte, 
was du hast* ausgeboten, dem Jubiläumsfonds nicht unwesentliche 
Beiträge lieferte. Auch die kleine goldene Verdienstmedaille, welche 
der evang. Schullehrer in Wels Mathias Trautenberger 1845 von 
Kaiser Ferdinand erhielt, ist erwähnenswerth, weil sie unseres 
Wissens die erste einem evang. Lehrer erwiesene Auszeichnung war. 

Unter den Abbildungen befanden sich zahlreiche Luther- 
porträts, Spottbilder auf das Papstthum und die Reformation aus 
dem 16. Jahrhundert, Porträts von Freunden und Gegnern (Carl von 
Zierotin, Comenius, Friedrich von der Pfalz sammt Gemalin, Slawata, 
Budowa, Drabitzky, Theobald der Historiker des Hussitenkrieges, 
Abraham a Sancta Clara, Paulus Heidelbergensis, David Strauss, 
Minister Schmerling, Prälat Zimmermann), von verdienten Männern 
Oesterreichs (wie Boos, Glatz, Wächter), besonders der evang. 
Gemeinde Brünn (Riecke, Andre\ Zeller, Dr. Stählin, Herring, Schöll, 
Zurhelle, Offermann, Schöller). Besonders hervorzuheben ist das 
grosse Oelbild des siegreichen Vertheidigers von Brünn gegen die 
Schweden, Raduit de Souches, eines convertirten Hugenotten aus 
La Rochelle, sodann eine zum Besten unserer Gesellschaft 
verkäufliche Photographie, darstellend den berühmten Führer 
der österreichischen evang. Exulanten in Nürnberg, Gallus Freiherrn 
zu Rägknitz, Herrn auf Berneck, St. Ulrich, Ober-Marburg und Ober- 
Kienberg (f im Exil in Nürnberg 1658), nach einem Stich von 
Sandrart's Künstlerhand*), sowie die Photographie eines sinn- und 
figurenreichen Tableau's: Kaiser Josef der Befreier (gesegnet sei 
sein Andenken allezeit!), mit dem Spruch Matth. 7, 19 darunter, — 
verkäuflich zum Besten des Kaiser Josef-Denkmals in 

*) Gallus Freiherr von Rägknitz, dessen Geschlecht heute noch in Baden blüht, 
wurde „der Exulanten Preis" genannt. Seine Biographie soll in einem der nächsten 
Hefte veröffentlicht werden. 

Jahrbuch des Protestantismus i88e. \\ 



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152 



Brünn. Nicht zu vergessen sind die Abbildungen verschiedener 
Brüderbethäuser (so in Eibenschitz, Ingrowitz) und evang. Kirchen 
(Brünn, Iglau, Znaim, Pozdcchov, Thening), endlich ein grosses 
symbolisches Bilderwerk, herausgegeben zum Jubiläum der Augs- 
burgischen Confession 1730. 

Von den ausgestellten Manuscripten nennen wir: Mar- 
tyrologium haereticum 1572, Choralbuch der Brüdergemeinde in 
Datschitz 1587, Religionsacten über den schlesischen Lutheranismus 
(von einem Renegaten, 7 Bände), Berichte des evang. Lehrers 
Lamprecht in Roitham an Tobias Kiessling (1801— 1809), biblische 
Psalmen in Umdichtungen von J. Th. Wehrenfennig in Gösau. 

Unter den zahlreichen exponirten Büchern befanden sich: 
Luthers Chronica 1551, Wittenberger Kirchenordnung 1559. die Witten- 
bergische Lutherbibel von 1541 und 1562, Luther's Werke Jena 1555 
(mit Originaleinbänden von 1559)» die Kralitzer Bibel von i$q6 und 
1613, evang. Agende von Niederösterreich 1572, evang. Agende von 
Oberösterreich 1617, Apologie der mährischen Brüder 1535, ein 
Tractat von Joh. Huss über die Verstorbenen 1587, Schriften gegen 
die mährischen Wiedertäufer 1603, für die Brüder 1613, für die auf- 
ständischen Stände Böhmens 1618 — 1620, Werke des Arnos Comenius, 
Theobald's Hussitenkrieg 1621, Postille des evang. Pfarrers Zamrsky 
in Troppau 1592, evang. Kirchengesänge 1606 (bei geheimen 
Protestanten in Zauchtel fortgeerbt), Werke über die salzburgische 
Emigration u. s. w. Unter den Druckwerken ist auch zu erwähnen 
die erste verlässliche Landkarte Mährens von Arnos Comenius 
(,dabam in exilio*), gewidmet dem Freiherrn Ladislaus W T elen von 
Zierotin ,Patrono meo*, mit Abbildungen der Städte Brünn, Olmütz, 
Znaim und Polna, sowie der Originaldruck des Toleranzpatents von 
Linz und Brünn 1781. 

Indem wir den wackeren Männern, welche diese erste historische 
Ausstellung in Brünn veranstalteten, Dank und Anerkennung aus- 
sprechen, geben wir dem Doppelwunsche Ausdruck, dass sich auch 
in den anderen Kronländern ähnliche Zweigvereine unserer Gesell- 
schaft bilden mögen, und dass dieselben, dem guten Beispiele 
der mährischen Hauptstadt folgend, beflissen seien, alljährlich in 
Verbindung mit der Versammlung des Gustav-Adolf-Zweigvereins 
ihres Landes oder des österreichischen Hauptvereins eine historische 
Ausstellung zu veranstalten. 



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Zur Nachricht. 



Se. Erlaucht der Graf und Herr von Giech auf Thurnau bei Kulmbach in 
Baiern hat das in seinem Besitz befindliche Porträt des berühmten österreichischen 
Exulanten Gallus Freiherrn zu Rägknitz (f in Nürnberg 1658) dem Central- 
vorstande unserer historischen Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Das Porträt ist von 
der Meisterhand Sandrart's ausgeführt und zeigt das Brustbild des Freiherrn in künst- 
lerischer Umrahmung; vier Medaillons tragen nebst entsprechenden Abbildungen die 
Inschriften : 

Geh nur davon, 
Sey fromm für mir, 
Gib Armen hier, 
Ich bin dein Lohn. 

Damit correspondirend besagt die Unterschrift mit Beziehung auf 1. Mos. 12: 

Geh aus deinem Vaterland, und lass deiner Freundschaft Band, 
Wandle für mir und sey fromm, dass mein Segen zu dir komm. 
Ich, ich bin dein Heil und Schild, weil du bist den Armen mild. 
Ich bin dein sehr grosser Lohn, und gib dir die Himmelskron. 

Der Centraivorstand hat eine gelungene Photographie dieses Porträts anfertigen 
lassen, welche im Archiv unserer Gesellschaft (Wien, I. Dorotheergasse 16) ä I fl. 
-u haben ist. 



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XVI 



Die Schulordnung von Loosdorf*). 

Mitgetheilt von Dr. C. A. WITZ. 

Jedermann weiss, dass die segensreiche Wirkung der Reformation 
sich allenthalben auch auf die Schule ausgedehnt hat. In Oesterreich 
ist es nicht anders gewesen. Das niedere wie das höhere Schul- 
wesen fand in der protestantischen Kirche unserer Lande die treueste 
Pflege, die kräftigste Förderung. Die meisten Schulen ersterer Kate- 
gorie waren in Niederösterreich protestantisch und das höhere Schul- 
wesen erfreute sich seitens der evangelischen Bürger und Stände 
einer noch kräftigeren Unterstützung. Unter diesen Mittelschulen, 
deren es in Wien und in Niederösterreich mehrere gab, waren von 
Bedeutung die adelige Landschaftsschule der Stände in Wien und 
die Gymnasien in Feldsberg, Krems, Horn und Loosdorf. 

Die ansehnlichste jedoch war die von Loosdorf bei Melk. 

Von Christoph Freiherrn zu Losenstein auf Schallaburg und 
Weissenborn, k. k. Hofrath und Hatschierhauptmann, im Jahre 1524 
gegründet, wurde sie erst nach dessen Tode durch seinen Sohn 
Hanns Wilhelm (f 1601) eröffnet, erfreute sich aber gleich darauf eines 
bedeutenden und wohlverdienten Rufes, — leider nur auf kurze Zeit, 
denn der dreissigjährige Krieg machte ihr ein allzurasches Ende. Als 
die Schlösser der Protestanten verwüstet wurden und auch Loosdorf 
der Plünderung nicht entging, scheint das Gymnasium aufgehoben 



*) Vgl. J. Keiblinger über das Gymnasium in Loosdorf, in Hormayr's Archiv 

1827. Nr. 97—99. P a g- 5*9 ff - 

Hormayr's Taschenbuch 1829, pag. 210. 

Dr. A. Ho ra witz: Das Loosdorfer Gymnasium. Aus dem Schulleben Oester- 
reichs im XVI. Jahrhundert. (Berliner Zeitschrift für das Gymnasialwesen. Bd. XXIII, 
pag. 625.) 

Dr. Anton Mayer: Geschichte der geistigen Cultur in Niederösterreich von 
der ältesten Zeit bis in die Gegenwart. — Wien 1878, pag. 96. 

Jahrbuch des Protestantismu» 1882. 12 



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154 



und der katholischen Lehre wieder die Alleinherrschaft eingeräumt 
worden zu sein — wenigstens hört man seit jener Zeit nichts mehr 
von der dortigen Schule. 

Nur eines ist uns erhalten geblieben, nämlich die Loosdorfischc 
Schulordnung, welche als Manuscript im Benedictiner-Kloster Melk 
aufbewahrt wird und von demselben dem emsigen und unermüd- 
lichen Sammler Fr. Preidel, in Abschrift, zur Verfügung gestellt 
worden ist. Diese Statuten wurden 1574 zu Augsburg bei Valentin 
Schönningk ad portam S. Virginis veröffentlicht, sind aber gedruckt 
nicht mehr zu haben. Wenigstens haben wir uns, gestützt auf die 
Behauptung des Herrn Dr. A. Mayer, dass dieselben , jetzt nur mehr 
— also doch — in wenigen Exemplaren vorhanden* seien, alle 
Mühe gegeben, nach denselben im In- und Auslande zu fahnden : es 
war umsonst. 

Die Veröffentlichung dieser auf Sturm und Trotzendorf sowie 
auf dem württembergischen Organisationsentwurf von 1559 und der 
lutherischen Visitation basirten Schulordnung wird daher nicht blos 
den Freunden protestantischen Unterrichtswesens, sondern überhaupt 
allen Schulfreunden willkommen sein. Es gebührt ihr nämlich wegen 
ihrer für jene Zeit beachte nswerthen Grundsätze und wegen des 
milden und wahrhaft pädagogischen Geistes, der sie durchweht, auch 
jetzt noch ein hervorragender Platz, denn >in ihr begegnen wir — 
wie richtig bemerkt worden ist — Forderungen an den Lehrer, die 
heute noch hie und da nur fromme Wünsche sind; und die Erkennt 
niss der Nothwendigkeit einer Schulordnung, die Bedeutung de> 
Lehrstandes, die strengen Anforderungen an den moralischen 
Charakter, das W T issen, die Methode und den Fleiss des Lehrers sind 
derart, dass sie wohl in jeder modernen Pädagogik stehen könnten/ 

Lossdorffische Schulordnung 

Auff befelch dess Wolgeborn Herren, Herrn Hanns Wilhelmen. 
Herrn zu Losenstein vnnd Schallenburg etc. 

gesteh im Jar nach Christi Geburt MDLXXI1II. 

Vorrede an den Christlichen Leser. 
In dem Evangelisten Luca liset man am 7. Cap., wie das die 
fürnemcsten vnd Obristen der Juden den Hauptmann zu Capernaum, 
dessen Knecht der Herr Jesus gesundt gemacht, Math: 8, Sonderlich 
dem Herrn Christo darumb durch Fürbitt komendiret, vnd gerhümet, 



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155 



vnd der bewerten wolthat, den kranken knecht gesund zu machen, 
würdig geacht haben, dass er jnen, den Juden, eine Schule, darinnen 
sy das Gesetz Gottes vnd die Propheten lesen, predigen, erkleren, 
vnd lernen künden, erbawet hatte. Vnnd ist auch solches werck von 
mildigkeit des Heidnischen Hauptmanns vnd Regentens inn der 
warheit lobs vnd rhümenswerdt. Dann ja das ist, vnd sein soll, das 
furnembste Ampt der Weltlichen Regenten, sy sein hohes oder 
nidriges Stands, dass sy dem Künig der ehren, vnsern Herrn Jesu 
Christo, in jnen Herrschafften, sy sein gross oder klein, die Thor 
auffthuen, vnd denselben bey jnen einziehen vnd herbergen lassen, 
dass ist, dass sy nit allein schöne Stätte, veste Schlösser, vnd stat- 
liche Ratheuser bawen, vnd Fride, Gericht vnd Gerechtigkeit in zeit- 
lichen Sachen schützen vnd handhaben, vnd darfür Rent vnd Zinns, 
Robold, Stewr, Dienst, Ehr vnd gehorsam von den Unterthanen 
cmnemen, sonder auch Kirchen vnd Schulen auffrichten, vnnd mit 
Gottsfürchtigen personen, Lerern vnd Schulmeistern bestellen, vnd 
notturfftigklich vnterhalten, auch darob sein, das jre Unterthanen jre 
Kinder vnd Knaben, die zur lere geschickt sein, mit ernst in die 
Schulen, vnd zu den studiis literarum halten, vnd nit allein deutsche 
Register vnd Schuldbrieffe, den Pfenning damit zu gewinnen, lesen 
vnd schreiben lernen lassen, vnd, wie Lutherus schreibt, eitel Fress- 
ling vnd Sawferkel, die allein nach dem Futter trachten, aufziehen. 

Dann man in diser Welt zum Kirchenampt vnd Gottsdienst 
bedarff gelerte Pfarrherren, Prediger, Schulmeister vnd andere per- 
sonen, vnd erhelt Got sonderlich vmb der Kirchen vnd künftigen 
ewigen lebens willen dass Menschlich geschlecht, vnd die Regiment, 
vnd gibt den Eltern vernünftige Kinder vnd Leibs Erben, vnd be- 
scheret Getreid, Wein, Öl, Holtz, Silber und Gold, vnd alles anders 
was man zu disem zeitlichen Leben bedarff. Vnd lesst auch, wie 
Christus sagt, über Böse vnd Gottlose leute regnen, vnd seine Sonne 
auffgehen. Math: am 5. 

So müssen Keyser, Könige, Fürsten vnd Herrn, Stätte vnd 
Länder zu diesem zeitlichen Leben auch gelerte verstendige Kantzier, 
Räthe, Sekretarien, Schreyber, Amptleute, Pfleger, Schosser, Burger- 
meister, Richter vnd auch Schöppe haben, vnd ist kein Schloss noch 
Dorf so klein nicht dass eines Schreybers entperen kündte, vnd be- 
darff man im Haussstande auch vernünfftige, sitsame, Gottsfürchtige 
Burger, Haussvätter, Haussknecht, Factoren, Schaffner, vnd der- 

12» 



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15(5 



gleichen Diener, vnd kann man doch diese leute alle niergendt anders 
woher nemen, dann auss christlichen wölbest elten Schulen. 

Darumb Christlichen Regenten gebüret, für allen andern Dingen, 
auf Schulen vnd Kirchen zu sehen, das die recht bestellet vnd er- 
halten werden, wie sy dann auch dieser vrsachen halber furnemlich 
in der heiligen Schrift Götter, Psal: 82. Hirten, 2. Sam : 5. Esa: 44. 
Schilde der Erden, Psalm 47. Diener Gottes, Rom : 13. Pfleger vnd I 
Seugammen der Kirchen Christi, Esa : 49, genennet werden, vnd die 
heilige Könige David, Josaphat, Ezechiel, Josua, Constantinus Magnus, 
Carolus Magnus, vnd vil andere löbliche Fürsten vnd Herrn hierinnen 
fleissige vnd mildte Pfleger vnd Seugammen gewesen, vnd auch zum 
Theil mit herrlichen privilegiis die Kirch vnd Kirchendiener, hohen 
Schulen, derselben Professorn vnd andere studirende Personen, be- 
gnadet haben, welches alles darumb von jnen geschehen, dass sy ver 
standen, vnd in der That erfaren, dass der wäre Gotsdienst vnd 
gute Policey vnd Kirchenordnung one Christliche Schulen vnd Kinder- 
zucht nit mögen erhalten, vnnd aufT die nachkommen bracht werden, 
vnnd dass sy von Gott für andern Menschen zu solchen hohen 
Amptern vnd Digniteten eben darumb am meisten erhoben worden, 
dass neben zeitlichem Fride auch wäre lere von Gott, vnnd andern 
guten notwendigen kiinsten, vnd Sprachen durch sy erhalten, ge- 
schützet, geehret, vnd fortgepflanzt werde. 

Daher dann recht in einer österreichischen Chronica von Herzog 
Albrecht zu Österreich, den 3. diss namens, Herzog Ruprechts bruder 
geschriben und gelesen wird, dass er Gott zu lob, vnd dem heiligen 
Christlichen Glauben zur förderung, die Hohe Schul zu Wien als 
ein Brunnen der obristen Weisheit im 1384. Jar nach Christi 
Geburt gestifftet, vnd verpflanzet habe. Vnd der fromme Christliche 
Kayser Leo, der 1. diss namens, hat etlichen seinen Rähten, von 
denen er gestrafft wurd, dass er zu Kriechszeiten gelt vnd vnkosten 
auf Schulen vnd Schuldiener wendete, welches jres, der Rähte, be- 
dunkens, besser auf Kriechsleut angewendt wurd, wol vnd weisslich 
geantwortet : Er wollte wünschen, dass es vmb jn vnd seine Re- 
gierung also geschaffen wer, dass er alle Kriechskoste auf Kirchen 
vnd Schulen wenden möcht, vnd die vnverständigen Rähte mit dieser 
Antwort, das Christlichen Regenten vnd Oberkeit gebüre zu Fride 
vnd Kriegszeiten für allen andern Dingen auf Kirchen vnd Schulen 
zu sehen, dise notturfftigklich zu bestellen vnd zu versorgen. Welches 



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157 



dann auch der Wolgeborn Herr Herr Johann Wilhelm Herr zu 
Losenstein vnd Schallaburg etc., vnser gnediger Herr, Nachdem jn 
auch der liebe Gott nicht allein zu einem Regenten vnd Oberkeit 
verordnet, vnd jm Unterthanen zu regieren befohlen, sonder auch 
auss sonderlichen genaden zu waren erkenntnus seines heiligen 
Evangelii von Christo hat kommen lassen, jm zu grundt gezogen, 
vnd weil sonderlich seiner G. geliebter Herr Vatter (seliger) Christoff 
Herr zu Losenstein auff Schallaburg vnd Weissenburg, Rom : Kay : 
May: Hofraht und Hetzschir Hauptmann, die Kirche zu Loosdorf 
innhalt der Prophetischen vnd Apostolischen Schrifft, vnd nach dem 
Exempei Augspurgischer Confession verwandten Kirchen, vom Bäbsti- 
schen abgöttereyen vnnd missbrauchen Christlich zu reformiren vnd 
reynigen angefangen, auch ein Christenliche Schul daselbst anzu- 
richten in willns gewesen, aber durch den zeithchen Todt daran 
verhindert worden, vnd nun solch werck sampst den zeitlichen Güttern 
auf Wolermeldten Herren Johann Wilhelm Herr zu Losenstein vnd 
Schallaburg etc. geerbet worde, So haben G. sich desto mehr schuldig 
erkanndt, Gott zu gehorsamen vnd so viel derselben möglich, wol- 
ermeltes seiner G. geliebten Herrn Vatters (seligen) Christlichen 
Millen, Gott zu ehren, vnd seiner Kirchen vnd seiner G. armen 
Vnterthanen zum besten, zu volziehen. Hat demnach eine Schule in 
vorgenanntem Markt Lossdorf erbawt vnd gestifft, vnd mit Kirchen- 
vnd Schuldienern zur nottdurfft bestellet. 

Und weil menigklich nit vnbewust, dass an gütermass vnd 
Ordnung dieses falls sonderlich hoch und viel gelegen, vnd doch von 
den wenigsten Praeceptorn vnd Schulmeistern bedacht vnd ver- 
standen wirdt, jr vil auch sehr eigensinnig sein, vnd jhres gefailens 
Schulen regiren vnd die Knaben vnterrichten wollen, wie vergelert 
vnd vnerfaren sy auch etwan selbst sein, zum theyl auch (wie böse 
Köche mehr kochen was den Gesten wolschmeckt, dann gesund vnd 
heilsam ist), der vnverstendigen Jugend zu schädlichen gefallen, mehr 
lesen vnd zu lernen furtragen was jr schmeckt vnd liebet, dann 
nöthig, nutz vnd heilsam ist, vnd also viel geschieht, das Seneca 
sagt vnnd klagt : Necessaria igtwramus, quia non necessaria diseimus : 
So hat seine G. disen vnd andern vnraht, sovil müglich, zeitlich zu 
begegnen, mit gutem raht, vnd bedacht, diese Christliche Schul- 
ordnung stellen vnd drucken lassen, welcher nicht allein die jetzigen, 
sondern auch zu jeder Zeit gegenwärtige vnd künfftige Schuldiener 



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158 



in allen punkten Christlich vnd getrewlich geleben, vnd auss eigenem 
gutdünken dawider nichts handien noch flirnemen, noch sich jres 
gefallens der Jugend lectiones vnd autores zu proponiren, vnd zu 
verendern unterstehen sollen. Wie dann auch der Pfarrherr allzeit 
selbst darauff achtung haben, vnd da von dem Schulmeister oder 
andern Collegis darwider gehandelt, oder derselben vnfleissig nach- 
gegangen wurde, dessen wie billig sy anreden, endern vnd straffen 
vnd seiner G. als dem Oberherrn anzeigen, welcher dann gebürlich 
(doch niemand anders ausser seiner G. Herrschafft hiermit nichts 
vorgeschrieben) darob zu halten, vnd was zu erweiterung vnd ge- 
deilichen auffnemen obernennter Schulen dienen und von nöthen 
sein wirdt, durch Gottes genade, an jr nichts erwinden zu lassen ent- 
schlossen. 

Doch mit dem beding, dass seine G. als Lehen, Stifft vnd Ober- 
herr, diese zum anfang gestellete Schulordnung nach nothdurfft vnd 
gelegenheit der sachen, mit Gotsgelerter vnd Schulverstendiger leut 
guten raht Christlich zu verbesseren, mindern vnd mehren, jr gleich- 
wol allezeyt vorbehalten haben wolle, alles dem ewigen Got Vater, 
Son vnd heiligen Geist zu danckbarlichen gehorsam vnd ehrn, seiner 
betrübten Kirchen zum heyl vnd trost, vnd jrer G. armen unterthanen, 
vnd lieben Vatterland zu besten, der höflichen Zuversicht Christen 
werden, solchs seiner G. Christlich fürnemen nicht anders dann 
Christlich verstehn, vnd wo nicht mehr, doch mit Christlichen Gebet 
zu Gott befördern helffen, auf dass auch in ehegedachter jrer G. 
Schule dem lieben Gott aus dem munde der jungen Kinder vnd 
Säuglingen, zur Vertilgung seiner Feinde vnd der Rachgirigen, eine 
macht zugerichtet, Psal: 8, vnd junge Leute zu werck Christlicher 
ämpter zubereitet, Eph: 4. 6, vnd derselbig ewig Got sampt Sohn 
vnd heiligen Geist hie zeitlich von jnen vnd vilen Menschen recht 
erkennet, vnd angerurTen, vnd hernach ewigklich geehret, vnd ge- 
preiset werde. Amen. Actum zu LossdorfT und Schallaburgk in dem 
1574 Jar nach der Geburt Christi den 28. Aprilis. 

Kirchen- vnd Schuldiener zu LossdorrT. 



Das I. Capitel. 

Vom Ampt eines trewen Praeceptoris vnd Schulmeisters, worinnen das fürnemlich stehe. 

Ein Praeceptor, Schulmeister oder Schuldiener sein, vnd die jungen 
Knaben das Alphabet, vnd die Buchstaben kennen, vnd zusammen 



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159 



in die Syllaben setzen, vnd entlich recht lesen, schreiben vnd decli- 
nirn lernen, scheinet für der Welt ein gering, leicht vnd schlecht 
Kinderwerck sein. Aber wie gering es scheinet, so dienet es doch 
zu disen höchsten wercken. Erstlich, dass die Jugend den lieben 
Catechismum, vnd die heilige Schrifft lesen vnd verstehen, vnd 
daraus Gott recht erkennen, ehren vnd anrufifen lerne, mit der Zeit 
widerumb andere davon lernen können, vnd sampt jnen endtlich 
ewig selig werde. 

Zum andern, dass sy auch zu disem Zeitliche gute vnnd not- 
wendige Künsten, Sprachen und Sitten lerne, auff dass sy auch im 
Weltlichen Regimenten vnd Hausstande nutzliche Leut sein mögen. 
Vnd rhümet der heilige Provet Daniel diss Ampt so hoch, das er 
sagt, das trewe Lerer (der Kirchen und Schulen, so andere zur 
Gerechtigkeit unterweiset) inn dem ewigen Leben leuchten werden, 
wie des Himmels glänz vnd die Sternen. Dan : 12. Vnd Christus der 
ewig Sohn Gottes, unser einiger Heilandt sagt auch, dass er den 
geringsten Dienst so eines trewen Schulmeisters oder yemandt anders, 
mit leren geben, oder straffen, einer armen Schülerin, oder anderem 
Kinde inn seinen Namen vnd vmb seinetwegen erzeiget, belonen 
wolle, als wäre es jm selbs geschehen. Math: 18. 

Darumb soll ein Gottesfurchtiger Praeceptor oder Schulmeister 
sein Ampt nicht gering, sondern hoch vnd heilig achten, vnd worinnen 
dasselbe furnemlich stehe, vnd wie es fruchtbarlich zu verrichten in 
warer Furcht Gottes teglich mit Fleiss vnd Ernst betrachten. 

Es stehet aber solch Ampt kurz zu berüren, fürnemlichen in 
diesen vier Hauptpunkten: 

L In vera pietate cordis et vitae. 

II. Scientia vtilis et necessariae doctrinae. 

DL Prudentia seu modo informandi et gubernandi ingenia et 

studia puerorum. 
IUI. Philoponia vel sedulitate. 
Das Erste ist, das ein Praeceptor vnd Schulmeister für sein 
selbs eygen Person guten Grund, vnnd rechten Verstand haben sol, 
vnd muss warer Gotseligkeit und Christiichs Glaubens vnd keiner Ab- 
götterey, Ketzerey oder verfürischen Secten anhengig sein, auch 
sein ganzes Leben vnd Wandel also füren, dass er nach dem ernst- 
lichen Befelch Christi, Math: 18, andern leuten, vnd sonderlich seinen 
Discipulis vnnd armen jungen Kindern in Leer und Leben gute 



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160 



Exempel, vnd kein ergernuss gebe, vnd Gott vmb fruchtbar gedeihen 
seiner Institution teglich vnd ernstlich durch Christum anruffe. Dann 
wo keine wäre Demut, Forcht, vnd Anrufifung Gottes bei einem 
Praeceptore vnd Schulmeister ist, vnd dazu das leben, vnd die 
sitten leichtfertig vnd ergerlich sein, dessen kunst vnd Institution ist 
nicht vi! werth, wie gelert er auch jmmer sein mag, laut des 
Spruchs Salomonis Prouerb. 26: Ein spruch in eines Narren mundt 
ist wie ein Dornzweig der in eines trunken Hand sticht, Rom. 2: 
Nun lerest du andere, vnnd lerest dich selber nicht, etc., vnnd sollen 
auch Gottsfürchtige Eltern ja solchen Praeceptoribus jhre Kinder 
nicht vertrawen. 

Das ander stuck, so zum Ampt eines rechten Praeceptoris vnd 
Schulmeisters gehöret, ist Doctrina, Kunst und geschicklichkeit, dass 
ist, dass er auch seine lateinische vnd grichische, vnd Wolt Gott auch 
die Hebreische spräche, sampt andern guten künsten, als Gramma- 
tica, Dialectica, Rhetorica, Musica, Arithmetica, Astronomia, et 
Geometria, vnd was dennen anhengig, als Physica, Ethica, Historia, 
Poesis, etc. zimmlich wisse, verstehet und gelernet habe, oder so vil 
jm möglich, vnd zur Institution der jungen Knaben, auch zum Ende 
seiner Eygen Studien, sonderlich dienstlich, noch mit Fleiss vnd Ernst 
studire vnd lerne. 

Dann wie der alt Vers lautet, Quod vix parum nouit nemo 
docere potest, so kann vnd wirdt ein Praeceptor seine Discipulos 
nichts fruchtbarlichs leren können, er habe es dann zuvor selbs, für 
seyn eygen Person recht gelernet, vnd verstehe auch die Sachen 
grundtlich, vnd seind das nicht Praeceptores, sonder Deceptores, die 
Schulen vnd ehrliche ingenia zu leren und zu regiren vnterstehen, 
vnd selbs grobe vngeschickte Esel seind, vnd für jhr eygen Person 
von oberzäiten Sprachen vnd Künsten nichts grundlichs, noch frucht- 
barlichs gelernet, oder noch zu lernen begeren, vnd mit jhren 
Bachantischen leren die armen jungen Knaben der ganzen Kristen- 
heit zu schaden, merklich plagen, versäumen, aufhalten vnd vmbfliren, 
welches Gott auch selbs laut seiner Drawung, Math : 18, an jhnen 
gewiss nicht ungestraffet hingehen lassen wirdt. 

Das dritte Stuck, darinnen eines Praeceptoris vnd Schulmeisters 
ampt steht, ist Prudentia seu Methodus, dass ein Praeceptor mit ver- 
nünftiger discretion, verstandt, vnd Bescheidenheit sich gegen seine 
Discipulos zu erzeigen, vnd seine Institution vnd disciplin nach der- 



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161 



selben alter, ingenia, naturn vnnd Geschicklichkeit ordentlich vnd 
weisslich anzustellen, vnnd mit den wachsenden Jaren vnd zunehmen 
der Studirenden, per gradus vtilium et necessarianim lectionum et 
shtdiorum weisslich one ihr- vnd krumwege zu continuirn, zu endern, 
zu erheben, vnd zu vollstrecken, vnd imm straffen ein vätterlichen 
ernst, sanfftmut vnd unterscheid zu brauchen wisse. 

Vnd an diesem stuck ist in institutione et giibernatione puerorum 
et scholarum merklich hoch, vnnd viel gelegen, vnnd wirdt doch grosser 
Mangel gespüret, bey dem meisten theil der Schulen vom Praeceptorn 
vnd Schulmeister. Dann obschon ein Praeceptor Gotsfürchtig, fromb 
vnd gelert ist, vnd verstehet doch nicht, wo vnnd was in der 
Schulen vnd Institution zu heben vnd legen, was zu leren vnd 
lernen nöttig, oder vnnöttig, welches die nechsten mittel vnd wege 
sein diss oder jhenes zu leren vnd lernen, vnd wie schwachen vnd 
starcken Ingeniis zugleich zu dienen vnd fortzuhelfifen (nachdem in 
einer jeden Schulen die köpffe vnd Knaben sehr vngleich), will alle 
Schuche vber einen Leisten machen, vnd one vnterschied vnd 
Ordnung seines gefallens in den hauffen lesen, vnd lectiones proponirn, 
derselbige wirdt wenig nutz schaffen, vnd seine discipulos in studiis 
so schier hindern, als fordern. 

Darumb gehören sonderliche leut, sagt Lutherus, zu den Schul- 
meistern, vnnd hat der weyse König Philippus Gott gedanket, dass 
sein Son Alexander Magnus zu Aristotelis zeiten, dem er, als einem 
verstendigen Praeceptori sicher zu unterweysen, bevolhen werden 
kündte, geboren worden. Vnd sollen trewe Gottsfürchtige Praeceptores 
vnd Schulmeister hinrinnen auff sich selbs gut achtung geben, jhre 
Gaben vnd Gebrechen erkennen, vnd Gott vmb verstandt vnd 
Weissheit die Jugendt recht zu leren anruffen, vnd was sy dann 
nicht wissen noch verstehen, von gelertern vnd erfarnern zu er- 
lernen, oder auss derselben nutzlichen Büchern vnd Schulen mit 
Fleiss zu erkundigen vnbeschweret vnd vnverdrossen sein. 

Das vierte das letzte stuck, so zu eines trewen Schulmeisters 
vnd Praeceptoris ampt gehöret, ist Philoponia vel Sedulitas, dass ist 
dass auch ein Praeceptor vnd Schulmeister, omb Gottes, seiner 
Kirchen, vnd Gemeinen nutzes willen, trew, fleissig, arbeytsam, vnd 
unverdrossen sey, vnd an notwendigen leren, unterichten, straffen, 
vermanen, repetirn, inculcirn, der gehörten Lectionen, vnnd teglichen 
guten Übungen von Exercitüs nicht mangeln, sich auch nicht verdrissen 



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162 



lasse, eynerley ding vnd Lectiones mehrmals mit seinen discipulis, bis 
sy die wol fassen mügen, zu widerholen und in sy gleich einzublewen. 

Dann wo dass nicht geschieht, ist in acht tagen wol sovil ver- 
gessen, als man in acht Wochen lernet, wie dann auch der Heyde 
Epictetus gesagt: EtSivai xp*j> 5x1 0 " fö&ov oiy\nx r.xpxyvthht 
avO-pwTiq), d [L^ xafr' exaTcrjv i^uipav xä auxa xai U*(y t:;, xa: axourj, xal 
ajia xpöxo npb$ xiv ßtov. Das ist : Es ist nicht möglich, dass ein Mensch 
hohe Künste und leren recht fassen, vnd lernen kann, wenn man 
nicht täglich einerley ding mit einerley Worten treibt, vnd jhn ein- 
bildet vnd in stäter Übung brauchen leret vnd lernet. Vnd Menander 
sagt auch: Omnia negotia conficiuntur assidnitate. Vnd hat solches 
auch der heilige Apostel Paulus in seinen Schulen vnd Predigampt 
gethan, wie er selbs bekennet Philip: 3, mit disen Worten : Das ich 
euch, lieben Brüder, jmmer einerley schreibe, verdrisst* mich nicht, 
und macht euch um desto gewiser. 

Das II. Capitel. 

Von den abgeleiteten vnd vnderschiedenen Hauffen der Schulknaben so man Classes 
, nennet. 

Wey! die jungen Kinder vnd Knaben beides Alters, vmb der 
Ingenien vnnd Geschikligkeit halben, wie gesagt, sehr ungleich seyn. 
ist von nötten, dass dieselben mit sondern guten Bedacht des 
Praeceptoris in unterschiedliche Hauffen oder Classes abgetheilet, 
vnd einem jeden Hauffen seine gewise nutzliche vnd notwendige 
Studia vnd Lectiones zu lernen fürgegeben werden. Darumb sollen 
jetzt zum Anfang dieser Schulen die Knaben inn vier Classes 
getheilet werden, biss sich die mehren, vnd die Schule durch Gottes 
gnade wachsen möchte. 

Das III. Capitel. 

Von dem ersten Hauffen oder Classe. 

Der erste vnd unterste HaurTe seind die Alphabetarii, die das 
Alphabet vnd die Buchstaben kennen, in Syllaben zusammen, vnd 
lesen vnd schreiben lernen. 

Diser tegliche Studia seind: Betten, vnnd die Hauptstucke des 
Catechismi deutsch, one auslegung von syben bis aufT acht vhr vor- 
mittag auswendig lernen. Vnd die ander Stunde von acht bis aurt 
neun vhr die Buchstaben kennen, nennen und schreiben lernen. 

Solches kan am bequemsten geschehen, wann jnen der Praeceptor 
alle tag oder auch inn zweyen oder dreyen tagen nur einen Buch- 



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163 



staben auss dem für die Lossdorffische Schule getruckten A. B. C. 
Büchlein zeiget vnnd fiirsaget vnd alsdann auff eine schwarze oder 
grüne Tafel, ad formam impressarum literarum, mit kreiden fein 
reinlich fürmalet, vnd die jungen Knaben denselben auffs Papir, 
mit Feder vnd tinten, oder auf ein klein schwarz Schreibtäffelein 
auss dem gedruckten A. B. C. Büchlein (so fast am besten) oder 
von der Tafel recht vnnd reinlich nachmalen, vnnd nennen leret, 
Vnd wann sy dann denselbigen Buchstaben nennen vnd schreiben 
können, einen andern gleichfalls, bis sy alle Buchstaben des Alphabets 
vnterschiedlich ausreden, vnd Schreiben gelernet. Dergestalt kan ein 
redbar Kind von vier, funff oder sechs Jaren in wenig Wochen 
oder Monden alle Buchstaben des Alphabets kennen, nennen, vnd 
zimblich schreiben lernen, welches sonst in einem ganzen, ja auch 
wol inn zweyen oder inn dreyen Jaren kaum geschieht, vnnd kompt 
die Kinder auch darumb desto leichter an, dann sy one das gern 
malen, vnd schreiben, vnnd sonsten dieselbe zeit in der Schulen nichts 
zu thun haben. 

Nach mittag mag man sy die erste Stunde von zwölffen an 
mit den grössern Knaben vnd superioribus classibus etliche deutsche 
Psalmen singen lernen, oder da sy nichts zu singen haben, jnen 
fiirgegebene Buchstaben schreiben vnnd nachmalen, die ander halbe 
stunde aber dem Praeceptori zeigen vnd auffsagen lassen, vnnd als- 
dann jnen eine halbe Stund zu Hause erlauben, oder sonsten 
remissionem geben. 

Die letzte halbe oder ganze Stunde nachmittag sollen jnen 
zwey oder drey latina vocabula rerum, sampt dem deutschen, aus 
dem getruckten A. B. C. Büchlein ordentlich ausswendig zu lernen 
vnd inn gedechtnuss zu behalten fürgesagt, und alle Wochen aufif 
dem Freytag von jnen repedirt werden, ihr gedechtnuss damit zu 
üben vnd zu erwecken, vnnd damit sy desto lustiger vnnd williger 
in den Schullen sein,- möchte man sy vor mittags über zwo, vnd 
nach mittags gleichfalls über zwo Stunden nicht auffhalten. Vnd 
sonderlich den fleissigsten gleich als -zur belonung ires fleisses, biss 
weylenche, dann den andern aus der- Schulen zu Hause erlauben. 
Dann das etw.an solche zarte kleine Kinder drey oder vier ganzer 
Stunden nach einander sitzen, vnd zum lernen genöttiget werden, 
schafft wenig nutz, vnd ist jnen sehr beschwerlich vnd verdriesslich, 
vnnd auch jrer Leibs gesundheit nicht am zutreglichsten, vnd gilt die 



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164 



erfahrung selbs inn allen studiis vnd freyen Künsten, das man mit 
lust vnd liebe inn einer stunde so vil leret, vnd ausrichtet, als 
sonsten inn dreyen oder sechsen mit zwang, unlust geschieht. Vnd 
sagt Quintiiianus auch: Studium discendi consistit in voluntate, quae 
cogi non potest. 

Buchstabirn. 

Wann sy nun die einzelne Buchstaben des Alphabets alle vnter- 
schiedlich kennen vnd zu nennen wissen, soll man sy auch dieselbigen 
fein langksam inn den vocabulis rerum dess obgedachten Lossdorffi- 
schen Alphabets büchlein, vnd keinem andern lateinisch vnnd deutsch 
zusammensetzen leren. 

Lesen. 

Und wann sy dann solche einzele Lateinische vnd deutsche Wörter 
in jetzt gemeltem Alphabet büchlein mit einer, zweyen, dreyen vnd mer 
Syllaben buchstabirn, vnd allgemach lesen gelernet, ist der nechste 
wege, das man sy alsbald in das bei dem selbigen A.B. C. Büchlein 
getruckte deutsche gespräch, vnd von dannen indenDonat weyse, vnnd 
die Formas declinationum et coniugationum lesen, vnd deren gewönne 
lere, welches alles mit Knaben, die ein wenig ein Ingenium vnnd lust 
zum studiren haben, fast in einem Jar oder inn zweyen verrichtet 
werden kann, vnd kompt sy der anfang des lesens vom deutschen, 
dessen wort sy mehrertheils verstehen, vnd aus den formis decli- 
nationum et coniugationum Donati, da jmmer einerley wort mit ge- 
ringen verenderungen etlicher Syllaben widerholet werden, auch 
leichter vnnd sanffter an, dann von blossen vnbekannten Latein, 
vnnd gewonnen, also auch der formarum declinationum et coniuga- 
tionum, welche sy in volgender Classe ausswendig lernen müssen. 

Wann sy aber nun die angezeigten Lectiones diser ersten Classe 
als den deutschen Catechismum on ausslegung, deutsch vnd lateinisch 
fertig lesen, und zimmlich schreiben gelernet, so werden sy alsdann 
mit ehm in sollenni examine in die ander Gassen erhöhet. 

Das nil. Capitel. 

Von der andern Classe oder Häuften. 
In wellicher anderen Classe die Knaben ferner lernen, die erste 
Stunde vormittag, den kleinen Catechismum Lutheri sampt der auss- 
legung ausswendig, vnd sagen denselben fragweiss, je zwen vnnd 
zwen gegeneinander, inn beysein des Praeceptoris fein langsam vnd 
verstendlich auff. Die ander Stund des Montags, Erichtags und Mit- 



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165 



wochs schreiben sy lateinische Buchstaben vnd Gnomas, Pfinstags 
vnnd Freytags aber deutsche Schrifften. 

Die ander Stunde der ersten drey tage in der Wochen lernen 
sy auswendig die blossen Formas declinationum et coniugationum ex 
Donato, biss sy zu Hause gehen. Die anderen zwen tage aber wirdt 
jnen dieselbige stunde ein fein Gnome oder Prouerbium latinum auss 
dem Catone, Mimis, Publicanis, Adagiis Erasmi, Salomone, Syracide, 
Cicerone, vnnd dergleichen, erstlich mit zweyen alsdann mit dreyen, 
vier vnd mehr Wörtern, sammt den deutschen flirgeschriben, welche 
sy in ein besonder Büchlein fleissig vnd rein zusammenschreiben, 
oder jhnen schreiben lassen, und ausswendig lernen, und werden 
jnen auss denselben Dictis vocabula rerum, exempla declinationum 
et coniugationum, et formae latini sermonis dictirt, vnd fürgegeben, 
ob sy gleich die regulas grammaticas noch nicht gelernet. Der- 
gleichen dicta seind nun exempli gratia mit zweyen Worten: Deiwi 
time, Fürchte Gott, Parentes honora, Ehre deine Eltern, Festina 
lenk, Eyl mit weyl. Mit dreyen Worten: In vino veritas, Trunkene 
Leut reden gemeinigklich die Wahrheit, Pneros decet Silentium, Junge 
Knaben sollen nicht vil reden, Venter caret auribus, Der Bauch lest 
sich mit Worten nicht speysen. Mit vier Worten: Auaritia radix 
mnium malorum, Der Geitz ist ein Wurzl alles Übels, Magnum 
vectigal parsimonia est, Sparsam sein ist ein gross einkommen. Item 
Periodi, sententiose, mit zweyen oder dreyen Membris. Als: Euan- 
gelium est potentia Dei ad salutem omni credenti. Pieias habet pro- 
missiones huius et aetemae vitae. Adidatio blanda habet principia, sed 
c.idem exitus affert amarissimos etc. Affinnare de altero perictdosum, 
propter occultas hominum voluntates multiplicesqne naturas (Cicero), Es 
i<t gefehrlich etwas von einen andern zu sagen, darumb dass sich 
vil leute bergen können vnnd mancherley sinn vnd art haben. 

Solliche vnd dergleichen schöne Sprüche von Göttlicher lere, 
tilgenden vnd Untugenden, sollen die Knaben alle Wochen von An- 
fang repetirn, vnd auff den Freytag oder Sambstag auswendig sagen, 
dienen jhnen auch künfltigklich in vil wegen. 

Nach Mittag lernen sy bissweylen eine halbe Stunde deutsche 
Psalmen singen, zum Gottesdienst in der Kirchen, und die übrige halbe 
Stunde das Compendium Musices Heinrici Fabri mit der dritten Ciasse. 

Die ander stunde üben sy sich abermahls, wie oben gesagt, im 
lateinischen schreyben, vnd zeigen jhre Schrifften dem Praeceptori, 



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166 



der sy dann die Buchstaben, sampt den deutschen vnd lateinischen 
Zaalen oder Ziffern, recht formiren, und zu guter reinen vnd leser- 
lichen Handschrifft ge Wehnen solle. 

Die dritte stunde lernen sy täglich durch die wochen, einen 
jeden Tag acht oder mehr gute latina vocabula rerum, sampt dem 
deutschen, auss der getruckten Nomenclatura Martini Mylii ausswendig, 
.vnnd sagen die fragweiss gegen einander auff, wie vom Catechismo 
gemeldet. Und soll diss Studium darumb desto fleissiger getryben 
werden, dass es das Fundament ist latinae eloquentiae, vnd in den 
meisten Schulen gar negligirt oder ye sehr geringschätzig geachtet 
wird. Man möchte jhnen auch wol ein Stund oder zwo inn der 
wochen, wann sy fleissig declinirn vnnd coniugirn gelernet, die Re- 
gulas generales aus dem Compendio Grammaticae Medleri verdeutschen, 
vnd sy allgemach one sondern zwang auswendig lernen lassen. Vnd 
inn diser Classe soll ein Knab nicht über ein Jar auffgehalten werden, 
es were dann sach, dass er so gar ein grob ingenium hette, vnnd 
inn einem Jar solliche Lectiones nicht begreiffen noch lernen kündte. 

Das V. Capitel. 

Vom dritten Hauffen oder Classe. 

In dise Classen werden transformirt vnd angenommen die Knaben, 
welche den deutschen Catechismum Lutheri mit der ausslegung ge- 
lernet, wol lesen und schreiben, etliche hundert vocabula rerum latina, 
vnd feine lateinische Sprüche vnd Sprichwörter ausswendig wissen, 
vnd fertig declinirn vnd coniugirn können. 

Diesen solle der Praeceptor Montags, Erichtags vnnd Mitwochs 
frühe die erste Stunde zehn vocabula rerum auss obgedachter Nomen- 
clatura Mylii auss wendig lernen lassen vnnd recht pronuncirn leren. 

Die folgende drey Tag aber wird jhnen ein Locus Theologicus 
auss dem kleinen vnd deutschen Corpore doctrinae Matthaei Judicis 
mit Fleiss auss wendig zu lernen fürgegeben, biss auff die Antitheses 
vnd erzelung der Secten, welches Büchlein für vnd für in der Schulen, 
mit den obersten dreyen oder vier classibus, deutsch vnd nicht 
lateinisch getrieben vnd repetirt werden solle. 

Dann diss Büchlein zum bessern vnd gründlicheren verstandt 
des Catechismi Lutheri den Praeceptoribus vnd Discipulis sehr nutz- 
lich ist, weil sonderlich in demselbigen nit allein die Loci communes 
vnd Hauptartikel Christlicher lere auf den kleinen Catechismum 
Lutheri, und dieser widerumb auff jhene, die Locos, fein ordeniich 



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und einfeltig gerichtet, Sondern auch gute kurze Definitiones vnnd 
Discussiones locorum communium, sowie Kinder vnd junge Knaben 
leichter vnd fruchtbarlicher in deutscher dann in Lateinischer sprach 
lernen vnd fassen, vnd die auch denen, so mit der Zeit Prediger 
werden wollen, in vil weg nutz sein, begriffen. 

Die ander Stunde solle jhnen die bemeiden drey Tag das Com- 
pendium latinae grammaticae Nicolai Medleri, die volgende zwen 
tage aber die demselbigen Compendio anhangende Syntaxis vom 
Praeceptore mit guten verstandtlichen deutsch vnd Exemplis one 
Dictationes erkleret, vnd solch Compendium auffs wenigste des Jars 
dreymal hinausgelesen vnd von anfang widerum mit Fleiss repetirt 
werden, aufif das sy, die Knaben, auffs ehest ein Ideam der ganzen 
Grammatiken begreiffen, ob sy gleich nicht alle Regulas vnd Exempla 
auff ein negelein ausswendig wissen, und sonderlich zum ersten oder 
andern mal fassen vnd behalten können, die Übung und Exempel 
werden sy von Tag zu Tag dieselbigen besser verstehen leren, vnd 
.ihnen leichter machen. Vnd ist gewiss solche weyse die Grammaticam 
in allen sprachen zu leren, und lernen den Knaben vnnd Discipulis 
vil nutzlicher vnnd forderlicher, dann das man sy (wie vil geschieht) 
in Grammatiken vnd unnötigen Dictatis etlich Jar auffhalt, vnd in 
zweyen, dreyen. vier oder sechs Jaren kaum einmal die blossen 
grammatica praeeepta hinaussliset, oder lernen lesst, da man doch 
weder die Lateinische, noch Griechische, noch die Hebreische Sprachen 
auss den blossen grammaticis regulis lernen kann vnnd wird, sondern 
auss den Autoribus durch fleissiges Aufmerken vnd statte Übung 
(imitatiohe diligenti et exercitatione frequenti) am meisten gelernet 
werden müssen, one welche die nudae regulae nicht vil werth sein, 
wann man deren noch so viel hette, vnd zweinzig Jar mit einer 
Grammatiken zubrächte, wie man an vilen Knaben, Studenten und 
Schulen täglich gnügsam vnd mit grossen Schaden erferet, da mancher 
Praeceptor vnd Discipel vil Jar an den eilenden praeeeptis kawen 
vnd dann noch kaum drey Wort recht Lateinisch reden oder schrei- 
ben können. Vnd sagt Quintiiianus auch: Plus confert exercitatio 
citra artem, quam ars citra exercitationem. 

Wann sy aber nun diss klein Compendium vier oder sechs 
mahl von Anfang bis zum Ende auswendig gelernet, vnd die Partes 
Orationis vnd Regulas Etymologiae vnd Syntaxis wol verstehen 
vnd ins gedechtnuss gefasset haben vnd zu brauchen vnd applicirn 



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» • 



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wissen, alsdann solten jhnen in quarta Classe die notwendigen Prae- 
cepta, welliche in dem Compendio kürtze halben aussgelassen, auss 
der kleinen oder grössern Grammatica latina Philippi auch zu lernen 
fürgegeben werden. 

Die dritte stunde Montags vnd Erichtags werden jhnen die 
kleinen Epistolae Ciceronis, a Sturmio selectae, verdeutschet, vnd der 
nutz vnd brauch Regularum Grammaticarum et Syntaxis, sampt den 
vocabulis rerum vnd Phrasibus latini sermonis mit Fleiss angezeyget 
vnd aurTgeschryben vnd zu behalten kürtzlich ftirgedictirt. Dürften 
aber die Epistolas von wort zu wort nicht auswendig lernen, on was 
etwan feine Sprüche seind. 

Mittwoch hören sy die Bucolica Virgilii, Pfinstags vnd Freytags 
aber lernen sy die Elegantias Fabricii ex Cicerone auswendig. Vnnd 
am Sambstag das Griechisch Evangelium lesen vnd ein stücklein 
darauss exponirn. 

Nach Mittag. 

Die erste stunde Montags, Erichstags vnd Mitwochs hören sy 
das Compendium Musicae Heinrici Fabri, vnd werden inn singen 
geübt, vnd gehen Mitwochs nur zwo stunden inn die Schule. Die 
volgenden zwen tag aber lernen sy mit sampt der andern Classe die 
Species Arithmetices, auss eim kurtzen deutschen Rechenbüchlein, 
darauss sy auch diss Studium leichter ankompt, dann auss dem 
Latein. 

Die ander stunde Montags und Erichstags werden jhnen zwen 
oder drey gnomici versus aus dem Catone erkleret, vnd ausswendig 
zu lernen, und auff die Regulas Etymologiae, Syntaxis und Pro- 
sodiae zu accommodirn fürgegeben. 

Die Mitwoch aber von einem biss auff zwey vhr die Praecepta 
Prosodiae Fabricii oder Melanchthonis. 

AufT den Pfinstag und Freytag soll disen Knaben von ein biss 
auff zwey vhr das klein kurtz Strassburgisch Compendium Graecae 
linguae, Prima pars educationis puerilis genandt, von dem Schul- 
meister proponirt und ausswendig zu lernen fürgegeben, und auff das 
lengest inn fünflf Monaten hinauss gehandelt werden, damit sy all- 
gemach auch einen anfang in graecis literis lernen. Dazu sollen jnen 
auch, alsbald sy nur das Paradigma der ersten Declination gelemet, 
ein fein kurz Graecum Apophthegma oder Prouerbium von drey, vier, 
sechs vnd mehr Wörtern, als: eüyffc axai'a$ ot>x ivr^oog freo? histas 



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praeces cxaudit Deus, öüpvr^t; toO ÖeoO ^e^Qpxta Periurium abnegaüo 
Dei est, dvopyo: al cppive; |jfr/u>v Bonorum anitni placabiles : oder ein 
Sententz aus den Griechischen Zehen Geboten fürgeschuben vnd ver- 
dolmetscht vnd Exemplar declinationum et coniugationum simplicium 
daraus angezeigt werden, vnnd obschon contracta nomina oder 
verba inn solchen Sprüchen mit unterlauffen, soll man dannoch die 
Knaben dieselben ad normam quintae declinationis et sextae coniu- 
gationis simplicium flectirn lassen, damit sie die nudas formas sim- 
plicium declinationum et coniugationum wol lernen vnd in kopfif fassen 
vnd hernach die contractas vnd verba in Mi, vnd Regulas de for- 
mationibus casuum, modorum, temporum etc. desto leichtlicher aus 
dem secunda parte Argent. Grammaticae begreiffen mögen. Dann 
ausser diser sol kein ander Graeca Grammatica inn der Schule ge- 
braucht werden, man mag auch disen Knaben ein stücklein aus dem 
Griechischen Evangeliis Dominicalibus proponirn. 

Die dritte stunde Montags, Erichtags, Pfinstags, solle jhnen 
kurze deutsche Episteln, Fabellae oder Historiae, mit feinen kurzen 
unterschiedenen periodis vnd commatibus, vnd eigentlichen guten 
worten, ins Latein zu bringen oder aufs Papir dictirt und jhnen von 
dem Praeceptore die schwersten Latinae voces et phrases darzu an- 
gezeigt, vnd die Argumenten ins Praeceptoris gegenwart componirt, 
vnd alsbald, wo nicht allen, doch etlichen emendirt werden. Bis- 
weilen sol der Praeceptor ein kurtze, doch den Knaben unbekannte 
Epistolam, oder stucke davon, oder ein Historiolam vnd Narratiun- 
culam etc. ex Cicerone von wort zu wort wohl verdeutschen, von 
sy Lateinisch machen lassen, vnd also dann jhnen Ciceronis com- 
positionen zeigen, jre mängel darauss zu erkennen und zu bessern. 
Item ein versetzt Carmen wider inn seine rechte Ordnung bringen 
lassen. Biss weilen verdeutschen sy auch selbs etwas auss dem Latein, 
oder lernen einen deutschen Brieff, Supplication, Accusation, Defen- 
sion etc. auss dem sinn zu schreiben, darzu jhnen vnd den Prae- 
ceptoribus das deutsche Kanzley Büchlein vnnd die deutsche Rhetorica, 
item des Lutheri deutsche Brieff dienstlich sein können. Vnd ist nutz 
und nötig, dass man die Knaben von Jugendt auff auch zu dem 
deutschen Stylo vnd Orthographia, vnd guten reinen verständlichen 
deutschen Worten gewene, weil sy mit der Zeit inn Kirchen oder 
Regimenten deutsches Landes sich derselben sprach am meisten ge- 
brauchen müssen, vnnd eine grosse Zier vnnd tugendt an einem Men- 

Jahrbuch de» Proteslantiimui 188a. 13 



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sehen, vnnd sonderlich an einem Prediger vnd Regenten ist, auch inn 
gemeiner Landtspraach eigendtlich vnd verstendtlich, one weitleuffigkeit 
vnd umbschweiflfe von sachen reden vnd schreiben können, ob man 
schon sonst nicht sonderlich beredt ist. Wann dann nun die Knaben 
inn diser Classe vnd angezeigten Lectionibus wohl oder zimlich zu- 
genommen haben, sollen sy in Examine solenni in die höhere vierdte 
Classen transferirt werden. 

Das VI. Capitel. 
Von dem vierdten Hauffen oder Classe. 

In derselben sol jhnen die klein oder grosse Grammatica 
Philippi Melanchthonis latina, vnd secunda pars Educationis puerilis 
Argentinensis Graeca proponirt, vnd beyde inn einem halben Jar wider 
angefangen, vnd zum andern mal hinauss repetirt werden, welliches 
desto leichter geschehen kan, weil die Knaben die furnemsten vnd 
generalissima praeeepta bereyt zuvor auss den obberürten Com- 
pendiis gelernt haben, vnd inn den lengern Büchern nicht alle Exempel 
der Regulae so streng vnd stracks auswendig lernen dürffen, ist gnüg 
dass sy die furnemsten Regulas wissen, vnd auf ein jede ein Exempel, 
zwey oder drey, werden jhnen die Lectiones Autorum vnnd tegliche 
Übung selbs, wie auch oben gemeldet, Exempla genug geben, vnd 
die Regulas gemeiner und verstendiger machen, wo es nur die Prae- 
ceptores an jhrem Fleiss nicht manglen lassen. 

Es sollen aber zu einer jeden diser zweyen Lectionen Graecae 
vnnd Latinae Grammaticae wöchentlich zwo stunden genommen werden. 

Zum dritten, so werden diser Classi auch wöchentlich zwo 
Stund verdeutscht etliche Selectae Epistolae Ciceronis familiäres, 
vnnd zwo stunden ein kurtze Oratio Ciceronis oder De offieiis, ami- 
ettia, senectute vnd dergleichen , vnnd mögen jhnen auch in diser 
Lection die Tertiani bissweylen conjungirt werden. 

Vnd weil Cicero vnnd andere Latini Autores jungen Knaben 
am meisten vmb der Lateinischen Spraach willen proponirt werden, 
dass sy die recht oder ye nur zur notturfft verstehen, reden, vnd 
schreiben lernen, so soll der Praeceptor inn allen Latinis Lectionibus 
die Knaben sonderlich auff dise vier Punkten fleissig mercken heissen : 

Estlich, das sy lernen bona latina vocabula rerum et horum 
vim et usum. 

Zum andern, rechte Orthographiam vnd Syntaxin, nach den 
regulis grammaticis. 



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Zum dritten, gute gebräuchliche formas und phrases latini ser- 
monis. 

Zum vierten, Compositionem orationis, et periodorum, non 
horridam aut monstrosam, sed aequabilem et dilucidam, quae vel 
umbram saltem aliquam referat Ciceronianae compositionis, wie hievon 
in vilen Büchern Praeceptores vnd Discipel weyter bericht zu finden 
haben. 

Die Nomenclaturam Mylii soll dise Classis auff ein negelein 
per omnes locos auswendig wissen vnnd den Nomenclatorem Hadriani 
Jung, oder desselben Epitomen ab Adamo Sybero editam auch mit 
Fleiss perlustrirn, vnnd wöchentlich etliche Locos darauss den Prae- 
ceptoribus aufifsagen. Dann dise Büchlein vnd diss Studium dienen 
mercklich ad comparandam copiam bonorum verborum. 

Montags vnd Erichtags lernen sy die erste stunde vor mittag 
eine halbe stund lang von jhnen selbs ein stücklein auss dem kleinen 
Catechismo Lutheri Graeco, wie er mit vier Spraachen zu Witten- 
berg gedruckt, interpretirn. Die ander halbe stundt aber zeygt 
jhnen der Praeceptor die themata vnnd exempla Graecarum decli- 
nationum et coniugationum darauss, vnd lest sy die flectirn. 

Mittwochs und Pfinstags interpretirt jhnen der Praeceptor die- 
selbige stunde nur Grammatice ad literam einen Griechischen 
Evangelisten auss dem Newen Testament oder ein kurtze Epistolam 
Pauli als ad Timotheum, Titum, Philemonem etc. Vnnd solches der- 
gestalt, ' das er alle Monat auffs wenigste ein Kapitel hinaus lese, 
vnd auch neben der Sprachen vnd Grammatiken die furnembsten 
Hauptsprüche von Christlicher lere, Gesetz vnd Evangelio, den 
Knaben sonderlich mit Fleiss einbilde, vnd Deutsch oder Lateinisch 
auswendig lernen lasse. 

Dann junge Knaben vnd Gesellen aus dem Griechischen Newen 
Testament eben so wol Graecam linguam anfenglich sonderlich 
studiren können, als aus der Heyden Bücher, vnnd haben sie den 
grossen Vorteil dass sy dann noch den Griechischen Text des Newen 
Testaments etlicher Massen verstehen lernen (welchen leyder sonst 
vilhundert vermeinte Gelerten, Pfarrherrn und Prediger jr Lebenlang 
nicht ansehen oder einzusehen begeren). Vnnd werden also in Heiliger 
Schriefft von Jugend auff auch etwas bekannt. 

Doch mag der Praeceptor auch vmbwechseln, vnd wann er eine 
kurtze Epistolam Pauli hinausgelesen hat, so soll er alsdann jhnen 

13* 



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etwas aus den Heidnischen Scriptoribus darz wischen interpretirn, als 
Carmina Pythagorae, Phocylidis, Hesiodi, orationem Isocratis ad 
Demonicum, vnd dergleichen. 

Was das klein Corpus Doctrinae Judicis, Musicam vnd Arith- 
meticam belanget, hören vnd lernen sy dieselben Lectiones zu 
obbemeldten stunden mit den Tertianis. Desgleichen de Civilitate 
morum auch, vnd sollen mit fleiss inn diesen allen geübet werden. 

Vnd diser Classi sol auch wöchentlich zwo stunde proponirt 
werden ein kurz Compendium Dialecticae, vnd zwo stunden 
Rhetoricae, wie etwan solche Compendia Lossius vnd Nicolaus Medlenis 
für junge Knaben aus Philippo Melanchthone zusammengezogen 
haben, vnnd sollen jnen nur die nöttigsten Praecepta wol verdeutschet 
vnd one Dictationes mit feinen leichten vnd verstendlichen Exempeln 
erkleret, vnd aurT Tafeln oder Pappier fürgemalet werden. Als inn 
der Dialectica kan ein fleissiger verstendiger Praeceptor an einer 
Wandt oder Tafel mit fingern zeigen vnnd demonstrirn, was man 
hiesse, vnd nenne figuras, propositiones et terminos Syllogismorum. 
vnd wie sy ratione situs zu unterscheiden, vnd mag in praedicabilibus 
vnd praedicamentis vnd partibus Rhetoricae orationis (als Exordio, 
Narratione, Propositione, Confirmatione etc.) auch wol geschehen. 

Wie man dann fast auch in etlichen deutschen Kanzley Büchlein 
sol liehe deutsche Demonstrationes Exemplorum findet, vnnd in Er- 
klerung Orationum Ciceronis vnnd anderer Gelerten den Knaben auch 
kurz gewiesen werden sollen. 

Dann aufif dise weiyse lernen junge Knaben vil ehe, leichter 
vnd besser die Praecepta Dialectica vnnd Rhetorica verstehen, vnd 
im Reden vnnd schreiben brauchen vnnd imitirn, dann durch weit- 
leuffige Dictationes vnd unnutze Subtilitates, daweil auch dass dise 
Künste oder derselbigen prineipia den menschen von natur an- 
geboren, vnd nicht so schwer, als man etwan meinet, vnnd vnver- 
stendige ungeübte Praeceptores dieselben mit jren ungereimpten 
schmirn vnd dictirn vilmahls selbst machen. 

Vnnd dise Compendia Dialectica vnd Rhetorica sollen gleichfalls 
alle halbe Jar aufs wenigste einmal hinaussgelesen werden. 

Was dann die Knaben das erste mal nicht fassen, das werden 
sy dass ander oder dritte mal lernen nach dem Sprichwort: Dies 
diem docet, Ein tag leret den andern. Vnd muss ein Praeceptor stets 
für Augen haben das praeeeptum Horatii: Quicquid praeeipies esto 



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173 



brems, vnd die kurtze Zeit unsers mühseligen lebens, vnd die 
grosse menge vnd weitleufigkeit viler schwerer künste, Sprachen vnd 
Sachen, die wir zu leren und lernen haben, bedenken, und mit 
>onderlicher fürsichtigkeit vnd Delectu allzeit das nöttigste dem un- 
nöttigen fiirziehen vnd von tag zu tag etwas wenigs davon gleich 
ais. durch einen engen Trichter den Knaben eintröpflein, ungeacht 
diss bissweylen auch etwas nebenhintreufft, und abschauset. dass sich 
mit der zeit widerrindet. 

Insonderheit muss ein Praeceptor sich hütten, dass er inn den 
Capitibus Grammatices, Dialectices vnd Rhetorices die Praecepta 
vnd Regulas mit keinem wort verendern, oder heut dise, morgen 
eine andere Grammaticam, Dialecticam, Rhetoricam, den Knaben 
furgebe, wie jr vil tun, dann solches ist den Knaben ein sehr grosse 
Hinderung inn jhren studiis, darumb wann auch frembde Knaben 
auss anderen Schulen ankommen, die etwan andere Grammaticos 
iibellos gelemet, dann in der Lossdorffischen Schule gebräuchlich, 
so sollen die Praeceptores dieselbigen Regulas zeigen, vnd darauss 
repetirn, vnnd auftragen lassen. 

Dann was für schaden, vnnd Hinderung es dem Knaben bringet, 
die auss einer Schule inn die andere ziehen, vnnd etwan inn einer 
jeden, oder von einem jeden Praeceptore ein newe Grammaticam, 
Dialecticum oder Rhetoricam etc. lernen müssen, dass bezeugt die 
erfarung, vnnd wird zum öfftern von vilen feinen leuten, wann sy 
erwachsen, mit ungedult vnd betrübnis beklaget. 

Poetae. 

Poetarum Lectionum kan nyemandt entrabten, der was redlichs 
in linguis et bonis artibus zu studiren gedenckt. Darumb hören dise 
Knaben Mittwochs mit den Tertianis Bucolica Virgilii, vnd ain 
ander besondere stund allein Libros Aeneidos, oder ein feine 
Odam, Epistolam oder Satyram Horatii, Carmen Prudentii oder 
Psalterium Georgii Buchananii, inn welchem sonderlich neben Gött- 
licher lere auch allerley Genera Carminum mit schönen guten Latei- 
nischen worten, Phrasibus vnd Figuris Poeticis zu finden, vnnd mag 
mann jnen ex Fabricii sacris poematibus bissweilen auch etwas 
proponirn. Dessgleichen librum quartum Rudimentorum Cosmogra- 
phicorum Ioanrtis Honteri propter variarum rcrum nomcnclaturas. 
Den Terentium mögen sy selbs lesen, vnd bissweilen eine Scenam 
oder Actum mit einander agirn. 



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174 



Historiae. 

Sie sollen auch wöchentlich auffs wenigste eine stunde lang 
hören, vnd ausswendig lernen, ein kurz Latinum Compendium 
Historicum ex Philippi Funccii und Anderer Chronicis zusammen- 
tragen, darinnen neben ordendtlicher Jarzeit nur die fürnemsten Haupt- 
sachen, so sich von Anfang der Welt biss auff dise Zeit inn der 
Kirchen und weltlichen Regimenten vnd Monarchiis zugetragen, inn 
kurtzen wenig worten entworffen sein sollen. Und mag mann sy 
auch priuatim, für sich selbs, das Chronicon Charionis, oder Philippi, 
deutsch oder lateinisch lesen lassen. 

Stylus. 

Zum Stylo vnd exercitiis scribendi et loquendi müssen dise 
Knaben für anderen mit Fleiss gehalten werden, vnd teglich auffs 
wenigst ein halbe oder ganze Stundt entweder etwas aus dem 
deutschen oder Griechischen inns Latein transferirn, oder nach den 
praeceptis Rhetoricae, so sy gehöret, deklinirn, oder ein Versslein 
oder zwey componirn, oder versetzte Versus wider inn jhre rechte 
Ordnung bringen, oder etliche Carmina in solutam orationem resolvirn, 
oder inn ein ander Genus carminis permutirn, oder, wie oben gemeldet, 
auss dem sinn einen deutschen Brieff, Supplication, Accusation etc. 
richten. Wie von disen vnd dergleichen Styli exercitiis die Praeceptores 
sonderlichen Camerarii Elementa Rhetoricae vnd dergleichen Bücher 
fleissig lesen vnd consultirn sollen. 

Insonderheit aber sollen alle Sontag diser Knaben einer ein 
viertel oder halbe stund lang ein lateinisch oder deutsch Declamatiun- 
culam oder sacram Contiunculam, in des Pfarrers vnd Praeceptoris 
gegenwart, recitirn, vnnd jnen darinnen pronuntiationis vnd andere 
vitia von den Praeceptoribus freundtlich angezeigt vnd abgewehnet 
werden. 

Das VII. Capitel. 
Von dem fiinfften Häuften oder Ciasse. 

Wo nun die Schule wüchse, vnd sich die Knaben mehreten, 
oder etliche Quartae Classis in bemeiden jren Lectionibus glücklich 
procedirt hetten, vnd lenger bei der Schulen verharren, vnd bleiben 
wurden, so möchte alsdann auch Quinta Classis constituirt werden, 
vnd jnen darinnen proponirt: 

I. Epistola Pauli Graeca ad Romanos, mit kurtzer ausslegung der 
disposition vnnd Ordnung sampt den fürnemsten Locis de pec- 



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175 



cato, lege Dei, de gratia et fide justificante, de bonis operibus, 
de Magistratu , Libertate Christiana, dazu dann einem 
Praeceptori Lutheri praefatio über dieselbe Epistel vnd Philippi 
Dispositio sonderlich nutz vnnd dienstlich. 

II. Augustana Confessio latine. 

III. Die ganze Dialectica Philippi Melanchthonis. 

IUI. Seine Rhetorica, mit den Annotationibus Crusii, darinnen 
nur die nöttigste jnen anzuzeigen vnd zu merken. 

V. Olynthiacae orationes Demosthenis, Homerus, Herodotus 
oder dergleichen Autores Graeci. 

VI. Orationes Ciceronis, Salustius, Commentarii Caesaris, Aeneis 
et Georgica Virgilii etc. 

VII. Compendium Physicum et Astronomicum Cornelii Valerii 
Vltraiectini. 

VIII. Compendium Hebreae linguae. 

IX. Libellus Philippi de Anima etc. — 
damit junge Knaben vnnd Gesellen bei Zeiten ein Ideam vnnd 
Conterfey iyx\jy.loKOL:odx; philosophicae vnd der nöttigsten Studien 
im sinn begreiffen vnnd anschawen mögen, ob sy gleich nicht alle 
dise Lectiones vnnd Disciplinas alsbald auff einmal ganz vnd vol- 
komlich verstehen, fassen oder lernen können, dienet jhnen dannoch 
darzu, dass sie etwas darvon behalten, mit der zeit darinnen fort- 
faren, vnnd wissen wo sy jre Studia hinrichten sollen, vnnd was für 
Lectiones, vnd Autores jnen am nöttigsten vnd nutzlichsten, darinnen 
sy auch, wann sy in höhere Schulen kommen, studirn, progredirn 
vnd perseuerirn sollen. Vnd wirdt armen jungen Gesellen, die nicht 
allzeit vnd an allen orten die gelegenheit haben solche Lectiones 
zu hören, oder auff hohe Schulen zu ziehen, oder auch inn einem ort 
vil Jar zu bleiben, Sonder auss not vnd armut halben sich an den 
particular Schulen gnügen lassen, vnd bald Schul- oder Kirchendienst 
annemmen müssen, auch hiermit gedienet. 

Das VIII. Capitel. 

Von der Lection der Heyligen Bibel vnd anderen Übungen der Gottseligkeit. 

Die Furcht des Herrn, sagt David vnd auch Salomon, ist der 
weissheit anfang. Vnd der Herr Christus unser aller Praeceptor gibt 
uns selbs dise güldene Regel, das Fundament in allen Sachen vnnd 
studiis recht vnnd glückselig zu legen, vnnd aufizubawen: Quaerite 
primum regnum dei et iustitiam eins, et caetera omnia adiicientur 



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vobis, Suchet am Ersten das Reich Gottes vnd seine Gerechtigkeit, 
so wirdt euch das ander alles zufallen. Math: am 6. Capitel. Vnd 
seind ja der Christen Schulen nicht allein umb Heydnischer kunst 
vnd Autorn, sondern am allermeisten vmb Gottesfurcht vnd Christ- 
licher lere willen auflfgerichtet vnd zu erhalten. 

Darumb soll allzeit, wann die Knaben in die Schul zusammen- 
kommen, der anfang mit Christlichen ernstlichen Gebet gemacht, 
vnd morgens frü, nach dem Gebet, in Versammlung aller Schul- 
knaben ein gantz oder halb Capitel, nachdem es kurtz oder lang ist, 
auss dem Alten Testament sampt Veyt Dieterichs Summarien, deutsch 
vnd fein langsam andechtig vnnd verständlich gelesen werden, vnnd 
die Praeceptores sampt den Knaben fleissig vnd still zuhören. 

Vmb neyn uhr, wann sy heim gehen wollen, singet man das 
Te deum laudamus, Bissweilen auch die Lateinisch vnd deutsch 
Litaney auss Lutheri Gesangbüchlein, oder das Symbolum Athanasii. 
oder einen deutschen oder lateinischen Psalmen Davids. Nach Mittag 
vmb zwölff vhr hebt man an mit den Veni sancte Spiritus, oder 
Veni creator spiritus, oder auch Symbolo Nicaeno, Credo in vnum 
Deum, auf!" dass die Knaben die Symbola Ecclesiae vnd dergleichen 
schöne Gesenge bey zeyten von Jugendt aurT kennen lernen. Vom 
Catechismo, kleinen Corpore Doctrinae Judicis vnd dergleichen ist 
oben in Sonderheit gesagt. 

Tegliche Vesper. 

Die Schule ist zunechst an der Kirchen gelegen, darumb sollen 
vermög der im Namen der zweyer Stende von Herren und Ritter- 
schafft im Ertzherzogthumb Österreich unter der Enns aussgegangenen 
Kirchenordnung teglich abends nach drey vhren kurtze gewenliche 
vnd Christliche Vesper gehalten, von einem Knaben ein stücklein 
auss der deutschen Bibel gelesen, vnd sy alsdann samptlich auss 
der Schulen zu Hauss gelassen werden. 

In dem Vespersingen aber brauche man sonderlich Lucae 
Lossii Psalmoniam, vndDoct: Georgii Maioris Psalmorum versionem 
latinam. 

Es sollen auch sonsten die Knaben gewenet werden inn den 
Kirchen bei den waren Gottesdiensten still, züchtig vnd andechtig 
zu sein, vnd auff die predigten zu merken, vnd etwas aus den- 
selben dem Praeceptori auszusagen, vnd die Praeceptores seibs 
auch den Knaben gute Exempel geben, vnd nicht in den Kirchen. 



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wie vil geschieht, lachen vnd plaudern, oder mit vnnzeytigen singen 
vnnd anstimmen die Kirchendiener oder andere Leute in predigen, 
lesen oder betten hindern vnd turbirn. Dann es inn der Kirchen 
Gottes alles ordentlich vnd ehrlich soll zugehen L Corinth: 14. Vnnd 
kann man Gotteswort vnnd Christliche Übungen desselben zu disen 
bösen letzten zeiten, vnd an disen orten sonderlich auch nicht so 
vil vnd woJ treyben vnd lernen, es thut noch vil mehr von nöten. 

Das IX. Capitel. 

Von den teglichen Repetitionibus vnd Examinibus. 

Sollen junge Kinder vnd Knaben dasjhenige, wass man jhnen 
zu lernen fiirgibt, fassen vnnd inn gedechtnuss behalten, so muss es 
inen, wie auch oben gedacht, ofift und vil, ja teglich widerholet, vnd 
gleichsam eingeblewet werden. 

Darumb soll die Praeceptores nicht verdrüessen, die Lectiones 
des vorrigen tags des andern oder folgenden alsbald mit fleiss 
wjderumb mit jhnen zu repetiren. 

Darzu dann auch sonderlich dienen die wöchentlichen Examina 
oder Censurn, welche auf den freytag nach mittag von einen biss 
autifdrey vhr fleissig gehalten werden sollen, inn welchen Examinibus 
die Knaben auss allen Lectionibus, die sie die wochen über gehöret 
vnd gelernet, ordentlich neben einander inn einem Cirkel gestellt 
befragt werden, vnd die fleissigen gelobet, die unfleissigen mit worten 
vnd bissweilen auch Rhüten vätterlich gestraffet werden. 

Es ist aber sonderlich des ausswendig lernens halber gute für- 
sichtigkeit von nöten, dann etliche Praeceptores plagen die Knaben 
all zu sehr mit unnöthigen vnd unnutzen ausswendig lernen der 
Epistolarum Ciceronis, Terentii, Virgilii, Psalterii, Eobani Hessii, 
Fabularum Aesopii vnd dergleichen Lectionen, die jnen doch nicht 
eben darumb fürgegeben werden, dass sy die von wort zu wort auss- 
wendig lernen, Sondern dass sy darauss lernen copiam bonorum ver- 
borum et phrasium vnd exempla Grammaticarum, Dialecticarum et 
Rhetoricarum praeeeptionum vnd dergleichen. Vnd werden durch 
solch unnutz vnd unnötig auswendig lernen die knaben inn not- 
wendigem studiis sehr verhindert vnd wissen wol über acht tag oder 
etlich wenig wochen von dem dass sy also ausswendig gelernet 
nicht ein wort zu sagen. Treybe man aber das nötigste inn denselben 
Lectionibus mit jnen, so wirdt sich dass ausswendig lernen selbs 
wol finden, vnd mit mehr nutz vnd frucht, vnd weniger mühe vnd 



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arbeit. Aber die nötigen praecepta artium dicendi, capita pietatis, 
vocabula rerum, bonas sententias, et phrases latini sermonis vnnd der- 
» gleichen ausswendig zu lernen, vnd mit fleiss zu repetirn, werden 
die Knaben billich angehalten. 

Das X. Capitel. 
Von den Diariis, Schreibbüchern, der Knaben. 

Diaria oder Ephemerides heissen allhie Schreibbücher, darinnen 
die Knaben die schönen- lateinischen und griechischen sprüche, 
Argumenta, Declamationes, Locos communes, und anders, wass jhne 
inn den Lectionibus fürnemlich zu merken, gleich als inn jre 
Schewern, wie Sturmius sagt, horrea, literata agricultura, zusammen- 
tragen vnd verwaren. 

Dise Büchlein sollen die Knaben jnen zeugen, vnd mit fleiss 
schreiben, vnd aufiheben, damit sy sich deren inn teglichen repeti- 
tionibus vnd, so offt es not thut, zu brauchen haben, seind jn auch, 
wann sy gross vnnd alt worden, sehr nutz ynd dienstlich, Vnd sollen 
die Praeceptores darauff gut achtung geben, dass sy die Knaben 
fleissig schreyben, vnd nicht verlieren oder zerreissen. 

Das XI. Capitel. 

Von den solennibus Examinibus vnd Promotionibus. 

Dessgleichen ist ser nutz vnd gut, dass man alle halbe Jar 
solennia Examina vnd Promotiones halte. Dann darinnen sihet man 
beydes, wie die Praeceptores die Knaben vnterrichten vnd Schul 
halten, vnd die Knaben profitirn vnd zunemmen, vnd was von eines 
jeden Knaben studiis vnd ingenio zu hoffen, vnd werden Praeceptores 
vnd Discipuli zu mehren fleiss erweckt, wie vnd was sy leren vnd 
lernen sollen, erinnert, vnd der Hoffart vnd Vermessenheit bey 
jhnen etlicher massen geweret. 

Darumb sol alle halbe Jar vngefehrlich vmb Michaelis vnd 
Ostern oder Pfingsten ein universale Examen, inn beysein des 
Pfarrers, Hoffpredigers vnd etlicher Knaben Eltern fein ordenlich 
vnd bescheiden durch alle Classes gehalten, vnnd die Knaben auss 
dem durchs halbe Jar übergehörten Lectionibus notturfftiglich befraget, 
vnd wie ein jeder Knab vnd Classis bestanden von dem Praeceptore 
inn ein Register auffgezeichnet werden. 

Wenn nun Solches durch alle Classes verrichtet, so sol alsdann 
auff einem gewissen tage die Promotion gleichfalls inn beyseyn des 
Pfarrers, Richter vnd Rahtsgeschwornen gehalten, vnd erstlich von ein- 



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viertl oder halbe Stunde vom Schulmeister ein kurtz Lateinisch Decla- 
matiuncula de studiis literarum oder dergleichen nutzliche Materien 
gethan werden. Nach solchem tretten die Knaben der obersten 
Ciassis in einen Zirkel ordenlich herfür, wie sy das vergangene 
halbe Jar gesessen, vnnd ordnet sy der Schulmeister auffs new, 
einen jeden, nach dem er vil oder wenig, fleissig oder unfleissig 
studiret, vnnd werden die fleissigen in der Ordnung den unfleissigen 
fürgezogen, vnnd öffentlich jhres fleisses halben gerhümet, vnd mit 
einem geschenklein, Schreibzeug, Büchlein, oder dergleichen verehret, 
die unfleissigen aber werden von jhrer höhern Stelle und Session degra- 
diret, vnd jres vnfleiss halben etwas ernstlicher in gemein angeredet, 
vnd zu mehrerm Fleiss vermanet. Gleiche Ordnung wird auch mit 
den andern Classibus gehalten. 

Wann nun alle Classes herdurch vnd ordinirt seind, thut der 
grössern Knaben einer ein kurtze Lateinische Declamation vnd ein 
anderer ein lateinische vnd der kleinern einer eine deutsche Dank- 
sagung, die jhnen der Praeceptor stellet, vnd alsdann der Pfarrer 
oder der zu Losenstein selbs ein kurtze erinnerung an die Praecep- 
tores vnd Discipel, darin sy beyde jhres angewandten Fleisses oder 
unfleiss halben, welchen man auch spüret, gerhümet oder gestrafft, 
vnd zum Fleiss vnd Gottseligen leben und wandel vermanet werden, 
vnnd wird also der ganze Actus mit dem Te Deum laudamus oder 
dergleichen Christlichen Lobgesang beschlossen. 

Das XII. Capitel. 

Von der Nota Censoria et malorum niorum tabella, vnd Züchtigung der straffwürdigen 

Knaben. 

Bei den alten Römern sein sonderliche dapffere Männer vnd 
Amptspersonen darzu verordnet gewesen, die zur erhaltung ausser- 
Hoher Zucht vnd Disciplin auff die Römische Burgerschafft, vnd der- 
selben wandel, Hausshaltung, thun vnd wesen achtung hetten, vnd 
die ungezogenen vnd unfleissigen Burger, Haussvätter, vnd unter- 
thanen inn gebürliche straffe namen, als wann ein Rahtsherr sich 
ungebürlich hielt, wurdt er auss den Raht gestossen, Einer der seinen 
Aker oder Weinberg nicht fleissig bawete, hatte auch sein straffe, etc. 
Daher wurden die selbigen Amtspersonen Censores genennet. 

Wevi dann die Schulen auch seind als kleine Stätte oder Re- 

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gimente, ist zur erhaltung der Disciplin nutz vnd gut, dass sy auch 
jhre Censores oder Duces haben, welche auff die andern Knaben 



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vnd derselben thun vnd wesen achtung geben. Diser Censorum oder 
Ducum Ampt ist, dass sy inn jre Tabellas morum auffzeichnen die 
deutsch reden oder sonsten sich in worten, wercken vnd geberden, 
inn Kirchen, Schulen oder auff der Gassen vngebürlich halten, ein- 
ander schelten, rauffen oder schlagen, inn den Kirchen schwatzen, 
oder unfug treiben, fluchen, schweren, vmblauffen, mit steinen nach 
anderen leuten werften, vnzüchtige wort reden, böse unzüchtige 
Bücher oder Lieder lesen oder singen, one Rocke oder Mantel inn 
Hosen vnd Wamms inn die Schul vnd Kirchen gehen, vnd was 
dergleichen Sachen mehr seind. Dazu aber sollen Knaben vom Prae- 
ceptore bestellet werden, die für anderen fromb, still, warhafftig, 
fleissig, vnd gehorsam sein, vnnd soll der Praeceptor alle Sambstag 
die verzeichnete Tabellam morum von jhnen abfordern vnd von 
acht biss auff neun vhr durchsehen, was geringe kindische fehle vnd 
gebrechen sein, biss weilen dissimulirn, vnd mit stillschweigen passirn 
lassen oder mit gelinden worten vnnd vermanungen rügen vnd straffen, 
Die aber wissentlich vnnd mutwillig sündigen, ernstlich darumb an- 
reden, vnd ihnen die drawung Göttliches worts aus dem Mose 
Deuter: 21, Prouerbiis Salomonis, Syracide vnd dergleichen von un- 
gehorsamen bösen Kindern, welche Sprüche der Praeceptor wissen 
vnd zum theyl ausswendig kennen solle, auch bei dem A. B. C. 
Büchlein getruckt seind, offt vnnd vil scherpffen vnd einbilden, sampt 
alten vnd newen gegenwärtigen Exempeln böser vnnd frommer 
Kinder, deren jene Gott auch hierzeitlich herrlich geehret, diese 
aber schrecklich gestrafft. Dann solche Handlung Göttliches worts 
gehet nicht one Frucht ab, wie Salomon sagt Prouerb. 17: Schelten 
schrekt mehr an dem Verständigen, dann hundert schlege an dem 
Narren, Vnd Paulus I. Cor. 15: Ewer arbeit ist nicht vergeblich 
in dem Herrn. 

Wo aber das Verbrechen so gross vnd grob, oder aber die blossen 
wort nicht helffen wollen, da muss man trawen, auch die Rhüten 
zu Hülffe nemen, wie dann abermal Salomon leret Prouerb. 20: 
Mann muss den bösen wehren, mit harter straffe, vnnd mit schlegen, 
die man fület. Dann Thorheit, sagt er inn folgenden 22. Cap., 
steckt dem Knaben inn dem Herzen, aber die Rhute der Zucht 
wird sy fern von ihm treiben. Doch sollen die Praeceptores alles 
versuchen, ehe sy zu der Rhuten und schlegen greiffen, vnd auff 
einmal keinen Knaben über zehn oder zwölff Rhutenstreich auff den 



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hintern geben, aber wol weniger, als drey, vier, funff etc. nach 
gestalt der Sachen vnd des Verbrechens. 

Dann die Praeceptores Orbilii, so nichts dann schlagen, streichen, 
stossen, fluchen, vnnd mit den armen jungen Kindern schnarchen, 
vnd poltern können, wie dann der an allen Orten vil seind, die 
seind nichts wert, vnd dieneten besser inn die Schergenstuben, dann 
inn Kinderschulen, vnd verderben vil feiner Knaben vnd schrecken 
jr vil von den Schulen vnnd studiis literarum gar ab. 

Es ist auch das ein rechte SchulstrarTe, dass wann etwan die 
anderen Knaben remissionem vnd ferias haben, oder erlaubnis ehr- 
liche Spil vnd kurz weil zu treiben, vnd man den, der etwas ver- 
brochen vnd gesündiget, davon ausschliesse, vnd unterdessen in die 
Schulen zur strafe etwas nutzlichs ausswendig zu lernen fürgebe. 

Die grössern vnd reichern mögen auch vmb ein Geltlein ge- 
strafft, vnd dasselb gelt inn ein Büchslein, zum Examini geschenck- 
lein darumb für die fleissigen Knaben zu kauffen, gesamlet werden 

Seind aber je etliche so böss vnd vnbendig, dass sy zum studiren 
nicht tugen, noch einige strafe sich besseren lassen wollen, mit denen 
kann ein Christlicher verstendiger Praeceptor nit besser handien, dann 
dass er sy bei zeit den Eltern vnd Freunden zu Hauss schicke, vnd 
ihnen wie es umb sy geschaffen bescheydenlich vermelde vnd anzeige. 

Scheltwörter fluchen, bey den ohren zwicken, zum kopff schlagen, 
mit Füssen stossen, vnd dergleichen ungebürlichen wesens sollen sich 
die Praeceptores gentzlich enthalten. 

Das XIII. Capitel. 

Von armen Knaben und Mendicanten. 

Gemeiner Leut Kinder müssen die Welt regiren, sagt Lutherus, 
beyde im Geistlichen vnd Weltlichen Stande. Dann die Reichen 
Geitzwänste könnens vnd wöllens nit thun, sy seind des Mammons 
Carthäuser vnd Münche, dess müssen sy tag und nacht warten, So 
vermügens die geborne Fürsten vnd Herrn allein nicht, vnnd son- 
derlich vermügen sy das Geistliche Ampt gar nicht verstehen, also 
muss wohl beide Regiment auff erden bleiben bei den armen mittel- 
messigen vnd gemeinen leuten vnd bei jhren Kindern. Haec Lutherus. 

Vnter diser gemeiner leute Kinder aber seind nun vil, wo nicht 
der meiste theyl Blutarm, vnd müssen sich in der Jugent das Brot 
reichen vm partecken behelfTen, denen man, auss Gottes Befelh vnd 
Christlicher liebe, für andere armen zu helffen schuldig. Darumb sol 



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zehen oder zwölflf frommen fleissigen armen Knaben, klein vnd 
gross auff der Schulen freie wonung vnnd aus dem gemeinen Kasten 
vnnd Allmosen, nach dises Orts gelegenheit vnd vermögen, wochen- 
lich eine geringe stewr zu Brot, bücher vnd Kleidern gegeben vnd 
jeden taglich vmbzusingen auch vergunet werden. 

Vnd werden Christen umb vnd ausser des Markts Lossdorffs 
ein jeder nach seinem vermögen Gott zu ehren, vnd seiner Kirchen 
vnd dem Vatterlande zu gut solchen armen Schulknaben jhr mildes 
Allmosen mitzutheilen unbeschweret sein, vnnd die Belonung von 
Gott empfangen. 

Was aber nun andere zum Schulregiment notwentige stück 
mehr, die kürtze halben hier übergangen, belangen mag, wirdt sich ein 
fleissiger Praeceptor derselbigen halben ausSturmii scholis Argentinen- 
sibus, vnd Lauinganis und dergleichen Büchern zu erholen wissen. 

Dem ewigen Gott Vatter, Son und heiligen Geist sey lob vnnd 
Ehre in Ewigkeit. Amen. 

Leges Scholae Losdorfianae et Argentinensis. 

Scholae literariae religionis, doctrinae et bonae disciplinae causa 
constituuntur et certis ac honestis legibus ornantur et conseruantur. 
Quare et praeceptores et discipulos insequentes Leges summa cum 
diligentia colere et obseruare decet. 

Ludirectoris et Collegarum eius officium. 

I. Praeceptores decet autoritatem suam pietate, doctrina, dili- 
gentia, temperantia, humanitate, grauitate tueri. 

II. Vt collegae officia quotidiana faciant diligenter, Ludirector 
animaduertito. 

IE. Item praescriptam hoc libro docendi rationem sequitor, et vt 

collegae sequantur prouideto. 
IUI. Ingeniorum moribus se accommodanto, ac discentium vtili- 

tatibus in vniuersum seruiunto. 

V. In omnibus temporis et breuitatis rationem summam habento, 
missis ambitiosis declamationibus, degressionibus et dictatis. 

VI. Vestitu, cibo, potu, vigilantia, diligentia, lectione domestica, 
etiam scriptione domestica, frequenti sacrarum contionum 
auditione, vsurpatione cenae Domini, pietate, exemplo sunto. 
Exemplo enim praefectorum et praeceptorum perduntur, 
exemplo seruantur puerorum ingenia. 



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VII. Haereses, logomachias et curiosas de religione disputationes 
vitanto. 

VIII. Ebrietatem et ludos fugiunto. 

IX. In monendis et castigandis pueris et adolescentibus negli- 
gentia et remissio abesse, seueritas absque crudelitate, vitu 
peratio absque maledicto adesse debet. 

X. De adolescentibus, qui ad literarum studia non sunt natura 
idonei, Ludirector et pastor parentes vel alios patronos, ad 
quos ea res pertinet, in tempore, certiores faciunto, ne il Ii 
et sumptus cum tempore sine vllo fructu perdant, et ad 
aliud vitae genus sero accedere cogantur, vtroque modo irre- 
cuperabile detrimentum accepturi. 

Leges Discipuloru m. 
I. Ad horas constitutas in scholis et templo adsunto. Qui autem 
intempestiue aduenerit, castigari debet modo et ratione bona, 
nisi excusationem a parentibus aut heris domesticis probabilem 
adferat. Istud enim voluntatis peccatum est, non ingenii im- 
becillitas. 

IL Preces et Psalmodias antemeridianas et promeridianas sin- 

guli frequentanto canendo, auscultando, precando. 
III. Festis diebus bini templa ordine verecundeque adeunto, contio- 
nes omnes diligenter audiunto : absque psalmorum voiumine aut 
Testamento Nouo ne sunto : domi memoria contiones repetunto. 
IUI. Praeceptori docenti diligenter auscultanto : qui secus fecerit 
pro errato, pro peccato, pro ingenio, pro aetate castigari debet. 
V. A scholis abesse citra praeceptoris veniam impune nemini esto. 

VI. Sermo superiorum trium Classium vbique omnium Latinus esto. 

VII. Omnes suas Scholas et classes frequentanto: aliorum Scholas 
non impediunto: non clamore, non cantu, non ambulatione, 
nullo sonitu, nullo strepitu: qui peccarit pro peccati ratione 
et modo bono poenas luito. 

VIII. Honeste unusquisque vestitor, et in vestitu nihil sit militare, 
nihil molle, nihil dissolutum, nihil contra bonorum et hone- 
storum virorum consuetudinem. 
IX. Arma, gladios, pugiones nemo gestato. 

X. Ad cauponas tabernasque publicas aliaque conuiuia, choreas 
et nuptias similiaque loca absque permissu Ludimoderatoris 
non accedunto. 



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XI. Rixae, conuicia probraque omnia a congressionibus omnibus 
absunto. Qui vero verbis litigat, qui pugnis praeliantur, aut 
quoque modo dimicant, qui iurant, qui praeceptores contem- 
nunt, qui irreuerenter praetereunt aut aspiciunt aut alloquuntur 
eos qui reuerentia digni sunt, vt senes, vt magistratus, vt 
homines praediti autoritate aut virtute, qui in plateis et coe- 
tibus hominum non versantur verecunde et vt decet literarum 
studiosos : ratione bona aut grauiter aut seuere debent emendari. 
XII. Qui sermone vtuntur alio quam latino, qui impudenti, qui 
impudico: pro peccati genere ratione bona puniantur. 

XIII. Qui aduersus praeceptores falsam querelam ad parentes de- 
feret, aut tutores, aut cognatos. aut amicos, aut quosuis ne- 
cessarios et viros bonos: et quia falsum dicit, et quia ad- 
uersus praeceptorem et praefectos suos ingratus est, et quia 
moerorem mendaciis suis excitat, pro facinoris grauitate aut 
virgis castigetur, aut custodia coerceatur, aut modo aliquo 
bono seueritatis fiat melior. 

XIIII. Decurio si officium non faciat in animaduertendo et accusando, 
virgis corrigendus est: non enim hic vitiosus esse potest: 
vt non condiscipulos vel offendat exemplo, vel in societatem 
vitiosam pertrahat, et disciplinam corrumpat gy mnasii. 
XV. Qui praeceptoribus non obtemperat impatiens poenae, non 
audiens dicto, a pastore Ecclesiae castigator, et si contumax 
fuerit, Magistratus consensu e scholis excluditor. 
XVI. Scholae fenestras et alia aedificia nemo violato: qui fecerit, 
damnum datum vt praestet videto. 

XVII. Non libros emant, non pecuniam mutuo accipiant absque 

Ludimagistri consensu et voluntate. 
XVIII. Quae in ludo tractata sunt, domi diligenter repetunto, me- 
mores Pliniani istius, Omne tempus perire, quod studiis non 
impertitur. 

XIX. Si Iis aliqua inter scholasticos oriatur, non se quisque temere 
et priuatim vindicato, sed praeceptorum cognitionem reuerenter 
expectato. 

XX. Et his legibus omnes obtemperanto, et caeteris legibus, quaepost 
doctrinae disciplinae religionis ergo ferentur, obsecundanto. 

Augustae Vindelicorum | excudebat Valentinus Schonigk || ad portam D. Mariae 

virginis. 



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XVII. 

Zur Geschichte einer merkwürdigen Bibel. 

Von J. E. KOCH. 

Unter dem Titel »Eine merkwürdige Bibel* ist in dem vom 
Pfarrer A. Kotschy in Attersee herausgegebenen Evangelischen 
Vereinsblatte aus Oberösterreich (II. Jahrg., Nr. 6) ein Aufsatz er- 
schienen, welcher ganz oder theiiweise in verschiedenen anderen 
Blättern Aufnahme fand, zuletzt in den „Bibelblättern, herausgegeben 
von der Bibelgesellschaft zu Basel* 1882, S. 21 f. Ich möchte daher 
noch ausfuhrlicher, als es im Vereinsblatte geschah, im , Jahrbuche" 
auf diese Bibel zurückkommen. 

Wie mein sei. Vater zu derselben kam, möge er selbst erzählen. 
Er schreibt in seinem Tagebuche: 

, Montag den 23. November 1835, Vormittag um V»n Uhr, als 
ich eben die Hochzeitspredigt für die Propstenkinder zu Kitzing nieder- 
geschrieben und ein Einladungsschreiben an meinen Bruder Ludwig, 
der Taufe meines Erstgebornen beizuwohnen, angefangen hatte, 
kam ein Bote von Eferding mit der Nachricht : Ihre Kaiserl. Hoheit die 
Frau Erzherzogin Maria wünsche mich auf ihrer Durchreise zu 
sehen. Ein Blättchen von Freund Kotschy sagte mir, dass Morgens 
um 8 Uhr ein Schreiben von der Erzherzogin eingelaufen sei, in 
welchem sie ausdrücklich bemerkte, dass sie mich nebst Sääf zu 
sprechen wünsche. Sie gedachte zwischen 9 und 10 Uhr Morgens in 
Eferding einzutreffen, jedoch dem Laufzettel zufolge werde sie erst 
um 7 Uhr von Schärding abreisen. 

Jetzt that Eile noth. Ich sandte alsbald zum Lederer mit der 
Bitte, er möchte auf der Stelle einspannen, suchte meine zum Theil 
nicht mehr sehr feierlichen Feierklefder zusammen, namentlich war 
der 10—12 Jahre alte Frack nicht mehr geeignet zum Paradiren, zog 

Jahrbuch des Protestantismus 1882. 14 



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mich mit gewohnter Eile an und sass um n Uhr auf dem Wagen. 
Geymeyer, zufällig beim Lederer anwesend, kutschirte. Allerlei Ge- 
danken beschäftigten mich unterwegs; ich hatte nie mit Standes- 
personen gesprochen, wusste keine Sitten und Gebräuche, erinnerte 
mich an meine frühere Blödigkeit, tröstete mich aber damit, dass 
ich es mit einer frommen Dame zu thun habe, welche auf Aeusser- 
lichkeiten nicht sehen werde. Zugleich fiel mir ein, dass ich im 
Traume schon oft mit Majestäten ganz traulich gesprochen habe, und 
wunderte mich, wie jetzt die Wirklichkeit unverhofft und ungesucht 
solch' eine Gelegenheit darbot. 

Punkt 12 Uhr waren wir in Eferding. Kotschy schon in Bereit- 
schaft stehend und eben darüber betrübt, dass Sääf durch eine Leiche 
verhindert sei, freute sich meiner Ankunft und führte mich zu zwei 
Kisten voll herrlichen Inhaltes, welche soeben angekommen waren. 

Wir harrten jeden Augenblick der Ankunft, — endlich hiess es, 
sie werde um 2 Uhr kommen. So war's auch. Als die Kunde erscholl, 
schlug es, wie mir schien, etwas höher in Kotschy 's Brust ; ich flehte 
zum Herrn um Gleichmuth und Besonnenheit, weil ich bei geringeren 
Anlässen schon so oft die nothige Fassung verloren hatte. Ich bat 
den Herrn, er möchte mir zur Stunde in den Mund geben, was ich 
sagen sollte, und nahm mir vor, mehr zu schweigen als zu reden. 
Wirklich schlug mein Herz ganz ruhig. 

Ich schlug vor, eine Botschaft von der Erzherzogin abzuwarten, 
weil es kaum denkbar sei, dass sie gleich nach dem Aussteigen und 
vor der Tafel empfangen werde. Kotschy wünschte hinzugehen und 
sich anzumelden. 

Ich folgte. Auf halbem Wege kam ein Bote entgegen: Wir 
möchten in einer halben Stunde nach der Tafel erscheinen. Fünf 
Minuten vor Ablauf des Termines erschien auch noch Sääf. — Nun 
gingen wir Schlag halb 3 Uhr in Stiefeln, langen Beinkleidern, Frack 
und Bäffchen in den. Gasthof „zum Lamm*, wo die Frau Erzherzogin 
logirte. 

Dort angekommen hiess man uns in ein Nebenzimmer treten 
und warten, weil noch nicht abgespeist sei. In diesem Zimmer befand 
sich der Postmeister und mehrere Herren in ungarischem, reichge- 
sticktem Costüme und rauchten. Ich hielt sie für Kammerherren, aber 
es waren der Obrist des Husarenregiments Palatin, der Obrist- 
lieutenant und noch ein Officier. Wir sprachen eine Viertelstunde 



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mit ihnen, dann wurden wir hinauf gerufen. Auf der Stiege oben 
empfing uns ein Bedienter und wies uns einstweilen in ein Neben- 
zimmer. Hier befanden sich drei Frauenzimmer, eben den Kaffee 
schlürfend. Eine ältliche Dame empfing uns, die Kaffeeschale in der 
Linken und die Obertasse mit der Rechten haltend. Nach dem 
Compliment sprach sie im feinsten Deutsch: Wir durchreisen Ihre 
schönen Gegenden; es ist zwar etwas kalt, aber wir hoffen, die 
Herzen werden desto wärmer sein. O gewiss, erwiderte Kotschy. — 
Sie : Wie geht es Ihnen ? Kotschy : Nun, so ziemlich gut, es gibt ja 
freilich Manches zu tragen. — Sie : Freilich, ohne Kreuz geht es eben 
in diesem Leben nicht ab; wir müssen denken, dass unser Herr 
auch durch Leiden in die Herrlichkeit eingegangen ist. Ich : Mit 
unserem Herrn dürfen wir uns in dieser Beziehung gar nicht ver- 
gleichen ; was sind unsere Leiden gegen die seinigen? Sie sind für 
nichts zu achten, noch immer leicht zu tragen gewesen. Kotschy : 
Wir werden in religiöser Hinsicht hie und da beschränkt, das macht 
uns am meisten zu schaffen ; so z. B. will man die Uebertritte in 
unsere Kirche gar nicht mehr gestatten. — Sie: Aber die Regierung 
ist doch sehr mild. Kotschy: Ja, die oberen Behörden weit mehr 
als die niederen. — Sie: Unser Kaiser ist äusserst menschenfreund- 
lich; so z. B. welche Grossmuth hat er an den Mitgliedern der 
Giovine Italia geübt! (Nun erzählte sie deren Begnadigung.) Ich: 
Wahrlich, wenn nur noch ein edler Funke in den Herzen dieser 
Menschen glüht, so muss die Kaiserliche Huld eine heilsame Wirkung 
auf sie machen und Gefühle der Reue und Dankbarkeit in ihnen 
erwecken. — Sie: O gewiss, es sind manche junge Leute verführt 
worden, deren Herz nicht sowohl boshaft, als vielmehr verblendet 
war. Mangel an Beschäftigung hatte gewiss auch viel Schuld. Glauben 
Sie mir, fuhr sie fort, der Kaiser hat ein sehr gutes Herz; wie 
menschenfreundlich bewies er sich bei dem'grossen Unglück in Wien, 
wie gehorsam gegen seinen Vater. Ein Lehrer desselben sagte mir 
einmal: Ich glaube, wenn der Kaiser dem Kronprinzen befohlen 
hätte, er sollte in 's Feuer springen, so hätte er's gethan. Ich: Das 
ist edel und wird Segen über sein Haus bringen. — Sie: Gewiss, 
denn das ist das erste Gebot, das Verheissung hat. 

Mittlerweile war ein Officier gekommen, der sie um Ordre fragte 
und Excellenz titulirte. Wahrscheinlich war sie die Hofmeisterin der 
Erzherzogin. 

n* 



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Nun erschien ein Kammerdiener, öffnete eine Seitenthür und 
hiess uns eintreten. Kotsohy ging voraus, Sääf in der Mitte und ich 
hintendrein. 

Die Erzherzogin kam aus dem Hintergrunde des Zimmers 
hervor, beugte sich und ging auf Kotschy zu. Kotschy präsentirte 
sich als den Pastor zu Eferding. Was der Tausend, rief sie, Sie sind 
also der Pastor Kotschy? Nun, das ist recht schön, dass ich Sie 
persönlich kennen lerne. Kotschy erwiderte das Compliment. Dann 
wendete sie sich gegen Sääf und sagte: Ei, Herr Pastor Sääfl das 
ist schon ein alter Bekannter. Nun präsentirte mich Kotschy als den 
Pastor Koch zu Wallern. — Sie sind mir schon bekannt von Württem- 
berg her, sprach sie. Ich: Vielleicht durch Herrn Dr. Bahnmayer, 
bei dem ich zu Tische ging? — Erzherzogin: Ei ja, der liebe Bahn- 
mayer! Ich: Vielleicht auch durch den Diacon Knapp? — Erz- 
herzogin: Ach, der liebe, liebe Knapp, der edle Dichter, ich habe 
köstliche Stunden mit ihm verlebt. Kennen Sie ihn ? Ich : O ja, wir 
sind Universitätsfreunde und correspondiren miteinander. — Erz- 
herzogin: Also studirten Sie in Tübingen? Ich: Ja. — Erzherzogin: 
Nun, das ist ja recht schön. Aber wir haben keine Stühle, und 
schnell ging sie und ergriff einen Sessel. Wir deprecirten und liefen 
auch nach Sesseln, indem sass sie schon auf dem Sopha und 
wir im Kreise: ihr zur Rechten ich, zur Linken Sääf, in der Mitte 
Kotschy. 

Kotschy meldete nun die glückliche Ankunft der Kisten. Erz- 
herzogin: Ei, sind sie doch glücklich angekommen, das freut mich; 
sie waren schwer, ich war etwas besorgt, aber der Wagen flog so 
schnell dahin, als ob er die süsse Last nicht spürte. 

Kotschy: Wir danken Eurer Kaiserl. Hoheit. — Erzherzogin: 
Sie sind nicht von mir, sondern von der Königin von Württemberg. 
Ja, das ist eine wunderbare Geschichte mit diesen Bibeln, 
die muss ich Ihnen erzählen, damit Sie mit uns Gottes Güte preisen. 
Die Königin sandte diese Kisten vor einigen Jahren ganz auf offenem 
Wege mit der Ueberschrift : ,Bibeln für die armen Atters eer* nach 
Salzburg. Aber sie wurden zurückgewiesen und einstweilen in 
einem Grenzorte Reich — Reichenberg oder wie es heisst, depo- 
nirt. — Reichenhall vielleicht, fiel ich in's Wort. — Erzherzogin: 
Ja, ja, in Reichenhall. Nun hören Sie weiter. Dieser Ort brannte 
im vergangenen Jahre ab und wir dachten, unsere Bücher seien 



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auch mit verbrannt. Da erhielt die Königin nach geraumer Zeit die 
Anzeige, dass die Kisten ganz unversehrt aus dem Schutte hervor- 
gezogen worden seien. Welch' ein Wunder für uns, welch' eine 
Aufforderung zum Preise Gottes 1 

Ich: Nun, das ist ein Seitenstück zur wunderbaren Erhaltung 
von Arndt's Paradiesgärtlein. — Erzherzogin: Nicht wahr? Das sagte 
der liebe Knapp auch. Zum Andenken an diese Begebenheit behielt 
sich die Königin ein Exemplar und ich auch eines. 

Nun kam das Gespräch auf die Retoursendung der 100 Neuen 
Testamente in 's Ausland und auf den sauberen Bescheid des Con- 
sistoriums, dass die Bibel weder Schulbuch noch Hilfsschulbuch sei, 
was Kotschy erzählte ... Es wurde die Geschichte mit den Bibeln 
ohne Apokryphen erwähnt und wie der Gerichtsdiener sich den Fuss 
brach und wie mir das 15. Capitel Jeremiae so tröstlich zusprach und 
wie ich im Triumphe die Bibeln wieder heimführte *). Sie verwunderte 
sich und freute sich, bemerkte auch, dass die katholische Hofstelle 
unterrichteter sei, als das lutherische Consistorium, und wie sie 
wegen der Apokryphen einmal mit Stromssky einen Streit gehabt . . . 

Sie sind beide schlimm angeschrieben in W r ien, fuhr sie fort, 
gegen mich und Kotschy gewendet. Man macht sich in Wien gar 

*) Zum Verständnisse dieser Stelle dienen folgende Tagebuchs-Notizen aus frü- 
herer Zeit: 

„Am 15. October 1828 wurde ich nach Parz (Pfleggericht) berufen und wegen 
der Bibeln ohne Apokryphen zu Protokoll genommen. Ob ich solche Bibeln vom Pastor 
Kotschy empfangen ? Ja. Wie viele ? 36 Exemplare, darunter 6 mit Apokryphen. Wann ? 
Seit ohngefähr zwei Jahren. Wie theuer? Im Durchschnitte das Exemplar um 1 fl. R. W. 
Wo sie seien ? Von den 6 mit Apokryphen hat eines der Wiesmayer, die übrigen weiss 
ich nicht mehr. Von den 30 ohne Apokryphen hat der Mayr zu Thanstetten 14 Exem- 
plare; 3—4 sind in der Schule, die übrigen habe ich noch in der Hand. 

Abends zuvor kam mir in der gewöhnlichen Lection Jerem. 15 die Stelle vor 
V. 19 — 21, die mich ungemein tröstete. Am v8. October 1828 kam der Gerichtsdiener und 
holte die Bibeln; im Heimgehen brach sich der arme Mensch den Fuss. 

Heute den 15. April 1830 bekam ich meine Bibeln wieder. Das war mir eine seltene 
Freude und eine dringende Aufforderung zum Danke gegen Gott. Ich hatte sie schon 
verloren gegeben ; denn, sagte ich, die grossen Herren gestehen ihr Unrecht nie ein. 
Und siehe, diesmal musste Recht doch Recht bleiben. Im Bescheide von der Hofcensur 
und Polizeihofcommission in Wien, den mir der Pfleger vorlas, heisst es: ,da diese 
Bibeln nicht von der Bibelgesellschaft gedruckt sind und da nach protest. Grundsätzen 
die Apokryphen nicht nothwendig zur Bibel gehören, so seien dergleichen Bibeln ohne 
Apokryphen ebenso zu behandeln und erlaubt wie die mit Apokryphen.' — Gott sei 
gelobt und hochgepriesen für diesen Sieg von allen seinen Gläubigen! Amen." 



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wunderliche Vorstellungen von den Secten und Pietisten und Mystikern 
in Oberösterreich. Ich habe kurz vor des Kaisers Tode noch Ge- 
legenheit gehabt, mit ihm über diesen Punkt zu sprechen. Ich sagte 
ihm : Glauben Sie diesen Berichten nicht, die alle einseitig sind und 
nichts von der Sache verstehen. Ich kenne diese Leute besser, es 
sind echte Christen und gute Unterthanen. 

Ich: Uebrigens ist man jetzt in Wien wieder besser gestimmt, 
so viel uns bekannt ist. Erzherzogin: Das wäre! Es soll mich freuen. 
— Ich: Wir haben sogar schon einige Belobungsdecrete erhalten. 
Erzherzogin : Nicht möglich ! — Ich : Bei den Kirchenvisitationen ist 
alles im besten Stande erfunden worden ; die weltliche und geistliche 
Behörde gaben die besten Zeugnisse, und so erfolgten Belobungs- 
decrete. Erzherzogin : Nun, das freut mich ungemein . . . 

Vom Fürsten Metternich bemerkte sie, dass er nichts mehr 
fürchte, als Pietismus und Mysticismus, sie habe das aus einer Unter- 
redung mit ihm in Teplitz wahrgenommen. Ueber den Congress in 
Teplitz bemerkte sie, sie erkenne es als eine Führung Gottes, dass 
sie dorthin gekommen. Ich fühlte eben keine Neigung, dieser grossen 
Versammlung beizuwohnen, allein der liebe Gott fugte es, dass die 
Sophie in die Wochen kommen sollte, und so traf mich die Tour. 
Aber ich bereue es nicht; ich habe unter den Grossen köstliche Be- 
kanntschaften gemacht, habe viel Christenthum gefunden, wo ich es 
nicht vermuthet hatte. So z. B. ist der Kaiser Nicolaus ein wahrer 
Christ, ja gewiss ein wahrer Christ. Kehren Sie sich nicht an seine 
Ukase, ich habe ihn als Christen kennen gelernt. Ebenso die preußi- 
schen Prinzessinnen ; ich versichere Sie, sie lesen täglich ihre Losung. 

In Beziehung auf Baiern bemerkte sie mit Wohlgefallen, dass 
die jüngeren Theologen meist gläubig seien und dass die gute Sache 
durch das Consistorium sowie durch den König unterstützt werde; 
in Beziehung auf Württemberg, dass 30.000 Personen öffentlich die 
Stunden besuchen und 30.000 desselben Sinnes sind. 

Kotschy fragte sie unter Anderem, ob sie das Buch , Adalbert* 
von Theremin*) kenne? Freilich wohl, antwortete sie, ich habe dies 
köstliche Buch gelesen und viele in den höheren Zirkeln lesen es 
mit grossem Nutzen; es hat schon manche bekehrt, es ist unwider- 
stehlich. 



*) [Adalberos Bekenntnisse. Berlin (1828) 1835.] 



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Zuletzt bat Kotschy die Erzherzogin um die Gnade, das Bethaus 
anzusehen. Sie besann sich ein wenig und sprach: Es ist kaum 
möglich. Kotschy drang noch mehr in sie. Ich sah, dass ihr hart 
geschehe, und bat Kotschy von seinem Wunsche abzustehen, weil 
das Bethaus denn doch ein wenig ausser Wegs liege. Ja, es ist 
wirklich nicht möglich, sprach sie, Ihren Wunsch zu erfüllen. 

Vielleicht haben wir noch öfter das Glück, Eure Kaiserliche 
Hoheit auf einer Durchreise zu sehen, sprach ich. Nun rief die Hof- 
meisterin bei der Thür herein, dass Alles in Bereitschaft stehe. 

Sie sprang auf, wir desgleichen und bedauerten, dass die Zeit 
so schnell geflohen sei. Ich dankte ihr noch insonderheit für ihre 
Fürbitte im Gebete und bemerkte, dass mich dieselbe sehr beschämt 
und an meine Pflicht gemahnt habe. Hierauf gab sie Kostchy eine Rolle 
für die Armen der Gemeinde, 60 fl. C. M. enthaltend, reichte uns allen 
die Hand nach deutscher Art und Sitte, und wir empfahlen uns.* 

Eine dieser Bibeln nun, von welchen oben erzählt wurde, behielt 
sich mein Vater und trug folgende Inschrift ein: 

„Hoc Bibliorutn exemplar unum est ex Ulis, quae a pia Regina 
Württembergensi Austriacis Evangelicis destinata, in magno Reichen- 
hallt incendio mirifice sub ruinis et cineribns servata et postea a 
sereniss. ejus sorore Maria Dorothea, Joseph i Austriae Archiducis ac 
Hungariac Palatini pia uxore, die 2j. Nov. fSjj, quam cum ea Efer- 
dingae congressi cssemus, nobis donata sunt. 

y. E. Koch, 

PasUr WalUmtHsis." 

Diese Bibel war es, welche durch Vermittlung Seiner Excellenz 
des Herrn Obersthofmeisters G. M. Grafen Palffy von Erdöd, an 
den ich mich gewendet hatte, der hohen Braut des Kronprinzen 
Rudolf überreicht wurde. In die Bibel hatte ich folgende Widmung 
eingetragen : 

Eure Königliche Hoheit! 
Allerdurchlauchtigste Frau Prinzessin Stephanie! 

Ganz Oesterreich jubelt Eurer Königlichen Hoheit entgegen und 
alle Classen und Stände wetteifern in Darbringung von Beweisen 
innigster Antheilnahme an dem bevorstehenden frohen und segen- 
verheissenden Ereignisse der Vermählung Eurer Königlichen Hoheit 
mit Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Allerdurch- 
lauchtigsten Kronprinzen Rudolph. 



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Auch die evangelischen Gemeinden der oberösterreichischen 
Diöcese stimmen mit ein in diesen Jubel, und sind sie auch arm an 
irdischen Gütern und können sie nicht Silber und Gold oder Edel- 
steine Eurer Königlichen Hoheit zu Füssen legen, so möchten sie 
doch auch mit einer Gabe sich einstellen, mit einer Gabe, die gering 
und arm scheint, deren innerer Werth aber alles andere überstrahlt. 

Es ist das Buch der Bücher, die heilige Schrift, die uns unter- 
weisen kann zur Seligkeit durch den Glauben an Christum Jesum, von 
dem sie zeuget und deren Kern und Stern Er der hochgelobte Heiland 
ist, welcher uns von Gott gemacht ist zur Weisheit, Gerechtigkeit, 
Heiligung und Erlösung und wie den Einzelnen so auch den Familien 
und Völkern das wahre Heil bringt. 

Geruhen Eure Königliche Hoheit diese Gabe huldvollst anzu- 
nehmen und das umsomehr, als diese Bibel einer jener Bibeln ist, 
welche wunderbar errettet aus des Feuers Glut von Ihrer Kaiserlichen 
Hoheit der Frau Erzherzogin Maria Dorothea, der unvergesslichen hoch- 
seligen Grossmutter Eurer Königlichen Hoheit, vor 45 V* Jahren dem 
Vater des allerunterthänigst Unterzeichneten gespendet worden sind. 

Mit den innigsten Segenswünschen verharret in tiefster Ehrfurcht 
Eurer Königlichen Hoheit, Allerdurchlauchtigste Frau Prinzessin 

allerunterthänigster Diener 

Jacob Ernst Koch, 

Superintendent der oö. ev. Diöcese und Pfarrer in Wallern. 

Wallern, den 6. Mai 1881. 

Die Annahme dieser Bibel wurde durch folgende Zuschrift be- 
kanntgegeben : 

Hochwürdiger Herr Superintendent! 
Es gereicht mir zum Vergnügen, Ihnen mittheilen zu können, 
dass Ihre Kaiserl. und Königl. Hoheit die Frau Kronprinzessin, in 
richtiger Würdigung des hübschen Motives, die eingesendete Bibel 
gnädigst entgegenzunehmen und mich mit höchst Ihrem verbindlichen 
Dank an Euer Wohlgeboren zu beauftragen geruhten. 
Mit dem Ausdrucke ausgezeichneter Hochachtung 

Euer Wohlgeboren 

ergebener 
Graf Palffy, G. M. 

Laxenburg, am 11. Mai 1881. 



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XVIII. 
Bücherschau. 

Oesterreichische Exulantenlieder. 

Bei einem Besuche des Grafen Karl Giech (f i863, 2. Februar), 
eines treuen Bekenners des evangelischen Glaubens unter dem Mini- 
sterium Abel in Bayern, sah der am 18. Juni 1864 als Stadtpfarrer 
zu Stuttgart verstorbene Albert Knapp im Schlossarchive zu 
Thurnau (Oberfranken) interessante vergilbte, zum Theil fast ver- 
moderte Handschriften. Oesterreichische Exulanten adeligen Standes, 
Vorfahren der edlen Familie Giech — namentlich Grafen Kheven- 
hüller aus Kärnten, v. Traun und v. Jörger aus Oesterreich, v. Praun- 
falk und v. Dietrichstein aus Steier hatten sie mitgebracht, Graf 
Karl Giech hat sie entdeckt und conservirt, Albert Knapp bei 
Steinkopf in Stuttgart (1861) herausgegeben. 

Voran geht eine kurze historische Einleitung über die Geschichte 
des Österreichischen Protestantismus überhaupt, welcher dann das 
Leben des 1597 geborenen, 4. August 1632 zu Nürnberg gefallenen 
Hans v. Khevenhüller folgt. Bedeutsam ist das am 28. Juli 1529 
von den Kärntner Landständen (Franz v. Hatzfeld, Freiherren v. 
Lamberg, Dietrichstein, Khevenhüller, Windischgrätz), selbst vom 
Krzpriester und Propst zu Gurk und Abbas Ossiacensis (Abt zu 
Ossiach) ihm ausgestellte Zeugniss, wonach er an ,Conspirationen, 
Rebellionen und Empörungen* mit nichten participiret, sondern 
gegen das Haus Oesterreich als getreuer Landstand „die alte lob- 
würdigste Fidelität und Devotion* seiner lieben Vor-Eltern seeligen 
jederzeit geübt, wie denn auch seine »furtrefTlichen Qualitäten und 
schönen Talenta* gerühmt werden, die er ,mit sonderbahrem Eyfer, 
Begierdt, Treu und Lieb für das geliebte Vaterland* continuirlich 
applicirt; unter herzlichem Bedauern wird constatirt, dass er nur 
der Religion wegen emigrirt, und noch manch' anderes Lob ihm er- 
theilt. Hierauf folgen neun Exulanten-Lieder, wozu noch als 
Anhang fünf Lieder der Barbara Gräfin v. Giech, geb. Freiin v. 
Praunfalk, geb. I. Juli 1643 als Tochter des Exulanten Hans Adam 



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v. Praunfalk, gest. 12. December 1664, kommen, dem alten Thurnauer 
Gesangbuche entnommen. Wie rührend klingt der Seufzer (IV. Ex.-L. 
S. 51): ,Herr, schaff dass man diess Wort wieder red' im Land und 
seinen Städten!* — Desgleichen (VI. Ex. L. S. 55): ,Die Vögel in 
den Lüften glückseiger sind als ich, versichern sich in Klüften, vor 
G'richt muss stell'n ich mich.* Dann III. Ex.-Lied zum Adio der 
adeligen ausgeschaflften Christen in Steier (a. 1625), dessen er- 
greifender Schluss lautet: 

„Nun seid gesegnet! Urlaub ich nimmt-. 

Gott machs mit uns, wies Ihm gefällt; 
Den lieb, lob, preis' ich mit Herz und Stimme, 

Sein Kreuz zu tragen ich erwählt." 

Am meisten rührt uns das in zweiundzwanzig Strophen nach 
der Melodie »Von Gott will ich nicht lassen* abgefasste (II) Ab- 
schieds- und Klagelied, als die evangelische Gemeinde Hernais 
verlassen musste (1625), S. 38 ff. Es sei uns vergönnt, einzelne 
Stellen anzuführen: 

Nach Turteltäubleins Arte Hernais, zu Dir in Schaaren 

Seufz ich allhie um Dich, Die Stämme Israel 

Hernais, Du Gottesgarte, Mit Reiten, Gehn und Fahren 

Dein Leid betrübet mich. — Sich han begeben schnell. — 

Nun muss ich Dich verlassen, Voll wärest Du mit Leuten, 

Hernais, Du Gottessaal, Du edle, breite Strass, 

Da wir beisammen sassen Zu Fest- und Sonntagszeiten, 

In Freuden mannichmal. — AH' Menschen wundert das. 

Dein Gebet gen Himmelsthrone Europa niemals fände 

Für Kaiserlich Hoheit Ein grössere Commun 

Hast Du eifrig und schöne In ihrem Zirk und Lande 

Geschickt zu aller Zeit, An ein'm Ort, sag ich nun, 

Und dass Gott auch bewahre Ais sich allhier befunden 

Das Haus von Oesterreich Bei Wien in Oesterreich. 

Löblich in Fried viel Jahre Wie bald ist sie verschwunden 

Und Unglück ferne weich! .... Und einer Wittwen gleich! 

(Schlustfstrophe.) 
Nun b'hüt Dich Gort im Frieden, 

Du liebes Oesterreich! 
Es muss doch sein geschieden 
Von dannen traurig gleich. 
Lasst uns das Elend bauen 
Mit Christo hier ein Zeit, 
So werden wir ihn schauen 
Dort in ewiger Freud. 



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Nachdem den Evangelischen Wien's ihr Gottesdienst in der 
Stadt verboten worden (März 1625), gingen sie an den Sonn- und 
Feiertagen nach dem benachbarten Hern als, einem Besitzthum 
der evangelischen Frhrl. Familie von Jörger, um daselbst dem 
Gottesdienste beizuwohnen. In Folge des Reformations-Patents vom 
10. October 1625 wurde die Gegenreformation im ganzen Lande 
durchgeführt. Scheit ff ler. 

II. 

Zur Geschichte der Gegenreformation in Steiermark und Kärnten. 

Im 20. Bande der > Forschungen zur deutschen Geschichte", 
Göttingen 1880, veröffentlichte Herr Franz Martin Mayer eine 
Abhandlung: >Zur Geschichte Innerösterreichs im Jahre 1600*, 
welche vielfach neues Material beibringt. Der Herr Verfasser nahm 
seine Nachrichten aus einer Handschrift, welche sich in dem Museum 
Francisco-Carolinum in Linz befindet und den Titel führt : Verzeich- 
niss, was sich von October 1599 bis zu Ausgang des Jahres 1600 
mit der Verfolgung des heil. Evangelii und desselben Bekennern in 
den Herzogtümern Steiermark und Kärnten zugetragen. Die Hand- 
schrift besteht aus Berichten, Erlässen, Promemorien, Briefen. Der 
Herr Verfasser beschränkte sich auf die Verwendung der unbekannten 
Stücke; das bisher Bekannte zog er nur herbei, um den Zusammen- 
hang nicht vermissen zu lassen. 

Am interessantesten erscheint uns der Bericht über die Zer- 
störung der Kirche zu Scharfenau nächst Sachsenfeld bei Cilli. 
Domherr Ignaz OroSen hatte 1879 in den Mittheilungen des histori- 
schen Vereins für Steiermark über die Auffindung der Ruinen dieser 
Kirche Bericht erstattet; die Geschichte der Zerstörung derselben 
bietet nun der Herr Verfasser aus der Linzer Handschrift. Bisher 
war darüber nichts bekannt gewesen. Von Cilli wurden Mitte Jänner 
1600 Sturmböcke, Seile und Pulver nach Scharfenau geschafft. Die 
Glocken wurden vom Thurme herabgelassen, die Kanzel, Kirchen- 
stühle zerstört, die Mauern theilweise niedergerissen. Der Rest sollte 
sammt dem Thurme in die Luft gesprengt werden. 

Die Kirche wurde am 19. Jänner 1600 untergraben, unter dem 
Thurme und den Mauern zehn Tonnen Pulver vergraben. Um 7 Uhr 
Abends wurden die unter dem Dache angesammelten Brennmaterialien 
angezündet und das Feuer mit dem Pulver in Verbindung gebracht ; 



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aber die Sprengung ging nicht nach Wunsch von statten. Am fol- 
genden Tage wurde der Thurm abgesprengt. Das Pulver wurde nun 
ausgegraben und in anderer Weise vertheilt. Dadurch ward es mög- 
lich, die Kirche in ihren Haupttheilen zu vernichten. Die zwei 
Büchsenmeister, denen die Aufgabe der Zerstörung anvertraut war, 
hatten vorher schon erklärt, dass die Sprengung der Kirche viel 
Arbeit verursachen werde, da sie ,ein gross und stark Gebau sey*; 
auch sonst wird berichtet, dass sie ein ,überauss schön, köstlich 
und stattlich Gebäuw von 20 Pfeilern* war und mit einem ,vier- 
eckichten FreythorT, Streichwehren und Thum* versehen gewesen. 

Die geschwärzten Trümmer der Kirche sahen denn zum Himmel 
auf, der sie bald mit weissem Schnee bedeckte. Der Frühling streute 
dann seine duftigen Blüthen dazwischen und trieb die Wurzeln der 
Gesträuche tiefer in die Wunden der Gemäuer, und so zerstörte die 
Natur, was die Menschen an dem Bauwerke übrig gelassen. Das 
Gebüsch, welches die dürftigen Ueberreste bedeckte, ist vor Kurzem 
entfernt worden und so traten die Grundmauern des ansehnlichen 
Gebäudes noch einmal an das Licht des Tages. Jetzt werden wohl 
auch die Mauerreste schon entfernt sein und Felder und Weingärten 
mögen die Stätte der lutherischen Kirche einnehmen. 

Auch für Kärnten bringt der Herr Verfasser manches Neue. 
Die entscheidenden Vorgänge im Jahre 1600, über welche auch Herr 
Professor Norbert Lebinger in den Programmen des Gymnasiums 
zu Klagenfurt (1867 und 1868) berichtet hatte, treten dadurch schärfer 
hervor. Die missliche Lage der Prädicanten und Lehrer, darunter 
Hieronymus Megiser, die auch von den Landes- Verordneten ver- 
lassen wurden, wird genauer beleuchtet. Die Beilagen, welche wörtlich 
abgedruckt sind, tragen folgende Ueberschriften : 1. Fragen, gestellt 
an die gefangenen Lutheraner in Eisenerz. 2. Ein Vaterunser. 
3. , Hansen Kuppitschitsch Pann-Richter in Steyr Tax von der Exe- 
cution über die Evangelischen zu Eisenärtzt, Aussee, Schladming, 
Greming und Rottenmann.* 4. ,Vertzeichnuss derjhenigen rebellischen 
gefangenen Personen TaufT- und Zuenamen, so der Zeit in Grätz 
gefurt und noch gefenglich* etc. 5. ,Vertzaichnuss, was die Kriegs- 
leut für Flecken eingenommen und Kirchen zerstört und Bücher 
verbrennt.* 6. und 7. Briefe aus Klagenfurt und Laibach aus den 
Jahren 1600 und 1601. 



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XIX. 

Verzeichniss 

der Mitglieder der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus 

in Oesterreich. 

Als Gründer sind der Gesellschaft beigetreten : 

Brünn die evangelische Kirchengemeinde, 

Herr Carl Baron Offermann in Brünn, 
Robert Schorisch in Lundenburg. 



Mitglieder: 



1. Abel, Louis. Kaufmann, Wien. 

2. Abich, H., kais. russ. Staatsrath, Wien. 

3. Arthaber. Rud. v., Kaufmann, Wien. 

4. Asch, Presbyterium. 

5. Asche, L. F., Kaufmann, Wien. 
©. Aust, Carl, stud. theol., Wien. 

7. Backhaus, F., k. k. Hof-Anstreich., Wien. 
S. Bareuther, E., Dr., Hof- und Gerichts« 

Advocat, Reichsraths- Abg., Wien. 
9. Bauer, Carl, Superintendent, Tressdorf. 

10. Bernhard, A., Pfarrer, Dauba. 

11. Berwer, Friedr., Presbyter, Brünn. 

12. Bielitz, ev. Gemeinde. 

13. Bielitz, ev. Lehrerbildungsanstalt. 

14. Binder, Joseph, Lehrer, Wien. 

15. Bleiberg, Presbyterium. 

16. Böhl, E., Dr. theol. et phil., o. ö. Prof. 

an der k. k. ev.-theol. Facultät, Wien. 

17. Boruta, Joh., stud. theol., Wien. 

18. Braumüller, W. Ritter v., k. k. Hof- 

und Universitäts-Buchhändler, Wien. 

19. Brunner von Wattenwyl, Carl, Dr., 

k. k. Minist.-Rath, Wien. 

20. Brüxner, A., Dr., Hof- und Gerichts- 

Advocat, Wien. 
»I. BUhler, Ernst, Gen.-Dir. i. P., Prerau. 

22. Buschbeck, E., Dr., Superint., Triest. 

23. Capesius, V., Dr., Hof- und Gerichts^ 

Advocat, Wien. 

24. Carlsbad, Preshyterium A. C. 



25. Criegern, v., Dr., Subdiakonus, Gen.- 

Secr. d. Gustav-Adolf-Vereins, Leipzig. 

26. Se. kgl. Hoheit Herzog v. Cumberland, 

Gmunden. 

27. Czernowitz, Presbyterium. 

28. Czerwenka, Bernh., Dr. theol., Pfarrer, 

Frankfurt a. M. 

29. Dedic, J., Pfarrer, Olmütz. 

30. Dianiska, Pfarrer, Leutschau. 

31. Diez, E. F., Pfarrer, Efferding. 

32. Dräsche, Rudolf Ritter v., Wien. 

33- Dübell, Carl, k. k. Hoftischler, Wien. 

34. Doleschall, E. A., ev. Pfarrer, Budapest. 

35. Eger, Presbyterium. 

36. Elze, Th., Dr., Pfarrer, Venedig. 

37. Erggelet, Max Freiherr v., Wien. 

38. Ergenzinger, Jul., Pfarrer, Reichenberg. 

39. Erlanger, Victor Baron v., Wien. 

40. Fähndrich, Gustav, Gen.-Director der 

Wiener Gasindustrie-Gesellsch., Wien. 

41. Ferbas, Pfarrer, Görkau (Böhmen). 

42. Fernau, Reinhard, Grossindustr., Wien. 

43. Fiers, Conrad, Curator der ev. G* 

meinde Mödling. 

44. Figdor, Ferd., Grossindustrieller, Wien. 
45- Formey, A., Pfarrer, Wien. 

46. Frank, Fr., Curator d. ev. Gem. Znaim. 

47. Frank, G., Dr. theol., geistl. Rath des 

k. k. ev. O.-K.-R., o. ö. Professor an 
der k. k. ev.-theol. Facultät, Wie». 



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198 



48. Frank, C. M., Kaufmann, Wien. 

49. Frankendorfer, Carl, Pfarrer, Jakobenjr 

(Bukowina). 

50. F ranz, E., Dr., k. k. Landesger.-Rath, 

Mitglied des k. k. ev. O.K.R., Wien. 

51. Franz, R., Dr., Sections-Rath im k. k. 

Ministerium für Cultus und Unterricht, 
Wien. 

52. Frauer, E., Grosshändler, Triest. 

53. Freude, Fridolin, Presbyter, Brünn. 

54. Frick, W., k. k. Hofbuchhdl , Wien. 

55. Friedmann, A., Privatier, Wien. 

56. Fritsche, Herrn., Pfarrer, Wr. -Neustadt. 

57. Fritsche, R., Professor, Teschen. 

58. Fromme, C, k. k. Hofbuchdr., Wien. 

59. Fronius, Joseph, Pfarrer, Czernowitz. 

00. Gablonz, Presbyterium. 

01. Gabrys, Jon., Hausbesitzer, Teschen. 

62. Glammer, Carl, Kaufmann, Wien. 

63. Gmunden. Pfarramt der ev. Gemeinde. 

64. Gontard, k. k. Generalmajor, Prossnitz. 
05. Görkau-Rotenhaus, Presbyterium. 

66. Graz, Pfarramt der ev. Gemeinde. 

67. Graz, Presbyterium. 

68. Grosse, Friedr., Buchhändler, Olmütz, 

69. Se. kgl. Hoheit Prinz Gustav von 

Sachsen- Weimar, Wien. 

70. Haase, Th., Dr., Superintendent, Reichs- 

raths-Abgeordneter, Teschen. 

71. Habrich, Gustav, Rentier, Wien. 

72. Hansen, Theophil Ritter v., Ick. Ober- 

baurath, Wien. 

73. Härtung v. Härtungen, Dr., Wien. 

74. Haueis, Gymnasialdirector, Baden. 

75. Heck, J. W., Pfarrer, Mödling. 

76. Heimann, Heinrich, Superintendential 

Curator, Wien. 

77. Hermannstadt, ev. Gymnasium. 

78. Hetzer, Carl, Fabrikant, Wien. 

79. Hirschfeld, Otto, Dr.. k. k. Universi- 

täts-Professor, Wien. 

80. Historickv casopis. zu Händen des 

Herrn F. Hoblik, Pardubitz. 

81. Hofnarr, Math., Fabrikant, Wien. 

82. Hönel, J., Superintendent, Biala, 

83. Hrauda, W., Drechslermeister, Wien. 

84. Hübner, H., Pfarrer, Troppau. , 



85. Humpolec, Presbyterium. 

86. Innsbruck, Presbyterium. 

87. Janik, Georg, Pfarrer, üstron. 

88. Jenny, Carl, Professor an der k. k. 

technischen Hochschule, Wien. 

89. Johanny, Erich, stud. theol., Wien. 

90. Jungmayer, Josef, stud. theol., Wien. 

91. Kanka, Georg, Mitglied des k.k. ev. 

O.-K.-R., Pfarrer, Wien. 

92. Kirchner, Ant., Reallehrer, Wien. 

93. Kirschnek, Joh. Bapt., Kaufmann, 

Wien. 

94. Klamer, Carl, Fabrikant, Wien. 

95. Klebeck, Pfarrer, Brünn. 

96. Klima, A., Pfarrer, Christdorf (Mähr.). 

97. Koch, J., Senior und Pfarrer, Eger. 

98. Kocb, Fr., Pfarrer, Gmunden. 

99. Koch, J. E., Superintendent, Wallern. 

100. Koelsch, Restaurateur, Wien. 

101. Köhler, Wilh., Buchdruckerei-Besitzer, 

Wien. 

102. Körting, Georg, Presbyter, Brünn. 

103. Kosczol, Johann, stud. theol., Wien. 

104. Kosak, Dr. med., Baden. 

105. Kotschy, Aug., Pfarrer, Attersee. 

106. Kotschy, Friedr., Pfarrer, Ramsau. 

107. Kotschy, Heinr., Sen. u. Pf., Wald. 

108. Krackhardt., Ernst, Presbyter, Brünn. 

109. Krcal, Carl, Pfarrer, Bregenz. 

110. Kühne, Pf., Langwolmsdorf (Sachsen), 
in. Kulisz, Johann, stud. theol., Wien. 

112. Kupferschmied, Gust., Pfarrer, Weich- 

sel (Schlesien). 

113. Kuzmany, Victor, stud. theol., Wien. 

114. La Grange, Eduard, Wien. 

115. Lamel, Franz, Dr., Wien. 

116. Lany, v., Senior u. Pfarrer, Öernilov. 
M7. Leidenfrost, Robert, Dr., Senior und 

Pfarrer, Graz. 

118. Leisching, Eduard, Kaufmann, Wien. 

119. Lenz, Alfred, Director der Nordbaho, 

Reichsraths-Abgeordneter, Wien. 

120. Lucas, Joh., Wirthschaftsratb, Wien. 

121. Luz, Carl, Presbyter, Brünn. 

122. Lisztwan, Adam, Alt-Bielitz. 

123. Lume de Luine, J. G., kgl. hannov. 

Geh. Legationsrath, Wien. 



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I 



199 



124. Lukics, Oskar, stud. theo!., Wien. 

125. Marburg, Presbyterinm. 
!2b. MaroUy, R., Pfarrer, Wien. 

127. Mayer, Franz, Dr., k. k. Gymnasial- 

Professor, Graz. 

128. Medicut, H., Senior u. Pfarrer, Triest. 

129. Mehnert, JuL, Verwalt.-R„ Gmunden. 
ijo. Mockovcsak. Senior u. Pfarrer, Neu- 

sohl (Ungarn). 

131. Mödling, Presbyterium. 

132. Molnar, Felix, Pfarrer, Pilsen. 

133. Molnar, Dan. Th., Superint., Prag. 

134. Mook, Job. Pet., Kaufmann, Wien. 

135. Murmann, E. Ritter v., Priv., Wien. 

136. Narath, Albert, Fünfhaus. 

137. Neunkirchen, Presbyterium. 

138. Niese, C, Prof. u. Pf., Bahrendorf, 

(Sachsen). 

139. Nördling, Wilh. Ritter v., k. k. Sect.- 

Chef L P., Wien. 

140. Oberkirchenrath. k. k. ev., Wien. 

141. Obermayer, Franz, Gastwirth, Wien. 

142. Otto, Carl Ritter v., Dr. theol. et 

phil., k. k. Reg.Rath, o. ö. Prof. 
an d. k. k. ev.-theol. Facultät, Wien. 

143. Patonay, G., Schneidermeister, Wien. 

144. Plattensteiner, Moritz, Dr., Hof- und 

Gerichts-Advocat, Wien. 

145. Porubszky, Emil, Kaufmann, Wien. 

146. Pospisi'l, Chr., Pfarrer, Humpolec. 

147. Preidel, Friedrich, Privatier, Wien. 

148. Ramsau, Presbyterium. 

149. RegensdorfT, F., Kaufmann, Triest. 

150. Reichenberg, Presbyterium. 

151. Reichenecker, Carl, Kaufmann, Riga. 

152. Reissenberger, Professor Dr., Graz. 

153. Renner, H., Kaufmann, Triest. 

1 54. Rittmayer, Carl Ritter v., Kfm., Triest. 

155. Rolf, Carl, stud. theol., Wien. 

156. Rollet, Hermann, Dr., Baden. 

157. Romig, Theodor, Brünn. 

158. Roskoff, G., Dr. theol., o. ö. Prof. 

an d. k. k. ev. theol. Facultät, Wien. 

159. Royer, Moritz, stud. theol., Wien. 

160. Rusch, Gust., k. k. Professor, Wien. 

161. Sääf, Carl Ritter v., Dr., Hof- und 

Gerichts-Advocat, Wien. 



162. Sarg, Carl, k. k. Rath, Wien. 

163. Satzger, Chr., Gutsbesitzer, Wien. 

164. Sauerlander, J. J., Kaufmann, Wien. 

165. Schack, O., Pfarrer, Wien. 

166. Schädel, Friedr., Pfarrer, Koloroea. 

167. Schellbach, JuL, Buchhändler, Wien. 
r68. Schenner. W., Professor am Conser- 

vatorium, Wien. 

169. ScheufTler, J., Pfarrer, Lawalde. 

170. Schindler, Pfarrer, Innsbruck. 

171. Schmidag, Ed., Pfarrer, Unterschuß 

zen (Ungarn). 

172. Schmidt, Job. G., Senior u. Pfarrer, 

St. Ruprecht. 

173. Schmidt von Altenheim, Baron, Prä- 

sident des k. k. ev. O.K.R., Mitgl. 
des Herrenhauses, Wien. 

174. Schneider, K. S., Superint., Bielitz. 

175. Schneider, Diakonus, Lemberg. 

176. SchoeUer, G. Ritter v., Presbyter, 

Brünn. 

177. SchoeUer, Gust. Ritter v., Wien. 
17S. SchoeUer, Alex. Ritter v., Grossin- 
dustrieller, Wien. 

179. SchoeUer, Paul Ritter v., Wien. 

180. Schröder, A. Rieh. Ritter v., Consul, 

Triest. 

181. Schulte, Herrn., Fabr.-Dir., Gmunden. 

182. Schur, Ferd., Pfarrer, Bielitz. 

183. Schwarz, A., Senior u. Pfarrer, Gall- 

neukirchen (Ob.-Oesterr.). 

184. Skene, Aug. v., Grossindustr., Wien. 

185. Spohn, J. A., Kaufmann, Wien. 

186. Stählin, G. A., kais. Rath, Superint. - 

Curator, Brünn. 
J87. Stettner sen., J., Curator der ev. 
Gemeinde A. C. in Triest. 

188. Szüts von Tasnid, Privatier, Wien. 

189. Stiller, Franz, stud. theol., Wien. 

190. Teschen, Pfarramt der ev. Gemeinde. 

191. Teschen, Presbyterium. 

192. Teschenberg, E. Freih, v., a. o. Ge 

sandter und bev. Minister, Wien. 

193. Thausing, M., Dr., k. k. Universitäts 

Professor, Wien. 

194. Thienen-Adlerflycbt, Freih. v., Mini- 

ster-Resident, Wien. 



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200 



195- Thomann, Achilles, Wien. 

196. Trauschenfels, E. v., Dr., Mitgl. d. 

k. k. ev. O. K. R., Wien. 

197. Trautenberger, G., Lic. theol. u. Dr. 

phil., Senior und Pfarrer, Brünn. 

198. Tressdorf, Presbyterium. 

199. Tschudi, J. J. v., Dr. phil. et med., 

a. o. Gesandter und bev. Minister 
der Schweizer. Eidgenossenschaft. 

200. Uebel, Gebrüder, Rossbach (Böhmen). 

201. Ulrich, Pfarrer, Ruzenmoos (Ob.-Oest.). 

202. Umgelter, Wilh., Brünn. 

203. Unruh, Gräfin, geb. von Bockum- 

Dolfifs, Berlin. 

204. Unkart, Albin, Ober-Ingenieur. 

205. Viereck, Fabrikant, Reitendorf (Mähr.). 

206. Wahliss, Ernst, Kaufmann, Wien. 

207. Waldstein, Paul, Dr., Wien. 

208. Wanner, O Bäckermeister, Wien. 

209. Wien, Presbyterium A. C. 

210. Wien, Presbyterium H. C. 

211. Winkler, C, Buchhändler, Brünn. 



212. Wittgenstein, Louis, Kaufm,, Wien 

213. Wits, C. A^ Dr. theol., Mitglied des 

k. k. ev. O.-K.-R., Pfarrer, Wien. 

214. Witz, P.E., Pf., Cossweiler(N.-E!sass). 

215. Wolkan, Rudolf, Dr., Prag. 

216. Zajic, St., Lehrer and. ev. Schule, Wien. 

217. Zeitz, Eduard, Presbyter, Brünn. 

218. Zimmermann, Vict., Fabrikant, Wien 

219. Zimmermann, Paul, Dr. theol., Con 

senior u. Pfarrer, Wien. 

220. Zipser, K.. Senior u. Pfarrer, Hohtr 

bach (Galizien). 

221. Zlik, Arnold, Pfarrer, Teschen. 

222. Znaim, Presbyterium A. C. 

223. Zurhelle, Heinr., Presbyter, Brünn. 

224. Zuylen van Nyevelt, Jul. Graf, kgl 

niederl. a. o. Gesandter und bev. 
Minister, Wien. 

225. Zahn, J. v., Prof. Dr., Dir. d. steierm. 

Landesarchivs, Graz. 

226. Zwiedineck v. SUdenhorst, Hans, Dr., 

Bibliothekar am Johanneuni, Gra: 



Mitglieder des Centrai-Vorstandes: 

Dr. Carl Ritter von Otto, 
k. k. Regierangsrath und o. ö. Professor an der k. k. evang.-theologischen Facultät in Wien, 

Präsident. 

Dr. C. A. Witz, Dr. Theodor Haase, 

k. k. Oberkirchenrath und Pfarrer der ev. Gemeinde Reichsraths- und Landtags - Abgeordneter, Suptf 
H. C. in Wien, ntendent der mährisch - schlesischen ev. Diöce* 

Vicepräsident. A. C. und Pfarrer in Teschen, 

Vicepräsident. 

Dr. Gustav Trautenberger, J. W. Heck, 

Senior und Pfarrer in Brünn, Pfarrer in Mödling bei Wien, 

Archivar. 

Dr. Carl Ritter von Sääf, 
Hof- und GerichU-Advocat in Wien, 
Cassier. 

Baron Victor von Erlanger 



Carl Bauer, 
it der Wiener ev. Diöcese A. C. und 
Pfarrer in Tressdorf. 

Dr. Eugen von Trauschenfels, 
k. k. Oberkirchenrath. 

Dr. Paul Zimmermann, 
Conseoior und Pfarrer der ev. Gemeinde A. C. 
in Wien. 



in Wien. 

Gustav Rusch, 
Professor an der k. k. Lehrerbildungs-Anstalt 
in Wien. 

Jean George Lunte de Luine, 
k. hannov. Geh. 



'4 



- f. 



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Namenregister. 



Albinos Konrad 68. 
Altenberger Barthol. 34. 35. 
Andrea v. Ferrara 1. 
Ankerstein Fr. v. 29_. 
Ansinger Ursula 21l 
Anton Erzb. v. Prag 58. (kl 
Arndt 189. 

Arwitz Christoph 98. 

Aschinger Hans 131. 

Auer Matthäus 6Jl 

Auscha Karl v. 6_o^ 

Badie Joh. Coste 78. 

Balzer 116. 

Bahnmayer 188. 

Baudisch Adam 62, 

Beer Friedr. 95. 

Begue (Beghe) Lamb. le 93. 

Bei Matthias 95. 

Benczur Jos. 95. 

Berka von Duba u. Lipa 55 ff. 
122 ^ — Adam 6. 6_L 
107» — Christoph Iii. 116, 
Dietrich (Georg) 58. 60, 
UL — Heinrich 105. 113. 
H7. — Johann 6jl — Ja- 
roslav 107. — Peter 107. 
I0JL — Sigmund 57. 58. 
113. — Wenzel 113. 115. — 
Wolf U2i — Zbynko 57. 
60, in. — Zdislav 52: 
107 ff. 

Brumler Marcus 124. 

Blanicky I2g. 

Bogner Barthol. SA 

Jahrbuch de* Protestantismus i 



Bonomo Pietro 2» 4. 
Boos Martin 146 ff. 151. 
Bornemisza ££. 
Bramburg Paul 122. 
Breitinger Joh. Jak. 124. 
Brendel Joh. 67. 
Breu Joh. 67. 
Breunlein Vitus 6jr 
Brunonius Joach. (>H. 
Buchanan Georg 173. 
Bullinger 12L 

Burkhard de Monte 24. 25. 
Busch Ludw. 67. 
Camerarius 174. 
Concili Adam 
Conopöus Paul 64. 
Contarini Gasp. L 
Cruciger Albert ioi. 
Crudy Dan. 95. 
Crusius Martin 175. 
David Gabr. 79^ 
Davidis Franz 37. 
Dieterich Veit 12, 176. 
Dietrichstein v. 193. 
Dischler Mich. 5. 
Dobblhof 7J. 
Donin Frhr v. I2L 
Dragolitz Georg 3. q. LL 

14. LÜL iJL 20, 
Eberhard 101. 
Ehinger El. 6JL 
Eifricht Kaspar 103. 
Eising Georg 103- 
Ender 76. 
18*. 



Ernst Erzherzog 70. 

Faber Heinr. 165. 16JL — 

Simon (kl d_l 
Fabricius 168. 173. 
Ferdinand L 8, 9. 2J. 30. 44, 

70. 99. 108. 109. IIP. — 

II. 6j. 22. Il6» -V I". U! 
Fleischmann Joh. 62. 

Fock Joh. Georg 79. 

Förster Mich. 68, 

Freisleben Christ. 24. 

Friedenthal Sal. v. 105. 

Funck Phil. 174. 

Gabriel Adam 105. 

Garzaroll 135. 

Gelnhausen Joh. v. 96. 

Georg Herzog v. Liegnitz 

Georgi io_2. 

Geymeyer 186. 

Giech Karl Graf 193. 

Glatz 151. 

Glogger (Glockhner) Lampert 
128. 

Godeschal Peter 67. 
Goef Joh. 6& 
Göschl Martin 97. 
Graul Traug. 67. 
Graun Joh. 6iL 
Greisen Joh. Sigm. v. 66, 
Grisenheuer Jak. 71. 
Gualther 122» 

Haag Joh. Aschpan v. 62- — 
Hans Joach. Aschp. v. 62. 
Hachl Hans 6JL 

15 



202 



Hacke Matth. 116. 
Hatzfeld Franz v. 193. 
Haims 97. 

Hardeck Georg Fr. 66. 67. 
Hartmann Georg 68. 
Haugwitz Matth. 103. 
Heider Helmh. 67. 
Heine Andr. 59. 
Heinz Martin 35. 
Helmreich 137. 
Helt Kaspar 35. 
Henkel Joh. 86. 
Hensel Joh. 91. 
Hermann in Iglau 96. 
Hessus Eobanus 177. 
Hetzler Joh. 114. 
Heusler Martin 9S. 
Hirschberger Erasm. 57. 109. 
Hoff Margar. 7°- 
Hoffmandel Isaak 66. 
Hofmann Ludw. 114. 
Hontems Joh. 33. 34. «73- 
Hoppe Joh. Ehrenr. 78. 
Jäntsch 60. 
Jeszendk 95. 
Institoris Mich. 95. 
Jörger Frhr v. 193. 195. 
Johannes VI. Grimani I. 
Isabella 32. 35. 
Judex Matth. 166. 172. 176. 
Jung Hadr. 171. 
Juritschitsch Georg 15. 
Karl V. 30. — VI. 72. 
Katzianer Franz 2. 6. 7. — 

Hans 6. 
Khevenhiller Hans v. 193. 
Khuenburg Ferd. Graf 72. 
Khun Georg 66. 
Kielmannsegg Joh. Ph. v. 69. 
Klombner Martin 10. 
Knapp 188. 189. 193. 
Koch Wolfg. 67. — J. E. 185 ff. 
Kollonitsch Sigm. Graf. 74. 
Kolowrat Zdenko v. 63. 65. 

— Johann Novohradski v. 

115. — Zbynko v. 115. 



Kotschy 185 ff. 
Kovdcs-Martinyi 95. 
Krafft Peter 68. 
Krainer Andr. 67. 
Krajek Konr. Frhr v. 121. 
Kuefstein Graf 75. 
Kühnel Balth. 65. 
Kunikh 71. 

Kunst Joh. Kckard 67. 
Kuppitschitsch 196. 
Lärcher Hans 74. 
Latus Matth. 115. 
Lamberg Frhr v. 193. 
Lamperger Anna 71. 
Lang Jes. 86. — Georg Ktnst 
114. 

Langer Georg 103. 
Langkhals Dan. 68. 
Lauius Jak. 67. 
Laurentius Martin 57. 
Lauterbach Hieron. 130. 131. 
Lazius Wolfg. 24. 
Lederer 185. 186. 
Lehmann Theoph. 62. 
Leisentritt Joh. 60. 
Leopold I. 76. 87. 
Leporinus Mich. 103. 
Leupold Hans 101; s. Löwen 
thal. 

Liebhardt Mich. 115. 
Lorenz Georg 63. 
Lortius Barthol. 103. 105. 
Losenstein Baronin v. 67. 
Lossius Lucas 172. 176. 
Löwenthal Luc. Leupold v. 

97- 

Ludwig II. 86. 98. 102. 108. 
Luther 155. 161. 169. 171. 175. 
181. 

Magnus Joh. 58. 
Major Georg 176. 
Managetta 75. 
Manner Dan. 67. 
Marbach Phil. 129. 130. 
Maria Dorothea Erzh. 185 ff. 
Martinuzzi 32. 



Marx Gratian 96. 
Masius Matth. 68. 
Mathias Erzh. 71. 
Mathusius Wencesl. IOI. 
Maximilian I. 76. 
Mayr 189. 

Medier Nik. 166. 172. 
Megartopolus Joh. 67. 
Megiser Hieron. 196. 
Melanthon Phil. 168. 170. 172. 

«75- 

Melzer Mich. 59. 
Mendel Joh Joach. 68. 
Mertlitz Leonh. 3. 6. 9 10 

14. 15- 

Metternich Fürst 190. 
Mispach Nik. 67. 
Mönch Jakob 63, 
Moser Martin 67. — Job. Jak. 
I02. 

Mylius Martin 166. 171. 
Nausea Friedr. 6. 23. 39 ft. 
Nether Peter 59 vgl. 116. 
Neidhardt Martin 114. 
Neuhausen Joh. Kasp. v. 66. 
Nicolaus Kaiser v. R. 190. 
Nigdi Wenzel 61. 
Ochino Bern. I. 
Oed Graf 75- 
Oenotrius Martin 18. 
Osius Hieron. 130. 
Pellicanus 121. 
Pelsern 75. 
Pergener Osw. 121. 
Petrowitsch Peter 3$. 
Phauser Joh. Seb. 122. 
Philadelphus Anton 87. 
Pica 131. 
Posch Steph. 68 
I Polanus v. Polansdorff 105. 
Polhaim Elisabeth v. 68. - 

Gundaker v. 68. 
Poppius 60. 
Portner Gregor 18. 
Praunfalk v. 193. 194. 
Pregl Martin 10. 



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Preissner Thomas 86. 
Puchberg Christ. Puchner v. 

69. — Zacharias Langjahr 

v. 69. 

Puchlsperger Margaretha 71. 

Purger Mich. 15. 

Ouinos Bruno 117. 

Rabatta Jos. 15. 18. 

Rägknitz Gallus Frhr zu 151. 

Rakoczy II. 87. 

Ramser Matth. 34. 35. 

Rauber Christ, v. 2. 3. 4. 5. 

Reuter Joh. Ulr. 124. 

Rezik Joh. 89. 

Rhodmann 67. 

Ringsmaul Gräfin 78. 

Ripur Joh. v. 24. 

Rokavez Kaspar 14. 16. 

Roscher Gregor 118. 

Rosenauer Karl 92. 

Roth Lukas 34. 

Kudolf IL 71. 117. 

Rümelin Paul Jak. 69. 

Runäus Georg 128. 

Sadeler Bernh. 114. 

Sääf 185 ff. 

Sahihausen Hans 62. — Wolf 

63. 

Salzburger Thom. 68. 
Salzer Amhros. 24. 
Schachner Georg 71. 
Schad Matth. 114. 
Schafgotschc E. W. Graf 145. 
Schallenbergk Ge. Chr. v. 68. 
Schärner Joh. 68. 
Schätzinger 78. . 
Schech Heinr. 68. 
Scheller Matth. 114. 
Scherer Jak. 15. — Wenzel 114. 
Schneeweis Simon 97. 
Schimko Friedr. 95. 
Schönsleber Christ. 59. 
Schurer Val. 114. 



203 

Schütter Georg v. 68. 
Schwäger Joh. 6S. 
Scriba Pancr. 114. 
Scribonius II. 60. 
Seebach Pet. v. 2. 
Seilern Graf 75. 
Serpilius Lorenz 86. 
Sfondeli Christ. 68. 
Siber Adnm 171. 
Siebenlot Blasius 103. 
Siegl Gedeon 68. 
Sigismund v. Polen 108. 
Sigler Joh. 92. 
Sinzendoif Graf 75. 
Skaricza Gabr. 95. 
Soranzo Vitt. I. 
Speratus P. 97. 98. 
Stockei Leonh. 86. 
Stolz Jak. 66. 
Sophie Rrzh. 190. 
Stotzinger Elias 19. 
Strachwitz v. 60. 
Strauss Phil. 15. 17. 
Ströbel Peter 66. 
Stromssky 189. 
Stubenberg Georg 68. 
Stueler Matth. 59. 
Sturm Joh. 168. 178. 182. 
Sutorius Daniel 117. 
Sylvius Ilieron. 67. 
Szeberenyi Joh. 91. 
Szentmikl6sy Georg 86. 
Tapinäus Joh. 100. 101. 
Tauber Joh. 68. 
Tectander Martin 117. 
Tennemann 75. 
Teubner Ulrich 64. — Wenzel 

Udalrich 115. 
Textor Urban 7. 8. lt. 19. 
Thomka Szaszky Joh. 95. 
Tilmann Andr. 66. 
Trangous Jos. 90. 
Tranoscius Georg 106. 



Traun v. 193. 
Tribauer Tob. 99. 
Trinkhl Esmar 71. 
Trüber Primus. 2. 3. 4 5. 7. 
8. 10. 

Utyschewitsch Georg 32. 
Valerius Com. 175. 
Vergerius P. P. 2. 
Villinus Bernh. 24. 
Vischer Joh. 67. 
Vogel Theod. 68. 
Vulturius Andr. 66. 
Wächter 151. 

Waldstein (Wallenstein) Albr. 

v. 63. 64. 
Walther Bernh. 24. 
Warasdiner Joh. 14. 
Wartenberg Joh. Georg v. 115. 
Weidner Franz 34. 
Weinfürer 18. 
Weiss Paul 59. 60. 113. 
Wertwein Christ. 24. 
Widhauer Joh. 67. 
Wiener Paul 1 ff. 
Wiesmayer 189. 
Windischgrätz v. 193. 
Winkler Andr. 68. 
Winterberger Martin 97. 
Witzel Georg 17. 
Wolfin Joh. 68. 
WoUTgeil Joh. K. 145. 
Worms Peter 68. 
Würben Frhr v. 105. 
Zach v. 115. 

Zamrski Martin Philad. 103 ff. 
Zdpolya Joh. 86. 
Zelcking Frhr v. 68. 
Zenkfrei Martin 103. 
Zesius 10 1. 

Ziegler Ambrosius 122. 
£ierotin Karl 150. 151. — 
Ladislaus Welen 150. 152. 



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JAHRBÜCH 

der 

Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus 



in Oesterreich. 




Wien und Leipzig. 

Julius Klinkhardt. 

1883. 



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INHALT. 



Seite 

I. Tauberiana. Mitgetheilt von Dr. Karl R. von Otto I 

II. Zwei Predigten des Hofpredigers Abraham Scultetus. Von Dr. Carl Reissen- 

berger in Graz 20 

III. Religionsbeschwcrden der evangelischen Stände von Steiermark, Kärnten 

und Krain. Von Senior Dr. Robert Leidenfrost in Graz 26 

IV. Oesterreichische Exulanten in Sachsen. I. Von J. Scheuffler, Pfarrer in 
Lawalde (Sachsen) 3 1 

V. Heraldisch - genealogische Wanderungen auf den Wiener evangelischen 
Friedhof. Von Alfred Grenser 35 

VI. Bericht des Centrai-Ausschusses über das Vereinsjahr 1882 46 

VII. Beiträge zur Reformationsgeschichte in Krain. 1. Von A. Dimitt ... 49 

VIII. Studien zur Reformationsgeschichte Nordböhmens. III. Von Dr. R. Wolkan 67 

IX. Die Silleiner Synode. Von E. A. Doleschall, evang. Pfarrer in Budapest 96 

X. Gallus Freiherr von Rägknitz, das Haupt der österreichischen Exulanten 

in Nürnberg. Von Lic. Dr. Gustav Trautenberger 105 

XI. Exulantenlieder. Mitgetheilt von Pfarrer J. Friedrich Koch in Gmunden . 139 

XII. Studien zur Reformationsgeschichte Nordböhmens. IV. Von Dr. A\ Wolkan 145 

XIII. Heimatssehnen eines Transmigranten. Von Pfarrer y. Friedrich Koch in 

Gmunden 168 

XIV. Zwei Memoriale der aus Oberösterreich, Steiermark und Kärnten nach 
Siebenbürgen transmigrirten Evangelischen an das Corpus Evangelicomm. 
Mitgetheilt von Dr. Karl R. von Otto 181 

XV. Miscellanea. 

t, Zu Jahrgang II. S. 147- (ScheufflerJ 188 

2. Die frühesten Opfer des Protestantismus in Kärnten, 1531 (Elze) 188 

3. Grazer Christenlehre im 16. Jahrhundert (Trautenberger) .... 189 

4. Das Cultusverhältniss der Bevölkerung Oesterreichs fO.J .... 190 

XVI. Mitglieder- Verzeichniss 191 

Namenregister 195 



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I. 

Tauberiana. 

Mitgetheilt von Dr. CAKL VON OTTO. 

Auf Anregung des Cardinal-Legaten Lorenzo Campeggi hatten 
am 6. Juli 1524 der Erzherzog Ferdinand von Oesterreich, die Herzöge 
Wilhelm und Ludwig von Bayern, der Cardinal-Krzbischof Matthäus 
Lang von Salzburg und einige Bischöfe eine Vereinbarung zu Regens- 
burg abgeschlossen, durch welche sie sich hauptsächlich auch zur 
strengen Durchführung des, gegen Luther und seine Anhänger 
erlassenen, , Wormser Edicts* in ihren Landen verpflichteten. 

Bald zeigten sich in Oesterreich die Folgen dieser Vereinbarung. 
In Wien wurden mehrere der lutherischen Ketzerei Verdächtige in s 
Gefängniss, den , Kärntnerthurm* 1 ), gesetzt. Der Standhafteste unter 
ihnen war Kaspar Tauber, ein angesehener Bürger -). 

Eine creistliche Commission sollte über die gefangenen Ketzer 
Gericht halten. Die Mitglieder dieser Commission, welche ihre 
Sitzungen unter dem Präsidium des Bischofs Johannes de Revellis 
Ii* 1530) im Augustinerkloster hielt, waren: der juridische Professor 
und Domherr Dr. iur. Udalrich KaufTmann 3 ), welcher die Anklage 
vertrat, der Dominicaner D. Johannes Faber, päpstlicher Protonotar 
(t 1541 als Bischof von Wien), seit 1522 unermüdlicher Gegner der 

reformatorischen Bewegung 4 ), D. Michael, Ceremoniär des (damals 

» 

l ) lieber dieses Gefängniss berichtet Realis-Kohler Curiositaten- und Me- 
morabilien- Lexikon von Wien (W. 1840) Bd. 2. S. 94 fL 

s ) Eine kurze Mittheilung über ihn habe ich in der historischen Skl.'/.e ., I>ie 
Anfange der Reformation im Er/herz-igthum Oesterreich (1522 — 1504)" gegeben: 
Jahrbuch 1880. S. n f. 

9 ) Vgl. R. v. Aschbach Gesch. d. Wiener Universität. Bd. 2, S. 104. 

*) Vgl. Wagen mann in Herzogs Real-Encykl. f. prot. Th. u. K. (2. Aufl.) 
Bd. 4. S. 475 ff- 

Jahrbuch ilcs Protestantismus iBS}. Hl, \ 



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2 



in Wien anwesenden) Cardinais Campeggi, D. Wolfgang Kranecker, 
Prior der Carmeliten und Decan der theologischen Facultät, der 
Augustiner D. Johannes Klein, der Minorit D. Johannes Camers 1 ), 
D. Valentin Kraler 2 ), D. Christoph Khylber 3 ), der Domdechant von 
St. Stephan, der bischöfliche Kanzler D. Peter. 

Nach dem Urteilsspruch dieser Commission sollte Tauber an 
drei Sonntagen seine, früher von ihm — doch nur in bedingter 
Weise — schriftlich widerrufenen, Irrthümer (als hauptsächlichster 
galt seine Leugnung der Transsubstantiationslehre) öffentlich vor dem 
grossen Thore der Stephanskirche widerrufen. Am 8. September 1524 
auf die dort errichtete Tribüne gebracht, erklärte derselbe, dass er 
von seinen Richtern keines Irrthums überwiesen worden und folglich 
nicht widerrufen könne, und appellirte zugleich an das Heilige 
Römische Reich. 

Doch die Commission Hess sich in ihrem Vorgehen nicht irre 
machen, sondern bereits am 10. September Tauber vorführen, um 
in Gegenwart des Bürgermeisters (Hans Suess) und mehrerer Raths- 
herren, die als Zeugen beigezogen worden, ihn als hartnäckigen 
Ketzer zu verurtheilen und der weltlichen Obrigkeit (dem gleichfalls 
anwesenden Stadtrichter Ulrich Kuck) zur Vollziehung des Urtheils 
zu überliefern. 

Am Morgen des 17. September wurde Tauber durch das Stuben- 
thor (über den jetzigen Stubenring) hinaus zur gewöhnlichen Richt- 
stätte, der s Gänseweide* (Erdberg) gefahren 4 ), daselbst enthauptet 
und auf einem Scheiterhaufen verbrannt. 

Luther hat ihn unter die vornehmsten Blutzeugen der evange- 
lischen Kirche gezählt 5 ). 

Alsbald nach Taubers Hinrichtung erschien eine Schrift: „Eyn 
ivarhafftig geschieht |] wie Caspar Tawber, Burger zu Wienn \ in 
Österreich für eiu Ketzer, vnnd |[ zu dem todt verurtaylt vnd || auss- 
gefürt worden ist. |j />?./.'• (o. O.) 4. 10 Bll. — Diese Schrift scheint 
schon zur Zeit Raupach's (1732) sehr selten gewesen zu sein; wenn 
dieser eine Kunde von ihr gehabt hätte, würde er wenigstens den 

') Giov. kieuzzi Vellini aus Camerino : Aschbach a. O. S. 172 ff. 
2 j A s c Ii b a c h S. 454 f. 

») Audi Khülber, Külber, Kulber : Aschbach S. 123. 454 f. 464. 
*) Vgl. Real is Köhler Bd. I. S. 476 f. 

°) Luther's Sämmtl. Werke, herausgeg. von Ir raischer. Bd. 53. S. 348. 




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3 

Titel mitgetheilt haben. Er gibt im „Evangelischen Oesterreich* einen 
Bericht über Tauber 1 ), wie er ausdrücklich bemerkt, im Anschluss 
an Ludwig Rabus' , Historien der Märtyrer 2 )*: welches Werk drei 
Jahrzehnte nach Tauber s Tode (1554 — 58. 3 Bde. 4) erschien. Sein 
Verfasser kannte jene Schrift, verschweigt aber ihren Titel und weicht 
bei ihrer Wiedergabe in orthographischer Hinsicht ab. 

Durch einen glücklichen Zufall 3 ) entdeckte ich den Titel der 
Schrift. Nun erst wurde ihre Auffindung ermöglicht. Ich suchte und 
fand die entschwundene auf der, an Druckschriften aus der Refor- 
mationszeit reichen, k. k. Hofbibliothek in Wien, wo sie die Sig- 
natur 19. K. 42 trägt 4 ). 

Bl. i b enthält die Vorrede, Bl. 2 a — 4* das von der Commission 
gefällte Urtheil (s. unten S. 6 — 10), Bl. 4 b — $ h die von derselben vor- 
geschriebene Formel des Widerrufs (S. 10 — 13), Bl. 6 a — g h Tauber's 
, Kampf und christl. Streit* u. s. w. (S. 13—19), Bl. g b — io a das 
Schlusswort. 

Es gibt noch zwei andere, ebenfalls sehr seltene und Raupach 
unbekannt gebliebene Schriftchen, die sich auf Tauber beziehen. 

Das eine, erst von Denis 5 ) erwähnte, hat den Titel: „Sententia 
lata contra Casparn |j Thaubcr einem VienncTi. olim Lutheranac \ sectae 
Imitator etn. jj Widerrnef etlicher verdambter j yertung mit vrtayl vnd 
recht auff\\gclegt vnd erkcint an Wienn | /'// Österreich." (o. O. u. J.) 
4. 6 Bll. (k. k. Hofbibl.: 11. J. 77.) — Dieses Schriftchen, zweifels- 
ohne in Wien erschienen, enthält zwei officielle Documente: Bl. i b — 4* 
(s. unten S. 6 — 10) den Urteilsspruch der Commission (in lateinischer 
Sprache), Bl. 4'' — 6 a (S. 10 — 13) die (deutsche) Widerrufsformel, welche 
Tauber am 8. September 1524 vor der Stephanskirche , herablesen* 
sollte. Das erste Document, anfangend: »In causa inquisitionis cora 
nobis mota inter promotore Fisci actore ex una, ac Casparu Thauber 



y ) Beruh. Raup ach Evang. Oesterreich. Hamb. 1732. 4. S. 15 ff. 
2 ) 2. Aufi. (Stra*sb. 1572. Fol.) 2. Th., Iii. 398a ff. 

•J Bei Durchsicht der „Geschichte der evangel. Kirche in Ungarn''. Berlin 1S54. 
S 50. Der Verfasser, G. Bauhofer, sagt nach Anführung des Titels: „Dieses 
seltene Document sah ich im Besitz des Seniors und slavischen Predigers zu Modern, 
Dion. Ddeschall." 

*) Später fand ich sie (in einem andern Abdruck) noch auf der Bibliothek der 
Stadt Wien. 

8 ) Wiens Buchdruckeigesch, bis MDLX (Wien 17S2. 4) S. 342. 

1« 



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reu* etc., erscheint in oben erwähnter „Eyn warhaß tig geschieht"' 
u. s. w. wörtlich in s Deutsche übersetzt ; das andere Document ist 
ebendaselbst, doch mit (unpassender) Beifügung der Ueberschriften 
>Der erst artickel*, ,Der ander artickel* u. s. w., buchstäblich 
wiederholt. 

Das zweite Schriftchen, welches mir bekannt wurde, ist betitelt : 
„Eyn trbtmdich geschieht So an dem frommen ehr istliehen man 
|| Tauber von Wien In Osterreich \ gescheen ist, Auff den Dag der \ 
gebnrt Marie Anno 1524. vmb des Ewangelion j willen, von der 
geystHickeyt verdampt || vnd vorurteylt, u (o. O. u. J.) 4. 4 Bll. 
(k. k. Hofbibl.: SA. 18. E. 106.) — Der Anfang (Bl. 2 a ) lautet: 
,Alsz der from man der Tauber auff den achten tag Im September 
oder Herbstmonden furgebracht ist, vnd hat sollen widderrufTen, hat 
er nachvolgende meynung angetzeyt wie volget, j| Ihr liebsten jn 
Christo, Gott der almechtig wil nit das dem menschen tzu schwere 
bürden aurTgelegtt wurde, Hiere : 13. Ich bitt euch alle So hie yegen- 
wertig versamlet seyn, vmb Gottes willen, Eynn vater unszer tzu 
bitten, domit der almechtig Gott* u. s. w., wie in „Eyn warhafftig 
geschieht" u. s. w. Bl. 6 b Z. 7 (s. unten S. 14. Z. 2 ff.). Dieses 
Schriftchen ist ganz kurz gefasst, doch stimmt es im Wesentlichen 
mit „Eyn warliafftig geschieht' u. s. w. zusammen. Aber sein Schluss 
(Bl. 4 a ) lautet: . . . vnnd nachdem er eyn tzeytlang yhn schwerer 
gefengnusz gelegen, Ist er nach menschlicher blödigkeyt yn mercklich 
anfechung gefallen, Alszo das ehr yhm selbst drey stich mit eynem 
brodmesser In seyn prust gestochenn hatt. Nachdem aber Doctor 
Faber obsfemelter Sachen ein vrsach erforschete, hat ehr Gfeantworth, 
Der teuffel hab yn mercklichen angefochten, Ehr soll bedencken 
seyn frummen hauszfrawen kynder auch tzeytlich Ehr, vnd durch 
eyn Reuocation sich von weltlicher schandt, vnd erschrecklichen tode 
enthalten. Das ym weichmütigkeyt gebracht, doch nit verwilligen 
wolt etc. Nach solchem man ynn auff die gewonlichen richtstadt 
gefurt hat. Do ehr mitt lauther stym angefangen hatt, O yhr lieben 
Bruder vnd Schwester In Christo, heut wil ich sterbenn als eyn 
fromer christ, Ja yhr frommen Christen, Wir haben Eynen herren, 
Eynen glauben, Eyn tauff, Eynen Gott, eynen vater, Als vnnsz 
antzeyget der heylig Paulus am Vierden tzu den Ephesern. Nach 
solchem ist ehr für sich aurT Zehen schrydt gefurth, hat er angehaben 
mit grosser andacht tzu bethen, Credo jn deum patrem omnipotentem, 



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5 



vnd mit senfftmötiger stym nyderknyet, seyn äugen vnd hendt gen 
hymell auffgehaben, vnd geschryenn, Meyn Gott meyn her, meyn 
Gott meyn her, Jhesus meyn gott, meyn her, erbarm dich meyn. 
Do ist ym das haubt aufT der erden gelegen, vnd darnach ym tzu 
schmach und schände seyne wunden entdeckt, dem folk getzeyget, 
vnd tzuletzst seynen korper verbrant, Gott hab die Zele. Amen.* 

Es findet sich noch ein viertes Schriftchen, welches die, wohl 
besonders durch Faber 1 ) verbreitete, Rede zu widerlegen sucht, dass 
Tauber sich im Gefängniss habe tödten wollen. Dasselbe führt den 
Titel: „Verantwort\tung Caspar Taubers, der zu\ Wien verprant 
ist worden. Vnd eyn kurtze vnterricht, iver |j Gottes zuort vcniolgt." 
(o. O. u. J.) 4. 6 BU. Am Schluss (BL 6 a ) nennt sich der Verfasser: 
Leonhardt Guttniann. (k. k. Hofbibl. :* 28. M. 63.) — Da heisst es 
Bl. 2 b (vgl. „Eyn warhafftig geschieht" u. s. w., s. unten S. 18): 
,Der Gotlosz hauff gibt ya für, er hab sich selber erstechen wollen, 
vnd an seynem leyb drey stich erfunden seyn worden. Aber warumb 
wolt sich der selber erstechen ? Das dann nicht änderst were, denn 
an Got verzweyfeln, oder seyn verlaugnen , der sich doch vmb 
seynes worts willen in das leyden vnd todt gibt, vnd also weyb 
vnd kind vnd alles gut verlest, Möcht er doch wol widerrufft haben, 
vnd also gottes verlaugnet, vnnd im leben lenger bliben seyn. Man 
findet auch nicht, dass keyner vmb Christus willen jm selbs den todt 
gethon hab. ... So dörftt er jm auch nicht drey stich geben haben, 
es were durch eynen stich an der brüst schon ausz gewesen vmb 
seyn leben. Warumb wolt er an Gott verzweyfeln in der gefengnus, 
vnnd doch so mit grosser freud an dem ort, da man jn enthaubt 
hat, mit dem hertzen vnd gepet zu Gott geschrihen hat, vnd da frey 
vor yederman bekennet, das er hye nicht sterb alls eyn mörder, 
sunder vmb des Götlichen worts willen, vnd also Gott dem hime- 
lischen vatter sich beuolhen mitt den wortten, Vatter, inn deyne 
hende beuihl jeh meynen Geyst." 

Ich lasse nun den Text der von mir an erster Stelle beschrie- 
benen Schrift über Tauber s Verurtheilung und Hinrichtung n £yn 
warhafftig geschieht" u. s. w. folgen, mit Hinweglassung des Vor- 
und Schlussworts und einiger (durch Punkte bezeichneten) Bemerkungen 
des Referenten. 



') Vgl. Denis S. 627. 



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6 



,,Ein vrtaü gefeit wider Caspar Tawber, Burger zu Wien, etwo nachfolger der 

Lutherischen secten. 

In disen fragstücken vor vns besehenen zwischen vnserm 
Kamerprocurator eines tayls anklager, vnnd Casparn Tawber gefrag- 
ten antworter, des andern tayls, dero dingen, so geschehen, ge- 
handelt, vnd widergehandelt, darauff wir mit demütiger eererbietung 
ersucht worden sein, wie es dann die sach erfordert mit andern 
gleich bewegten vmbstenden, Als mit angerufften namen Christi zu 
gericht sitzund, Auch allain got vnd sein gerechtigkait vor äugen 
habend, ausz aygner herligkait des hochwirdigen herren Herren 
Johansen von Reuelles Bischoff zu Wienn, Auch etlicher Doctoren 
der heyligen geschrifft vnd Rechtsprechern vns in der sachen sunder- 
lich beysitzund, Welche vns mit gutten rath vnd gunst ernstlich zu- 
geben worden sein, Verkünden, offenbaren, vnd wollen, durch disz vnser 
haubtvrtail, das Caspar Tawber, von wegen etlicher seiner gotlosen, 
ketzerischen, verkerten, vnd irrigen sententzen vnd opinion, die er 
helt in vnserm glauben, zu verdamnusz seiner seel, vnd zu grosser 
ergernusz seiner nechsten mitbrüder, wider das gesatz gottes, war- 
hait der geschrifft, auch lieb des nechsten gröszlich gesundet habe, 
vnd darauff mit einer gnugsamen straff, die jme zu hayl, den andern 
aber zu einem gutten beyspil geraichen sol, nach geystlicher auff- 
satzung zu straffen. Nachdem er vor aller Litis contestation, das 
ist vor aller rechfertignusz, willig vnd frey, auch mit kainem gewalt, 
noch zwang gedrungen, vnd als er selbs bekent, ausz kainer forcht 
der bewerung seins gefals oder straff bewegt, solliche sein mainung, 
als vor gesagt, zu wideruffen vnnd vernainen, vnd in die schosz der 
kirchen vnd jrer waren nachfolgung widerzukern berayt gewesen ist, 
vnd noch sein wil, vnd die mutter der kirchen vor einem bekerten 
jr schosz nit zuschleust, sunder vilmer ist sy gewondt, die sündt nach- 
zelassen denen, die gnad begern, Von deswegen auch wir den selben 
Caspar Tawber die vor gefragten ketzerischen vnd bösen artickeln 
vnd opinion nach gewonten brauch der kirchen zu widerruffen vnd 
verlaugen gestatten wollen, als auch wir zu disem nachvolgenden vrtailn 
masz vnd gestalt jm geben vnd verleyhen in gutter hoffnung eines 
bessern lebens vnd andern vrsachen, die vns billich bewegen, dardurch 
jm gegeben wirdt, solliche sein irrung zu widersprechen vnd verlaugen. 

Zum ersten verordnen wir, das gemelter Caspar Tawber offen- 
bar vor aller menig des volcks drey Suntag, oder sunst drey hoch- 



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7 



zeytlich Feyertag nach einander volgend, in der Pfarrkirchen sant 
Steffens, alsbald ein Prediger sein Sermon zum volck volendt hat, 
zu handt auff die kantzel steygen, vnd da herab mit heller vnd 
verstendiger stimm sag vnd bekenn, das er vorhyn vnd in handlung 
diser frag ein lange zeyt in der opinion vnd sinne gewesen sey, das 
vnter der gestalt des prots vnd weins nach der Consecrierung des 
priester nicht sey der war leyb vnd das war plut Jesu Christi, dann 
Christus sey von dem vater ein geyst auszgangen, vnd also wider- 
umb ein geyst zu dem vater kummen. Solches vndersteet er sich 
ausz dem VI. capitel Johannis offenbar zu beweren. Hernach aber, 
so er vor gericht vor vns erschinnen, ist er mit veterlicher vnd 
gütiger ermanung, von vns vnd vnsern beysitzern, der sachen bes- 
ser vnd mit warhafftiger leer vnderwissen, Also do Christus nach seiner 
vrstend zu den betrübten vnd forchtsamen jungern, die da mayn- 
ten, sie sehen einen geyst, nit on vrsach gesagt hab, Sehet meine 
fiiss vnd hendt, dann ich selbs bin es, Greifft vnd sehet, dann der 
geyst hat weder fleysch noch bain, als jr mich sehet haben. Vnd 
zu Magdalena sagt er, Greiff mich nicht an. Auch zu dem vnglau- 
bigen Thoma sprach er, Leg herein deinen finger, vnd sihe mein 
hendt, vnd halt her dein handt vnd leg die in mein seyten etc. Der- 
gleichen thet er auch, do er durch verschlossene thiir eingieng vnd 
zaigt den jungern hendt vnd seyten. Auch do die zwen junger in 
Emaus wanderten, vnd Jesus gieng mit jnen auff der Strassen : So 
sie aber hyncin kamen, haben sie jn erkent, do er das prot ge- 
brochen het. Dergleichen gcschach, do er von dem stuck visch vnd 
honigfladen asz, vnd den jungern auch mittailet. Zum letzten do er 
mit auffgehebten hendten gen hymel fucr. Welche geschieht alle 
offenbar anzaigen, das Christus nit ein geyst, sunder ein warhaffter 
corper auffgefaren sey. Darumb gcmelter Caspar schedlich geirret 
hab, dieweil Mattheus, Marcus, Lucas, vnd Paulus, ein lerer der hay- 
den, in der beschreybung des abentmals offenlich anzaygen, das da 
der warhafift leyb, vnd das warhafft plut, zu speysz vnd tranck ge- 
geben sey worden. Auff sollichs sich Caspar Tawber irrig bekennen 
sol, vnd hynnach geloben, alle ding in disem artickel mit der ge- 
mainen kirchen mitgelaubig zu sein, vnd in kainerley weysz daran 
zweyffeln. 

Zum andern, sol der selbig Caspar Tawber an gemeltcr zeyt 
vnd stat sagen vnnd bekennen, das er biszher vnnd offt vor mani- 



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gen menschen, beyden weyb vnd man, auch vor vns gehalten vnd 
bestet hat, das die segensprüch, so in der Kirchen besehenen, nicht? 
werd noch nütz sein, dann man lesz sunst in der heyligen geschrifft 
von kainer Benediction, als von der Deuteronomij am XXVIII, 
Welche alle creatur einmal von Got entpfangen haben. Vnd nach 
dem als er ausz Euangelischen vnd andern geschrifften von vns ver- 
standen hat, das auch Christus vnser hayland gebenedeyt hat nit 
allain seine junger, do er gen hymel fucr, Sunder auch, wie Marcus 
vnd Lucas klar anzaygen, das er vor vnnd nach seiner vrstend das 
prot gebenedeyt habe, Darumb auch die Kirchen, ausz groszer 
vrsach, sollich Benediction allzeyt zu kinder taufTen, vnnd andere 
heyligen dingen gebraucht hat vnd noch pflegt, welche wir auch 
sehen mit dem zayehen des heyligen creuz vnsers herren Jesu Christi 
grosz krafft haben in den teufTelischen besessenen vnd andern teufiels 
gespensten. Darumb sol gemelter Tawber solcher segen brauch, 
krafft, vnd würckung, mit der heyligen Kirchen gelauben, Vnd als- 
lang er lebt in grossen eeren halten. Dergleichen auch hat er von 
den kertzen, so man got zu lob verbrent, vnd von allen jren brauch 
nichts gehalten. Den irsall sol er verdammen, vnd mit aygner stymm 
verdampt bekennen. 

Zum dritten, Wiewol er ofTt das Fegfeur widersprochen hat, 
So er aber nun mit vil orten der heyligen geschrifft vnderwisen ist, 
sol er das Fegfeur gelauben, vnd hynfiiran mit der recht erlichen 
Kirchen also halten. 

Zum vierdten, Dieweyl er sich offt berümbt hat vor menigklich. 
das er ebensowol ein Priester sey, als ein yeder Priester ist, Vnd 
sich sollichs zu beweren ausz der ersten Epistel Petri vermessen hat, 
Nun aber, so er es anders lernt ausz dem Buch Exodi, Auch ausz 
den Episteln Pauli, vnd gemainen brauch der kirchen, sol er sich 
bekennen, verdamlich geirret zu haben, vnd sollich irsall widerruffen 
vnd verlaugen. 

Zum fünfften, als er biszher gehalten, vnd noch in gegenwär- 
tiger frag helt vnd glaubt, das ein mensch zu kainer andern Beicht 
verpflicht sey, dann wo ein bruder wider den andern handelt, sich 
zu erkennen, alszdann ist ein yeder schuldig dem zu vergeben, der 
sich bekennet, Das ist allain die Beicht ausz dem Euangelio, darzu 
ein Christ verpflicht ist. Nun aber so er vnderwisen deren dingen, 
die Mattheus vnd Johannes schreyben, vnd von zeyt der anfenck- 



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liehen kirchen als durch handweysung bisz auff die zeyt gelernt 
seind worden, nemlich die Beicht dem Priester billich zu thun, das 
auch dieselbig im Euangelio gegründt sey, Welche er auch alslang 
er lebt mit wortten vnd wercken zu rechtgesatzter zeyt von der 
kirchen, als ers dann schuldig ist, halten sol. 

Zum sechsten, hat er das fürpit Marie vnd der heyligen bisz- 
her nit gehalten, sunder vnnütz geacht. Aber hernach so er mit 
vil argumenten vnd der heyligen geschrifft zeugnusz erindert ist, sol 
er widerumb bekennen, das er wider vnser gemaine mutter die 
kirchen, vnd jren gebrauch geirt habe, Vnd hynfüran gelauben, das 
die heyligen, ausz der lieb (wie Paulus sagt) die nymmer abfeit, mit 
groszer begir der lebendigen hail begern, vnd mit steten gebet von 
got bitten etc. 

Zum sibenden, sol er seinen irsall offenlich bekennen, in dem, 
das er die Schlüssel der kirchen gemain, auff man vnd weyb gleich, 
geurtaylt hat. 

Beschluszred. 

Zum letzten, Nachdem wir erfaren haben, das Caspar Tawber 
Lutherische bücher gehabt, auch wie er einen aygnen Tractat ge- 
schriben habe. Vnd dieweyl es wissentlich ist, das solche bücher vnd 
tractat, mit vil vnbillicher bezieht, auch vol seind aller leszterlichen 
schendwortten. auch mit manigfeltigen ketzereyen, vnd geferbten 
irsalen befleckt, Darumb wir sie auffs feur verschaffen, vnd zu 
ewigen fluch verurtaylen. 

Solliche all vnnd yetzlich irsall sol vorgenanter Caspar Tawber 
widerrufTen vnd verlaugen, nach laut der zeteln, so wir jm selbs zu 
Teutsch vorgeschribne verfaszt haben bey peen vnd straff im geyst- 
lichen recht angezaygt, wider die felligen ketzer vorlangst auszgangen. 
Xichtdestweniger auff das die bösen irsall, mit welchen die vnschul- 
digen hertzen von den gefragten leren verfürt seind worden, nit 
vngestrafft bleyben, Vnd auff das der offtgemelt Tawber, von wegen 
der ergernusz vnd gotlosen leren, die er gethan vnd auszgebrayt 
hat, Vergebung vnd gnad von Got erlangen mög, das auch wir ein 
zayehen eines waren büssers in jm erkennen mügen, Legen wir jm 
auff vnd wollen, mit disem vnsern vrtail, das er die nachvolgenden 
drey Suntag, nach disem widerruft", vor der kirchenthür der grossen 
kirchen sant Steffens, allweyl man den Gottesdienst der Messen helt, 
mit kleglich beklaydet, mit einem strick vmb den halsz gebunden, 



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mit vnverdecktem haubt, vnd parfusz, mit einer brinnenden kertzen 
in seiner handt steen sol. Auch sol er die nechst vorgeenden Frey- 
tag in wasser vnd prot fasten, vnd an yetzlichen derselben fastag 
drey arm person speysen. Auch sol er auff ein gantz Jar von dem 
tag der auszruffung vnd gesteltem vrtayl in einem kercker buss thun 
vnd alhie sein aygen siindt bewaynen. 

So er nun dise alle vnd yetzliche stuck warlich vnerdicht vnd 
on widerfal volbracht hat, Alszdann erst wollen wir jn wirdig sche- 
tzen der Absolution vnd der vereynigung, sunst aber in kainerley 
weysz, So er aber dise stuck zu verbringen saumig wurde, wider- 
spreche, oder aber zu voriger ketzerey vnd irsall wider fiele, Alsz- 
dann on all weyter vrtail wollen wir, das er ein ketzer geacht vnd 
gehalten sol werden. Auch darneben legen wir jm auff, obgemelten 
Caspar Tawber, von dem Durchleuchtigen Fürsten (das wir dann 
seiner Durchleuchtigkeit, als es billich ist, zugeben) sofern begnad 
wurde, mit einer straff zeytlicher giitter, villeicht wider die Türcken 
zu brauchen. Doch sol solchs ""eschenen on nachtail seines lebens, 
oder on proscription. das ist verbietung der stat oder landen, Für 
welche straff er in stat oder im lande, wo er wandert oder zu hausz 
sitzt, sein leben lang ein zaychen des Creutz, wie wir jm des ein 
form geben, offenlich, das es von allen gesehen werde, tragen sol. 

Vber sollichs alles sprechen wir nichtsdesterweniger, vnnd be- 
schliessen sentent/.lich mit diser geschrifft, vnd verkünden es im 
namen gottes, das gefragter Caspar Tawber verfallen sey aller 
expensz, so auff die handlung ist gangen, Welcher Tax wir VHS zu 
seiner zeyt vorbehalten. 

Hienach volgent die Artickel, welche die Hochgelerten und geystlichen erdicht, 
vnd dem obgemelten Caspar Tawber furgeschriben, im druck auszgeen lassen, 

vnd als die irrigen zu widerruffen geboten. 

Ich Caspar Tawber, Hurger zu Wienn, bekenn vnnd thu kundt 
all ermenigklich, demnach versehynen tagen der Durchleuchtigist, Grosz- 
mechtigist Fürst vnd herr, herr Ferdinand, Prinz in Hispania, Ertz- 
herzog zu Osterreich etc., mein gnedigister herr vnd Landtfürst, mich 
in gefencknusz hat lassen nemen, das mir rechtlich, in beysein des 
Hochwirdigen herren, herren Johann Bischoffe zu Wienn, vnd des- 
selbigen Onlcial, vnd des Statrichters, vnd etlich treffenlich der hey- 
ligen geschrifft vnd der Rechten Doctorn, artickel den heyligen 
Christenlichen glauben betreffend, so ich gesagt, gelert, vnd glaubt 



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hab, fürgehalten worden sein, welche zum tail ich in anfang der 
selbigen rechtfertigung als für war vnd gerecht hab wollen haltend 
Aber nachvolgends bin ich veterlicher vnnd Christenlicher weysz er- 
mant, vnd durch die heyligen geschafft, auch Christ enliche vernunfft 
vnderwisen vnd bericht worden, also das ich frey vnd willigklich, vn- 
genöt vnd vngetrengt, von derselben mainung gestanden vnd ge- 
wichen bin, Also der gestalt wie hernach volgt. 

Der erst artickel. 

Demnach ich lange zeyt gehalten hab, das vnder der gestalt 
des prots vnd weins, nach des priesters consecrierenden Worten nit 
sey der war leyb, auch nit das war plut Christi, dann Christus von 
dem vater auszgangen sey als ein geyst, also sey er zu dem vater 
widerkört als ein geyst, deszhalb er hie nit leyblich sein künde, vnd 
hab mich deszhalb auff den text Johannis am VI. wollen gründen. 
Das ich aber darnach bin vnderricht gütigklich durch das heylig 
Kuangelium, vnd sunder das wort Gottes, wie die drey Euangelisten, 
als Mattheus, Marcus, vnd Lucas, auch Paulus beschreyben, das der 
war leyb vnd das war plut des herren Jhesu Christi in dem letzten 
nachtmal seinen jungern gegeben, vnd also in disem Sacrament des 
altars begriffen werdt, des ich hiemit offenlich bekenn, vnd also 
mein irsall widerruff, vnnd zu ewigen zeyten widerrufft vnnd bey 
meinem gethanen ayd also verlaugnet haben wil. 

Der ander artickel. 

Zu dem andern, Demnach biszher vor vil menschen in diser 
meiner rechtfertigung ich offt die segen, so man Benedictiones nennet, 
veracht vnd nichts darauff gehalten hab, vnd vermaint es sey kain 
anderer segen, dann wie der Deuteronomij am XXVIII. begriffen 
vnd verschriben sey, bin ich doch mit der warhait der geschrifft 
veterlich vnd in aller güte durch obgemelt Doctores vnderricht, das 
auch der herr Jesus Christus nit allain seine junger, sunder auch vor 
und nach der vrstend das prot gesegnet hab, Das auch von der 
zeyt der Zwelffpoten die Christenlich kirch, vnd der selbigen diener, 
durch die segen die bösen feindt vnd der selbigen gespenst ausz- 
^eworffen vnd vertriben, auch durch die gesegneten geschöpfft, die 
menschen im glauben vor vbel verhüt, vnnd die bösen feindt teglich 
vertriben werden. Vnnd das ich vnbillich das kertzenbrennen veracht, 
dieweyl es zu lob und eer Gottes von der heyligen kirchen, so von 
got dem heyligen geyst regiert wirdt, geschieht. 



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Der dritt artickel. 

Zu dem dritten, Als dann ich gehalten hab, es sey kain Fegfeur. 
bekenn ich, das ich des widerspils ausz der geschrifft erlernt hab, 
auch hierein wil ich halten, was die Christenlich kirch hierein 
gehalten hat. 

Der vierdt artickel. 

Zu dem vierdten, Als ich mermals offenlich gesagt, wie das ich 
gleich so wol ein Priester sey wie ein anderer geweichter Priester, 
hab ich geirt, dann die geschrifft des heyligen zwelffpoten Petri. 
die ich für mich genummen, ein andern verstandt hat. 

Der fünfft artickel. 

Zu dem fünfften, Demnach ich gehalten hab, das kain Christen 
weyter schuldig sey zu beichten, dann so ein bruder sündet wider 
vnd gegen dem andern, solle er bekennen sein sünde gegen dem 
er gesündet hat, Vnd aber solch new mainung nit nur allain wider 
die heylige Euangelia vnd breuch der heyligen Christenlichen kirchen. 
sunder auch wider gutte Christenliche Ordnung vnd vernunflft ist. 
derhalb ich offenlich hiemit mich bekenn, das ich geirt hab. 

Der sechst artickel. 

Zu dem sechsten, Als ich hieher das fürpit Marie vnd ander 
heyligen nit gehalten, wider die anzaigung der geschrifft vnd haltung 
gmeinsamer kirchen, widerruft* ich hiemit dise irtung, vnd versprich, 
das ich hynfiir Christenliche Ordnung halten wolle. 

Der sibend artickel. 
Zum sibenden, Demnach ich die Schlüssel der kirchen an jrem 
gebrauch gemain yederman, weyb vnd man, gemacht hab, widerruft' 
ich hie auch den selbigen puneten. 

Beschluszred. 

Vnd als ich etlich bücher von dem verdampten ketzer Martinus 
Luther wider Kayserlich Edict vnnd F. D. als meins gnedigisten 
Landtfürsten auszgangen Mandat behalten, auch selber ein argen 
Tractat geschriben, vnd in den selbigen vil schmach vnd schandt, 
auch vilfeltig verdampt ketzerey vnd irtung begriffen, dardurch ich 
vnd ander Christglaubig vnder dem schein des Euangelij, von alier 
götlicher vnd anderer gehorsame, zu allerley vbel vnd leichtfertig* 
kait wider Got vnd vnser seel hayl verfürt worden seind, so gelob 
vnd versprich ich, das ich hynfur mein leben lang kainer sollichen 
verdampten bücher, klain oder gross, lesen oder halten, auch ob- 



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gedachte irtung vnd alle verdampte ketzerey nit predigen, ausz- 
prayten [beschitzen oder] beschirmen wil, wo ich aber das wurde 
vbertretten, das alszdann nach vermüg der rechten ich von meiner 
weltlichen öberkait als ein vberwunder ketzer gestrafft werden müge, 
des alles bekenn ich in angesicht der Kirchen, mit disem brieff, den 
ich also mit meiner aygen handt vnderschriben hab. 

Nun wirdt kürtzlich begriffen, wie er sein kampff vnd Christlichen streyt mit den 

Sophisten volbracht hat. 

Nachdem der frumm Caspar Tawber die Christlich freyhait offt 
vnd vil, mit worten vnd wercken, . . . erzaygt vnnd verfochten hat, 
ist er von dem widertayl dem gewalt vbergeben, vnd allain vmb 
des wort gottes willen gefencklich angenummen worden. 

Als er aber ein zeyt lang solliche gefencknusz gedultigklich erlitten 
hat, haben der Bischoff mit seinen beysitzern mitler zeyt vil in der 
gefencknusz mit offt gemelten Tawber haimlich gehandelt, wie sie jn 
von seinem Christlichen fürnemen abwenden möchten. Aber er, 
von Got gelert, . . . mocht er weder durch droung, noch durch 
schmaychlerey oder süsse wort, von dem Euangelio gezogen werden. 

Weyl aber Tawber also verharret, vnd durch kain fürschlag . . . 
vberwunden mocht werden, haben sie selbs vndter einander rath- 
geschlagen, vnd jnen selbs redt vnd antwort geben, vnd also disz 
vor geschribens vrtayl vnnd widerruff gemacht, Dem (als sie 
vermainten) Caspar Tawber nachkummen wurde. 

Damit aber sollichem jrem vrtayl vnd fürnemen genug geschech, 
must der offt genant Caspar Tawber am tag vnser lieben frawen 
geburd, auff sant Steffans Kirchhoff vor menigklich erscheynen, 
die artickel zu widerruffen, die durch den druck auszgangen worden. 

Zu der stundt nun, so der Chormaister prediget, wurdt er in 
mitler predig durch den Richter vnd seine diener auff einen hohen 
predigstul (welcher jm auff obgenanten sant Steffans Kirchhoff auff- 
gericht vnd berayt was) gestellet. Er stund aber daselbs stilschwey- 
gend vnd gedultigklich vor allem gegenwertigen volck, so lang bisz 
jm der gemelt Chormaister zusprach vnnd sagt, Tawber, Euch ist 
■vissenlich, warumb euch vnnser Durchleuchtigister Groszmechtigister 
Fürst vnd herr, Herr Ferdinandus, Prinz in Hispania, Ertzhertzog 
zu Osterreich etc., mein gnedigister herr vnd Landszfürst, daher 
gestellet hat, on zweyffel zu widerruffen die artickel, so hie vor euch 
Hgen, dem wollet nun gnug thun vnd nachkummen. 



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Nach solcher ermanung hub der frumm Christ seine äugen zu 
Got gen hymel vnd sprach, Ir allerliebsten in Christo, Got der 
almechtig wil nicht, das dem menschen zu schwer bürden auffgelegt 
werden, als er anzaigt Hieremie am XIII. capitel. Darumb ist mein 
pit an euch alhie versamelt, vnd pit vmb gottes lieb willen, ein 
Vater vnser zu betten, damit der almechtig ewig got die, so in dem 
warhafftigen Christlichen glauben sein, zu beleyben vnnd verharren 
bestette, Dise aber, so nicht erleucht sein, noch erleucht werden in 
Christo Jhesu unserm herren. 

So er solchs redet, mocht es der Chormaister . . . nit leiden, 
welcher, als er neben dem Tawber auff einem andern predigstul 
stund, ist jm in sein red geplatzet, sprechend, Tawber, jr seyt nit 
zu predigen, sunder zu widerruffen da hergestellet. 

Auff solliches antwort Tawber, mit sanfiften hertzen vnd worten, 
sprechend, Mein herr, ich hab euch lang zugehört, so hört mir nun 
ein klains zu. 

Auff das sagt der Chormaister mit zorn, Euch ist sollichs zu reden 
nit befolhen, sunder redet vnd leszt herab, was euch fürgelegt ist. 

Der Tawber sprach zum volck, Ir allerliebsten, man hat mir 
ein geschrifft fürgehalten vnd zugestelt, darumb ich ein widerruff 
thun sol. Nun gib ich dem Ferdinando, meinem genedigisten herren 
vnd Landszfürsten, kain schuldt, dann er ist nit am Rechten gesessen 
Dergleichen auch der Richter nit mer gethan, dann als vil er von 
ampts wegen hat thun müssen. Ich bin nun etlich vil mal ersucht 
worden, durch die hernach volgenden, so am Rechten wider mich 
gesessen sein, Als Johann Bischoff zu Wienn, Probst vnd Dechant 
daselbs, Doctor Virich Kauffman Official alhie, Doctor Faber von Linda, 
Des Cardinais von Rom Doctor, Der Doctor von den weissen brüdern, 
Doctor von den Augustinern, Doctor Camers von mindern brüdern, 
Doctor Krabel [st. Kraler], vnd Doctor Kylber, als die höchsten Theo- 
logi von der hohen Schul daselbs, Der Chormaister hie gegenwärtig, 
Vnd drey Notarij genandt Herr Lienhart, Matthes, vnd Jacob, in summa 
sechtzehen gewest aller die mit mir in der finster gehandelt haben, 
vnd mich genötigt, ich sol ein widerruff thun, sunderlich den ersten 
artickel vom Sacrament des altars, darüber mich falschlich bezigen, 
vnd ein ketzer gescholten, vnd haben mich doch in dem allerweni 
gisten durch die heylig geschrifft nit bewisen noch vberwunden. Ich 
bin auch dises artickels des Sacraments halben, so der heylig Johannes 



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am VI. capitcl beschreybt, für ein ersamen Rath erfordert vnd 
erschynen, in beywesen ewer, Chormaister, vnd ander so darzu 
verordnet gewest, vnd mich des artickels halben mit disputation 
genugsamlich verantwort hab, wie dann ein ersamer Rath von Wienn 
brieff vnd Sigel verfertiget, gegeben, vnd gen Nürnberg gesendt 
haben, vnd verhoff ein ersamer Rath werdt darob sein, damit jr 
brieff" vnd Sigel gehalten, vnd nit ein loch dardurch gestochen werdt. 
Darauff [bitt] ich euch allerliebsten (wie jr versammelt seyt in Christo), 
jr wollet main zeugen sein, das ich der artickel kain nit bestee, 
wie sie mir die fürgehalten vnd aufflegen wollen. Vnd klag es 
abermal, das sie mich schelten einen ketzer vnd verfürer, vnd haben 
mich doch durch die heylig geschrifTt nit vberwunden, sunder sie 
haben mit mir in der finster gehandelt, sein selbs ankleger, verhörer, 
vnd vrtayler gewest, vnnd haben jres gefallens mit mir gehandelt, 
das ich mich auff das höchst beschwer, Erbeut mich noch zu ver- 
antworten vor vnpartheyschen vnnd vnverdechtlichen Richtern, Vnd 
Appellier hie ofTenlich für das heylig Römisch Reich, das sie mir 
daselbs Richter envellen, vnd mir alszdann genügsame verhör zuge- 
lassen werde, So wil ich mich in allen artickeln, so ich bezücht 
wirdt, verantworten, recht geben vnd nemen. Wirdt ich durch die 
heylig schrifft vberwunden oder vngerecht erfunden, so wil ich 
darumb leyden was mir das Recht aufflegt. 

Zwischen diser wort hat jm der Chormaister vi] eingeredt, vnd 
zu mermalen gesagt, Er sol sollich rede vnderlassen, er werdt sein 
sach damit nit gut machen, er sol reden was mit jm verschafft, 
befolhen vnd auffgelegt ist worden, dann was er vfl Wesens vnd 
auszred wöl machen, dieweyl er doch sich selbs mit seiner aygnen 
handtschrifft vnterschriben hab. 

Darauff Tawber gesagt hat, Es wirt sich erfinden, vnd man 
wirt es noch wol sehen werden, wie ich mich vnderschriben hab. 
Auch het er gern mer anzaygt, Aber Chormaister für und für mit 
grossem vnwillen geredt, vnd vilmal verschafft hynwegkzuführen, jn 
kurtz weyter nit reden lassen. Des sich Tawber gegen menigklich 
aurT das höchst beschwort hat, vnd mit runden worten herausz- 
gesagt, kainen Artickel, so jm auffgelegt, widerruffen wolle, allain 
/.wen, der ich dann auch nit gestee noch schuldig bin. Das erst, 
das ich von der mutter gottes nicht gehalten sol haben, beschicht 
mir vnrecht, dann kain mensch sollichs von mir nie gehört hat. Zum 



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andern, das sie mich zeyhen, wie sie ketzerische vnd Lutherische 
bücher bey mir gefunden sollen haben, gestee ich nit, dann jr, Chor- 
maister, wiszt, das sollichs bey mir nit gefunden ist worden. 

DaraufT Chormaister geantwort, Habt jr doch selbs ein büchlein 
gemacht, das ketzerisch ist, vnd darinn vil schentung der öberkait 
gewesen. 

Antwort Tawber, Ich gestee, das ich ein büchlein gemacht hab, 
aber nit ketzerisch. 

Also wolten sie jn weyter nit reden lassen. Vnd die Gerichts- 
diener sprachen jm zu, er solt von der bün oder predigstul herabtretten. 

In demselben jren vnd des Chormaisters grossen vnwillen hat 
der Tawber gesagt, Ich bezeug hie vor menigklich, das ich durchausz 
nichts widerruff, dann wie jr mich vor gehört habt, zeich mich des für 
das heylig Römisch Reich, darzu ich Appellier vnd zu Recht steen wil. 

Nach dem stig er vom predigstul vnd sagt, Meine feindt haben 
mich allenthalben vmbgeben, vnd ich mag nymmer reden. 

Also füret man jn mit grossen vnwillen widerumb in die 
gefencknusz, alles mit gewalt, doch hat er vil schöner Christlicher 
red vnterwegen than. Es lieft" auch das maist volck mit jm hynwegk. 
Aber der Chormaister schry, man solt dableiben vnd zuhören, dann 
er verlasz (mit vil verblümpten Worten) die artickel, welche sie jm 
auffgelegt hetten zu widerruffen. 

Nachmals auff den zehenden tag Septembris ist Caspar Tawber, 
vmb die sibendt stundt vormittag, ausz dem Karnerthurn, der 
Bürgerlichen gefencknusz, in das Augustiner Closter mit des Burger- 
maisters, auch des Gerichts dienern gefürt worden, alda versamelt 
sein gewest alle die, so jn vormals zum widerrurTen vervrtailt haben, 
Vnd noch mer etlich Doctores vnd schrirTtgelert zu jnen genummen, 
Auch Burgermaister, Richter vnd die maisten des Rathes zu Wienn. 
Yederman verhoffet, es solt ein offen verhör mit dem Tawber vnd 
den schrifftgelerten gehalten sein worden, als red vnd widerred, vnd 
er sich der artickel, so er vnbillich bezichtiget, verantwort haben, als 
ja billich wer gewest. Aber der Tawber stilschweygent, vnbefragt 
vor jnen gesessen on allen beystandt. 

Indem ist aufTgestanden ein Procurator, im geistlichen Rechten 
Licentiat, welcher genanten Caspar Tawber als ein ketzer vnd vn- 
gehorsamen der kirchen, erstlich im Latein nachmals Teutsch gleich- 
förmig anklagt, jn vnbefragt. 



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Nach disem anklagen ist der Official mit einem zedel herfür- 
kummen, den Sententz, so sie vber jn gefeit haben, Latein ysch 
verlesen, vngeferlich in Teutsch dise nachfolgende maynung gewesen, 
Wie mit Recht vnd vrtail erkant von jn sey worden, etlich artickel 
so Caspar Tawbcr gehalten ketzerisch vnd wider den glauben 
gewesen, vnd jm auffgelegt sollichs zu widerruffen, wie er dann 
angenummen, zugesagt, vnd mit seiner handt vnderschriben, dem 
volg zu thun, vnd sollicher widerruff beschehen sol sein auff den tag 
vnser frawen geburt vergangen, vor menigklich an der predig, aber 
auff seinem angefangen irsall vnnd ketzerey bestanden, vnnd nichts 
widerruffen wollen, Von sollicher vngehorsame wegen erkennen sie hie 
mit Recht den Tawber für ein öffentlichen verdampten Ketzer vnd 
als ein vngehorsamen der heyligen Christenlichen kirchen. 

Darauf! ein welscher Notari dem gemainen volck, vmbsteende, 
gesagt, sie sollen zeugen diser vrtail sein. Do murmelten die Herren 
vnd kaufleut mit sambt andern beysteenden volck, vnd sprachen, 
Was sollen wir ingedenck sein, oder worüber sollen wir zeugknusz 
geben. Wir haben ewer vrtail nit verstanden, weyl jrs in Latein 
geredt vnd gefeit habt, als sy auch Tawber selbs nit verstanden. 

Hierauff giengen die schrifftgelerten all darvon. 

Sobald hat jn der Statrichter in sein gewalt genummen, vnd 
schlug jm ein prezen (das ist ein eysen) an die zwo hendt zu 
verschliessen . 

Also sasz der frumm Christlich Tawber gebunden, jr Ketzer 
must er sein, vnd des todts wirdig, vnd wardt zu kainer antwort 
nie gelassen, . . . jr aller stimm ist, Widerruff, widerruff, oder du 
must als ein ketzer sterben. Also ist er durch vnd mit gewalt zum 
todt verurtaylt worden. 

Nach dem redt auch Tawber vnd sprach, Lieben brüder, ich 
pit euch umb gottes willen, jr wollet auch mein zeugen sein, nit 
allain hie, sunder auch bey dem almechtigen got, das sie mich also 
fclschlich vnd verborgen verurtailt haben, weder ich noch jr haben 
all jr red vnd handlung verstanden. Darzu sehet jr auch wol, das 
sie mir kain artickel fürgelegt haben, Mir leicht gewest (mit gottes 
gnaden) ausz gütlicher geschrifft mich zu verantworten, Vnüberwun- 
den, ja auch vnverhöret musz ich verurtailt sein. Wenn jr achtzig 
tausent weren, der Doctores, so könden oder möchten sie mir nichts 
abgewinnen, weyl das wort Gottes auff meiner seyten steet. In der 

Jahrbuch des Protestantismus 1883. H I. 2 



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tunckel haben sie mit mir gespilet, Sie schämen sich jr handlung, 
darumb hassen sie das Hecht, vber dem wort wil ich verharren, 
sterben vnd genesen. Sie wollen mich auch zwingen, vnd legen mir 
mit vnwarhait auff das ich nicht geredt hab. Ich het gemaint sie 
solten ausz ketzern Christen machen, so wollen sie ausz mir Christen 
vber mein willen vnd on alle mein bekentnusz ein ketzer machen. 
Got hat mich also gelernt, darumb musz ich sterben. 

Nach dem wardt er in das schergenhausz gefürt. Vnd eben so 
er hynein wil geen, wendt er sich zum volck vnd spricht, Jr lieben 
brüder vnd Kaufleut, schreybts in alle lande, das man mit dem 
Caspar Tawber so vnchristlich handelt, vnd an jm so gar ein vnred- 
liehe that begeet, damit gesegen euch Got. 

Es was aber in disem allen der widerchristisch hauff nit be- 
gnüget vnd ersettigt Darumb auszgaben vnd ein geschrey 

im volck machten, wie Caspar Tawber im schergenhausz jm selbs 
mit einem protmesser drey stich geben het, vnd wurdt deshalben 
hart hyngeen, er müsz sterben. Sehet zu, sagten die gotlosen, das 
seind die Ritterlichen, Lutherischen, Euangclischen leut, die, so sie 
sehen, das sie vberwunden sein, verzwcyffeln sie, vnd bringen sich 
selbs vmb das leben, auff das sie nit dem hencker zutail werden. 
.... Etlich haimlich Christen begerten sollichs durch mittelperson 
im schergenhausz zu erfaren, aber es wardt niemant vergündt, Da- 
bey ein yetzlicher frummer Christ wol ermessen kan. das er kain 
stich gehabt hab. Das war wol müglich, das er (nachdem er in der 
gefencknusz on alle erbarmung gereckt vnd zerrissen ist worden) 
et wo hart verwundt vnd aungebrochen sey. Es hat sich auch Taw- 
ber sollicher falscher zieht vor menigklich entschuldigt. 

Nach solchem langen kampff .... gemelten Tawber wider- 
umb zum widerruft* dringen wolten wie vormals, darzu auch vil 
herren vnd allerley volck sich versamlet, all beging zu hören ob 
der Tawber widerruffen wurdt. Aber der frumm Christ durch so vil 
pein vnd schmach wardt nit schwecher, sunder yemer vnd mehr 
sterker, wolt vnd begeret nit zu widerruffen, sunder zu sterben. 

Zuletzt am XVII. tag Septembris haben sie ein pferdt an ein 
wagen gespant, den Caspar Tawber auf den wagen gesetzt, vor jm 
sasz ein ... . Priester, welcher jm ein Tefelein vorhielt, in dem 
ein Crucifix vnd der junckfrawen Marie bild gemalt was, hinder jm 
aber sasz der hencker, neben jm lieffen acht Burgermaistersknecht 



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19 



vnd vier scherten, vnd fürten jn also haimlich hynder der Stadt- 
maur hynausz durch das Stubenthor auff den griesz, vnd es war 
zu morgen frue vmb die sechste stundt. 

Do sie aber an die stat, daran er enthaubt solt werden, kamen, 
stig der Tawber frölich von dem wagen, vnd bat den Hencker er 
solte jm sein hendt ledig lassen. Es wardt jm aber versagt. Also 
bat der Tawber alle menschen, so bey seinem todt versamelt waren, 
sie solten denen, so an seinem todt schuldig waren, nicht hessig 
noch feindt sein, dann also hat es got gefallen. 

Darnach sprach der Pfaff, Tawber wölt jr nit beichten. Ant- 
wort Tawber vnd sprach, Steet mein müssig, schafft ewer sach, 
Ich hab got meinem hymlischen vater gebeicht. Sagt widerumb der 
Pfaff, Jr solt dannocht sehen, das jr ewer sed versorget. Antwort der 
Tawber, Mein seel hab ich schon versorget, vnd wenn ich ja noch 
achtzig tausent seel het, so weren sie heut all, durch disen mein 
glauben zu got, versorget. Nach der red sähe er gen hymel auff und 
sprach, O Herr Jesu Christe, der du vmb vnsertvvillen vnd für vns 
gestorben bist, ich sag dir danck, das du mich vnwirdigen erweit vnd 
wirdig gemacht hast, vmb deines gütlichen worts willen zu sterben. 

Alsbald er solchs volendet, macht er mit dem rechten Fusz 
für sich auff die erden ein creutz, vnd knyet frölich darauff nieder. 

So jm aber der Hencker sein rote schlappen vom haubt nimbt, 
spricht der Tawber, Lieber maister, nembt sy hyn vnd tragt sy 
von meinentwegen. 

Also reyst jm der Hencker das hembd von dem halsz, vnd der 
Tawber, gantz willig vnd girig zu sterben, wind sein hendt vber 
einander, hebt seine äugen in den hymel, vnd spricht mit lauter 
stimm vnd ausz frölichem imprünstigen hertzen dreymal, Herr Jesu 
Christe, in dein hendt befilh ich mein geyst. 

Nach welchen worten schlecht der Hencker dem theuren Chri- 
sten sein haubt hynwegk. . . . Des Henkers knecht das abgeschla- 
gen haubt in die handt nimbt, mit der andern hilfft er dem mayster 
den enthaubten cörper schlaypffen, bisz etwo auff sechtzig schrit 
weyt, daselbst ein grosser scheyterhauff zugericht wardt, . . . auff 
welchen sie das haubt vnd cörper wurffen, vnd also verbrcnten. 
Dabey vnd mit kaum hundert menschen waren, so haimlich vnd 
schnell hat sich alle sach verloffen." 



2* 



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IL 

Zwei Predigten des Hofpredigers Abraham Scultetus. 

Von Dr. CARL REISSENBERGF.R in (iraz. 

In einem Sammelbande der hiesigen Universitäts - Bibliothek 
(Nr. '* e), der eine Anzahl alter Druckschriften zur Geschichte des 
dreissigjährigen Krieges enthält, habe ich auch zwei Predigten ge- 
funden, die von Abraham Scultetus, dem Hofprediger des Böhmen- 
königs Friedrich V. von der Pfalz, herrühren. Die eine der beiden 
geistlichen Reden ist etwa zwei Monate nach der Wahl Fried 
richs zum Könige von Böhmen auf dessen Reise nach Prag zu 
Waldsassen 1 ), wo ihn eine Deputation des böhmischen Wahlland- 
tags begrüsste, gehalten, die andere ist die erste evangelische Pre- 
digt in der Schlosskirche zu Prag. Die beiden Predigten scheinen 
mir historisch nicht ohne Belang, da sie nicht blos die äusseren 
Verhältnisse, unter denen sie gehalten worden sind, in ihren Rahmen 
hereinziehen, sondern auch der Stimmung Ausdruck geben, die 
unter den treuesten Anhängern des Böhmenköni^s herrschte, und in- 
Sonderheit den Geist des Mannes widerspiegeln, dessen Ermahnun- 
gen für Friedrich wohl mit bestimmend waren, die Krone anzu- 
nehmen. 

Aus diesen Gründen will ich Einiges aus den erwähnten Pre- 
digten hier mittheilen: 

Der Titel der sie enthaltenden Schrift lautet wörtlich: ,Der 
XX Psalm erklärt zu Waldsassen in der Obern Churfürstl. Pfalz den 
24 Octobris, Anno 1619 Als der Durchleuchtigste Hochgeborene 



*) Walds assen liegt in der Oberpfalz, dicht an der böhmischen Grenze, 
südwestlich von Egcr. Ueber Friedrich's Aufenthalt daselbst vergleiche übrigen? 
Gindel y, Gesch. des dreissigj. Krieges I, 2. S. 245 f. 



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21 



Fürst vnd Herr Herr Friderich, dieses Namens der Erste, erwehtter 
Koenig in Böheimb, Pfaltzgraff bey Rhein vnd desz H. Römischen 
Reichs Ertztruchsäsz vnd Churfürst Hertzosr in Bayern etc. Von 
ermeldtes Königreichs vnnd demselben einverleibten Ländern, als 
Mähren, Schlesien, Lausznitz ansehenlichen Herren Gesandten zum 
Könige auff vnd angenommen worden. Item: Eine Predig von 
der Herrligkeit der Kirchen Gottes auff Erden auff dem Prager 
Schlosz gehalten den 24 Üctobris Alten Calenders. Durch Abra- 
hamum Scultetum. Erstlich gedruckt zu Prag bei Daniel Carl etc. 
Nachgedruckt zu Amberg bey Johan Schönfeld. MDCXX.* 

Die erste Predigt leitet Scultetus mit den folgenden Worten 
ein: »Geliebte in dem HERRN Jesu Christo, Die Güte Gottes gehet 
vber alle seine andere Wercke ! Billich fahe ich meine Rede an vom 
Lob, Ruhm vnd Preisz der Güte Gottes, Dann durch die Güte Got- 
tes ist vnser gnädigster Fürst vnd Herr Pfaltzgraff Friderich Chur- 
Fiirst im August Monat ordentlicherweise zum Böhmischen König 
erwehlt worden, zum Trost, wie mir nicht zweiffeit, allen betrübten 
Evangelischen Kirchen. Durch die Güte Gottes ist der erwehlte 
König Fridrich heut diesen Tag von der Cron Böheimb vnd der- 
selben einverleibten Länder löblichen vnd ansehenlichen Herren Ab- 
gesandten zum Könige aufif vnd angenommen worden, zur Freude 
aller deren welche wünschen, dasz es Jerusalem wolgehe vnd Friede 
sey inwendig in jhren Pallästen. HERR, mein Gott, grosz sind 
deine Wunder vnd es ist freylich vnbegreiflich, wie du regierest ! 
Nu HErr, in diesem grossen Werck sehen vnsere Augen nur auff 
dich vnd bitten dich was du durch deine grosse Güte hast ange- 
fangen, das wollest du durch deine grosse Macht auszführen: Segne 
den König, dasz er mit Gericht und Gerechtigkeit als ein Vatter 
die Vnterthanen regiere. Rühre der Vnterthanen Hertzen, dasz sie 
jhren König kindlich lieben, fürchten vnd ehren. Gib beydes dem 
Könige vnd den Vnterthanen, dasz sie beständig in deinen Wegen 
Handeln: So wirts Herren vnd Vnterthanen wolgehen hie zeitlich 
vnd dort ewiglich. Was weiter frommen Königen zu thun gebüre, 
was weiter frommen Vnterthanen zu thun gebüre, dessen wird vns 
der zwanzigste Psalm guten Bericht mittheilen.* 

Nachdem der Redner diesen Text vollständig mitgetheilt hat, 
leitet er zur tractatio über, in der er im Anschlüsse an die Textes- 
worte spricht : 



4 

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22 



L ,Vom König David, wie er seine Sache angegriffen: 
A) Dasz der König eyfferig gebetet, 
R) Dasz er statlich geopffert, 

C) Dasz er eine Königliche Begierde vnd Fürsatz gehabt, 

recht zu regieren, 

D) Dasz er mit gutem Rahte gehandelt, 

E) Dasz er das Panier aufTgeworffen vnd sich in der That 

den Feinden widersetzt habe. 

II. Von den Vnterthanen, wie vnd was sie für den König gebeten. 

A) Sie haben für den König gebetet, 

B) Sie haben für den König gestritten. 

III. Vom König vnd Vnterthanen, worinnen sie eines Sinnes vnd 
Hertzens gewesen seyn, auff welches alles Glück, Fried vnd 
Freude erfolgt ist, nämlich darin, dasz König vnd Vnter- 
thanen mit einmütigem Herzen vnd Munde gesungen: Wir 
(das ist König vnd Vnterthanen) rühmen vns, dasz du uns 
hillfest vnd in deinem Namen werffen wir Panir aufT. Jene ver- 
lassen sich auff Wagen vnd Rosse. Wir aber dencken an den 
Namen desz Herren, unseres Gottes.* 

Erst im , Beschlüsse* wendet sich Scultetus wieder seinem 
Herrn, dem neuen Böhmenkönige zu, indem er sagt: ,Vnd das 
hab ich bey der erklärung dieses Psalms bey dieser gelegenheit er- 
innern wollen. Wir wissen je, was für ein Zustand vnsers Königs 
vnd desz Königreichs Büheimb sey: Wir haben auch gehöret, was 
sich für difficulteten bey der angehenden Königlichen Regierung 
König Davids ereugnet haben. Wol gutt: König Davids vnd seiner 
Vnterthanen Gebet hat das beste gethan : König Davids vnd seiner 
Vnterthanen grosses Vertrauen auff die Rosse vnd Wagen Gottes 
haben heraus geholffen. Der Gott lebet noch: Vnsercs Königs vnd 
vnser der Vnterthanen Gebet wird noch heute das beste thun : Gottes 
Werk ist es vnd nicht der Menschen: Gott wirds auch auszführen 
nach der Krafft, nach welcher er alles vermag, dasz ich vnd ein 
jeder Glaubiger zu seiner Zeit wird sagen können , was ferner im 
Psalm stehet: Nun merke ich, dasz der HERR seinem Gesalbtem 
hilfft vnd erhöret ihn in seinem Heiligen Himmel. Seine rechte 
Hand hilfft gewaltiglich. 

Wenn es dann dem ewigen, allweisen Gott also wolgefallen. 
Gnädigster IIErr, Ewer König: Majest : mit der Krön Böheimb zu 



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23 



verehren als kan ich Ampts halben nicht fürüber, Ewer König: 
Majest. wünsche ich von grund meines Hertzens für Gottes der hei- 
ligen Engel vnder dieser anschlichen Versamlung zu disem hohen 
Ampte Glück, Segen, Hey] vnd alle Wolfahrt. Got, der ewige 
Vatter, wolle seine Himmelbreite Barmherzigkeit, der Sohn Gottes, 
Jesus Christus, wolle seine beständige Liebe, der Heilige Geist, der 
wahre Tröster in aller Noth, wolle seine durchwürckende Krafft 
vber Ewer König: Majest: schalten vnd walten lassen von nun an 
bisz in Ewigkeit. Vnd soll Ewer König : Maj : dessen nur ver- 
gewissert seyn, dasz Gott der HERR Ewer König : Maj : vom hohen 
Himmel herab eben mit disen Worten anreden, mit welchem er vor 
Zeiten den theuern Held Josuam hat angeredet, als derselbe zum 
Haupt vber Israel erweckt war : Sey getrost vnd vnverzagt, Ich will 
dich nit verlassen noch von dir weichen. Sey nur getrost vnd sehr 
freudig, dasz du haltest vnd thuest allerdings nach meinem Gesetze : 
Lasz dasselbe nicht von deinem Munde kommen, sondern betrachte 
es Tag vnd Nacht. Alsdenn wirds gelingen in allem das du thust 
vnd wirst weiszlich handeln können. Lasz dir nicht grawen vnnd 
entsetze dich nicht: Dann ich der HERR, dein Gott, bin mit dir 
in allem, was du thun wirst. Das helffe derselbige trewe Gott 
durch seinen Sohn Jesum Christum in Krafft desz Heiligen Geistes. 
Amen.* 

Die zweite Predigt hebt also an: »Geliebte im HERRN. Wenn 
ich gedencke, für wem vnd an welchem Orte ich heut rede vnd 
predige, so musz ich aus den Psalmen Davids mit Verwunderung 
sagen: HERR, mein Gott, grosz sind deine wunder vnd deine 
Gedancke die du an vns beweisest. Dir ist nichts gleich. Ich wil 
sie verkündigen vnd davon sagen, wiewol sie nicht zu zehlen sind. 

Der HERR bawet Jerusalem vnd bringt zusammen die verjagten 
in Israel : 

Er heilet, die zerbrochens Hertzens sind vnd verbindet jhre 
Schmertzen. 

Er zeiget dem Königreich Böheimb seyn Wort vnd den einver- 
leibten Ländern seine Sitten vnd Rechte: 

Alle Menschen, die es sehen, müssen sagen : Das hat Gott 
gethan vnd mercken, dasz es seyn Werk sey. 

Haben sich nun die fromen glaubigen in der ersten Kirchen 
gefrewet, dasz sie nach der langwierigen Verfolgung endlich vnter 



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24 



der Regierung Kaysers Constantini auch zu Constantinopel zusammen- 
kommen vnd allda den wahren Gottesdienst haben verrichten können: 
Wie solten wir vns nicht frewen, dasz wir bey angehender Regierung 
vnsers Gnädigsten Newerwehlten Königs FRIDERICHS nach so lang- 
wieriger schwerer Verfolgung der glaubigen in diesen Landen auch 
zu Prag vnd zwar in der Schloszkirchen das Heilige Wort Gottes 
öffentlich erklären vnd anhören mögen. 

Haben die frommen Juden gefrolockct, als der Tempel zu Jeru- 
salem, welchen Antiochus entheiligt hatte, durch Judam Maccabäum 
widerumb geheiliget ist worden: Wie sollen wir nicht Frolocken, 
dasz diese Schloszkirchen, in welchen man so lange zeit dem Gott 
Maozim gedienet durch die Klare, helle Predigt desz Evangelions 
geheiliget vnd zu Wohnungen desz lebendigen Gottes zu Bethäusern 
vnd Dankhäusern gemacht werden. 



Diesem nach vnd dieweil ich die erste Evant» Predigt in diser 
Kirchen thun soll, hab ich mir fürgenomen von der Ilerrligkeit der 
Kirchen Gottes auf Erden etwas zu reden: Damit es fruchtbarlich 
geschehen möge, wollen wir zuvörderst Gott den HErrn umb die 
Gnad vnd Beistand seines heiligen Geistes anruften.* (Vnser Vater.) 

Textus Psalm: 45, 14. 

»Desz Königs Tochter ist gantz herrlich inwendig.* 
Auf Grund dieses Bibelwortes führt der Prediger sein oben 
angeführtes Thema in sechs Theilcn aus, die hier noch kurz ange- 
deutet werden mögen. 

»Die innerliche Herrligkcit der Kirchen Gottes stehet darin, 

1. Dasz man in derselbigen das klare Wort Gottes hat. 

2. Dasz man in derselbigen allein weisz, wie man recht bete 
vnd erhöret werde. 

3. Dasz in derselben die glaubige auff wunderbarliche weise 
errettet werden (Noah, Moses, Daniel, Jonas, Paulus). 

4. Dasz in derselben Leute leben, in welchen der Heilige Geist 
kräfftiglich den Glauben vnd wahre Gottseligkeit wirket. 

5. Dasz in derselben allein gewisse Weissagungen vnd vnver- 
dächtige Wunderwerke gefunden werden. 

6. Dasz derselben Gliedmassen allein ein verborgenes Leben in 
sich haben, wenn sie gleich von der Welt für tod geachtet 
werden/ 



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25 



Die Zeit Verhältnisse berührt Scultetus nur erst wieder am Schlüsse 
im s Gebete*. Er sagt darin unter anderem: ,Lasz dir in Gnaden 
befohlen seyn die Königliche Majestät in Groszbritanien vnd dann 
die Königliche Majestaet in Böheimb. In Sonderheit wollestu o HERR 
Gott selbst der Regierung vnseres Königs glücklicher Anfang, heiliges 
Mittel vnd seliges Ende sein, auff dasz vnter derselbigen, was bisz 
anhero betrübt gewesen sich widervmb erfrewe vnd was glcichsamb 
halb tod gewesen, widervmb lebendig werde.* Ausserdem betet er 
hier 1 ) nur noch für die übrige königliche Familie und >beyde Fürst- 
liche Herren Statthalter in der Vnttern vnd Obern Churfürstlich. 
Pfaltz sampt allen Rähten vnd Amptleuten, sowie die loblichen Stände 
der Cron Böheimb und demselben einverleibten Länder Mehrern, 
Schlesien, Lausznitz.' 

') In dem Gebete nach der ersteren Predigt empfiehlt er der Gnade Gottes 
ausser den obengenannten noch „alle Christliche Potentaten, Könige, Fürsten und Herrn", 
sowie Christian von Anhalt sr.imnt seiner Familie. 



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III. 



Religionsbeschwerden der evangelischen Stände von 
Steiermark, Kärnten und Krain. 

Von Senior Dr. ROBERT LEIDENFROST in Graz. 

Ein (ohne Angabe des Ortes) 1620 gedrucktes Flugblatt enthält 
neben zwei andern Tractaten auch ,Gravamina Religionis der löb- 
lichen Evangelischen Stände in Steyer Kärndten vnnd Crain etc. 
Darausz die über grosse Gewissens Bedrangnussen männigklich zu 
vernemen hat*. Diese Gravamina mögen nun in dem Folgenden 
wortgetreu wiedergegeben werden. 

»Die Religions vnnd Gewissens Beschwerungen minutim zu- 
erzehlen ist fast vnmüglich vnd vnnötig weil dieselben allbereit 
layder nur gar zu viel bewuszt Land- Reichs- ja Weltkündig seyn 
allein summatim anzudeuten. 

Erstlich so seind denen Evangelischen Ständen jhre mit gnädigster 
bewilligung Ertzhertzogen Caroli zu Oesterreich als jhres vorgewesten 
gnädigsten Herrens vnd Landtsfürsten lobseligster gedächtnusz gehabte 
viler Hauptministeria, als zu Grätz Judenburg Ciagenfurt vnd Labbach: 

2 Ihrer Adelichen vnnd anderer Jugendt Gymnasia, oder wol- 
bestelte Schulen zu bemeldtem Grätz Clagenfurht vnd Labbach: 

3 Im Land Steyer allein viel Pfarren vnnd andere Kirchen 
gewaltiger weisz entzogen: 

4 Vnd darunter viel erlaubte Kirchen mit Pulver zersprengt vnd 
sonsten nidergerissen : 

5 Ihre reine Seelsorger vnd Prediger bey straff Leibs vnd in 
Steyer allein über hundert : 

6 Vnd mehr Schuldiener jämmerlichen verjagt. 



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27 



7 Item viel Evangelischer inn Got selig entschlaflfener Christen 
sonderbare Freythöfen Ringkmauren vnd Plancken eingeworffen. 

8 Die in GOtt ruhende Cörper frommer Christen den Säwen 
vnnd Hunden auszzuwülen vnnd auszzugraben frey gemacht. Ja theils 
Sarchen ausz jhren Grufften vnter den freyen Himmel gesetzt theils 
spolirt theils mit Fewer gen Himmel Barbarischer weisz geschickt. 

9 Item auff dieser ehrlichen redlichen Biderleut Begräbnussen 
Galgen Ja gar wol da Evangelische Kirchen vnnd sonderlich der 
Predigstuel Altar vnnd TaufTstein gestanden dreyfache Hochgericht 
auffgebauet vnd gerichtet. 

10 Item viel tausendt Evangelischer Bücher darunter etlich hundert 
heiliger Biblien als stumme Prediger Göttlichs Worts verbrennt. 

11 Item vnnd das ein Jammer über alle Jammer viel tausent 
Bekenner der Evangelischen Warheit zu schändlicher, verdamlicher 
Verläugnusz jhrer Christlichen Religion mit allerhand angelegten 
Gewalt vnnd Bedrohung eusserster Pein vnnd Marter genötiget. 

12 Ihnen bey dem abgöttischen verdampten Bapstthumb zu 
verbleiben gezwungene Eyd (die Gott im Himmel layd) auffgeladen. 

13 Item jhrer der Commissarien eigene gehorsame maneipia et 
evotoria mit einer starcken Guardien an vnterschiedlichen Orten 
belegt welche die theils zuvor geplünderte arme Leut langezeit auff 
eignen Kosten vnterhalten müssen. 

14 Die beständige Bekenner aber bey jhrer Christlichen Confession 
sampt jhren vnschuldigen Weib vnd Kindern in verzuckten Terminen 
ordinarie in sechs Wochen drey Tagen theils in acht Tagen theils 
bey Sonnenschein ausz den Städten Märckten vnd Burckfrieden ja 
sogar ausz dem Land geschafft theils auch im harten Winter vnd 
starcken Vngewitter (da doch der Reichs Religionsfrieden de Anno 1555 
denen Vnterthanen ausz jhrer Herren vnd andern Herrschaften Gebiet 
der Religion halben zu ziehen allein auff jhre freye Willkür stellet 
wie die formalia lauten) ziehen vnd den Platz räumen müssen. 

15 Welchen dann jhre in der eyl vnverkaufiften Güter (bisz sie 
dieselbe füglichen vnd ohne grossen Verlust verkaufTen köndten) auff 
ein zeit bestandsweisz andern zu verlassen laut edicti specialis, ver- 
botten worden damit sie solche Güter in der eyl vmb einen spott 
otft vmb halb Gelt Ja mit grossem vnüberwindtlichen Schaden hin- 
geben vnnd gleichsam verschencken müssen. Da abermal der allegirte 
hoch verpoente Reichs Religionsfrieden die vnverwehrte wolgelegene 



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28 



Verkauffung der Güter denen ohne das freywillig amore Christianae 
religionis frey willig auszziehenden expresse zulasset. 

16 Ja darzu noch von allem jhrem Vermögen den zehenden 
Pfenning zur intitulirten Nachsteur als nach dem exempel der Chur- 
fürsten vnd Stände desz H. Römischen Reichs mit vngleichem anzug 
desz obenberürten Religionsfriedens (der sich nur aufif jedes Orts 
altes herkommen referirt, aber in disen Landen nit befindet zuge- 
schweigen dasz die vor Jahren ausz diesen Landen ausgeschaffte 
Juden derogleichen Nachsteuer befreyet gewesen) hinter sich verlassen 
daran man auch richtige vnd gar Hofschulden per modum compen- 
sationis nicht annemen sondern die arme exules CHRISTI noch 
mehr zu tribuliren, jhren Zehr- vnd Nohtpfenning hergeben vnd neben 
dem hochbeschwerlichen exilio mit auszgelärten Händen das Land 
vnd vielgeliebte Vaterland räumen die Blutsfreund verlassen jhre von 
deren Voreltern auflgeerbte Güter ohne allen Vorstand vnnd usum- 
fructum erbärmlich mit dem Rücken ansehen müssen. 

17 Vnd war diesen auszgeschafften als sampt jhren Voreltern 
lang gewesenen getrewen Lands Mitgliedern vnd ehrlichen Biders 
Leuten am beschwerlichsten dasz diese jhre Bandisirung vnd Ausz- 
Schaffung bei continuirter Leibs vnnd Lebensstraff auff ewig extendirt 
werden wil welches dann eine infamiam auff sich trägt dasz einer 
nicht mehr hin dörffe da seine inn Gott ruhende Eltern vnd er viel 
Jahr redlich vnd ohn alle Klag gehauset da doch der vom Gegen- 
theil angezogene Religionsfried ausdrücklich vermeldet dasz solchs 
eines jeglichen der Religion halben willkürlicher Ausz- und Abzug 
denselben allen vnd jeden an jhren Ehren vnnachtheilich vnd vnver- 
klcinerlich seyn soll. 

18 Ja dasz denen Evangelischen Herren vnnd Landleuten selbst 
gleiche infamia wil zugezogen werden als dasz etliche von jhren Ehren- 
ämptern allein der Religion halben Verstössen vnnd da sie von einer 
Ersamen Landtschafft jhren Freyheiten gemäsz vorgeschlagen von 
Hof ausz darzu nicht sondern an jhrer statt andere allein der Römischen 
Religion halber sonsten aber wenig qualificirte zu übel vorstehung 
der Empter vnd dasz darunter leydenden gemeinen Wesens gezogen 
Ja gar von jhren ex testamento oder proxima agnatione zustehenden 
Gerhab- oder Vormundschafften nicht ohne schmach Verstössen 
werden wollen welche nicht der Personen sondern der Religion 
infamia, dann auff alle deroselben Bekenner per consequens retro- 



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29 



trahirt vnd verstanden wird dahero sie sich alle deroselben als eigen 
sämptlich anzunemen. 

19 Nicht weniger seind die Herren vnd Landleute ohne einige 
Cognition oder erkandtnusz der Parium Curiae wider die wissentliche 
Landsfreyheiten vnd wol gebrachte Gewonheiten vnd auch Ihrer 
Fürstlich. Durchl. selbsten ult. Aprilis, Anno 1599 ertheiltc Haupt 
Resolution eigne exemption (als dasz die reformation sie nichts an- 
gehe) über ihre abgeschaffte Ministeria, Schulen, Prediger, praecep* 
tores, andere weltliche Diener entzogene Kirchen Vogtey Lehen- 
schafft auch in specie etliche die mit eigenem Willen ausz dem Lande 
gezogen mit dem zehenden Pfenning beschwert vnd jhrer viel desz 
gesuchten Religions exercitii ausser Landes (dahin doch Ihrer Durchl. 
Jurisdiction sich nicht erstreckt vnd niemand de jure extra territorium 
suum etwas zu schaffen oder zu strafen hat) vnnd anderer vngnug- 
samer Vrsachen halber mit hohen Geldtstraffen belegt vnd be- 
drangt werden. 

20 Vnd was bei diesen Hauptbeschwerungen bey jedem punet 
vnd sonsten für absonderliche hohe excess, Vngevüg gewaltthätige 
attentata vnnd Bedrangnussen hauffenweisz fürgelauffen, welche doch 
einstheils zuverschmertzen wann nur noch eine Linderung vnd 
Besserung zu hoffen were; Nun aber wil vns alle derogleichen Hoff- 
nung mit Ihrer Fürstl. Durchl. Jüngst den 8 Decembr. dieses 1609 
Jahrs ertheilten vngnädigsten Resolution allerdings abgeschnitten seyn 
inndeme höchstgedachte Ihre Fürstl. Durchl. sich categorice rund 
vnd lauter einmal vor alles dahin erklärt: bey Ihrer meynung bisz in 
jhre Gruben zu verharren ; Item dasz sie zu keiner andern Resolution 
zubringen vnd zubewegen sondern lieber alles vnd jedes so sie von den 
Gnaden Gottes heften in die Sehantz vnnd williglieh darzusetzen als 
von Ihrer meynung im wenigsten zu weichen gedencken. Item : bedrohen 
den Ständen gleichwol vnverJwffte widrige erzeigungen nit vngerochen 
verbleiben sondern obgelegen seyn zu lassen zvas zu erhaltung ihrer 
Gerechtigkeit seyn möchte etc. 

21 Vnd was schliesslichen zum allerbeschwerlichsten dasz Ihr 
Fürstl. Durchl. dero getrewe Landstände inn Religionssachen nicht 
mehr hören wollen sondern perpetuum silentium nunmehr öffters 
als 30 Septembr. Anno 1598. Den 5 Maij Anno 99. Den 5 Martij 
Anno 1601. Vnnd jüngstlichen bemelten 8 December Anno 1609 mit 
grossen Vngnaden vnnd schweren comminationen imponirt vnd dasz 



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30 



sie keine derogleichen Religions- vnd Beschwerschrifft mehr annemen 
wollen Inmassen sie albereit den 3 Febr. Anno 1599 ein Schrift vmb 
dasz kein Geistlicher bey vorgehabter praesentirung gewesen von 
denen Evangelischen Herren vnnd Landleuten nicht angenommen 
welches dann dura et acerba vox regnantis est, NON VELLE 
AUDIRE et scripta aeeipere contra quam vetula illa objiciebat Regi 
Macedonum Philippo audientiam recusanti: SI NON VIS AVDIRE 
NOLI ERGO REGNARE, da doch dergleichen Beschwerungen in 
Religionssachen vnd in specie wider die Geistlichen nichts newes 
sondern je vnnd allezeit vorgelaurTen so willigklich von denen Landes- 
fürsten vnd regierenden Herren angenommen vnd gebürlich in Sachen 
gebraucht worden wie wir in der Steyrischen Landesvest (fol. 81) 
ein schön Exempel haben das noch Anno 15 18 als Lutherus die Ober- 
hand bekommen Kaiser Maximiliano dem Ersten die Lande wider 
die Geistlichen vnnd Priesterschafft einen gantzen Catalog um vielerley 
beschwerungen vnordnungen vnnd saumnusz der Clerisey in Hand- 
lungen jhrer Beneficien, Gottesdiensten, Stiftungen, Seelsorg in ad- 
ministration der Kirchen vnd Pfarrlichen Rechten Praelaturen Prob- 
steyen Abteyen Canonicaten Pfründen Commenden vnnd andern 
Courtisanischen Sachen zu beschwerung der Land übergeben Ihr. 
Kays. Majest. vmb abwendung zu sollicitiren sondern auch was Ihro 
als Herren vnnd Landsfürsten gebürte ein einsehen zu haben aller- 
gnädigist versprochen; derogleichen remedirung man jetzo ebenfalls 
in weit mehrern terminis (da das übel überhand gar vnnd viel zu 
viel genommen ita ut vix spes sit salutis) bedürftig. 

Von Politischen obgedachter dreyer Stände vnnd Landen Be- 
schwerungen were gleicher gestalt viel zu sagen vnnd Klagen davon 
bey anderer gelegenheit meidung besehenen solle. 

Offenbarung Johannis Cap. XVIII. vers 4. 5. 6/ 



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IV. 



Oesterreichische Exulanten in Sachsen. 

Von J. SCHEUFFLER, Pfarrer in Lawalde (Sachsen). 

I. Ein doppelter Convertit. 

Pescheck führt in seiner , Geschichte der Gegenreformation 
in Böhmen* (Dresd. u. Leipz., 1844) Th. I. S. 231 ff. U. 477 ff. 
eine grosse Anzahl geborner Böhmen an, welche theils freiwillig, 
theils zum Exil gezwungen, eine geistliche Wirksamkeit in Sachsen 
suchten und fanden. Wir behalten uns vor, später einmal diese 
Nachrichten zu ordnen und kritisch zu sichten Bis dahin wollen 
wir einige bisher weniger gekannte österreichische Exulanten der 
Vergessenheit entreissen. 

Mein heimgegangener Lehrer, Professor M. Christian Gottlob 
Immanuel Lorenz in Grimma, ein fleissiger Geschichtsforscher, führt 
in einem 1854 veröffentlichten Schulprogramm „Series ministrorum 
Ecclesiae Evangelico - Lutheranae Grimensis* unter den Lebens- 
beschreibungen zahlreicher Geistlicher auch einen österreichischen 
Exulanten auf, der in seinem höchst merkwürdigen Lebensgange als 
zwiefacher Convertit erscheint. 

Es ist dies der D. Paulus de Helmreich 1627—31, über 
dessen Leben es (S. 12) heisst: Natus est a. 1579 Vindobonae, in 
quam clarissimam urbem pater eius cognominis, relicta urbe patria 
Norimberga, a. 1577 a mercatore quodam nobili, cuius negotia pro- 
curaret, arcessitus cum suis migraverat. Ibi cum ad eam aetatem 
puer pervenisset, qua prima litterarum elementa discenda sunt, 

') Vgl. auch Pescheck, Die böhmischen Exulanten in Sachsen. Leipzig 1857. 
S. 116 ff. 136 f. 167 f. 



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32 



parentes sacris evangelicis addicti, cum nulla ibi esset schola Evan- 
gelicorum, ipsi filium capita doctrinae evangelico-Lutheranae docere 
coeperunt, et ut cetera artium litterarumque clementa perciperet, 
collegium Iesuitarum frequentare iusserunt. Sed parentes mature 
decesserunt. Quo facto Iesuitae puerum XV annorum ad sacra Ponti- 
ficiorum amplectenda pellexerunt. Quod cum feliciter cessisset, bona 
eius indole perspecta, et Iesuitae et Dominicani certatim eum ad 
ordinem suum traducere conati sunt. Expugnarunt tandem Domi- 
nicani, quorum regula ei prae ceteris probaretur. Ab his anno aetatis 
XX Magister Philosophiae renuntiatus, cum magnam disciplinae mathe- 
maticae scientiam sibi comparasset, mox Bambergam ab Episcopo 
vocatus est, ut in Collegio episcopali illius urbis mathematicam et in 
Monasterio logicam et rhetoricam doceret. Aliquot annos ibi versatus 
Vindobonam rediit, ubi patronum nactus est Melchiorem Cleselium, 
famigeratum illum tum episcopum Vindobonensem, postea purpuratum 
Pontificis Romani, et a. 1605 in aede St. Stephani sollemni ritu Doctor 
Theolooriae renuntiatus est. Ibi cum aliis in rebus Cleselius multa et 
utili opera eius usus est, tum aliquoties Pragam misit, ut sibi consi- 
liarios in aula Imperatoris Rudolphi II, qui Matthiam fratrem ab eo 
ad imperium affectandum impelli suspicabatur, conciliaret. Sed cum 
Cieselii patroni fortuna tum admodum nutaret, percommode ei accidit, 
quod ab Archiepiscopo Salisburgensi vocabatur, ut sibi a sacris 
consiliis et concionibus esset. Mox in ordinem Benedictinorum receptus 
et Abbatiae Monsensis (Monsen) in Austria superiore coadiutor 
designatus est ; sed cum eodem tempore Cleselius eum administratorem 
sive »Vicarium in spiritualibus* paroeciae suae Kirnbergensis consti- 
tueret, ne gratia Cardinalis illius excideret, hanc provinciam minus 
lautam praetulit. Praeterquam quod muneris officia et multa et operosa 
cum fide obibat, assidue litteris operam dedit. Cum magna dignitate 
et laude doctrinae floreret, commendantibus summis rerum ecclesia- 
sticarum arbitris anno 1610 ab Imperatore Rudolpho II ornamento 
et insignibus nobilitatis donatus est. Etiam theologorum evangelicorum 
scripta legendi veniam impetravit, ut refutaret. Sed Lutheri et Martini 
Chemnitii scripta hanc in animum eius vim habuerunt, ut ei de veritate 
doctrinae evangelicae persuaderetur. Quapropter consilium iniit sacra 
evangelica amplectendi : quod et confirmatum et maturatum est morbo, 
in quem incidit. Praetendens enim se medicorum opem quaesiturum 
et thermis usurum ut convalesceret, sed cum animo statutum deli- 



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beratumque habens se non rediturum, Kirnbergä decessit et Fanum 
St. Hippolyti (in oppidum St. Pölten) se contulit, ubi ad medicum 
quendam sacris evangelicis addictum se applicuit, qui eum et morbo 
levavit et sermonibus cum eo de doctrina evangelica habitis valde 
iuvit. Ibi cum convaluisset, Ratisbonam et inde mense Martio a. 1618 
Norimbergam profectus est. Vtraque in urbe consilium suum cum 
theologis quibusdam evangelicis communicavit, sed cum ne Norim- 
bergae quidem se satis tutum ab insidiis Pontificiorum existimaret, 
impetratis a senatu Norimbergensi litteris commendaticiis et viatico, 
Baruthum (Baireuth), inde Coburgum, tum Ienam migravit. Ibi doc- 
trina evangelica imbutus, postquam sacris Pontificiorum renunciavit, 
ad coenam sacram a Lutheranis admissus et in coetum Evangeli- 
corum receptus est. Inde cum vitam in egestate degens muneri 
ecclesiastico praefici cuperet, primo Vimariam, deinde mense Ianuario 
a. 1619 iterum Norimbergam, tum Onoldum (Ansbach) muneris petendi 
caussa adiit. Sed nusquam voti compos factus in Saxoniam rediit 
et a. 1622 Vitebergae sedem fixit, ubi quae scripta habebat digerere 
et edere et Scholas academicas aperire constitucrat. Anno 1624 
d. 17. Decbr. vocatus est pastor Luscaviam (Lausigk), in oppidum 
non procul a Grima situm et post Badehorni Ephori Grimensis 
mortem a. 1627 d. 10. Ianuar. Pastor et Ephorus Grimensis destinatus 
est: cui muneri praefuit usque ad mortem, quae insecuta est 
d. 3. Iulii 1631. 

Matrimonium iniit d. 15. Iulii 1628 et viduam sine prole reliquit. 
De quo matrimonio narrat successor eius Reinhardus Bakius in 
expositione Psalmorum ad Psalm. 86 fol 338 b. Sed quod scribit 
uxorem eius fuisse filiam Matthaei Chemniceri hortulani Lipsiensis, 
falsum est; nam in »Catalogo Copulatorum Grimensium* a. 1628 
initio appellatur illa Maria ,des Erbaren Ehrenwohlgeachten Matthäi 
Kamtz, Bürgers und vornehmen Ölhändlers zu Leipzig, ehel. Tochter*. 

(Schumacher Memoria antistitum Grimensium. Grimma 1720, 
S. 13—15. Dietmann Die gesammte der ungeändcrten Augsb. Conf. 
zugethane Priesterschaft in dem Churfürstenthum Sachsen. Th. I. 
318. 1475 f. II. 1072— 1074. Joecher Gelehrten-Lexikon II. 1474. 
Strobel Miscellaneen literarischen Inhalts. Nürnberg 1781. 5. Samml. 
233 — 255. Seine Schriften: Witte Diarium biographicum II. 39.) 

Von ihm erzählt Albert Schiffner im III. Suppl.-Bande von 
Schumann's , Vollständiges Staats-, Post- und Zeitungs-Lexikon von 

Jahrbuch des Protestantismus 1883. H. I. 3 



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I 



34 



Sachsen* (Zwickau 1828) S. 367: Er gelobte sich nun [nachdem er 
1627 Superintendent in Grimma geworden war], die erste Jungfrau 
zu heirathen, die zu Wagen vor seine Thüre kommen würde, welches 
denn eine Leipziger Gärtnerstochter war, die Gemüse nach Grimma 
brachte, — welche Geschichte durch das Traubuch von Grimma 
freilich nicht völlig bestätigt wird. Sächsische Kirchen-Galerie X. Band, 
S. 202 heisst es von ihm : Den Ruf nach Lausigk erhielt er in Witten- 
berg, wohin er auch einen durch den damaligen Krieg aus Böhmen 
vertriebenen Pfarrer und Cantor auf einige Zeit mitbrachte. 

So ist denn v. Helmreich ein Seitenstück zu den beiden Bischöfen 
Petrus Paulus Vergerius zu Capo d 'Istria und Johann IX. v. Haugwitz 
zu Meissen, welche auch durch's Lesen der heil. Schrift und der 
Schriften Luther's und anderer Reformatoren zur Erkenntniss der 
evangelischen Wahrheit gelangt sind, Vergerius um 1550 und Johann IX. 
1576 oder 1577. 



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V. 



Heraldisch - genealogische Wanderungen auf den 
Wiener evangelischen Friedhof. 

Von ALFRED GRKNSER. 

Die Wiener Friedhöfe, voll Erinnerungen an edle Namen und 
Gechlechter, bergen für den Heraldiker und Genealogen eine Fülle 
von Material, von dem bisher wohl nur selten Nutzen für die 
Wissenschaft gezogen wurde. 

Da seit Entstehung des neuen und grossartigen Centralfriedhofs 
im Osten der Stadt, an der Strasse zwischen Simmering und Schwechat, 
der Bestand der alten Friedhöfe Wiens nicht mehr lange gewähr- 
leistet ist, indem das fortdauernde Wachsthum der Kaiserstadt bald 
die Notwendigkeit der Rasirung dieser altehrwürdigen Stätten des 
Friedens gebieterisch fordern wird, so erachtete ich es nicht für 
werthlos, interessante Erinnerungen an die alten Friedhöfe Wiens zu 
verzeichnen und der Vergessenheit zu entreissen. 

Seit dem Jahre 1870, wo ich diesen Entschluss fasste, habe ich 
alle Friedhöfe Wiens in unzähligen Wanderungen durchstreift und 
specicll die für Wappen- und Geschlechterkunde interessanten Grab- 
denkmale durch Excerpirung der heraldischen Insignien und genea- 
logischen Daten für die Kunde österreichischer Adelsgeschichte, 
Genealogie und Heraldik nutzbar zu machen versucht : vier Bände 
mit Hunderten von Zeichnungen und handschriftlichen Notizen sind 
das Resultat dieser Streifzüge durch die Gräberreihen unserer 
Freithöfe. 

Mir eine spätere literarische Verwerthung des Gesammtmate- 
rials vorbehaltend, möchte ich vorläufig in diesen, der Geschichte 
des Protestantismus in Oesterreich gewidmeten Blättern einige Notizen 

3 * 



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36 



über heraldische Grabdenkmale des evangelischen Friedhofs vor der 
Matzleinsdorfer Linie niederlegen. 

Kann sich auch der protestantische Friedhof Wiens an Alter 
und reicher Ausbeute für unsere Zwecke mit den übrigen Friedhöfen 
Wiens, deren Grabdenkmale bis in's vorige Jahrhundert zurückreichen, 
nicht messen, indem seine Gründung erst in's Jahr 1856 fällt, so 
begegnen wir doch auch hier, die Reihen der Gräber durchschreitend, 
manchem stolzen Embleme, dessen Träger zu den edelsten Familien 
der Monarchie oder des Auslandes zählte. Wir nennen die Namen : 
Aebly v. Kilchmatten, Ritter v. Andreae, v. Benedek, Frhr. v. Bruck, 
Racz v. Ehrenstetten, Frhr. v. Ergelett, v. Fejerväry, St. George 
und Szent Györgyi, Frhr. Haber v. Linsberg, Ritter v. Henikstein, 
Ritter v. Jenisch, Frhr. v. Langenau, Graf Leiningen- Westerburg, 
Frhr. v. Mertens, Ritter v. Manner, v. Mojsisovits, Frhr. v. Neuwirth, 
v. Nostitz, Ritter v. Rogge, v. Scheidlin, v. Schiller, v. Steiger, 
Frhr. Strein v. Schwarzenau, Edle v. Thomann, Vass, Frhr. v. 
Wernhardt etc., deren wappengezierten Denkmalen wir auf den garten- 
ähnlichen Anlagen hinter dem prächtigen Kuppelbau Theophil Hansen s 
begegnen — oder begegnet haben, denn mehrere dieser Denkmale 
sind schon verschwunden, wie uns spätere Besuche des Friedhofs 
belehrt haben, ein Grund mehr, die Aufzeichnungen darüber durch 
den Druck festzuhalten. Denn wir sind der festen Meinung, 
dass dieZeit kommen wird, wo die Kunde von den ehe- 
maligen Grabdenkmälern unserer Friedhöfe eine gleiche 
Wichtigkeit haben wird, wie heute jene der Grabsteine 
alter Kirchen und Klöster, die wir sorgfaltig, soweit sie noch 
vorhanden und nicht als Thürschwellen ländlicher Gebäude benutzt 
worden sind, conserviren. 

In nachstehenden Zeilen sind jene Grabdenkmale des evangel. 
Friedhofs vor der Matzleinsdorfer Linie namhaft gemacht, die heral- 
dischen Schmuck tragen. Es sind dadurch viele Wappen überliefert, 
die wir sonst vergeblich in irgend welchem Wappenbuche suchen 
würden, — eben dadurch erhält die Fixirung dieser Embleme ihren 
Werth. Für den Heraldiker von Fach hätte eine kürzere Blasonnirung 
oft genügt; da ich indess auch auf das Interesse vieler Leser dieser 
Blätter zählen durfte, habe ich mich möglichster Allgemein- Verständ- 
lichkeit in der Beschreibung der Wappen befleissigt. Dabei bemerke 
ich, dass Farbenangaben nur da Platz gegriffen haben, wo solche 



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durch Schraffirung oder Punktirung auf den die Grabmäler zierenden 
Wappen bemerkbar waren. Ich hätte dieselben in manchen Fällen 
durch andere Quellen ergänzen können, doch wollte ich die Angabe 
genau so liefern, wie ich die Objecte in Wirklichkeit gefunden. 

1. Der älteste wappengeschmückte Grabstein unseres evan- 
gelischen Friedhofs ist der Nr. 141 des k. k. Feldmarschall-Lieutenants 
Josef Fejerväry de Komlös-Keresztes, gestorben am 
30. December 1859, 62 Jahre alt. Wir sehen einen blautingirten 
Schild mit weissem Querbalken, auf dem ein Löwe, beseitet von Stern 
und Halbmond, schreitet. Im Schildesfuss erhebt sich ein Dreiberg, 
aus dem drei Blumen (Tulpen) hervorwachsen. Der den Schild über- 
ragende gekrönte Helm trägt einen wachsenden Löwen mit drei- 
blüthigem Tulpenstengel in der rechten Pranke. FMLt. v. Fejer- 
väry gehörte einer protestantischen ungarischen Familie an und war 
Ritter des kaiserl. österr. Leopold-Ordens etc. 

2. Ferdinand Ritter v. Jenisch, Rentier, geb. zu Manolz- 
weiler bei Winterbach in Württemberg 14. Januar 1773, gest. 
28. Februar 1860 in Wien, und seine Enkelin Melanie Clara Maria, 
Hauptmann-Auditors-Tochter, geb. zu Cilli 2. Januar 1864, gest. zu 
Pressburg 14. Juni 1867, führen von Gold über Schwarz quergetheilten 
Schild mit einer Lilie in verwechselten Farben. Der gekrönte Helm 
trägt eine Lilie zwischen zwei BüfTelshörnern. Die von Jenisch waren 
eine alte berühmte Augsburger Patricier-Familie, die von Kaiser 
Ferdinand II. 1621 mit einem Adelsdiplom begnadet wurde. Ihr ge- 
hörte auch der namhafte Orientalist Bernhard v. Jenisch an, in der 
gelehrten Welt durch die zweite Ausgabe v. Meninsky's arabisch- 
persisch-türkischem Lexikon, Wien 1780, und durch die Historia 
priorum regum Persarum, persice et latine, Wien 1782, und andere 
Werke rühmlichst bekannt, der in Wien am 22. Februar 1807 a ^ s 
k. k. Hofbibliotheks-Präfect starb. 

3. Ein prächtiger Grabstein mit Doppelwappen unter Fürsten- 
mantel deckt die Ruhestätte (Nr. 157) der erlauchten Frau Charlotte 
Gräfin zu N eu-Leiningen- Westerburg, geb. Scholz v. 
Schmettau, Witwe des Geh. Raths und Feldmarschall-Lieutenants 
Grafen zu Leiningen- Westerburg, geb. zu Berlin 19. April 1790, gest 
zu Wien 5. März 1860. Die zwei gegeneinander gelehnten Wappen- 
schilde zeigen die Leiningen'schen und Scholz v. Schmettau'schen 
Embleme. Das erstere Wappen ist quadrirt mit Mittelschild; I und 4 



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drei kleine Adler unter dreilätzigem Turnierkragen, 2 und 3 ein 
schmales Kreuz, begleitet in jedem Winkel von fünf (2, r, 2) Kreuzlein. 
Mittelschild : ein Löwe mit Freiviertel im vordem Obereck, worin 
abermals ein Kreuzlein. Das Scholz v. Schmettau'sche Wappen zeigt 
im roth über Schwarz quergetheilten Schilde einen Ring, von dem 
drei Eicheln an Stengeln abzweigen, zwei nach oben, eine nach 
unten. Die Leiningen sind alte deutsche Dynasten, zählen zum hohen 
Adel und sind daher zur Führung der fürstlichen Krone und des 
hermelingefütterten Wappenmantels, der obige Wappenschilde um- 
gibt, berechtigt. 

4. Carl Ludwig Freiherr v. Bruck, k. k. Geh. Rath, Finanz- 
minister, Grosskreuz des k. k. Leopold-Ordens, der eis. Krone etc., 
geb. 18. October 1798, gest. 23. April 1860. Den prachtvollen Grab- 
stein schmückt neben dem Spruche: , Unser Ruhm ist das Zeugniss 
unseres Gewissens. 2. Cor. 1, 12* folgendes Wappen: Quadrirtqr 
Schild mit Mittelschild, worin eine gestürzte, rothe Mütze mit Hermelin- 
aufschlag. Durch's erste und vierte goldene Feld zieht sich, schräg 
rechts gekehrt, eine Lanze, deren alterthümlich verzierte Spitze gegen 
das obere Vordereck gekehrt erscheint. Im zweiten rothen Felde 
ein Löwe mit Palmzweig in der rechten Pranke, im dritten blauen 
Felde aber ein Hirschkopf mit einwärts gekehrtem Halse und ^el- 
endigem Geweih. Eine siebenperlige Krone bedeckt den Schild, unter 
dem sich ein Spruchband zeigt mit der Devise: »Quod sis, esse 
velis.* Bruck hatte als Director des Lloyd in Triest 1848 den Ritter- 
stand, im December 1849 als Minister für Handel, Gewerbe und 
öffentliche Bauten den Freiherrnstand erhalten; sein tragischer Tod 
— er schied freiwillig aus dem Leben — ist allbekannt. 

5. Die Ruhestätte der Familien Szüts v. Tasnäd und Aebly 
v. Ki Ich matten ist geziert mit den Wappen dieser zwei prote- 
stantischen Geschlechter, von denen das eine ungarischer, das andere 
schweizerischer Abstammung ist. Die Szüts führen im Schilde einen 
säbelbewaffheten Löwen, der sich auf dem gekrönten Helme wachsend 
wiederholt. Das Wappen der Aebly zeigt in rothem Schilde vier 
geschrägte Lanzen, die zwei Blätter des Maulbeerbaumes, eines be- 
setzt mit einem Seidenwurm, einschliessen. Zwei dieser Lanzen sind 
mit der Spitze nach oben gekehrt, die dritte liegt quer mit der 
Spitze nach dem hintern Schildesrand gerichtet, die vierte quer mit 
der Spitze nach dem vordem Schildesrand, auf diese Weise ein 



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Quadrat bildend. Der gekrönte Helm trägt einen Adlerflügel. Unter 
diesem Zeichen ruhen: S. Cath. Aebly v. K., geb. Zwicky v. Mollis, 
geb. 30. September 1774, gest. 18. Januar 1861; Katharina v. Szüts- 
Tasnäd, geb. Aebly v. K., geb. 1. September 1792, gest. 13. August 1866 
und Irma v. Szüts-Tasnäd, geb. 16. Januar 1870, gest. 22. März 1870. 

6. Daniel Vass de Diodvarallya, Oberst des k. k. Erzh. 
Ernst Inf.-Regts. Nr. 48, gest. 5. März 1861, liegt unter nachstehendem 
Embleme: Im Schildesfuss ein Herz, in das sich drei fächerartig 
gestellte Säbel einbohren ; darüber ein von zwei menschlichen Händen 
gehaltenes Hufeisen. Eine fünfperlige Krone deckt den Schild. 

7. Dem Wappen der Mojsisovits v. Mojsvar, einem quer- 
getheilten, von fünfperliger Krone bedeckten Schilde, in dessen 
oberer silberner Hälfte eine Schlange, die aus goldenem Becher 
trinkt, während die untere, grünschraffirte Hälfte einen von Bienen 
umschwärmten Bienenstock zeigt, begegnen wir auf dem Grabstein 
des Georg Mojsisovits Edlen von Mojsvar, geb. zu Ivankofalva 1799, 
gest. zu Wien 10. März 1861. Hier ruht auch dessen Gattin I Iermine, 
geb. v. Alitisz, geb. zu Pressburg 1820, gest. zu Ischl 5. August 1867 
und deren Tochter Natalie Mojsisovits Edle v. Mojsvar, geb. 13. Juli 1841, 
gest. 11. Mai 1880. 

8. Ein hübsches gothisches Wappen zeigt sich auf dem Stein 
mit der ungarischen Inschrift : Nagy Rapolti Szent-GyÖrgyi Imrenek 
Kesergö özvegye es gyermekei született Aug. 26 1784, meghalt 
April 18 1862. Blauer Schild mit säbelschwingendcm Löwen unter 
drei nebeneinander gestellten Rosen. Der gekrönte Stechhelm trägt 
einen wachsenden Ritter mit gezücktem Schwert zwischen zwei 
Büffelhörnern. 

9. Die Grabstätte des k. k. Rittmeisters und Realitäten-Besitzers 
Ludwig Freiherrn v. Neuwirth, gest. 5. Nov. 1862 im 71. Lebens- 
jahre, schmückt folgendes Wappen: Durch aufsteigende silberne 
Spitze getheilter schwarzer Schild ; in der Spitze erscheint auf Boden 
stehend ein Huszar mit einer Kugel in der rechten Hand, die Linke 
in die Seite gestemmt; rechts und links der Spitze im schwarzen 
Felde je eine Lilie. Eine fünfperlige Krone deckt den Schild, welchen 
Kriegstrophäen umgeben. 

10. Auf dem Grabstein der Familie Racz v. Ehrenstetten 
vom Jahre 1863 erscheint nachstehendes Wappen : Quadrirter Schild. 
Im ersten und vierten Felde ein schwertbewaffneter, geharnischter 



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Arm, im zweiten und dritten blautingirten Felde ein schräggestelltes 
Fähnlein. Als Helmkleinod wiederholt sich der schwertfuhrende Arm. 

11. Auf dem Grabstein Nr. 465, der die Stätte bezeichnet, wo 
Jacob Edler v. Thomann, geb. 6. August 1790, gest. 19. Mai 1864, 
ruht, sehen wir folgendes Wappen : Quergetheilter Schild, die obere 
Hälfte gespalten. Vorn wiederum quergetheilt, mit einer Rose in 
jedem der rothtingirten Theile; hinten im schwarzen Felde ein 
säbelbewaffneter Greif. In der untern blauen Hälfte sitzt eine Taube 
mit Zweig im Schnabel auf felsigem Grunde. Eine Blätterkrone deckt 
den Schild. 

Eine zweite Grabstätte mit gleichem Wappen deckt die irdischen 
Ueberreste des Gustav Edlen v. Thomann, geb. 21. October 1809, 
gest. 4. Juli 1867. Beide waren Söhne des 1806 geadelten Gross- 
händlers Johann Michael Thomann. 

12. Carl Friedrich Wilhelm Freiherr Streinv. Schwar- 
zenau, geb. 11. Juni 1787, starb zu Wien 1. August 1865. Gattin und 
Kinder setzten ihm einen Denkstein mit folgendem Wappen: Einen 
von Gold über Blau getheilten Querbalken beseiten drei Rosen 
(2 und 1) in rothem Felde. Der gekrönte Helm trägt eine vorwärts- 
gekehrte, wachsende, gekrönte Jungfrau, die an langen Stengeln zwei 
dreiblättrige Kleeblätter geschultert trägt. 

13. Carl v. Benedek, Doctor medicinae, stirbt zu Wien 
2S. Mai 1866 im 64. Lebensjahre. Die trauernde Gattin setzt ihm 
einen Denkstein (Nr. 566) mit folgendem Wappen : Im blauen Schilde 
auf Dreiberg ein doppeltgeschwänzter Löwe, mit den Pranken eine 
Weinrebe mit zwei Trauben haltend. Im vordem Schildesrand senk- 
recht untereinander drei Sterne. Der gekrönte Helm trägt einen 
wachsenden Löwen mit der Weinrebe. 

14. Seine Excellenz Stefan Freiherr v. Wernhardt, 
k. k. wirkl. Geh. Rath und Kämmerer, k. k. Feldmarschall-Lieute- 
nant, Ober-Lieutenant der k. ungar. Leibgarde, Inhaber des k. k. 
16. Inf.-Rgts., Commandeur des k. k. österr. Leopold-Ordens mit der 
Kriegs-Decoration, geb. 26. März 1806, gest. 12. August 1869, und 
Ihre Hochwohlgeboren Caroline Freiin v. Wernhardt, geborne Freiin 
v. Kemeny de Magyar Gyerö-Monostor, geb. 17. März 1829, gest. 
8. März 1859, ruhen unter dem schönen Grabstein Nr. 85 unseres 
Friedhofs. Auf demselben prangt das prachtvoll in weissem Marmor 
ausgeführte Allianz- Wappen unter siebenperliger Krone. Vorn der 



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Schild der Freiherrn v. Wernhardt : Quadrirt mit Mittelschild, der 
in Schwarz auf Dreihügel einen gekrönten Löwen zeigt, welcher in 
der rechten Pranke ein Schwert schwingt, in der linken eine Tartsche 
vor sich hält. Im ersten rothen Felde eine strahlende Sonne; im 
zweiten und dritten weissen Felde eine brennende Bombe ; im vierten 
rothen Felde ein Halbmond. Das Wappen Kemeny zeigt eine Krone 
auf Hügel, aus dieser emporwachsend ein halber springender Hirsch, 
beseitet oben von Halbmond und Sonne. Stefan Frhr. v. Wernhardt 
war ein Sohn des Generals der Cavallerie und commandirenden 
Generals in Siebenbürgen Paul v. Wernhardt, der 1818 die un- 
garische Freiherrnwürde erlangt hatte. Stammvater der Familie ist 
Stephan Wernhardt, der gegen die Türken unter Schwarzenberg 
bei Papa und Kanisza tapfer gefochten hatte, vom Pfalzgrafen 
Florian Drosdowsky 1621 einen Wappenbrief, 1646 aber von König 
Ferdinand III. den ungarischen Adelstand erhielt. 

15. Joh. Jacob v. Scheidlin, geb. 14. Juli 1791, gest. 
2. März 1870, liegt unter dem von seiner Gattin gewidmeten Grab- 
stein Nr. 835, welchen nachstehendes Wappen ziert : Quadrirter Schild 
mit Dreiberg im Schildesfuss : 1 und 4 quergetheilt von Gold und 
Blau mit drei Ochsenköpfen, 2 und 1 gestellt. Im zweiten und dritten 
Felde ein Querbalken, der mit einer Dolchscheide (Anspielung auf 
den Namen Scheidlin) belegt ist. Auf dem Schilde erheben sich zwei 
gekrönte Helme ; der erste trägt einen wachsenden Ochsen zwischen 
offenem Adlerflug, der zweite zwischen zwei BüfTelhörnern einen 
wachsenden Bogenschützen. Die Scheidlin stammen aus St. Gallen 
in der Schweiz. Von dort kam Niclas Scheidlin um's Jahr 1450 nach 
Augsburg und seine Nachkommen werden hier fortwährend unter 
den , ehrbaren Geschlechtern* genannt, bis sie Kaiser Josef I. am 
27. Mai 1705 in den Adelstand erhob. 1729 erfolgte durch Kaiser 
Carl VI. eine Bestätigung des Adels nebst Wappenvermehrung, und 
1733 kam das Geschlecht in s Patriciat zu Augsburg. 

16. Ganz in der Nähe des Vorigen ruht Hans Carl v. Nostitz- 
Drzewiecki, k. k. General-Major, geb. 29. Juni i8o5,gest. 19. April 1871, 
Sprosse eines der ältesten sächsischen und lausitzischen Adels- 
geschlechter, wovon eine Linie 1674 in den Reichsgrafenstand avan- 
cirte. Die Nostitz sind vandalischer Abkunft und schon 1026 wird 
Dietmar v. Nostitz als Erzbischof von Salzburg genannt. Den Grab- 
stein unseres Hans Carl v. Nostitz schmückt das uralte Stamm- 



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wappen der Familie: In blauem Schilde zwei oben spitze und aus- 
wärts gekrümmte Büffelhörner, die sich auf dem gekrönten Helme, 
aber hier mit Schalllöchern versehen, wiederholen. Eigentlich sollen 
die Hörner von Weiss und Roth geschacht erscheinen; auf unserm 
Monument ist davon nichts zu sehen. 

17. Den Grabstein des Heinrich Ritter v. Rogge, geb. 
29. April 1811, gest. 30. December 1872, ziert folgendes Wappen: 
Im blauen Schild ein doppelt-geflügeltes Rad, dahinter senkrecht 
gestellt ein Anker. Von den zwei gekrönten Helmen trägt der erste 
drei Straussenfedern, der zweite einen Adlerflügel. 

18. Den prachtvollen Grabstein der f reih e rrl. v.Langenau'schen 
Familie ziert ein Allianz- Wappen, überhöht von der siebenperligen 
Krone. Der erste Schild zeigt das Wappen der alten schlesischen 
Familie v. Langenau, in blauem Felde einen mit drei Rosen belegten 
Schrägrechtsbalken ; der zweite Schild ist quergetheilt, oben mit drei 
weissen Pfählen in Roth, unten roth ohne Bild. Dies ist das Wappen 
der dänischen Familie v. Hafther, aus welcher die Mutter des Ferd. 
Carl Frhr. v. Langenau, geb. zu Stockholm 25. October 1857, gest. 
zu St. Petersburg 6. Januar 1873, resp. 25. December 1872, stammte, 
der hier begraben liegt. In dieselbe Gruft wurde sein Vater ein- 
gesenkt, der hochgeborne Ferdinand Joachim Frhr. v. Langenau, 
k. k. General der Cavallerie, Geh. Rath, Kämmerer und B o t h schafter 
(sie !), geb. zu Linz 8. Februar 1818, gest. zu Wien 19. Januar 1881. 

19. Carl Frhr. v. Mertens, k. k. Feldzeugmeister etc., geb. 
25. Juli 1803, £ est - 2 5- März 1874, dessen Gattin Marie Alexandrine 
Freiin v. Mertens, geb. Freiin v. Langenau, geb. 30. October 1S11, 
gest. 9. Juni 1880, und deren Tochter Zoe Freiin v. Mertens, geb. 
15. August 1844, gest. 28. Februar 1868, sind vereint unter einem 
Stein, auf welchem folgendes Allianz- Wappen erscheint: Erster 
Schild blau mit einem Greif, den ein schrägrechter Balken überdeckt 
(Frhr. v. Mertens) ; zweiter Schild blau, mit einem von drei Rosen 
belegten Schrägbalken (v. Langenau). Beide Schilde vereint unter 
einer siebenperligen Krone. Die Mertens erlangten in der Person 
des Dr. med. Carl Mertens 1773 den Adel und 1778 den Ritterstand, 
mit dessen Enkel 1849 den österreichischen Freiherrnstand. Carl 
Frhr. v. Mertens war zugleich Militär- und Civilgouverneur von Triest, 
Statthalter im Küstenlande, Präsident der Central-Seebehörde und 
zweiter Inhaber des 37. Inf.-Rgts. Erzherzog Joseph etc. 



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43 



20. Franz Ritter v. Andreae, k. k. Truchsess, geb. 
26. October 1793, gest. 25. September 1874, hat folgendes Wappen 
auf seinem Grabstein : In weissem Felde ein schwebendes rothes 
Andreaskreuz, in den vier Winkeln beseitet von je einer rothen 
Rose. Von den zwei gekrönten Helmen, welche den Schild bedecken, 
trägt der erste einen wachsenden Adler, der zweite einen offenen 
Adlerflug, jeder Flügel belegt mit dem Kreuz und den Rosen wie 
im Schild. Franz Ritter v. Andreae war ein Sohn des Adelserwerbers 
Christoph Andrea, der als Besitzer der böhmischen Herrschaften 
Brandlin und Przehorzov und der Seiden- und Sammetfabrik in 
Wiener-Neustadt 1815 den Ritterstand erlangt hatte. 

21. George Heinrich A. v. S a int Geo rge, Ober-Ingenieur, 
geb. 26. Mai 1825 zu Caub am Rhein, gest. 7. Februar 1875 zu Wien, 
hat auf seinem, von der trauernden Witwe gesetzten Grabstein fol- 
gendes Wappen: In blauem Schilde Ritter St. Georg im Harnisch, 
hoch zu Ross, dem unter des Pferdes Hufen sich krümmenden Lind- 
wurme mit gezücktem Schwerte zu Leibe gehend. Eine siebenperlige 
Krone deckt den Schild. Die St. George sind eine aus Frankreich 
stammende, dann in die Pfalz eingewanderte Familie, die ihren Adel 
bis 1583 zurück nachzuweisen vermochte und auf Grund dessen 1847 
in Baiern bei der Adelsclasse immatriculirt wurde. 

22. Der Rathsthürhüter im k. k. Finanz-Ministerium, Joh. Fried- 
rich Fallstich, geb. 1794, gest. 26. Januar 1876, führt auf seinem 
Grabstein folgendes Wappen: Quergetheilter Schild, oben weiss, 
unten roth, darin ein geharnischter Mann, mit gezücktem Schwert 
in der Rechten. Zwei gekrönte Helme decken den Schild. Aus dem 
ersten erhebt sich ein schwertführender, gepanzerter Arm, der zweite 
trägt drei Straussfedern. Es ist ein vereinzelter Fall, in dem der Träger 
eines bürgerlichen Namens ein ritterliches Wappen führt. 

23. Ludwig von Schiller, Edler v. Harka, k. k. General- 
major, k. k. Kämmerer, Ritter des k. sächs. Militär-St. Heinrichs- 
Ordens, Besitzer des k. k. Militär- Verdienstkreuzes mit der Krone, 
des k. k. Veteranenkreuzes und der k. k. Kriegsmedaille, Ehren- 
bürger der Stadt Tarnopol, geb. zu Harkan in Ungarn 30. März 1805, 
gest. zu Obermeidling bei Wien 28. März 1876 ; hat seinem Kaiser 
und Könige treu und ausgezeichnet gedient zur Ehre seines Vater- 
landes und zum Ruhme seiner Angehörigen. Den Grabstein dieses 
Kriegers (Nr. 1467) ziert nachstehendes Wappen : Gevierter Schild. 



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44 



i und 4 in Blau ein Greif mit Anker in der rechten Pranke; 2 und 3 
in Roth ein weisser Schräglinksbalken mit einer Rose belegt. Der 
gekrönte Helm trägt einen wachsenden Greif, der eine Rose an 
ihrem blättrigen Stengel in den Pranken hält. Kriegerische Trophäen 
umgeben den Schild. Als Oberst und Commandant hatte Ludwig 
v. Schiller, einem 1605 geadelten, mit dem Dichter in keinerlei Be- 
ziehung stehenden Geschlecht angehörend, die Erlaubniss erhalten, 
sich , Edler von* schreiben und von seinem Geburtsorte den Beinamen 
v. Harka annehmen zu dürfen. 

24. Jacob Ritter v. Mann er, Ritter des Franz Josefs-Ordens, 
Besitzer der grossen russ. Verdienst-Medaille praemio digno. geb. 
6. Januar 1808, gest. 10. November 1876, trägt auf seinem Grabstein 
nachstehendes, prächtig in weissem Marmor ausgeführtes Wappen: 
Von Gold und Schwarz quadrirter Schild. Auf der Spaltlinie von 
Feld 1 und 2 ein Doppeladler, auf der von Feld 3 und 4 ein wach- 
sender Mann mit Kornähre in der Rechten. Von den zwei Helmen, 
welche den Schild bedecken, trägt der erste einen geschlossenen 
Adlerflug, der zweite den wachsenden Mann mit der Kornähre. Er 
gehörte einer alten Wiener, 1627 geadelten Familie an. 

25. Auf dem Prachtmonument des Ludwig Freiherrn Haber 
v. Linsberg, geb. 17. September 1831, gest. 9. December 1879, ist 
nachstehendes Wappen zu sehen: Gevierter Schild mit Mittelschild, 
worin auf Boden neun Haferähren. Feld 1 gold, Feld 2 schwarz, auf 
der Spaltlinie beider Felder ein Doppeladler. Feld 3 in Roth ein 
Löwe, Feld 4 ein offener Adlerflug. Den Schild deckt eine fünfperlige 
Krone ; Schildhalter sind ein Löwe und ein Adler, die auf einem 
Spruchbande stehen mit der Devise: labore et favore. Der Stamm- 
vater der hochangesehenen Wiener protestantischen Familie Haber 
v. Linsberg ist Salomon Haber, israelitischer Herkunft, Hofbanquier 
und Oberarzt zu Karlsruhe, der am 2. Juni 1829 vom Grossherzog 
von Baden mit dem Adelsdiplom begnadet worden war. Von seinen 
Söhnen hatte der Wiener Grossindustrielle Ludwig Josef v. Haber 
am 28. November 1869 den österreichischen Freiherrnstand mit dem 
Prädicate v. Linsberg erhalten, während Salomon v. Haber nach- 
träglich, unterm 18. April 1873, von Sr. Majestät dem Kaiser von 
Oesterreich mit dem Baronat begnadet worden war. 

26. Unter Nr. 1691 unseres Friedhofs begegnen wir der Ruhe- 
stätte des k. k. Kämmerers und Obersten Carl v. Steiger, Ritter 



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45 



des Leopold- und des eisernen Kronen-Ordens, geb. 2. December 1806, 
gest. 15. November 1880, mit folgendem Wappen: In rothem Schilde 
aus einem goldenen Dreiberg aufwachsend der Vordertheil eines 
springenden Steinbockes. Eine siebenperlige Krone deckt den Schild. 
Carl von Steiger gehörte einem uralten Berner Patriciergeschlechte an. 

Wenn wir noch eines freiherrlich v. Er gel ett'schen Grabsteins 
mit dem vorwärtsgekehrten Ochsenkopf im Schilde und eines Ritter 
v. Henikstein'schen Monuments mit dem von Bienen umschwärmten 
Bienenkorb über einem viereckigen Baustein (Henik = Honig, also 
ein redendes Wappen) gedacht haben, so dürfte die Reihe der 
wappengeschmückten Denkmale des Wiener evangelischen Friedhofs 
erschöpft sein. Eine Reihe von Inschriften anderer Grabmonumente, 
die nicht in diese Kategorie gehören, aber gleichfalls werthvolles 
Materiale für die Geschlechterkunde evangelischer Familien bergen, 
werden wir vielleicht in einem spätem Aufsatz mittheilen und 
besprechen. 



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VI. 



Bericht des Central -Ausschusses über das Vereins- 
jahr 1882. 

,Wir rechnen um so zuversichtlicher auf die fernere Mithilfe 
unserer Glaubensgenossen, damit dem glücklichen Beginn unseres 
Unternehmens ein kräftiger Fortgang gesichert bleibe* — mit 
diesen Worten schlössen wir unseren letzten Bericht. Daran knüpfen 
wir die Berichterstattung über die Thätigkeit des Vereinsjahres 1882. 
Der kräftige Fortgang ist allerdings noch nicht gesichert. Aber 
einen > Fortgang* haben wir doch zu bestätigen. Unsere Thätigkeit 
ist ja ohnehin keine solche, die von grossen äusserlichen Erfolgen 
begleitet sein könnte. Sie ist eine stille, mühevolle zwar, aber ver- 
borgene. Wir müssen daher zufrieden sein, wenn es uns möglich bleibt 
unser Dasein zu fristen. Und Gott sei Dank, dies ist uns bisher 
gelungen. Die alten Freunde sind uns treu geblieben. Die literarischen 
Beiträge haben nicht gefehlt. Auch sind wir um einen Schritt weiter 
vorwärts gekommen. Der , Central vorstand* steht nämlich nicht mehr 
allein. Es hat sich voriges Jahr ein neuer — der erste — Zweig- 
verein gebildet, und dieser jugendliche aber wackere Zweigverein 
hat sogar eine historische Ausstellung zu veranstalten gewusst. ,Von 
Brünn ging seinerzeit die erste Anregung zur Gründung unserer 
Gesellschaft aus, in Brünn constituirte sich jüngst, kurz vor den Fest- 
tagen daselbst (gelegentlich der hundertjährigen Jubelfeier der evan- 
gelischen Kirchengemeinde) unser erster Zweigverein (der , mährische*) 
auf Grund der in unserem Jahrbuch (II. 138— 141) veröffentlichten Statuten. 
Das erste Lebenszeichen dieses im Interesse unserer Sache mit 
Freuden begrüssten und zur Nachahmung wärmstens empfohlenen 
mährischen Zweigvereines unserer Gesellschaft war die Veranstaltung 
einer historischen Ausstellung, anlässlich der 20. Jahresversammlung 
des österreichischen Hauptvereines der Gustav-Adolf-Stiftung, welche 
am 14. und 15. August 1882 in dem gastlichen Brünn tagte. Diese 
Ausstellung (die erste protestantische in Oesterreich) wurde daselbst 
am 15. August um 4 Uhr Nachmittags in den Localitäten des 
Franzens-Museums und der evangelischen Schule eröffnet und bot in 
136 Nummern viel des Interessanten und Sehenswerthen. Die aus- 
gestellten Gegenstände stammten aus den Sammlungen des Franzens- 
Museums in Brünn, unserer historischen Gesellschaft in Wien und 



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47 



• 



des Seniors Lic. Dr. Trautenberger; auch die evangelische 
Gemeinde Oels in Mähren und Senior Dr. Haase in Teschen 
hatten je ein Object beigestellt*).* Wir danken von ganzem Herzen 
den wackern Männern — namentlich unserm treuen Secretär und 
Collegen Lic. Dr. Trautenberger, — welche diese Ausstellung 
in Brünn veranstalteten und fügen unserer Anerkennung wiederholt 
den Doppel wünsch bei, dass sich auch in den anderen Kronländern 
ähnliche Zweigvereine unserer Gesellschaft bilden mögen, und dass 
dieselben, dem guten Beispiele der mährischen Hauptstadt folgend, 
beflissen seien, alljährlich in Verbindung mit der Versammlung des 
Gustav-Adolf-Zweigvereines ihres Landes oder des österreichischen 
Hauptvereines eine historische Ausstellung zu veranstalten. 

Wir brauchen die Wichtigkeit, die grosse Bedeutung der Zweig- 
vereine und derartiger Ausstellungen nicht besonders hervorzuheben. 
Wer sich für die Geschichte unseres österreichischen Protestantismus 
interessirt, wird auch die Tragweite solcher Bemühungen nach Ge- 
bühr zu schätzen wissen. Wir hoffen daher, dass das Beispiel Brünns 
Nachahmung finden und unsere historische Gesellschaft immer mehr 
und mehr sich in unserer evangelischen Kirche einbürgern wird. 

Wie sehr wir auf die Unterstützung unserer Glaubensgenossen 
angewiesen sind, geht auch aus dem von unserem verehrten Schatz- 
meister Dr. Carl Ritter von Sääf erstatteten Bericht hervor. 

Demnach betrugen. 

I. die Einnahmen: • 

Saldo vom Jahre 18S1 346 fl. 83 kr. 

Eingegangene Mitgliederbeiträge pro 1880: 

18 Beiträge ä 5 fl. 90 fl. — kr. 

pro 1881 : 136 Beiträge ä 5 fl. = 680 fl. — kr. 

1 Beitrag zu . . . 10 , — , 

I » b 4 1 » 

16 Beiträge ä 3 fl. ^ 48 , — , 742 > — 9 

pro 1882: 51 Beiträge ä 5 fl. = 255 fl. — kr. 

H » ^ 3 1 = 4 2 » — » 
1 Beitrag zu . . . 5 t 89 , 302 , 89 » 

pro 1883: 3 Beiträge ä 5 fl 15 s — , 

Zusammen . . 1514 fl. 72 kr. 

*) Vgl. Jahrb. 1882. S. 150. 



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48 



II. die Ausgaben: 

Für Anschaffung von Schränken 10 fl. — kr. 

Miethe nachgezahlt für November 1881, dann für Mai 

und November 1882, zusammen 150 > — , 

Druckkosten des 3. u. 4. Heftes des Jahrbuchs 1881, 

dann des I. u. 2. Heftes 1882 490 , 89 , 

An Klinkhardt & Co. laut Abrechnung pro 1880 u. 1881 31 , 04 , 
Für Regie, Porti, Papier, Eincassieren, Copiaturen, 

Reinigung des Locals etc 75 , 81 , 

Zusammen . . 757 fl. 74 kr. 

Stellt man die Einnahme per 1514 fl. 72 kr. 

den Ausgaben per 757 , 74 , 

gegenüber, so ergibt sich Ende December 1882 ein 

Vermögensstand von 756 fl. 98 kr. 

Hievon sind laut Einlagebuch Nr. 21047/40 bei der 

Allgemeinen Depositenbank 150 fl. — kr. 

laut Einlagebuch Nr. 26696/51 ebenda 500 , — , 

und io 6 , 98 , 

in Händen des Rechnungslegers, zusammen . . . 756 fl. 98 kr. 



Wir können somit der nächsten Zukunft mit Ruhe entgegen 
sehen, allein unsere Mittel stehen noch immer nicht im Verhältniss 
zu unseren Bestrebungen. 

Noch fehlen in unserer Bibliothek die allernothwendigsten Werke. 
Noch ist das Honorar, welches wir unseren Mitarbeitern zu zahlen 
beschlossen haben, ein sehr geringes. Noch sind uns die in den 
Archiven vergrabenen Schätze unzugänglich. Dazu brauchen wir, 
was den Lebensnerv auch einer historischen Gesellschaft bildet: 
Geld, Geld, Geld. Die Mitglieder des Central Vorstandes werden, wie 
bisher, fortfahren, ihre Thätigkeit der Gesellschaft in der uneigen- 
nützigsten Weise zur Verfügung zu stellen, aber guter Wille und 
Uneigennützigkeit genügen noch bei weitem nicht, um ein Jahrbuch 
zu redigiren und die Zwecke unserer Gesellschaft (§ 1) zu fördern. 
Wir rechnen daher bestimmt auf die energische und liebevolle Mit- 
hilfe unserer sämmtlichen Glaubensgenossen und legen unsere Sache 
vertrauensvoll in ihre Hände. 

Im Namen des Central- Ausschusses : 

Dr. C. A. Witz. 



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VII. 



Beiträge zur Reformationsgeschichte in Krain. 

Von A. DIM1TZ. 
I. 

Documenta zur Geschichte der ersten slowenischen Bibel (1583). 

Das grossartigste Werk der krainischen Reformatoren war ohne 
Zweifel das Unternehmen, die Bibel in ihrem ganzen Umfange dem 
slovenischen Volke durch Uebertragung in dessen Sprache zugäng- 
lich zu machen. Zwar hatte schon 1550 durch Primus Trüber ') der 
slovenische Bücherdruck in Tübingen den Anfang genommen. Allein 
es waren bisher nur einzelne Theile der heil. Schrift an's Licht 
gekommen. Dalmatin war es, der den grossen Gedanken einer voll- 
ständigen Bibelübersetzung zuerst fasste und durch unermüdliche 
Arbeit zur Reife und zur Verwirklichung brachte. Ich habe dem 
ganzen Hergang dieser Angelegenheit in meiner , Geschichte Krains' 
(7. Buch, 2. Cap., S. 194 — 211) eine ausführliche Darstellung gewidmet. 
Am 28. Mai 1583 hat der Druck der Dalmatin'schen Bibel in Witten- 
berg begonnen; der Gedanke an diesen Jahrestag regte in mir den 
Wunsch an, ein Scherflein zur Feier desselben beizutragen, in der 
Hoffnung, dass dasselbe bei dem stets regen Interesse für das grosse 
Reformationszeitalter freundliche Aufnahme finden werde. Ich will 
im Folgenden einige Documcnte zur Geschichte der ersten slove- 
nischen Bibel, wie ich sie den Acten des krainischen Landschafts- 
archives entnommen habe, mittheilen. Es sind dies Belegstücke zu 
meiner oben erwähnten geschichtlichen Darstellung, in welcher auf 
dieselben schon Bezug genommen ist. Sie dürften auch geeignet 

■) S. über ihn Dr. Th. Elze's ausführlichen Artikel in Herrog's Real-Encykl. f. prot. 
Theol. u. Kirche, Bd. 31, S. 360—379. 

Jahrbuch des Protestantismus 1883. H. II 4 



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50 



sein, den nüchternen Text der historischen Darstellung gewisser- 
massen zu beleben, indem sie uns die handelnden Personen in ihrem 
reinen selbstlosen Eifer für eine grosse religiöse Idee, für die Ehre 
und das Wohl ihrer Heimat vorfuhren. 

I. Bittschrift Dalmatin's an die K rainer Stände 
1569. Tübingen XV. Cal. Julii. 

Generis nobilitate Magnificentia pietate ac Virtute Viris illustribus 
Carniolanae Provinciae Primoribus et dominis suis clementissimis. 

Mirari uos non dubium est, Viri generis nobilitate uirtute ac 
prudentia praestantissimi, me, qui pro maximis uestris antehac in 
me collatis beneficiis gratias adhuc retuli nullas, denuo opem auxi- 
liumque uestrum efflagitare. Nam si praeterita uestra erga me pro- 
merita recordari velim, summa illa esse intelligo. Vt enim breuitati 
temporis seruiens alia silentio praeteream, illud certe satis digne 
remunerari nunquam me posse profiteor, quod uestris sufTragiis in 
hoc laudatissimum collegium, in quo iam prope triennium uersor, 
ab Illustriss: principe Sanctae et excellentis memoriae Christophoro 
Duce Wirtenbergensi etc. sum acceptus : quo ipso singularem uestram 
erga me beneuolentiam ac fauorem satis luculenter declarastis. Neque 
uero hoc tantum beneficio: quamvis certe summum illud esse libenter 
agnoscam, sed alio insuper haud uulgari sum ornatus. Nam cum in 
studiis humanitatis eo usque essem progressus ut a praeceptoribus 
meis primae, ut uocant, laureae honoribus dignus iudicarer: ibi reuera 
mihi in illis inferioribus studiis secundum antiquum huius scholae 
morem subsistendum fuisset, nisi opera uestra mihi esset subuentum. 
Consequi enim gradum illum nequaquam licuisset, nisi egestati meae 
(quod sumptibus ad cam rem necessariis essem destitutus) uos pro 
ea qua cum erga totam Ecclesiam Christi, et omnes pios, tum etiam 
erga me aftecti estis, promptitudine et alacritate opem tulissetis 
ac uiginti illos, quos proxime praeterito anno ex uestra liberalitate 
ac munificentia accepi, florenos suppeditassetis. Quae cum ita sint, 
non immerito impudens uobis uideri possim, quod praeter dicta 
beneficia iterum precibus meis uobis sim molestus: cum animum 
potius ad referendam gratiam, quam ad plura beneficia expectandum, 
instituere deberem. Verum hanc mihi solicitudinem eximit beneuo 
lentia uestra singularis qua mihi benefaciendo nunquam estis defati- 

') Vgl. meine Geschichte Krains, VII. Bd., 2. Cap., S. 194. 



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gati ; sed nuper per Ioannem Diener, Virum integerrimum, mihi, in 
studiorum meorum curriculo gnauiter uersanti, operam studiumque 
uestrum ultro polliciti estis. His itaque fretus atque confisus, nunc 
etiam uos oro ut, cum Magisterii insignia ad proxime futuram pro- 
motionem petere decreverim, mihi ad eam rem, utpote honestissimam, 
sumptus suppeditare non grauemini. Cur enim illos a parentibus 
meis non petam, causa in promptu est, quod nimirum obstet illorum 
paupertas, et res angusta domi, quo fit ut illi me suo iuuare subsidio 
minus possint. Ad uos igitur (cum nullum aliud refugium mihi 
superesse uideam) tamque studiorum meorum anchoram, necessitate 
sie exigente, confugio. Nec est, ut me priuato arbitrio, auetore aut 
ambitione quadam iuvenili ad hunc honorem contendere existimetis. 
Si enim mihi ipsi morem gerere voluissem, nunquam ego in animum 
illud induxissem meum : praesertim cum multos et ingenio et doctrina 
excellentes uiros absque Ulis honoribus ad summum prope eruditionis 
gradum atque fastigium emersisse intelligam. Iam uero, meo quidem 
iudicio grauissimae instituti mei causae sunt : prineipio quidem quod 
dignus testimonio hoc publico a superintendentibus ac praeeeptoribus 
huius stipendii sum iudicatus : Deinde quia illi ipsi et autores et 
suasores eius rei extiterunt, qui pro singulari sua prudentia facile 
intelligunt, hunc honorem non solum mihi ornamento futurum sed 
plurimum etiam lucis et patriae et ecclesiae Christi, cui aliquando, 
domino sie uolente opellam mcam praestiturus sum, allaturum : 
Denique quia D. Primo Trubero summae auioritatis uiro ac studiorum 
meorum fautori eximio, quem ego propter incredibilem ipsius erga 
me humanitatem parentis loco merito honorare debeo, hoc magnopere 
mihi persuadere conanti recusandum minime iudicaui. Caeterum cum 
ad secundum hunc studiorum gradum sumptus etiam requirantur, 
eam mihi beneuolentiam praestetis oro, quam antehac haud obscure 
erga me declarastis, ut solitam uestram liberalitatem et munificentiam 
hoc etiam beneficio exornetis. Quod si a uobis, ut spero, consecutus 
fuero, ego uicissim cura, diligentia, labore, studio denique omni in 
id elaborabo, ut et me gratissimum esse intelligatis, et uos bene- 
ficentiae uestrae liberalitatisque nunquam poeniteat. Deus etiam opt. 
max. pro suis amplissimis et certissimis promissionibus, illud omne, 
quidquid est, cumulatissime remunerabitur. Hisce ego me, studiaque 
mea uestrae Generositati et magnificentiae submisse commendo. 
Ldsch. Arch. Fase. Rel. S. Nr. 9. 

4* 



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52 



2. Hans Mannel's Voranschlag über den Druck der 
slovenischen Bibel 1 ). 

1580, 23. April. Hans Manuel, Buchdrucker und Bürger in Lai- 
bach an Landesverwalter, Landesverweser, und die Verordneten in 
Krain, dann an die im Hofthaiding versammelten Landstände. 

Wolgeborn, Gestreng Edlvest Gnedig vnd gebiettundt Herren. 
Wiewol auf E. G. vnd H. Beuelch Wie die krainerische Bibel in der 
grossen Median vnd auch mit der grossen alten Antiqua in Druck 
gefertigt werden mechte, Ich meinen Bericht vnd Vberschlag in 
Vnterthenigkeit zuuor vbergeben, doch dieweil derselb Vncosten 
etwas gross, derwegen so haben K. G. vnd Herrn mir jungst widerumb 
auferlegt, der Sachen nochmalen dermassen nachzugedenkhen, damit 
groszer Vncosten müglichisten vmbgangen vnd doch die Bibel mit 
zimblichen vnd geringen Vncosten zierlichen gedruckht mechte 
werden, ein lautern Vorschlag zu machen. Demnach E. G. vnd H., 
Ich vntertheniglichen disen meinen Bericht hiemit übergebe. 

Vnd Erstlichen Wan man zu solchem Werkh die Submedian 
diser Sort vnd Form, wie E. G. vnd H. hiebeizusehen nimbt, vnd 
der Exemplar 1500 verfertigen will, muss man zu jedem Exemplar 
14 Bucher gemeldeter Submedianpapier haben so ist solichs Papier der 
Fallen alhie nit näher dan per 10 Ducaten oder 13 fl. 20 kr. zu bekhumen, 
bringt zu 1500 Exemplar 105 Ime gelt vermelten Khaufs 1400 fl. 

Item den Pallen mag Ich vnter zehen Cronen nit druckhen. 
Bringt Druckher Lohn 1610 fl. vnd in Summa beides 3010 fl. ohne 
die biblische Figuren. 

Khombt der Pogen nachdem er gedruckht per einen schwarzen 
Phenning vnd ein wenig theurer, ein ganze Bibel nahent per 
zwen Gulden. Welches ein kleiner Vncosten ist, vnd auch den 
gemeinen Mann gar wol zu erschwingen. 

') Vgl. meine Gesch. Krains 1. c. S. 193, 196 u. Mitth. des hist. Ver. f. Steier- 
mark, XXVII. Heft, S. 159. Hanns Mannet (Manlius, Mandelz) war der erste Buch- 
drucker Krains. Sein erstes Buch wurde in Laibach 1575, sein letztes in Keresztur in 
Ungarn 1605 (Carmen de salutifera Christi filii Dei incarnatione . . . proceribus Styriae 
in felix novi anni auspicium . . . dedicatum a Joa. Goessnero) gedruckt. Nach seiner Aus- 
weisung aus Krain 1582 finden wir ihn in Ungarn 1582—1605 auf Kreuz- und Querzügen 
in Güssing bei den Batthyanyi's, Erdödi's, Nadasdi's als einen jener wandernden Typo- 
graphien, welche ihre Typen selbst verfertigen, ihre Werke selbst drucken und auf 
Jahrmärkten verschlussen mussten (S. Ungar. Revue 1882, VIII/IX. Heft, S. 654—655. 
Kugen Abel, die Landes-Bücherausstellung.) 



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53 



Verrer aber damit solches hochnutzes nothwendiges christliches 
vnd in der Crainerischen Sprach newes Werk zierlicher vnd Jeder- 
man vmb desto anmüttiger gemacht werde, demnach an E. G. vnd H. 
mein vnterth. bitten, nachdem Ich aus eignem Vermügen die bib- 
lische Figuren nit zu bekhomen weiss, E. G. vnd H. wie solche 
Figuren zu disem Werk zu bekhumen, gnediglichen Mittel vnd Weg 
furnemen wolten vnd so dieselben änderst nit zu bekhumen vnd 
aber die Herren Vngnaden bey Irer Druckherei, welliche sie von 
Tübingen gehabt, vnd etwan zu Waltenstein (Waldenstein) dergleichen 
Figuren wol haben, Bit Ich vntertheniglichen E. G. vnd H. vnd so 
E. Gnaden vnd H. es erreichten, sammt den andern Landschaften 
mit umschreiben dahin handien wolten, auf dass die wolgemelten 
Herrn Vngnaden soliche habende biblische Figuren zu disem christ- 
lichen Werkh hieher leihen, dass die merermelten Herrn Vngnaden 
nit weigern, sonder meines verhoffens, weil das zu Fortpflanzung 
den christlichen Glauben vnd zu Beförderung viler Menschen vnd 
Irer selbst Vnterthanen Hail vnd Seligkheit gereicht, sonderlichen 
disen drey Landen zu Wilfarung vnd Ehren die gedeuten Figuren 
zu dem geprauch sie anfangs erzeugt worden, gar gut williglichen ver- 
leihen werden. So dan wolt Ich selbs mit sollicher furschreibung die 
Herrn Vngnaden besuchen vnd meinen besten Fleiss furwenden, 
damit gemelte Figuren hieher gepracht vnd das Werk der Bibel in 
der Crainerischen Sprach auch seine Zier ditsfals mit den gemelten 
Figuren bekhome vnd als auch aller Meniglich vmb desto ange- 
nehmer gemacht wurde. 

Entlichen vnd weil nun bereit fürstlicher Durchlaucht vnnserm 
gnedigsten Herrn vnd Lantsfürsten wider mich der Druckerei halben 
was angepracht worden, also das derhalben Herr Landvizdomb in 
Crain bey mir hinfliran an vorwissen, was zu druckhen, eingestellt, 
vnd mitler Zeit meinen Bericht zu thun vnd Ime dem Herrn Viz- 
domb zu überreichen auferlegt, des Ich auch vntertheniglichen vnd 
gehorsamblichen thuen will, aber weil Ich bishero nichts änderst den 
allein gemeinen Nutz gefürdert vnnd dasz meinige eingepüsst vnd 
mich kaum ein wenig eingericht habe, vnd Jederman, auch Fürst- 
licher Durchlaucht selbst, vnterthenigsten mit dem Druck gedient, 
hoff Ich vntertheniglich E. G. vnd Herrn Wie Ich dann auch im 
Anfang meiner Druckerei solches bei E. G. vnd Herrn angepracht, 
vnd vnterth. gebeten, werden mir hierin jetzt auch nit minder mit 



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54 



allerlay gebürlicher Hilff gnediglich vnd christlichen beystehen und 
in Irem als EE. Landtschaft Schutz vnd Protection gnediglich er- 
halten, auch souil thun, damit Ich hinfüran disen meinen gewerb 
treiben vnd disem gemeinen Vaterlandt mit Gottes Hilf das für- 
genomen nutzlichs vnd hochnothwendigs christlichs Werk druckhen 
vnd glücklichen Volbringen müge. 

Ldsch. Arch. Fase. Rel. S. Nr. 2/II. 

1580, 25. April Laibach. Christoph Frh. zu Auersperg, Landes- 
verweser und Verwalter der Landeshauptmannschaft in Krain und 
die Verordneten daselbst an die steirische Landschaft. 

Wolgfeborn Gestreng Edl vnd Ernveszt Besonder lieb Herrn, 
Freund vnd Nachbarn, denen sein unsere freundlich vnd willige 
Dienst jeder Zeit bereit. Wie wir denen Herrn vom jüngst ver- 
wichnen 16. dits diejenigen Beschwerden, so sich abermals in Reli- 
gionssachen in Obercrain erregen wollen vmb derselben getrewen 
Rath vnd gutbedunkhen freundlicher Meinung angedeut, also khinen 
wir auch anjezo denen Herrn ebenfals nicht pergen das nachdem 
wir mit Anrichtung des hochheilsamen nuzlichen Druckhs der in die 
Windische Sprach verdolmetschten Bibel vermög der zu Pruckh an 
der Mur hierumben beschehener Vereinigg vnd Vorwilligg deren 
dreien Erbfürstenthumb vnd Lande Steyer, Kärnten vnd Crain bereit 
stark im Werk, inmassen wir auch einen leidenlichen Ueberschlag 
wie die Herren beiliegends zu vermerkhen haben, albereit von dem 
Buchdrucker alhie, Hannsen Mannel empfangen also auch die Prob 
vnd Formb der Columnen, denen Herrn zu ersehen hiemit zuschickhen 
wollen, vnns doch anjetzo abermals dise Sperr vnd Verhinderung 
fürlaufen will, das vor wenig Tagen auf ergangenen landsfürstlichen 
Befehl durch den Herrn Vizdomb in Krain Ime Mannel solche 
Druckherey vnd sonderlich diser Windischen Bibel ganz und gar 
eingestellt vnd verboten Mittlerweil seinen Bericht zu thun vnd 
Ime Herrn Vizdomb anzuhendigen auferlegt worden. Da nun solches 
dise EE. Landschaft ebenfalls wie die obvermeldten Religions- 
besch wem üssen Irer Fstl. Dchl. auch gehorsambist anzubringen be- 
dacht vnd aber nicht weniger deren andern Lande disfalls nachpar- 
lichs Treumeinundes Bedenkhen zu vernemen begerend. Gelangt 
demnach an die Herrn nochmalen vnser sranz freundlich Ansinnen, 
die wellen neben obvermelten Religionsbeschwerden auch dise, den 
Druck der windischen Bibel antreffende Sachen den versambleten 



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55 



Landstenden daselbst in Steier ebenmessig vnd vndereinisten flir- 
vnd anzubringen bedacht vnd dan derselben getreuen Gutbedunkhen 
vns ehester gelegenheit vnd zu vnserer verrern vnd pessern Nach- 
richtung zukhomen lassen vnbeschvvert sein. etc. 

Ldsch. Arch. Fase. Rel. Sachen Nr. 2/11. 

Das Gleiche an die Kämt. Ldschft. 1. c. 

3. Dankschreiben des Dalmatin und Bohoritsch 1 ) an 
Ludwig Herzog zu Würtemberg, dem sie die slovenische 
Bibel, die windische Grammatik und das Gesangbüchel 
ii hersenden. 

1584. Wittenberg am Neujahrstag. M. Georgius Dalmatinus und 
Adam Bohoritsch an den Herzog von Würtemberg. 

Durchl. Hochgeb. Fürst gnäd. Herr. E. F. G. haben bisher 
sowol als Dero geliebter Herr Vatter hochlobseligister gedechtnus 
wie an villen andern, also vnd sonderlich an der armen gar an der 
Türkischen granizen gelegenen vnd von allen orten hochbedrengten 
Windischen Kirchen aus angeborner fürstlichen Eifer vnd Zuneigung 
vil vnd grosser wolthaten erzeigt, erzeigen auch dieselben noch 
täglich. Vnter welchen diese nit der wenigsten ist, dasz sie nit allein 
den Druck der windischen Bücher in dero land zu Tübingen vnd 
Aurach gnedig gestattet, sondern auch mit mildreicher fürstlicher 
Hilf vnd grossen Unkosten treuherzig gefördert. Dann daraus ist bei 
uns diser grosse nutzen erfolgt, dasz, obwohl die Widersacher reiner 
Lehr, die Papisten sich der Predig des h. Euangeliums, wie sonst 
allenthalben also fürnemblich in den 3 Landen Steyer, Carenten und 
Crain mit aller macht widersetzt, auch etliche christliche bestendige 
reine Lehrer vnd Bekenner aus gedachten Landen verfolgt, doch 
durch die windische, in E. F. G. Land gedruckte Bücher bei den 
armen Windischen die Erkenntnus des reinen h. Evangeliums ver- 
mittelst göttlicher gnaden, wunderbarlich fortgepflanzt, ausgebreit, 
erhalten vnd gar zwischen den anreinenden Erbfeind, den Türken 
erschollen ist. 

Zu dem haben E. F. G. sowol als hochwolgedachter dero ge- 
liebter Herr Vater seliger nit allein die aus gedachten 3 Landen 
verfolgte Lehrer vnd Christen in Ihrer F. G. Lande geherbergt, 

*) Vgl. meine Geschichte Krains 1. c. S. 1S1. Gleichzeitig mit der ersten slove- 
nischen Bibel erschien die erste slovenische Grammatik in Wittenberg „Arcticae 
horulae", verfasst durch Dalmatin's Mitarbeiter, Bohorif. 



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56 



geschützt vnd mit notturftlicher vnderhalt ganz vatterlich bishero 
begnadet, auch mit etlichen geleiten teutschen Predigern die teutsche 
Kirchen bey vns gnedig wol versehen, sonder auch zu Fortpflanzung 
der zarten windischen Kirchen nun lange Zeit hero stets etliche 
Windische studiosos in Dero Fürstlichen stipendio gnädig unterhalten 
vnd noch. Welches hochfürstlichen Beneficii auch Ich Dalmatinus 
7 ganzer Jahr, ein Jar im Closter zu Bebenhausen vnd 6 zu Tü- 
bingen in Tiffernitio Stipendio genossen vnd dasselbst nit allein 
meine artes, Linguas vnd theologiam gestudirt, sondern auch mein 
windische Muttersprach also in der yebung erhalten, das ich täglich 
vnd als vil ich neben andern meinen studiis gefolgen mögen, etbas 
aus andern sprachen in die Windische transferirt, vnd bereit noch 
zu Tübingen das erste Buch Mosis verwindischt habe, vnnd bin 
darauf also von E. E. Landschaft in Crain meinen gnädigen vnd 
gebietenden Herrn hinein gen Labach gnädiglich erfordert worden, 
alda mit neben dem Predigtambt in beiden, windischen vnd teutschen 
sprach, auch die continuation der tolmetschung der Bibel gnediglich 
anbefohlen ist worden, welche auch mit Gottes Hilf von mir ist 
ganz vertolmetscht, von denen wolgemeldter dreier Landschaften 
dazu deputirten Theologen, Predigern vnd andern verständigen 
Christen revidirt vnd jetzo alhie zu Wittenberg, weil sich also die 
Gelegenheit geben, gedruckt worden. 

Diese vnd alle andere E. F. G. vnd Dero mehr hochoban- 
geregten geliebten Herrn Vattern lobsaligister gedachtnus an mir 
vnd vnsrer armen verlassenen Windischen Kirchen bewiesne gnädige 
wolthaten erkennen die drei Ehrsame Landschaften Steyer, Kärnten 
vnd Crain, so sich zu der reinen Augsburgischen Confession ein- 
helliglich bekennen, sambt vns vnd allen windischen Christen mit 
dankbaren Herzen, danken, loben vnd preisen Gott dafür, letzlich 
teglich bittend für E. F. G. langwirige Gesundheit auch fridliche vnd 
glückliche Regierung vnd für das ganze Haus zu Würtemberg vnd 
wäre wolgemelten Landschaften sambt vns allen nichts liebers, denn 
dass gegen E. F. G. wie für Dero vielfältige vnd sonderlich an mir 
Dalmatino erwisne grosse wolthaten auch in anderweg vnser vnder- 
thenige Dankbarkeit erzeigen mechten. Weil aber solichs der Zeit 
nit in vnserm vermögen, haben mehr angeregte drei E. Landschaften 
vns gnädigen Befehl gegeben, dasz wir vor vnserm von hinnen weg 
verreisen zu erzeigung Ihrer vnd der ganzen windischen Kirchen 



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vnderthenigen Dankbarkeit E. F. G. dise beiliegende 3 Exemplaria 
gedachter windischen Bibl in Dero wolbestelte Libereyen vnder- 
thänigst vberschicken vnd verehren sollen. 

Vnnd nachdem wir auch mit diser Gelegenheit etliche andere 
tractetlein alda zu Witenberg neben gemelter windischer Bibel als 
nemlich ein windisch Gsang vnd Retbüchl und ein windische Gra- 
matik, vnserm Vaterland zum besten, auf eigne Unkosten drucken 
lassen, haben E. F. G. wir dieselben auch mit zukommen wellen 
lassen, vnderthenig vnd diemutig bittend, E. F. G. wellen dise 
gleichwol ringfuge gaben, in mehr angeregter vnserer gnedigen vnd 
gebietunden Herrn vnd dan in vnsern Namen gnädig zum besten 
auf- vnd annehmen vnd sambt Ihnen auch vns Ihrer F. G. wie bisz- 
hero also auch hinfiir gnädig lassen beuolchen sein. 

Landsch. Arch. Rel. S. Fase. Nr. 2. 

4. Dankschreiben des Georg Dalmatin und Adam 
Bohoritsch an den Curfürsten zu Sachsen. 

1584, 14. Jenner. Augustusburg. G. Dalmatin und Adam Bo- 
horitsch an den Churfürsten zu Sachsen. 

Gottes Gnaden durch Jesum Christum, sambt wünschung eines 
glückseligen Frid vnd Freydenreichen Newen Jars beneben vnsern 
gehorsamsten Diensten vnd getreuem teglichem Vatter vnser zuuor. 

Durchleuchtigister Hochgeborner Churfürst gnedigister Herr. 
Nachdem der Almechtige barmherzige Gott in dieser letzten ge- 
fährlichen Zeiten der weit sich auch vber die arme, gar an der 
Türkischen granitzen gesessene vnd in vil weg vom Papst vnd 
Türken hochbedrengte Windische Nationen aus sondern gnaden 
väterlich erbarmet, das er denselben nit allein nun etlichjar her zu 
Trost sein heiliges Euangelium an etlichen orten rein vnd lauter 
scheinen lassen. Sonndern auch jetzo dise grosse wolthat mildigk- 
lich verlihen, dasz vnser ein lange Zeit vorhabende slavonische 
Bibel durch E. Churf. Gnaden gnedigiste Erlaubnus vnd Beorde- 
rung in Dero Churstadt Wittenberg zu erwünschtem End gepracht 
vnd getruckt ist worden. Vnd E. Churf. G. sonst auch der Augs- 
burgischen Confession werwahnten Kirchen wie in allen andern 
Orten, also sonderlich denen so in den dreyen Landen Steyer, 
Carenten vnd Crain durch die Predig des reinen Wort Gottes 
Christo gesamlet worden, je vnd al wegen mit christlicher churfurst- 



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58 



lieber mildiVkeit vnd Befurdernus erledigst sich erzeigt vnd bereit 
vor vil Jaren zu Fortpflanzung vnd erweiterung vnserer windischen 
Kirchen zu dem Crabatischen Cyrilischen vnd Creinerischen Druck 
zu Tübingen vnd Aurach im Land zu Würtemberg mildreiche hilrT 
gnädigst gethan. Also erkennen solches alles gedachte vnsere arme 
Evangelische Kirchen in vnsern Landen, sambt vns ihren Dienern 
mit dankbarem Herzen, loben vnd preisen dafür Gott den Herrn 
täglich vnd rufen seine Göttliche Güte herzlichen, für E. Ch. G. 
dem christlichen königlichen Gemahels, auch Herzog Christiani, 
seiner Fürstl. Gnaden Gemahels, Jungen Herrleins vnd Fräulein langes 
Leben vnd langwirige fridliche vnd glückliche Regierung. Wäre 
aber das Ihnen vnd vns allen nichts liebers, denn das gegen E. 
Ch. G. vmb solche hochlöbliche fürstliche Gnaden vnd wolthaten 
sie auch in anderweg Ihr vnderthenigste Dankbarkeit erzeigen 
möchten. Weil aber solches der Zeit änderst nit besehenen mag, 
Haben EE. Landschaft in Crein, vnnsere gnädige vnd gebietende 
Herrn in Ihrem selbs vnd der zweien obwolgedachten genachbarten 
Landschaften in Steyr vnd Carenten namen, welche sich einhellig* 
lieh sambt vns vnd allen Ihren Kirchen- vnd Schuldienern zu der 
rechten Augsburgischen Confession vnd dem christlichen publicirten 
Concordienbuch bekennen vnd sammtlich das angeregte werk der 
Windischen Bibel zum Druk befürdert vnd verlegt, vns disen 
gnädigen beuelh geben, das zu Erzeigung Ihrer vnd der ganzen 
Windischen Kirchen schuldiger Dankbarkeit F. Ch. G. wir von den 
bemelten jetzt gedruckten windischen Biblien in dero wolbestelte 
Libereyen sechs Exemplaria vnterth. offeriren vnd verehren sollen, 
welches wir in gebürenden Gehorsam diemutigst hiemit thun vnd 
verrichten. 

Vnd nachdem ich Dalmatinus mit dieser gelegenheit zwei 
andere Tractetlein neben gemelter windischen Bibel, nemlich ein 
windisch Bet- vnd ein Gsangbüchlein, welches nach des Herrn 
Lutheri Gotseligister gedachtnus composition gerichtet, gestelt vnd 
aufs new zusamen verfasst. Also auch ich Bohoritsch ein Büchlein 
das ich Arcticas horulas succisivas genennt, darin ich rechte vnd 
gründliche art, wie vnsere Crainerische Sprach, vnd auch die andere 
derselben dem Vrsprung nach verwahnt, mit Lateinischen Buch- 
staben mag vnd sol recht geschriben vnd gelesen werden, hab aber 
wannen her auch, wie die Reussische vnd Moschouitische Schrifft 



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59 



(die dann mit der Dalmatinischen vnd Crabatischen Schrift, wie 
auch mit vnserer Creinerischen sprach im reden in vilen sich ver- 
gleicht) zu lesen vnd zu schreiben sey, ein richtige vnd kurze An- 
leitung gesetzt, verhoflend, es werde auch denen Wenden in diesen 
Landen vnd denen so die Reussiche vnd Moschouitische Biblien 
oder andere Ihre Bücher gern lesen wolten können, nit vndienlich 
sein, Sonndern haben wir bede solche angeregte drei Tractatlein 
den verschinen Sommer, alda zu Wittenberg, vnserm Vaterland vnd 
meniglich zu Nutz vnd Besten auf eigene Vnkosten drucken lassen 
vnd E. Ch. G. derselben jeder sort gleich so viel Exemplaria vnder- 
thenigst mit Präsentiren sollen, damit gegen E. Ch. Gnaden vmb 
die sondere hochrüm liehe an vnsern zweyen Knaben, Adamo Boho 
ritsch und Joanne Snoilschek erzeigte Gnad vmb das sie auf 2 Jar 
lang vnd vmb das gewöhnliche Kostgeld in derselben E. Ch. G. 
Fürstenschul Pforten zwischen die andere E. Ch. G. Alumnos 
gnedigst verordnet vnd bereit eingenommen worden, vns etlicher 
massen nur vnderthenigst dankbar zu erzeigen, diemutigist bittend, 
E. Ch. G. wellen vnserer gnedigen vnd G. Herrn Verehrung solche 
vnsere wiewol geringfügige gaben zu einem glückseligen Newen Jar, 
gnedigist von vns auf vnd annehmen vnd E. Ch. G. vnsere arme 
Windische Kirchen vnd dermalen auch vns vnd obgemelten vnser 
zwen Knaben noch ferrer mit Churfstl. Gnaden gnedigst vnd väter- 
lich lassen befohlen sein. 

Ldsch. Arch. Rel. S. Fase. Nr. 2. 

5. Zeugnisse für Dalmatin, Bohoritsch und den Ty- 
pographen Mraula 'j beim Abgang von Wittenberg. 
Schreiben der theologischen Facultät Wittenberg an 
die krainischen Stände. 

1583, Stephanitag Wittenberg. Pastor Leyser bezeugt, dass 
G. Dalmatin und Bohoritsch, dann der Buchdruckergesell Mraula 
sich das Bibel werk mit solchem Fleiss haben angelegen sein lassen, 
dass sie ,auch mit Hintansetzung ihres Schlafs, Essens und Trinkens, 
auch ihrer Ruhe stätig dahin sich bemühet haben, dasz förderlichst 
das ganze Werk zu Ende möge gebracht werden*. 

Landsch. Arch. Fase. Religionssachen Nr. 1/16. 



l ) Vgl. über diesen: Elze, die Universität Tübingen und die Studenten aus Krain. 
Festschrift. Tiib. 1877. S. 67. 



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60 



1584, IS- Jenner. Augustusburg. Churfürst August von Sachsen. 
Den wohlgebornen Edlen, Gestrengen, Ehrenfesten, Ehrbarn und 
Weisen, unsern lieben Besondern, der Augsburgischen Confession 
verwandten Ständen des Fürstenthums Krain. 

Nachdem Euere gegen Wittenberg verordnete abgesandte 
die Würdigen vnd wolgelarten M. Georgius Dalmatinus vnd Adam 
Bochoritz sich mit dem Druck der Bibel vnd etzlicher anderer christ- 
lichen Bucher in Sclauonischer oder Windischen Sprach fertig vnd 
nunmehr nach verrichtetem Ihrem habenden Beuehlich willens sein, 
sich wiederumb zurück zu begeben, haben sie Iren weg alhier zu 
genohmen vnd vns vor vnsere gnedigste Beförderung in diesem 
werg vnderthänigste Danksagung thun lassen vnns auch Sechs 
Exemplar solcher Bibel vnd Bucher verehret. Ob es nun wol disfals 
gegen vns keines sonderlichen danckens bedarfft, dann wir solch 
christlich werg, sintemahl es zu Gottes ehre gereicht, gnedigst gern 
geferdert, So haben wir doch solch danckbarkeit gnedigst von 
ihnen vermerckt vnd aufgenohmen vnnd wird solcher euer christlicher 
Eiffer dem Almechtigen ohne Zweiffei ganz angenehm vnd gefellig 
sein Vnd wie ditz Werk allein zu Auszbreitung seines allein seligmachen- 
den worts gemeint, Also ist auch nicht zu zweifeln, dasselbe werde 
zu vieler Leute Seelenheil vnd Seligkeit gereichen Do wir auch 
hierbey was ferner nutzlichs thun können, wollen wir an Vns nichts 
erwinden lassen. Daneben an euch ganz gnedigst gesinnendt vnd 
begerend, weil obgedachte Euere Abgesandten bei berurtem werg 
allen meglichen Vleis angewendet Ihr wollet sie auch zu gnaden vnd 
gueten Forderung im besten empfohlen sein lassen Vnnd wir seind Euch 
mit gunstigen gnedigsten willen vnd gnaden wolgeneigt vnd gewogen. 

Landsch. Arch. Fase. Religionssachen Nr. 1/5. 

1584, 25. Dec. Wittenberg. Schreiben der dortigen theologischen 
Facultät an die krainischen Stände, womit sie denselben ihre Aner- 
kennung für ihren Eifer in Religionssachen und insbesondere für 
die Uebersetzung der Bibel in die windische Sprache ausdrücken, 
an den beiden nach Wittenberg behufs des Druckes Abgesendeten, 
Dalmatin und Bohoritsch, ihren sondern Eifer, grossen Ernst und 
unverdrossenen Fleiss rühmen , ihre Uebereinstimmung mit der 
Facultät im Glaubensbekenntniss und der Concordien-Formel be- 
zeugen. Nachdem das Bibelwerk vollendet und die Genannten sich 
wieder zur Heimfahrt gerüstet haben, so wollen sie ihnen dies 



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61 



- 



Schreiben als schriftliche Antwort (auf das Empfehlungsschreiben 
der krainischen Stände) mitgeben. 

Landsch. Arch. Fase. Religionssachen N. 1/15. 

6. Beförderung der Bibel nach Oesterreich. 

1584, 2. März. Dalmatin und Bohoritsch berichten der krain. 
Landschaft, dass, nachdem der Bibeldruck am Samstag vor Martini 
(1583) beendet worden und sie auch die 500 Exemplare einbinden 
lassen, — sie die Exemplare laut beiliegender Consignation in Fässer 
,weil es auf eine andere Form an dem Ort nicht wohl sein können* 
einschlagen lassen und dieselbe folgendermassen expedirt haben: 

1. Auf der Landschaft Befehl am 21. Dezember zu Wittenberg 
auf Nürnberg zu führen aufgegeben 6 Fässer Nr. r. 6. 7. 9. 10. 11. 
und des Basteis Andretschitsch Factor daselbst zu Nürnberg, 
Jörgen Dittmeyr fleissig geschrieben, dasz er dergestalt, wie's ihm 
Andretschitsch selber zugeschrieben dieselbigen Bücher ihm zum besten 
soll lassen befohlen sein und sie mit ehester Gelegenheit und bestem 
Gewahrsam unter andern Kaufmannsgütern gar herein befördern. 

2. Zu Leipzig im Markt noch andere 5 Fässer, gezeichnet 
Nr. 15. 17. 19. 26. 27 durch Herrn Hansen Lebzelter auch hin auf 
Nürnberg mit Gelegenheit zu überschicken anbefohlen und ihm ein 
Schreiben an gedachten Dittmeyr zugestellt, mit denselben Büchern 
gleichen Weg wie mit den vorigen vorzunehmen. Und haben darum 
desto eher Fässer dahin geordnet, damit davon ein Theil Einer 
Ehrs. Landschaft in Kärnten (wie sich denn Eu. Gn. und Herren 
mit ihnen verglichen) an Ihrem Deputat und an denen Ihnen ge- 
legenen Orten geliefert möchten werden. 

3. Haben wir Gregorn Strauben, Burgern und Handelsmann zu 
Chemnitz in Meissen, der uns für andere commendirt worden mehr 
3 Fässer Nr. 2. 24. 25 vertraut, dieselbigen auf Linz mit seinen 
Kaufmannsgütern zu seinem einem vertrauten Freund mit Namen 
Hans Nusser der zunächst am Burgermeister Hütter wohnt, auf den 
nächst künftigen Markt nach Ostern quasimodogeniti zu erlegen. 
Welche 3 Fässer daselbst vielleicht EE. Landschaft in Steyr an 
ihrem Deputat zu heben oder daselbst etwa nahend zu einem 
christlichen Landmann zu deponiren, ihrem besten gnedigem Be- 
dünken nach am füglichsten sein möchte. 

4. Haben wir besonder war 3 Kasten oder Truhen mit denen 
vergulten vnd zierlich gebundenen (18) Exemplaren auf Wien wohl- 



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verwahrt und in Leinwand eingepackt aufgeben und daselbst beim 
Hansen Reicherten auf dem Hohen Markt soviel Beförderung be- 
kommen, dass dieselben Kasten auf Villach und von danen hieher 
(nach Laibach? wo der Bericht geschrieben zu sein scheint) ge- 
wahrsam gebracht sollen werden. 

5. Haben wir die übrigen Bücher in 13 Fässern Nr. 3. 4. 5. 8. 
12. 13. 16. 18. 20. 21. 22. 23 zu Leipzig obgemeldtem Herrn Hansen 
Lebzeltern auf weiteren Bescheid in seine Verwahrung an ein gutes 
trockenes und wohl verschlossenes Ort gelegt und hierinnen allent- 
halben unsern möglichsten Fleiss angewendet, damit alle Sachen 
unver .... (Ende des Wortes unleserlich) verblieben. Diese in ietzt 
erzälten 13 Fässern Exemplaria, wohin sie nun hinfüran am sichersten 
dirigirt möchten werden, werden Eu. Gn. und Herrn sammt den 
andern wohlgedachten zweien christlichen Landschaften in Steier 
und Kärnten verständiglich und gnädiglich zu verordnen wissen. 
Unseres Erachtens dieselben auf Prag (da wir einen Vertrauten. 
Namens Pantaleon Pischon haben und deshalben mit ihm alle Abred 
gemacht) und dann auf Wien und durch das Ungrisch (wo es nit 
füglicher sein möcht) doch mit Rath mehr wohlgedachter einer Ehr- 
samen Landschaft in Steyr weiter an die gebürende Ort am sichersten 
gebracht möchten werden. E. Gn. und Herrn thun wir uns zu 
Gnaden befehlen. E. G. und Herrn unterthänige Gehorsamste Diener 
M. Georgius Dalmatinus mp. (von dem auch der Bericht geschrieben) 
Adam Bohorizh (mit lat. Buchstaben wie stets). 



Beilage: Consignation der Fässer. 



Nr. 


I 


52 ungeb. 


24 geb. Exemplare 


Nr. 15 


»5 


ungeb. 


27 geb. Exemplare 


n 


2 


23 


n 


17 


» 


ff 




65 


- 








• 


3 


29 


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15 


n 


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9 


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„ 27 vnsere Bücher und dabei Defect 




»4 


69 


II 




- 


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9S6 




490 







(Hiezu obige 18 Exemplare in den 3 Kasten.) 



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63 

Es ergibt sich hier eine Gesammtzahl von 1494 Exemplaren. 
Rechnet man hiezu die 6 an den Churfürsten von Sachsen ver- 
ehrten, so wäre die ganze Auflage von 1500 Exempl. beisammen. 

Von den „verguldten" Exemplaren kostete der Einband in 
Wittenberg pr. Stück 3 Th. 2 Groschen oder 4 fl. 11 gr. Auf die- 
selben wurde ferner laut Beilage 2 zu obigem Bericht ausgegeben: 
Für Leinwand (in welche sie eingeschlagen 

wurden) — fl. 16 gr. — ^ 

Strike — , 1 1 , -- , 

Den Pallenbindern fiir's Einpaken . . . — , 1 1 , — , 

In der Wage Waggeld — , 1 , — , 

Wagzeichen — , 2, 6, 

Dem Fuhrmann von Leipzig bis gen Wien 

Fuhrlohn davon bezalt *3 » *5 » — > 

Von Wien bis auf Villach 16, 12, 2, 

n Villach bis gen Laibach 5 , - - , — » 

36 fl. 16 gr. 8 «X 

Landsch. Arch. Fase. Relig.-Sachen Nr. 1/5. 

1584, 4. März. Berat hung der evangelischen Stände 
in Laibach in H. Raspens Losament (Wohnung). Gegenstand: 
Schreiben der steir. Verordneten vom 26. Februar, womit sie 
mittheilen, dass durch Ihre Fstl. Dchl. angeordnet worden, die ge- 
druckte windische Bibel auf allen Pässen des Landes aufzuhalten. 

M. G. Dalmatin hat mündlich berichtet, wie sie das Werk des 
Drucks beendet, die Bibel mit allem Fleiss in Fässer einschlagen 
lassen, davon auf Nürnberg zu des Andreitschitsch Factors Händen 6, 
dann vom Leipziger Markt noch 5 spedirt, durch Hans Lebzelter. 
Der Andreitschitsch aber habe berichtet, dass ihm von seinem Factor 
in Nürnberg und Salzburg noch keine Empfangsbestätigung zuge- 
kommen. Auf einem andern Weg aber haben sie auf drei Pässen 
durch einen christlichen Handelsmann in Chemnitz, Gregor Strauss, 
3 Fässer als Leinwand zu Händen eines Protestanten spedirt. Durch 
den dritten Weg aber hätten sie die säubrer gebundenen Exem- 
plare in 3 Truhen als Kaufmannsgut mit Leinwand und Seide un- 
verdächtig verwahrt, auf Wien zu eines christlichen Handelsmanns 
Hansen Richarts Händen bestellt, der habe sich erboten, die fernere 
Bestellung mit guter Gewahrsam auf Villach zu thun. Noch 14 Fass 
hätte man zu Leipzig wie gehört bei Hannsen Lebzelters Händen 



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64 



gelassen, welcher sich ebenfalls erboten, die Beförderung entweder 
durch Gregor Strauss' Vermittlung oder sonst auf Linz oder Frei- 
stadt zu thun, auch die Unkosten auf Wiedererstattung vorzustrecken. 

Wurde beschlossen, diesen Bericht der steirischen Landschaft 
mitzutheilen und sie um ihr Gutachten zu ersuchen mit dem Bei- 
fügen, ob die Bestellung nicht fuglicher durch Ungarn und Windisch- 
land (Croatien?) sicherer geschehen könnte. Diess Gutachten wolle 
man abwarten. Auch an die von Kärnten soll Mittheilung geschehen. 
Bohoritsch und Dalmatin sollen aber den Vertrauenspersonen in 
Nürnberg, Chemnitz und Wien schreiben, mit der Beförderung bis 
auf Weiteres innezuhalten und wenn dieselbe bereits geschehen, 
Ordre wegen , mehrerer Sicherheit* zu geben. Diese Schreiben soll 
nach Nürnberg und Chemnitz Merschall Kirschner mitnehmen, das 
nach Wien aber soll der steirischen Landschaft zur Weiterbeför- 
derung eingeschlossen werden. 

Landsch. Prot. III. Fol. 10. n. 

1584, 20 May G. Dalmatin und A. Bohorizh an die stand. Ver- 
ordneten in Krain. Theilen mit, dass sie gestern aus Nürnberg und 
Leipzig der windischen Bücher halben Bericht empfangen, dass die 
verlassenen 14 Fässer aus Leipzig nach Nürnberg und Chemnitz 
abgesendet, 11 bereits in Nürnberg angekommen, und 2 davon auch 
schon nach Salzburg aufgegeben worden. Auf diese 11 Fässer, die 
über 63 U wägen, seien bei 200 fl. Fuhrlohn erforderlich, und auf 
die 5 Fässer von Leipzig bis Nürnberg und auf die 3 von Leipzig 
auf Chemnitz 38 fl. Fuhrlohn und Unkosten anerlaufen, welche jetzt 
zu entrichten wären, damit die Leute bei gutem Willen erhalten 
werden. Weil nun Bastian Andretschitsch im Begriffe sei, nach 
Nürnberg zu verreisen, mögen ihn die Stände mit der angegebenen 
Summe Geldes in deutscher Münze versehen, »weil er mit seinem 
Faktor zu Nürnberg so willig das Werk zu fördern und weil sie 
verhoffen, es sicher hereinzubringen, doch einziger Weis*. Auch den 
Rest pr. 580 fl. 7 kr. an Samiel Seelfisch wollen die Stände begleichen. 

Landsch. Arch. Fase. Rel.-Sachen N. 1/13. 

1584, 11. Mai. G. Dalmatin und Ad. Bohorizh berichten den 
Ständen, dass in Lins 3 Fässer Nr. 2. 24 und 25 mit windischen 
Bibeln, die Gregor Straub zu Chemnitz befördert, angekommen 
seien, und in des Hansen Nussers, eines Wirths daselbst, Verwah- 
rung sich befinden. In diesen Fässern seien 77 ungebundene und 



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65 



57 in weiss Leder mit Clausuren gebundene Exemplare und dabei 
auch 13 Gesang- und 12 windische Betbüchlein, welche dem Dal- 
matin gehören. Diese schon früher der steirischen Landschaft be- 
stimmten Bibeln betr. möge das Nöthige wegen Wegschaffung ver- 
fugt werden. 

Dann seien zu Villach 2 grosse und 3 kleine Fässer in Ver- 
wahrung einer Witwe mit Namen Margret Rosmarin. In den 
2 grossen Nr. 15 und 17 sind 24 ungeb. und 65 geb. Bibeln sammt 
43 mir Dalmatino zugehörigen windischen Betbüchlein. In den dreien 
kleineren Fassein aber* werden (weil sie in Nürnberg überlegt und 
uns kein spezifizirtes Verzeichniss davon nicht zugeschickt) bei 30 geb. 
und 30 ungeb. Bibeln sich befinden. Diese möchten EE. Landschaft 
in Kärnten neben Uebersendung der vergoldeten Dedications- 
exemplare zugesendet werden. 

In Leipzig befinden sich in Verwahrung des Hansen Lebzelter 
noch 13 Fässer Nr. 3, 4, 5, 8, 12, 13, 14, 16, 18, 20, 21, 22, 23 wie 
E. G. und Herrn noch zuvor unterthänig berichtet. Es wäre deren 
weiterer Transport zu verfugen. 

Nachdem endlich allhie (in Laibach?) Gottlob bereits eine 
ziemliche Anzahl geb. und ungeb. Exemplare vorhanden, so mögen 
die Stände verfügen, dass dieselben auf der christlichen Leute Be- 
gehren ausgetheilt und verkauft werden. 

Landsch. Arch. Fase. Rel.-Sachen Nr. 1/16. 
1584, 15. Mai wurde die steirische Landschaft verständigt, die 
in Linz lagernden Exemplare zu übernehmen. 1. c. 

r 5^5» 2 5- Sept. Leipzig. Hans Lebzelter an G. Dalmatin und 
Adam Bohoritsch. Das Schreiben vom 1 . Juli neuen Kalenders, dem 
2. August alten Kalenders, sei ihm durch M. Benedict Pyrotanus 
richtig zugekommen, er habe aber abwarten wollen, bis er die Ver- 
sendung der Fässer berichten könne. Die 13 Fässer seien bereits 
2. und 9. August alten Kalenders nach Nürnberg versendet worden, 
die 2 Fässer Nr. 28 und 29 seien ihm aber erst 17. September aus 
Wittenberg durch Ueberbringer Mag. Benedict überantwortet worden. 
Die anderen (13) Fässer seien fast 2 Jahre bei ihm (Lebzelter) ge- 
legen. Seine Ausgabe belaufe sich auf 59 fl. 8 gr. 7 ^. Was man 
ihm für seine Mühe im Versenden und für das so lange Lagern 
vergüten wolle, stelle er EE. Landschaft anheim. 
Landsch. Arch. Fase. Rel.-Sachen Nr. 1/16. 

Jahrbuch des Protestantismus 1883. H. II. 5 



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66 

1586, 26. Febr. (alt. Kai.) Ders. an die Verordneten. Betreibt 
die Erledigung obigen Schreibens und Bezalung des Ausstands. 1. c. 

7. Zehrung des Dalmatin, Bohoritsch und Mraula in 
Wittenberg, 23. Mai bis 26. December 1583. 

Verzeichniss was die würdigen wohlgelehrten beiden Herren 
M. Georgius Dalmatinus und Adamus Bohorizh sammt dem Joh. 
Jac. Reiner und Leonhard Mraula auch andern zwei Jungen und also 
6 Personen bei mir Dr. Polycarpo Leisem alhier zu Wittenberg von 
dem 23. Mai bis auf den 26. Dec. dieses 83. Jahrs verzehrt haben. 

1 . Die vier erste Personen 3 1 Wochen gespeist ein 

Jede die Wochen um 1 fl. macht 124 fl. — gr. 

2. Die zween Knaben einen die Wochen gespeist um 

6 gr. macht für beide die 31 Wochen . . . . 17 > 15 , 

3. Den beiden Herrn von dem 23. Mai bis auf den 
3. Aug. täglich gereicht 2 Kannen Weins, die 
Kannen um 3 gr. sind 73 Tag, jeden Tag 6 gr. 

macht 20 > 12 , 

4. Hernach von dem 10. Nov. bis auf den 26. Dec. 
ihnen die Kannen Weins gegeben um dritthalben 

Groschen sind 47 Tag jeden Tag 5 gr. macht 1 1 , 48 , 

5. Für die Habitation rechne ich den Herren nichts, 
sondern bitte, Sie wollen von alter und neuer 
Kundschaft wegen mit mir fiirlieb nehmen . . . — , — , 

6. Für 1 Bett, darauf 2 gelegen, wie andere, also 

auch meiner Hausfrau gegeben 3 , — , 

7. Für die Gasterei zum Valete auf 2 Tische 8 , — , 

8. Für Wein zur Gasterei und die übrigen Tage so 

sie alhier verblieben 50 Kannen machet . . 6 , — , 

Zusammen . 190 fl. 10 gr. 
Dieses alles ist den letzten Tag des 83. Jars mir zu getreuen 
handen erlegt worden. 

Policarpus Leiser. 
Landsch. Arch. Fase. Rel. Sachen Nr. 1/12. 



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VIII. 



Studien zur Reformationsgeschichte Nordböhmens. 

Von R. WOLKAN. 
III. 

Die Geschlechter der Herren von Wartenberg und von Sahihausen 
und die Reformation in Kamnitz und Bensen '). 

Das Geschlecht der Herren von Wartenberg ist eines der ältesten 
mit von Böhmen und seine Uranfänge verhüllen sich in altersgraue 
Zeit; von den Vandalen sollen sie abstammen, bemerkt mit tiefem 
Ernste einer der alten Chronisten. Sie gehörten zu dem Stamme 
der Markwartitze, der, in viele Linien sich spaltend, fast über ganz 
Böhmen sich ausbreitete. Ihre grösste Bedeutung und Blüthe erlangte 
die Linie der Herren von Wartenberg im 14. Jahrhundert, auf der 
sie sich fast durch 200 Jahre erhielt, um dann freilich ebenso rasch 
zu sinken und zu verschwinden, als sie emporgeblüht war. Damals 
dehnte sich ihr Besitzthum bis hinaus nach Sachsen, nach Gottleuba, 
und im nördlichen Böhmen umfasste es die ganze Gegend bis Gabel 
und Wartenberg, reichte im Norden bei Rumburg und Schluckenau 
an die heutige Landesgrenze und dehnte sich im Süden bis gegen 
Dauba. Im Westen bildete theilweise die Elbe die Grenze ihres 
Gebietes. 

Wir müssen es uns hier versagen, die frühere Geschichte dieses 
Geschlechtes näher zu berühren, wollen jedoch zum näheren Ver- 

*) Der Verfasser muss hier bedauernd bemerken, dass ihm auf seine Anfragen 
betreffs Mittheilungen aus den einzelnen Pfarrgedenkbüchern fast nirgends eine Antwort 
zu Theil wurde; er war also hier lediglich auf seine eigenen Sammlungen und Auf- 
zeichnungen beschränkt. Möge es so entschuldigt werden, wenn der vorliegende Auf- 
satz nicht die Vollständigkeit aufweist, die der Verfasser ihm gern gegeben hätte. 

5* 



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68 



ständnisse den Zweig der Familie, der in Nordböhmen ansässig war r 
vom 15. Jahrhunderte an in kurzen Umrissen verfolgen. Zu Anfang 
desselben war der bedeutendste dieses Geschlechtes Sigismund, 
ein Sohn Johann's v. Wartenberg. Sigismund, der sich von seinem 
Stammsitze Tetschen ,Decmsk^ c nannte, war im Anfange seiner 
Herrschaft mild und liebevoll gegen seine Unterthanen, denen er 
so manche Freiheiten gewährleistete, und dabei ein eifriger Katholik. 
Kaum aber, dass die Lehre des Magister Huss zu ihm drang, als 
er sich auch schon derselben zuwendete und nun ein ebenso leiden- 
schaftlicher Verfechter des Utraquismus wurde, wie einst ein Ver- 
theidiger des katholischen Glaubens. Seine Zeitgenossen nennen ihn 
deshalb auch einen .Ritter ohne Treu und Glauben*. Seine Unter- 
thanen der neuen Lehre günstig zu stimmen, gelang ihm indess 
nicht ; die Bewohner seiner Herrschaften blieben dem katholischen 
Glauben treu. Aus der Ehe mit Margaretha von Kekerzitz 1 ) und 
Agnes von Sternberg entsprossen ihm drei Söhne: Heinrich (mlad^ 
Deßky), Johann d. jüngere und Sigismund. Letzterer legte den Namen 
Deßinsk^" ab und schrieb sich nach seiner Besitzung Sigismund 
v. Wartenberg auf Perstein. Heinrich starb um 1444 und Johann 
besass seit 1457 die Tetschner Güter. 

Johann v. Wartenberg war vermählt mit Katharina, Burg- 
gräfin von Dohna, und nach deren Tode mit Katharina von Kunstat 
(f 1480). Nach seinem am 14. November 1464 zu Bautzen erfolgten 
Tode folgten ihm im Besitze der Herrschaften seine beiden Söhne 
Christof und Sigmund, die anfangs gemeinschaftlich sich im Besitze 
der väterlichen Güter befanden, bis in Folge einer Theilung Sigmund 
im Besitze von Tetschen, Tollenstein, Kamnitz, Bensen, Karbitz, 
Sandau und Wernstadt blieb. Christof besass Wartenberg mit Böhm.- 
Aicha und Habstein ; aber schon am 1 . October 1 504 verkaufte sein 
Sohn Johann (geb. am 2. Mai 1480, vermählt mit Veronika von 
Leskowetz) Wartenberg an Barthol. Hirschperger von Königshain 
um 4000 Sch. m. 2 ). Es gehörten zu dieser Besitzung : Schloss 
Wartenberg mit dem Meierhofe, dem gleichnamigen Städtchen sammt 
der Vorstadt, ferner die Dörfer Dubnice (Hennersdorf), Lilant (Neu- 
land), Pertoltice (Barzdorf), Bfezina (Grünau), Lubow (Lüh) und der 
Meierhof Sedlischte (Zedlisch). 

') Baibin: lib. erect. 303. 
*) Lairdtafel, 2. A. 22. 



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69 



Sigmund, Landvogt der Oberlausitz, verkaufte 1476 Tollen- 
stein und Schluckenau an Hugolt von Schleinitz ') und im Jahre 1511, 
von grossen Schulden gedrückt, Tetschen und Kamnitz an Trczka 
von Lipa um 8000 Sch., und zog sich dann nach Leipa zurück, wo 
er 15 19 starb. Er hatte zwei Gemahlinnen: Elisabeth von Kunstat 
(f 1501), und Hedwig, Witwe nach Georg, Herzog von Minsterberg, 
geborne Herzogin von Sagan, die ihm zwei Söhne gebar, Prokop 
und Christof. 

Mit dem Verkaufe von Tetschen und Kamnitz war so ziemlich 
das letzte Besitzthum der Wartenberge in fremde Hände über- 
gegangen ; nur Habstein und das Anrecht auf ein Viertel der Stadt 
Leipa gehörte ihnen noch ; doch bald gelangte ein Theil des früheren 
Gebietes wieder in ihren Besitz. Denn Trczka von Lipa, ein eifriger 
Czeche und ebenso glühender Utraquist, verkaufte schon im Jahre 15 16 
wieder seine Güter an die Herren von Sahihausen, deren Geschichte 
wir noch später behandeln werden; es waren ihm in Nordböhmen 
„zu schlechte Wege und zu viele Deutsche". Im Jahre 1522 theilten 
nun die Brüder von Sahihausen ihre Besitzungen und Friedrich er- 
hielt Bensen, Kamnitz, Markersdorf, Bürgstein, Scharfenstein und 
Sandau 2 ). 

Sieben Jahre später kaufte nun Prokop von Wartenberg, 
der sich im Jahre 15 14 mit Anna von Sahihausen vermählt hatte 8 ), 
in Gemeinschaft mit seinem Bruder Christof die gesammte Herr- 
schaft Kamnitz, während die übrigen Besitzungen in den Händen 
der Sahihausen verblieben; einen Theil dieser Herrschaft dürfte er 
übrigens bereits als Mitgift seiner Gemahlin Anna erhalten haben 4 ). 
Schon unter ihm beginnt die Lehre Luther's in Kamnitz festen Fuss 
zu fassen. Zwar langsam, aber stetig nahmen die Anhänger derselben 
zu, zumeist begünstigt durch das Vorgehen Anna's, die, selbst Pro- 
testantin, die Anhänger Luther's in jeder Weise beschützte und 
bevorzugte. So kam es, dass bereits im Jahre 1532 Johann Weinhardt 
als erster protestantischer Prediger auftreten konnte und noch 1544 
hier erscheint, in welchem Jahre er Hans v. Sahihausen in Bensen 
traute, in Ermangelung eines Priesters daselbst. Und als Anna 

') Focke: Aus d. ältesten Geschichtsgebiete Deutschböhmens I, 142. 
2 ) Hossmann: Chronik der Herren von Sahihausen. 
') Paprocky: O stawu pansk^m p. 278. 

4 ) Manzer: Geschichtl. Mitthl. a. d. Tetschner Amtsbezirk, p. 53. 



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70 



nach dem Tode ihres Gemahls im Jahre 1541 die Herrschaft als 
Vormünderin ihrer drei Söhne Heinrich, Abraham und Johann über- 
nahm, gestalteten sich die Verhältnisse für die Protestanten nur 
noch günstiger. Während Anna aber einerseits für die Verbreitung 
ihres eigenen Glaubensbekenntnisses in Kamnitz auf das thunlichste 
Sorge trug, vergass sie andererseits auch nicht ihrer sonstigen 
Pflichten und zeigte sich ihren Unterthanen gegenüber stets liebevoll 
und gütig. Sie gestattete auch sonst manche zweckmässige Neue- 
rungen und Hess vornehmlich Bauten zu, errichtete die Büttelei und 
den Kirchthurm, der unter dem Bürgermeister Patzenhauer aufgebaut 
wurde, während die Bürger das Recht des Brauens und Malzens 
auf das eifrigste benutzten, so dass sie Lehrlinge aus Nah und Fern 
herbeiriefen. 

Als Anna im Jahre 1556 starb, folgten ihre drei Söhne Hein- 
rich, Abraham und Johann im Besitze der Herrschaft Kamnitz. 
Ein vierter Sohn, Sigmund, war noch vor Ableben seiner Mutter in 
Kinderjahren gestorben. Die Brüder wurden bald von der weit- 
gehendsten Bedeutung für den Protestantismus und sein schnelles 
Aufblühen in verhältnissmässig kurzer Zeit; namentlich gilt dies 
von Johann, der sich nachmals zum Führer der Lutheraner in 
Böhmen aufschwang und schon aus diesem Grunde eine weiter- 
gehende Aufmerksamkeit verdient; weniger macht Abraham von 
sich sprechen, der zumeist ruhig auf dem Schlosse in Kamnitz lebte. 
Heinrich, welcher das in seiner Familie erbliche Amt eines Oberst- 
mundschenken bekleidete, war der älteste Sohn Prokops. Er war 
im Jahre 1529 geboren und vermählte sich im Jahre 1577 Sonn- 
tag nach den heil, drei Königen mit Katharina vonWys 1 ), (f Freitag 
nach Pfingsten 1611). Ihm gehörte als Eigengut Oberliebich, wo er 
im Jahre 1574 das Schloss und die Klingsteinmühle erbaute; auch 
den Kirchthurm Hess er herstellen und hiezu drei Glocken giessen. 
Das Gedenkbuch von Oberliebich berichtet über ihn: ,Er hat luthe- 
rische Praedicanten in Oberliebich eingesetzt, welche unserer lieben 
Frauen Bild und viele andere Bildnisse Gottes verwüstet, bis auf 
vier Statuen, als S. Ambrosii, Gregorii, Catharinae und Barbarae, 
welche noch bisher auf dem Hochaltare aufbehalten worden, und 
dieses ist geschehen anno 1560, und haben die Oberliebicher Kirchen 



•J Paprocky, a. a. O. p. 278. 



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71 



mit ihrer Lehre innegehabt bis a. 1622. Die Gemeinde aber war in 
der Lutherei 62 ganze Jahr. Vor dieser Zeit hat auch zur St. Jacobi- 
kirche das Dorf Schasslowitz gehört, so lange in Oberliebich katho- 
lische Priester gewesen. Als aber zu Oberliebich lutherische Praedi- 
canten eingesetzt worden, hat ihnen ihre Obrigkeit, welche noch 
katholisch gewesen, nicht mehr gestatten wollen, in diese Kirchen 
zu kommen, sondern sie in die böhmische Leippa zu unserer lieben 
Frau einpfarren lassen*. 

Wie der Protestantismus in Oberliebich aufblühte, so war es 
auch auf den anderen Besitzungen der Brüder der Fall. Ihr Besitz- 
thum wussten diese zugleich möglichst zu erweitern. Heinrich und 
Abraham brachten Sonntag nach Laetare 1573 von Christof von 
Schleinitz Schönlinde mit dem Kirchenlehen und dem dritten Theile 
des Zolles daselbst, sowie die Dörfer Schönbüchel und Neudörfel um 
15.000 Sch. an sich 1 ) und werden auch 1582 Grundherren von Ober- 
kreibitz genannt 2 ); auch Johann sorgte für die Erweiterung seiner 
Herrschaft. Obwohl aber die Lehre Luther's immer mächtiger um 
sich griff, so hatte man doch im Anfang, wie übrigens nicht zu ver- 
wundern, hie und da mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Musste sich 
doch selbst der Pastor von Kamnitz Laurentius Dresserus im 
Jahre 1565 in einer 3 Bogen starken Druckschrift darüber beklagen, 
,dass die Leute nicht zur Kirche kommen, keinen Eifer für das 
Wort Gottes haben und durch seine Pfarrei das Vieh hindurchtreiben, 
wie durch einen Viehstand 3 )*. Um so leichter machten die katho- 
lischen Geistlichen selbst das Fortschreiten des Protestantismus an 
anderen Orten, da sie entweder einem zügellosen und ausschwei- 
fenden Leben sich hingaben, gegen das die Administratoren von 
Prag aus vergeblich kämpften, oder aber selbst oft zum Protestan- 
tismus übertraten, theils überdrüssig des Cölibats, theils gelockt 
durch eine reiche Pfründe. Eine Klage aus jener Zeit hierüber wollen 
wir hier anführen, eine andere werden wir weiter unten zu erwähnen 
Gelegenheit haben. Die Beispiele Hessen sich mehren. Der Dechant 
von Leipa, Paul Weiss, wandte sich am 15. August 1578 von Reich- 
stadt aus mit folgendem Schreiben an den Dompropst von Prag 4 ): 

') Landt. 61. C. 4. 

9 ) Mittheilungen d. nordböhm. Excursionsclubs II, 186. 
8 ) Horner: Steinschönau II, 16. 

*) Erzbisch. Arch. Prag. Recepta ab ao. 1578. Orig. 



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72 



, Achbar ehrwirdiger vnnd hochgelehrter Herr Probst! 

Alsz itzigenn 78^ Jares tzwen oder drey Tag vor dem Son- 
tag Septuagesima ist ongefähr czur Leypy khomen czu dem katho- 
lischenn Pfarr ein frembder Priester mit Nahmen Melchior Poppius 
ordinis Cisterziensium, der auch eine Promotion vonh dem Herren 
Abt czue Plass gehabt an die Jungfrawen dess Klosters Marien- 
sterne; dieserhalb sich ein Tzeittlang bey dem catholischen Pfarr 
czur Leypy auffgehaltenn, vnnd ihme durch die gancze Fastenn 
mitt Beychthörenn, Sacramentreychen, auch czu Tzeiten mit Pre- 
digenn behulflich gewesenn, hienebenn auch die catholisch Religion 
verfochtten; volgendts aber die Pfarr czu Pablowicz, aufif welcher 
Mathias Stueler Pfarr gewesen 1 ), vnder dem Herrn John vonn 
Wartenbergk begert, vnnd aufif Bewilligung des Herrn angenohmenn; 
hatt aber alsbaldt sein Gemuett verendert, ein Weyb genohmen, 
vnnd öffentlich tzur Leypy Hochczeitt gehalten, nachmals die 
Pfarr czu Pablowicz beczogenn, führtt auch nun an die Ordnung 
der allgemeinen christlichen Kirchenn czu endern, vnd deutsche 
Mesz zu halten, nach lutherischer Art vnd gewohnheitt. Vnnd ob 
ehr gleich dessenthalbenn von den catholischen Priestern ange- 
rendt vndt gestrafft, giebt ehr ihnen vnnuczu Wort czur Antwort, 
sprechende: Der Herr John vonn Wartenbergk auf Newschloss 
sey sein Bapst, Bischoff vnnd Dechent; vnnd czu diesem seinem 
newen Furnehmen Herr John als Collator stillschweigett vnnd 
lests ihme wohlgefellig sein. — 

Solchs hab ich E. A. E. nicht wollenn verhaltenn, bitt aber 
auffs demutigst dieselben wollen solchs czu gelegner Tzeitt, ihr 
fürstlichen Gnaden meinem allergnedigsten Herrn (wie es denn 
E. A. E. wirdt wolgefellig sein) verstendigen vnnd anczeigenn. 
Damit Gott dem Allmechtigenn, befohlenn.* 

Wo solche Vorgänge das Streben der Grundobrigkeit unter- 
stützten, musste die Reformation leicht an Boden gewinnen und 
weit um sich greifen. Nicht zu verwundern ist es also, wenn wir in 
dieser Zeit bereits auf allen Pfarreien lutherische Prädicanten finden. 
Im Jahre 1564 tritt in Steinschönau ein Pastor auf, 1565 in Neustadtel, 
wo unter Zustimmung des Mitpatrones Hans Knobloch v. Strauss- 
nitz der aus dem Kloster Ossegg entlaufene Cisterzienser Christof 

') Vor ihm Gregor Nowak; vgl. Jahrbuch II, 112. 



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73 



eingesetzt wurde 1 ); 1568 sehen wir Thomas Muer, früher Kantor in 
Tetschen, als Pastor in Markersdorf, 1572 Zepherinus Dresserus in 
gleicher Eigenschaft in Windisch-Kamnitz 7 ). Auch von Hohlen und 
Pablowitz heisst es laut einer im Thurmknopf der alten Habsteiner 
Kirche aufgefundenen Nachricht, dass die beiden Orte um 1572 be- 
gonnen hätten sich dem Lutherthume zuzuwenden. In B. -Kamnitz 
selbst folgte ein Pastor auf den andern in ununterbrochener Reihen- 
folge bis 1624. Das Pfarrgedenkbuch nennt uns die Namen Samuel 
Killerus, Simon Münch, Ludwig Prosselt und Johann Hoftmann 3 ). 
Jetzt suchten die Grundherren auch die materielle Lage der Geist- 
lichkeit, über welche besonders die katholischen Geistlichen jener 
Zeit viel und oft zu klagen hatten, nach Kräften zu verbessern. So 
mussten sich die Kamnitzer, als ihnen im Jahre 1564 der Verkauf 
des Salzes freigegeben wurde, als Gegenleistung für diese Vergün- 
stigung verpflichten, den Pfarrherren von Kamnitz, Steinschönau 
und Windisch-Kamnitz jedem jährlich ein Achtel Salz unentgeltlich 
zu verabreichen 4 ). 

Aber auch für ihre Besitzungen und Unterthanen zu sorgen, 
verabsäumten die Grundherren nicht. Die Bürger von Kamnitz er- 
hielten im Jahre 1592 neue Privilegien, der Fischfang wurde ihnen 
gestattet, ebenso den Bräuberechtigten das Malzen, Brauen und 
Schenken. Der Handwerksbetrieb wurde nur Kamnitzer Zünftlern 
zugestanden, die Dörfler durften Covent (schwaches Bier) brauen, 
mussten aber das Malz von den Kamnitzern kaufen, im Rathhause 
durfte Brantwein bereitet und geschänkt werden. Heinrich erbaute 
in Kamnitz das neue Schloss und liess das alte auf dem Schloss- 
berge wieder herstellen. Den Schützen von Kamnitz gab er eigene 
Privilegien 5 ). 

Um diese Zeit, am 15. Juli 1587, starb Abraham von Wartenberg. 
Er war im Jahre 1530 geboren und vermählte sich mit Dorothea 
Schlick von Holeyß, von der er zwei Söhne erhielt, Heinrich und 
Prokop, die aber beide noch als Kinder starben (um 1559), sowie 

*) Dieser musste auf kgl. Befehl zweimal nach Ossegg eingeliefert werden ; 1570 
ist hier Jacob Münch Pastor. Frind: Kirchengesch. Böhmens IV, 404. 
a ) Jahrbuch v. Maresch p. 173. 

*) Mittheilung des Dechants von Kamnitz Herrn P. Joh. Faust. 
4 ) Horner: Steinschönau p. 17. 
8 ) Manzer: a. a. O. p. 53. 



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74 



eine Tochter Anna, die 1560 starb. Ein dritter Sohn, Sigmund, da- 
gegen blieb am Leben. Nach dem Tode seiner Gattin (f 1576) hatte 
er sich mit Katharina, der Tochter Johann's von Kolovrat vermählt, 
die ihm einen Sohn Johann gebar *). 

Nun besassen Heinrich und Johann gemeinsam die väterlichen 
Güter, jedoch so, dass die Wirksamkeit Heinrich's sich fast aus- 
schliesslich auf Kamnitz und Oberliebich beschränkte, während 
Johann zumeist auf den anderen Besitzungen sich aufhielt, vornehm- 
lich auf jenen, die er selbst zu den vom Vater übernommenen sich 
gekauft hatte. Johann v. Wartenberg war» am 14. Jänner 1542 
geboren und mit Barbara von Lobkowitz vermählt. Seine Besitzungen 
waren weit ausgedehnter als die seiner Brüder und er suchte sie 
auch jetzt noch stets zu erweitern. Ausser Kamnitz und den dazu 
gehörigen Ortschaften besass er ein Viertel der Stadt Leipa und 
die Herrschaft Neuschloss 2 ) ; ferner brachte er schon um das 
Jahr 1566 die ausgedehnte Besitzung Bösig ablösungsweise an sich, 
auf welcher er am 26. April 1580 die Mitgift seiner Gemahlin, 
6500 Sch. pr. Gr. versichern Hess. Zu dem Gute Bösig gehörte: 
Schloss Bösig mit dem Meierhofe unter dem Schlosse, das Städtchen 
Doxa (Hirschberg) sammt dem Meierhofe beim Städtchen ; die Dörfer 
Wobora (Wobern), Tacho w (Tacha), Zdiar, Luka (Luken), Bezdiedic 
(Kleinbösig), Unter-Bezdiez (Unter-Bösig), Wratno, Nosalow (Nosadl) 
und die Hälfte vom Städtchen Mscheno 3 ). Im Jahre 1589 kaufte er 
von Anton von Sahihausen auch einen Theil von Bensen sammt 
Stimmersdorf und Herrnskretschen 4 ). Auch Schwoyka, sowie die 
Dörfer Haida und Pless gehörten ihm, beziehungsweise seiner Ge- 
mahlin, welch letztere aber diese Besitzung bereits im Jahre 1591 
an Friedrich Rodwitz von Friedersdorf verkaufte 5 ). 

Dass es bei dem schnellen Umsichgreifen der Reformation auf 
den Gütern der beiden Brüder nicht an zahlreichen Klagen der 
katholischen Geistlichkeit über dieselben mangelte, ist selbstver- 
ständlich und fast kein Jahr verging, dass sie nicht, besonders Johann, 

*) Paprocky: a. a. O. p. 278. 

*) Zwei Viertel des Schlosses von Leipa verkauft Joh. v. W. 1591 an Kuni- 
gunde Berka auf Bürgstein und Leipa. Landt 168. A. 27. 
8 ) Landtafel 21, F. 6. 
*) Mauser: a. a. O. p. 41. 
6 ) Landtafel 168, A. 25. 



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75 



mit den Prager Administratoren in kirchlichen Angelegenheiten zu 
verhandeln gehabt hätten. Selbst der König musste eingreifen, aber 
auch er ohne sichtlichen Erfolg. Die Herren von Wartenberg fühlten 
sich zu sicher und mächtig, um sich so leicht einschüchtern zu 
lassen, und die Lehre Luther's breitete sich bald so weit aus, dass 
die Katholiken sich nur noch schüchtern und an abgelegenen Orten 
zum gemeinsamen Gottesdienste versammeln konnten. Noch heute 
erinnert eine Capelle in einem engen, östlich von Kamnitz gelegenen 
Thale an jene Verhältnisse, und ein Bildniss Christi am Oelberge, 
sowie eine Inschrift gemahnen an jene Zeit. Die Inschrift lautet: 
»Hier bei diesem Felsen verrichteten die Katholiken ihre Andacht 
im Geheimen, während die Reformation M. Lutheri in Böhmen ver- 
breitet wurde, und deren Lehrsätze durch lutherische Prediger in 
den Kirchen zu Kamnitz, Güntersdorf, Bensen, Höflitz, Tetschen, 
Arnsdorf und anderen gelehrt wurden. Diese Tafel ist erneuert 
worden im Jahre 1841.* 

Am 4. Jänner 1595 starb Johann von Wartenberg in Leipa, 
nachdem er noch im J. 1593 seiner Gemahlin Barbara die Herrschaft 
Bösig mit dem Meierhofe Wobrok, den Dörfern Tuhan, Tuhanetz, 
Domaschitz, Pawlitschka und dem Kirchenpatronate zu Tuhan ver- 
schrieben hatte 1 ). Er hinterliess einen Sohn Christof, sowie eine 
Tochter Elisabeth; eine zweite, Anna, war bald nach ihrer Geburt 
gestorben. 

Neun Jahre später, am 7. März 1604, starb auch sein Bruder 
Heinrich und wurde am 14. Juli in der Familiengruft der Warten- 
berge zu Kamnitz feierlich beigesetzt 2 ). Die gesammten Güter fielen 
nun an Sigmund, den Sohn Abrahams (geb. 1567, Freitag nach 
Judica), der mit Elisabeth, der Tochter Johanns, sich vermählt hatte ; 
doch muss derselbe bereits früher, wenigstens zum Theile, Mitbesitzer 
dieser Herrschaften gewesen sein, da er schon im Jahre 1601 (20. Mai) 
in Gemeinschaft mit seinem Onkel Heinrich den Schneidern von 
Kamnitz und am 25. Juli 1602 den Kürschnern daselbst, abermals 
mit Heinrich, Zechbriefe ausstellte 3 ). In Leipa wurde ihm am 17. De- 
cember 1604 „gehuldet*. Von seinem Wirken ist wenig bekannt; 
oft befand er sich in Geldnoth und wandte sich dabei gern an die 

') Landtafel 41, H. 23. 

•J Kriesche: Chronik von Leipa. 

3 ) Exc.-Club II, C02. 



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76 



Bürger von Kamnitz, die ihm denn auch, um ihre alten Freiheiten 
erhalten zu sehen, iooo Sch. gr. vorstreckten 1 ). Seine Gemahlin 
Elisabeth, die noch am 3. April 1603 von Joachim Malzan von 
Penzelin Schloss Ronow, die Veste Drum, die Dörfer Sezimka 
(Zössnitz), Lobendanz, Petersdorf, Quitkau, Zbor, Lityntz und Bleis- 
wedel um 45.000 Sch. gekauft hatte 2 ), starb bereits am 16. April 1604'), 
nachdem sie ihm drei Söhne und zwei Töchter geboren. Von diesen 
kennen wir nur Barbara (geb. 23. August 1592, f am Sonntag Ju- 
dica 1593), Wenzel (geb. 9. September, gest. 23. November 1599) 
und Abraham Johann (f 30. December 1604). Nach dem Tode Eli- 
sabeths vermählte sich Sigmund mit Eusebia von Sezyma. Er selbst 
starb am 13. Februar 1608 4 ) und wurde am 6. April in der Gruft 
zu Kamnitz beigesetzt. 

Am 9. März 1608 trat der neue Besitzer, Sigmund's jüngerer 
Bruder, Johann, den Besitz der Güter an. War Sigmund schon 
ein Mann gewesen, den häufig genug Geldmangel plagte, wofür dann 
seine Unterthanen leiden mussten, so war dies noch mehr mit Johann 
der Fall. Von seiner Thätigkeit im guten Sinne wissen wir wenig 
zu berichten. Zwar schildern ihn Zeitgenossen als einen guten Herrn, 
der das Sprichwort , leben und leben lassen* beherzigte und seinen 
Unterthanen nirgends zu nahe trat, aber es ist dies auch das Ein- 
zige, was uns in etwas mit ihm auszusöhnen vermöchte. Sein Name 
tritt uns fast nur in den Verkaufsurkunden seiner Güter entgegen, 
von denen er eins nach dem anderen veräusserte, um seine unge- 
heueren Schulden decken zu können und sein Leben, so lange es 
ging, auf standesgemässe Weise zu fristen. Kaum war er in den 
Besitz seines Bruders gelangt, als er auch schon (Freitag nach dem 
hl. Bartholomäus 1608) Ronow, die Veste Drum und Bleis wedel und 
die Dörfer Sezemitz, Lityntz, Lobendanz, Petersdorf und Radauschow 
(Grabern) an Adam Hrzanitz von Harasow um 51.428 Sch. 44 gr. 
verkaufte 5 ). Im Jahre 1610 (Mittwoch nach Cantate) folgte diesem 
Verkaufe der des Schlosses Zwirschetitz, eines uralten Besitzthumes 
seiner Familie, das er um 9000 Sch. an Wratislaw von Mitrowitz 

') Manzer: a. a. O. p. 53. 

8 ) Landtafel 131, M. 9. 

3 ) Kriesche: a. a. O. 

*) Kriesche: a. a. O. 

s ) Landtafel 183, F. 4- 



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77 



veräusserte 1 ), und das Jahr darauf (3. November 1611) ging auch 
Ober- und Niederliebich, Langenau und Sonneberg in die Hände 
der Dorothea Berka über, die es jedoch bereits am 2. Mai 1615 an 
Heinrich Pentzig von Pentzing weiter abgab. Das letzte Besitzthum 
endlich, Kamnitz, ging am 11. Juni 1614 an Radislaw Freiherrn 
von Wchynitz und T et tau um 176.000 Sch. m. über 2 ). Die 
Kamnitzer Herrschaft umfasste damals ein ziemlich bedeutendes 
Gebiet; zu ihr gehörten das Jetzt verödete* Schloss Kamnitz inner- 
halb der Stadt, der zweite Hof unterhalb derselben, der dritte Hof 
Namens Rennersdorf, der vierte Namens Daubitz, die Stadt Kamnitz, 
die Dörfer Ober- und Niederkamnitz, Kunnersdorf, Limbach, Kalten- 
bach, Dittersbach, Schemel, Stadt Kreibitz, Dorf Ober- und Nieder- 
kreibitz, Daubitz, Neudorf, Schönbüchel, Schönlinde, Hasel, Unter- 
und Ober-Preschkau, Schönau, Gersdorf, Neudörfel, Markersdorf, 
Jonsbach, Windisch-Kamnitz, das Schloss und ein Theil der Stadt 
Bensen, der Hof Reifen, der Hof in Binsdorf, der Hof in Hohen- 
leipe, Hermsdorf, Ulgersdorf, Hohenleipe, Stimmersdorf, Arnsdorf, 
das ,neue Dorf* an der Elbseite , Jonsdorf, Herrnskretschen 
und Hele. 

Damit war das alte Besitzthum der Wartenberge gänzlich zer- 
stückelt ; nur der Antheil an Leipa blieb Johann und hier starb er 
auch. Der Chronist, Hans Kriesche, bemerkt: ,Anno 1617 den 
17. Mai starb Johann v. Wartenberg, welcher geheiffter Schulden 
wegen sein Landt und Leit in Sequest übergeben müssen und zu 
Prag in Vorstreckung also vorbleiben miessen, bis ihn Gott der 
Allmechtige an bemeldten Tage durch den zeitlichen Tod abgefodert 
und ward bemeldter Herr den 19. Juny zu Prag in die Kirche Sal- 
uator mundi geistlichen zur erden begraben. Seiner Seelen Gott 
gnade.* 

Auf Leipa folgte ihm Johann Georg von Wartenberg, 
wie uns derselbe Chronist berichtet: ,Anno 1617, den 3. Juny hat 
die Stadt Leipa, ein erbar Rat anstatt der ganzen Gemeinden wol- 
gebornen Herrn Johann Georgen von Wartenberk gehuldet. Gott 
helfe, dass er gelickselig regiren möge den gemeinen Nutz seiner 
armen Unterthanen in so schwerer Zeit betrachten, dass wir unter 
ihm ein geringes und stilles Leben mögen führen in aller Gottselig- 

— - — — ■ ' - ■ - — • 

') Landtafel 184, M. 14. 
s ) Landtafel 187, F. 16. 



78 



keit, Erbarkeit und Warheit, Amen.* Dieser Wunsch des wackeren 
Kriesche sollte nicht in Erfüllung gehen. Die Anhänger Friedrichs 
von der Pfalz flohen mit ihm aus dem Lande, die protestantischen 
Unterthanen ohne Schutz zurücklassend. Heinrich Pentzig von 
Pentzing, der Besitzer von Oberliebich floh, und sein Gut ging am 
23. Mai 1623 an Johann Wratislaw von Mitrowitz über; auch Joh. 
Georg v. Wartenberg suchte die Grenze zu erreichen und starb bald 
darauf plötzlich in Sachsen, als er gerade einen Ungeheuern Humpen 
Wein auf das Wohlergehen und das Glück der Krone von Böhmen 
geleert hatte, und sein Besitz ging um 10.828 Sch. an Albrecht 
v. Wallenstein über (1623, Sonnabend nach den heil, drei Königen). 
Nur Otto Heinrich v. Wartenberg, der Bruder Johann Georgs, zu- 
gleich der letzte aus dem Geschlechte der Wartenberge, blieb auf 
seinem Gute Markersdorf, das er im Jahre 1623 Freitag nach Philipp 
und Jacob von Friedrich von Oppersdorf mit der Schäferei und dem 
Bräuhause daselbst um 52.000 Sch. m. erkauft hatte '), zurück und 
trat zur katholischen Religion über. Seine Unterthanen, die insgesammt 
Protestanten waren, bedrängte er auf das Schmählichste ; die Folge 
davon war, dass er am 29. October 1625 von ihnen in einem Aufstande 
ermordet wurde 2 ). Markersdorf ging später an den Grafen Thun über. 

Nun begannen die trüben Zeiten der Gegenreformation. Alle 
protestantischen Geistlichen sollten ihres Amtes entsetzt werden, 
alle Anhänger der Lehre Luther's das Land meiden, wenn sie nicht 
in den Schoss der katholischen Kirche zurückkehrten. Schon im 
Jahre 1624 kamen solche Befehle nach Kamnitz, die aber, da der 
neue Besitzer von Kamnitz, Wilhelm Kinsky (ein Neffe Radis- 
law's, der im Jahre 1619 kinderlos gestorben war), als Anhänger 
Luther's Alles daransetzte, die Wirkung der kgl. Erlässe abzu- 
schwächen, so ziemlich unbeachtet blieben. Wilhelm gab auf die- 
selben die Antwort, dass er zwar den fremden Prädicanten, die bei 
ihm sich aufhielten, befohlen habe, von seinen Gütern sich weg zu 
begeben, dass er aber meine, dieser Befehl beziehe sich keineswegs 
auf ihn, der immer treu und gehorsam gewesen, und auch nicht 
auf die in seinen Collaturen wohnenden Prädicanten 3 ). Noch im 
Jahre 1626 beklagte sich Jaroslav Bofita v. Martinitz in einem Briefe 

») Landtafel 194, M. 13. 
a ) Ex.-Cl. V, 28 f. 

8 ) Schebek: Kinsky und Feuquieres p. 170. 



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79 



an den Oberstkanzler Fürsten v. Lobkowitz über Wilhelm. Er schreibt 
unter Anderem l ) : ,Denn es ist zu hören, dasz allenthalben auch 
hier in Böhmen, und besonders um die Güter des Herrn Trczka 
und des Herrn Wilhelm Wchynsky herum, die Prädicanten heimlich 
und in den Wäldern predigen und ihre cancimenta exerciren. Die 
Bauern gehen zu ihnen in die Wälder zur Predigt mit verschiedenen 
Waffen, und so vergessen nicht allein die Bauern auf das frische, 
Markwartitz'sche, an Herrn v. Wartenberg und seiner Frau Ge- 
mahlin verübte Mordattentat, sondern noch mehr, auch andere 
katholische Uebelgesinnte aus den höheren Ständen rotten, wo sie 
können, sich zusammen.* 

Dass trotz der strengen Befehle und der anderweitigen An- 
strengungen der katholischen Geistlichkeit Anfangs fast gar kein 
Resultat erzielt wurde, sehen wir auch daraus, dass der letzte Pastor 
von Steinschönau, Jacob Haintschel, ungestört bis zu seinem im 
Jahre 1630 erfolgten Tode daselbst verblieb, obwohl doch im 
Jahre 1628 bereits eine zweite Refonnations-Commission Kamnitz 
und die Gegend besuchte. Freilich beklagte sich auch der Präsident 
derselben, der schon oft erwähnte Zdenco v. Kolovrat darüber, dass 
sich die Einwohner auf den Herrschaften des Grafen Kinsky nicht 
zur österlichen Beicht eingefunden hätten, sondern halsstarrig in 
der ,Ketzerei" verbleiben 2 ). 

Bessere Resultate erzielte man auf den nunmehr Wallenstein 
gehörigen Gütern. Am 19. Mai 1629 richtet M. A. Hejman, der 
Pfarrer von Hohlen, an Gerard von Taxis, den Oberinspector der 
gesammten Güter Wallenstein's, ein Schreiben, worin er ihm be- 
richtet, dass er mit Beihilfe des Schlosshauptmanns von Neuschloss, 
Balthasar Leopold Kühnel, alle Pfarrkinder in den Orten Hohlen 
und Habstein und den hiezu gehörigen Dörfern, sowie in den Filial- 
kirchen Chlum, Pawlowitz und Hospitz (im Ganzen 2000 Seelen) 
in den Schoss der katholischen Kirche zurückgeführt habe, wofür 
er um eine Entlohnung ersucht 3 ), und am 24. Juni 1629 schreibt 
der genannte Kühnel an Gerard von Taxis über den Adel auf der 
Herrschaft Neuschloss folgenden Bericht: 



*) Schebek: a. a. O. p. 171. 

s ) Orig. erzbischöfl. Arch. Prag. Acta reform. 1676. 
') Arch. locumten. Boh. F. 67/g. Orig. 



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80 



,Hoch vnd wohlgebohrner Herr Herr. Gnediger Herr! 
E. G. bericht ich gehorsambst wegenst dehrer von Adel auff 
dieser Herrschaflft Neuschlosz : so viel betreffendt Heindrich von 
Rodowicz, Ist derselbe mitt allen dehnen Seinen Catholisch. Fraw 
Crescentia Maxin Ist von Seinen Guettel zue Piesznigk wegk 
gezogen, In forma, wie Solches von Ihren Brüdern Herren Joachim 
von Luttiz, welcher Catholisch ist, gehalten wurde. Sie aber reiset 
fast wöchentlich selbsten auff* vnd ab, schauet czur Wirtschafft, 
haltt, das es nur ein vordegktes Weesen sej. Zur Leippen sindt 
zwo Jungfraun, die hab ich vnterschieden Mahl angeredet, darauff 
sie klahr vormelden, das sie die Religion nicht erkennen könten, 
vnd ob sie ja reumben müsten solchen vnter acht Tagen ihnen 
zue vollziehen nicht möglich wehre, hab ihnen aber ganz keine 
Vorlengerung ertheilet, weisz nicht, wesz sie sich vorhalten werden. 
In der Patern Augustiner Dörffel Ayche, ist einer des Geschlechts 
ein Pottowiz, welcher beicht vnd communiciret hatt; sein Frau, 
Tochter vnd Sohn aber sich biesz dato nicht eingestellt haben. 
Ist auch ganz kein Wille darzue von ihnen zue vornehmben. 
Auszerhalb dieser Perschonen ist alhier nichts von Adell, noch Herren 
Standez. Was nun E. G. ferner bevehlich vnd wille, so mir auf- 
getragen werden möchte, erfüll ich ganz gehorsambst bestes Ver- 
mögens. Befehl E. G. hiemit dem lieben Gott in seinen gnedigen 
Schutz vnd mich in E. G. Gunst vnd gnedigen Willen* '). 
Die Wirren des dreissigjährigen Krieges begünstigten auch in 
Kamnitz, wie an anderen Orten, das Wiederaufleben des Protestan- 
tismus. Feindliche Kriegstruppen durchzogen plündernd die Stadt 
und lösten die Bande des Rechts und des Gesetzes. Im Jahre 1630 
kamen zwei Compagnien Soldaten nach Kamnitz und plünderten 2 ), 
am 28. Mai 1633 lagerten unter dem Obristen Goltz ,2 Comp. 
Thunisch zu Fuss und 1 Comp. Uhlfeld zu Ross* daselbst 3 ), im De- 
cember desselben Jahres wurden abermals einige Compagnien dorthin 
beordert, um die Verbindung mit Bautzen aufrecht zu erhalten 4 ), und 
1634 waren hier die churfürstlichen Völker eingefallen und hatten, 
wie ein altes Manuscript erzählt, ,die stadt geplündert, in Brandt 

») Statthalterei-Arch. F. Ö7/8g Orig. 

2 ) Paudler: Studien zur nordböhm. Specialgesch. p. 8. 

•) Hallwich: Wallenstein's Ende. I. 370. 

*) Hailwich: a. a. O. II. 399. 



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0 

81 



gesteckt, das Volck verringet, auch nebens der Käuserlichen Com- 
missario Herrn Hanss Ulrich Medenetz etliche gefangen, mitgenommen ; 
durch solche Fewers Brunst 23 Heusser in der Bürgerschafft auf- 
gangen* J ). 

Am 25. Feber 1634 wurde Wilhelm Kinsky zu Eger ermordet 
und seine Güter am 22. Mai 1635 confiscirt 2 ). Ein Theil der Herr- 
schaft Kamnitz fiel nun an den Grafen Aldringer, nämlich der Rosen- 
berg, die Dörfer Johnsdorf, Helle und Nassendorf, sammt einigen 
Anrechten auf das Holzflössen im Kamnitzbache und die Ermäch- 
tigung, eine Niederlage in Herrnskretschen errichten zu dürfen. Doch 
erhielt bald darauf, schon am 23. Juli 1635, Wilhelms Neffe, Johann 
Octavian Kinsky, wegen der freiwillig aufgegebenen Ansprüche 
auf die Güter und wegen seiner »immer treuen Dienste* die Herr- 
schaft Kamnitz von Ferdinand II. geschenkt, und unter Ferdinand HL 
wurden auch die Ansprüche der Aldringer'schen Erben auf einige 
Theile dieser Herrschaft aufgehoben '), so dass seit dem 23. August 1648 
die Herrschaft Kamnitz in dem dauernden Besitze der Kinsky blieb 
und noch heute ist. 

Mittlerweile hat das Rekatholisirungswerk doch langsame Fort- 
schritte gemacht. Mit Hilfe einiger Geistlichen aus Bautzen gelang 
es dem ersten katholischen Pfarrer von Kamnitz, vermuthlich Stephan 
Longinus, fast die ganze Umgegend dem katholischen Glauben 
wiederzugewinnen 4 ) und im Jahre 1642 berichtete der Carmeliter- 
mönch Alexander Kozlinsky, Pfarrer von Kamnitz, frohlockend nach 
Prag, dass er in diesem Jahre 15 Männer und 13 Frauen von der 
»Ketzerei* bekehrt habe 5 ). Der dem Schreiben beigelegene Katalog, 
der die Namen der Bekehrten enthielt, hat sich leider bis jetzt 
nicht wiedergefunden. — Wer sich nicht bekehren wollte, hatte aus- 
wandern müssen, und manche Namen von Bürgern aus Kamnitz 
treffen wir unter den Exulanten in Sachsen und der Oberlausitz. 
So wurde in Hinterhermsdorf die Frau Martin Hohlfelds aus Kamnitz 
begraben 6 ), Georg Profeit, exilirter Pastor aus Kamnitz, starb in 

') Paudler: a. a. O. p. 8. 

a ) Folkraann : Die geforstete Linie Kinsky, p. 42. 

•) Folkmann: a. a. O. p. 45. 

*) Jahrbuch v. Maresch p. 140. 

5 ) Orig. arch. archiep. Pragens. ab ao. 1642. 

•) Pescheck: Exulanten p. 42. 
Jahrbuch des Protestantismus 1883. H. D. 6 



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82 

Zittau; seine Tochter Anna vermählte sich mit Elias Weisse und 
wurde so die Mutter des bekannten Polyhistors und Dichters Chri- 
stian Weisse. Auch die Tochter des Stadtrichters Plesche von Kam- 
nitz, der ausgewandert war, treffen wir als Braut des Schneiders 
Mathäus Momilch aus Prag 1 ). Aus anderen Ortschaften der ehemals 
Wartenbergischen Güter sind es zumeist Namen der Geistlichen, die 
uns begegnen ; wir nennen : Thomas Crusius, Pfarrer von Pablowitz, 
f 1633 nach zehnjährigem Exil in Zittau 2 ), Nicolaus Schramm aus 
Leipa, Pfarrer von Habstein, Jonas Scultetus, Pfarrer zu Hirschberg, 
Paul Mikan, Pfarrer aus Dauba, Thomas Kellner, Pfarrer von Drum 
u. A. Die letzte Nachricht über Protestanten in Kamnitz kommt uns 
aus dem Jahre 1651, in welchem sich der Bürger von Kamnitz, Bal- 
thasar Lumpe, an den sächsischen Kurfürsten wendet, um ihn um 
Fürsprache bei seinem Herrn, Johann Octavian Kinsky zu ersuchen, 
da er als Protestant das Land verlassen müsse und gern seine 
gesammte Habe mitnehmen möchte 3 ). Das ist die letzte Kunde über 
den Protestantismus auf Kamnitz in jener Zeit. — 

Wir kehren nunmehr zu dem Anfange unserer Betrachtung 
zurück, um die Fortschritte des Protestantismus auch auf dem Gebiete 
von Bensen, das einstmal Eigen der rjerren von Wartenberg gewesen 
war, des Näheren zu betrachten. Wie wir gesehen, ging dasselbe 
aus den Händen der Wartenberge in die des Niclas Trczka von Lipa 
über, der jedoch nach kurzem Besitze seine Güter an die Herren 
von Sahihausen verkaufte. Der classische Grund, den er hiefür gab, 
gibt uns den erfreulichen Beweis, dass jene Gegend bereits damals 
wieder so deutsch geworden, wie einst vor Jahrhunderten. 

Das Geschlecht der Sahihausen stammt aus Sachsen. Dort hatten 
sie ziemlich ansehnliche Besitzungen längs der Elbeufer und standen 
bei dem Kurfürsten in hohem Ansehen. Im Jahre 1480 starb 
Friedrich von Sahihausen, Herr auf Trebischen, Lauenstein, Schieritz, 
Zschesau, Lohmen und Wehlen zu Meissen, und ihm folgte sein 
Sohn Georg, dessen drei Kinder Hans, Wolf und Friedrich 
sich, sobald sie die Lehre Luthers vernommen, derselben begeistert 
zuwandten und trotz der Vorstellungen und Drohungen des Kur- 
fürsten treu bei derselben ausharrten. Die Folge davon war, dass 

*) Pescheck: Gesch. d. Gegenreform. II, 462. 
8 ) Pescheck: Exul. p. 72. 

•) Orig. Arch. d. böhm. Statthalt. R. 109/12 B. 



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83 



sie sich nicht nur die bisherige Gunst des Kurfürsten verscherzten, 
sondern dass ihnen auch die Besitzungen Wehlen und Lohmen ent- 
rissen wurden. Um weiteren Unannehmlichkeiten sich zu entziehen, 
beschlossen die Brüder, aus Sachsen auszuwandern, und sich im nörd- 
lichen Böhmen anzukaufen, wo sie ihrer Lehre treu bleiben zu können 
hofften, ohne so angefeindet zu werden, wie bislang. Sie kauften 
denn im Jahre 1516 die Güter des Niclas Trczka von Lipa, und wurden 
bald darauf ihrer treuen Dienste wegen, die sie in den zahlreichen 
Kämpfen gegen Frankreich und Venedig bewiesen hatten, in den 
Freiherrenstand des heil römischen Reiches erhoben. Ihr Wappen 
waren die rothen Drachenköpfe mit offenen Schnäbeln und daraus 
strömenden Feuerflammen, an welchen hinten am Genick ein rechts 
sehendes Mohrengesicht erscheint auf quadrirtem Schilde. Auf dem 
vorderen Helme erscheint der rothe Drachenkopf ohne Mohrengesicht 
und ist mit einem Pfeile von der Linken zur Rechten durchschossen '). 

Die Brüder blieben nicht lange im gemeinschaftlichen Besitze 
der erkauften Güter. Schon im Jahre 1522 nahmen sie eine Theilung 
derselben vor, bei welcher Hans Tetschen, Schwaden, Grosspriesen 
und Rscheppin erhielt, Friedrich Bensen, Markersdorf, Kamnitz, 
Bürgstein, Scharfenstein und Sandau, während Wolf mit einer ent- 
sprechenden Geldsumme sich zufriedenstellte. Allein schon im 
Jahre 1543 wurde auch Hans seiner Besitzungen überdrüssig und 
verkaufte dieselben an Rudolf v. Bünau 2 ), der übrigens schon im 
Jahre 1 515 die Burg und das Gut Lauenstein in Sachsen von den 
Sahihausen an sich gebracht hatte. Jetzt waren die Sahihausen somit 
factisch nur noch im Besitze einer einzigen Herrschaft, des Antheiles 
Friedrich's. Alles Uebrige war schnell in fremde Hände übergegangen ; 
nur noch im Tetschner Schlosse besass Friedrich ein Wohnungsrecht. 

Die Grundherren von Bensen gehörten zu den eifrigsten Prote- 
stanten. Soll doch Wolf von Sahihausen mit Luther selbst in Corre- 
spondenz gestanden haben, und Hans Hess bereits 1517 die Schriften 
Luther's in Bensen vorlesen. In Bensen selbst hatten sie übrigens 
leichten Anfang mit ihrem Werke. Damals lebte nämlich hier der 
katholische Pfarrer Sebastian Bude, der aber seines sittenlosen Lebens- 
wandels wegen der Gegenstand allgemeiner Verachtung war. Als 
man ihn deshalb anklagte, verliess er heimlich die Stadt (1521). Nach 

*) Nach Hossmann : Chronik der Sahihausen. 
») Landtafel 4, L. 12. — Ex.Cl. III, 15. 

6* 



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84 



seinem Abgange nahm Friedrich von Sahihausen das Refor- 
mationswerk energisch in die Hand und erreichte auch in kurzer 
Zeit einen bedeutenden Erfolg, obgleich er freilich andererseits wegen 
seines reformationsfreundlichen Auftretens zahlreichen Angriffen aus- 
gesetzt war. Gleich am Beginne seiner Thätigkeit verklagte ihn der 
Bürger Hemmerlein von Bensen in Prag und noch 1557 wurde er 
für sein Thun in Prag zur Verantwortung gezogen, wie wir weiter 
unten sehen werden. Allein dies Alles machte ihn in seinen Bestre- 
bungen nicht irre. Kaum hatte Seb. Bude die Stadt verlassen, als 
schon ein lutherischer Prädicant seine Stelle bezog. Michael Celius 
war der erste, der in Bensen offen unter dem Schutze der Obrigkeit 
die Lehre Luther's verkünden durfte. Zwar hatten die katholischen 
Bensner sich nach dem Abgange Bude's einen Stellvertreter in dem 
Altaristen Paul Weiss, einem geborenen Bensner, gesucht; allein 
dieser hielt nur kurze Zeit aus. Gleichen Schritt mit der Protestan- 
tisirung Bensens hielten auch die anderen zu der Herrschaft gehö- 
rigen Orte. In Höf litz wurde der katholische Pfarrer Balthasar Richter 
lutherisch, in Arnsdorf bei Tetschen fungirte gleichfalls ein Prädicant 1 ). 

Wie bereits gesagt, zeigte man sich in Bensen anfangs der 
neuen Lehre gegenüber nicht besonders freundlich ; als die Vor- 
stellungen des genannten Hemmerlein in der Hauptstadt nichts 
fruchteten, suchten sich die Katholiken auf eigene Faust ihr Recht 
zu verschaffen und vertrieben 1525 den Pastor Michael Celius, der 
sich jetzt nach Eisleben wandte, wo er Hofprediger des Grafen 
Mansfeld wurde und einer der Sprecher an Luther's Grabe war 2 ). 
Durch solch offene Auflehnung gegen den Willen der Obrigkeit, 
die alle Macht in Händen hatte, gestaltete sich die Sachlage für die 
Katholiken allerdings nicht günstiger. Schon das Jahr 1529 weist 
uns in Bensen einen neuen protestantischen Prediger auf, Namens 
Sebastian Riemer (1529 — 37), und von dieser Zeit folgte ein Pastor 
dem anderen, während die Katholiken ohne Seelsorger bleiben 
mussten. Dem sonst auch bei den Protestanten so fühlbaren 
Mangel an Geistlichen suchte man derart vorzubeugen, dass man zu 
gleicher Zeit auch lutherische Schulmeister anstellte, die im Nothfalle 
an Stelle der Pastoren traten, während andererseits die Pastoren 
zugleich die Oberaufsicht über die Schulen besassen ; so versah denn 

*) Jahrbuch v. Maresch 134. 
s ) Pescheck: Exul. 168. 



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85 



auch wirklich im Jahre 1537 der Schulmeister Math. Zoll das Amt 
eines Predigers. 

Nur noch einmal versuchten es die Katholiken von Bensen, 
sich des Pastors zu entledigen, als nämlich im Jahre 1547 die Pro- 
testanten bei Ferdinand in Ungnade gefallen waren ; aber auch jetzt 
fruchtete ihre Auflehnung nichts. Andreas Pause, der seit dem 
Jahre 1544 hier wirkte, musste zwar fliehen, aber bereits 1548 er- 
scheint an seiner Stelle Christof Juhre. Ja es zeigt sich, dass jetzt 
die Anzahl der Protestanten in Bensen schon eine ganz bedeutende 
gewesen sein muss, da dem Pastor Juhre sogar ein Caplan Math. 
Sander beigegeben werden musste, um allen kirchlichen Obliegen- 
heiten gerecht werden zu können. Auch die Nachbarorte waren zu 
dieser Zeit mit protestantischen Predigern versehen. In Güntersdorf 
tritt um das Jahr 1540 ein gebürtiger Tetschner, Jacob Reichelt, 
früher Mönch in Sagan, auf, der sich im darauffolgenden Jahre nach 
Steinschönau und von da nach Rosendorf begab. In der Zwischen- 
zeit besorgte ein anderer Mönch, Kleinpeter, seine Geschäfte, bis 
Reichelt nach einem Jahre wieder nach Güntersdorf zurückkehrte, 
um hier bis zu seinem Tode (1548) zu bleiben. Sein Nachfolger war 
Brikzius Burstl, ehemals Schulmeister in Bensen. In Arnsdorf war 
1553 Bonifacius Schiebchen als lutherischer Geistlicher angestellt, der 
nach dem Abgange des genannten Burstl nach Güntersdorf über- 
siedelte. Er war nach Arnsdorf aus Pirna gekommen. Bei der im 
Jahre 1547 erfolgten Vertreibung des lutherischen Priesters von Bensen 
hatten auch die Geistlichen der benachbarten Orte das Feld räumen 
müssen. Sie begaben sich nach Dresden, um hier Klage zu führen, 
worauf auch die dortigen Kirchenvisitatoren eine Trostschrift drucken 
Hessen. Bonifacius Schiebchen war allein ausgeharrt auf seinem 
Posten, und aus dem Umstände, dass man von weit und breit, 
selbst aus dem entfernten Aussig und Leipa zu ihm kam , um 
seine geistliche Beihilfe in Anspruch zu nehmen, zeigt sich, wie 
tief die Lehre Luther's damals in Nordböhmen Wurzel gafasst hatte ; 
freilich lässt sich hieraus auch auf den allgemeinen Mangel an ge- 
weihten Priestern schliessen, so dass es nicht zu verwundern ist, 
dass selbst Leute, die nicht den mindesten Beruf in sich haben 
konnten, doch das Amt eines Seelsorgers übernahmen; die Noth 
Hess wenig Ausweg zu. So musste nach dem Tode des Pastors 
Johann Triller der Stadtschreiber von Bensen, Nicolaus Rink, das 



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*6 



Vorlesen der Postillen gegen eine jährliche Remuneration von 
8 Thalern durch zwei Jahre besorgen, da Niemand anderer zur 
Hand war, und in gleicher Weise war in Arnsdorf Sebastian Gries- 
bach, ein Leinweber aus Stolpen bei Neustadtl, thätig. Rink wurde 
im Jahre 1560 durch Ambros Heidrich abgelöst, und in Arnsdorf 
übernahm Georg Hellwetter 1562 bleibend das Amt eines Seel- 
sorgers 1 ). 

Die ausserordentlich rasche Verbreitung des Protestantismus 
hatte jedoch für Friedrich v. Sahihausen schlimme Folgen. Wenn- 
gleich die Klagen seiner Bürger im Anfang nicht viel halfen und 
man ihn unbeachtet weiter seiner Aufgabe leben Hess, so überraschte 
die Schnelle, mit der die Lehre Luther s auf seinen Besitzungen 
um sich griff, allmälig doch und man zog Friedrich von Sahihausen 
zur Verantwortung. Erzherzog Ferdinand verurtheilte ihn zu einer 
Gefängnissstrafe, sein Pastor sollte des Landes verwiesen werden. 
Das betreffende Schriftstück hat sich noch erhalten und wir lassen 
es im Wortlaute folgen 2 ). 

, Demnach die römische kunigliche majestat und unser aller- 
genedigister Herr, alle personen des Herren und Ritterstandt von 
wegen der unordinirten und unge weihten Priester, wie Ire Maj. 
jüngst auf dem Prager Schloss gewesen, verabschiedet, dero- 
gestaldts, dasz sie von dato desselbigen abschids, in drey wochen 
der fürstlichen durchleuchtigkeit etc. unserem allergnedigisten Herrn 
ihren schriftlichen berichten zustellen, und darinnen anzeigen 
sollen, ob sie sich der fürst, durchl. ersten und hernach der kunigl. 
Maj. von wegen der unordinirten Priester gegebenen abschied ge- 
horsamblich verhalten haben, darauf hat Friedrich von Sahihausen 
in seinem der furstl. durchl. schreiben vermeldet, erstlich, dasz er 
nach dem ersten gegebenen Abschiede dieselben unordinirten 
Priester hinweggethan, hernach sie aber wider angenomben und 
noch hatt, wie dann sein schreiben vermag und aufweiset, dero- 
wegen haben die kun. Maj. gedachten Salhausen auf einen bestimmten 
Tag für der furstl. durchl. auf Prager schlosz zu gestern citirt, 
dasz er sich von wegen seines begangnen ungehorsambs und 
wiederannembung der unordinirten prister auf sein Pfarhen purgiren 

») Jahrbuch v. Maresch p. 140; — Ex.CI. II. 43. 
a ) Böhm. Statthalterei-Archiv R. 109 1—9. copia. 



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87 



solle. Als nun gedachter Sahihausen mit einem prister für Ir: fürst, 
durchl. personlich erschienen, hatt er ober sein zuvor gethanes 
Schreiben keinen anderen bericht eingewandt, allaine dasz er es auf 
seiner underthanen begem gethan, dieweiien dann die fürst, durch- 
laucht anstatt der kunig. Maj. sowol auch Ir. Maj. mer dann einmal 
mit den obristen Officieren Landtsitzern und Raten in groszer 
anzahl vleiszig beratschlaget und bewogen, dasz solliche und un- 
ordinirte Prister den vertregen und Landsordnung so zwischen den 
Stenden aufgerichtet zuwider, nit sollen gelitten werden, und aber 
Friedrich von Salhausen, über .solliche der fürst, durchl. gegebene 
abschide und der kun. Maj. beuelch sich also nit verhalten, sondern 
dieselben unordinirten und ungeweihten Prister wider angenomben. 
Derowegen und aus erzelten Ursachen nemben die fürst, durchl. 
anstatt der kun. Maj. gedachten Salhausen in ire straffe, also dasz 
er dem obristen Burggrafen zu Prag, alspallt bei seinen treuen und 
eeren, angloben solle, sich auf den schwarzen thurn zu gesteilen, 
und keines weges, wie das erdacht, on genediges vorwissen und 
willen der fürst, durchl. von dannen nit khomben solle. 

Die weilen auch angeregter Prister guet wissen gehabt, dasz 
die Kun. Maj. noch fürst, durchlaucht anstatt Ir. Kunig. Maj. 
solche unordinirte und ungeweihte Prister , so sich mit der 
under ainer noch baider gestalt nit vergleichen und allen Admi- 
nistratoribus in 'diesem Khunigreich nit underworfen sein, nit ge- 
dulden, sondern des landes verweisen lassen, über das sich dasz 
understanden und bei dem Salhausen seinen leutten gepredigtt, 
der ursach halber nember Ir. fürst, durchl. ime in Ire straff und 
nach erledigung diser gefangnusz den unordentlichen Prister, dasz 
er sich aus dem land hinweg mache, alszpallt gelosen und weitter, 
wenn ihme Ir. Maj. vier wochen zuvor zu wissen thun werden, 
sich her Ir. Maj. von wegen solches ungehorsambs gestellen solle.* 

Ob und wie lange Friedrich v. Sahihausen seine Strafe in Prag 
abgebüsst, wissen wir nicht; die urkundlichen Nachrichten geben 
hierüber keinen weiteren Aufschluss ; so viel ist gewiss, dass er im 
Jahre 1562 wieder in Bensen weilte, wo er am 21. April starb *). 

Friedrich hat sich nicht allein um die Ausbreitung der Lehre 
Luthers auf seinen Gütern rühmlichst verdient gemacht, auch in 

') Ex. Cl. II. 44. 



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88 



anderer Weise war er um seine Besitzungen bemüht, wie denn 
überhaupt mit dem Auftreten der Sahihausen für Bensen das 
»goldene Zeitalter* beginnt. Zahlreiche Bauten entstanden auf ihre 
Anregung und verschönerten die Stadt, und manche Privilegien und 
Rechte verdankt Bensen diesen Grundherren. Schon die Warten- 
berge hatten den Bau einer Kirche in Bensen begonnen; Friedrich 
setzte das angefangene Werk fort und baute die Kirche mit einem 
bedeutenden Kostenaufwande aus; besonders den westlichen Theil 
des in reinem gothischen Stil errichteten Gotteshauses vergrösserte 
er (1521 — 54) und verband ihn mit dem alten Wachtthurme, der zu 
einem Kirchthurme umgewandelt wurde. Auf der Grundlage des 
alten Schlosses erhob sich bald ein neues stattliches Gebäude, das 
mit eine Zierde der Stadt wurde. Auch nahm man zur Zeit der in 
Bensen herrschenden Pest den Bau eines neuen Friedhofes ausser 
halb der Stadt in Angriff, und errichtete hiebei eine Capelle; als 
Bensen in andere Hände überging, verfiel dieselbe freilich wieder 
und wurde erst 1776 aufs neue aufgebaut und eingeweiht J ). Das 
Privilegium, welches Friedrich der Stadt im Jahre 1546 gab, zeigt 
von der Liebe zu seinen Untergebenen. 

Friedrich hinterliess bei seinem Tode zwei Söhne : Hans und 
Friedrich d. j. Beide Brüder blieben gemeinschaftlich Herren von 
Bensen und setzten nach besten Kräften das Werk ihres Vaters 
fort. Friedrich d. j. vollendete im Jahre 1571 den Ausbau des 
Schlosses und liess über dem Thoreingange sein eigenes Wappen, 
sowie das seiner Gemahlin Magdalena v. Bünau (auf Tetschen) und 
seines Schwiegersohnes Adolf v. Hagen anbringen. Er hatte zwei 
Töchter, Marie und Magdalena, erstere (f 1554) vermählt mit Haubolt 
von Starschedl (f 1625), letztere (f 1589) »mit Adolf v. Hagen. 

Hans begann gleich beim Antritte seiner Herrschaft den Bau 
eines neuen Schlosses, das sich in mässiger Entfernung von dem 
seines Bruders erhob. Bei seinem am 23. September 1576 erfolgten 
Tode hinterliess er zwei Söhne, Wolf und Anton, die gleichfalls 
gemeinschaftlich den ererbten Besitz antraten. Von Wolfs Thätig- 
keit auf Bensen ist wohl wenig zu berichten, da er bereits am 
24. Februar 1589 in Bensen starb. Er hatte sich mit Marie, der 
Tochter Abrahams von Bock, Herrn auf Schwaden und Grosspriesen, 
vermählt, die ihm zwei Söhne, Hans Abraham und Wolf d. j., 

') Manzer: a. a. O. p. 40. 



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89 



gebar, sie selbst starb am 28. August 1617. Beide Söhne lebten 
anfangs in Bensen in Gemeinschaft mit ihrem Onkel Anton, der 
sich manche Verdienste um die Stadt erwarb. Im Jahre 1590 gab 
er ihr ein eigenes Siegel, bestehend aus einem weiss und braun ge- 
theilten Schild, darüber einen Bären enthaltend, und den Bogen- 
schützen verlieh er 1592 in Gemeinschaft mit Paust von Starschedl 
ein Privileg. Der Stadt wurde das Recht zugestanden, über Tod 
und Leben zu richten. 

So günstige Verhältnisse weckten bald den Erwerbsgeist unter 
den Bewohnern von Bensen, und in kurzer Zeit trat ein behäbiger 
Wohlstand ein, der sich glänzend abhob von den kümmerlichen 
Verhältnissen der früheren Tage, über die so oft Klage geführt 
worden war, freilich auch nicht allzulange andauern sollte. Der 
dreissigj ährige Krieg vernichtete auch hier. 

Die grossartigen Bauten und die gerühmte Freigebigkeit der 
Herren v. Sahihausen nahmen ihr Vermögen in ziemlich starker 
Weise in Anspruch, und Anton v. Sahihausen soll sich auch im 
Jahre 1589 genöthigt gesehen haben, sein Anrecht auf Bensen sammt 
Stimmersdorf und Herrnskretschen an Joh. v. Wartenberg zu ver- 
kaufen *). Wenn dieser Verkauf, was wir vielleicht nicht bestreiten 
können, auch richtig sein mag, kann er doch unmöglich in das 
Jahr 1589 fallen, da Anton, wie wir gesehen, noch im Jahre 1590 
und 1592 als Herr von Bensen erscheint, im Uebrigen der Verkauf 
des Gutes auch nicht in der Landtafel angemerkt ist. Auch kann 
der Geldmangel in keiner Weise so bedeutend gewesen sein, da er 
sich bereits im Jahre 1596 wieder in der glücklichen Lage sah, von 
Haubolt v. Starschedl auf Bensen und Scharfenstein nachstehende 
Güter zu kaufen : Jonsdorf, Stimmersdorf, die Unterthanen in Herrns- 
kretschen, zwei Bauern in Niederebersdorf, ferner auch »alle die 
Hölzer vnd weide genseidte der Kemnitzbach, nemlichen die Niedern 
vnnd Obern wintterbergk, Tiefe stallung, Nieder vnnd Ober-Rössen, 
Eichberg, Neue stallung, Sebitzer steugk vnd waesser, ittem den vol- 
stendigen Zohl vnd Niederlege im Harniszkretzscham, der stücke 
Elbe von der dörren Bichle bis ahn diebsteugk, die Kemnitzbach 
von der Elbe ahn bisz ahn den Neuen gemachtten Rein, zu negst 
vbigk dem Fischhol, samptt den volstendigen Jerlichen Laxfangk, 
Fiesche', wie Starschedl dies alles von seiner Gemahlin Maria 

*) Manzer: a. a. O. p. 41. 



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90 



erhalten. Die Kaufsumme betrug die immerhin sehr erhebliche 
Summe von 16.000 Thalern 1 ). Schon das Jahr darauf, am 6. October 
1597, kauft er wieder von Fr. v. Sahihausen das Gut Gross-Priesen 
sammt dem halben Kirchenlehen zu Waltirsche um 30.000 Sch. m., 
und in allen diesen Urkunden wird er ausdrücklich Herr auf Bensen 
und Markersdorf genannt *). 

Der zweite Theil von Bensen war Eigenthum Maria's, der 
Tochter Friedrichs, die sich mit Haubolt v. Starschedl vermählt 
hatte, welch letzterer dann auch im Jahre 1594 seiner Stadthälfte 
ein neues Privileg verlieh. 

Anton v. Sahihausen starb im Jahre 1620, er ward wie sein 
Freund, der Kirchen- und Schulinspector M. Johann Chericus in 
Bensen berichtet, am 29. April 1620 .allhier in Bensen in der Stadt- 
kirche in seinem Ruhebettlein beigesetzt. Der liebe Gott erfreue 
seine Seele und gib dem Leibe eine fröhliche Auferstehung zum 
ewigen Leben* 3 ). Mehrere Jahre vor seinem Tode waren bereits 
seine Neffen nach Leipa gezogen. Hans Abraham heirathete hier 
im Jahre 1609 Anna, die Witwe Adam Berka's von Duba und Lipa, 
des Besitzers von Leipa und Bürgstein, und gelangte so in den Besitz 
dieser Güter. Hans Abraham, von dem Hossmann in seiner Chronik 
der Herren v. Sahihausen bemerkt, dass er ein ausgezeichnet gelehrter 
Mann gewesen und acht Sprachen, Latein, Hebräisch, Griechisch, 
Spanisch, Italienisch, Französich, Deutsch und Böhmisch gekannt habe, 
war äusserst leidenschaftlich und jähzornig. Der Chronist von Leipa, 
Hans Kriesche, berichtet mit Schrecken von ihm, dass er einst seinen 
Schreiber, Martin Kuba aus Langenau, mit einem »hungarischen 
Pusican* erschlug, und auch seiner äusserst willkürlichen Neuerungen in 
, Robot und Erbschaften* gedenkt er nur mit Widerwillen. Am 
I.April 1617 starb er, um sein Gut seinem Bruder Wolf zu hinterlassen, 
der mit Christine von Bünau sich vermählt hatte (f 1621 in Leipa). 

Die schönen Zeiten der behaglichen Ruhe, wie sie unter den 
Sahihausen geherrscht hatte, verschwanden jetzt für Bensen, das 
fast jedes Jahrzehnt mehrmals seine Besitzer zu wechseln begann. 
Schon wirft der drohende böhmische Aufstand seine düsteren 
Schatten voraus und Gährung und bange Sorgen traten in Bensen 

l ) Landtafel 171, C. II. 
a ) Landtafel 172, M. 16. 
8 ) Ex.-Cl. II. 45. 



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91 



statt der früheren glücklichen Sorglosigkeit auf. Am 14. Mai 1613 
verkaufte Haubolt v. Starschedl und seine beiden Söhne Haubolt 
und Dietrich ihre Güter an Paust von Liebstadt auf Grossbocken 
und Scharfenstein. Zu ihrem Besitzthum gehörten: Gut Bensen mit 
der halben Stadt Bensen, und die Dörfer Dobra und Habendorf; 
das Gut Arnsdorf, das früher gleichfalls zu ihrem Anthetl gehört 
hatte, war bereits 1604 an Anton v. Sahihausen übergegangen r ). 
Die Paust v. Liebstadt waren ursprünglich nur im Besitze von Gross- 
bocken gewesen; durch Fleiss und tüchtige Arbeit ermöglichten sie 
es auch, im Jahre 1607 Scharfenstein von Haubolt v. Starschedl 
um 26.500 Sch. m. an sich zu bringen. Zu dieser Besitzung gehörte 
,Gutt Scharflfenstein mitt dem wüesten schloss Scharffenstein, Item 
Schäfferey vnd Fohrbrüge, der Tröschel genant, sampt allen zu- 
gehörigen sechs Dörfern, Mitt Nahmen Nieder-Ebersdorff, Voitz- 
dorff, Grosswehlen, Kleinwehlen, Höfflitz vnd Zauttigk sowohl auch 
das Elende also genennet bey der Stadt Bensen, item das Kirch- 
löhn zu Höfflitz gar, das Kirchlöhn in der Stadt Bensen viertten 
Theil vnd daselbsten in der Kirchen eine Newe erbauete hölzerne 
Porkirchen mit sampt dem Vierttentheil der Bensener Weingebirge 
vnd Zehenten zu Leuthomeritz' 2 ). Im Besitze von Bensen blieben 
sie jedoch nicht lange; sie mochten wohl die kommenden Ereig- 
nisse ahnen und verkauften, selbst mit Schaden, ihr eben erworbenes 
Gut an Sigmund Freiherrn von Wolkenstein 3 ). Zur selben Zeit (1618) 
verkaufte auch Wolf von Sahihausen sein Gut Markersdorf mit Ober- 
ebersdorf, Rillenberg, Guntersdorf, Olesnitz, Neu-Olesnitz, Parlose 
und einem Theil des Dorfes Freudenberg an Friedr. von Oppers- 
dorf um 7000 Sch. m. 4 ), der es aber nach der Schlacht am weissen 
Berge, Freitag nach Philipp und Jacob 1623 mit der Schäferei und 
dem Bräuhause um 52.000 Sch. an Otto Heinr. v. Wartenberg 
weitergab & ) , da er als ein Anhänger des Pfalzgrafen aus dem 
Lande flüchten musste. Nach Otto's unglücklichem Tode gelangte 
es gleichfalls an Sigmund von Wolkenstein (21. October 1626 6 ). 



») Landtafel 186, L. 18. 

3 ) Landtafel 183, L. 17. 

») Landtafel 298, F. 28. 

*) Landtafel 193, H. 5. 

6 ) Landtafel 194, M. 13. 

•) Landtafel 295, O. 7. 



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92 



Die Folgen der verhängnissvollen Schlacht vom Jahre 1621 zeigten 
sich auch in Bensen nur zu bald. Besonders das Jahr 1624 war es, 
in welchem die Bedrückung der Protestanten ihren Höhepunkt er- 
reichte. Am 23. Jänner 1624 kamen i7 2 Compagnien Reiter hieher, und 
blieben daselbst durch mehr als ein Jahr, um die Rekatholisirungs- 
Commission, Prämonstratenser aus dem Kloster Doxan bei Leit- 
meritz, in ihren Bestrebungen zu unterstützen, > damit das Volk 
sollte und müsste den wahren, allein seligmachenden katholischen 
Glauben annehmen* 1 ). Aber so gewaltig ihre Anstrengungen auch 
waren, den Protestantismus auszurotten gelang ihnen nicht und 1628 
musste eine neue Commission, abermals aus dem Kloster Doxan 
und unter Beihilfe von Soldaten nach Bensen kommen, um ihr 
Werk von neuem aufzunehmen. Mit welchen Mitteln man da vor- 
gehen mochte, erhellt schon aus dem Umstände, dass weltliche 
Commissäre selbst sich äusserten, solche Art von Umgestaltung 
könne unmöglich gute Folgen haben. Freilich gelang es so den- 
selben, die Bewohner von Bensen zu dem eidlichen Versprechen 
zu bringen, von nun an der katholischen Lehre treu bleiben zu 
wollen und einen katholischen Priester aufzunehmen. Diesen erhielten 
sie denn auch bald in Sebastian Calovius, vermuthlich einem Prämon- 
stratenser aus Doxan, dem zugleich auch die Seelsorge über Mar- 
kersdorf, Höflitz und Güntersdorf anvertraut wurde. Aber Calovius 
war am wenigsten der Mann dazu, die Bewohner von Bensen für 
die katholische Lehre und ihre Priester zu begeistern. Weltliche 
Vergnügungen sagten ihm bei weitem besser zu, als der Seelsorge- 
dienst, und sein Lebenswandel zeichnete sich keinesfalls durch sitt- 
liche Strenge aus. Sein Vorgesetzter, der Dechant von Reichstadt, 
Udalrich Teubner, der in der Geschichte der Rekatholisirung Nord- 
böhmens eine ganz bedeutsame Rolle spielt, sah sich denn auch 
gezwungen, schon am 28. November 1629 nachstehendes Schreiben 
an Joseph Macarius von Mersfeld nach Prag zu richten, das ein 
interessantes Licht auf das Leben jenes ersten katholischen Pfarrers 
von Bensen wirft. Er schreibt ihm 2 ) : 

Reverendissime D5? Officialis, domine confrater in Christo, 

observandissime, colendissime ! — Sempiternam felicitatem, preces 

et servitia mea paratissima! 

') Pescheck: Gegenreformat. II, 226. 
*) Arch. archiepiscop. Pragens. 



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93 



Hac hora domum redii, et ex pestifera nebula male affectus 
vix non ad lectum ex equo me conferre debui. In via autem ob- 
viavit mihi dominus Valentinus Sebastianus Kalovius, parochus 
Bensensis, de quo hactenus mira sparsa fuere, at meo iudicio non 
usque quaquam (sie) falsa. Coquam enim suam, quam sal. bon. 
praegnantem ab se hac aestate dimiserat, iam deposita sacrina 
iterum in parochiam reeepit maximo omnium scandalo et honoris 
sacerdotalis praeiudicio. Testes habemus, qui sciunt, illam misse, 
dum dimitteretur, praegnantem, suisque oculis viderunt. — Seimus 
pagum et domum, in qua enixa; seimus sacerdotem, qui bapti- 
savit et seimus dum in puerperio coqua jaceret, frequenter ad 
illum locum visitandi gratia habitu peregrino et oculari tanquam 
mercator telae (ita loquuntur incolae illius pagi) excurrisse. — 
Quapropter, dum ego decanus eum saepius monuerim, et iam 
Pragae sit in domo domini de Wolchenstein, poterit S. R. Dom: 
pro sua authoritate et officio facere quiequid placuerit. Negabit 
quidem et testes volet habere praesentes, ut pro hac vice efTugere 
habitura. Si insuper opus fuerit, demonstrabo omnia ad amussim 
sumptibus. — Valeat feliciter et me commendatum S. R. D. 
haberet. 

Raptim Reichstadii 28. Novembris ad noctem 1629. 
R. S. D. 

obsequ : confrater et servus 
Wenceslaus Vdalricus Teubrter 
SS. Theolog : Doctor Conc. Prag. 

R. D. 

losepho Macario a Mersfeld 

SS. Theol. Di. officiali archiepiscop. 

Welches Resultat dies Schreiben hatte, ist unbekannt. 

In dieser Zeit verliessen nicht wenige ihre alte Heimat, um in 
Sachsen ihrem Glauben ungestört treu bleiben zu können. Wir 
hören unter Anderem von dem im Jahre 1624 exilirten Pastor von 
Bensen M. Christian Megander, der in Pirna starb, wohin sich auch 
Paul Kannenberger von Höflitz aus begeben hatte 1 ), von Dorothea 
Krause, der Witwe des Rathsältesten von Bensen, die im Jahre 1649 
in Hohnstein starb 2 ), von Valentin Reisner, Amtsschreiber von Bensen, 

■) Pescheck: Exul : p. 37. 
9 ) Pescheck: a. a. O. p. 38. 



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94 



der als Exulant in Sebnitz lebte i ), und noch viele andere, deren 
Namen uns nicht mehr erhalten sind, folgten diesem Beispiele. 

Im Jahre 1631 ging die Herrschaft Bensen an den Grafen Simon 
Christof v. Thun über, der auch Markersdorf an sich brachte. Dieser 
war unablässig für die Macht seines Hauses bemüht, und trachtete 
ein Dominium nach dem anderen für seine Familie zu erwerben, 
was ihm damals freilich mit verhältnissmässig geringen Kosten ge- 
lingen konnte. Schon im Jahre 1623 wurde ihm die Herrschaft 
Klösterle und Neuschönburg, die von der böhmischen Kammer ein- 
gezogen worden war v um 71.040 Sch. 14 gr. überlassen, am 14. Dec. 
1626 kaufte er für 56.000 fl. das deutsche Haus in Eger, das er 
später dem böhmischen Priorate des Johanniterordens schenkte. In 
Nordböhmen gehörten ihm ausser Bensen und Markersdorf auch die 
Güter nach Rudolf von Bünau, von denen er am 2. August 1628 
Tetschen um 160.000 fl. 2 ), Blankenstein um 60.000 fl. 3 ) und am 
14. Aug. 162S Schönstein und Bünauburg um 73.000 fl. 4 ) erkaufte; 
hiezu erhielt Thun im Jahre 1628 von Ferdinand II. noch die in 
Sachsen gelegene Grafschaft Hohenstein, so dass sein Besitzthum 
bei seinem Tode die Herrschaften Tetschen, Eulau, Schönstein. 
Bünauburg, Klösterle, Fünfhunden, Choltitz, Bensen und Markers- 
dorf umfasste, gewiss ein reiches Erbgut für seinen Neffen Johann 
Sigismund v. Thun. Obwohl die Grafen von Thun Katholiken waren, 
so gelang es ihnen doch nicht sofort, die katholische Lehre in 
Bensen zur allgemeinen Geltung zu bringen. Einen Theil der Schuld 
trugen freilich auch die beständigen Kriegsunruhen, die auch Bensen 
nicht verschonten. Die Soldaten hausten hier geradezu in barbarischer 
Weise. Musste sich doch Wallenstein selbst in einem Schreiben an 
Goltz unterm 18. Juni 1633 in nachstehender Weise beklagen 5 ): 
,Wir kommen in Erfahrung, was gestaltt auf den Gütern Kamnitz 
und Benszen allerhandt vn verantwortliche exorbitantien verübet, das 
getraidt im wachs abgehawen vnd abgehüttet, das rindt vnd schatt- 
vieh weggetrieben, die wildtbann ruiniret, die mühlen spoliret, die 
Häuser niedergerissen vnd verwüstet, die Schützen in Wäldern auf- 

*) Pescheck: a. a. O. p. 40. 

*) Landtafel 298, N. 26. 

•) Landtafel 298, N. 29. 

*) Landtafel 298, O. 2. 

B ) Hallwich: Wallensteins Ende: I, 403. 



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95 



gefangen, die vnterthanen zu feldt vnd aufn Strassen geplündert vnd 
obgleich von den beamten daselbst unterschiedliche klagen gefuret, 
dennoch keine remedirung vorgenommen werde.' Aber auch das 
strenge Vorgehen Wallenstein 's half nur für kurze Zeit. Denn schon 
das Jahr darauf weiss der Chronist von Bensen von einem neuen 
Einfalle schwedischer Reiter am 25. Mai zu erzählen, die hier so 
arg wirthschafteten, dass zahlreiche Bürger entliefen. Die darauf- 
folgenden Jahre waren nicht minder furchtbar für die Stadt. So er- 
zählt die Bensner Sterbematrik : ,Den Grossbockner Mälzer Simon 
Pitsch steckten sie am 3. März 1640 in einen heissgemachten Back- 
ofen, haben ihn unerhörtest gepeiniget und geängstiget. Nach aus- 
gestandenen Martern hat er sein Leben den 3. März 1640 zu Bensen 
erbärmlich geendet ').' 

In dieser Zeit lebte der Protestantismus wieder auf und auch 
Bensen hatte wieder seinen eigenen Pastor, Namens Menzelius. An 
anderen Orten hatte der Katholicismus überhaupt noch gar keine 
Anhänger gefunden. So erhielt z. B. Arnsdorf erst im Jahre 1647 
einen katholischen Pfarrer; alle früheren hatten nach kurzem Auf- 
enthalte den Ort der zahlreichen Protestanten wegen verlassen. So 
starb am 8. Juni 1647 in Bensen Johann Ernst Sotter, der einige 
Zeit lang in Arnsdorf Pfarrer gewesen war. — 

«) Ex. Cl. Ii, 47. 



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IX. 

Die Silleiner Synode. 

Von E. A. DOLESCHALL, evang. Pfarrer in Budapest. 

Unter den zahlreichen Synoden, die im Laufe des 16. und 
17. Jahrhunderts, ja überhaupt, von Seiten der e¥ang. Kirche in Ungarn 
abgehalten worden sind, verdient keine einzige höhere Beachtung 
als die Synode von Sillein. — An anderthalb Jahrhunderte waren 
die Beschlüsse derselben der feste Kern, um den sich das kirchliche 
Leben der Evangelischen A. B. krystallisirte ; sie waren die Regulative, 
die späteren Synoden zur Richtschnur diente, und mag seit dem 
Jahre 1610 auch Alles anders und neu geworden sein, so haben sich 
doch einzelne der damals getroffenen Bestimmungen bis in die 
neueste Zeit erhalten und als eine feste Säule bewährt, die aus 
längstverklungener Vergangenheit in die Gegenwart herüberragt, den 
Beweis liefernd, dass sie nicht auf Sand erbaut worden war. 

Möge es mir gestattet sein, diese denkwürdige Kirchenver- 
sammlung in diesen Jahrbüchern zu besprechen. Ich weiss es wohl, 
dass dies ein Thema ist, welches den meisten unserer Leser ziemlich 
ferne liegt ; allein wenn ich bedenke, dass die Evangelischen welche 
die Länder dies- und jenseits der Leitha bewohnen, wenn auch 
politisch getrennt, doch immerhin ein Volk von Brüdern bilden, wie 
sie es auch in jener Glanzperiode waren in der die Silleiner Synode 
tagte : so darf ich mich der Hoffnung hingeben, dass auch die 
Brüder in Oesterreich Interesse finden werden an einem Gegenstand, 
der auch dann allseitige Berücksichtigung verdienen würde, wenn 
er auch keinen anderen Werth besässe, als den, einer für Ungarn 
höchst kostbaren Reliquie. 

Die im Jahre 1610 abgehaltene Synode ist eine Frucht des 
Wiener Religionsfriedens, oder noch besser gesagt, des auf Grund 



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97 



dieses Friedens gebrachten Landesgesetzes vom Jahre 1608. — Der 
2. Paragraph des I. Artikels dieses Gesetzes spricht die Bestimmung 
aus: ,Um allen Gehässigkeiten und Misshelligkeiten zwischen den 
Reichsständen vorzubeugen, wird beschlossen, dass jede Religion 
ihrem eigenen Glauben angehörige Vorgesetzte oder Superintendenten 
habe* J ). Ein grosses Princip ist hier mit wenigen Worten ausgedrückt, 
die vollständige Emancipation der evang. Kirche von Rom ist hier 
zum ersten Mal gesetzlich anerkannt; mit der Provision, dass jede 
Religionsgenossenschaft ihre eigenen Oberen, ihre Superintendenten 
haben soll, wird auch der letzte Rest jener Suprematie beseitigt, 
welche sich die Hierarchie über die , Abtrünnigen* noch immer 
anmasste, ja hier und da auch thatsächlicb ausübte. — Mit diesem 
Gesetz wird aber zugleich den Evangelischen die Pflicht auferlegt, 
das eigene Haus zu ordnen, sich als besondere, selbstständige Körper- 
schaft zu constituiren und an die Stelle des bisherigen dissoluten 
Wesens einen strammeren, einheitlichen Organismus treten zu lassen. 

Liess ja doch dieser Organismus sehr Vieles zu wünschen 
übrig. — Seit den Anfängen der Reformation in Ungarn waren 
bereits mehr als 80 Jahre verflossen ; die gereinigte christliche Lehre 
hatte ihren Siegeslauf durch das Land nahezu vollendet ; der Gegner 
schien in den letzten Zügen zu liegen ; die Anbetung Gottes im Geiste 
und in der Wahrheit hatte die Messe beinahe gänzlich verstummen 
gemacht; blühende Schulen und Buchdruckereien wirkten an der 
Ausbreitung des Evangeliums, und die Gemeinden ohne Zahl traten in 
Contubernien und Fraternitäten zusammen ; reich an Macht, Intelligenz 
und Seelen stand die evang. Kirche, auch dem Feinde Achtung ab- 
nöthigend, da — und doch fehlte es ihr an der rechten Kraft ; denn 
sie bildete kein selbst- und zielbewusstes Ganzes. — Zur Freiheit, 
ja zur Herrschaft berufen, zogen die Evangelischen noch immer an 
dem alten knechtischen Joche. Noch immer Hessen sie es geduldig 
geschehen, dass die Bischöfe oder Archidiakonen die einst ihrer 
Botmässigkeit unterstehenden, mittlerweile aber evangelisch ge- 
wordenen Gemeinden visitirten; noch immer entrichteten sie an 
dieselben verschiedene Giebigkeiten ; noch immer Hessen sie sich in 
Eheangelegenheiten von den h. Stühlen bevormunden, und zu der 
Einsicht, dass die anzustellenden Seelsorger auch im Inlande die 

l ) Ad pi aecavenda inter Status et ordines aliqua odia et dissensiones ut quaelibet 
religio suae professionis superiores seu Superintendentes habeat, Statut um est. 
Jahrbuch des Protestantismus 1883. H. U. 7 



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•«8 



erforderliche Weihe erhalten könnten, dass es nicht unumgänglich 
nöthig sei, sie behufs Ordinirung nach Wittenberg oder Brieg zu 
exmittiren, waren sie noch nicht gelangt. — Es mangelte, wie schon 
hieraus ersichtlich, den Evangelischen Ungarns an dem rechten 
kirchlichen Bewusstsein, an dem gewissen edlen Corpsgeist, denn 
es hatte an einer Individualität gefehlt, der die Kraft und Autorität 
eigen gewesen wäre, diesen Geist zu wecken und die Form zu 
finden, in welcher derselbe zum Ausdrucke gelangen würde. 

Diese Individualität erstand der evang. Kirche in dem Grafen 
Georg Thurzö von Bethlehemfalva 1 ). 

Im Besitze eines fürstlichen Vermögens, sowohl in den Künsten 
des Krieges als der Politik ausnehmend bewandert, bei Hofe, dem 
er in den Tagen des »Bruderzwistes im Hause Habsburg" die er- 
spri esslichsten Dienste geleistet, sehr gut angeschrieben, von seinem 
König und vom Reiche mit den glänzendsten Ehren und Würden 
ausgezeichnet, von Freund und Feind hochgeachtet, mit der Liebe 
zum Vaterlande die glühendste Begeisterung für den Herrn und seine 
Sache verbindend 2 ) : gehörte er zu jenen providentiellen Persönlich- 
keiten, die da berufen sind, nicht blos auf ihre Zeitgenossen massgebend 
einzuwirken. 

Wie Thurzö seinen Einfluss, den er nach allen Seiten geltend 
zu machen wusste, auch für die österreichischen Protestanten in die 
Waagschale legte, kann hier des Näheren nicht erörtert werden 3 ); 
auch würde es uns zu weit führen, wenn wir uns über die Verdienste 
auslassen wollten, die er sich um das Evangelium, namentlich in 
Nordungarn erwarb 4 ), erwähnen wollen wir nur, dass er der Erste 
gewesen, dessen Scharfblick es, wahrscheinlich in der öfteren Be- 
rührung mit dem wunderbar disciplinirten Katholicismus, erkannte, 
was seinen Glaubensgenossen vor Allem noth that, und dass er nach 

*) Eine geschichtliche Würdigung dieses wahrhaft grossen Mannes vermissen wir 
noch immer. Und doch wäre es hohe Zeit, dem tendenziösen, dreibändigen Werke 
Frankl's Päzmäny Peter es kora (P. Pazmany und seine Zeit), protestantischerseits einen 
Thurz6 und seine Zeit entgegenzustellen. 

*) Seine confessionelle Gesinnung kennzeichnet zur Genüge auch sein Testament. 
S. Fabö, Codex Evangelicorum in Hungaria diplomaticus p. 106. 

•) S. darüber Waldau, Geschichte der Protestanten in Oesterreich, 11. Th. 
XXIII. Kap., S. 175. — Horvath, Magyar törten. III. 465. 

*) Oratio exequialis D. Georgio Thurzoni dicta ab Isaaco Abrahamides. Leut- 
schoviae 1617, p. 28—29. 



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99 



Schluss des Reichstages vom Jahre 1608 nichts Eiligeres hatte, als 
an die Regelung und Consolidirung des evang. Kirchenwesens Hand 

* 

anzulegen. 

Mittelst eines am 20. Juni 1609 erlassenen, ein förmliches 
Programm enthaltenden Sendschreibens, ladet er die Geistlichen, 
sowie den Adel von sechs Comitaten des nordwestlichen Ungarns 
zu einer am 15. Juli in Sillein stattzufindenden Versammlung — 
congregatio — ein. — Von diesem Schritte Thurzö's wissen unsere 
Kirchenhistoriker mit Ausnahme Klanicas, der die Sache auch nur 
mit einer einzigen Zeile streift *), nichts zu berichten, und doch hätte 
sie darauf schon Päzmäny aufmerksam machen können, der in einem 
von ihm pseudonym verfassten, 1611 im Druck erschienenen Pamphlet 
höhnend ausruft, die Silleiner Synode hätte schon am 15. Juli 1609 ab- 
gehalten werden sollen, indessen wäre sie wegen Theilnahmlosigkeit — 
convenere pauculi — nicht zu Stande gekommen 2 ). Die erste Be- 
stätigung dieser, wie erwähnt von den Geschichtsschreibern ignorirten 
Behauptung fand ich im Archive des Sohler Seniorats, das ein 
Protokoll besitzt, welches bis in das Jahr 1588 reicht und in dem 
auch folgende Aufzeichnung vorkommt: 

Congregatio generalis Neosolii habita ultima Junii Ao Epochae 
Chrianae 1609. 

„A 20. Junii literae datae sunt ab Illustri et Magnifico Comite 
Dno Georgio Thurzone, quibus Venerabile Consistorium clementer 
et vere paterne compellat et submonet, ut e medio sui duas vel tres 
personas Ecclesiasticas expediant Zolnam ad futuram congregationem 
15. Julii ibidem habendam de eligendis (vigore I. Articuli Viennensis 
et Posoniensis) idoneis Superintendentibus duobus vel tribus, quibus 
summa et inspectio rerum Ecclesiasticarum commendaretur in Comi- 
tatibus Threncsinensi, Liptoviensi, Turocensi, Zoliensi, Arvensi et in 
districtu Baimoziensi. — Legatio commendata est tribus Dnis fratribus, 
Clar. Dno. Seniori Joh. Jakobaei, Dno Samueli Melikio ac Dno Eliae 
Tornary." 

So weit das Sohler Senioralprotokoll, und was dieses unanfechtbare 
Document nur flüchtig andeutet, das führt des Weiteren ein Acten- • 
stück aus, auf welches ich in dem mittlerweile zur Regestrirung 
übernommenen Archiv der Bergsuperintendenz gestossen bin und das 

*) Klanica, Fata ecclesiarum, ed. Fabö, pag. 250. 
') Jemicius, Penniculus papporum Posonii 1611. p. 8. 

7* 



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100 



nichts Geringeres enthält, als eine Abschrift jenes Einladungsbriefes, 
dessen das bezogene Protokoll Erwähnung thut. Und wenn diese 
Copie auch irrthümlich die Ueberschrift fuhrt: »Literae Ulustr. Pala- 
tini Georgii Thurzö*, da ja Thurzö im Juni 1609 noch nicht Palatin 
war, so leuchtet doch sowohl aus dem Datum — 20. Juni — als 
aus dem Inhalte des Schriftstückes hervor, dass hier dasselbe 
Circulare vorliegt, welches auch an die Sohler gerichtet worden ist 
und auf welches auch das oberwähnte Pamphlet reflectirt. Der Graf 
ladet in dieser Zuschrift die Comitate Trentschin, Thurocz, Liptau, 
Sohl, Arva und den Baimotzer District (im Neutraer Comitat) ein, 
Deputirte für den 15. Juli zu dem Behufe nach Sillein zu delegiren, 
um daselbst die Wahl von Superintendenten vornehmen zu können, 
zu deren Agenden es gehören würde, Gemeinden zu visitiren, 
Senioren zu bestellen, Geistliche zu ordiniren und in Ehestreitigkeiten 
vorzugehen. 

Ob diese Versammlung stattfand oder nicht, und weshalb sie 
im Falle der Abhaltung resultatlos auseinanderging, ob in Folge des 
von Pazmäny angedeuteten Umstandes, oder etwa deshalb, weil der 
staatskluge Thurzö, der auf die, mit dem im Mai 1609 erfolgten 
Ableben des Protestanten Illeshäzy zur Erledigung gelangte Palatinal- 
würde rechnete, es nicht für angezeigt fand, sich vor erfolgter Wahl 
für eine Partei zu exponiren, das zu entscheiden sind wir in Er- 
mangelung jeglicher Belege, nicht in der Lage. — Immerhin mag 
dieser erste Versuch Veranlassung zu einem regen Ideenaustausch 
gegeben haben, und die Synode, die acht Monate später zusammentrat, 
scheint ein halb und halb fertiges Material vorgefunden zu haben, da 
es sich sonst kaum erklären Hesse, wie sie ihre Aufgabe innerhalb 
zweier Tage hätte lösen können '). 

Zu dieser Synode erliess nun der, unterdessen trotz aller 
gegnerischen Umtriebe zum Palatin — Vicekönig — von Ungarn 
erwählte Thurzö am 13. März 1610 die erforderlichen Einladungen, 
in denen er erklärt, dem auf die Einsetzung von Superintendenten 
bezüglichen Gesetzartikel kraft seines Palatinalamtes Geltung ver- 
schaffen zu wollen 2 ). Die bei dieser Gelegenheit an zehn Comitate — 
Liptau, Arva, Trentschin, Thurocz, Neograd, Sohl, Hont, Barsch, 
Neutra, Pressburg — und an einige königliche Freistädte gerichtete 

l ) Doch sollen auch in Thurocz Vorbcrathungen gepflogen worden sein. Klanica, La 
8 ) Kibini, Memorabilia I. 371. 



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101 



Aufforderung hatte den gewünschten Erfolg. — Die mit Vollmachten 
versehenen Abgeordneten fanden sich am 28. März in Sillein, einem 
Marktflecken des Trentschiner Comitats, ein und die Versammlung, 
die hier tagte, war eine so illustre, wie sie in der evang. Kirche 
dieses Landes kaum gesehen worden ist. Die Blüthe des evang. 
Adels und der evang. Intelligenz des nordwestlichen Ungarns war 
hier erschienen. — Neben dem Reichspalatin, der daselbst eine 
Rolle spielte nicht unähnlich derjenigen, die dem ersten christlichen 
Kaiser in Nicäa zugefallen war, begegnen wir da dem klangvollen 
Namen eines ReVay, Ostrosith, Jakusith, Oeskay, Majth&iy u. a., 
und nahmen 20 theilweise hochgestellte Magnaten und Reichsbarone, 
3 städtische Abgeordnete und 28 Senioren und Geistliche an den 
Verhandlungen theil. 

Nur zwei Tage — 29. und 30. März — dauerten die Be- 
rathungen, deren Ergebniss jene Beschlüsse sind, die den Namen 
der Silleiner Kanones führen. 

Vor allem wurden die genannten 10 Comitate in drei Diöcesen 
eingetheilt, und an die Spitze derselben drei Superintendenten und 
ebensoviele von ihnen abhängige 2 ) Inspectoren geistlichen Standes, 
und zwar zwei für die deutschen, einer für die ungarischen Ge- 
meinden gestellt. — Die Bestellung so vieler Oberhirten war durch 
die grosse Anzahl der Evangelischen jener Gegend dringend geboten 
Nicht weniger als 419 Gemeinden finden wir in Sillein vertreten. 
Hievon entfielen auf Trentschin 58 (jetzt 14), Pressburg 68 (jetzt 18), 
Neutra 75 (jetzt 25), Thurocz 19 (jetzt 12), Liptau 24 (jetzt 16), 
Ärva 15 (jetzt 6), Sohl 28 (jetzt 22), Hont 52 (jetzt 32), Barsch 42 
(jetzt 5), Neograd 48 (jetzt 46) 3 ).« Wie herrlich hatte sich das un- 
scheinbare Senfkorn in diesen Landen entfaltet, und wie reichlich 
war über den versammelten Vätern, die Gott in verschiedenen 
Zungen verehrten und verkündeten, der Geist ausgegossen, qui per 
diversitatem linguarum omnes gentes in unitatem fidei congregat! 

') Sillein, Zsolna, damals durchwegs evangelisch und im Besitze einer blühenden 
Schule und Buchdruckerei, zählt nach dem neuesten Schematismus der evang. Kirche 
Ungarns gegenwärtig nur 16 evangelische Seelen. 

•) Diese Abhängigkeit ist übrigens recht locker gewesen und bewegten sich 
namentlich die deutschen Stadtgemeinden, gestützt auf die ihren geistlichen Inspectoren 
zugestandene Sonderstellung, bis in die spätesten Zeiten ziemlich souverain. 

•) Präliminarien zu einer kritischen Untersuchung der Rechte der protestantischen 
Kirche^in Ungarn 1790. 



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102 



Nach der vollzogenen Wahl der Superintendenten wurde der 
Wirkungskreis derselben in 16 Artikeln präcisirt. Dies Amt wird 
so recht als Bischofsamt aufgefasst, in des Wortes evangelischem, 
altkirchlichem Sinne. Als rechter Oberhirte, geistlicher Vorsteher 
und Leiter seiner Diöcese, wird der Superintendent hingestellt 1 ), 
denn während an ihn die Anforderung ergeht, den Gemeinden und 
Geistlichen mit Wort und That vorzuleuchten (I. Kam), sich bei 
seinem Vorgehen nie durch Laune und Willkür leiten zu lassen (XII) 
und sich zu gewissenhafter Einhaltung der unveränderten Augustana 
und der Formula Concordiae eidlich zu verpflichten 2 ) : wird ihm das 
Oberaufsichtsrecht in ausgedehntester Weise eingeräumt. Er visitirt 
alljährlich die Gemeinden oder lässt dies im Verhinderungsfalle durch 
die Senioren thun (II) ; er wacht darüber, dass die Geistlichen in 
ihrer Amtsführung treu erfunden werden und dass anderseits auch 
die Gemeinden ihren Pflichten pünktlich nachkommen (III) ; er trägt 
Sorge, dass das Gemeindevermögen nicht veruntreut werde (IV); 
er schützt Geistliche und Lehrer vor jeder Unbill und nimmt hiebei 
im Nothfalle auch die weltliche Behörde in Anspruch, die ihm ihre 
Assistenz nicht verweigern darf (V und XIV); ohne sein Wissen 
soll im Liturgischen keine Abänderung vorgenommen werden (VI); 
die Prüfung und Ordinirung der Candidaten steht ihm zu (VII); 
die Saumseligen hält er zur Pflichterfüllung an und entsetzt diejenigen 
ihres Ehrenamtes, die den Gehorsam verweigern (XII); kanonische 
Vergehen untersucht und ahndet er, mit Beiziehung erfahrener Männer 
geistlichen und weltlichen Standes und ist von ihm keine weitere 
Appellata gestattet (X und XI). Unter Einem wurde ausgesprochen, 
und dies kennzeichnet auch zur Genüge den Geist dieser Synode, 
dass im Falle des Ablebens des einen der Superintendenten, die 

») Die 1622 abgehaltene Synode von Schirnau — Consistorium Seinptaviense — 
stattet ihn, in Würdigung der Zeitverhältnisse, mit einer grösseren Machtvollkommenheit 
aus, und gleich der erste Kanon lautet: „Dem rechtmässig gewählten und ordinirten 
Superintendenten sind alle Geistlichen seiner Diöcese, wie immer sie auch heissen 
mögen, also sowohl die Senioren, als die übrigen Brüder unterworfen, und sind die- 
selben verpflichtet ihn zu ehren und ihm zu gehorchen als einer von Gott eingesetzten 
kirchlichen Obrigkeit." Hist. diplom. p. 35. 

*) Dies verfügt auch die 1614 abgehaltene Synode von Kirchdrauf, sowie die 
von Schintau, ja sogar die von Rosenberg (1707), also nicht blos die Convente von 
Eperies und Leutschau, wie dies Müller behauptet: Die symbol. Bücher der luther. 
Kirche. 2. Aufl. CXVII. 



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108 



zwei überlebenden eine Versammlung der verwaisten Diöcese ein- 
berufen und daselbst die erledigte Stelle besetzen sollten, eine Vor- 
kehrung dies, an der Jahrzehende lang festgehalten worden ist. 

Dies ist in Kürze der Inhalt der Silleiner Kanones, welche 
schliesslich mit einer Superintendential-Eidesformel versehen (die 
durch nichts motivirte Abweichung von dieser Formel hat in den 
sechziger Jahren viel Staub aufgewirbelt) und mit Siegel und Unter- 
schrift der Anwesenden bestätigt, zur Rechtskraft erhoben wurden. 

Ein Exemplar so einer Urkunde befindet sich im Archive der 
Bergsuperintendenz. Wenn alle Anzeichen nicht trügen, dürften wir es 
hier mit einer äusserst werthvollen Rarität, wenn nicht mit einem 
Unicum, zu thun haben. — Ursprünglich werden wohl mehrere 
gleichlautende Exemplare ausgestellt worden sein, doch sind im 
Laufe der Zeit die meisten in Verlust gerathen. — Wohl soll sich, 
nach der Angabe des verewigten Superintendenten Dr. Szeberinyi, 
das Autographon der Silleiner Synodalacten im Archive derKremnitzer 
Gemeinde befinden doch dürfte es der ehrwürdige Verfasser der 
Synodologie kaum zu Gesichte bekommen haben, sonst hätte er 
die Kanones auf Grund des angeblichen Originals und nicht nach 
den im Jahre 1708 in Sillein bei Kauder gedruckten „Acta et con- 
cjusiones conventus seu synodi Solnensis" herausgegeben, und die 
Erkundigungen, die ich diesbezüglich in Kremnitz eingeholt, haben 
die obige Behauptung leider nicht bestätigt 2 ). Abschriften, nicht 
selten von ziemlich alter Provenienz, kommen in Hülle und Fülle 
vor, allein Urkunden, die das Gepräge der Echtheit an sich tragen 
würden, suchen wir vergebens. — An der Echtheit des Pester 



') J. Szeberinyi, Corpus maxime memorabilium Synodorum. Pesthini, 1848. p. 6. 

*) Nach einem von meinem Vater Mich. Dion. Doleschall stammenden, im 
Generalarchiv der evang. Kirche Ungarns aufbewahrten, handschriftlichen Nachlass, der 
in Fortsetzung seiner im Jahre 1828 erschienenen „Wichtigsten Schicksale der evang. 
Kirche A. B. in Ungarn" die Geschichte der evang. Kirche bis zum Jahre 1681 be- 
bandelt, soll sich das Original der Synodalacten im Besitze der, seither freilich aus- 
gestorbenen v. Tihanyischen Familie belinden. — Der oft akribielose Verfasser der 
bekannten, von Merle d'Aubigne" bevorworteten Geschichte der evang. Kirche in 
Ungarn, der das erwähnte Manuscript, natürlich ohne Angabe der Quelle, mehrfach 
und oft wörtlich benützte, hat eine Note desselben falsch gelesen und schreibt auf 
der 157. Seite seines Werkes, die in Sillein 1708 im Druck erschienenen „Acta u be- 
fanden sich im Archive des Tihanyischen Hauses. Als ob dieser Kauder zu den In- 
cunabeln gehörete, die mit Gold aufgewogen werden! 



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Documents ist nicht zu zweifeln; das eigentliche Original, das 
wahrscheinlich in Thurzö's Händen geblieben sein mochte, ist es 
wohl kaum, doch gehört es unstreitig zu jenen Exemplaren, die 
wegen Kürze der Zeit an Ort und Stelle blos mit Siegeln und 
Unterschriften versehen und erst nachträglich mit dem Text aus- 
gefüllt worden sind. — Das Papier, kl. Folio, das kein Wasser- 
zeichen aufweist, stammt aus jener Zeit; die Siegel und Unter- 
schriften sind authentisch und gut erhalten ; der Text mag, wie dies 
aus einzelnen Unzukömmlichkeiten ersichtlich, dem Schreiber dictirt 
worden sein. Sachliche Abweichungen kommen in den im Druck 
erschienenen Kanones nicht vor, indessen gibt die Hist. Diplom, 
p. 24—27 den Wortlaut am correctesten und stimmt dieser, einzelne 
bei Eigennamen vorkommende Druckfehler abgerechnet, mit unserer 
Handschrift überein. — So bringt die Hist. Dipl. wie unsere Urkunde, 
in der Einleitung der Synodalacten, den Namen Okolicsnay statt 
Okolicsänyi, und so soll es auch heissen, denn auch die eigenhändige 
Unterschrift lautet also; so ist Can. 1 zu lesen omnimodo in id 
incumbant statt omnimodo incumbant, Can. 4 vestimentis statt 
vestibus, Can. 7 vitae ac morum integritate statt vitae integritate, 
ebendaselbst doctrinae christianae puritatem statt doctrinae 
puritatem, Can. 10 aliorum enormium scelerum statt aliorum 
scelerum u. dgl. 

Dass die Silleiner Synode zu einem Zeichen ward dem wider- 
sprochen worden ist, und dass es in Folge des leidenschaftlichen 
Protestes, den der Primas Forgäch gegen die Beschlüsse derselben 
erhob, zu einer heftigen Polemik kam, deren Wortführer römischer- 
seits der äusserst gewandte Jesuit Päzmäny war, das kann hier nur 
nebenbei bemerkt werden. — Der scharfe Federkrieg, der damals 
zwischen evangelischen und katholischen Theologen geführt worden 
ist, würde es verdienen eingehend besprochen zu werden, doch würde 
dies den mir gezogenen Rahmen weit überschreiten. Lenken wollte 
ich blos die Aufmerksamkeit auf ein bemerkenswerthes Factum, 
den Wellenschlag, den dasselbe hervorgerufen zu schildern, kommt 
mir, an dieser Stelle wenigstens, nicht zu. 



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Zu Jahrb. 1883, S. 82. 



Hans 
m. 

Anna v. Bünau 



W 



Hans 



Heim Abraham, Georg Rudolf, Friedrich, Joachim, Christof 



Hans Abraham 


Wolf 


t 


f 1617, 1. IV. 


f 1642, 22. V. 




m. 


m. 


v. ! 


Anna Berka v. D. u. L. 


1. Christina v. Bünau, f 1621 




f 1617, 14. VII. 


2. Polixena Caplif v. Sulewitz 


[ 


1. Maria Sibylla 


2. Wolf Christof 


i 


m. 






Aug. v. Kotteritz 




Je 


auf 






Jahnshausen. 







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* 



1 



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X 



Gallus Freiherr von Rägknitz, 

LS Haupt der österreichischen Exulanten in Nürnberg. 

Von Lic. Dr. GUSTAV TRAUTEN BERGER. 

Der edle Mann, dessen Leben wir in Nachstehendem zu zeichnen 
suchen, ist einem altehrwürdigen Geschlechte entsprossen. Seine 
'amilie führte sich zurück auf den gewandten Rath des Kaisers 
lax I #J Christof Freiherr zu Rägknitz auf Perneck und St. Ulrich, 
hatte seit jenen Tagen dem Staate manch treuen Diener in 
lervorragenden Stellungen gegeben. So finden wir z. B. einen Moritz 
•Veiherrn v. Rägknitz als Rath des Kaisers Ferdinand I. u. s. w. 
Durch Verehelichung kamen die Rägknitz in Verbindung mit 
fden glänzenden Geschlechtern Saurau , Wildenstein, Gutenstein, 
:herffenberg, Schratt, Kindberg, Weissbriach u. A. 

Unser Gallus Freiherr von Rägknitz war ein Sohn des Franz 
r reiherm zu Rägknitz auf Perneck, St. Ulrich und Ober-Marburg 
(römisch-kaiserl. Majest. Ferdinand s II. in den innerösterreichischen 
Landen Regimentsraths) und seiner Gemahlin Barbara, geb. Freiin von 
Saurau. Gallus Freiherr von Rägknitz ist am 12. Mai 1590 auf dem 
Gut seiner Eltern St. Ulrich in Steiermark geboren, wurde (wie er 
sich 1634 in seiner eigenhändig geschriebenen Biographie ausdrückt) 
, alsbald durch die heilige TaufT zur christlichen gläubigen Gemein- 
schaft durch eines Evangelischen Predigers Verrichtung" gebracht, 
in seinem 12. Lebensjahre nach Meissen und Leipzig , verschickt * , 
wo er drei Jahre lang den Studien oblag, und ,in meinem Christ- 
lichen Glauben durch meinen Hofmeister Abraham Plato, aus der 
Stadt Dantzig gebürtig, nebens meinem Vettern, Herrn Moritz Frey- 
herrn von Rägknitz (nunmehr auch seligen), wol informirt*. Dann 
kehrte er nach Hause zurück und begann im 16. Lebensjahre mit 

Jahrbuch des t'rutestantismus 1883. H. Hl. g 



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seinem Vetter die bei jungen Adeligen üblichen Reisen. Zunächst 
ging es nach Italien, wo die Jünglinge »in die drey Jahr* blieben, 
dann nach Frankreich, der Schweiz, England und Niederland. Eine 
Tour durch „das h. Römische Reich' machte den Schluss: 1610 kam 
Gall von Rägknitz wieder bei seinen Eltern an. 

Es war eine schwere Zeit. Die Ferdinandische Reaction hatte in 
Steiermark mit Hilfe der Soldaten ihr Vernichtungswerk unter den 
Bauern und Bürgern beendigt ; den Adel wagte sie damals noch nicht 
seiner Heimat zu berauben. In dieser Zeit (man könnte sie , Galgen- 
frist 4 nennen) vermählte sich Gall von Rägknitz. es war am 19. No- 
vember 1614, mit .Frevle* Anna Katharina, Tochter des Freiherm 
Hans Adam Schratt zu Kimberg, Donnersbach und Feselau, Ver- 
ordneten der Landschaft Steycr, und seiner Gemahlin Sidonia »Frauen 
Schrättin*. gebornen Herrin von ScherfTenberg. Der hochzeitliche 
Ehrentag wurde im Landhaus zu Graz gefeiert, ,und haben wir beyde 
(schreibt Gall v. Rägknitz) in wehrender unser Ehe viel Liebes, 
Gutes und Leides erduldet*. 

Dem jungen Ehepaar wurden in Oesterreich noch acht Kinder 
geboren: 1. Franz Adam, gestorben im 5. Lebensjahre; 2. Georg 
Erasmus, gest. im I. Jahre; 3. Constantin, gest. im 2. Jahre; 
4. Johannes Ernst, gest. im 2. Jahre; 5. Christof, gestorben gleich 
nach der Geburt; 6. Gallus (f 1684); 7. Septimus (f 1706'); 
8. Barbara. Die drei zuletzt Genannten wanderten später mit in die 
Verbannung. 

Bald machte sich Gallus von Rägknitz auch im öffentlichen Leben 
bemerkbar. Er war drei Jahre lang Beisitzer bei den Land- und Hof- 
rechten, begleitete 1619 Ferdinand II. nach Frankfurt am Main, wo 
er ,bey der kaiserl. Wahl aufTgewartet und von Ihro Majest. mit 
dem Cammerschlüssel allda begnadet worden', wurde 1623 von der 
Landschaft in Steiermark nach Wien zum Kaiser „Commissionsweiss* 
gesandt, musste aber schliesslich trotz aller Reichs- und Kaisertreue, 
lediglich um seines evangelischen Glaubensbekenntnisses willen, 
emigriren. Er selber schreibt darüber: »Als aber anno 1629 auff 
Ausgegangenes kaiserl. Religions-Reformation Mandat ich wegen 
meiner Evangelischen Augspurgischen Glaubens Bekäntnis länger in 

') Diese zwei Söhne studirten später (seit 1638) auf der Universität Altdorf mit 
drei Brüdern Jörger, einem v. Egkh u. A. Vgl. die Leichenpredigt von A. Will und 
dessen Nürnb. Gel.-Lex. III, 260 ff. 



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meinem Vaterland nicht bleiben konnte l ), hab ich mich mit meiner 
lieben Gemahlin und drev unerzogenen kleinen Kindern in Gottes 
Namen mit Freuden in das Exilium begeben, dann ichjesum 
meine Lieb nicht verläugnen wollen, und Anfangs nach 
Regenspurg mich begeben, allda mir Gott widerumben einen 9. Sohn 
(aber gleichsam Schenckung der Mutter, doch Wiedernehmung dess 
Sohns) gegeben ; von dannen hab ich mich sambt meiner lieben 
Gemahlin und Kindern in diese löbl. Reichs- Stadt Nürmberg be- 
geben, allda zwo Töchter, Namens 10. Sidonia und Ii. Sophia, 
nebens einen Sohn 12. Gustav um 2 ) durch Gottes Segen bekommen, 
die mir dann sämbtlichen o Gott! nach deinem göttlichen Willen 
leben". 

In Nürnberg traf Rägknitz die Blüthe des österreichischen Adels, 
die, um des lutherischen Glaubens willen emigrirt, hier eine neue 
Heimstätte gefunden hatte. Zum Trost und zur Aufmunterung der 
Auswanderer erschienen damals verschiedene Schriften, z. B. D. Jac. 
Heilbrunner s Lehr- und Trost-Schrift für die der Religion halber 
bedrängte und des reinen Predigtamtes beraubte Christen, wie sie 
sich in allerhand Zuständen verhalten, auch allen Anfechtungen 
begegnen sollen. (1618 gedruckt, 1628 in zweiter, 1629 in dritter Auf- 
lage erschienen mit dem Titel , Fulerum Religiosorum«, unter Bei- 
schluss eines Trostbriefes Luther s an die Christen zu Oschatz, an 
dem sich die Exulanten erbauen sollten.) Ein Gang durch den Johannis- 
kirchhof, die gleichnamige Kirche und die Bartholomäuskirche zeigt 
uns noch heute Denkmale und Wappenschilde der dort bestatteten 

') Man bemerke, dass keine Sylbe der Klage oder Anklage über die Lippen 
des kaisertreuen, um sein Vaterland verdienten und dennoch vertriebenen Exulanten 
kommt. — Auf wiederholte Bittgesuche war am I. August 1628 das berüchtigte Mandat 
erschienen, welches den ganzen evangelischen Adel Innerösterreichs zwang, entweder 
katholisch zu werden, oder die Heimat zu verlassen. Der Termin der Auswanderung 
ging Ende Juli 1629 zu Ende; es wurde jedoch den Exulanten gegen Behebung eines 
gewöhnlich auf sechs Wochen ausgestellten Passes gestattet, nach Oesterreich zurück- 
zukehren, um ihre Güter zu verkaufen (Czerwenka, Khevenhüller, S. 422). 

*) Dieser 1635 geborene Sohn erhielt seinen Taufnamen in dankbarer Erinne 
rung an Gustav Adolf, der sich während seiner Anwesenheit vor und in Nürnberg vom 
8./tS, Juni bis 8./18. September 1632 (G frörer, Gustav Adolf, 4. Auflage, 1863. 
S. 757 ff.) Aller Herzen im Sturm erobert hatte. Weiter unten wird mitgetheilt, wes- 
halb Rägknitz seinem jüngsten Sohn nur den halben Namen des grossen Schweden- 
königs gab. Es handelte sich dabei um einen ebenso originellen als rührenden Act 
inniger Freundschaft. 

8* 



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108 



charaktervollen Cavaliere Ober- und Unter-Oesterreichs, Steiermark*, 
Kärntens, Krains u. s. w. Es waren Glieder der altehrwürdigen 
österreichischen Adelsgeschlechter Dietrichstein, Kgkh, Herberstein, 
HofTman, Hohenwart, jörger, Khevenhüllcr M, Lamberg, Liechtenberg, 
Mordax, Praunfalck, Rauhenberg, Saurau, Speidel , Starhemberg, 
Stubenberg , Tannhauser , TeufTenbach , Traun , Trautmannsdorf, 
Volkersdorf, Windischgräz, Wurmbrand, ZinzendorP) u. A. 

Zur Charakterisirung dieser Auswanderer sei das Urtheil eines 
Zeitgenossen angeführt, welcher 1629, kurz vor der Ankunft Rägk- 
nitz's in Nürnberg, diese Reichsstadt sowie Regensburg besuchte. 
Er hiess Philipp Hainhofer, war liineburg -pommerscher Rath, Bürger 
und Assessor des Stadtgerichts Augsburg, und entwirft von den 
714 Exulanten des Herren- und Ritterstandes, sowie 46 ^obilitierten 4 
Personen, die er dort antraf und namentlich aufführt, folgende Schil- 
derung 3 ) : 

„Hie sind wir auf dem marckht bei einer Wittib zum güldenen 
Kreutz in unserm Kreutz gar trefflich wol, und zimlich wolfail tracktirt 
worden. Die Herberg war voller umb dess worts Gottes willen Ver- 
tribener Landherrn und Ritterstands Personnen, so täglich da ankörnen 

*) Hanns von Khevenhüller, Herr auf Landskron und Veldcn in Kärnten, fand 
die Plackereien Ferdinand's II. so „abgeschmackt*, dass er erklärte, nicht einmal ab- 
gemalt in der Heimat bleiben zu wollen. „Glückselig", schrieb er, „sind die, die ihre 
Sachen aufs eheste richten können. Wenn schon Einer des Zeitlichen etwas verlassen 
muss, ist es doch besser, als das Ewige verlassen. — Gott verzeihe es dem Kaiser, 
dass er uns so plagt/ (B. Czerwenka, die Khevenhüller. Wien, Braumüller, 1867.) 

a ) Lochner, Anzeiger # für Kunde der deutschen Vorzeit, Nürnberg, 1855, 
S. 161 ff., 193 ff., 217 ff. 

8 ) Diese Auswanderer-Liste berindet sich jetzt in der Wiener Hofbibliothelc 
(Codex 8830) und wurde von Adalbert Heinrich Horand in Wien (= Dr. A. H. Ho- 
rawitz) im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit (Nürnberg) 1862, S. 316 ff., 
353 ff M 393 ff veröffentlicht. Die vollständigste uns bekannte Liste ( r Verzeichnis der- 
jenigen Cavaglieri, Frauen und Fräulein, so wegen der evangel. Religion A. C. aus denen 
5 österr. Landen, als Oesterreich unter und ob der Enns, Steyer, Kärnthen und Krain 
emigrirt etc. Angefertigt von Andreas Sötzinger, Exulanten zu Nürnberg i. J. 1652") 
ist im k. Archiv in Nürnberg aufbewahrt und findet sich aus dem Original-Manuscript 
abgedruckt in B. Czerwenka, Die Khevenhüller (Wien, 1867), II. Anhang, S. 629. 
Das älteste Verzeichniss lieferte Saubertus, Liber Providentiae divinae specialis, d. i. 
Denkzettel Gottes, darinnen die recht Gottesfürchtigen aufgezeichnet zu finden (Nürn- 
berg 1643). Ferner ist zu nennen Göttzii Diptycha Exulum. Auch bei Raup ach (Fort- 
setzung des evang. Oesterreich, III, 439) und Waldau (Geschichte der Protestanten in 
Oesterreich etc. 1784, II, S. 471 ff.) finden sich unvollständige Exulanten- Verzeichnisse. 



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109 



in diser Stadt, umb im Reich herum wohnung zu suchen, wie dann 
bereits über ein tausend Vertribener Personen all hier den Beysitz be- 
kommen haben sollen '), und folgender Catalogus ausweisst, was für 
und wie viel fürnemme geschlecht ausSteür, Kärnthen, Krain ausgezogen 
seynd, welche mit Sancto Hieronymo dafür halten, quod sine san- 
goine martyres esse possint, si sapientiam in animo custodiunt. Seind 
dem nach, wie Ich von etlichen derselben gehört, bei allem grossen 
Verlust und aussstehendem Ungemach fröhlich, bitten Gott umb 
Beständigkeit, und danken Ihm, dass sie auch würdig worden seien, 
umb seiness hohen namenss und hailigen Worts willen etwas zu 
leiden und auszustehen: 

r Pressa sub ingenti ceu pondere palma virescit, 
Sub cruce sie florent dedita corda Deo." 

Und lehren sie ex Sancto Augustino : quod sicut oliva et 
uva, priusquam ad usum valeant humanum, premi debeant in torcu 
lari. ita homo persecutionem pati debeat, priusquam idoneus sit ad 
regnum coelorum* 2 ). 

Die Zahl der in Nürnberg angesiedelten Exulanten nahm so zu, 
dass man 1630 um ihretwillen die Emporen in der St. Lorenzkirche 
erweitern musste. 

Lochner (a. a. O.) erklärt, die Niederlassung der glaubcns- 
muthigen österreichischen Exulanten, von denen nur Gutes zu be- 
richten sei. habe sittlich fördernd auf die lau gewordene evan- 
gelische Bevölkerung Nürnbergs zurückgewirkt ; auch sie sei mate- 
riell von Vortheil gewesen, da diese Adeligen nicht Bürger wurden, 
sondern ein ziemlich hohes Schutzgeld an die Stadt bezahlten (Carl 
Freiherr von Windischgrätz bezahlte z. B. 1629 auf i'/ 2 Jahr 
600 Thaler), auch zahlreiche wohlthätige Stiftungen errichteten, die 
noch späteren Geschlechtern zu gute kamen 3 ). 

') Unter ihnen auch bürgerliche, hervorragende Kaufleute, Prediger u. s. w. 
An der Beerdigung einer Exulantin 1639 nahmen nicht weniger als 39 exulirte 
evang. Geistliche theil. 

') Dr. A. H. Horawitz fasst den Eindruck dieser Worte in den Satz zusammen: 
„Man wird schon aus dem Eingange ersehen, wie lebendig das religiöse Gefühl, wie 
fest die Kraft der Ueberzeugung und wie innig die Liebe zum Evangelium in diesen 
Exulanten war, und man wird ersehen, wie falsch man jene Bewegung auffasst, wenn 
man sie aus kleinen Motiven erklären will." 

8 ) So z. B. die noch jetzt bestehende, 1760 von Frl. Hedwig Maria Mordax, 
Herrin zu Portendorf (f 1763) errichtete Stiftung (Siebenk. Stift, p. 47). 



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110 

Räcknitz stand besonders mit der Familie des Johann Adam 
Praunfalck l ) Freiherrn zu Neuhaus, Herrn auf Falkenburg und Weyer, 
(im oberen Ennsthal in Steiermark) in herzlichen Beziehungen. Er 
war der Taufpathe der zweiten Tochter Praunfalck's, Maximiiiana 
(geb. 18. Jänner 1635, y 1653), seine Frau die Pathin der nach ihr 
benannten dritten Tochter Praunfalck's, Anna Katharina (geb. 28. De- 
cember 1635, f 1650). Die älteste Tochter, Anastasia, war schon vor 
der Ankunft Rägknitz's in Nürnberg geboren worden. 

Es währte nicht lange, so war Gallus Freiherr von Rägknitz als 
das Haupt der österreichischen Exulanten anerkannt. Diesen hervor- 
ragenden Platz errang er sich nicht sowohl durch seine sociale 
Stellung (denn es gab unter den Exulanten in Nürnberg glänzendere 
und mächtigere Namen), sondern durch seine persönliche Tüchtigkeit, 
besonders seine innige Frömmigkeit 2 ). Die kirchlichen Angelegen- 
heiten der Stadt beschäftigten ihn stets auf s Lebhafteste. Jeden 
Sonntag sah man ihn in der Kirche ; auf seinem Krankenlager grämte 
er sich besonders darüber, „dass er wegen seiner grossen Leibes- 
Mattigkeit eine Wochen oder etlich vor seinem seligen Hintritt in 
keine Kirch kommen können". Die evangelischen Geistlichen bezeich- 
neten ihn als , einen rechten, getreuen Liebhaber und grossen Wohl- 
thäter', der gesinnt war, wie Kaiser Constantin, , welcher, da es ihm 
seine Hofjunckern verwiesen, dass er so schön mit den Geistlichen 
thät, geantwortet: Es stehe von keinem andern Stand als 
von dem Geistlichen so klar geschrieben: Wer euch 
höret, der höret mich. Luc. 10.* 

Die innigste Freundschaft verband ihn mit dem , unsterblich 
verdienten Theologen* Johann Saubert (geb. 1592, seit 1637 erster 

') Dieser Johann (Hans) Adam war ein Verwandter jenes Feter Christoph Praun- 
falck, der 1623 die bekannte segensreiche Stiftung für evangelische Juristen und Theo- 
logen errichtete, welche seit 1865 von der k. k. evang.-theol. Facultät in Wien ver- 
waltet wird (Halte, was du hast, 1875, S. 107). Mit Johann Adam starb das edle 
Geschlecht Praunfalck 1655 aus. Die eine Tochter war mit dem Kammerherrn von 
Schlippenbach, die zweite mit dem Freiherrn Christian Carl von Giech vermählt. 
Beide Geschlechter, heute gräflich, erfreuen sich jetzt grosser Bliithe. Aus der Biblio- 
thek des letzteren (ex Bibtiorheca Giechiana) hat der Verfasser mit Bewilligung des 
erlauchten Besitzers die meisten der hier mitgetheilten Daten genommen. 

*) G. A. Will sagt in seinem Nürnbergischen Gelehrten-Lexikon (1757. III. Bd.. 
S. 261), dieser „ vornehme Staatsmann" habe in Nürnberg „gegen 30 Jahre ein gar 
erbauliches und frommes Leben" geführt ; „ihn verehrte und bedauerte (als er starb) 
die ganze Stadt Nürnberg". 



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111 



Prediger bei St. Sebald, f 1646 *). Im Hinblick auf die damals noch 
scharf ausgeprägten Standesunterschiede zwischen Adel und Bürger- 
thum wird man zugeben müssen, dass Rägknitz damit über seiner 
Zeit stand. Wie rückhaltlos die beiden Männer einander zugethan 
waren, geht z. B. daraus hervor, dass sie 1634, als sich ihre Frauen 
in gesegneten Umständen befanden, bestimmten, einander zu Gevatter 
zu bitten und unter die zu hoffenden Kinder, falls es Knaben sein 
sollten, die Namen des Schwedenkönigs Gustav Adolf zu theilen. 
So geschah's: der junge Baron wurde Gustav, der Pfarrerssohn 
Adolf getauft 2 ). 

In seinem Hause las Rägknitz täglich die Bibel, j,als einen Brief 
seines liebsten Herrn Jesu*, und zwar abwechselnd in fünf Sprachen : 
deutsch, lateinisch, italienisch, französisch und spanisch; auch hielt 
er täglich ,in seinem Zimmer von andern abgesondert* seine stillen 
Betstunden (Horas canonicas pflegte er sie zu nennen), worin er ,für 
sich und die lieben Seinigen, ja für die gantze beträngte Christen- 
heit* im Flehen vor Gott lag. Dazu kam regelmässiger Hausgottes- 
dienst, an welchem nicht nur die Kinder, sondern auch das Gesinde 
theilnahm. So galt er in Nürnberg als , recht eifferiger Better", der 
„ manch Unglück von unserer Stadt hinweg beten helfen*. 

') Eine Zeitlang war Johann Saubert Professor an der Universität Altdorf ge- 
wesen. Er gehörte der streng-lutherischen (sächsischen) Richtung an und sorgte für 
ihren Sieg in Nürnberg (Hirsch, Geschichte der Nürnbergischen Normalbücher in den 
Act. eccl., T. XI, p. 63, 436 sqq.). Mit den gi'össten Theologen seiner Zeit, wie Ger- 
hard, Hoc, Dieterich u. A. war er befreundet; Herzog August von Braunschweig, 
Ernst der Fromme von Weimar, Georg Landgraf zu Hessen schätzten ihn hoch, Herzog 
Rudolf August von Braunschweig nannte ihn amicum suum maximum. Als erster Stadt- 
bibliothekar zeigte er vielen Fürsten, Cardinälen, auch dem österreichischen Erzherzog 
Leopold Wilhelm (der ihn reichlich beschenkte) die Bücherschätze Nürnbergs. Seine 
Tochter Gertraud heiratete den später zu nennenden Diaconus Johann Heinrich Omeis, 
eine zweite Tochter, Barbara, den Sohn des berühmten Theologen Joh. Val. Andrea, 
M. Gottl. Andreä, Diaconus zu Canstadt in Württemberg. Von seinen zahlreichen 
Schriften nennen wir seinen polemischen Brief an den bekannten ref. Theologen Abr. 
Scultetus (Epistola ad Abr. Scultetum etc.). welchen er unter dem Anagramm Justi 
Baraeni (für Jo. Sauberti) 1620 drucken Hess, sowie den schon oben angeführten 
„Denkzettel Gottes, darinnen die recht Gottesfürchtige aufgezeichnet zu finden, über 
Mal. 3, 16, Nürnberg 1643. 4, mit einem Verzeichniss der vornehmsten österreichischen 
Exulanten, welche sich in Nürnberg ansiedelten. (G. A. Will, Nürnberg. Gelehrten- 
Lexikon, III, 454 ff- 

s ) Zeltn. vita theol. p. 182, n. in. Adolf Saubert, geb. 3. März 1635, wurde 
1674 Pastor bei St. Egidien, f schon 15. Juli 1678. (Will, a. a. O. III. 466). 



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112 



Diese fromme Gesinnung bethätigte Rägknitz auch den Armen 
gegenüber: er war ihr „mitleidiger und gutthätiger Vatter*. Jeden 
Freitag theilte er reiches Almosen aus ; aber auch sonst, alltäglich, 
kamen Nothleidende vor sein Haus, die nie ohne Gabe weggingen. 

Rägknitz führte in Nürnberg ein zurückgezogenes Leben, wie 
denn die adeligen Exulanten meist abgeschlossen vom städtischen 
Patriciat und mehr untereinander lebten. Nur bei grösseren Festlich- 
keiten (Trauungen u. dgl.) pflegte der Adel in die Oeffentlichkeit 
zu treten und seinen Stand durch ritterliche Spiele, den Vorstellungen 
der Zeit entsprechend, mit Glanz zu repräsentiren. Rägknitz hielt 
sich von dem Allen möglichst fern. Seine Frau hatte am 13. Dc- 
cember 1639 von einem Bürger Nürnbergs drei hinter dem „Vestner- 
thor* gelegene Gärten um 3800 fl. gekauft, in welchen sich ein 
Wohnhaus und ein Vogelheerd befanden. Hier lebte Rägknitz still 
und zufrieden im Kreise seiner Familie. 

An den grossen politischen Ereignissen scheint sich Rägknitz 
nicht betheiligt zu haben. Selbst während der Anwesenheit Gustav 
Adolf s in Nürnberg tritt er nicht in den Vordergrund. Als eine 
Deputation der Oberösterreicher zu Gustav Adolf nach Nürnberg 
kam, um sich seinen Beistand zu erbitten, verkehrte mit ihnen von 
den österreichischen Exulanten wohl ein Graf Khevenhüller und ein 
Herr von Dietrichstein, auch ein Verwandter unseres Rägknitz, ein 
Herr von Eck, aber nicht er selbst. Die nach ihrer Rückkehr in die 
Heimat zur Verantwortung gezogenen Oberösterreicher nannten 
wenigstens in ihren Verhören nur die vorhin erwähnten Namen, 
nicht den seinen 1 ). 

Dagegen dürfte Rägknitz später mit der Nürnberger Dichter- 
• schule, speciell mit dem Gründer des „pegnesischen Blumenordens' 
Georg Philipp Harsdorffer 2 ) in Verbindung getreten sein. Die Dichter 
nennen ihn geradezu ihren Mäcenas. Rägknitz verfasste selbst viele 
geistliche Lieder, welche er gesammelt unter dem Titel „Haus- und 

•) Franz Kurz, Beyträge zur Geschichte des Landes Oesterreich ob der Enns. 
2. Theil. Linz 1808, S. 55 fr. 

2 ) Gödeke, Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung, I. (2. Ausgabe, 1862). 
S. 461. Vilmar, Geschichte der deutschen National-Literatur (5. Auflage 1852), II, 34< 
Geizer, die neuere deutsche National-Literatur (3. Auflage 1858), I, 15. Ausführ- 
licheres s. in Johann Her de gen, Hist. Nachricht von des löbl. Hirten- u. Blumen- 
Ordens an der Pegnitz Anfang und Fortgang. Nürnberg. 1744. Julius Tittmann, 
Die Nürnberger Dichterschule. Göttingen, 1847. 



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118 

Hertz-Music* im Druck herausgab. Ueber dieses Werk urtheilt sein 
Leichenredner also: ,\Vie eine Braut ihren Liebsten vor allen andern 
herauspreist, also hat unser seliger Herr seinen allerliebsten Herrn 
Jesum herauszupreisen auch nicht unterlassen. Die im Truck ver- 
fertigte »Haus- und Hertz-Music* ist ein stattlicher Zeug und Beweiss, 
wie eifrig ihr Gnaden ihren allerliebsten Herrn Jesum zu preisen ihr 
angelegen seyn lassen* '). Auf dem Titelblatt dieses Druck werks 
deutete Räcknitz die vier Anfangsbuchstaben seines Namens: 
G. F. Z. R. (= Gall Freiherr Zu Ragknitz) im Sinne eines Wunsches 
also: Gott Führe Zur Ruh 2 ). Als seinen Wahlspruch und sein Sym- 
bolum wählte er sich: Jesus meine Lieb*. Tm Geschmack jener 
Zeit, die an geheimnissvollen Zeichen, Zahlen- und Buchstaben-Ver- 
schlingungen ein besonderes Gefallen fand, sah er diesen seinen 
Wahlspruch in dem Buchstaben M ausgedrückt. Das M als der 
mittelste Buchstab im lateinischen Alphabet zielte ihm auf den Mittler 
Christus und galt ihm deshalb als der beste und liebste Buchstabe. 
Der erste Strich des M sehe einem I gleich und bedeute Jesus; 
der Buchstabe M an sich bedeute Meine, und der letzte Strich, 
etwas seitwärts hinausgezogen, gleiche einem L und bedeute Liebe; 
so dass die Combination WL so viel gelte, als: Jesus meine Lieb*. 
Auch neben seinem von Sandrart's Meisterhand ausgeführten Porträt 
findet sich dieses Zeichen IV'L, darunter Ai = Anna Katharina, 
(die Namen seiner Frau). 

Welche Kraft in der wahren Christusliebe liegt, hatte Rägknitz 
zu erproben, als ihm seine blühende Tochter Barbara, innerhalb 
seiner Familie die letzte Oesterreicherin von Geburt, durch den Tod 

l ) Eins der vielen Trauergedichte, die durch den Tod Rägknitz's veranlasst 
wurden, beginnt also: 

Der selbsten seinen Gott nach David's schönen Weisen 

geflissen war zu preisen, 
soll unbesungen nicht hingehn nach seiner Ruh. 

Es stimm ein jeder zu ! u. s. w. 

*) Weder die Stadtbibliothek in Nürnberg noch die des Germanischen Museums 
daselbst besitzt ein Exemplar dieser Sammlung Rägknitz'scher Lieder. Wir haben auch 
anderwärts keines aufzutreiben vermocht und sind daher nicht in der Lage, zu ent- 
scheiden, ob die Titelangabe „Haus- und Hertz-Music" (wie sie der gleichzeitige 
I eichenredner M. Dom. Beer in seinem „Abriss" gibt) die richtige sei, oder die des 
viel späteren Will (Nürnb. Gel.-Lex.) : „Herz- und Seelen-Musik, aufgesetzet 
von einem Jesum liebenden Christen, den Gott Führte Zur Ruhe" (12). 



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114 



entrissen wurde. Am 6. Juni 1627 auf Schloss St. Ulrich in Steier- 
mark geboren (am 8. Juni getauft), erhielt Barbara kaum einen Ein- 
druck von ihrer irdischen Heimat, denn schon 1629 musste sie mit 
ihren Eltern und Geschwistern hinaus in die Verbannung. Ueber 
diese Emigration heisst es in ihrer Leichenpredigt: ,Da der König 
der Ehren Christus, wie er im 24. Psalm genennet wird, mit 
seinem Evangelio aus den österreichischen Erblanden fortgewandert, 
hat Herr von Rägknitz aus Hertzlicher Lieb zu seinem liebsten 
Herrn Jesu nicht hinter ihm bleiben wollen, sondern hat mit Hind- 
ansetzung seiner stattlichen Herrschaften den Wanderstab in die 
Hand genommen und ist mit den Seinigen fortgewandert, in Erwä- 
gung der schönen Wort seines liebsten Herrn Jesu: Wer verlasset 
Häuser, oder Aecker um mein- und des Evangelii willen, der wirds 
hundertfältig nehmen und das ewige Leben ererben. Matth. 19.* 

In Nürnberg wuchs Barbara unter der christlichen Zucht der 
Eltern lieblich heran. Auch die verwitwete Pathin des Mädchens, 
der Mutter Schwester, Susanna Freiin von Saurau, geborne Freiin 
von Schratt, betheiligte sich an der sorgfältigen Erziehung aufs treu- 
lichste. Der Diaconus bei St. Laurenz in Nürnberg, M. Rüdius 
bezeugt, dass Barbara t in ihrer zarten Kindheit den Catechismum 
Lutheri wohl gefasst, in Less- und Betrachtung der Bibel sich so 
geübet, dass sie viel schöner Sprüch und Psalmen auswendig her- 
sagen und citiren können*. Regelmässiger Hausgottesdienst gehörte 
zur Familienordnung bei ihren frommen Eltern, »wie sie dann mit 
ihren wohlgebornen christlichen Eltern, Herren Brüdern, Fräulein 
Schwestern und ganzem Hausgesind täglich ihre sonderbare Bet- 
stunden gehabt, so sie kniend mit Beten, Singen und Lesen zuge- 
bracht haben*. Das h. Abendmahl empfing sie mit ihren Eltern oft, 
3 und jedesmal mit einem geängsteten, zerschlagenen, gläubigen 

') M. Johann Jacob Küd, geb. 1590 in Regensburg, wo sein Vater evangelischer 
Pfarrer war, studirte in Tübingen, Strassburg und Altdorf, seit 1624 bei St. lx>rex\i 
Vesperprediger, später Senior, f 1654. Er hat besonders viele Exulanten in Nürnberg 
zu Grabe geleitet. Von seinen bezüglichen Leichenpredigten erschienen im Druck: 
I. die auf Eph. Carl Praunfalk, Freiherrn zu Neuhaus (164 1); 2. auf Ge. Friedr. 
von Speidel, Freiherrn von Vattersdorf auf Neuhofen (1641); 3. auf Frl. Anna Sus. 
von Speidel (1642); 4. auf Frl. Barbara Freiin zu Rägknitz (1644); 5. auf Frl. 
Maria Herrin von Schärfenberg (1644); 6. auf Fr. Beatrix Freifrau von Egk (1646); 

7. auf Fr. Elisabeth Frauen von Heyleckh, geb. Freiin von Danhausen (1647); 

8. auf Fr. Afra Freiin von Speidel. geb. Waldner in (1647). Will a. a. O. III, 4 l6 ff - 



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115 



Herzen, voller Lieb und gutes Vorsatzes*. Sie war nicht nur eine 
treue Anhängerin der reinen evangelischen Lehre, , sondern auch 
aller getreuen Lehrer und Seelsorger, die sie gern um und bei sich 
gehabt, hochgeehret als Engel Gottes*. An ihrer Bahre konnte ge- 
rühmt werden, dass sie gegen ihre Eltern stets so gehorsam gewesen, 
,dass sie ihr Leben lang denselbigen, und zugleich auch Denen, so 
über sie zu gebieten gehabt, im geringsten nicht zuwider gewesen: 
höflich gegen Hohe, freundlich gegen die Geringem, schamhaft und 
züchtig in Geberden, Worten und Werken, in ihrem Herzen und 
Gewissen rein, weiss und ohne alle äusserliche Sünd und Laster*. 
Fleissig besuchte sie die Predigten und der vorhin genannte Geist- 
liche rühmt, ,mit was Andacht sie selbe gehöret, wie fleissig sie 
aufgemerket*. Als ihr Vater wenige Tage vor ihrem Tode die Neu- 
jahrspredigt des Pfarrer Johann Saubert bei St. Sebald im Familien- 
kreise rühmte und seine Kinder, welche dem Neujahrsgottesdienst 
bei St. Lorenz beigewohnt hatten, aufforderte, ihm über die dort 
von Pfarrer Cornelius Marcus gehaltene Predigt Mittheilung zu machen, 
da trat Barbara hervor, ,und einen sehr langen Theil solcher Predigt 
erzählet, deren dann auch die übrige Geschwistericht, Herr und 
Fräulein, nachgefolget, worüber die Eltern nit wenig erfreuet, und 
selbigen Abend eine fröhliche gute Nacht einander gewünscht*. In 
derselben Nacht erkrankte sie. 

Trotz aufopfernder Pflege und Anwendung von , köstlichen 
Arzneien und Mitteln, so die Herren Medici geordnet*, nahm die Krank- 
heit stündlich zu. Mit grösster Geduld ertrug sie Alles ; Je grösser 
ihre Schmerzen, je heller sie ihre Geduld leuchten lassen*. Als die 
Hoffnung auf Genesung immer mehr schwand, Hessen die Eltern den 
vorhin genannten Diaconus M. Johann Jacob Rüdius an ihr Kranken- 
lager rufen. Bei der Nachricht, es komme ein evangel. Geistlicher, 
sie zu besuchen, rief sie freudig : »Jetzt kommt der Engel Gottes, des 
Herrn Zebaoth!* In herzlicher Sehnsucht nach Erlösung von allem 
Uebel verlangte sie, das h. Abendmahl zu empfangen. So bereitete 
sie sich bei stets zunehmender Schwäche auf ein seliges Stündlein vor. 
Vor der gewöhnlichen Beichte sprach sie demüthig folgende Worte : 

Meine Sünd' betrüben mich, Das erst' bekenne ich, 

Gottes Gnad' erfreuet mich; Das ander' fest glaub' ich; 

Zwei Dinge weiss ich: Darum von Herzen bitt' ich: 

Ein' arme Sünderin bin ich, Gott, sei mir armen Sünderin gnadig 

Gott ist barmherzig! So werd' ich ewig selig. 



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116 



Darauf empfing sie in frommer Andacht das h. Abendmahl, 
„ darinnen sie ihr lieber Bräutigam Christus mit dem kräftigsten 
Siegel und Unterpfand seines wahren, wesentlichsten Leibs, den er 
für sie in den Tod gegeben, und seines rosinfarben Bluts, welches 
er am Stamm des Kreuzes für ihre Sünde vergossen, aller seiner 
Gut- und Wohlthaten, die er durch sein bitter Leiden und Sterben 
erworben, wohl versichert*. Auch nach dem Genuss des h. Mahles 
verharrte die Kranke in andächtigem Gebet; und als ihr Vater sie 
tiefergriffen fragte, ob sie Christum Jesum in ihrem Herzen habe, 
antwortete sie: ,Ach, mein herzlieber Herr Vater, wen wollt' ich 
anders haben, als Den?' Mit derselben Todes- und Christusfreudig- 
keit sprach sie sich ihrer Mutter gegenüber aus. ,Dannenhero sie 
auch den Namen Jesus stätigs in ihrem Mund geführet, auf dessen 
theuer Verdienst abzuscheiden sich resolvirt, endlich ihre Seele Ihme 
zu treuen Händen befohlen, nicht mehr wünschend, denn dass sie 
bald bei ihrem Bräutigam Christo Jesu möchte sein. 

Ach, wie sehnlich wart' ich der Zeit, 
Wann Du, HErr, kommen wirst, 
Und mich aus diesem Herzenleid 
Zu Dir in Himmel führst. 
Ach, wie sehnlich warf ich auf Dich, 

< 

O komm' und hole mich! 

Und ist also ihrem Bräutigam Christo auch bis in Tod getreu 
blieben ; darumb er auch den 9. diess (d. h. Jänner 1644) um den 
Garauss Abends kommen und die wohlgeborne selige Fräulein Braut 
in wahrem Glauben an Ihn mitten unter dem Beten, im Beisein vieler 
wohlgeborner Herren, Frauen, Fräulein, meiner (d. h. des Diaconus 
Rüdius) und anderer zweier Herren Geistlichen, durch ein sanftes 
seliges Ende an- und aufgenommen*. 

Der Heimgang des frommen, noch nicht 17jährigen Mädchens 
ergriff um so tiefer Aller Herzen, da sie bereits erklärte Braut war. 
Ihre liebliche Erscheinung, noch mehr aber ihr reiner christlicher 
Sinn hatte den Grafen Christian Friedrich zu Mansfeld, Herrn zu 
Heldrungen, Seeburg, Schraplau und Hedersleben, bewogen, um die 
Hand der steirischen Exulantin anzuhalten, und die Eltern derselben 
hatten freudigen Herzens eingewilligt. Das um seines evangelischen 
Bekenntnisses willen vertriebene Haus Rägknitz sollte durch diese 
Heirat mit der Familie verbunden werden, in deren Gebiete Luther 



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117 



geboren, in deren Diensten er zu Kisleben gestorben. Hohe Freude 
war in dem Elternhause der Braut. 

Hin Jahr früher (in ihrem 16. Lebensjahre) hatte sie ihre Ver- 
lobung mit Graf Mansfeld gefeiert: nunmehr sollte die Hochzeit am 
13. Februar 1644 vollzogen werden. Schon war die .sorgfältige Ein- 
ladung und Anstellung gemacht, damit ihre gräfliche Gnaden und 
Gnaden nach christlichem Gebrauch der Kirchen allhie vor Gottes 
des Allerhöchsten und Dero hochansehnlichen Eingeladenen Ange- 
sicht auf Anhörung göttliches Worts, eifriges, einmütiges Gebet, 
copulirt, zusammengetrauet und mit christlichem Herzenswunsch ver- 
ehret und gesegnet würden* '). , Nachdem sie sich aber an der hei- 
ligen Neuen Jahrs- Nacht zur Ruhe begeben, hat sie ein Frost und 
Kälten angestossen, nachmalen den andern Tag. als Dinstags, eine 
grosse Hitz darzugeschlagcn. Wie aber solche Hitz und unleident- 
liehe Seitenschmerzen nit aussetzen wollen, hat sie bei höchstgepflo- 
gener christlicher Geduld Dero zartes blühendes junges Leben in 
ihrem HErrn Jesu Christo, den sie fest in dero Herz gefasset be- 
halten, beschlossen, welcher auch als der himmlische Bräutigam sie 
mit Aufhebung der irdischen gräflich Mannsfeldischen Hochzeit zu 
Dero himmlischen und stetigen voller Freud und Wonne währenden 
Hochzeit gnädiglichen berufen und aufgenommen.* 

Barbara verschied Dinstag den 9. Jänner 1644 um 4 Uhr Nach- 
mittag in einem Alter von 16 Jahren, 7 Monaten und 3 Tagen. In 
der Kirche zu St. Johann wurde sie unter ungeheurem Zudrang 
beigesetzt. Der bereits erwähnte Diaconus an der Lorenzkirche, 
M. Johannes Jacob Rüdius, ihr Beichtvater, hielt die Leichenpredigt 
über Hoheslied 4, 8: „Komm, meine Braut!* Nachdem der 
Redner den tiefbetrübten Bräutigam Christian Friedrich Grafen von 
Mansfeld mit Anspielung auf dessen Taufnamen als einen recht- 
schaffenen frommen Christen und friedereichen Herrn gepriesen und 
die verblichene Braut mit der Märtyrerin Barbara verglichen, rief er 
aus: „Meinet Ihr nicht, Gottesergebene und Betrübte! dass der 
Bräutigam Christus Jesus, den die selige Fräulein Braut Barbara 
herzlich geliebet und auf ihn all ihren Trost und Hoffnung gesetzt, 

') Bei den Vorbereitungen zur Hochzeit wirkte sie fleissig mit, konnte sich aber 
in ihrer Demut h mit der standesgemäßen reichen ,. Ausstaffirung* nicht recht befreunden. 
Wiederholt äusserte sie zu ihren Schwestern und Dienerinnen: „Mein Herr Vater und 
Frau Mutter wenden viel auf; ich bin es nicht werth! a 



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Iis 



durch seinen h. Geist ihr zugesprochen habe: Komm, Du meine 
getreue Liebhaberin! komm und ruhe in den Kammern meines 
Vaters! O wie fieissig werden da die lieben heiligen Engelein auf 
den Dienst gewartet und ihre Seele in den Schoss Abrahae, in das 
Faradeis, in die Hand Gottes getragen haben ! (Luc. 16, 23. Sap. 3.) 
O wie schon wird sie. von Gott dem Vater aufgenommen, in lauter 
Freuden springend, mit den fünf klugen Jungfrauen zur himmlischen 
Hochzeit sein eingangen ! (Matth. 25.) O wie lieblich wird sie der 
Himmelsbräutigam empfangen und umfangen haben: .Komme her, 
meine Schöne! Komme her, meine Braut! Komme, meine Aus- 
erwählte und sei fröhlich vor meinem Angesicht mit meinen Engeln 
und allen Auserwählten, deren Gesellschaft ich dir verheissen! 
Komme aus deinen Trübsalen in meinen Garten, in den himm- 
lischen Paradiesgarten , darin alles voller herrlicher himmlischer 
Frücht' und Ereuden! Komme in das neue Jerusalem, dessen 
Mauern von Edelsteinen, dessen Thore von köstlichen Perlen, dessen 
Gassen von reinem Gold, darauf man ohn Unterlass das schöne 
Sanctus und Halleluja singt ! (Apoc. 7, Esa. 6.) da nichts ist, was 
man in der Welt leidet: kein Tod, Krankheit, Schmerzen, Weh- 
klagen, Hunger, Durst, Sonn, Mond, sondern lauter Ereud und 
Wonne, lieblich Wesen, eitel Gesundheit, Eried, Ruhe und ewige 
Seligkeit sein wird!* — O, was für einen schönen Kranz und Krön 
wird der Himmelsbräutigam ihr aufsetzen! Kein Zweifel ist es: 
wann es Gottes Will' gewesen und die Wolgeborne selige PVäulein 
Braut und Dero Hoch- und Wolgeborner Herr Graf. Bräutigam, ihr 
hochansehnlich gräfliches PYeudenfest sollten erlebt haben — es 
würden da schöne Kronen und Kränz', von reinem Gold zugericht't, 
köstlichen Perlen und edlen Steinen versetzt, herrlich glänzend, 
schimmernd und leuchtend, Ihr gräflichen Gnaden und Gnaden sein 
aufgesetzet worden. Aber was wären sie gewesen: Unbeständige, 
vergängliche, eitle Kronen! Die Krön', die der Himmelsbräutigam 
Christus Jesus wird aufsetzen, wird sein eine unverwelkliche Krön', 
die Krön der Gerechtigkeit, der Ehren und des Lebens (2. Tim. 4- 
1. Petr. 5, Jac. 1), die mit vielen köstlichem PMelsteinen, als mit dem 
Carbunkel der Klarheit, mit dem Saphir der Erkenntnis, Diamant 
der Gerechtigkeit, Smaragd der Heiligkeit, Rubin der Reinigkeit, 
Türkis der himmlischen Seligkeit versetzet ! Dann diese Wolgeborne 
selige Fräulein Braut wird verklärten Leib und Seele haben, ihr 



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119 



Leib wird dem clarificirten Leib Christi ähnlich sein (Phil. 3), wird 
glänzen wie die Sonne (Matth. 13), scheinen wie die Stern am Fir- 
mament (Dan. 12), den Engeln gleich sein (Matth. 22), mit welchen sie 
der Herrlichkeit, ja über alle Massen wichtigen Herrlichkeit, wird 
gemessen (Rom. S, 2. Cor. 4). Das Fühlen und Umfahen ihres 
Himmelsbräutigams wird eitel Freud und Rühmen verursachen (Ps. 126). 
Da wird es heissen: 

Zwingt die Saiten in Cithara, 
Und lasst die schöne Musica, 
Ganz freudenreich erschallen. 
Auf dass ich mög' mit Jesulein, 
Dem auserwählten Bräutigam mein, 
In steter Liehe wallen. 
Singet, springet, 

Jubiiiret, triumphiret ! lobt den HErren! 
Gross ist der König der Ehren!" .... 

Nach der Leichenpredigt folgte der damaligen Sitte entsprechend 
die Verlesung des Lebenslaufs der Heimgegangenen mit Aufzählung 
ihres ganzen Stammbaums väterlicher- und mütterlicherseits. Der 
Schluss lautete: s Der liebe Gott gebe Dero und in Dero zinnern 
hiero vor unsem Augen liegenden Sarg verblichenem Körper mit 
allen Auserwählten an jenem grossen Tag eine fröhliche Aufer- 
stehung, damit, gleichwie Dero liebe Seel nunmehr in der Hand 
Gottes ist und ruhet, dieselbe auch solchen wiewohl viel purificirtern 
Körper zur ewigen Ewigkeit wiederumb annehmen möge. Die hinter- 
lassen e hochbetrübte Eltern, Geschwistericht und ganze hochansehn- 
liche Freundschaft wolle der allmächtige Gott kräftiglichen trösten 
und vor Traurigkeit ferner gnädiglichen bewahren. Amen, HErr 
Jesu, Amen." 

Der in diesen Schlussworten erwähnte, vor dem Altare auf- 
gestellte zinnerne Sarg, in welchem die Verstorbene, mit schönen 
Brautkleidern angethan, etliche Tage zur Schau ausgestellt blieb, 
hatte auf seinem Deckel die Inschrift : „Ephes. am 3. v. 19. Christum 
lieb haben ist viel besser, denn alles Wissen. Hierinnen ruhet die 
wohlgeborne Fräulein Fräulein Barbara Fräulein von Rägknitz, als 
des wohlgebornen Herrn Herrn Galln Freiherrn zu Rägknitz und 
der wohlgebornen Frauen Frauen Annä Katharina Frauen von 
Rägknitz, Freiin, einer gebornen Freiin Schrattin eheliche Fräulein 
Tochter; so zwar mit dem hoch- und wohlgebornen Herrn Herrn 



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120 



Christian Friederichen Grafen und Herrn zu Mannsfeld, edlen Herrn 
zu Heldrungen, Seeburg und Schrapplau etc. zu einer Gespons und 
Braut bis auf priesterliche Copulation zugesagt und versprochen, 
aber vor solcher Copulation und hochzeitlichem Ehrentag, so den 
13. Februarij allhier in Nürnberg angestellt gewest, mit jählinger 
Leibsschwachheit überfallen und durch den zeitlichen Tod in die 
ewige Freud und Seligkeit zu ihrem geistlichen Bräutigam Jesu 
Christo abgefordert worden. Ward geboren den 6. Junij Ao. 1627 
am Sonntag Trinitatis, verschied seliglich in dem HKrrn den 9. Ja- 
nuarij Ao. 1644, ihres Alters 16 Jahr, 7 Monat, 3 Tag; deren Körper 
Gott der Allmächtige an jenem grossen Tag eine fröhliche Aufer- 
stehung verleihen wolle. Amen.* — Zu Häupten des Sarges befand 
sich rechts das Rägknitz'sche Familienwappen, links eine Tafel mit 
der mahnenden Aufschrift: 

Quae Christians fides vera et dilectio poscunt, 

Haec insignia libent, vir generöse, tau: 
Flammt ignem fidei splendentem pectore et ore 

Et durum signant caetara amoris onus. 

Gal. 6, v. 2. 

Zu Füssen des Sargs gewahrte man der Symbolik jener Zeit 
entsprechend, in einem aus zwei Blumenzweigen gebildeten Herzen 
das gekrönte Christuskind, den Reichsapfel in der Linken, in der 
Rechten die Krone der Gerechtigkeit darreichend der ihre Linke 
ausstreckenden Braut, welche, eine Lilie in der Rechten und eine 
Lilienkrone auf dem Haupte, im Styl der Madonnen mit lang- 
wallendem Haar und steifer Gewandung dargestellt war. Auf Seite 
der Braut stand der ihr in den Mund gelegte Reim: 

O mein lieber HErr Jesu Christ, 
Mein Schatz und Ehrenbräutigam bist ; 
Weil ich in Glauben auf dich gebaut, 
Bin ich itzund die Himmelsbraut. 

Auf Seite Christi befand sich die Antwort: 

Komm her zu mir, mein' liebe Braut, 
Weil mich in Glauben dir hast vertraut ; 
Aus Gnaden empfah' des Glaubens Lohn 
Von meiner Hand, die Himmelskron'. 

Nicht in Nürnberg allein, auch in der Grafschaft Mansfeld 
wurde eine Trauerfeier veranstaltet, und zwar hielt der mansfeldische 
Hofprediger und Decan Mathias Müller s eine christliche Predigt zu 



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121 



Ehren-Andenken des weiland hochwohlgebornen und edlen Fräuleins 
Fräuleins Barbarae, des hochwohlgebornen und edlen Herrn H. Galli, 
Freiherr von Räcknitz etc. herzliebsten Fräuleins* etc. in der 
Stephanikirche zu Hederschleben Auch gelangte eine Unzahl von 
Trauergedichten und sonstigen Beileidszuschriften in deutscher und 
lateinischer Sprache an den trauernden Vater, welche durch J. F. 
Sartorius in Nürnberg nocli 1644 gedruckt wurden. Die Gedichte, 
in denen sich übrigens schon Opitz's Geist bemerkbar macht, sind 
meist besser gemeint als gemacht und interessiren weniger um ihres 
Inhalts, als um ihrer Verfasser willen, indem evangel. Männer aus 
allen Theilen Deutschlands und aus allen Berufsarten auf diese Weise 
der hochgeschätzten Familie ihre Theilnahme bezeugten. Da findet 
sich unter den Trauerdichtern ein anhaltischer Rath und Halle'scher 
Syndicus, ein Eques Auratus, kaiserlicher Pfalzgraf und branden- 
burgischer Rath , ein Nürnberger Rath, ein Superintendent von 
Regensburg, die Nürnberger Prediger bei St. Sebald und Aegi- 
dien, ein Rector in Eisleben, ein Oesterreicher aus Ottensheim u. s. w. 
Auch Mitglieder der um die Reinigung der deutschen Sprache ver- 
dienten , fruchtbringenden Gesellschaft' lieferten Gedichte unter ihren 
Bundesnamen »der Ordnende 4 und »der Weichende* 2 ). Als Probe 
sei aus des Ersteren, mit den Buchstaben des Namens Barbara 
spielenden Gedichte die erste Strophe mitgetheilt: 

Beständigs ist ja nichts auf dieser schnöden Erden, 
Auch Alles eitel ist, die Schönheit bald verschwindt, 
Rab kommet Reichthum bald, die Jugend bald zerrinnt, 
Beredtsamkeit muss auch, wann's Zeit, ersticket werden; 
Ach, dieses zeigt uns an das Fräulein, so verblichen, 
Rägknitz ist ihr Geblüt, vom Bräutigam gewichen, 
Als noch der Trauetag nicht einsten war verstrichen. 

Die weiteren vierzeiligen Strophen preisen die Verstorbene 
wieder mit den Buchstaben ihres Namens als Berühmt, Anmuthig, 
Rechtschaffen, Beständig, Andächtig, Reich in Gott, und schliessen : 



l ) Gedruckt in Eisleben bei Jacob Gaubischen, nachgedruckt in Nürnberg durch 
J. F. Sartorium. 

*) Ersteren Namen trug in der ^fruchtbringenden Gesellschaft 1 ' Christian 
Gueintz, letzteren der Obristlieutenant Christian Ernst Knochen; s. F. W. 
Barthold, Geschichte der fruchtbringenden Gesellschaft (Berlin, A. Duncker, 1848) 
S. 270 und 325. 

J.hrbuch des Protestantismu« 1883. H. III. 9 



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122 



Ade nun ! fahre hin ! o Fräulein, fromm von Sinnen, 
Zu deinem Schöpfer, der dir schüfe Leib und Seel' ; 
Und Jesus Christ, der dich erlöset aus der Holl', 
Auch Gott der heilig Geist, die g leiten Dich von hinnen '). 



Gallus Freiherr von Räcknitz trug den Tod der Tochter fol- 
gendermassen in seiner Biographie nach: , Meiner lieben Tochter 
Barbara, die seithero dieses ausgezeichneten, an Statt des Hoch- 
wohlgebornen Herrn Herrn Christian Friederich, Grafen zu Mansfeld 
versprochene Braut, eine selige Braut meines lieben Herrn Jesu 
Christi (als deren Leichtext war) mit deren seligen Hintritt worden, 
wolle der Allmächtige Gott, an jenem grossen Aufferstehungstag. 
auch eine selige früliche Aufferstehung verleihen.* 

Bald darauf hatte Rägknitz einen neuen Verlust zu beklagen: 
Am 2. November 1646 starb sein theurer Freund, der weithin be- 
rühmte erste Prediger von St. Sebald, Johann Saubert. ,In seiner 
letzten Krankheit redete er viel nachdenkliche und erbauliche Dinge, 
hatte verschiedene besondere Träume und erquickende Gesichte, 
sonderlich aber dankte er Gott inbrünstig, dass wegen der rechten 
ungeänderten Augspurgischen Confession nicht der geringste Scrupel 
mehr in der Nürnbergischen Kirche wäre 2 ). 

Als Rägknitz von diesen Trauerfällen heimgesucht wurde, be- 
fanden sich die Exulanten aus Oesterreich bereits in grosser Auf* 
regung. Schon war 1643 der Deputationstag in Frankfurt a. M. 
eröffnet worden, auf welchem Gesandte des Kaisers und der deutschen 
Fürsten eine Aussöhnung versuchten, und der emigrirte österrei- 
chische Adel gab sich der Hoffnung auf Rehabilitirung und Religions- 
freiheit in der österreichischen Heimat hin, umsomehr, da die Jesuiten, 
denen die österreichische Reaction und der dreissigjährige Krieg 
hauptsächlich zu danken war, gegen Ende desselben das Haus Habs- 
burg verlassen hatten und ganz dem französischen Interesse dienten 3 ). 
Allein die Hoffnung erwies sich als trügerisch und Rägknitz musste 
sammt seinen Genossen den Gedanken definitiv aufgeben, je wieder 
in die geliebte Heimat zurückzukehren. 



') J. Rüdius, Mansfeldische und Rägknitz'sche Trauerzeichen, Nürnberg, J. F. Sar- 
torius, 1644. 

a ) Will. Niirnb. Gel. Lex. III, 459. Schon 163 1 war eine schöne Medaille auf 
Saubert geprägt worden, sein Bild findet sich oft in Kupfer gestochen. 

3) W. Menzel, Geschichte der Deutschen. 6. Auflage. II. Band, S. 616. 





123 



Aber auch durch diese herbe Erfahrung Hess sich der hoffnungs- 
los aus der Heimat Verwiesene nicht verbittern, sondern bewahrte 
dem Kaiser Treue und rührendes Entgegenkommen. Als der Herzoff 
von Amalfi, Octavio Piccolomini, auf seiner Reise nach Wien 1650 
Nürnberg berührte, öffnete Rägknitz bereitwillig seinen sonst so 
stillen Garten, um dem Adel die Veranstaltung eines würdigen Festes 
zu Ehren des hohen Gastes zu ermöglichen. In seinem Garten (hinter 
dem s Vestnerthor*) wurde aus diesem Anlass am 26. August (5. Sep- 
tember n. St.) ein glänzendes Feuerwerk abgebrannt, welches so 
brillant ausfiel, dass es im » Theatrum Europaeum* ausdrücklicher 
rühmender Erwähnung gewürdigt wurde 

Wenig Jahre später traf den gebeugten Mann ein neuer schwerer 
Schlag: 1654 starb seine zärtlich geliebte Gemahlin. Er befand sich 
eben mit seinem älteren Sohne ,in ihme angelegenen Geschäften* 
zu Dresden am Hofe des Churfürsten von Sachsen ,in die 5 Monat*, 
als ihm die Trauerkunde zukam, dass sie am 11. üctober 1654 an 
der Schwind- und Wassersucht verschieden sei, 9 da er dann in seinem 
Abwesen auch seines auff dieser Welt allerliebsten und wer- 
thesten Schatzes, mit welcher er in die 40 Jahr einer schied- 
und friedlichen Ehe genossen, beraubet worden Aber dessen allen 
uneracht hat er seinem Heben Gott auch in diesem Creutz gedultig 
still gehalten, und niemaln einige Ungedult an sich mercken lassen, 
jedoch ist nach dem traurigen Hintritt dieser seiner seligen Frau 
Gemahlin in ihm wenig Freud, sondern mehrers ein hertzliches Ver- 

') Theatr. Europ. VI, 1083. Der Garten heisst heute noch „Fragenitz", corrum- 
pirt aus „Rägknitz^Garten. — Solche Festlichkeiten, deren Kosten nicht selten die 
finanziellen Kräfte der betroffenen Adelsfamilien überstiegen, gehörten damals zum 
Begriff der standesgemässen „Repräsentation". Dr. Hans von Zwiedineck-Südenhorst 
hat im Festblatt Graz/ 1880 sub tit. .Das Reisen" interessante Mittheilungen über 
die oft geradezu kolossalen Summen gemacht, welche diese Repräsentation forderte. 
So verrechnete z. B. der steirische Landeshauptmann Franz Ungnad Freiherr zu Sonn- 
ig 1541 ftr eine Repräsentations-Reise von Graz nach Linz und Prag (3 Monate, 
23 Tage) 149 1 fl. 36 kr., für die Reise zu dem berüchtigten 1547er Reichstag von 
Augsburg (10 Monate, 10 Tage) 4123 fl. 20 kr. „Von diesen Diäten (bemerkt Dr. Zwie- 
dineck) behielt er ganz gewiss nichts für sich : er war einer der besten Patrioten seiner 
Zeit, er hat für die Hebung des Schulwesens und des Bibelstudiums in Innerösterreich 
grosse Opfer gebracht und der Sache des Evangeliums sein ganzes Leben gewidmet." 1 
Aber er musste „standesgemäss" reisen, d. h. kostspielige Feste mitmachen und ko>t- 
spiclige Feste geben. 

*) Die Leichenpredigt von Dom. Beer, gedruckt Nürnberg 1654. 

9* 



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124 



langen gewest, bei seinem liebsten Jesu als seiner himmlischen, 
und seiner lieben Frau Gemahlin, als auff dieser Welt gewesten 
irdischen Lieb in ewigen Freudenleben bald zu seyn.* 

Noch ein Strahl der Freude war dem alternden Manne gegönnt: 
die Vermählung seiner Tochter Sidonia mit dem Freiherrn Sig- 
mund Moriz von Weltz, zu Eberstein und Spiegelfeld, 
auf Weltzen eck, Heyleck, Hoheneck, Lemberg und 
Ebensfeld, Herrn des freien adeligen Ritterguts Bergenweiler, 
welche am 9. September 1656 in Nürnberg gefeiert wurde. Aber 
auch aus dieser Ehe erwuchs neues Leid: das aus dieser Ehe ent- 
sprossene Kind, Anna Katharina, starb nach 24 Stunden. Trauernd 
rief der Grossvater aus : ,Ich sehe wol, dass wenig frölicher Stund 
mir mehr auff Erden bescheret seyn, doch weiss ich, ich werd im 
Himmel haben bey dir meinem Gott Freud und grosse Gaben.' 

Bei dem Allen blieb Räcknitz dienstfertig und freundlich gegen 
Jedermann, wohlthätig gegen die Armen, fleissig im Anhören des 
göttlichen Worts, andächtig im oftmaligen Gebrauch des h. Abend- 
mahls. Die Erziehung seiner Kinder beschäftigte ihn ganz besonders. 
,So auch etwas wäre, so mehr als Vatters-Treu könte genennet 
werden, können wir billich sagen, dass wir es von ihm empfangen 
haben*, so erklärten die Söhne bei seinem Tode. Sie bezeugten, dass 
er sie mit allem Fleiss erzogen > und zu Erlernung alles dessen, so 
zu Seel und Leib nützlich, und Beschauung frembder Länder und 
Ort nöhtig, sich keine Unkosten tauern, oder «twas an sich erwinden 
lassen, auch wo er eines oder des andern Nutzen zu befördern 
gewust, uns, so viel bey diesen schweren und verwirten Zeiten ihm 
möglich gewest, an die Hand gegangen*. Ebenso sorgfältig hatte 
Rägknitz seine Töchter erzogen. Bei seinem Tode rühmten sie, dass 
er sie ,nit allein zu aller Gottesfurcht angewiesen, sondern auch 
allerhand dem Frauenzimmer wolanstehende schöne Arbeiten lernen 
lassen.* 

Im Frühling 1657 stellte sich bei Rägknitz Mattigkeit und Zittern 
der Glieder ein. Zwei berühmte Nürnberger Aerzte wandten ver- 
geblich ihre Kunst dagegen auf; der Verfall der Kräfte nahm stetig 
zu. Seit Beginn des Jahres 1658 konnte er nur mehr selten aus dem 
Haus gehen und musste meist das Bett hüten. Mit Thränen be- 
dauerte er es oft, dass es nun mit dem Besuch des Gottesdienstes 
vorüber sei. Am 18. März in der Nacht stellte sich ein Katarrh auf 



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der rechten Seite ein, der ihn so herabbrachte, dass er Tags darauf 
nicht mehr gehen konnte und man ihn heben und legen musste. 
Da er überzeugt war, dass er den Karfreitag (an welchem er zu 
communiciren pflegte) nicht mehr erleben werde, so Hess er sich am 
Sonntag Lätare (den 21. März) von seinem Beichtvater, dem Dia- 
conus M. Dominik Beer zu St. Lorenz, das h. Abendmahl reichen. 
Die verschiedenen evang. Geistlichen besuchten den Kranken, aus 
dessen Munde nie ein ungeduldig Wort kam, und beteten ihm vor. 
Alle Gebete und Sprüche sprach er andächtig nach und begann 
oft selbst mit solchen. 

Am 24. März in der Nacht nahm die Schwäche so sehr über- 
hand, dass man glaubte, das letzte Stündlein sei gekommen. Einer 
der Umstehenden fragte den Kranken, ob er seinen Herrn Jesum 
im Herzen habe? worauf dieser laut antwortete: „Ach, mein Gott! 
wer solte sonsten darinnen seyn ! Mein Herr Jesus ist darinnen und 
wird auch ewig darinnen bleiben.* Den folgenden Tag brachte er 
mit seinem Beichtvater und anderen Geistlichen im Gebete zu. 
Abends entliess er den Beichtvater mit der Bitte, ihn morgen recht 
früh wieder zu besuchen, er wolle nunmehr ein wenig ruhen. Bald 
darauf stellte sich ein Stickfluss ein. Die Umstehenden beteten ihm 
vor und riefen ihm den Namen Jesus in die Ohren. Kaum drei 
Vaterunser lang dauerte die Todesangst, dann entschlief Rägknitz 
sanft am 25. März 1658, Abends zwischen 7 und 8 der kleinen Uhr, 
im 29. Jahre seines Exilii. 39 Jahre 11 Monate 3 Tage hatte sein 
Ehestand, 3 Jahre 6 Monate sein Witwerstand gewährt, sein Alter 
betrug 68 Jahre weniger 2 Monate. 

Volle 24 Jahre vor seinem Ende hatte Rägknitz zu Nürnberg 
seinen Lebenslauf aufgezeichnet (abgeschlossen am 20. März 1634) 
und darin schriftlich festgesetzt, wie er es bei seiner Beerdigung 
gehalten wissen wolle. Die bezügliche Stelle lautet : 

„Zu Jesu meine Hoffnung ist gesteh, 
Ein gute Nacht du schnöde Welt. 

Wiewoln ein Christenmensch allein am höchsten ihme soll ange- 
legen seyn lassen, das an seinem tödlichen Hintritt seine liebe Seele wol 
möge versorget und in die Schos Abrahä (das ewige Leben nem- 
lichen) aufgenommen werde, darumben ich dann meinen Gott 
inniglich stätigs anruffe, so ist doch auch nicht Unchristlich, wann 
wegen dess Leibes auch gedacht, und Ordnung gemacht wird, 



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126 



welches ich dann hieher umb willen der Nicht- und Flüchtigkeit 
dess menschlichen Lebens hab kürtzlichen setzen wollen.* 

,Wann der Allmächtige Gott mich von dieser Welt abfordern 
würde, inmassen in meinem ordentlichen Testament seiner Göttlichen 
Allmacht ich meine Seel und Leib befehle, so soll es also gehalten 
werden : Mein Tod verblichener Cörper soll mit einem geringen 
schwartzen Kleid bekleidet, in meine Hand soll mir geschrieben 
geben werden diese Wort : Jesus meine Lieb, und Name Anna 
Catharina 1 ), dann das ist und wird bleiben meine Gött- 
liche und Weltliche einige Lieb: Alsdann in ein Zimmer 
gelegt, in einen hölzern Sarg und ein Tuch in's Grab 2 ). Mit der 
Begräbniss bitt ich umb Gottes Willen kein Gepräng zu machen, 
auch keine Zier, noch Trauer-Fahnen zu tragen, noch einiges Klag- 
pferd zu führen, die Leich getragen, und darauff meinen Degen, so 
ich an der Seiten getragen, nebens meinem Wappen, da es mit 
Evangelischer Procession soll gesungen werden: Hertel ich lieb 
hab ich dich ü HERR ! etc. und soll der Leichtext seyn Johannis 
am 21. Cap. v. 15. HErr Du weist dass ich dich lieb hab. 
(Ach ja mein HErr Jesu! du weist es.) Viel Lobs mir zu geben, bin 



») Seine damals noch lebende Gemahlin Anna Katharina geb. Schratt Freiin tu 
Kimberg, Donnersbach und Feselau. 

*) Dieser Wunsch wurde nachmals von den Söhnen treulich vollzogen. Sie liessen 
auf den Zettel die verlangten Worte „gar zierlich" schreiben und darunter folgenden 
Reim setzen: 

Eins hab ich mir erwehlt im Himmel : meinen Gott, 
Und eines auf der Erd. das bleibt bey mir im Tod, 
Biss meine beyde Dieb im Himmel sich verneu 
Und nimmermehr getrennt von nun an ewig sey. 

Unter den zahlreichen poetischen Nachrufen, welche dem Verstorbenen gewidmet 
wurden, beginnt einer (von M. Joh. Sauer, Diaconus zu St. Dorenz, verfasst) also: 

Der Zettel in der Hand, den Ihr zu Grabe traget, 

Hoeh-Wolgeborner Herr, die runde Wahrheit saget, 

was Ihr gesinnet wart. Dann Eures Hertzens Lieben 

also von Wort zu Wort steht darauff angeschrieben: 

Jesus ist meine Lieb. Darunter war gesetzet 

der Frau Gemahlin Nam, dess Schatz, der Euch ergetzet 

am meisten auff der Welt, Anna Cath'rina stehet 

flugs in der andern Zeil, wohin es ziele, sehet 

Die Gott- und menschlich Lieb hat wollen Ihre Gnaden 

durch beyde deuten an u. s. w. 



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V27 



ich nicht werth, wann mir nur die himmlische Freud be- 
scheeret ist, bi» ich schon vergnügt. Nach der Predigt soll 
gesungen oder Musicirt werden: Nun lob mein Seel den HErren, 
so ein Lied, welches in meinem Leben ich allezeit höchlich geliebet 1 ), 
und hernach ins Grab biss an den Jüngsten Tag*. 

Diesen Anordnungen fügte Räcknitz seinen Stammbaum bis 
zum Ururahn väterlicher- wie mütterlicherseits bei und erklärte 
schliesslich: »Diese meine Kitern und Voreltern setze ich nicht hie- 
hero, etwas zu suchen oder mich hervorzubrechen, dann ich wol 
weiss, dass der Mensch anders nichts ist als ein Krdenklos, sondern 
es geschieht, dass meinem lieben Gott ich hertzlich dancke, dass er 
mich von solchen Eltern hat lassen geboren werden, deren Freyherr 
und Adelichen Geschlechts ich rühmlich gedencken kann.* Seine 
nun folgende (von uns schon oben benützte) Biographie schliesst 
Rägknitz mit den Worten: »Schliesslichen, da mich mein Gott zu 
meiner Ruh mit einem seligen End kommen liesse (darumb seine 
Göttliche Allmacht ich täglich anruffe). da ich zuvor männiglich nit 
genügsame Abbitt gethan hätte, so bitte ich hiermit, weilen 
dieses nach meinem Tod solle abgelesen werden, männiglich en 
umb Gottes Willen, man wolle mir verzeihen, wann ich 
wider einen oder den andern etwas möchte gethan haben. 
Meinem Gott sag ich zwar Danck, dass er mich vor grossen Sünden 
behütet hat (der wolle mich biss an mein End davor auch gnädiglich 
behüten), allein weilen ich ein Mensch und mit jähen Zorn behafft 
gewesen, also wolle man, was geschehen wäre, mir zu Gut halten, 
und meiner, als eines sterblichen Menschen, in gutem gedencken, die 
H i n terl assene wolle Gott versorgen und ihr gnädiger 
Vatter seyn und bleiben. Amen.* 

Später, nach dem Tode seiner Frau, erklärte Rägknitz, dass er 
,bei den lieben Seinigen, die er im Leben hertzlich geliebt, auch 
nach seinem seligen Hintritt in der St. Johannis-Kirchen seine Ruhe- 
statt haben wolle*. 



*) Auch diese Verfügung wurde gewissenhaft erfüllt. Der Organist zu St. Lorenz, 
David Schedlich, Hess es sich nicht nehmen, zu dem herrlichen Liede (Psalm 103) 
^eine absonderliche Melodey" für Quartett und 3 Violinen zu componiren. In dieser Com- 
position kam das Lied bei der Beerdigung Rägknitz' zur Aufführung. Des Verstorbenen 
Symbolum „Jesus meine Lieb" wurde von Johann Christoph Arnschwanger „in einen 
Leichgesang verfasst" und von demselben Organisten für 4 Simmen „in die Noten gebracht". 



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128 



So geschah's. Drei Wochen nach seinem Tode, am Freitag 
nach Ostern, den 16. April, wurde die Leiche ,mit vieler grossen 
betrauern und beklagen in St. Johannis Kirchen in sein Schlafkämmer- 
lein und Ruhbettlein versetzet*. Vor dem Altar ward die Leiche 
aufgebahrt. Kein Gepränge, aber Thranen allenthalben. Ohne lieber- 
treibung konnte der Trauerredner, M. Dominicus Beer, Diaconus zu 
St. Lorenz, in seiner Leichenpredigt über Joh. 21, 15 behaupten, die 
ganze Stadt Nürnberg beklage den Tod Rägknitz's, ,als die an 
ihr Gn. verlohren einen recht eifferigen Better, dann mit ihrem hertz- 
lichen Gebet haben sie sich zur Mauer gemacht, und seyn für den 
Ris gestanden, und manch Unglück von unserer Stadt hinwegbeten 
helrTen, Ezel. 22*. Besonders beklagen ihn alle ,umb der Ehr und 
Lehr Christi willen Exulirende Herrn, Frauen und Freylein, weil sie 
hiedurch an ihr Gnaden verlohren einen von ihren fümembsten und 
getreusten Mitgenossen dess bittern Exilii. Die werden bey 
solcher ihrer Klag gedencken an das denckwürdige Epitaphium und 
GrabschrirTt, welche Weil. Carolus Magnus dem tapfern Helden 
Rolando auffrichten lassen: 

Tu patriam repetis, tristi nos orbi relinquis, 
Te tenet aula nitens, nos lachrymosa dies 1 ). 

Das ist, wie es auf diesen Fall kann geteutscht werden: 

Herr (»all kombt ins recht Vatterland, 
Und läst uns hier im Elendsstand, 
Er kombt in ewign Freudensaal, 
Wir bleiben noch im Jammerthal. 1 

Die grösste Klage aber führe (so behauptete der Leichenredner 
mit Recht) ,ein grosser Hauff der armen Leut, als die an ihr 
Gn. einen recht mitleidigen und gutthätigen Vatter verlohren, dem 
es eine Freude gewest, wann er den Armen nur recht viel Gutes 
thun sollen*. 

In der That empfand ganz Nürnberg schmerzlich den Verlust 
des ausgezeichneten Mannes. Diese Stimmung spiegelte sich ab in 
der grossen Zahl von Trauergedichten, deren nicht weniger als 
40 in deutscher und lateinischer, zwei in griechischer und hebräischer 
Sprache sofort erschienen und der Beschreibung des Leichenbegäng- 
nisses sammt zwei Trauercompositionen beigedruckt wurden. Besitzen 

') Mich. Sachs, Kais. Chr. pt. 3, p. 4. 



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129 



auch die wenigsten poetischen Werth und halten sich auch einzelne 
nicht frei von der damals allgemein und besonders in der Nürn- 
berger Dichterschule üblichen Tändelei mit Worten und Zahlen *), 
so schlagen doch wieder andere wirklich ergreifende Herzenstöne 
an, und Bezeichnungen, wie ,Virorum exemplum*, „der Exulanten 
Preis", ,fidum Christo pectus et clivini amator verbi*, ,magnus 
et infucatus veri Christianismi Cultor«, der ,Gott und allen frommen 
Herzen beliebteste Herr', ,dum in vivis erat, gratiosissimus, nunc 
vero desideratissimus*, ,der Stern* Nürnbergs u. s. w., welche dem 
Verstorbenen beigelegt werden, erscheinen als wohlverdiente Ruhmes- 
benennungen. Alle Geistlichen Nürnbergs, Professoren des Gymna- 
siums, Rectoren, Advocaten u. s. w. mischen ihre Stimme in den 
Trauerchor um Rägknitz's Hingang. Den Reigen eröffnet Johannes 
Michael Dilherrus 2 ) mit einem lateinischen Klagelied ,Mecaenati 
suo maximo«, das mit den Worten schlicsst: 

Donec erunt Virtus Pietasque in honore, beati 
Rägknitzi in laudis culmine nomen erit. 

Dann folgt der Pastor ad D. Aegidi, M. Joh. Leonh. Frisch; 

darauf der Prediger bei St. Jacob, M. Justus Jacobus Leibnitz, mit 
dem Gedicht: 

Wann umb Herrn von Rägknitz Grabe würd' es seyn ein Lust der Augen, 
so viel schöner Blumen stünden, Oflft und viel besuchet werden, 

als gehäuffte Tugendgabe vor ihm mancher Gart nichts taugen, 

wir in seinem Leben finden, Als dem schönsten Platz der Erden. 



») So bildet z. B. Einer aus „Rägknitz" das lateinische „Ragnüzius- 4 , aus diesem 
die Abbreviatur „Ragnüz" und aus dieser das Anagramm „Garnüz", um den grossen 
Nutzen anzudeuten, den der Verstorbene gestiftet. Es ist dies zugleich ein Anklang 
an die Devise der n Fruchtbringenden Gesellschaft": „ Alles zu Nutzen 6 . Ein Anderer 
bezeichnet das Todesjahr mit Hilfe der Zahlbuchstaben durch das Symbol des Ver- 
storbenen : „Der HErr IesVs Mein reChte Liebe". Ein Dritter findet für 
das Todesjahr drei Sätze: .Mein Lieb Der GeCreVtzIgte" ; Der HErr IesVs Liebt 
MlCh"; Den HErrn IesVM Lieb ICh". Ein Vierter bildet aus dem Symbol des 
„Olim Pientissimi, Jam Beatissimi Baronis" folgendes „Eteo-hemistichium a : „Mea es 
DILeCtlo IesV" 

») Johann Michael Dilherr (1604— 1669), der gelehrte, weitberühmte Ober- 
prediger an der St. Sebalduskirche, war zwar nicht Mitglied des Blumenordens, 
bildete sich aber nach den Häuptern desselben, besonders nach Sigmund von Birken, 
dem aus Wildenstein bei Eger gebürtigen zweiten Oberhaupt des Blumenordens. 
Dilherr's Lieder sind einfach und schlicht. (H. Kurz, Geschichte der deutschen Literatur. 
5. Auflage. II, 240 und 282.) 



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130 



Wie wird denn die fromme Seele 



Ach HErr Jesu lass sie reichlich 
dess in Ewigkeit gemessen, 
was sie hat hier unvergleichlich 
Kirch- und Schulen Guts erwiesen! 



in des Himmels Paradeise 
nunmehr völlig ohne Fehle 
blühen auserwehlter Weise? 



Der Prediger zu St. Marien, Joh. Fabricius, sagt von ihm: 



Der im Himmel ist und unser Jesus heist, 
Den hat er allezeit für seine I.ieb gepreist : 
Den hat er so geliebt, dass er von wegen seiner 
Auch willig worden ist der Exulanten einer. 
Er hat sein Ehrenamt, sein liebes Vaterland 
Verlassen, und erwehlt den trüben Elendsstand, 
Aus Liebe gegen Dich, o Jesu, seiner Liebe, 
Der biss zu seinem Tod in seinem Hertzen bliebe. — 
Nun hat er wol vollendt den Exulanten-Orden, 
Im Himmel ist ihm nun ein gutes Erbtheil worden. — 



Auch der Diaconus und Senior bei St. Egidien, M. Johannes 
Gundermann, spielt auf sein Exulantenthum an, indem er sich also 
vernehmen lässt: 



Gleichwie Herr Call Freyherr zu Räcknitz hat verlassen 

Von wegen Gottes Worts sein liebes Vaterland 

Und als ein Exulant gelebet; ebner massen 

hat er auch seinen Geist aufgeben in dem Stand. 

Drumb er von seinem Gott ist sehr geliebet worden, 

dass er empfangen hat von seiner Gnadenhand 

Im Himmel, unter den lobenden Engelsorden, 

Für das, so irdisch war, das himmlisch Vaterland." 



Der Diaconus und Senior von St. Lorenz, M. Albrecht Volck- 
hart 1 ), schrieb : 

*) Ass selbst das Brot der Verbannung. Sein Vater M. Georg Volckhart, ein 
gewaltiger luth. Streittheolog, hatte aus der Pfalz auswandern müssen, als sie 1626 
katholisch gemacht wurde. Der Sohn, M. Albrecht Volckhart (geb. 159 1), wurde 16 17 
Pfarrer zu Ortenburg in Baiern, 1620 zu Schwarzenfeld in der Oberpfalz, ward 1627 
von den Katholiken abgesetzt, 14 Tage lang zu Nabburg als Ketzer gefangen gehalten 
und dann exilirt, 1628 kam er nach Nürnberg, f 1666. (Will a. a. O., 135.) 



„Gallus ut a Räcknitz Baro vitam exulis egit 
Ob Domini verbum, sie etiam exul oblt. 
Hinc pro terrestri patriä, quam sponte reliquit, 
Coelesti fruitur, laudat ovansque Deum. 



Das ist zu Teutsch: 



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131 



Wer Jesum liebt, 
bleibt ungetrübt 



Das habt Ihr jetzt, 
Herr Rägkenitz, 



in Trübsal und Gefahren : 
denn Jesu Nam 
ist lobesam, 



auch in der That erfahren: 
Jesum geliebt, 
die Lieb geübt 



kan Seel und Leib bewahren. 

Wer Jesu nach 

durch Creutz und Plag 



von euren jungen Jahren. 

Aus Jesu Lieb 

da man Euch trieb. 



im Elendsthale schwebet, 
der kombt zu Hand 
in's Vaterland, 



zu weichen aus dem Lande, 
zo'ht Ihr behend 
in das Elend 



da Jesus selber lebet. 



und achtet nicht der Schande. 



Drumb Jesus Euch 
in's himmlich Reich 



aus Lieb zu sich gezogen, 



da Ihr jetzt lebt, 



in Freuden schwebt. 



Euer wird wol gepflogen. 



Der Pfarrer zu St. Johannis, M. Wolffgang Jacob Dümler, preist ihn 
in einem Trauerlied nach der Melodie .Herzlich thut mich verlangen* 
als den, ,der selbst die Frömheit war*, »gantz und gar dem Höchsten 
ergeben*, ,der voll war dess Erbarmen*, der nun „befreyt von allem 
Jammer, Verfolgung, Creutz und Spott*. Wenn der jüngste Tag kommt, 



Der Diaconus von St. Lorenz, M. Marcus Krär, stellt gegen- 
über die Noth, welche Rägknitz in dieser Welt überkommen, und 
den Lohn, den er nun eingenommen: 



Der mit dem Felsen-Mann, so Petrus ist, kondt sprechen : 
HErr! Du weist wol, dass mir mein Hertz vor Lieb thut brechen, 

* 

der das Elend so lang mit Abraham gebauet 

in einem frembden Land, und Gott allein vertrauet. 

Der Gott Wort und Knecht geliebt, geehrt, genehret, 

das heut zu Tag nicht viel von andern wird gehöret. 

Dess grösste Freud und Lust mit David war zu gehen 

offt in des HErren Haus, und dass sein Fuss möcht stehen 

im Thor Jerusalem 

Dess Hand weit offen stund, dess Augen sich gekehret 
zu der Dürfftigen Noht, und was ihm Gott bescheeret 
durch Seine milde Hand, von Silber, Geld und Gut, 
davon halff dieser Herr gantz willig der Armut. . . . 



r so wollen wir erheben, 
was Er uns Guts gethan, 
und Ihm zum Freudenleben, 
auch uns Glück wünschen an. k 



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132 



Der Pastor ad S. Ciarae et ad B. Mariae Minister, M. Johannes 
Majerus, sagt von diesem Vir generosus (qui plures annos vivere 
dignus erat): 

Sed tarnen hic vivit terris in corde piorum 
Virtutis felix integritate suae. 

Johann Heinrich Omeis 1 ) Diaconus bei St. Sebald, klagt, dass 
der Glanz (splendor) der Kirchen nun dahin sei, nach welchem 
Pietas, Liberalitas et Irus weinend seufze, und ruft aus: 

O lumen abreptum aedibus sacris sacrum! 
O templa deplorate nunc decus vestrum 1 

M. Georg Christoph Müller, Caplan zu St. Laurentzen, preist den 
glücklich, der Jesum liebt: 

.Und eben diese Lieb hat allezeit getrieben 
den nunmehr sel'gen Herrn, der lieber ist geblieben 
aus seinem Vaterland, als dass Er dich verliess, 
C) Jesu! welchen Er stets Seine Liebe hiess." 

M. Benedict Mauritius, Caplan zu St. Laurentzen, rühmt be- 
sonders , seines Glaubens hohe Gaben* und seine , Müdigkeit und 
Hertzerbarmen*. Das Gedicht beginnt: 

Wenn ich so viel Zeugen hette, Darum besser wers geschwiegen, 

als viel Argus Augenstette, dann mit Lallen sich verstiegen, 

würde Herr Gall nach Gebühr Herr von Ragknitz ist zu gross, 

nicht genug gelobt von mir. Menschen-Lob ist ihm au bloss" u. s. w. 

M. Paulus Weber, Diaconus zu Aegiden, schreibt : 

Ad tumulum elatus Racknützius, Inelytus Heros 

Qua Pietate Gravis, qua Gravitate Pius. 
Lugubres nostrum post se trahit undique planctus : 

Heu Pietas, dicunt, ivit et alma tides ' 
Ivit et in vigili penetrans Devotio mente, 

Ivit et in miseros largus et almus Amor! 
Cujus erat Studium cunetis dare fronte soluta, hinc 

Nunquam clausa manus, semper aperta fuit . . . 
Quam bene sie actum est Tecum, Generose Dynasta! 

Pro Curis requies nunc Tibi grata data 



•) Er war der Vater des seinerzeit vielgefeierten , Polyhistors und Polygraphus* 
Magnus Daniel Omeis (1646 — 1708), des vierten Vorstehers im Blumenorden, in 
welchem er „Dämon der Norische 11 hiess. (Kurz, Geschichte der deutschen Literatur 
II, 224 und 240. Will a. a. O. 77 ff.) 



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1 



133 



C. Arnold, Professor und Director am Gymnasium, dichtete 
einen .himmlischen Willkomm*, welcher also beginnt: 

Der da stets in Unruh schwebte, Der mit Ruhm oft beigewohnet 

ligt nun hier in stiller Ruh, manchem edlen Ritterspiel, 

der stets in Verfolgung lebte, hat die Welt zwar schlecht gelohnet 

wohnt im Himmel immerzu; (denn der Undanck gibt nicht viel !) 

dem so hertzlich weh geschehen, Doch, mit Gott ist Ihm gelungen, 

mit dem Rukken anzusehen dass Er ist hindurchgedrungen 

Land und Leute (wie bewust) aus dem Elend, Kampf und Qual 

siht vor Augen seinen Lust. in der Christen Rittersaal. 

M. Johann Carl Stephani l ), , Diener am Wort Gottes zum 
h. Geist im N. Spital* lieferte ein Gedicht, welches mit Bezug auf 
Rägknitz's „Haus- und Hertz-Musik* also beginnt: 

Der selbsten seinen Cott nach Davids schönen Weisen 

geflissen war zu preisen, 
soll unbesungen nicht hingehn nach Seiner Ruh. 

Es stimm ein Jeder zu! 
Ihr Hoch- und Niedrig Stands, Ihr Alten sambt den Jungen, 

Herr Rägknitz wird besungen, 
kombt, stärcket unsern Chor: Ihr arme Leut voran 

betaurt den theuren Mann. 
Was soll man aber wol zuerst an Ihme loben ? 

die Gottesfurcht steht oben : 
Die übertrifft den Stand der Hochgebornen Ahnen, 

Sie schwinget ihren Fahnen 
weit über alles was Ihn sonst beliebt gemacht. 

Diss war sein gröster Pracht, 
wann umb Ihn rings herumb, als Seine Leib-Lackeyen 

der armen Leut Parteyen 
sich drengten umb die Gab. Es zeiget Engeland 

Ihrs Königs Osswald Hand, 
die wegen Teicher Spend ganz unverwesen blieben : 

dergleichen wird geschrieben 
vom König Stephano, dem Ungarn treue Pflicht 

geleistet, weil das Liecht 
dess waaren Glaubens Er zuerst dort angezündet. 

Wann diss sich waar befindet, 



*) Geb. 1620 in Nürnberg, jüngerer Bruder des M. Eph. Stephani, Pfarrers zu 
St. Georgen in Ungarn, 1647 zum Dienst der deutschen Gemeinde in Venedig vorge- 
schlagen, „so aber hintertrieben wurde" ; verbrachte fast 10 Jahre auf den Univer- 
sitäten Altdorf, Strassburg, Tübingen, Jena, Gelehrter und Dichter, f 1683 als 
Diaconus bei St. Sebald in Nürnberg. (Will III, 772.) 



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134 

so ist Herrn Rägknitz Hand auch gleiches Wunders werth, 

dass in der GrufTt der Krd 

Sie keine Faulung rühr. Diss ist erst eine Tugend 

Sein Eifer ist bekand, 

wie Er sein Vaterland 
aus Lieb der reinen Lehr freywillig hat verlassen. 

Wie ? wann auch solcher massen 
Ihm Gott den Wanderstab gegeben in die Händ, 

dass aller Ort und End 
Sein Christlich-mildes Hertz wiird in der Frembd verspüret ? 

Nun, Gott hat Ihn geführet, 
wie Er Sein Heilgen pflegt zu führen, wunderlich! u. s. w. 

M. Balth.Seuffert, Diac. Aegid. 1 ), lässt den Verstorbenen ausrufen: 

Exul eram terris, nunc coeli sede receptus, 
Ante DEUM patriä laetitiaque fruor. 

Joh. Jacobus Ernst »Nosodochii, quondam ad S. S. Norinbergae 
Pastor*, bezeugt: Omnia, templa scholaeque et populus mecum 
deplorant morte peremtum. 

Johann Vogel, Rector der Schul Sebaldi, schreibt : 

Im Vaterland halt Er wohl können bleiben 
Sein Stand und Amt noch immer höher treiben, 

bey vollem Gut 

und hohem Muht 
dess höchsten Hofs sich einen Fürsten schreiben. 

Dess HErren Schmach wolt Ihm doch mehr belieben, 
als wo mit sich der Welt ergeben üben. 

Dess HErren Wort 

sprach: wandre fort, 
wo Du nicht wilst die Seele selbst betrüben. 

Dein Hertzenlieb, Dein Jesus, wird schon finden, 
womit Er, was Du lassen must dahinden, 
% ersetzen kan ; 

thu als ein Mann 
lass nichtes Dich, was man sonst liebet, binden. 

Der theure Herr nam an des Worts Ermahnen, 
gedachte nicht, wie lang die lieben Ahnen 

von langer Zeit, 

bey Fried und Streit, 
an diesem Ort erhalten ihre Fahnen. 



*) Geb. 1615 in Nürnberg, f daselbst als Senior zu St. Egidien 1674. Von ihm 
gedruckt Leichenpredigt auf Joh. Friedrich von Wolfstein, Freyherrn zu Obern Sulz- 
bürg 1650. (Will HI, 691.) 



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135 



Drum zog Er fort, nam mit sich seine Lieben, 
die mit Ihm stehn im Himmel angeschrieben, 

vertraute vest, 

Gott hett ein Nest 
für Ihm ersehn, für dem Er ward vertrieben . 

Nun, nun ist Er im Himmelfürsten Orden, 

ist völlig erst ein Edler Freyherr worden. . . . 



Der Conrector des Gymnasiums, Georg Widmann, klagte in 
seinem Trauergedicht über die Lauheit der »Maul-Christen*, die in 
Verfolgung abfallen: 



O wie änderst ward gesinnt 
unser Herr von Rägkenitz ! 
Der hat bey Verfolgungs-Wind 
bald verlassen seinen Sitz, 
sein geliebtes Vatterland, 
wie fast männiglich bekannt. 

Seinem lieben Jesu nach 
ist gefolget dieser Herr, 
ist gegangen übern Bach 
Kidron, ob wol dieses schwer, 
hat genommen für die Hab 
in die Hand den Wanderstab. 



O, wie lang hat Er allhier 
sich enthalten in der Stadt! 
an der schönen Kirchen-zier 
Lust getragen früh und spat, 
seine Lieb' allda gesucht, 
seinen Jesum, in der Flucht. — 

Ja. weil er auf dieser Welt 
hat verlassen williglich 
seine Herrschaft, Land und Feld 
hat Ihn Jesus jetzt zu sich 
hingenommen und zum Lohn 
zugetheilt die Lebens-Cron. 



Ein längeres lateinisches Gedicht, von Adolfus Saubertus ■) ge- 
widmet ,susceptoris et patroni incomparabilis, summeque de me 
meriti, Domini mei clementissimi, magnis Manibus* klagt über die 
finsteren Mächte, 

i 

quae per rapinam Capitis unius cuncta 
rapuere nobis ; Capitis unius, dico, 
verum, quod instar millium fuit nobis. 
Carum Caput', sie ergo, sie jaces ? Nomen 
quondam mihi dulcissimum, sed, heu, quondam ! 
nunc non sine lacrumis vocande KAKNIZI ! 



und ruft die Muse auf, zu klagen über den unersetzlichen Verlust 
der grossmüthigen Hände, 



') Rägknitz' Pathenkind (s. oben); studirte in Altdorf, Strassburg, Helmstädt, 
Leipzig, Wittenberg, rüstete sich eben zum Jenenser Jubiläum (1658), als Rägknitz 
starb, ging dann noch an die Universitäten Heidelberg, Bamberg, Erfurt und Würzburg, 
f schon 1678 als Pastor zu St. Egidien. (Will, 466.) 



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136 



quas nemo vidit occlusas, 
ut non bonis bcnefacerent ubicunque : 
at, proh dolor! jam torva Mors eas clausit. 
Heu ! plange Musa plange, cuncta quem plangunt 1 
Quem quisquis Magnus luget, ulpote Exemplar 
Magnatium ; Quem nemo non Bonus plorat 
ceu grande Columen ; Quem Scholae atque Quem Terapla 
flent ut Patronum, et Üoctus Ordo, communem ; 
Quem turba paupera lacrumabili questu ut 
supremum Asylum poscit ejulans altum ; 
Quem nostra denique Noris omnis, insignc 
tanquam Decus desiderans gemit triste. 
Et, fallorr an Pegnesus 1 ) ipse jam coepit 
turbidior ire, verticemque dejectus 
Lugubre quid submurmuravit, ut Lessum? 
Nimirum et ille tangitur Tua morte, 
O Magne RAKNIZI ! doletque discessum. 

Rührend ist der Erguss eines Studenten (Hum. Stud.), Daniel 
Schauer, welcher die letzte Zeit Diener bei Räcknitz gewesen war 
und die Leichenwacht bei seinem todten Herrn zu halten hatte. Er 
benützte die einsamen Stunden, ,als die Nacht bey seinem verblichenen 
Cörper wachte*, um seinem erregten Gefühl nach Jugendart in 
leidenschaftlichen Interjectionen Luft zu machen: 

Wo ist mein lieber Herr, mein lieber Herr hinkommen 
so eilend und geschwind? 

Wie sanflft und seelig ist doch dieser Herr entschlaffen . . . 

Hier liegt der todte Leib, da steht die Artzeney, 

nicht eines unter dem vom Tod Ihn machte frey . . . 

Mild war er ron Natur, ein Vatter aller Armen. 

Wer kann so steinern seyn, dass Er sich nicht erbarmen 

solt über dieser Leich ! Nun ruht in Eurem Grab 

Ihr, Ihr mein liebster Herr, die Motte oder Schab, 

so Euch verzehren wird, muss alles wider geben 

am lieben Jüngsten Tag zum Freudenvollen Leben. 

Ein gewisser Andreas Haas verfasste folgendes Epitaphium : 

Steh, Wandersmann! steh still! geh nicht geschwind vorbey, 

Schau vor mitleidig an, wer da begraben sey, 

Herr Gall von Rägkenitz, der Exulanten Preiss, 

dem niemand anders nichts, als Lob zu geben weiss. 

Der Jesum vest geliebt, den Armen wolgethan, 

der hat den Leib allhier, sein Geist ist Himmel an. 

'•• Die Pegnitz, ein Flüsschen, welches Nürnberg in zwei Hälften theilt. Von ihr hiess die damalige 
Nürnberger Dichterschule : n Der Pegnitz-Orden", oder „Der penesische Blumcnorden". 



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137 



M. Carl Dietelmayer, ,Diac. der Kirch zu S. Sebald*, rief die 
ganze Stadt Nürnberg zur Todtenklage auf: 

Edle Noris, must du nun 

auch die Tauerkleider nehmen? 

must du dich nun auch bekwehmen 

deinen Zierrath abzuthun, 

weil sich Der von dir verliehret, 

Der am schönsten dich gezieret? 



Ach! dein vormals wehrter Gast, 
den du frölich aufgenommen, 
dess du dort, als Er gekommen, 
dich so hoch erfreuet hast, 
Diesen must du nun beklagen, 
weil Er dir wird weggetragen. 

Wie Er deiner Stadtgemein' 

vor hat jederzeit beliebet, 

also wird sie nun betrübet, 

da sie Sein beraubt muss seyn; 

Der ihr Lust und Freude gäbe, 

trägt ihr Lust und Freud zu Grabe. 



Deine Hirten sehnen sich, 

deiner Schul* und Kirchen Mauren 

sind durchaus erfüllt mit Trauren, 

ihre Herd seufzt inniglich, 

weil sie Den siht auf der Baare, 

Der ihr Grosser Gönner wäre. 

Ja, der Armen ganze Schaar 
lasset reiche Threnen fallen, 
und beweinet Den für allen, 
der ihr Trost und Vatter war 
Ihnen hat Sein tod geschadet, 
die Er vor mit Nuzz begnadet. — 



Er, der Stern, der deine Stadt 
hat mit Seinem Glantz ergözzet, 
ist nun Himmel an versezzet, 
weil Er Gott gefallen hat ... . 

Der letzte in der Reihe der Klagelieder-Dichter, Friedrich Kling, 
erinnert daran, dass man nur durch Leiden in's Reich Gottes ein- 
gehen könne, und fährt dann fort : 



Das hat nun wol bedacht 

Herr Ragkönitz auf Erden, 

der hat sich aufgemacht, 

ist fort, auch mit Beschwerden, 

gezogen nach dem Ort, 

wo noch das reine Wort. 



Dann Gottes Wort hat Er 
von Hertzen so geliebet, 
dass es Ihm nicht zu schwer 
gefallen, noch betrübet, 
dass Er verlassen soll 
das Land, und alles voll. 



Weil er darbey verharrt 
biss an Sein Lebens Ende, 
die Gutthat nicht gespart, 
ja offt der Armen Hände 
gefüllt, so hat Ihn Gott 
geführt aus aller Noht. — 



Jahrbuch des Protestantismus 1883. H. III 



10 



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138 



Es erübrigt uns noch, über die äussere Erscheinung des von 
ganz Nürnberg so hochverehrten und um die Stadt so verdienten 
Rägknitz Mittheilung zu machen. Dem 1658 in Nürnberg erschienenen 
,Abriss Eines rechtschaffenen Jesum liebhabenden Christen .... 
Herrn Galin, Freyherrn zu Rägknitz* u. s. w. ist, von J. Sandrart's 
Meisterhand ausgeführt, das Porträt des Freiherrn beigegeben, dar- 
über sein Wappen, in den Ecken vier Medaillons mit Darstellungen 
aus dem Leben Abrahams und den Inschriften: ,Geh nur davon. 
Sei fromm für mir. Gieb Armen hier. Ich bin dein Lohn.* Inner- 
halb dieser vier Medaillons von einem hochovalen Kranz einge- 
schlossen befindet sich das Brustbild des Freiherrn, in Ausdruck, 
Barthaar und Kleidung an Gustav Adolf erinnernd, ein Kopf in 
weissen Locken, voll Milde und Ernst, zu seiner Rechten an einem 
theilweise sichtbaren Säulenschaft die Zeichen ML. und A<L., dar- 
unter das Symbol: ,Herr du weisst, dass ich dich lieb hab*, ünd 
unter dem Gesammtbild, als Zusammenfassung des Ganzen, mit Be- 
zug auf die vier Medaillons, die Unterschrift : 

Gott spricht zu Abraham, Genesis 12, 1: 

I. Geh auss deinem Vatterland, und lass deiner Freundschafft band. 
II. Wandle für mir und sey fromm, dass mein Segen ru dir komm. 

III. Ich, Ich bin dein Heil und Schild, weil du bist den Armen mild. 

IV. Ich bin dein sehr grosser Lohn, und gieb dir die Himmels Krön.*) 

Zum Schlüsse sei bemerkt, dass die Familie Rägknitz (oder, 
wie sie sich später schrieb: Räcknitz) im XVIII. Jahrhundert von 
Nürnberg nach Baden übersiedelte. Ein Nachkomme derselben, 
Carl Freiherr von Räcknitz, besitzt jetzt die Herrschaft Heinsheim 
(Post Wimpfen) am Neckar im Grossherzogthum Baden. 

Die Stammbäume der Familie Rägknitz und verschiedener mit 
ihr verwandter Adelsgeschlechter folgen unmittelbar nach diesem 
Artikel. 



') Der Centialvorstand unserer Gesellschaft hat eine gelungene Photographic des Portrats »n- 
eiligen lassen, welche im Bureau der Gesellschaft (Wien, I. Dorothcerßasse 16) a i fl. tu haben ist. 



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XL 

Exulantenlieder. 

Mitgetheilt von Pfarrer J. FRIEDRICH KOCH in Gmunden. 

Dass es sich der Mühe lohne, in Kauf- und Kramläden nach 
alten Schriften und Büchern, die als gutes Material zum Verpacken 
noch immer gern angekauft werden, zuweilen Nachfrage zu halten, 
habe ich hinreichend erfahren. 

Ich verdanke solcher Nachfrage in einem kleinen Laden ein 
altes geschriebenes Büchlein, dessen erste und letzte Blätter — viel- 
leicht schon seit einem Jahrhundert — zwar fehlen, welches aber 
immerhin der Rettung vor gänzlicher Zerstörung werth war. 

Es ist ein handschriftliches Gebet- und Gesangbuch aus den 
Jahren 1728 bis 1734, wie die manchen Nummern beigefügten Jahres- 
zahlen erweisen. 

Die Liederabtheilung enthält zum Theil bekannte Kirchenlieder, 
zum Theil unbekannte Lieder *). 

r 

*) Ein schwungvolles Sommerlied möge hier eine Stelle finden. 

„Im Thon: Waß Lebet, waß schwebet". 

1. „Wie lachet der Himmel, wie glänzet die Erden, 
wie freuet sich alles, weils Sommer will werden. 
Wie Lieblich, wie Lustig, wie herrlich, wie schön 
Thut alles in Feldern vnd Wäldern aufgehn. 

2. Wie funckelt die Sonne mit güldenen Straten, 
wie Kan sie die Städte vnd Dörffer bemahlen, 
die gärten, die Wießen, daß grünende Feld 
sind prächtig mit Blumen vnd Farben Bestelt. 

3. Sie blaßen zur Naßen wohlriechende Winde, 
damit man die Kräfte im Herzen empfinde. 
Daß Schuppichte Wafßer-Volck spület im Meer, 
Es fähret mit Freuden die Länge, die quär. 

10* 



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140 



Die nachfolgenden , Exulantenlieder* sind diesem Büchlein ent- 
nommen. Es sind drei an der Zahl. Das vierte daselbst noch ent- 
haltene ist das allbekannte Lied von Schaitberger : ,Ich bin ein 
armer Exulant* u. s. w. 

Da dem ersten Liede die Jahreszahl 1731 beigefügt ist, so ergibt 
sich daraus, dass es nicht für Transmigranten, sondern für Emigranten 
abgefasst worden, und zwar, wie ich vermuthe, für Salzburger Emi- 
granten. Das erste Ausweisungspatent, welches der Salzburger Erz- 
bischof Leopold Anton Freiherr von Firmian erlassen hat, erfolgte 
im Jahre 1731. 

Dass der Verfasser dieses Liedes ein Mann aus dem Volke war, 
beweist die Sprache deutlich genug. 

Aus den in den Liedern enthaltenen Schreibfehlern erhellt, dass 
die Lieder meines Büchleins nicht Original, sondern Abschrift sind. 

In den bisher gedruckten Exulantenliedern habe ich keines der 
drei Lieder gefunden und so mögen sie denn, wenn auch gerade 
kein poetischer Werth ihnen beigemessen werden kann, doch um 
des historischen Interesse willen hier eine Stelle finden. 



I. Selig der Tag in dem ich muß scheiden 2. ein Erthlein hat mir Gott erwählet. 



4. Die Vögel in Lüften, mit Lieblichem Singen, 
auf Bebenten Aesten mit Freuden Vmspringen ; 
Die Nachtigal Kämpftet mit Frülichem Schall 
mit ihren gespielen im grünenden Thal. 

5- Die Hirschen, die Bären, die gämße vnd Rinder, 
die Schaffe, die Ziegen, die Hirten vnd Kinder, 
die springen vnd singen, die scherzen mit Freud, 
vergangen deß Winters verdrießliche Zeit. 

6 Die Herzen der Frommen, erfüllet mit Wonne, 
erfreuen sich vber der glänzenden Sonne, 
vnd sagen : Wie Lieblich wird imerdnr sein, 
der Himmlische Sommer im Ewigen Schein." 



I. 



mein liebes Vatterland zu Meiden, 
vnd mich begeben in das Elend, 



der Herr wird mein geleitsmann Seine 
mich Beschizen durch Sein Engeleine, 
die der Glaubigen Wächter Sein. 



welches mein Herzen wohl gefählet, 
vnd Ruehe gibt der Sellen Mein, 
gleich wie ein hirsch verlanget sehre, 
Nach frischen Waßer, Alßo Herre 
dirstet mein Seel zu dir Allein. 



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141 



3. Wohlauf wohlauf ihr frommen Christen 10. Wol auf o Mensch Thue wol Bedencken, 
vnter den Plutfahn Thut Euch Rüsten waßfüer Ein Erb dir Gott wierdschencken, 
weil jczt die Stund verhanden ist, so du Ihm Allein Hängest an, 

daO wir vns alle miessen Kehren Thue Ihm von Herzens Grund vertrauen, 

Van hinnen Nach dem willen des heren, auf sein Zusag Thue fröhlich bauen 
Veßer Haubtman heiß Jesu Christ. Er ist allein der helfen Kan. 

4. Ach du mein Seel due Nicht verzagen Ii. Es Muß Jacob oder l ) Esau fliehen, 
mit vnßern heiland wollen wirs wagen vnd Einen weiten Weeg hinziehen, 
von ihm nicht weichen vnb ein Har Heut 3 ) nichts den Nur den Stecken sein, 
ob schon die Welt vnd Teufel witten Gott Seegnet Ihn so wunderleiche, 
Gott weiß Vnß alle wol zu bhiten daß Er am gut ward allso Reiche, 
das Vns Kein übel widerfahr. vnd Kam mit grofßer Anzahl heim. 

5. Sehr weh Thut Es wol Fleisch (vnd) Plute, 12. Recht Floh auch Dauit vor seim Sohne, 
wann es anficht Sein Ehr vnd guete den Vngerathenen Absolone, 

vnd mus es Lafßen alles Stahn, nicht gring war die Verfolgung sein, 

wan du Aller Welt guet Thättest Erben, Doch halff Ihm Gott auß aller Nothe, 
mißest in deiner Seel verderben Macht alle seine Feind zu spotte, 

vnd endlich auch von hin daruon. Sezt Ihn wider zum König Ein. 

6. Denckh du daß dißes zeitlich Leiden 13. Nach dem Must auch Elias fliehen, 
Nicht werth Sey der Ewigen Freuden Vor Jezabel vnd Weit hinziehen, 
welches alles den bereitet ist, Batt Gott, daß Sturb die Seele sein : 
die auf die Hilft" deß Herren harren, sprach alle Propheten Seind erschlagen, 
vnd Ihr gewifßen Rein bewahren nach Meinen Leben sie auch Jagen, 
vnd halten Sich an Jesum Christ. bin Vberblieben Nur Allein. 

7- Ist doch Kein Mittel Nicht auf Erden, 14. Baldt Ihm der Herr Zur Antwort gäbe, 
Dardurch wier Können Seelig werden, ich mir noch außerwählet habe 
Dann Nur allein durch Jeßum Christ, Sibentaußend in Ißrael 

der fier vnß alle ist gestorben, die Ihre Knye nicht haben gebogen, 

vnd Gottes Gnad vnd Huld Erworben, vnd Von dem Baal nicht Seynd betrogen. 
Ein Mittler Er Auch worden ist. darumb zieh dahin wider schnell. 



S. Alles Muß doch offenbar werden, 
Gutes vnd Bößes waß auf Erden, 
geschiecht vor Gottes Angesicht, 
Ein ieden wird Sein gwifßen Sagen, 
waß Er gethan hat in seinen Tagen 
Keiner wird da Entlauffen nicht. 

9. Nach den wierdt Gott fein Vnterscheyden, 
die Fromen zur Ewigen freudten, 
Vor der gottloßen Angeßicht, 
denen wierd Gott daß Vrtheil fallen, 
daß sie Miefßen gehn zur Hölle, 
welche Ihnen ist zuegericht. 



15. Es Must auch Bald mit grofßem Schmerzen 
Maria Mit Betriebten Herzen, 

Mit Jeßu Ihrem Kindlein klein, 
vor dem Tyranen Herode Fliehen, 
vnd in Egyptenland weit hinfliehen, 
vnd dort in grofßen Elend sein. 

16. Recht Last Vnß alle den Herren Loben, 
in seinem Hohen Thron dort oben, 

da es uns Also wirdig acht, 
Vmb seines Worts willen zu leiden, 
vnd seiner Hilft Erwarten mit Freuden 
es Steth alles in seiner Macht. 



>) Schreibfehler „oder" anstatt „vor". — ») ,Heut" anstatt „hat" Reschriebm. 



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142 



Gott wierd Einmal dißem Elende, 18 Ewig wollen wier Gott schauen ane, 

genädiglich Machen ein Ende, mit allen Engelein Singen schene 

vnd vnß mit Gnaden Sehen an, Heilig, heilig ist vnfler Gott, 

Verkehren vnßere Traurigkeiten, auch werden alle Feind erschröckhen 

in die Ewige Himmlisch Freuden, wann Gott die Vrtheil wierd Entdecken, 

die vnD niemand Entwenten kan. die uns haben Bracht in Solche Noth. 

19. Recht will ich daß Liedlein Beschließen, 
Herr Jeßu durch dein Pluetvergiefßen, 
Bitten wier dich in Vnßeren Leid: 
Regier Vnß durch den Heiligen geiste, 
in Lieb vnd glauben allermeiste, 
vnd schenck vnß allen die Seeligkeit. 

17 Amen. 31. 



II. 

Im Ton: Diß Sind die H. Zehent Gebott. 



In Gottes Namen Reißen wier, 
Sein heiliger Engel geh Vns fier, 
Wie den Volckh in Egippten land, 
daß Entgieng Pharaonis Hand. 
Kyrieleißon. 



2. Herr, du Wollst Vnßer Gleits Mann Sein, 
vnd Mit Vns gehen aus vnd Ein, 
vnd Zeigen alle Steig vnd Steg, 
Wehre dem Vnfatl auf den Weg. 
Kyrieleißon. 



III. 

Ein Lied Im Thon : Jesu der du meine Seele. 



Ach wann wir daß Recht bedenken, 

Sölten wir ia Fröhlich seyn, 

weil vnß Gott an iezt Thut schencken, 

Sein Heiliges Wort so Rein. 

Daß wier es Erkennen Lernen, 

dauor dancken wir dem Herren, 

daß vns Gott so würdig acht, 

diß o Mensch Recht wohl Betracht. 

Nun so wollen wir Gott Bitten 
daß er vns erhalt dabey, 
Weil er für Vnß hat gelitten, 
Daß wir ihn bekennen frey, 
vnd ihm allezeit Lobsingen, 
So woll er vns helfTen Ringen, 
Mit dem Teuffei vnd der Welt, 
daß er Vns den Sieg erhält. 



3 Wann wir werden schon verachtet, 
vnd Verspottet auf der Welt, 
Gott hat alles wohl gemachet, 
Dann es ihm allso gefällt, 
daß wir hier auf Erden Leyden, 
Wann wir wollen zu den Freuden, 
in den Himmel gehen ein, 
Mifßen wir gedultig seyn. 

4. Wenn Man Vnß schon Thut vertreiben, 
Hie auß Vnßerm Vatterlandt, 
Wollen wir Beständig Bleiben, 
Weilen uns gar wohl Bekannt, 
Daß die Christen auf der Erden, 
allezeit verfolget werden, 
Christus spricht durch Creuz vnd Pep 
Fürth er uns in Himmel ein. 



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143 



5. Wann uns schon die Welt Thut hafßen, 
Christum hat sie vor gehast, 
Mus ich gehn auf Dornen Strafßen, 
nur getrost wer Jesum fast, 
In Verfolgung, Creuz vnd Leiden. 
Müssen wir von hinen scheiden 
darum hafßet uns die Welt, 
Reine Lehr ihr nicht gefält. 

6 Müfßen wir gleich Band vnd Ketten 
Tragen um die Reine Lehr, 
er Kan uns daraus Erretten, 
hat doch Christus Vnßer Herr, 
Schon vor uns die Band getragen, 
da man Ihn ans Creuz geschlagen, 
Drum folg ich ihm willig nach, 
In Verfolgung, spott und Schmach. 

7. Ich will nun getrost außreißen. 
ob ich schon nicht weiß wo auß, 
Gott wird wie Elia speißen, 

In der Wüsten wie Zu Hauß, 

Er wird uns schon Labßal schicken, 

Leib vnd Seel auch so erquicken, 

daß wir Müfßen Sagen frey, 

daß Gott um vnd bey uns sey. 

8. Seelig, die Verfolgung Leiden, 
Wegen der gerechtigkeit, 

dann die Süfßen Himmelsfreuden 
Seyn den Frommen schon Bereit, 
spotten uns die Leut auf Erden, 
Wiird es doch nicht lange werden, 
Lestern sie, so freuet Euch, 
Ihr seyd groß im Himmelreich. 

9. Will») uns gleich die Welt verachten, 
oder gar verdammen Thut, 

Last uns dieses gar nicht achten, 
Es Kommt alles uns zu gut, 
Laß sie spotten, laß sie schreyen, 
vnd uns ins gesichte speyen, 
Vnß gleich Stofßen hin vnd her. 
Wegen vnsrer Reinern Lehr. 



») Schreibfehler „will* anstatt „wenn-. 



10. Darum thut auch Christus Sagen, 
Wer mir hier Nachfolgen will, 

der mus mir daß Creuz Nachtragen, 
vnd Verfolgung Leiden viel, 
Wer Mich aber nicht will Kennen 
Dessen werd ich mich auch jehämen, 
Vor dem himmlischen Vatter mein, 
Werden sie Verstofßen seyn. 

11. Nun So seys in Gottes Namen, 
Ich Leid alles mit gedult, 

Wann mich Gott dort wird Verschonen, 
Hie hab ichs gar wohl verschuld, 
Dießes Leyden auf der Erden 
Wird in Freud verwandelt werden, 
Hie wehrts nur Ein Kleine Zeit, 
Dort die Freud in Ewigkeit. 

12. Müfßen wir gleich alls verlafßen 
Freund, geschwistrig, Hab, vnd gut, 
Dennoch wollen wir Stets faißen, 
Einen festen Glaubens Muth, 

Er wird uns schon wieder schencken, 
Wann wir an sein Wort gedencken, 
Vns bescheren Haab vnd Hauß 
Auf Dein Wort, Herr Ziehn wir aus. 

13. Drum wir Lafßen Jesum walten, 
Weil wir stehn in seiner Hut, 
Er wird uns allzeit erhalten, 
Weil er selber sagen Thut, 

Ich will Euch allzeit ernähren, 
vnd euch speiß und Trank Beschehren, 
Ihr dörffst darum Sorgen nicht. 
Dann Ich weiß, waß Euch gebricht. 

14 So will ich von Gott nicht weichen 
Weil Sonst niemand Helffen Kan, 
Er hilft Armen vnd auch Reichen 
Wer in Glauben ihn Ruftet an, 
Wer sich Thut von ihm abkehren, 
den will er auch nicht erhören, 
Wann er Kommt in Angst vnd Peyn, 
Soll er ganz verlafßen sein. 



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144 



Es ist Sonst Kein Hilff zu finden, 
Als bey Gott dem Herren mein, 
Der uns hat erlöst von Sinden, 
Wird all vnßer Helffer seyn, 
vnd mir auch mein Sind vergeben, 
die in Meinem ganzen Leben 
Ich gethan, vnd sprechen frey, 
Nun ich Bleib ihm Stets getreu. 



16. Nun habt Danck ihr meine Freunde, 
die ihr uns viel guts gethan, 
Bittet mit uns vor die Feinde, 
Daß sie folgen Vnsrer Bahn, 
Ihre Herzen Thu erweichen, 
Daß sie mit uns Bald Erreichen, 
Daß Ziel, wo daß Kleinod ist, 
Vnsern Heyland Jesum Christ. 



17. Ach Gott Thu uns Stets erhalten 
Bey deinem Wort vnd glauben Rein 
Laß die Lieb auch nie erkalten, 
in der Hoffnung Bständig seyn, 
Laß Vnß Pilgram Bald gelangen, 
Wo Vor deinem Throne prangen 
Cherubin vnd Seraphin, 
Führ uns Bald mit Freud dahin. 



< 



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?, ja*. l883 . s. I3 8. I# stamn 



I. 



^ Gallus Freiherr von Rägknitz NB - Ga Uus und Moritz 

uxores werden 1553 in den 

- . - ~ g. »: i. - .. . ..... j —i— 



Jahrbuui aes rroiH»nit«nui joo. 4 . ...... 11 



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j XII. 

Studien zur Reformationsgeschichte Nordböhmens. 

Von Rudolf Wölk an. 
IV. 

Die Ritter von Bünau und die Reformation in Tetsehen 1 ). 

Zwei Stunden nur der Landesgrenze entfernt, erhebt sich dort, 
rwo die Polzen ihre dunklen Gewässer dem Elbstrom zusendet, dass 
jjsie sich noch weit hinaus deutlich abheben von den gelbbraunen 
"Fluthen des letzteren, auf steilem, schroff zum Flusse abfallendem 
eisen Schloss Tetschen, zu seinen Füssen die Stadt gelagert. Ihre 
eschicke reichen weit hinauf in die Vergangenheit des Landes, 
on das Jahr 993 nennt uns Tetschen als Zollstation ; die günstige 
ge der Stadt, sowie der Umstand, dass in ihrer Nähe die alte 
lzstrasse aus Böhmen nach Sachsen und Halle führte, trug viel 
azu bei, den Ort zu rascher Entfaltung gelangen zu lassen; einen 
heil des Salzzolles lieferte er seit dem Jahre 1146 an das Kloster 
u Plass ab. Herzog Wladislaw hatte den Cisterciensern diese Ein- 
ahmsquelle zugewiesen. Das schnelle Emporblühen brachte es auch 
it sich, dass Tetschen als die ansehnlichste Stadt im weiten Um- 
eise zum Mittelpunkte der nach ihr benannten 2upe wurde und 
ies bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts auch verblieb. Und selbst, 
in dieser Zeit (circa 1249) der Sitz der Zupe auf das empor- 
ebendc Leipa ubertragen und so der Stadt ihre bisher rühm- 
ich behauptete, bedeutsame Stellung streitig gemacht wurde, 



») Der Verfasset fühlt sich dankbar verpflichtet, hier der freundlichen Unter- 
stützung zu erwähnen, die ihm bei Abfassung des vorliegenden Aufsatzes von sehen 
der Herren C. John, Bürgermeisters von Tetschen, 1'. Eduard Schwaab, Pfarrers von 
.Arnsdorf, und 1'. Franz Focke, Pfarrers in Königswald bei Hodenbach, zu theil wurde. 
Des letzteren Werk: „Aus dem ältesten Geschichr>.gebiete Deutschböhmens" war vor 
allem eine treffliche Grundlage für diesen Theil meiner „Studien*. 

Jahrbuch des Protestantismus 1883. H. IV 11 



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146 



verkümmerte sie trotzdem nicht in ihrer Entwicklung. Diese wurde 
vielmehr noch begünstigt, als im Jahre 1306 Wenzel III. die bisher 
königliche Stadt, die ihre Sonderstellung durch mancherlei Zinsung 
hatte erkaufen müssen, den Brüdern Johann und Wanßk von 
Wartenberg schenkte. Wir haben dieses Geschlecht bereits früher 
kennen gelernt, können uns also hier um so kürzer fassen. Mehr 
denn zwei Jahrhunderte besassen die Wartenberge die Stadt, ihre 
ältesten Privilegien verdankt sie diesem Geschlechte und mit ihnen 
die eigentliche Grundlage ihrer städtischen Existenz. Die mannig- 
fachen Geschicke der Wartenberge Hessen auch Tetschen nicht un- 
berührt; waren doch die gegenseitigen Interessen auf das Innigste 
mit einander verflochten. Und manche Wandlungen machte dieses 
Herrengeschlecht durch. Vom strengsten Katholicismus zur Ver- 
teidigung der husitischen Lehre und von da bis zum lutherischen 
Glaubensbekenntniss ; dieselben Schwankungen auch in der Geschichte 
der Stadt. Auch die Drangsale der Husitenkriege blieben ihr nicht 
erspart, und das Jahr 1444 sah Tetschen trotz der heldenmüthigen 
Verteidigung Heinrichs v. Wartenberg und Hinko's Hlawacz von 
Duba in den Händen des Jakoubck von Wfeschowitz. Doch auch 
von solchen Schlägen erholte sich die Stadt rasch ; denn die Warten- 
berge, so wenig friedliebend sie auch sonst waren, so sehr ihre 
Waffen sie gefürchtet für ganz Böhmen und den Bund der Lausitzer 
Sechsstädte machten, daheim sahen sie auf Ruhe und Frieden und 
begabten ihre Stadt mit manchem Freibrief und Privilegium. Freilich 
stammen diese meist aus jener Zeit, da die Wartenberge selbst 
noch gut katholisch waren ; in späterer Zeit, als sie es für besser 
fanden, dem Utraquismus sich zuzuwenden und dabei mit ihren 
Unterthanen, die ihren Glauben nicht so sehr als Modesache be- 
handelten, in argen Zwiespalt geriethen, verloren sie die Lust zu 
weiteren Zugeständnissen. Aber das einmal Erworbene blieb der 
Stadt doch, trotz aller späteren Umwälzung. Das wichtigste Recht 
war wohl das ihr im Jahre 1412 von Sigmund v. Wartenberg ver- 
liehene Stadtrecht: >Es sollen die Bürger zu Tetschen und ihre 
Nachkommen in allen Stücken, Punkten und Artikeln Stadtrecht 
haben und halten, wie die königlichen und andere befreite Städte 
dieser löblichen Krön Böhmen — namentlich das Magdeburgische 
Recht und alle Stadtrechte, welche die Stadt Leitmeritz hat.' Dazu 
kam weiters das Recht der Handwerksbannmeile, dass , Niemand 



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147 



ausserhalb der Stadt-Mauern auf eine Meile Entfernung ein bürger- 
liches Gewerbe treiben dürfe mit Kaufen und Verkaufen von Ge- 
treide, Obst, Holz* u. s. w. und die Verpflichtung, ,dass alle Dörfer 
der Herrschaft Tetschen diess- und jenseits der Elbe von den 
Bürgern der Stadt Tetschen ihr Bier holen müssten*. Merkwürdiger- 
weise: alle diese Rechte stammen von demselben Sigmund, dessen 
ganzes Leben beinahe nichts anderes war als ein beständiges Her- 
umirren von Krieg zu Krieg, von Partei zu Partei, und der wohl 
nur wenige Stunden ruhig auf seinem Schlosse zu Tetschen verlebte. 

Bis zum Jahre 1511 blieb Tetschen im Besitze der Wartenberge ; 
in diesem Jahre erkaufte Niclas Trczka von Lipa die Herr- 
schaft von Sigmund von Wartenberg um 8000 Sch. Gr. Nur wenige 
Jahre blieb dieser, wie wir bereits wissen, in Nordböhmen, ohne in 
dieser Zeit etwas für seine Besitzung zu thun. Die unbehagliche 
Stimmung, in welcher er sich hier im deutschen Nordböhmen befand. 
Hess ihn nicht an die Bedürfnisse seiner Unterthanen denken. Niclas 
Trczka war eben ein tschechisch-nationaler Ritter; sein Geschlecht 
hatte, wie viele andere, auch im Laufe der Zeiten eine gründliche 
Schwankung gemacht ; Opportunitätsgründe waren auch schon 
damals gern ein leitendes Motiv in nationaler Hinsicht. Während 
seine Vorfahren es einst gewesen waren, die einen der besten 
Dichter der mittelhochdeutschen Spätzeit, Heinrich v. Freiberg, zur 
Fortsetzung des Tristan Gotfrid's v. Strassburg angeregt hatten, 
und damit ein leuchtendes Beispiel für ihr deutsches Denken und 
Fühlen gaben, verkaufte dieser Epigone seine Besitzungen im nörd- 
lichen Böhmen wegen der vielen Deutschen. Nun, Tetschen hatte 
diesen Verlust seines Herrn nicht sonderlich schwer zu tragen. Das 
Ganze, was Trczka für seine Besitzung gethan, war, dass er einige 
von den Wartenbergern übernommene Privilegien der Stadt be- 
stätigt hatte. 

Anders gestalteten sich die Verhältnisse in Tetschen mit dem 
Jahre 15 16, in welchem die uns schon bekannten Herren von 
Sahihausen ihren neuerworbenen Besitz Tetschen antraten. Be- 
zeichnet doch der Beginn des 16. Jahrhunderts flir das ganze nörd- 
liche Böhmen das Werden einer neuen Zeit. Erst seit dieser Zeit, 
mit dem Auftreten neuer Herrengeschlechter, mit der Verbreitung 
der Lehre Luther's, wird dieses Gebiet, das lange genug unter der 
Herrschaft tschechisch gesinnter Adelsgeschlechter gestanden, — denn 

11* 



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148 



auch die Wartenberge waren, obwohl deutscher Abstammung, doch 
auch allmählig zu der von Prag aus begünstigten Parteirichtung 
hinübergeschwankt — dem Deutschthum wieder zurückerobert, um von 
da an ein Bollwerk zu werden gegen das beständige Anstürmen 
der slavischen Fluth. Und das allein schon ist ein hohes Verdienst 
der protestantischen Lehre, das gerade in unseren Tagen nicht hoch 
genug angeschlagen und gewürdigt werden kann. Aber es ist nicht 
das einzige. Auch in anderer Hinsicht ist das 16. Jahrhundert ein 
wichtiger Grenzstein in der Entwicklung Nordböhmens. Sind doch 
erst durch die kirchlich-revolutionären Gedanken Luther's die Ge- 
müther geweckt und aufgerüttelt worden, um mit freierem Blicke als 
bisher sich und die Lage zu betrachten. Das Handwerk nimmt einen 
grösseren Aufschwung, Bauer und Bürger beginnen sich zu fühlen 
und ihres Werthes bewusst zu werden; Zeugniss davon die öfters 
auftretenden Streitigkeiten zwischen Unterthanen und Obrigkeit. 
Sie wissen, was ihnen noth thut; Schulen werden begründet oder 
besser dotirt, überall sind die Handwerker zu Innungen und Zünften 
zusammengetreten und suchen ihre alten Rechte und Freibriefe zu 
wahren ; überall neuerwachte geistige Thätigkeit : das ist das Bild 
des 16. Jahrhunderts im nördlichen Böhmen. Und erst die Drang- 
sale eines 30jährigen Krieges vermochten dem blühenden Aufschwünge, 
der überall sich kund that, Stillstand zu gebieten. Doch es wird sich 
das alles aus dem Verlaufe unserer Darstellung ergeben. 

Im Jahre 15 16 also kamen die Herren v. Sahihausen in den 
Besitz von Tetschen und blieben in demselben bis zum Jahre 1534 
Sechs Jahre lang herrschten die Brüder gemeinschaftlich über ihre 
in Nordböhmen angekauften Güter; 1522 theilten sie dieselben und 
Hans erhielt Tetschen, Schwaden, Grosspriesen und Rscheppin. Als 
treue Anhänger der Lehre Luther's begünstigten sie überall deren 
Auftreten; so auch hier. Hatte ja Hans von Sahlhauscn schon 1517 
die Thesen des Reformators in Bensen vorlesen lassen; um so 
mehr suchte er jetzt auf seiner eigenen Besitzung für das Bekannt- 
werden der neuen Anschauungen 7.11 sorgen. Wir finden auch 
wirklich auf dem Schlosse Tetschen zu dieser Zeit einen prote- 
stantischen Prediger, Namens Dominik Beyer, der früher im Kloster 
Freiberg in Sachsen gewesen war, aber beim Auftreten Luther's 

') Ich berichtige hier den im 3. Theil der „Studien* stehen gebliebenen Druck- 
fehler 1543. 



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149 



dasselbe verlassen und sich verehelicht hatte. Freilich war sein 
Wirken gerade jetzt beschränkt und die Anzahl seiner Anhänger 
keine allzu grosse. Denn die strengen Verordnungen Ludwigs, die 
dieser gegen den Protestantismus erliess, um sich mit dem Papste 
bei der immer drohender werdenden Türkengefahr auf guten Fuss 
zu setzen, dazu das eigenmächtige, gewaltthätige Vorgehen des 
Primators Paschek von Prag, blieben selbst hier nicht ohne allen 
Einfluss und hinderten eine schnellere Ausbreitung der Lehre 
Luthers. Gegen die ziemlich mässigen Neuerungen hatten die 
Bewohner von Tetschen nicht viel zu sagen, da sie ohnedies nirgends 
in gewaltsamer Weise sich geltend machten; gewannen sie doch 
selbst unter dem gütigen Besitzer, der ihnen alle früher erhaltenen 
Rechte bestätigte und ausserdem noch manche neue Vergünstigung 
gewährte. Im Jahre 1518 gab auch Hans v. Sahihausen seine Zu- 
stimmung zu dem den Bürgern von Tetschen durch Sigmund von 
Wartenberg ertheilten Rechte der vollkommenen Freizügigkeit, 
sowie dem anderen, ihre Güter frei bis in's vierte Glied vererben zu 
dürfen und über ihr Vermögen bei Lebzeiten frei zu verfügen. Auch 
verpflichtete er, wie Sigmund, die in seiner Herrschaft gelegenen 
Dörfer, ihren Bierbedarf lediglich in Tetschen zu holen. Es war dies 
ein für die materielle Entwicklung der Bürgerschaft ungemein 
wichtiges Vorrecht, dessen unter einem späteren Besitzer erfolgter 
Verlust ihr eine bedeutende Einnahmsquelle entzog, da die Zahl der 
brauberechtigten Bürger in Tetschen eine ziemlich bedeutende war. 
Auch die Benützung der obrigkeitlichen Braupfanne gestattete er 
den Bürgern, ein Vorrecht, das ihnen von Trczka v. Lipa ein- 
geräumt worden war, wogegen die Bürger ihm hieflir einen jähr- 
lichen Zins von 6 Sch. Gr. abzuliefern hatten. Seine Fürsorge für 
das Wohl der Bürger bethätigte Hans auch dadurch, dass er ihnen 
im Jahre 1532 das Rathhaus verkaufte und ihnen gestattete, hier 
Brantwein auszuschänken, ihnen die Stadtziegelscheune zur Nutz- 
niessung übergab und ihnen die Bewilligung ertheilte, in der Polzen 
von der Schlossmühle aufwärts bis zum Lienwerd fischen zu dürfen. 

Die Bewohner von Tetschen anerkannten die Fürsorge ihres 
Herrn im vollsten Masse. Um so auffallender muss es uns er- 
scheinen, dass Hans v. Sahihausen seiner Besitzungen im Jahre 1534 
ohne jeden erkennbaren Grund sich begab und dieselben laut des 
Kaufvertrages ddo. Prag am Tage Georgi 1534 um 39000 fl. an 



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150 



Rudolf von Biinau, Herrn auf Wesenstein und Lauen- 
stein verkaufte 1 ). Es gehörte zu der Herrschaft Tetschen damals 
auch Sperlingstein, anders Wrabince, ein ödes Schloss mit den 
Dörfern Tichlowitz, Hlinna, Pschirow, Zadm' Lhotka, Nabotschady, 
Harta, Kunnersdorf, Humpraska, Rytirschow, pfedm Lhotka, Babutin 
und das Theildorf Dobkowitz. 

Ein neues Geschlecht betritt mit diesen Besitzern den Boden 
Nordböhmens, gleich den Sahihausen dem benachbarten Meissen 
entsprossen und dort ansässig, gleich ihnen segensreich thätig für 
das Wohl ihrer Unterthanen, das Gedeihen ihrer Besitzungen. Denn 
wie mit den Sahihausen für Bensen eine neue Epoche beginnt, eine 
Epoche, ausgezeichnet durch bedeutenden Aufschwung auf allen 
Gebieten, durch bis dahin unbekannten Wohlstand der Bürger, durch 
herrliche Bauten, so auch in Tetschen. Auch hier machte sich das 
wohlthätige Wirken der Obrigkeit in kurzer Zeit fühlbar. Schon 
7 Jahre früher, im Jahre 1527, hatte der Bruder Rudolfs, Heinrich, 
Meissen verlassen und sich im nördlichen Böhmen ansässig gemacht, 
indem er von Johann Brzezcnsky von Wartenberg die Herrschaft 
Blankenstein erkaufte *), die damals nachstehende Ortschaften um- 
fasste : Schloss Blankenstein mit den Meierhöfen unter dem Schlosse 
und denen zu Brzeznitz und Mozer, nebst den Dörfern Kokisch 
(jetzt Neubohmen) , Mirkov (jetzt Mörkau) , Lisa (jetzt Leisen), 
Sowolusek, Tschermna (jetzt Leukersdorf), Mnichov (jetzt München), 
Arnsdorf, Lipowa (jetzt Spansdorf), Brzeznitz (jetzt Schönpriesen), 
Nestinitz (jetzt Nestawitz), Rytschitz (jetzt Reinlitz), Mozer (jetzt 
Mosern), Wessela (jetzt Wesseln), NestSdritz (jetzt Nesterschitz), 
Powel (jetzt Pömmerle). 

Trotz der sorglichen Bemühungen des früheren Grundherrn von 
Tetschen war die Herrschaft in Folge des häufigen Wechsels ihrer 
Besitzer, deren sie in kaum 30 Jahren nicht weniger denn vier 
erlebt hatte, in ihren Erträgnissen ziemlich weit hinter den berech- 
tigten Erwartungen zurückgeblieben ; hatte ja doch schon Trczka von 
Lipa hierüber Klage geführt, und seitdem hatten sich die Verhält- 
nisse nicht viel besser gestaltet. Es war deshalb Rudolfs erstes 
Bestreben, die Ertragsfähigkeit seiner Güter zu erhöhen. Zu dem 



») Landt. 4, L. 12. 
s ) Laiidt. 6, A. 10. 



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t 



151 



Ende ordnete er noch in demselben Jahre des Erkaufes von Tetschen 
an, man solle alle nur irgendwie geeigneten Anhöhen und Lehnen 
mit Obstbäumchen besetzen ; auch müsse ein jeder seiner Unter- 
thanen mindestens zwei gepfropfte Obstbäume in seinem Garten be- 
sitzen. Seine grösste Sorgfalt wendete er aber selbstverständlich 
der Stadt Tetschen zu und suchte ihren Bürgern in jeder Weise 
dienlich zu sein. Er bestätigte ihnen deshalb vor allem die über- 
kommenen Rechte. Der Stadt erneuerte er 1535 das alte Privilegium 
der Braugerechtigkeit ; nur die Getränke der brauberechtigten Bürger 
durften in der Stadt und den herrschaftlichen Dörfern geschänkt 
werden; jedes fremde Getränk war bei Strafe verboten, wenn es 
nicht mit Genehmigung der städtischen Schoppen verkauft werde. 
Wollten einmal die Landleute ,das kleine Trinken* veranstalten, so 
waren sie verpflichtet, das dazu benöthigte Malz in der Stadt zu 
den hiefür festgesetzten Preisen zu kaufen. Nicht nur die Brau- 
gerechtigkeit besassen die Bürger, sondern auch das Recht des 
freien Salzverkaufes für die ganze Gegend, wofür sie jedoch der 
Herrschaft einen jährlichen Zins von 10 Fassein Salz zu entrichten 
hatten. Die Tuchmacher bekamen im selben Jahre ihre Rechte be- 
stätigt, ebenso die Schneider ihr Recht der Handwerksbannmeile. 
Und wollten sich die Bürger bei Fischfang erlustigen, so war ihnen 
auch das gestattet : das Wasser der Polzen ,vom alten Wehre ober 
der alten Mohlstatt bis zum Krombholzhof* war ihnen zu freiem 
Nutzniess übergeben. 

Was die Ausbreitung der Lehre Luther's betrifft, so machte 
sie allerdings unter Rudolf nur wenige Fortschritte. Rudolf von 
Bünau, der Hofmarschall des Herzogs Georg von Sachsen, war, wie 
seine Gemahlin Elisabeth von Starschedl, noch gut katholisch. Aber 
er war einsichtsvoll genug, der neuen Lehre nicht mit Gewaltmass- 
regeln entgegen zu treten, wie es so viele seiner Glaubensgenossen 
thaten, obwohl er hiezu reichlich Gelegenheit gehabt hätte. Denn 
ein ehemaliger Mönch des Klosters Sagan, Namens Jacob Weichel, 
kam nach Tetschen, um hier den Protestantismus verbreiten zu 
helfen. Nun entstanden Parteiungen für und wider denselben, die 
mitunter hart aneinander geriethen, und besonders in den Wirths- 
häusern gab es erregte Debatten. Als Rudolf hiervon Kenntniss 
erhielt, liess er einfach verbieten, jemals wieder öffentlich über 
religiöse Fragen sich auszusprechen, und damit war die Sache ab- 



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152 



gethan, die Gemüther waren beruhigt. Weichel aber wandte sich 
zu den Herren von Sahihausen und war 1544 Pastor in Güntersdorf. 

So lagen die Verhältnisse, als Rudolf im Jahre 1540 starb. Er 
hatte sich nicht lange seines Besitzthums erfreut. Bei seinem Tode 
hinterliess er vier Söhne: Rudolf, Heinrich d. ä., Landvogt zu Pirna 
und Herrn auf Wesenstein, Heinrich d. j. und Günther, Herrn auf 
Lauenstein. 

War es ein Testament, das die Nachfolge bestimmte, oder waren es 
andere uns nicht mehr erkennbare Ursachen, wir wissen nicht, was 
der Grund für die immerhin befremdliche Erscheinung ist, dass nicht 
die ältesten Söhne dem Vater in der Herrschaft folgten, sondern 
gerade die jüngsten. Rudolf und Heinrich d. j. traten das Erbe 
ihres Vaters gemeinschaftlich an, allerdings mit dem ausdrücklichen 
Bemerken, dass diese Erbeinigung nicht lange zu Recht bestehen 
solle. So verkündeten sie ein Jahr nach dem Tode ihres Vaters in 
jener Urkunde, welche die Rechte der Stadt bestätigt. Freilich 
mochte wohl keiner der beiden Nachfolger im Besitze von Tetschen 
vermuthen, dass diese Worte gar bald, aber in ganz anderem Sinne, 
in Erfüllung gehen würden. Denn kaum waren vier Jahre verflossen, 
als Rudolf (1544) starb und diese Erbeinigung somit rasch ihre 
Lösung fand. Nun konnte Heinrich frei schalten und walten mit 
seinem Gute, das übrigens gerade in dieser Zeit einen beträchtlichen 
Zuwachs erlangte. Wie wir gehört, hatte im Jahre 1527 Heinrich 
von Bünau das Gut Blankenstein an sich gebracht. Er starb jedoch 
bald, aber auch sein Bruder Günther, der sich, unbekannt auf 
welche Weise, Eigenansprüche auf Blankenstein erworben hatte, 
folgte ihm in kurzer Zeit nach und hinterliess seinem Sohne alle 
seine Anrechte. Dieser nun übertrug käuflich den ihm zukommen- 
den Antheil auf seinen Onkel Rudolf v. Bünau 1 ), der jedoch starb, 
bevor er den Kaufschilling erlegt hatte. Aber auch seine Söhne 
Rudolf und Günther konnten die Kaufsumme nicht bezahlen, und 
so gelangte denn Blankenstein endlich in die Hände der Tetschner 
Linie der Ritter von Bünau. 

Allem Anscheine nach gehörten Rudolf und Heinrich noch dem 
katholischen Glauben an , während die beiden anderen Brüder, 
Heinrich d. ä. und Günther, bereits Protestanten waren und letzterer 



») Landt. 8, A. 7- 



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153 



geradezu der Reformator Tetschens genannt werden kann. War 
vielleicht dieser Glaubensunterschied der Brüder das Motiv der oben 
erwähnten Thatsache? Von der Thätigkeit Heinrich's d. j. ist uns 
nur wenig überliefert. Wir wissen nur, dass er im Jahre 1550 die 
alte Kirche in Tichlowitz umbauen und Glocken giessen Hess, von 
denen die grösste, den Intentionen des Stifters entsprechend, die 
Inschrift trug: ,Lass Dich vermahnen meinen Klang, geh' zur 
Kirchen, seumb Dich nicht lang*, und dass er den vom Dorfe 
Königswald an die Tetschner Stadtkirche zu entrichtenden Zins 
einzog und zur Entschädigung dafür derselben einen Acker, sowie 
später den sogenannten ,Dechantsteich* hinter der Stadt übergab. 
Bald darauf starb auch er (1553), und seine beiden älteren Brüder 
Heinrich d. ä. und Günther nahmen nun das Erbe in Anspruch. 
Den Plan, gemeinschaftlich ihre Güter zu verwalten, gaben sie bald 
auf, denn schon nach Trinitas vor Johannes Baptista 1554 theilten sie 
dieselben derart, dass Heinrich d. ä. Blankenstein und Wesenstein 
erhielt, Günther dagegen Lauenstein und Tetschen. 

Günther von Bünau ist eine charakteristische Gestalt, die 
uns in jeder Hinsicht hohes Interesse einzuflössen vermag. Mit 
kräftiger Hand ergreift er die Zügel der Regierung, mit Energie 
und Thatkraft steuert er seinem Ziele entgegen, und am Ende 
seiner Laufbahn darf er mit Stolz und Selbstbewusstsein darauf 
hinweisen, dass die Arbeit seines Lebens nicht fruchtlos gewesen. 
Tetschen, Stadt und Land, huldigt dem Protestantismus und hat 
sich zugleich zu einer Höhe der Entwicklung emporgeschwungen, 
wie nie zuvor. Aber die Erreichung dieses Zieles setzte unaus- 
gesetzte Arbeit voraus, ein Ringen und Kämpfen gegen alte, her- 
gebrachte Vorurtheile, gegen morsche Satzungen und faule Einrich- 
tungen. Und Günther von Bünau hat keine Mühe, keine Arbeit 
gescheut ; muthig drang er auf dem betretenen Pfade vorwärts. Sein 
Bruder hatte ihm eine grösstentheils katholische Bevölkerung über- 
geben, ihm gelang es, den alten Glauben noch bei seinen Lebzeiten 
verschwinden und seine eigene Ueberzeugung an dessen Stelle 
treten zu sehen. Wir können uns nicht der Meinung Focke's an- 
schliessen, dass Günther im Anfange seiner Herrschaft wegen der 
drohenden Massregeln Ferdinand's gegen den Protestantismus nur 
langsam und vorsichtig vorgeschritten sei; im Gegentheile, soweit 
uns die Verhältnisse unter Günther bekannt sind, sehen wir in 



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154 



seinem Wirken nur ein Ziel, den Protestantismus auf seinen Gütern 
sobald als möglich aufblühen zu lassen und ihn dieses Ziel gleich 
vom Anfange an mit sicherem Auge und kräftiger Hand anstreben. 
Die gleichzeitigen Urkunden, sowie die Darstellung bei Frind 
(Kirchengesch. IV. 398, 402) bestätigen unsere Ansicht. Auch 
müssen wir die Behauptung zurückweisen, als seien in dem ganzen 
Gebiete der Herrschaft Tetschen bis zum Jahre 1564 nur zwei pro- 
testantische Pastoren nachzuweisen; denn auch dies ergibt sich als 
irrig. Freilich, das geben wir zu, die Bewohner Tetschens waren 
nicht gleich geneigt, sofort wie auf Commando ihren Glauben zu 
wechseln; das mag auch Günther recht gut eingesehen haben, und 
so sehen wir selbst in Tetschen noch bis zum Jahre 1559 einen 
katholischen Pfarrer, Namens Martinus Laurentius, der früher in 
Leipa gewesen war. Sechs Jahre also nach dem Antritte seiner 
Herrschaft machte er erst der katholischen Lehre ein vollständiges 
Ende; sechs Jahre bedurfte es, die Bewohner dieser Gegend mit 
den neuen Anschauungen genauer bekannt und vertraut zu machen, 
und doch ist dies nur ein kurzer Zeitraum, wenn man das starre 
Festhalten der Bewohner an alten, liebgewordenen Grundsätzen und 
Gepflogenheiten berücksichtigt. Am 4. Adventsonntage 1559 wurde 
der erste protestantische Geistliche, Andreas Seyfert, feierlichst in 
die Stadtkirche von Tetschen eingeführt. Mit ihm hatte für lange 
Jahre das katholische Leben in der Stadt aufgehört. Aber freilich 
in Prag sah man ein derartig schnelles Vordringen der Lehre 
Luthers nur mit scheelen Augen, und das Prager Capitel hatte in 
kurzer Zeit eine Eingabe an König Ferdinand fertig. In dieser 
Schrift, die vom 2. November 1561 datirt ist heisst es : ,In 
Tecin D. Ginter a Bina adhuc fovet lutheranum, nec admittit jam 
catholicum ecclesiae ministrum, ubi adhuc non pauci sunt catho- 
lici suspirantes, ut habeant legitimum magistrum ecclesiae, et non 
semel eo a nobis missi sunt exiguo hoc tempore sacerdotes, sed 
aliqui cum contemptu rejecti sunt etiam contra mandata serenissimi 
archiducis.' Und eine zweite, tschechisch abgefasste Klagschrift ist 
voll ähnlicher Anschuldigungen Günthers 2 ). Diese Beweise genügen 
wohl, um zu zeigen, dass Günther gleich am Anfange offen und 



*) Borovy^ : Jednany a dopisy p. 3 Ii. 
*) A. a. O. p. 314. 



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155 



energisch zu Wege ging und nicht vielleicht aus Opportunitäts- 
griinden Seitenwege einschlug. Hatte doch das Capitel bereits 1553 
über ihn Klage zu führen *). Die Edicte des Prager Capitels gingen 
jedoch so ziemlich spurlos verloren. Was hatte sich der Adel an 
den Grenzen des Landes auch viel damit den Kopf zu zerbrechen, 
wenn man in Prag ihm den Weg vorzeichnen wollte, den er zu 
gehen hätte. Und man fand Hilfe und Rückhalt an dem gleich- 
gesinnten Sachsen. So sehen wir denn die Aufträge des Prager 
erzbischöflichen Capitels nach Tetschen kommen und — spurlos 
verhallen. 1569 erscheint ein neuer Pastor in Tetschen, Fabian Stark 
aus Meissen, den Günther von seiner sächsischen Besitzung Lauen- 
stein hieherzog. Die anderen Ortschaften blieben hinter Tetschen 
nicht zurück. Bald hatte auch Neschwitz seinen Pastor und in 
Königswald war schon 1552, also lange vor Tetschen, ein prote- 
stantischer Geistlicher, Namens Johann Quark, angestellt, zugleich 
mit seinem Sohne, den wir dort als Schulmeister finden. Ihm folgte 
Caspar Steyer aus Freiberg als Pfarrer in Königswald. 

Günther von Bünau sorgte aber nicht allein dafür, dass der 
Protestantismus Eingang fand unter der lebenden Generation, sein 
Rück wandte sich auch der Zukunft zu ; er erkannte, dass nur 
dann seine Einrichtungen von Dauer sein könnten, wenn er sie auf 
fester Grundlage aufbaue, und diese Grundlage suchte und fand er 
in der Schule. So war es denn auch eine seiner Hauptbestrebungen, 
rings auf seinen Gütern, nicht nur in der Stadt Tetschen, sondern 
auch wo möglich in allen Dörfern Schulen zu errichten und die 
bereits vorhandenen nach besten Kräften zu unterstützen. Seit dem 
verhängnissvollen Jahre, da die deutsche Universität Prag den fana- 
tischen Aufreizungen der Tschechen hatte erliegen müssen, war 
nicht nur die Wissenschaft im Allgemeinen in Böhmen so ziemlich 
ganz vernachlässigt, auch die Schulen am Lande hatten unter dem 
Drucke des nationalen Haders auf das Empfindlichste zu leiden 
oder waren nicht selten ganz zu Grunde gegangen. Die Unwissen- 
heit der Prager Universitätsprofessoren, ihre sittliche Verkommen- 
heit war nur ein Widerspiegel der Verhältnisse, wie sie überall 
im Lande sich zeigten. Wie ganz anders lagen die Dinge in Deutsch- 
land, welchen Aufschwung hatte das Reich gerade damals zu ver- 



>) Frind, IV. 402. 



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156 



zeichnen! Günther erkannte sehr wohl die Bedeutung der Schule 
für den Wohlstand des Volkes, und so sehen wir ihn denn auch 
unermüdlich thätig auf diesem Felde. Ueberall wurden Schulen ge- 
gründet und geeignete, tüchtige Lehrer zu ihrer Leitung berufen. 
Freilich aus Böhmen konnte er solche Lehrer nicht erhalten. Aber 
das benachbarte Sachsen, dem er selbst entstammte, an dem er 
mit inniger Liebe hing, bot ihm, was er suchte. Die im 16. Jahr- 
hundert entstandenen Schulen zu Pforta, Meissen und Grimma 
bildeten tüchtige Geistliche und wackere Lehrer des Volkes, und 
dorthin wandte sich Günther, um seine Schulen zu besetzen. Auf 
gleiche Weise, wie für Knaben, wurde für Mädchen gesorgt, auch sie 
sollten das lernen, was sie für das Leben brauchten, Lesen und 
Schreiben und Rechnen und Religion, Religion natürlich als der 
wichtigste und erste Gegenstand betrachtet. Freilich, der Stand 
eines Lehrers damaliger Zeit war nichts weniger als glänzend zu 
nennen. Nur eine dürftige Entschädigung bekam er vom Gutsherrn 
oder der Gemeinde, manchmal auch freie Wohnung, für das übrige 
musste er selbst und seine Schüler sorgen. Letztere brachten ihm 
im Winter Holz in die Schule und zwar täglich, damit er die 
Schulstube heizen könne und die Kinder nicht frören. Dann gab's 
zu den Festzeiten noch allerhand Geschenke, die ihm von seiten 
der Eltern seiner Schüler gespendet wurden, und zu Weihnachten, 
Ostern, Pfingsten und Maria Himmelfahrt gab ihm der Herr 
Pastor das Mittagsessen. War einmal eine Trauung oder ein Be- 
gräbniss oder eine kirchliche Feierlichkeit, so erhielt er für sein 
Mitwirken eine Abgabe, eine Art Stolagebühr, und damit waren 
seine Einnahmen erschöpft. Dagegen aber war er verpflichtet, die 
Niederlagen an der Elbe zu überwachen, die zu entrichtenden Ge- 
bühren einzunehmen und an die Stadt abzuführen. So lebte er ein 
nach unseren Begriffen freilich nicht sonderlich beneidenswerthes 
Leben; aber die damalige Zeit war nicht so anspruchsvoll wie 
die heutige. 

Die Bedeutung eines geregelten Schulwesens und ordentlicher 
Lehrkräfte zeigte sich bald in dem erhöhten Aufblühen aller Ge- 
schäfte, und als das 17. Jahrhundert kam und so viele Protestanten 
ihre Heimat verlassen mussten, hatte Tetschen auch den Verlust 
bedeutender Namen, wie die der Handelsleute Hosch, Beutel und 
zahlreicher anderer zu beklagen. Vorzüglich bewährte sich auch die 



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157 



neue, im Jahre 1564 zum ersten Male durchgeführte Einrichtung der 
Schulprüfungen, durch welche sich Günther von dem Fortschritte der 
Bildung auf seinen Gütern mit eigenen Augen zu überzeugen suchte. 

Nicht nur aber für die geistigen Interessen seiner Unterthanen 
trug Günther v. Bünau Sorge, auch ihren materiellen Bedürfnissen 
suchte er auf beste Weise Rechnung zu tragen und trachtete des- 
halb vorzüglich den Landbau zu fordern und zu pflegen. Schon 
sein Vorgänger in dem Besitze von Tetschen hatte, wie wir gehört, 
sein besonderes Augenmerk der Obstcultur zugewendet. Ein gleiches 
that nun auch Günther v. Bünau, und mit anerkennenswerthem 
Eifer setzte er alle Kräfte daran, die Obstbaumzucht noch mehr zu 
heben, als es bislang der Fall gewesen war. Er selbst ging mit 
gutem Beispiele voran. In Tyssa, in Königswald, in Schönstein und 
Liebwerd Hess er Obstgärten herrichten, alle nur irgendwie geeig- 
neten Oertlichkeiten mit Obstbäumen bepflanzen und hielt in Tetschen 
selbst eigene Obstgärtner, die für das Setzen und Pfropfen eines 
Bäumchens 1 Denar erhielten. Strenge Verordnungen ergingen dies- 
bezüglich an die Landbewohner, und zur Aufmunterung wurde der 
Verkauf des Obstes freigegeben. So haben wir Günther v. Bünau 
als den Begründer des noch heutzutage in Blüthe stehenden Obst- 
handels unserer Gegenden zu betrachten. Auch der Weinbau wurde 
eifrig betrieben, und bald zählte man eine ganze Menge von Wein- 
gärten, wie in Wellhotten, Pölitz und Krischwitz, in Prossein und 
Gleimen, in Babutin, Tichlowitz und Rongstock. Die Bünauer selbst 
hatten Weingärten in der Nähe von Aussig und Leitmeritz. 

Die Thätigkeit Günther s war auch damit noch nicht abge- 
schlossen. Auf seinem Gute Schönstein, das er im Jahre 1541 an 
sich gebracht hatte, richtete er, trotz der ungünstigen, rauhen Lage 
desselben eine Landwirthschaft ein, die weithin als Muster galt. 
Zugleich drang er überall darauf, dass ordentliche Wirthschafts- 
rechnungen geführt wurden, errichtete, wo es nur möglich war, 
neue Meierhöfe, oder Hess die alten umbauen oder verbessern. Seiner 
Stadt Tetschen bestätigte auch er, wie seine Vorfahren, die alten 
Privilegien, nachdem er ihr schon 1546 das Recht des Salzhandels 
zugestanden hatte. Den Bürgern wurde der Fischfang in der Polzen 
zugestanden, „vor der alten Wehre obendig der alten Milstadt an 
bis hinauf gegen Michael Walter's Hoffe über, da steht ein Apfel- 
baum auf dieser Seiten und eine Erle gerade gegenüber*. Die Tuch- 



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I 



158 



macher bekamen ihre Rechte bestätigt, ebenso die Fleischer das 
Recht der Handwerksbannmeile. Hiefür waren die letzteren ver- 
pflichtet, an die Obrigkeit zu Martini einen jährlichen Zins von 
27 Stein Inselt abzuliefern. Auch die Fischer waren zünftig, doch 
bei weitem nicht so begünstigt, wie die übrigen Zünfte. Den dritten 
Theil des Fischfanges hatten sie an die Obrigkeit abzuliefern, hatten 
die Fässer, in denen der herrschaftliche Wein von den Gärten bei 
Leitmeritz verfuhrt wurde, nach Tetschen zu bringen und von da 
wieder zurück, und durften die Fische nirgends anders verkaufen, 
als in Tetschen. 

Das Recht des Bierbrauens wurde den Bürgern von Tetschen 
erneuert, und nur wenn eine Hungersnoth ausbrach, wie 1571, war 
es verboten zu brauen. Aber auch andere Orte hatten oder er- 
hielten dasselbe Recht, so Eulau, Hortau, Prossein und Tichlowitz 
und vor allem Schönstein, wo Günther beim Schlosse sich ein 
Brauhaus bauen Hess und die umliegenden Ortschaften, wie Königs- 
wald, Tyssa, Raiza, Schneeberg u. a. verpflichtete, von hier das 
Bier zu holen ; doch wurde den Dorfbewohnern 1556 gestattet, Süss- 
bier vom Tage Johannes des Täufers bis Jacobi für sich und das 
Gesinde zu brauen. Selbst der Bergbau wurde von Günther betrieben ; 
bei Rongstock wurde auf Silber gegraben. 

So beschaffen war die Thätigkeit Günthers, und mit ruhigem 
Bewusstsein kann man der Meinung zustimmen, er sei einer der 
Besten seiner Zeit gewesen. Dies anerkannten nicht nur seine Unter- 
thanen, indem ihm die Stadt einen Theil der Polzen zum Geschenke 
machte, auch der Adel der Gegend schätzte die Charaktereigen- 
schaften des Mannes und wählte ihn seiner hohen Verdienste wegen 
in den Landtag von Böhmen. So lebte er, geachtet und geehrt von 
seinen Zeitgenossen, bis zum Jahre 1576, in welchem ein frühzeitiger 
Tod seinem segensreichen Wirken ein Ende setzte. Für seine Kinder 
hatte er auf das Beste gesorgt. Seinen beiden unvermählten Töchtern 
Martha und Bertha gab er auf Lebensdauer den Hof in Zelenitz 
zur Nutzniessung, für seinen Sohn Heinrich d. j. gründete er den 
Rittersitz Bodenbach. Die übrigen Söhne theilten sich in die Güter 
des Vaters, dessen Gemahlin Magdalena von Ebeleben schon vor 
ihm gestorben zu sein scheint. 

Heinrich d. ä. war würdig, der Nachfolger seines Vaters zu 
sein. Alle Einrichtungen Günthers wurden in demselben Geiste, 



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159 



mit gleicher Thatkraft erhalten und weiter geführt. Nun war die 
ganze Herrschaft so ziemlich der Lehre Luthers ergeben ; jetzt galt 
es aber auch, dafür Sorge zu tragen, dass der Protestantismus auch 
in Zukunft der herrschende Glaube bleibe. Die Sicherheit hiefur zu 
bieten war Heinrich überlassen, und er unterzog sich dieser Aufgabe 
mit vieler Sorgfalt und Mühe, mit sichtlichem Erfolg. Die Pfarrei 
von Tetschen wurde auch materiell besser gestellt, und wo es am 
Lande noch keinen protestantischen Prediger gab, dorthin wurde in 
kurzer Frist ein Priester aus Sachsen berufen und ihm eine Pfarrei 
übergeben. Dem Tetschner Seelsorger war zugleich die Aufsicht 
über alle Pfarreien der Herrschaft Tetschen übertragen. Hier war 
auf den Pastor Fabian Stark Thomas Crusius gefolgt, dem der 
Magister Conrad Blatt aus Dresden zur Seite stand. Im Jahre 1589 
wird auch Anton Karisius als Diacon erwählt, und 1605 kam M. Urban 
Killer, ein gebürtiger Görlitzer, als Pastor nach Tetschen. Mit letzterem 
schloss Heinrich v. Bünau einen Vertrag am Tage Georgi 1605, der 
die gegenseitigen Rechte und Pflichten darlegt und insofern also 
wichtig ist zum Verständniss der Lage der damaligen Pastoren in 
Böhmen. Wir lassen ihn deshalb seinem vollen Wortlaute nach 
folgen : 

Ich Heinrich von Bünaw Auff Teczschen vndt Bodenbach, mit 
diesem meinem offenen briffe bekenne vndt thue kundt, kegenn 
Mennigklichen, dass Ich nach Vorledigung meines Pfarrlehens meiner 
Stadt Teczschen, in Betrachtung Mein vndt meiner Unterthanen 
deren Allgemeinen Kirchfarth Seelen Heill vndt Seeligkeit, den 
Achtbaren Ehrwirdigen vndt wolgebornen Herren M. Urbanum 
Killer zu einem Pfarrherrn vndt Seelsorger Unsero wegen Teczschen 
ordentlicher weise Vociret vndt Angenommen, Ihme auch das Pfarr- 
ambt eingereumet, vndt mich vf folgende meinung Christlich vndt 
güdtlich vorglichen. Also: 

Erstlich soll gemelter Urbanus Killer vone mir hiermit vndt 
Krafft dies Briefes vor mich vndt meine unterthanen Allgemeiner 
Kirchfarth zue Teczschen zu einem Pfarrherrn vnd Seelsorger an- 
genommen vndt bestettigt sein, dz er seines Amts, Nach höchsten 
seinem Vermögen, getreulich vndt mit allen freuen Vleisse warten, 
das Volck mit reiner vnnverfalschter Lehre des heiligl: Evangilij 
nach Innhalt vndt Ordnung der alten Augspurgischen Confission, 
Auch mit den heiligl: Hochwürdigen Sacramenten beides d. Tauffe 



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160 



vndt Alters, des wahren Leibes und Blutes vnseres einigen Erlesers 
vndt Seligmachers Jhesu Christi, vndt mit gewönlichen Christlig vndt 
Notwendigen Kirchengebrauchen vndt Cerimonien Vorsorgen, vndt 
keine Neuerung oder dieses orts vngewönliche Ceremonien, damit 
der gemeine Man vndt Arme Leye nicht Irre gemacht, einführen 
soll, sondern das inn allen gute Kirchenordnung gehalten werde. 

Zum Andern, Soll Er auflf die andern Pfarrherren offn Dörflern, 
so micr zustendige, dass Sie ihres Ambts gleicher gestalt treulich 
vndt vleissig warten, Ihre Pfarr Kinder mit reiner vnverfalschter 
Lehre des heilig Evangilij vnterrichten, vndt mit den heilig: hoch- 
würdig: Sacramenten vndt anderen Notwendig: gewönigl: Christ- 
lichen Ceremonien ohne einfuhrung einiger Neuerung Recht vmb- 
gehen, vndt also in einer Kirchen wie in der andern gleichheit 
gehalten werde, gutter auffacht haben vndt do auch etwa vnordnung 
oder vnvleiss vormerkt würde, mir oder meinem Ambtmann An- 
zeugen vorpflichtet sein. 

Zum Dritten, Soll er ihme die Inspectionem Scholae befolen 
sein lassen. Also er Auff die Schuldiener das dieselben der Jugendt 
vndt Schueller mit allem vleisse, vndt gutter Bescheidenheit ab- 
warten, Ihre Stunden vndt geordnete Lectiones vleissige halten vndt 
ohn sein des Pfarrherrn willen vndt vorwiessen keine Stunde vor- 
seumen, vleissige Auffacht haben, Do Sie aber vber Landt vorreisen 
wolten, Mir vndt meinem Ambtmann anzeig: 

Wo auch in der Schilden vndt auff dem Chorr bessere Ordnung 
an/.urichten vonnöthen, soll Kr solches thuen, vndt vleissigk drüeber 
halten, vndt wo Sich die schuldiener vngehorsam oder ihme wieder- 
seezigk erzeig: würden, soll er mir oder meinem Ambtmann an- 
zeigen. 

Darkegen vndt zur ergöczung seiner mühe, vleisses vndt Arbeit, 
soll ihme Jharlichen vndt jedes ihnn besondere weill Er Pfarrherr 
allhier ist, von dem verordneten Besoldener der Kirchen vndt Schul- 
diener zur besoldung Ein Hundert vndt zehen Thaler, an gueter 
ganghafftiger Muncz, Jden Thaler zue 30 fr. gl. gerechnet, off die 
vier Quartal, alss Jedesmal 27 * 2 thaler am Pahrem gelde mit ein- 
ander, desgleichen wiel ich ihme vor meiner Person, aus gueten 
■geneigten freven willen in betrachtung, damit er Sich desto besser 
zu vnterhalten, Jharlichen vndt Jedes ihnn besondere 30 thl: alss 
off Georgij des künft: 1606 Jhares Anfallende geben vndt dorreichen 



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161 



lassen, welches er aus meinem Ambte empfahen soll. Darnach vndt 
aneben bevurten gelde , soll ihme von obbemelten Priester be- 
soldener ein Malder Korn als 12 scheffel Teczschner Mass, so gut es 
von der Collatre welche Decem zu geben schuldig, ein Könnert, 
gegeben werden, Doch da hierinnen vnbilligkeit vndt dz die 
Pauern etwas an Decem geringe getreidich geben wolltenn, soll ein 
billiches einsehen geschehen, Auch Jhärlich 5 Schrägen Holcz Auss 
meinem walde, ohne Waldtzinss vndt das er der Priester besoldener 
hawen vndt machen lasset, vndt die eingepfarten ofTn Lande es 
herein für seinen Hauss führen, vorschaffet vndt gegeben werden. 

Vndt soll die behaussung in der Stadt, sambt dem garten 
darbey, Item den Acker, sowol auch den garten hinder der schulen, 
Jedoch dz er der Kirchen Jhärlich 8 fr. gr. erblichen Zinss darum 
darreiche, vndt allermassen wie dies alles seine Antecessores inne- 
gehabt ond gebraucht, Zu diesem auch den garten welcher Jonas 
Paussen gewesen, vnter dem Spittalgarten geleg: Jedoch dz er 
davon dem Hospital die gebührlichen Zinse darreiche vnd gebe, 
Auch geniessen vndt gebrauchen. 

Es soll auch oftvermelter Pfarrherr Jhärlichen ein Gerstenbier 
vor seinen trunck zu brauen befugt sein, Jedoch mit dieser be- 
scheidenheit da sichs zutragen, das ihme solch bihr versauren vndt 
nicht tauren wollte, sol er es, Fass oder Viertelweise Auf die 
Dorff Kreczschmer, so dz bihr zum schanck in der Stadt nehmen 
müssen, oder Aber in der Stadt zu vorkauffen mocht haben, 
Allein, do ihme bihr mangelt, Sich dessen darkegen zu Teczschen 
erholen. 

Mit den Kirchen Accetentys sol es mit ihme Also auch ge- 
halten werden, das alles so beides von den Leithen so in die Kirche 
geleget vndt begraben werden, einkommt, desgleichen die Opffer 
des (Schützen) Königes auff die drey Hauptfest, Auch an Wirdt- 
schafften vndt all andern Opfergalt, wie es vor Alters gehalten 
worden, vndt seine Anteszores [sie !] laut der Kirchenregister auch 
gehabt, Also verbleiben. 

Da Ich ihn auch zu einem Pfarrherrn nicht lenger haben wolte, 
oder es ihme dem Pfarrherr lenger zu bleiben nicht füglich wäre, 
Soll es ein theill dem andern ein halbjhar zuvor ankündigen, 

Vndt gehet diese bestallung ahn den Tag Georgij dieses 
1605 jhares. 

Jahrbuch de» Protestantismus 1883. H. IV. 19 



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162 



Urkundlichen vndt zu mehrerer bekrefftigung, habe ich obge- 
dachter Heinrich von Bünau mein Angeborn Petschafft zu ende 
dies briefes wiessentlich thun aufdrücken, vndt mich mit eigener 
Handt vnterschrieben 

Heinrich von Bünau 
L. S. off tetzschem meine Hand. 

Aehnlich waren die Verhältnisse der Pastoren auf den Land- 
pfarreien, deren es eine ziemliche Anzahl gab. So weit die Namen 
der Geistlichen bekannt, wollen wir sie anfuhren. Neschwitz hat im 
Jahre 1576 den Pastor Balthasar. In Eulau erscheint um dieselbe 
Zeit (1579) als Pastor Christoph Schermann; seine Nachfolger sind 
Johann Schröter, Caspar Küssling, Johann Scheinpflug. In Rosawitz 
wird uns als Pastor H. M. Borek und als dessen Nachfolger Wolf- 
gang Tschetsching (1596— 1613) genannt. In Schönborn finden wir 
1573 in gleicher Eigenschaft Niclas Metzner, dessen Nachfolger 
Bartholomäus Hamprecht 43 Jahre daselbst wirkte (f 10. V. 1617). 
In Schönstein wird 1593 Leuchmann als Pastor erwähnt. Von 
andern Pfarreien wie Tichlowitz, Schneeberg, Rongstock, Leukers- 
dorf und Seesitz wissen wir nur, dass auch sie zu jener Zeit mit 
protestantischen Geistlichen besetzt waren; ihre Namen sind uns 
nicht erhalten. 

Um den Wohlstand seiner Besitzungen war auch Heinrich auf 
das Beste besorgt. Die Rechte der Stadt bestätigte er auf gleiche 
Weise, wie alle übrigen Besitzer, wenn er auch nicht so glücklich 
war, die ihm gebührende Anerkennung von Seiten seiner Unter- 
thanen zu finden. Auch sonst wurde ihm manchesmal eine unge- 
rechtfertigte Härte vorgeworfen, die aber nicht so sehr einem 
schlechten Charakter entsprang, als vielmehr durch den Einfluss 
seiner stolzen, hartherzigen Gemahlin Anna Maria von Türmicky 
und Milin bewirkt wurde. Er selbst war ein friedlicher, gutmüthiger 
Mann, der nur die Schwäche besass, vor seinen Freunden und Ver- 
wandten gern etwas glänzend aufzutreten, was ihm übrigens seine 
Vermögensverhältnisse recht wohl gestatteten. Doch war er dabei 
keineswegs verschwenderisch und überschritt nirgends die Grenze 
des Erlaubten; sein Vermögen verwandte er vielmehr dazu, die 
Herrschaft durch Ankauf verschiedener Meierhöfe zu vergrössern, 
ein Grundsatz, dem schon seine Vorfahren gehuldigt hatten. So 
kaufte er unter Anderem 1609 von Anton, Abraham und Wolf, 



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163 



Brüdern von Sahihausen, Haubold von Starschedl auf Bensen und 
Markersdorf, und Jonas Paust v. Liebstadt auf Scharfenstein und 
Grossbocken deren Weingärten und Zehenten zu Leitmeritz um 
6000 Sch. m. J ) und im Jahre 1612, 23. Mai vom Bürgermeister und 
Rath der Stadt Aussig a. d. Elbe Dorf Podlessin und Dorf Hrvalov, 
wie es die Stadt Aussig von Rudolf II. erhalten hatte, um 
12500 Sch. m. 2 ). 

Wie oben erwähnt, war Heinrich mit seinen Unterthanen nicht 
immer einig; einmal gerieth er mit den Bürgern von Tetschen sogar 
in einen längeren Streit, der freilich mit der Niederlage der letzteren 
endigte. Trotzdem nämlich Heinrich alle Privilegien der Stadt be- 
stätigt, ja selbst dafür gesorgt hatte, dass sie auch von Kaiser 
Rudolf confirmirt würden, war eine Anzahl von Bürgern, 151 an der 
Zahl, keineswegs damit zufrieden; sie behaupteten vielmehr, dem 
Gutsherrn gegenüber keinerlei Verbindlichkeit zu haben und die- 
selben Rechte und Freiheiten beanspruchen zu dürfen, wie die 
königlichen Städte. Um ihren Klagen einen stärkeren Nachdruck zu 
verleihen, wandten sie sich an das Schöppengericht zu Leipzig, das 
sie jedoch abwies. Nichtsdestoweniger traten sie klagbar gegen 
Heinrich v. Bünau auf, in der Hoffnung, so ihren Zweck zu er- 
reichen. Aber die kaiserlichen Commissäre erkannten in ihrem Ent- 
scheid Heinrich v. Bünau für unschuldig, die Kläger dagegen sollten 
aller bisher innegehabten Privilegien und Rechte verlustig werden. 
Nun mussten sie freilich zu Kreuze kriechen und demüthig um Ver- 
zeihung bitten. Aber ohne Strafe gingen sie doch nicht aus; 
600 Sch. Gr. mussten sie für ihr halsstörriges Benehmen und ihre 
Widersetzlichkeit zahlen. Heinrich v. Bünau war aber edel genug, 
diese beträchtliche Summe nicht für sich selbst in Anspruch zu 
nehmen ; er schenkte sie der Stadtkirche und legte so den Grund zum 
Stadtkirchencapital, das sich schon im Jahre 1605 auf 1000 Sch. erhöhte. 

Im Jahre 1614 starb Heinrich am 22. October, wie die Arns- 
dorfer Matrik Fol. 247 bemerkt. Sie setzt noch hinzu, dass er 24mal 
die Bibel gelesen habe. Am 2. December wurde er begraben. 

Von seinen Brüdern ist wenig zu sagen, wenn wir von ihrer 
Bedeutung für die Geschichte des Protestantismus sprechen wollen. 



«) Landt. 183, L. 17. 
») Landt. 186, P. 21. 

12* 



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104 

Es genüge daher, hier ihr Besitzthum anzuführen. Heinrich d. j. 
(t 1 591) besass den von seinem Vater errichteten Rittersitz Boden- 
bach, der damals nachstehende Dörfer umfasste : Grund (Ober-, 
Mittel- und Niedergrund), Kalbenwiese, Weiher, Bösegründel, Boden- 
bach, Chrost (j. Kröglitz), Nieder-Ulgersdorf, Hopegarten, Schönborn, 
Wilsdorf, Rosawitz, Seidnitz, Krochwitz, Malschwitz, Alt- und Neu- 
bila, Altbohmen, Prosl, Barckhn (j. Barken), Gleimen, Ohorn 
(Ohreu), Dobkowitz, Skritin (j. Reichberg bei Dobkowitz) und Kartz 
(j. Kartitz). Günther (f 1619), der mit Margaretha v. Bredow, 
dann mit einer Schleinitz vermählt war , besass Schönstein und 
Lauenstein und gründete den Rittersitz Bünauburg, zu welch letzterem 
er später die nach seinem Bruder Heinrich d. j. geerbten Dörfer 
Alt- und Neubila, Böhmen, Prosl, Kartz, Barken, Gleimen, Ohorn, 
Dobkowitz, Skritin, Neudorf und einen Theil der Weingärten bei 
Leitmeritz schlug. 

Der frühzeitige Tod Heinrich's war von den traurigsten Folgen 
für die Herrschaft begleitet. Sein Grab umstanden die minderjährigen 
Kinder Rudolf d. ä., Günther und Rudolf d. j., von denen 
der erstere kaum 10 Jahre alt war. Unter der Vormundschaft der 
harten, strengen Mutter und des edelherzigen Onkels Günther von 
Schönstein ging Tetschen einer traurigen Zeit entgegen. Noch stand 
zwar die Lehre Luther's ungebeugt in Tetschen und den umliegen- 
den Ortschaften ; in Tetschen lehrte noch Urban Killer, dem zur 
Seite die Diacone Friedrich Lindner und Samuel Richter waren, 
ein Beweis, wie gross die Anzahl der Gläubigen gewesen sein muss. 
Aber die Zeiten waren trübe geworden. Gleich als ahnte man die 
Stürme der kommenden Tage, als athme man schon die drückende 
Schwüle des nahenden Unwetters, verstummen auf eine Zeit lang 
bis nach der Schlacht am weissen Berge fast alle Quellen, die uns 
über das Leben jener Tage berichten würden. Wir hören nichts 
mehr von dem frischen, geschäftigen Treiben der Stadt vergangener 
Tage, von dem Aufblühen und Erstarken der Bürgerschaft, von 
dem Wirken der Obrigkeit. Alles ist verstummt. Doch endlich eine 
Nachricht. Im Jahre 1622 übernimmt Rudolf d. ä., kaum 18 Jahre 
alt, die Zügel der Herrschaft ; am 10. October 1623 verehelicht er 
sich, iojährig, mit Anna Magdalena Konogedska von Pozetitz, und 
das Jahr 1624 trifft den 20jährigen, unerfahrenen Jüngling, der sich 
bislang nur den Wissenschaften hingegeben und die rauhe, herbe 



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105 



Aussenseite des Lebens noch nicht gekostet hatte, der Erlass des 
Kaisers, alle protestantischen Prediger auf seinen Besitzungen binnen 
6 Wochen zu entfernen. Ein schwerer Schlag des Geschickes, um 
so schwerer, da er Rudolf unvorbereitet fand. Um die politischen 
Streitigkeiten des Landes, um den Kampf für und gegen den Pfalz- 
grafen hatte er sich in keiner Weise gekümmert ; seine Jugend hatte 
ihm den Sinn und den freien Ausblick auf die bewegenden Triebe 
seiner Zeit noch nicht eröffnet, jetzt auf einmal wurde es hell vor 
seinen Augen: aber das grelle Licht erschreckte, blendete ihn. Alle 
Bande waren auf einmal zerrissen, der Untergang des Protestan- 
tismus besiegelt. 

Die nächste Zeit bringt uns nur wenig Nachrichten, aber sie 
sprechen beredter, deutlicher, als irgend etwas anderes. Der Name 
Killer verschwindet in diesen Tagen, der Diacon Friedrich Lindner 
flüchtet nach Zittau und von da nach Bertsdorf, wo er 1629 als 
Pastor stirbt. Ein anderer Pastor von Tetschen, Georg Eger, ge- 
boren zu Radeberg in Sachsen, wird flüchtig und flüchtend erwähnt 
und findet erst Ruhe in Crostau. Aehnlich anderorts. Aus Neschwitz 
flieht der Pastor Georg Burchard, aus Rosawitz Zacharias Möller, 
aus Schönborn M. Wilhelm Vogel, aus Schönstein Benedict Fritsch. 
Und nun folgt Schlag auf Schlag. Die Liechtensteinischen Dragoner 
unter Anführung des Ritters v. Heidebrich und seines Quartier- 
meisters Klatte haben die Stadt bedrängt, ein Gewaltact nach dem 
andern soll ihr frommes Werk, den katholischen Glauben einzuführen, 
unterstützen. Bürger werden beraubt, Bürger werden getödtet. Aber 
noch ist die Stadt glaubensstark, noch sind die Bewohner der 
Lehre Luther's ergeben, noch tauchen die Namen des Diacons 
Samuel Mönch, des Pastors Christian Arnim v. Arenadt auf. Aber 
die Stadt eilt ihrem Geschicke entgegen. 1625 verlassen die Soldaten 
die Stadt, in der sie seit 1621 gehaust, um die so hart geprüfte 
einem neuen Schicksalsschlage zu überantworten. Das Jahr 1626 
bringt die Pest, die 241 Personen dahinrafft, das Jahr 1627 den 
Untergang des Protestantismus. Am Tage des heil. Ignatius von 
Loyola 1627 verkündet der Kaiser seinen Willen, nur katholische 
Unterthanen in seinen Landen zu dulden. Der Tag Fabian und 
Sebastian 1628 versammelt den Adel des Leitmeritzer Kreises in 
Leitmeritz, den Willen des Kaisers zu vernehmen. Das nördliche 
Böhmen wird seiner besten Kräfte beraubt ; der Adel verlässt seine 



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angestammten Besitzungen; der Bürger, der Gewerbetreibende, der 
Handwerker flieht und mit ihm der Segen und Wohlstand der 
Gegend. 

Am 2. August 1628 verkauft Rudolf d. ä. Schloss und Stadt 
Tetschen an Christof Simon v. Thun um 160.000 fl. rhein. *), am 
selben Tage auch sein Bruder Günther Blankenstein um 66.000 fl. 
rhein. 2 ), am 14. August Günther und Rudolf d. j. Schloss Schön- 
stein und Bünauburg um 73.000 fl. rhein. 8 ), am 16. Februar 1629 
Dorothea v. Bünau, Witwe Heinrich's d. ä. auf Eulau als Vor- 
münderin ihrer Kinder Heinrich, Margaretha Anna und Magdalena 
Eulau mit zwei Rittersitzen und drei Meierhöfen, Dorf Ober- und 
Niedereulau, Dorf Ligersdorf um 36.000 fl. rhein. 4 ). 

Geschwunden waren so ziemlich alle Erinnerungen an die ver- 
gangenen Tage. Ein neues Geschlecht, die Grafen v. Thun, 
hatten Platz genommen an der alten Stätte, wo durch ein volles 
Jahrhundert die Herren v. Bünau segensreich gewirkt, alles, was an 
früheren Wohlstand und zufriedene Behäbigkeit hätte erinnern 
können, war geschwunden, aber noch war das Mass der Leiden 
nicht völlig erschöpft. Im September 1631 war die Schlacht bei 
Breitenfeld geschlagen worden, und kaum einen Monat später er- 
gossen sich die sächsischen Truppen verheerend über Böhmen, über 
Tetschen. Am 2. November wurde das Schloss Tetschen erstürmt 
und besetzt. Weiter, bis Prag ging der Siegeslauf der Sachsen. 
Schloss Tetschen behielt seine Besatzung. Mit dieser Besatzung der 
protestantischen Kurfürsten kehrte der Protestantismus wieder zurück. 
Aber nicht wie einst, da er einzog voll freudiger Zuversicht in diese 
fruchtbaren Gegenden, nein, scheu und zu Boden gedrückt kehrte 
er wieder. Wohl hatten die Bünauer ihre Güter um beträchtliche 
Summen Geldes verkauft, aber das Kaufgeld hatten sie bislang nicht 
zu Gesicht bekommen. Der Kaiser hatte es verboten, jene Gelder 
auszuzahlen. Aber auch die neuen Besitzer waren nicht im Stande 
gewesen, aus dem Ertrage der erworbenen Güter ihren Verpflich- 
tungen nachzukommen. Erklärte doch der Graf Christof Simon von 



») Landt. 298, N. 26. 

■) Landt. 298, N. 2g. 

•) Landt. 298, O. 2. 

4 ) Landt. 297, N. 17. 



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167 



Thun, dass die Erkaufung der Tetschner Güter sein Verderben sei, 
das er Gott anheimstellen müsse. Er übergab sie deshalb auch bald 
seinem Neffen Johann Sigmund. Jetzt, als der Sache des Protestan- 
tismus in Böhmen von neuem ein günstiges Licht zu leuchten schien, 
kamen die Herren v. Bünau wieder, um sich von neuem in den 
Besitz ihrer früheren Herrschaft zu setzen. Allein die Sachsen ver- 
weigerten ihnen Tetschen, nur Tichlowitz und Hortau wurde an 
Rudolf v. Bünau überlassen. Aber nicht lange konnte er sich der 
Ruhe erfreuen. Aus Sachsen hatte ihn die Pest verjagt ; das wechselnde 
Kriegsglück trieb ihn wieder dorthin zurück: erst im Jahre 1654 fand 
er Ruhe im Tod. 

Wir wollen hier abbrechen. Tetschen hatte noch lange, lange 
Jahre zu kämpfen mit Feinden aller Art. Fast zwei Jahrhunderte 
mussten dahingehen, bevor es sich von den Schlägen erholt hatte, 
die ihm diese Zeit geschlagen. Der protestantische Glaube aber war 
seit den furchtbaren Ereignissen jener Tage auch in Tetschen ver- 
nichtet. 



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XIII. 



Heimatssehnen eines Transmigranten. 

Von Pfarrer j. FRIEDRICH KOCH in Gmunden. 

Der Ausdruck „Transmigranten* oder auch „Translocirte* wurde 
auf jene Evangelischen angewendet, welche aus den österreichischen 
Kronländern, insbesondere aus Oberösterreich, Steiermark und Kärnten 
nach Transleithanien, nach Ungarn und besonders nach Siebenbürgen, 
woselbst ihnen freie Religionsübung gewährt war, transportirt wurden. 

Der Ausdruck „Emigranten* hingegen wurde auf jene Evan- 
gelischen bezogen, welche freiwillig in das evangelische Ausland 
wanderten, oder vielmehr in der Regel, da die österreichischen Be- 
hörden die im westphälischen Friedensschlüsse den Emigranten garan- 
tirten Vergünstigungen nicht gewährten, heimlich dahin sich flüch- 
teten. Für die oberösterreichischen Emigranten war die nächste und 
frequentirteste Station die damalige evangelische Oase in Nieder- 
bayern, die Reichsgrafschaft Ortenburg, ein von der damaligen Reichs- 
grenze gegen Bayern, dem Innflusse — Strecke Schärding-Passau — 
4 Wegstunden weit entfernt liegender Markt. Von Ortenburg aus 
wanderten die meisten Emigranten nach der freien Reichsstadt 
Regensburg, dem Sitze des „Corpus Evangelicorum*. 

Unser Kronland, speciell das Salzkammergut, lieferte die ansehn- 
lichste Truppe der Transmigranten für Siebenbürgen. Den evan- 
gelischen Sachsen daselbst wuchs durch die Ankömmlinge ein nicht 
zu unterschätzendes, erfrischendes Element zu, wenn auch die Ver- 
schmelzung der Eingewanderten mit den Ursassen erst allmählig sich 
vollzog und selbst die Nachkommen der Transmigranten bis jetzt sich 
manche Eigentümlichkeiten der Sprache und Tracht bewahrt haben. 

Wie schwer es manchen Transmigranten wurde, an das neue 
Heim sich zu gewöhnen, und wie das Herz nach Jahren noch an der 



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alten Heimat hing, zumal wenn daselbst theure Familienglieder lebten, 
welche zurückgeblieben waren oder zurückbleiben mussten, davon 
zeugt manche ergreifende Geschichte 1 ). 

Eines seltenen Falles glaube ich noch, bevor ich zur Erzählung 
der Geschichte meines Mannes schreite, erwähnen zu dürfen. 

Eine Bäurin, BarbaraKaltenbrunner, verehelicht mit Wolf- 
gang Kaltenbrunner am Kaltenbrunnergute zu Kaltenbrunn bei 
Mahning (Wolfseck), sah ihrer Entbindung entgegen, als sie von ihrem 
Manne und drei Kindern hinweg im Jahre 1753 nach Siebenbürgen 
transportirt wurde 2 ). 

In Siebenbürgen genas sie eines Mädchens. Bereits 29 Jahre 
verweilte sie daselbst, als die Tochter von grosser Sehnsucht, ihren 
Vater kennen zu lernen, erfasst wurde und die Mutter gern sich 
dazu verstand, die weite Reise in die Heimat anzutreten. So machten 
sich beide auf, mit mehreren Büchern, darunter einem Hermann- 
städter Gesangbuch, versehen und willens, den Weg grossentheils 
zu Fuss zurückzulegen. In Ungarn wurde das Sehnen der Tochter 
nach dem Vaterhause in anderer Weise gestillt, denn der himmlische 
Vater rief sie zu sich heim. Die tiefbetrübte Mutter wanderte nun 
allein in die alte Heimat, traf zwar ihren Mann am Leben, aber mit 
ihrer Schwester verheiratet. Das Pfleggericht Koppach bat die Landes- 
hauptmannschaft in Linz ,um Verhaltungsbefehle wegen invermelt 
vor 29 Jahren emigrirt dermahlen aber zu ihren Ehewürth zurück- 
kehren wollenden alhiesigen Unterthannin Barbara Kaltenbrunnerin*. 

Die Landeshauptmannschaft Linz ddo. 15. Juli 1782 erwiderte: 

>Das k. k. Kreisamt des Hausruckviertel hat dem Pfleger zu 
Köppach mitzugeben, dass selber gemeinschaftlich mit dem Seelsorger 
den Kaltenbruner seiner sowohl in unserer Heil. Religion, als in 
den Allerhöchsten Gesetzen sich gründenden Pflichten ermahnen, um 
ihn zur Annehmung seines Eheweibs, welches nicht freywillig, sondern 



J ) Vgl. „Halte was du hast« I. Jahrg. (Brünn 1868) S. 123— 126 „Geschichte 
der alten Alexanderin", nach eigenhändigen Aufzeichnungen derselben von mir verfasst. 
Etwas abgekürzt in der „Geschichte der evang. Kirchengemeinde A. C. zu Wallern in 
Oberösterreich u (Wallern 1881) S 14—16. 

*) Auch deren Mutter Maria Kesch, Witwe vom Wenzlgute in Epfenhofen, war 
bereits früher nach Siebenbürgen transportirt worden, starb auch daselbst um 1765; 
deren Bruder, Lorenz Resch, der jüngste Sohn der Maria Resch, war ohngefähr 1754 
ebenfalls nach Siebenbürgen transportirt worden. 



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um ihrer Religion nachleben zu können, damalen gezwungener massen 
translociren muste, so bescheiden, als wirksam anhalten solle. Zu- 
gleich hat aber auch das Kreisamt sogleich umständlich zuerheben, 
und anzuzeigen, was es in Ansehen der Schwester der Barbara 
Kaltenbrunerin Namens Elisabeth, der ihr Ehewürth laut beyliegen- 
den Brief sich über einen falschen Todtenschein wieder verheurathet 
haben solle, für eine Beschaffenheit hat, damit auch hierüber das 
Gehörige vorgekehret werde. G. v. Perlet.* 

Das Resultat der angeordneten Erhebungen ist leider nicht in 
meine Hand gerathen. — Barbara Kaltenbrunner verzichtete aut 
ihre Rechte, Hess die zweite von ihrem Manne eingegangene Ehe 
unbehelligt und blieb still und einsam in einem Stäbchen, das sie 
bezog, bis zu ihrem Tode. 

Ein Los ganz anderer Art, aber immerhin traurig genug, traf 
einen Transmigranten Namens Joseph Stadlhube r, welcher der 
Sehnsucht nach der Heimat nicht mehr widerstehen konnte. 

Stadlhuber wurde im Jahre 1724 in Moos bei Laakirchen (Station 
der Strecke Lambach-Gmunden) geboren; 24 Jahre alt, verehelichte 
er sich mit einer Pergbauerntochter aus derselben Pfarre und kaufte 
im gleichen Jahre, am 15. Mai 1748, das ,Höllergut am Weeg* in 
Grasberg an der Westseite des Traunsees um den Preis von 800 fl. *). 



l ) Es dürfte für manchen Leser ein Auszug aus der in meinem Archive befind- 
lichen „Rustical-Interimsfassion" über dieses Gut von Interesse sein. „Stadlhueber 
Josef, Höller am Weeg, ohne Profession, ein Paur, hat ein Holdenhaus (d. i. In- 
wohnerhaus). Baut an ain Jahr ins andere: 1 Mtz. Waizn, 8 Mtz. Khorn, 1 Mtz. Gersten, 
10 Mtz. Haber, 4 Mtz. Linsswickhen, 2 Massl Pohnen, 1 Mtz. Harr (Flachs), l Mtz. 
Läns Weiz (Sommerweizen). Pflegt zu fexnen in mittleren Jahren : 3 Mtz. Weiz, 24 Mtz. 
Khorn. 3 Mtz. Gersten, 15 Mtz. Haber, 8 Mtz. Linsswickhen, 4 Massl Pohnen, 10 U 
rauchen Harr, 3 Mtz. Länz Weiz. Hat Zug- vnd Nuzbares Vieh: Oxen 4, Khüe 5, 
Stier 2, Kalben 1, Schaff 10, Schweindl 3. Hat sonnsten an Grundstuckh: Zwey Hauss 
Wissen, worinnen etlich Obst Paum vnd 9 Kraut- vnd Ruembackher Stehen, auch 
zwey zwey Madig 6 Tagw. (1 „Tagwerk" etwas kleiner als 1 Joch). Item zwey wissen, 
wouon dass drittel zway Madig 4 Tagw. Iten ein Wissen, bey der auen, so zweymadig 
4 Tagw. Worbey sich auch ein hohln Häusl vnd Höltzl, worauf harttes Holz waxet, 
Befindet. Jedoch ein h . . Holz, Bestet in i 1 /* Tagw. Nuzung ain Jahr ins Andere: 
26 Färtl Heu et Graimet ä 2 fl. zu aigner Notturft 52 fl; Item zwey Rossfärt zum 
Verkhauff ä 4 fl. = 8 fl; 5 Färtl Stro ä 1 fl 4 ß = 7 fl 30 kr; Ii Eumer Krauth 
et Ruemb a 20 kr. = 3 fl. 40 kr; Obst I fl. ; Waiz 3 Mtz. ä 3 fl. = 9 fl.; Khorn 
24 Mtz. ä 1 fl. 4 ß — 36 fl.; Gersten 3 Mtz. ä 1 fl. = 3 fl.; Haber 15 Mtz. 
a 51 kr, = 12 fl. 45 kr.; Linsswickhen 8 Mtz. ä 1 fl. »= 8 fl. ; Pohnen 4 Massl 



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Der Mann war jung, in ausnehmend günstigen häuslichen Ver- 
hältnissen, hatte ein liebes Weib, drei Kinder und sah der Ankunft 
des vierten froh entgegen, als er jählings aus seinem Glücke heraus- 
gerissen wurde, weil seine evangelische Gesinnung an den Tag ge- 
kommen war. 

Da die nachfolgenden Actenbelege, die als Packpapier in einem 
Krämerladen Verwendung finden sollten, glücklicherweise aber ge- 
rettet und mir übergeben wurden, leider nur Bruchstücke sind, so 
fehlt auch der Voract über Stadlhuber's Transportation nach Sieben- 
bürgen im Jahre 1754. Ich kann nur weniges darüber ergänzen aus 
dem mündlichen Berichte einer 90jährigen katholischen Bettlerin, 
einer Enkelin des Joseph Stadlhuber, welche mir kurz vor ihrem Tode 
und noch ehe die Actenstücke in meine Hand gekommen waren, 
mittheilte, dass ihr Grossvater mittelst Wagen forttransportirt worden 
sei. Zwei seiner Gesinnungsgenossen, Kienesberger und der Mühl- 
bachmüller 1 ), sassen bereits auf dem Wagen. Stadlhuber wurde von 
seinem Weibe flehentlich gebeten, zu bleiben. Er liebte Weib und 
Kinder von Herzensgrund und kämpfte einen harten, heissen Kampf, 
sein Weib zu einer Zeit, wo dieser die schwere Stunde bevorstand, 
verlassen zu müssen. Da traf das Wort der beiden zur Abfahrt 
gerüsteten Männer sein Ohr, ,er werde sie doch nicht im Stiche 
lassen*, und der Kampf war bei ihm entschieden nach Luther's 

a Mtz. 1 fl. 48 kr. = 22*/ 4 kr.; 10 ff Rauchen Harr ä 6 kr. = 1 fl. ; Länzweizn 
3 Mtz. ä 2 fl. 30 kr. =» 7 fl. 30 kr. ; Vom Holden hat er Jährliche . . . pp. 6 fl. 
Dessen Jahrliche Gaben : wemb : Löbl. Landschaft Landsteur 3 fl. 54 s /4 kr. ; Ohrt 
Dienst 5 fl. kr.; Ohrt, Albmdienst 15 kr.; Ohrt, Heuslsteiir 24 kr.; Ohrt Forst- 
haber 3 Mtz. = 2 fl. 33 kr. ; Ambtmann, Ambtshaber 4 Massl = i2*/i kr. ; Capellan, 
Speiss 4 Massl Haber I2 s /< kr. Gibt Zehet wem vnd was für Zehent. Herrn Pfarrer 
zu Altmünster, Zehent Bestand 6 fl. ; Item disen Zehet Harr 2 ff a 6 kr. s= 12 kr.; 
Capellan Zwirnharr g'hachelt, V^ing 3 kr." 

') Vermuthlich Matthias Kienesperger, Bauer am Weberberg, hatte ein Gut von 
76 „Tagwerk", hielt 10 Ochsen, 8 Kühe, 2 Kalben, 8 Schafe, 2 Schweine. Das Er- 
trägniss des Gutes war geschätzt über 264 fl. — Ob obiger „Mühlbachmüller" der 
Besitzer „Sebastian Veichtenberger" oder etwa ein Sohn desselben war, dürfte leicht 
aus den Acten des Theresianischen Waisenhauses in Hermannstadt zu constatiren sein. 
„Sebastian Veichtenberger" (vgl. „Stiftung des kathol. theresianischen Waisenhauses in 
Hermannstadt von W. Schmidt, 1869" S. 7, Z. 24) hatte eine Mühle mit 3 Gängen, 
12 Tagwerk Grund, Erträgniss 225 fl., hielt 4 Ochsen, 6 Kühe, 8 Schafe, 2 Schweine. 
Das Gut war geschätzt auf 1500 fl. Er hatte dasselbe am 5. November 1740 um 
1150 fl. übernommen. 



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172 



, Nehmen sie uns den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib : lass fahren 
dahin*. Ueberaus schmerzlich war das Abschiednehmen, es musste 
sein; er setzte sich zu seinen Leidensgenossen und fort rollte der 
Wagen. — 

Der traurige Wechsel ist vollzogen ; aus dem wohlhabenden 
Bauer ist ein armer Taglöhner, aus dem fröhlichen Familienvater 
ein einsamer Mann geworden. Zwanzig Jahre lang bleibt er trotz 
seiner brieflichen Anfragen bei der Herrschaft Ort ohne Nachricht 
über Weib und Kind ; zwanzig Jahre lang spart er den sauer 
erarbeiteten Taglohn zusammen, und muss mit dem grössten Theile 
desselben die Kosten einer 244tägigen Gefangenschaft bezahlen ; 
zwanzig Jahre lang trägt er die Sehnsucht nach Weib und Kind 
mit sich herum, bis sie alle gewichtigen Bedenken über das Gefahr- 
volle einer Reise zu den Lieben besiegt, endlich ist er — fast am 
Ziele. Wer die herrliche Umgebung Gmundens kennt, w r eiss, dass 
von der , Polstermühle* im lieblichen Aurachthaie der > Grasberg* 
hinter der reizenden Bucht von Altmünster im Westen des Sees 
(der Grasberg wird insgemein schon zur , Viechtau* gerechnet) gar 
wohl in i 1 / 2 Stunde zu erreichen ist. 

W T ie mochte dem weitgereisten Manne, als er durch die , Wiesen* 
des Aurachthaies schritt, das Herz höher schlagen, dem heimat- 
lichen Herde so nahe zu sein, in i'/ 2 Stunde die 20 Jahre lang 
gehegte Sehnsucht befriedigt zu sehen, Weib und Kinder an sein 
Herz zu drücken, wieder einmal die reine Luft der heimatlichen 
Berge zu athmen, hinabzuschauen von den grünen Hängen auf den 
dunkelblauen See, hinüber auf den stattlichen , Grünberg*, den mäch- 
tigen Traunstein und schönen Erlafkogel, und wieder einmal das 
Auge an ihren im Abendsonnenschein funkelnden Spitzen zu weiden. 

Grausame Wendung — der Gerichtsdiener mit seinem ständigen 
Begleiter, einem grossen Fanghunde, naht, inquirirt, visitirt den 
Wanderer, und der ,brinlichte*, d. i. brennend leuchtende Ducaten 
besiegelt das traurige Los des vom Heimatssehnen erfüllten Un- 
glücklichen. 

In die Zwingburg »Ort* muss er wandern anstatt hinauf auf 
den Berg, in den Kerker anstatt an den trauten Herd zu Weib 
und Kind. Auch das liebliche Schloss ,Ort* hatte seine Schrecken, 
dumpfe unterirdische Kerker, in welchen einmal die darin befind- 
lichen Gefangenen durch den über Nacht hoch anschwellenden See 



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173 



, ausgetränkt' worden sein sollen, ferner ebenerdig einen ganz 
finsteren Kerker, in dessen Mitte noch jetzt ein in Stein eingelassener 
Eisenring zu sehen ist, an welchen die Ketten des Gefangrenen 
befestigt wurden. Es war noch ein Glück zu nennen, dass Joseph 
Stadlhuber in eines der anständigeren Gefängnisse gebracht wurde, 
denn der arme Mann musste auf seine Kosten 244 Tage Haft er- 
dulden, so nahe seinen Lieben und doch — ohne sie zu sehen. 

Letzteres wenigstens würde sich aus den noch vorhandenen 
Acten ergeben. Es freut mich aber, aus dem mündlichen Berichte 
der Enkelin Stadlhuber's ergänzen zu können, dass der Pfleger ein 
menschliches Rühren fühlte, aus Mitleid mit dem Gefangenen dessen 
Weib und Kinder in die Kanzlei bestellte und hierauf den Mann 
vorführen Hess. Da gab es nun eine Freudenscene, die besser ge- 
dacht als beschrieben werden kann. Der Mann sprang hoch auf vor 
übergrosser Freude und sprach: »Nun will ich gerne sterben, weil 
ich nur mein Weib und meine Kinder noch gesehen habe.' Dann 
kam das Scheiden von ihnen auf Nimmerwiedersehen in dieser Welt. 

Oft und vielmals erzählte der Sohn Matthias, der Vater der 
90jährigen Bettlerin, der zwei Jahre alt war, als sein Vater zum 
erstenmale .verschickt* wurde, von diesem Wiedersehen in der 
Kanzlei, und konnte auch lange davon erzählen, denn er erreichte 
ein Alter von 103 Jahren. 

Wann und wo in Siebenbürgen Joseph Stadlhuber gestorben 
ist, darüber kann ich keine Auskunft geben. 

Act. K. K. Grafschaft Ort den 23. Sept. 1774. 

Franz Reisinger, Landgerichtsdieners Knecht zeiget gehorsamlich 
an, Er habe heute am Weeg nächst. dgr Polstermühl eine Manns- 
persohn angetrofen, die auf dessen Anreden, Josef Stadlhuber 
zuheissen, von Ried aus Bayern zukohmmen, von N: Ö: zu Hause 
zusein, naher Gmunden in Verrichtung, und zu Freunden zugehen, 
endlichen sich widerumen naher Hungarn verreisen zuwollen vor- 
gegeben, er wiese auch einen Pass auf, als er Dienersknecht ihne 
aber visitieret, habe er in seiner Blater einen brinlichten Ducaten, 
nebst zween Zwanzgern, und einichen Kreizern gesehen, welches 
ihne veranlasst weiters zuvisitiren, da sich dan in seinem Leibi. 
3. Pöstln. und zwar in einem ieden Pöstl . 8. völlig neue in Papier 
eingemachte Kremnizer Ducaten folglich 24 Stukh eingenähter ge- 



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fiinden, die er hiemit nebst dem Pass, und denen bey sich gehabten 
Briefschaften geziemend überlifere, mit der weiters gehorsamen nach- 
richt, dass er Stadlhuber auf diesen Fund einbekhennet, unter die 
grafschaft Ort zugehöeren, vor 20: Jahren von da wegen der Reli- 
gion verschikhet worden zusein, und iezt willens gehabt zuhaben, 
von Regenspurg herkhommend dessen zurukhgebliebene Ehewirtin, 
und Befreinde zubesuchen, wornach abgehalten worden folgendes 
Constitutum 

In Praesentia 
Schögl, Pergent, den 24. Sept. 1774. 

1. Wie Inquisit mit Tauf- und Zunahmen haisse, auch wie alt 
er, dan wo gebürtig, und dermahlen wohnhaft seye. 

Ich haisse Jos. Stadlhuber, bin. 50. Jahr alt. im Mos unter der 
Herschaft Traunkhirchen , Lahkhirchner Pfarr gebürtig , und zu 
Hermanstadt im Siebenbürgen derzeit herbergsweis im Aufenthalt. 

2. Ob Inquisit Ledig oder verheuratet und dissfals Kinder habe? 
Ich bin . 26. Jahr mit Magdalena, einer Pergbaurntochter, eben 

aus Leokhirchner Pfarr verehelichet, da wir uns dan auf das Höller- 
gut am Weeg unter der Grafschaft Ort angekhaufet, wo wür . 6. Jahr 
gehauset, endlichen zu heurigen Johanni vor. 20. Jahren bin ich, 
weilen ich zum Lutherischen glauben mich bekhennt, nachdeme ich 
in diesem von Jugend auf von meinen Eltern erzohen worden, mit 
zurukhlassung meines Catholisch verbliebenen weibs und Kindern ins 
Sibenbürgen abgelifert worden. Wir hatten damahlens . 4. Kinder, 
nahmens Johann, Mathias, Elisabeth, und das vierte, welches nach 
meiner abschikhung gebohren worden, weis ich nicht zunennen. 

3. Welchen glaubens, und Handthierung seyt ihr, und wie habt 
ihr euch bishero ernähret? 

Ich bin Lutherisch, und ohne anderer Handthierung, als das ich 
mich zu- und in der gegend Hermanstadt derzeit mit Krautschneiden, 
Pauern- und Tagwercharbeit erhalten. 

4. Wie seyt ihr dermahlen anhero, und zu arrest gekhommen? 
Ich bin am . 6.!2 May von Siebenbürgen naher Fürt nähst 

Regenspurg zu meinen daselbst befindlichen Brüdern Andere, welcher 
ein Zimmermann ist, abgereisst, wo ich mich bis . 15.!!? dies Tag- 
wercharbeit inzwischen verrichtend aufgehalten, sodann bin naher 
Passau zu Wasser abgefahren, und habe mich von da hieher be- 
geben, willens mein Weib und Kinder, welche mir am Herzen ligen, 



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175 



noch einmahl zusehen, und zubesuchen, wehrend deme mich gestern 
der Landgerichtsdienner angestanden und hieher eingebracht. 

5. Was hat Inquisit bey seiner gestrigen Anhaltung gegen den 
Landgerichtsdiennerkhnecht vorgegeben ? 

Ich habe gesagt, aus Bayern zukhommen, und ins unteroester- 
reich in das Krautschneiden mich zubegeben. 

6. Warum hat sich Inquisit nicht gleich anfangs, wer er ist, und 
in was absieht er hieher Komt, entdekhet? 

Ich habe auch geglaubt, diesfalls unerkhant fortzukhommen. 

7. Hat Inquisit khein andere absichten seiner hieherkhunft 
gehabt ? 

Nein! blos mein Weib, und Kinder zubesuchen. 

8. War er nicht schon dieser Zeit öfters alhier? 
Neinl 

9. Hat Inquisit nicht öfters Briefe hieher geschikt, und derley 
zurukhbekhommen, an weme, und von weme ? auch in welchen 
angelegenheiten ? 

An die Herschaft anhero habe öfters geschrieben, aber kheine 
antwort erhalten, ich habe mich erkhundiget um meine Sach, und 
um mein Weib, und Kinder. 

10. Es hat Landgerichtsdienner einiches bei Inquisiten erfun- 
denes geld eingelifert. Wie viell wäre es, und woher hat Inquisit 
dieses ? 

Es waren . 24. Ducaten, welche ich stäts eingenähter bey mir 
trage, dan. 1. Ducaten nebst . 2. Zwanzgern und etwelchen Kreizern, 
welches geld ich mir mit harter arbeit erspahret, und eingewechslet, 
weilen in Hungarn die Ducaten leicht zuhaben. 

11. Hat Inquisit geschwistert, und wo seind sie? oder seind 
Eltern noch am Leben? 

Wie gesagt, ain Bruder befindet sich zu Fürt nächst Regens- 
purg, ainer nahmens Mathias zu Hermanstadt 1 ), und eine Schwester 
Magdalena eben zwey Stund davon haussessig, bin ohne Eltern, 
massen der Vater in meinen . JM1 Jahrsalter, die Muter aber in 
Siebenbirgen verstorben, wohin sie eben transportiret worden. 

12. Von weme ist der an Elias Neudorfer lautende, bey Inqui- 
siten erfundene Brief? 

>) Vgl. „die Stiftung des kath. theres. Waisenhauses in Hermannstadt" von 
W. Schmidt. S. Ii, Z. 191. 



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Von einem Wirt zu Fürt, welcher ein Mihlbachmühlner Sohn 
aus der Vichtau ist, und diesen an Schleglmühlner seinen Freind 
mir aufgegeben. 

13. Wer seind dan der Stephan Wiesend, Lang, ganslmair, 
Haselberger, von denen man in dessen bey sich habenden Brief- 
schaften leset? 

Der Stephan ist von meiner gegend zu Haus, und in Regens- 
purg, der Wiesend ist ein Kaufmann zu Fürth, der ganslmair ein 
Weber zu Hermannstadt, der Haselberger ein Windt- oder Traid- 
buzermacher zu Fürt, welche ich mir aufschreiben lassen, damit ich 
sie zu finden weis, wan ich an die örter khomme, und sie als be- 
khante besuche. 

14. Ware Inquisit bey des Haseibergers Schwester zu Ortenburgr? 
Nein, ich bin nicht hingekhommen. 

15. Hat Inquisit noch was an vermögen hier oder in Siebenbürgen 
zu ersuchen ? 

Bey meiner abschikhung vor. 20. Jahren hat mir mein Weib 
gesaget, das bey vorgenommener Schäzung. 200 fl übergeblieben, 
ich habe aber gar nichts hieraus erhalten, und sonst bestehen meine 
Mitln in etwas gewand zu Hermanstadt, und in deme, was ich bey 
mir habe. 

16. Hat Inquisit noch etwas zusagen, oder vorzubringen? 
Nein! beschlossen. 

act. ut supra. 

Von der K. K. Landeshauptmannschaft in Österreich ob derEnnss 
wegen p. p. dem Pfleger der K. K. Grafschaft Ort hiemit anzufügen. 

Es hat derselbe vor einiger Zeit Hierorts die Anzeige gemacht, 
dass der anno 1754 wegen Irrglauben nacher Siebenbürgen trans- 
locirte dortige Unterthan Josef Stadlmäyer (recte Stadlhuber) heim- 
lich alldahin gekommen und in Verhaft gebracht worden seye; 
worüber die Anzeige an Allerhöchsten Orten gemacht, Er Pfleger 
aber inmittelst zur Gedult verwiesen worden ist. Gleichwie nunmehro 
Ihre K. K. Apost. Majestätt untern 30"° Decembris 1774 et praes. 
14= Jänner a: c: allergnädigst anbefohlen, wegen dieses Josef Stadl- 
mayer ein besonderer Bericht mit Beylegung des mit Jhme vor- 
genohmenen Constituti, und Anzeigung der Ursachen seiner Rück- 
kehr zu erstatten. 



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177 



Alss wird Jhme Pfleger hiemit anbefohlen, dass selber diesen 
Stadlmayer besonders über die Ursache dessen Rückkehr Constituiren, 
und das aufgenohmene Constitutum nebst seinen Bericht herein- 
geben solle. 

C. Fr. v. Thürheim m/p. Pr. K. K. Landeshauptmannschaft 

Linz den iS 1 !" Märzen 1775. 
Carl Jos. v. Vrengk m/p. 

Von der K. K. Landeshauptmannschaft im Erzherzogthum Oester- 
reich ob der Enns wegen: dem Pfleger der K. K. Grafschaft Ort 
hiemit anzufügen! 

Jhre Kais. Königl. Apostol. Majestät p. p. haben unterm 
2C/J5 April, et ps!° hodierno zu verordnen befunden : dass der schon 
im Jahre 1754 in Siebenbürgen Jrrglaubens halber translocirte, und 
wiederum zu Haus betrettene Grafschaft Ortische Unterthann Joseph 
Stadelhuber; weil er in seinem Jrrglauben immer verharret, und davon 
nicht abzubringen ist, nochmalen nach Siebenbürgen zurück gesendet, 
und ihm bedeutet werden solle: dass, wenn er in seinem vorigen 
Jrrglauben beharren, und nochmalen zurück kehren solte, gegen ihn 
mit der gewöhnlichen Straffe wurde verfahren werden. 

Damit nun sothanne Abschickung ordnungsmässig veranlasset 
werden möge, ergehet an ihn Pfleger hiemit die Verordnung: dass 
derselbe sothannen Joseph Stadelhuber nebst dem mit ihm aufge- 
nommenen Constituto, und bey demselben gefundenen Geld wohl 
verwahrter in den Wasser-Thurm anhero lieferen, und ein- so anderes 
dem K. K. Landrichter erga recognitionem übergeben solle. 

Cr. Fr. v. Thürheim m/p. Pr. K. K. Landeshauptmannschaft 

Linz den 15g May 1775. 
G. E. v. Dornfeld m/p. 

Specification über die in angelegenheit des revertiert und arre- 
stierten Emigranten Joseph Stadlhueber ausgelegte Brief- und post- 
gelder, nemlichen den 26^ Nov. 1774 ist an Hrn. Dr. Heirenbach 
über erstere einrechnung ein urgens erlassen, und postporto bezalt 

worden 6 kr. 

den 24!^ März 1775 erhalte wegen besagten Stadlhueber ein 

landeshaubtmanschaftliches Decret, wofür 6 „ 

den 29^? dito Hrn. Drn. Heirenbach das Joseph Stadl- 

hueberische actl eingeschickt, und darfür ausgeleget . . 19 , 

Jahrbuch des Protestantismus 1883. H. IV. 19 



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178 



den 19^ Mey für das durch Hr. Dr. Heirenbach eingetrofen 
landeshaubtmanschaftliche Decret, und respective Er- 

khantnus 6 kr. 

37 kr. 

Extrahirt den 20^ Mey 1775. 

Anton Achatz Grundtner 
Pfleger der K. K. Grafschaft Ort. 



Specification 

Was ich Endes Gefertigter für nachfolgenden, wegen Jhrlehr und 
Ruckher aus Siebenbürgen, allhier zu verhaft Gebrachten Joseph 
Stadlhuber an arrestgeld und anderen Verichtungen ins verthienen 



Gebracht habe 
als 

Von 24'l n Sept. 1774 Bis 25^ May 1775 

arrestgeld von 244. tag ä 6 kr 24 fl. 24 kr. 

Ein- und ausschliessgeld ä 24 kr — , 48 , 

2 mahl zum examen zuführen deto — , 48 } 

für den Gang nacher Linz Bey dessen ablieferung 

nebst aufenthalt alda 3 » — * 

29 ff — kr. 

K. K. Grafschaft Ort den 25!^ May 1775. 



Vorstehende 29 fl. seind mir von (Titl) Gestrengen Herrn Pfleger 
richtig gutgethan worden. 

Ludwig Diewald 

Landgerichtsdiener. 



Berechnung über die von Joseph Stadlhuber siebenbürg. Trans- 
migranten ehemahlens grafschaft Ortnerschen Unterthan am Weeg 
der wegen seiner reversion am 23!^ Sept. abgewichenen Jahrs bey 
disortigen Landgericht eingebracht worden, vorgefundene Paarschaft, 
bestehend in 3: Paquetln, deren iedes. 8 . St. Kremnizer Ducaten 

enthalten: 24: ä 4 fl. 18 kr 103 fl. 12 kr. 

in einem blaterl . I . St. deto . . 4 fl. 18 kr. . 

2 zwanzger ... — > 40 , 
kreuzer .... — , 2 , 

5 » — » 
108 fl. 12 kr. 



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179 



hievon 

werden dem Stadlhuber durantc arresto zu nothwen- 
digen beyschafung vigore attestati Nr. i hinaus- 
gegeben . 3 . Ducaten pr 12 fl. 54 kr. 

dessen Atzung betragt vom 24. Sept. 1774 bis 25. May 

1775 inclus. ab . 244 . T: ä 5 kr 20 „ 20 , 

Nr. 2 für monatlichen Schwagen Stroh zu der Liger- 

stadt ä 4 kr — 9 32 „ 

Landgerichtsdienners arrests gebühren und andere 

Forderungen betrefen 29 , — , 

Zur Aztung auf die Reise bis Linz seind dem Stadl- 
huber behändigt worden — B 24 9 

Leztlichen khommen an Postportoriis einzustellen ver- 

mög extract Nr. 3 — , 37 , 

63 fl. 47 kr. 

nach welchen abzug annoch im Rest verblieben so 

hiemit paar mitgegeben werden 44 , 25 , 

Obige 108 fl. 12 kr. 

act: Grafschaft Ort den 26. May 1775. 

NB. Obwohln die intimation den 19. May spat erfolget, so ist 
doch die publ. den: 20: und die abliferung erst am 26ÜÜ erfolget, 
weilen annoch auf sein verlangen wegen seinen anforderungen zu- 
liquidiren wäre, welches erst am. 22^ geschehen khonte, am. 22. 
23. 24. das schlimste Wetter, am. 25^ aber Feirtag wäre, dann 
musten constituta, Berechnung, dies Specif:, Schubzetl erst errichtet 
werden. 



Das mir aus meinem bey der grafschaft Ort hinterlegt gewest 
paaren geld pr. 108 fl. 12 kr. zu beyschafung einicher nothwendig- 
kheiten wehrend meines arrests drey Kremnizer Ducaten, dan vom 
24^ Sept. 1774. bis. 25^ May. 1775: mir tägliche. 5 kr. Aztung, 
und bey Hinweckhführung 24 kr. Zöhrung eingchändiget worden, 
bekhenne hiemit. Ort den. 23. May. 1775. 

Joseph Stadlhuber. 



13* 



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180 



Zu gehorsamster Folge hochloblich K. K. Landeshauptmann- 
schaftl. Befelhs wird gegenwärtig Joseph Stadlhuber in den Wasser- 
thurn nacher Linz verwahrlichen abgeschikhet, und zu dessen aller- 
ortig ungehinderten Passierung dises Zeignus amtlichen mitgegeben. 
K. K. G. Ort den 26. May. 1775. 



Zu gehorsamster Folge hochlöbl. K. K. Landeshauptmannschaftl. 
befelhs ddo. 15. et. praes: 19^ dies monats May wird Joseph Stadl- 
huber vor. 20. Jahren wegen Irrglauben translociert hiesiger Unter 
thann, welcher wegen seiner unerlaubten reversion, und beharrlich- 
kheit in seinem Irrglauben von. 23. Sept. 1774 bis heute hier ver- 
wahrter angehalten wurde, der weiteren transportirungs willen naher 
Siebenbürgen an das K. K. Löbliche Landrichteramt naher Linz 
benebst dem von ihme abgenommenen constituto, und einem paaren 
Rest pr 36 fl. 55 kr. abgeschikht, und des richtigen Empfangs, und 
Einliferung um recognition angesuchet. 

act. K. K. G Ort den 26^ May 1775. 



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XIV. 



Zwei Memoriale 

der aus Oberösterreich, Steiermark und Kärnten nach Siebenbürgen 
transmigrirten Evangelischen an das Corpus Evangelicorum. 

Mitgetheilt von Dr. KARL VON OTTO, 

In Steiermark, Kärnten und Krain war die Gegenreformation 
während der letzten Jahre des Erzherzogs Karl (f 1590) begonnen, 
dann zur Zeit der Minderjährigkeit Ferdinand's (unter der Regent- 
schaft 1590 ff.) und in dessen ersten Regierungsjahren (1596 ff.) fort- 
gesetzt, endlich seit 1599, da vereinzelte Massregeln sich wenig 
wirksam erwiesen, nach einem bestimmten Plane unter Anwendung 
scharfer Mittel allgemein durchgeführt worden. Dasselbe geschah 
bald nachher in Nieder- und Oberösterreich, wo Ferdinand seit 1623 
strenge Edicte zur Durchführung der Gegenreformation erliess. 

So hatte die evangelische Kirche in jenen Ländern aufgehört 
vor dem Staatsgesetze zu existiren. Doch blieben Viele im Herzen 
dem evangelischen Glauben treu und verpflanzten ihn in der Stille 
auf ihre Nachkommen. Später, besonders seit 1734, pflegte gegen 
diejenigen, welche als Evangelische entdeckt hartnäckig in der »Irr- 
lehre* beharrten, auf zwangsweise , Transmigration* nach Sieben- 
bürgen (seltener nach Ungarn) erkannt zu werden. 

Das Corpus Evangelicorum zu Regensburg richtete unterm 
28. Februar 1753 ein Intercessionsschreiben nach Wien für die evan- 
gelischen Einwohner in Steiermark, Kärnten und dem Lande ob der 
Enns '). Es blieb ohne Erfolg. Gerade jetzt wurden Viele von dort 
nach Siebenbürgen abgeführt. Diese sendeten im J. 1764 zwei Memo- 
riale an ,Ein hochpreisliches Corpus Evangelicorum* (Nova Acta 

') Abgedr. nebst Beilagen in „Vollst. Geschichte der neuesten Bedruckungen 
der Evangg. in d. Erblanden des Hauses Oesterreich". Th. 1 (1763. 4) S. 32 ff. 



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182 



hist. eccles. B. V S. 616 ff., B. VI. S. 38 ff.): das eine vom 15. Fe- 
bruar, das andere vom 20. October; jenes am 3. Juli, dieses am 
[. December durch Kursachsen zur Dictatur gekommen. 

Wir theilen beide Memoriale im Folgenden mit, ersteres zugleich 
mit einem, die Lage der Transmigranten betreffenden Particular- 
schreiben von demselben Datum. 

Erstes Memorial. 

,Hoch\\ ohlgeborne u. s. w. 
Wir arme, bedrängte, elend lebende Transmigranten aus Ober- 
österreich, Steyermark und Kärnthen gehen Ew. Excell. u. s. w. 
wehmüthigst an, Hochdieselben geruhen unser Herzensweh zu ver- 
nehmen. 

W T ir elende Menschen haben zwar den König aller Könige um 
den allgemeinen Frieden kindlich angeflehet, damit wir desto eher 
wieder in unsere Heymath gelangen könnten. Ohne die Milde und 
Gnade Ihro kayserl. königl. apostol. Majestät aber vermögen wir 
nicht dahin zu kommen, vielweniger unsern Jammer Ihro Majestät 
vorzutragen, weilen uns kein Zutritt zu Allerhöchstdenenselben ver- 
stattet wird. Wir sind auch fast zu blöde, Ew. Excell. u. s. w. mit 
mehrern zu belästigen. Allein die Noth und der Kummer, womit 
wir umgeben, zwinget uns dahin, Hochdieselben um Gottes willen 
zu bitten, bey Ihro kaiserl. königl. apostol. Majestät Dero Vorwort 
vor uns arme, elende und gleichsam im Exilio lebende Menschen 
dergestalt würksam einzulegen, dass wir aus Allerhöchster Gnade 
in unser Vaterland zurückkehren, unsere verlassene Ehegatten und 
Kinder zu uns, und unsere Güter in Besitz nehmen, und in der ein- 
mal erkannten evangelischen Religion uns üben, als die getreuesten 
Unterthanen uns nähren, allerhöchst- und hohen Obrigkeiten pflicht- 
mässige Schuldigkeit leisten, und Allerhöchsten Schutz- und Hand- 
habung gemessen möchten. In Entstehung dessen aber uns erlaubt 
werde, in eine zum teutschen Reich gehörige Provinz ungehindert 
abziehen, und wegen unserer Religion in ungestöhrter Sicherheit 
leben zu können, welches dahier nimmermehr zu hoffen, weilen der 
westphälische Friedensschluss und andere Reichsgesetze in Ungarn 
von keiner Gültigkeit sind ; vielmehr ist man bemühet, die evan- 
gelische Religion je mehr und mehr zu unterdrücken. Wir haben 
zwar bei unsern hiesigen Herrschaften vielfältige Bittschriften über- 
geben, aber nicht das mindeste erhalten können. 



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183 



Wir wissen demnach kein ander Mittel mehr übrig, als Ew. 
Excell. u. s. w. um Hülfe und Erbarmung anzuflehen, um unsere 
aufs äusserste gestiegene Drangsalen in Beherzigung zu nehmen. 
Welche Gnade der Allerhöchste mit anderweiten Segen ersetzen, und 
alles hohe Wohlergehen angedeihen lassen wolle! Die wir uns in 
tiefester Submission empfehlen 
Ew. Excell. u. s. w. 

Hermannstadt den 15. Februar 1764. 

gehorsamste 

N. N. Buchheim- N. N. aus Steyermark. 

N. N. Burgwels- und N. N. aus Kärnthen. 

N. N. Lambacher Unterthanen. 
Zugleich im Namen aller, die einen freyen Abzug begehren.' 



, Immanuel, Gott mit uns und Euch, zum freundlichen Gruss! 

Liebwerthester Freund und Glaubensbruder, Deinen an uns er- 
lassenen Brief vom 27. Jänner haben wir den 10. Februar richtig 
empfangen, und zu unserm Trost daraus ersehen, dass Du noch im 
Leben und guter Gesundheit Dich befindest, welches uns sehr lieb 
zu vernehmen, weilen ich schon übers Jahr von euch nicht das min- 
deste erfahren können. Wir werden noch immer aufs höchste be- 
dränget ; man will uns mit Gewalt zwingen in Siebenbürgen zu bleiben, 
ob man uns zwar vertröstet, dass, wenn es zum Frieden kommt, 
so wird unser im Besten gedacht werden. Wir haben uns auch über 
den zwischen denen kriegenden Partheyen geschlossenen Frieden 
herzlich erfreuet, in Hofnung, dass wir einmal aus unserm lang- 
wührigen Exilio möchten losgelassen werden. Allein jezt vernehmen 
wirs ganz anders. Doch tröstet uns dieses, dass man noch nicht gar 
abgelassen, unser im Besten zu gedenken. Bitten demnach um der 
Barmherzigkeit Gottes willen, ihr wollet euch ferner unser nach aller 
Möglichkeit annehmen, dass wir einen freyen Abzug bekommen, 
indem es ohnmöglich scheinet, dass uns in unserm Vaterland eine 
freye Religionsübung solte zugelassen werden. Bitten demnach, man 
wolle doch mit uns handeln, wie es in vorigen Zeiten geschehen mit 
denen, welche sich zur A. C. bekennet, denen man über Herrschafts- 
gebühr nichts zurückbehalten, sondern sie mit Hab und Guth, Weib 
und Kindern, nach ihrem Belieben ziehen lassen, wie solches im 



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184 



Westphälischen Friedensschluss Art. 5 deutlich versehen ist. Und 
aus einem Schreiben, welches das Corpus Evangelicorum wegen 
unser nach Wien abgeschickt '), habe ich gesehen, dass die Worte 
gestanden: der Westphälische Friedensschluss seye als ein ewiges 
Gesetz aufgerichtet worden, im ganzen römischen Reich teutscher 
Nation, dass denenjenigen, welche ihre Religion ändern, entweder 
die Toleranz oder das Ius emigrandi solte zugelassen werden. 
Bitten, auf solche Weise sich unser anzunehmen. 

Ferner haben wir in Erfahrung gebracht, dass viele unserer 
Beschwerden gründlich selbst zu Wien vorgestellet worden, welche 
doch von catholischer Seite als unwahr widerlegt werden wollen, 
über welches wir uns nicht wenig wundern müssen, dass unsere Ver- 
folger die lautere Wahrheit also Lügen strafen dürfen, und noch 
darzu wünschen, die Protestanten möchten auch ihren catholischen 
Unterthanen, die unter ihnen leben müssen, dergleichen widerfahren 
lassen. Aber ich glaube, wenn solcher Wunsch in die Erfüllung 
kommen solte, es würde ihnen übel gefallen, wenn man sie mit 
harten Arresten belegte, Jahr und Tag, und darnach mit Hinter- 
lassung aller Habschaften, Ehegatten und vieler Kinder unter eine 
fremde harte Nation und darzu für uns sehr ungesundes Land ab- 
führen solte, da wir seit unsers Hereinkommens uns um die Hälfte 
vermindert befinden und die meisten bis ins zwölfte Jahr in groser 
Armuth, Sorgen, Bekümmernis und Krankheit beständig ausgehalten, 
so dass wir bekennen müssen : Die Güte des Herrn ist es, dass wir 
nicht gar aus sind, und seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende. 
Jezt müssen wir manchmal seufzen mit denen gefangenen Israeliten 
aus Ezech. 37, Ii: Unsere Gebeine sind verdorret, unsere Hoffnung 
der Wiederkunft in unser Vaterland ist verlohren, und es ist aus 
mit uns. Aber der Herr, der ihr Gefängnis gewendet, lebet noch, 
der kan auch unsers wenden, wenn wir ihn ernstlich darum bitten. 

Liebwerthester Freund, ich habe recht viele Drangsalen in diesem 
Lande ausgestanden, viele Krankheiten und Armuth, auch Absterben 
der Meinigen, indem mein Vater, zwey Kinder, Schwäher, Schwieger 
und Schwägerin, und darzu mein liebes Weib erst in diesem Monat 
den 5. Februar dieses Zeitliche gesegnet, und mich also jezt mit 



*) Es ist das oben (S. 181) erwähnte Intercessionssehreiben ddo. 28. Februar 1753 
gemeint. 



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185 



drey kleinen Kindern im betrübten Wittwerstand befinde. Ich habe 
auch nichts Eigenes. Von meinem Vermögen ist mir was weniges 
nachgeschicket worden, welches man nur die ersten Jahre zu meiner 
Unterhaltung in Krankheiten herausgegeben. Nach Ausweis des 
Inventarii hätten wir noch bey 200 fl. zu fordern, welches bey der 
Herrschaft liegen wird, denn der Inspector saget mir, in Sieben- 
bürgen hätte ich nichts zu fordern, sondern drausen; wie denn vielen 
von ihren Sachen gar nichts nachkommen, etlichen was weniges, 
etlichen das meiste. 

Auch haben wir aus Deinem Brief vernommen, wie Du ein 
groses Misfallcn daran hast, dass wir uns widersetzen, hier in Sieben- 
bürgen zu bleiben, und dass wir der Obrigkeit nicht Steuer und Zins 
geben wollen. Wir hoffen, es solten Dir die Ursachen wohl bekannt 
seyn, nemlich, weilen wir nichts Eigenes haben, auch denen hiesigen 
Herrschaften nie was versprochen zu geben, weilen wir als Gefan- 
gene hier sind, und was wir haben solten, das haben die Herren 
in Händen ; und weilen wir nichts als unser Verderben hier sehen, 
so können wir mit gutem Gewissen nicht einwilligen hier zu bleiben, 
und müssen darüber leiden, was zu leiden uns Gott noch zuschicken 
wird. Es sind wiederum den 5. Jänner dieses i7Ö4sten Jahres 15 Per- 
sonen deswegen in Arrest gekommen, weilen sie nicht bleiben wollen, 
nemlich eilf Landler ') und vier Karnther. Diese alle seynd in Her- 
mannstadt auf dem Rathhause in einem Zimmer beysammen, und 
wird weder Essen noch Holz ihnen geschaffet; und wenn einer nur 
die Kopfsteuer giebt, so wird er aufgeschrieben zu einem Hier- 
bleibenden. 

Ferner berichte auch, dass diejenigen, welchen die Religion ein 
rechter Ernst ist, hier nicht zufrieden seyn können. Das Wort Gottes 
wird uns nicht so gut vorgetragen, als wirs in unsern Büchern 
g.elernet, absonderlich in Spangenbergs Nürnbergischem Handbuch 2 ) 
und Formula Concordiae, weilen hier die Iurisdictio ecclesiastica er- 
kennet wird, indem kein Streit noch Unterschied zwischen der 
päbstlichen und unserer evangelischen Religion, weder in Predigten 
noch in hiesigen Büchern, gelehret wird, dass also die Leute, ab- 

*) Aus dem Landl, d. i. dem Lande ob der Enns, insbesondere dem ehemaligen 
Hausruck-Viertel (Hauptstadt Wels). 

a ) Es ist wohl Johannes Spangenberg's ff 1550) Hauspostill, Nürnb. 1701. 4, 
gemeint. Vgl. Jahrbuch 1880 S. 69. 



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186 



sonderlich die anwachsende Jugend, welche ohnedas leichtsinnig, zur 
päbstlichen Religion kan gebracht werden, darwider die Eltern nicht 
das geringste sprechen dürfen, wie auch schon würklich geschehen, 
dass Eltern ihre Kinder haben abmahnen wollen, wegen den Über- 
tritt zur päbstlichen Religion, denen obrigkeitlicher Seite hart gedrohet 
worden, solches zu unterlassen, so sie aber solches nicht thun, seynd 
ihnen harte Schläge angedrohet worden, auch Einige würklich schon 
geschlagen. 

Hiermit bist Du zu tausendmal herzlich Gott befohlen. Bitte Gott 
für uns, verbleibe 

Dein 

Hermannstadt den 15. Februar 1764. 

getreuer Freund 
N. N.« 

Zweites Memorial. 

,Hochwohlgeborne u. s. w. 
Ew. Excell. u. s. w. können wir arme und schier verschmach- 
tende, auch schon zum Theil in das zwölfte Jahr allhier in Exilio 
lebende Transmigranten nicht umhin, fernerweit unterthänigst zu 
eröfnen, welchergestalt es am 25. August a. c. gewesen, dass von 
denen hiesigen Transmigranten auf einmal 28 Mann durch Soldaten 
auf das Rathhaus in Arrest geführet worden, welche sechs Wochen 
und zwey Tage darinne sitzen und von unserm Brode leben musten. 
Sie wurden sämtlich in ein enges Loch zusammengestecket, so dass 
die erste Nacht sich keiner niederlegen konte. Wir haben sofort 
binnen sechs Wochen sowol bey dem commandirenden General, 
Herrn Grafen von Haddick, als auch bey dem siebenbürgischen 
Canzler, Herrn Baron von Bruckenthal, vier Memorialien übergeben. 
Sie wurden auch gutwillig angenommen, und uns versprochen, sich 
unserer nach Möglichkeit anzunehmen. Man hat uns hierauf befragt, 
wie viel denn derjenigen wären, welche nicht in Siebenbürgen bleiben 
wolten. Da sich denn in und um Hermannstadt, Grossbolt und denen 
nächsten Dörfern mehr als 800 frey willig aufschreiben lassen. Diese 
Specification hat man seithero dem commandirenden Herrn General 
übergeben; wir wissen aber nicht, was etwa hierauf erfolgen wird. 
Indessen sind, auf Befehl des commandirenden Herrn Generals, ob- 
besagte 28 Gefangene ihres sechswöchentlichen beschwerlichen Arrestes 



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187 



mit der Condition entlassen worden, dass sie auf Begehren sich 
wieder stellen, und keiner sich unterfangen solle aus dem Lande zu 
ziehen, sondern sich ruhig und stille zu halten. 

Überhaupt haben wir wenig anscheinende Hoffnung, aus unserm 
Exilio zu gelangen, weil wir von unserm Inspectore, Herrn von 
Hannenheim, vernommen, dass aus denen österreichischen Ländern 

■ 

abermal bey 2000 Mann hereinkommen werden. Wir müssen dahero 
täglich mit David aus dem 13. Psalm ausrufen : Herr, wie lange wilt 
du unser so gar vergessen? Wie lange verbirgest du dein Antlitz 
vor uns? Wie lange sollen wir sorgen in unserer Seele und uns 
ängsten in unsern Herzen täglich ? Und wie lange sollen sich unsere 
Feinde und Verfolger über uns erheben? Und aus dem 77. Psalm: 
Wird denn der Herr ewiglich Verstössen und keine Gnade mehr 
erzeigen? Ists denn ganz und gar aus mit seiner Güte? Und hat die 
Verheisung ein Ende? 

Aus diesen und anderen in unsern vielen vorherigen submissesten 
Memorialien angeführten Umständen flehen wir Ew. Excell u. s. w. 
hiemit nochmals fussfälligst an, Hochdieselben geruhen gnädigst, 
sich unsern unbeschreiblichen Jammer zu Herzen gehen zu lassen, 
und bei Dero allerhöchst-, höchst- und hohen Herrn Principalen die 
Sache dahin zu verwenden, dass durch deren kräftigste Interposition 
Ihro kayserl. königl. apostol. Majestät uns aus diesem für uns ganz 
unbequemen Lande den freyen Abzug unter die Stände des Reichs 
A. C. zu gestatten allergnädigst bewogen werden möchten. 

Wir arme Pilger wollen vor solche Vatertreue Gott, den All- 
mächtigen, um Vergeltung solcher Wohlthaten inbrünstig anrufen. 
Die wir im tiefsten Respect verharren 
Ew. Excell. u. s. w. 

Hermannstadt den 20. October 1764. 

unterthänigste 
arme Transmigranten. • 



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XV. 



Miscellanea. 

i. Zu Jahrgang II, S. 147. 

Dr. Heidenreich's Vater ist der berühmte M. Laurentius 
Heidenreich, der Reformator Zittaus, einer der ersten — wenn 
nicht der erste — Verkündiger des lautern Gotteswortes in der 
Oberlausitz. Derselbe war, wegen seiner 1530 geschehenen Ver- 
heiratung, von 1530 — 1543 aus Zittau verbannt, 1530 — 1543 Prediger 
in Löwenberg, 1543 — 1545 in Greiflfenberg. Bereits 1545 (nicht 1547) 
wurde er in ehrenvollster Weise nach Zittau als erster Prediger (Pastor 
Primarius) zurückberufen. Vgl. (Altmann) Historia Ecclesiastica 
Zittaviensis etc. Herausg. von Urb. Gottl. Heussdorff (Bautzen 1732), 
S. 67, 104, 110 ff. Dietmann, Die gesammte der ungeänderten 
Augsb. Conf. zugethane Priesterschaft in dem Markgrafthum Ober- 
lausitz (Lauban 1777), S. 331 f. Müller, Versuch einer Oberlausitz. 
Ref. -Geschichte (Görlitz 1801), S. 379, 387 ff. Grosser, Lausitzische 
Merkwürdigkeiten (Leipz. 1717) II. S. 16, 62. Pf. Scheuffler. 

2. Die frühesten Opfer des Protestantismus in Kärnten, 1531. 

In den berühmten, der Marcusbibliothek in Venedig gehörigen, 
handschriftlichen Diarien Marino Sanuto's findet sich (Vol. 55, 
fol. 66, vom 18. November 1 53 1 ) ein merkwürdiger Bericht ein- 
geschaltet, welcher in deutscher L'ebersetzung also lautet : 

, Abschrift eines aus Cividal di Natisone unter dem 13. Novem- 
ber 153 1 an den gewesenen dortigen Proveditore Ser Gregorio 
Pizzamano geschriebenen Briefes. 

— Hier gibt es nichts Neues, ausser dass (König) Ferdinand 
20 Meilen jenseit Villach zwei lutherische Mädchen, Schwestern, 
beide von ausserordentlicher Schönheit, welche sich von jenem 
Wahnwitz durchaus nicht haben wollen bekehren lassen, in 
einen Fluss hat werfen lassen. Sie werden in das Verzeichniss 
der lutherischen Heiligen eingeschrieben werden. Es scheint, 
dass diese hierüber sehr aufgebracht sind, und man sagt, 
dass beschlossen worden sei, für jetzt gegen diese Ketzer nicht 
weiter einzuschreiten, weil es eine unheilbare Wunde sei.' — 



J 

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189 



Aus dem Wortlaute ergibt sich, dass der Briefschreiber das 
Erzählte für eine Thatsache ansah, die er von dem Weitern durch 
das folgende ,Es scheint* unterscheidet. Auch Sanuto hat den 
Bericht für glaubwürdig und denkwürdig gehalten, sonst hätte er 
dieses Bruchstück eines Privatbriefes seinen Diarien nicht einverleibt, 
dessen Empfänger überdies ein zu hoch gestellter Mann war, als 
dass ihm sein (uns unbekannter) Correspondent leichtsinnig eine der- 
artige Mittheilung hätte machen sollen. Dass die Namen der Per- 
sonen und des 20 (offenbar italienische, also 5 deutsche) Meilen 
jenseit Villach (von Italien aus) gelegenen Ortes nicht genannt werden, 
kann einen Zweifel an der Wahrheit des Berichteten nicht begründen. 
Kein kärntnischer Chronist oder Geschichtschreiber erwähnt (meines 
Wissens) diesen Vorfall, welcher einerseits zeigt, dass die Reformation 
schon damals in weitern Kreisen Kärntens Verbreitung gefunden 
hatte, und andererseits beweist, dass König Ferdinand's Ofener 
Generalien v. J. 1527 in Kärnten mit allem Ernst ausgeführt wurden. 

Es wäre gewiss von allgemeinem Interesse, aus Kärnten Näheres 
über dieses Ereigniss zu erfahren. 

Venedig, März 1883. Dr. T/i. Elze. 

3. Grazer Christenlehre im 16. Jahrhundert. 

In »Georg Khuen's, einer löbl. Landschaft in Steier Predikanten 
und Pastoren, christl. und einfältige Erklärung des h. Evangelii* 
(Gräz, bei Andreas Frank, 1572) Bl. 2 heisst es: 

,Wir haben hier ein Haus Gottes, wo unter der Woche, beson- 
ders aber am Sonntage Predigten über das Alte und Neue Testament 
gehalten werden. Man hat Früh und Nachmittags eine kurze ver- 
ständige Predigt, in welcher man den Zuhörern und vorzüglich der 
Jugend den Katechismus und die Hauptstücke des Christen- 
thums vorhält. Da lässt man die Knäblein und Dirnlein nach einander 
beten, und hört, ob sie das , Vaterunser*, den christlichen Glauben, 
die zehn Gebote Gottes, die Worte vom h. Sacrament der Taufe, 
vom Schlüsselamt und von der Einsetzung des hochwürdigen Abend- 
mahls sammt der Auslegung innc haben. Da examinirt man sie, wie 
sie sich Abends beym Schlafengehen Gott befehlen und wie sie ihm 
für den verliehenen Schutz danken, wenn sie Früh aufstehen. Man 
fragt, wie sie, wenn sie zu Tische gehen, Gott bitten, und ihm, wenn 
sie davon wieder aufstehen, Dank sagen. Ebenso werden Kinder und 



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190 



Gesinde zum Gehorsam gegen Eltern und Herren angehalten. Es 
findet sich auch, da«s Kinder von 5, 6 bis 8 Jahren ihren Katechismus 
wohl auswendig wissen, so dass man auf dem Lande Leute von 
20 bis 50 und mehr Jahren haufenweise findet, welche es ihnen 
nicht nachthun können.* Dr. Trautenb erger. 

4. Das Cultusverhältniss der Bevölkerung Oesterreichs. 

Die in Oesterreich (Cisleithanien) am 31. December 1880 aus- 
geführte Volkszählung war wie die vorhergehende vom Jahre 1869 mit 
einem Nachweise des Religions-Bekenntnisses verbunden. Wir geben 
hier einen diesbezüglichen Vergleich zwischen beiden Zählungen: 



1869 1880 





16,248776 


17,693.648 




2,330.421 


2.533-323 




3.03 6 


2.854 




4.126 


6.134 




458.128 


492.088 




1.144 


1.454 


Evangelische 






Augsburger Confession . . . 


247-157 


289.005 


Helvetischer Confession . . . 


104.017 


110.525 






1.049 






731 




161 


169 




820.200 


1,005394 






49 




365 


4.488 






3-333 


Summe 


20,217.531 


22,144.244 



Demnach Gesammtzahl der Evangelischen 399.530; Zunahme 
seit jener Zeit 48.356 (41.848 A. C. u. 6508 H. C). 0. 



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XVI 



Verzeichniss 

der Mitglieder der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus 

in Oesterreich. 

Als Gründer sind der Gesellschaft beigetreten: 

die evangelische Kirchengemeinde in Brünn, 
Herr Carl Baron Offermann in Brünn, 
Herr Robert Schorisch in Lundenburg. 
Das Diplom der Gesellschaft erwarb : 

das Presbyterium der evangelischen Gemeinde Eger. 



Mitgli 

1. Abel, Louis, Kaufmann, Wien. 

2. Abich, H., kais. russ. Staatsrath, Wien. 

3. Asch, Presbyterium. 

4. Asche, L. F., Kaufmann, Wien. 

5. Aust, Carl, stud. theol., Wien. 

6. Backhaus, F., k. k. Hof-Anstreich., Wien. 

7. Bareuther, E. t Dr., Hof- und Gerichts- 

Advocat, Reichsraths-Abg., Wien. 

8. Bauer, Carl, Superintendent, Tressdorf. 

9. Bernhard, O., Pfarrer, Dauba. 

10. Berwer, Friedrich, Presbyter, Brünn. 

11. Bielitz, ev. Gemeinde. 

12. Bielitz, ev. Lehrerbildungsanstalt. 

13. Bleiberg, Presbyterium. 

14. Böhl, E., Dr. theol. u. phil., o. ö. Prof. 

an der k. k. ev.-theol. Facultät, Wien. 

15. Boruta, Johann, ev. theol. cand. 

16. Braumüller, W. Ritter v., k. k. Hof- 

und Universitäts-Buchhändler, Wien. 

17. Brunner v. Wattenwyl, C, Dr., k. k. 

Hofrath, W ien. 

18. Brüxner, A., Dr., Hof- und Gerichts- 

Advocat, Wien. 

19. Bühler, Ernst, General-Dir. i P.,Prerau. 



eder: 

20. Capesius, Victor, Dr., Hof- u. Gerichts- 

Advocat, Wien. 

21. Carlsbad, Presbyterium A. C. 

22. Criegern, v., Dr., Subdiaconus, Gen.- 

Secr. d. Gustav-Adolf- Vereins, Leipzig. 

23. Se. königl. Hoheit Herzog von Cum- 

berland, Gmunden. 

24. Czernowitz, Presbyterium. 

25. Czerwenka, Bernh., Dr. theol., Pfarrer, 

Frankfurt a. M. 

26. Dedic, J., Pfarrer, Olmütz. 

27. Dianisca, Pfarrer, Leutschau. 

28. Diez, E. F., Pfarrer, Ramsau. 

29. Dräsche, Richard Freiherr v., Wien. 

30. Doleschall, E. A., ev. Pfarrer, Budapest. 

31. Eger, Presbyterium. 

32. Elze, Th., Dr , Pfarrer, Venedig. 

33. Erggelet, Max Freiherr v., Wien. 

34. Ergenzinger, Jul., Pfarrer, Reichenberg. 

35. Erlanger, Victor Baron v., Wien. 

36. Fähndrich, Gust., Director der Wiener 

Gasindustrie Gesellschaft, Wien. 

37. Ferbas, Pfarrer, Görkau (Böhmen). 

38. Fernau, Reinhard, Grossindustr., Wien. 



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192 



39 - Fiers, Conrad, Curator d. ev. Gemeinde 

Mödling. 

4Q. Figdor, Ferd., Grossindustr., Wien. 

41. Formey, A., Pfarrer. Wien. 

42. Frank, F., Curator d. ev. Gem. Znaim. 

43. Frank, G., Dr. theol., geistl. Rath des 

k. k. ev. O.-K.R., o. ö. Professor an 
der k. k. ev.-theol. Facultät, Wien. 

44. Frank, C. M., Kaufmann, Wien. 

45. Frankendorfer, Carl, Pfarrer, Jakobeny 

(Bukowina). 

46- Franz, E., Dr. jur., k. k. Landesger. Rath, 

Mitglied des k. k. ev. O.-K.-R., Wien. 

47 - Franz, R., Dr. jur., Sectionsrath im k. 

k. Ministerium f. C. u. U., Wien. 
48. Frauer, E., Grosshändler, Triest. 
49_. Frick, W., k. k. Hofbuchhindi., Wien. 

50. Friedmann, A., Privatier, Wien. 

51. Pritsche, Herrn., Pfarrer, Wr.-Neustadt. 

52. Fritsche, R., Professor, Teschen. 

53. Fromme, C, k. k. Hofbuchdr., Wien. 

54. Fronius, Josef, Pfarrer, Czernowitz. 

55. Gablonz, Presbyterium. 

56. Gabryä, Joh., Hausbesitzer, Teschen. 
57- Glammer, Carl, Kaufmann, Wien. 

58. Gmunden, Pfarramt der ev. Gemeinde. 

59. Gontard, k. k. Generalmajor, Znaim. 
im. Görkau-Rotenhaus, Presbyterium. 
ftL Graz, Pfarramt der ev. Gemeinde, 
üz. Graz, Presbyterium. 

63. Se. königl. Hoheit Prinz Gustav von 

Sachsen-Weimar, Wien. 

64. Haase, Th., Dr. theol., Superintendent, 

Reichsraths- Abgeordneter, Teschen. 

65. Habrich, Gustav, Rentier, Wien. 

üü. Hansen, Theophil Ritter v., k. k. Ober- 
baurath, Wien. 
07. Härtung v. Härtungen, Dr., Wien. 
ü^L Haueis, Gymnasial-Director, Raden. 

69. Heck, J. W , Pfarrer, Mödling. 

70. Heimann, H^ Superint. -Curator, Wien. 
7 1 ; Hermannstadt, ev. Gymnasium. 

72. Hetzer, Carl, Fabrikant, Wien. 

73. Hirschfeld, Otto, Dr., k. k. o. ö. Uni- 

versitäts-Professor, Wien. 

74. Hönel, J., Superintendent, Biala. 



7_5 Hofherr, Math , Fabrikant, Wien. 

76. Horawitz, Adalb., Dr., k. k. Professor, 

Wien. 

77. Hrauda, W., Drechslermeister, Wien. 

78. Hühner, tL, Pfarrer, Troppau. 
70.. Janik, Georg, Pfarrer, Ustron. 
Sq. Johanny, Erich, ev. theol. cand. 
8.L Jungmayer, Josef, ev. theol. cand. 
8z. Kanka, Georg, Pfarrer, Mitglied des 

k. k. ev. O.-K.-R. A. C, Wien. 

83. Kirchner, Anton, Reallehrer, Wien. 

84. Kirschnek, Joh. Bpt., Kaufmann, Wien. 

85. Klamer, Carl, Fabrikant, Wien. 
S6. Klebek, Herrn., Pfarrer, Brunn. 

87. Klima, A., Pfarrer, Christdorf (Mähr.). 

88. Koch, Friedr., Pfarrer, Gmunden. 

89. Koch, J., Senior und Pfarrer, Eger. 
QO Koch, J. E., Superintendent, Wallern. 
91. Koelsch, Restaurateur, Wien. 

gz. Köhler, Wilh., Buchdruckerei-Besitzer, 
Wien. 

93. Körting, Georg, Presbyter, Brünn. 
94 - Kosczol, Johann, ev. theol. cand. 

95. Kosak, Dr. med., Baden. 

96. Kotschy, Aug., Pfarrer, Attersee. 

97. Kotschy, Heinr., Sen. u. Pf., Wald. 

98. Krackhardt, Ernst, Presbyter, Brünn. 

99. Krr}al, Carl, Pfarrer, Bregenz. 

100 Kühne, Pf., Langwolmsdorf (Sachsen) 
101. Kulisz, Johann, stud. theol., Wien. 
102 Kupferschmied, Gust, Pfarrer, Weich 
sei (Schlesien). 

103. Kusmany, Victor, stud. theol., Wien. 

104. Lamel, Franz, Dr., Wien. 

105. Lany, v„ Senior und Pfarrer, Cernilov. 
106 Leidenfrost, Rob., Dr., Senior und 

Pfarrer, Graz. 

107. Leisching, Eduard, Kaufmann, Wien. 

10S. Lenz, Alfred, Reichsraths - Abgeord- 
neter, Wien. 

109. Lisztwan, Adam, Alt-Bielitz. 

1 10 Lucas, Joh., Wirthschaftsrath, Wien 

i n. Lukacs, Oscar, stud. theol., Erlangen. 

H2. Lume de Luine, kgl. hannov. wirkl. 
Geh. Legationsrath, Wien. 

113. Luz, Carl, Presbyter, Brünn. 



d by Gc 



193 



114. Marolly, R., Pfarrer A. C, Wien. 

115, Mayer, Franz, Dr., k. k. Gymnasial- 

Professor, Graz. 

lliL Medicus, IL, Senior und Pfarrer. Triest. 

117 Mehnert.Jul.. Verwalt. Rath.Gmunden. 

1 18- Mockovcsak. Senior und Pfarrer, Neu- 
sohl (Ungarn). 

119. Mödling, Presbyterium. 

L2Ö. Molnar, Felix, Pfarrer, Pilsen. 

121. Molnar, Dan. Th., Superint., Prag. 

122. Murmann, E. Ritter v.. Priv., Wien. 

123. Narath, Albert, Fünfhaus. 

124. Neunkirchen, Presbyterium. 

125. Niese, C, Prof. u. Pfarrer, Baliren 

dorf (Sachsen), 
tfu. Nördling, W. Ritter v., k. k. See 

tiotischef L P., Wien. 
127. Oberkirchenrath, k. k. ev., Wien. 
12L Otto, Carl Ritter v., Dr. theol. u. 

phil., k. k. Reg.-Katli, o. Ö. Prof. an 

der k. k. ev. -theol. Facultät. Wien. 
I2q. Plattensteiner Moriz, Dr., Hof- und 

Gerichts-Advocat, Wien. 
MO. Pospisil, Chr., Pfarrer, Humbolec. 
1 ji- Preidel, Friedr., Privatier, Wien. 
132. Ramsau, Presbyterium. 
133- Regensdorff, F., Kaufmann, Triest. 
H4. Reichenecker, C, Kaufmann. Riga. 

135. Reissenberger, Carl, Prof. Dr., Graz. 

136. Renner, Kaufmann, Triest. 

137. Rittmayer, C. Ritter v., Kaufmann, 

Triest. 

138. Rolf, Carl, ev. theol. cand. 

139. Romig, Theodor, Brünn. 

I4Q. Rosenthal, Victor, Kaufmann, Wien. 
141- Roskoff, G., Dr. theol., o. ö. Prof. 
an d. k. k. ev. -theol. Facultät, Wien. 

142 Royer. Moriz, ev. theol. cand. 

143 Rusch, Gust , k. k. Professor, Wien. 
144. SäMf, Carl Ritter v., Dr., Hof- und 

Gerichts-Advocat, Wien. 
145 Sarg, Carl, k. k. Rath, Handelsgerichts 
Beisitzer, Wien. 

146. Sauerländer, J. J P| Kaufmann, Wien. 

147. Schaek, O., Superintendent LLC, Wien. 

148. Schädel, Friedr., Pfarrer, Kolomea. 

Jahrbuch des Protestantismus 1S83. iL IV. 



149. Se. Durclilaucht Prinz Wilhelm von 

Schaumburg-Lippe, Nachod. 

150. Schellbach, Jul., Buchhändler, Wien. 

151. Schenner, W., Prof. am Conservato- 

rium, Wien. 

152. Scheufrier, J , Pf., Lawalde (Sachsen). 

153. Schindler, Pfarrer. 

154. Schmidag, Ed., Pfarrer, Unterschützen 

(Ungarn). 

ISS- Schmidt, Joh. G., Senior und Pfarrer, 
St. Ruprecht. 

156. Schmidt von Altenheim, Baron, k. k. 

Sectionschef, Präsident des k. k. ev. 
O.-K.-R., Mitglied des Herrenhauses, 
Wien. 

157. Schneider, Diaconus, Lemberg. 

158. Sc hoc Her. G. Ritter V., Presbyter, 

Brünn. 

tSQ. Schoeller, Gust. Ritter v.. Wien. 
too. Schoeller, Alex. Ritter v., Gross- 
industrieller, Wien. 

161. Schröder, A. Rieh. Ritter v., Consul, 

Triest. 

162. Schulte, Herrn., Fabr.-Dir., Gmunden. 

163. Schur, Ferd., Pfarrer, Bielitz. 

164. Schwarz, Ludwig, Senior und Pfarrer, 

Gallneukirchen (Ober Oesterr.). 

165. Skene, Aug. v., Grossindustr., Wien, 
löii Spohn, J. A., Kaufmann, Wien. 
167. Stählin, G. A., kais. Rath, Superint. - 

Cutator, Brünn. 
|Q8. Stettner sen., J., Curator der ev. 

Gemeinde A. C. in Triest. 
lüo. Stiller, Franz, stud. theol., Wien. 

170. Szüts von Tasnad, Privatier, Wien. 

171. Teschen, Pfarramt der ev. Gemeinde. 

172. Teschen, Presbyterium. 

173. Teschenberg, E. Freih. v., a. o. Ge- 

sandter u. bev. Minister, Wien. 

1 74. Thausing, M., Dr., k. k. Universitäts- 

Professor, Wien. 

175. Thienen-Adlerflycht, Freih. v., Mini- 

ster-Resident, Wien. 

176. Thomann, Achilles, Wien. 

177. Trauschenfels, E. v., Dr., Mitgl. des 

k. k. ev. O.-K.-R., Wien. 

Ii 



194 



178. Trautenbcrger, G., Lic. theol. u. Dr. 

phil., Senior und Pfarrer, Brünn. 
ijg . Tressdorf, Presbyterium. 
180. Tschudi, J. J. v., Dr. phil. u. med., 

a. o. Gesandter u. bevollm. Minister 

d. Schweiz a. D. 
181- Uebel, Gebrüder, Rossbach (Böhmen). 

182. Ulrich, Pfarrer, Ruzenmoos (Ob.-Oest.). 

183. Umgelter, Wilhelm, Brünn. 

184. Unkart, Alb., Dr., Oberingenieur, Wien. 
18 %. Unruh, Gräfin, geb. von Bockum- 

Dolffs, Berlin. 

186. Viereck, Fabrikant, Reitendorf (Mähr.). 

187. Wahliss, E., Kaufmann, Wien. 
iSS. Waldstein, Paul, Dr., Wien. 

1S9. Wanner, O., Bäckermeister, Wien. 

190. Wehrenfennig, Moriz, Senior und 

Pfarrer, Goisern (Ob.-Oest ). 

191. Wien, Presbyterium A. C. 

192. Wien, Presbyterium IL C. 

193. Winkler, C., Buchhändler, Wien. 
194- Wittgenstein, Louis, Kaufm., Wien. 



1^ 



196. 
'07. 
I98. 
*99- 

2 Qu, 
2QI. 

2Q1. 
204. 

205. 



2O0. 
207. 



2US, 



Wite, C. A., Dr. theol., Mitgl. des 
k. k. ev. O.-K.-R. IL C, Pfarrer, 
Wien. 

Witz, P. E., Pf., Cossweiler (EUass). 
Wolkan, Rudolf, Dr. phil., Prag. 
Zajic, St., Lehrer a. d.ev. Schule, Wien. 
Zahn, J. v., Prof. Dr., Director des 

Steierm. Landesarchivs, Graz. 
Zeits, Eduard, Presbyter, Brünn. 
Zimmermann, Paul, Dr. theol., Cun- 

senior und Pfarrer A. C, Wien. 
Zimmermann, Vict., Fabrikant, Wien. 
Zipscr, K., Senior und Pfarrer, Hohen- 

bach (Galizien). 
Zlik, Arnold, Pfarrer, Teschen. 
Znaim, Presbyterium A. C. 
Zurhelle, Heinrich, Presbyter, Brünn. 
Zuylen van Nyevelt, Jul. Graf, kgl. 

niederl. a. o. Gesandter u. bevollm. 

Minister, Wien. 
Zwiedineck v. SUdenhorst, Hans, Dr., 

Bibliothekar am Joanneum, Graz. 



Mitglieder des Centrai-Vorstandes: 

Dr. Carl Ritter von Otto, 
k. k. Regierung trath und o. Ö. Professor an der k. k. evang. -theologischen Facultat in Wien, 

Präsident. 

Dr. C. A. Witz, Dr. Theoi/or Haast, 

k. k. Obcrkircheiirath und Pfatrer der cv. Gemeinde Reichsraths- und Landtags-Abgeordneter, Super 

IL C. in Wien, intendent der mährisch -schlesischcn ev. Diocrse 

Viccprasidcnt. A. C. und Pfarrer in Teschen, 

Vicepräsident. 

Dr. Gustav Trautenberger, y. IV. Heck, 

Senior und Pfarrer in Ultimi, Pfarrer in Miklling bei Wien. 

Sccretär. Archivar. 
Dr. Carl Ritter von Säaf, 
Hof- und Gcrkhis Advocat in Wien, 
Cassicr. 

Carl Bauer, 
Superintendent der Wiener cv. liiüccsc A. C. und 



Baron Victor von Erlanger 



Pfarrer in Trcssdorf, 

Dr. Eugen von Trauschenfels, 
k. k. Oberkirchenrath. 

Dr. J'aul Zimmermann . 
Consenior und Pfarrer der cv. Gemeinde A. C. 
in Wien. 



in Wien. 



Gustav Rusch, 



Professor au der k. k. I.ehrerbildutigs-Ansialt 
in Wien. 

yean George f.umc de Luine, 
kgl hannov. Geh. I.cgationsr&th. 



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Namenregister. 



Aebly v. Kilchmatten 38^ 
Aldringer Graf Sl 
Andrea Ritter v. 43_. 
Andre(i)tschitsch Bastian üj. 

6?. 64. hh. 
Arnold C. 133. 
Auersperg Christ. Frhr. v. 54^ 
August Kurf. v. Sachsen 6ß_ 
Badehorn 33. 
Bakius Reinh. 33. 
Balthasar 102. 
Benedek Carl v. 40. 
Blatt Conrad ij^. 
Bohoritsch Adam 55. 57. S9. 

61. 

Borek H. M. 162 
Bruck Frhr. v. 38. 
Bruckenthal Frhr. v. 186. 
Bude Sebast. 83. 
Bünau Ritter v. 145 ff. 
Burchard Georg lÖS. 
Calovius Sebast. 92. 
Camers Joh. 2. 
Campeggi Lor. L 2. 
Carl Erzh. in Steierm. 
Celius Mich. 84 
Chemnitius Mart. 32. 
Chericus Joh. qo. 
Giesel Melch. 32. 
Crusius Thon. &2, lgQ. 
Dalmatinus Georg 49_. JO_ 

55 57: 59- ^ 
Denis 3. 

Dietelmayer Carl 137. 
Dilherr Joh. Mich. 129. 
Dittmeyr 61. 
Dümler Wolfg. Jac. 131. 



Dresserus Laur. jt. — Zeph. 
73- 

Duba Hlawacz v. 146. 
Kger Georg 165. 
Ergelett Frhr. v 45_. 
Ernst Joh. Jac. 134. 
Faber Joh. L 4, J. 
Fabricius Joh. 130. 
Fallstich Joh. Fr. 43. 
Fejervary Jos. v. 37. 
Ferdinand Erzh. L 
Firmian Leop. Ant. Frhr. v. 
140. 

Friedrich König v. Böhmen 
2JL 

Fritsch Bened. 165. 
Gundermann Joh. 130. 
Guttmann Leonh. 5_. 
Haas Andr. 136. 
Haber v. Linsberg 44. 
Haddick Graf 186, 
Haintschel Jac. 79. 
Hamprecht Barthol. 162. 
Hannenheini v. 187. 
Harsdorffer G. P. 112. 
Heidebrich Ritter v. 165 
Heidcnreich Laur. iSS, 
Heidrich Ambr. SÄ. 
Hejman M. A. 71). 
Hell wetter Georg Sil. 
Helmreich Paul v. 31 ff. 
Hcnikstciu Ritter v. 4^. 
Jenisch Ritter v. 37. 
Johann IX. v. Haugwitz 34. 1 
Juhre Christoph 85. 
Kaltenbrunner Barb. 169. 
Kamtz Matth. 33. 



KautTmann Udalr. L. 
Kekerzitz Margar. 6JL 
Kellner Thom. Si, 
Kemnitz Mart. 32. 
Khcvenhüller Hans v. 108. 
Khlesel Melch. 32. 
Khylber 2. 

Kienesbergcr Sebast. 171. 
Killer Sam. I2i — Urban 

159- 164 165. 
Kinsky Wilh. 73. Äi. — 

Joh. Octav. 81. 82. 
Klatte 16^ 
Klein Joh. 2. 
Kleinpeter 85. 
Kling Friedrich 137. 
Kozlinsky Alex. Sl 
Kraler Val. 2. 
Krär Markus 131. 
Kranecker Wolfg. 2. 
Kuck Ulr. 2. 
Küssling Casp. 162. 
Lang Matth. Erzbisch, l 
Langenau Frhr. v. 42. 
Laurentius Mart. 154. 
Lebzelter Hans 61. 63. 65 
Leibnitz Just. Jac. 129. 
Lein ingen- Westerburg Graf 

3!L 37- 
I. euch mann 162. 
Leyser I'olyc. üü. 
Lindner Fried. 164. 165. 
Longinus Steph. JLl. 
t Lorenz Imm. 31. 
' Ludwig Herzog v. Bayern i_ — 
Herz. v. Württemberg 5^. 
Luther 2. 32. 

14* 



196 



Manuel (Manlius) Hans 52. 
Manner Kitter v. 44. 
Mansfeld Christ. Frietlr. Graf 
116. 

Matthias Erzh. 32. 
Mauritius Bened. 132. 
Mertens Frhr. v. 42. 
Metzner Niclas 162. 
Michael 1. 
Mikau Paul 82. 
Möller Zachar. 165. 
Münch Samuel 165. 
Mojsisovits v. 39. 
Mranla Leonh. 59. 66. 
Müller Christoph 132. 
Münch Simon 73. 
Muer Thomas 73. 
Neuwirth Frhr. v. 39. 
Nostitz Hans Carl v. 41. 
Nusser Hans 61. 64. 
Omeis Joh. Heinrich 132. 
Paschels 149. 
Patzenhauer 70. 
Pause Andr. 85. 
Fdzmäny 99. 100. 
Peter 2. 

Piccolomini Octavio 123. 

Pischon 62. 

Pizzomano Greg. 1. 

Plato Abrah. 105. 

Popp Melch. 72. 

Praunfalck Juh. Adam HO. — 

Peter Christoph HO. 
Profeit 81. 
Prosselt Ludw. 73. 
Quark Johann 155. 
Rabus Ludw. 3. 
Racz v. Ehrenstetten 39. 
Räcknitz Carl Frhr. v. 138. 
Räcknitz Gallus Freiherr v. 

105 IT. — Barbara 114 ff. 
Raspe 63. 



Raupach 2. 
Reichelt Jac. 85. 
Reichert (Richart) Hans 62. j 

Reiner Jac. 6ü. 

Reisner Val. 93.- 

Resch Maria 169. 

Revellis Joh. de 1 

Richter Balthasar 84. — Sa- 
muel 164. 

Kiemer Sebast 84. 

Rogge Kitter v. 42. 

Rosmarin Marg. 65 

Kudolf II. 32. 

Rüd Joh. Jac. 114 fl. 

Sahihausen von 82 ff. 147 ff. 
l°.v 

Saint George von 43. 
Sander Matth. 85. 
Sanuto Marino 188. 
Saubert Joh. 110. 122. — 

Adolf 135. 
Schaitberger 140. 
Schauer Dan. 136. 
Schedlich Dav. 127. 
Scheidlin Joh. Jac. 41. 
Scheinpflug Joh. 162. 
Schermann Christ. 162. 
Schiebchen Bonif. 85. 
Schiller Lud. v. 43. 
Scholz v. Schmettau 37. 38. 
Schramm Nie. 82. 
Schlatt H. A. Frhr. v. 106. 
Schroter Joh. 162. 
Scultetus Abraham 20. — 

Jonas 82. 
Seelrisch Sani. 64. 
Seuffert Balth. 134. 
Seyfert Andreas 154. 
Sotler Joh. E. 95. 
Sladlhuber Jos. 170. 
Stark Fahian 155. 



Starschedl v. 89. 91. 163. 
Steiger Carl v. 44. 
Stephani Joh. Carl 133. 
Steyer Caspar 155. 
Strauss (Straube) Gregor 61. 

63. 64. 
Strein v. Schwarzenau 40. 
Stueler Matth. 72. 
Suess Hans 2. 
Szent-Györgyi 36. 39. 
Sziits v. Tasnad 38. 
Tauber Caspar I ff. 

Taxis Gerard v. 79. 
Teubner Udalr. 92. 
Thomann Edler v. 40. 

Thun Grafen 78. 94. 16O. 167. 
Thurzö Georg Graf 98 ff. 
Trautenberger 47. 
Trüber Primus 49. 
Tschetschnig Wolfg. 162. 

Vass de Diodvarallya Dan. 
39- 

Veichtenberger Sebast. 171. 
Vellini Giov. Ric. 2. 
Vergerius P. P. 34, 
Vogel Joh. 134. — Wilh. 165. 
Volck Alb. 130. 
Wallenstein 79. 94. 
Wartenberg von 67 IT. 146. 
147- 

Weber Paul 132. 
Weichel Jac. 151. 
Weinhardt Johann 09. 
Weltz S. M. Frhr. v. 124. 
Weiss Paul 71. 
Weisse Christian 82. 
Wcrnhardt Frhr. v. 40. 
Wildmann Georg 135. 
Wilhelm Herzog v. Bayern t. 
Windischgrätz Carl Frhr. v. 
109. 

Wreschowitz von 146. 



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in Oesterreich. 



Dritter Jahrgang. 

I. Heft. 

Januar — ■ März 1882. 




Wien und Leipzig. 

Julius Klinkhardt. 

1882. 



Inhalt von Heft I. 



Seite 

1. Paul Wiener, Mitreformator in Krain, Gebundener des Evangeliums in 
Wien, erster evangelischer Bischof in Siebenbürgen. Von Dr. Theodor Ehe 

in Venedig i 

2. Bericht des Centrai-Ausschusses über das Vereinsjahr 1881 53 



Mittheilungen. 

Der Redaction sind folgende Arbeiten zur Verfügung gestellt worden: 

Zur Geschichte der Protestanten in Oesterreich. Von G. Wolf. 
Beiträge zur Geschichte der Landesschule in Graz. Vom Landesarchiv - Director 
Prof. Dr. J. Zahn. 

Zur Geschichte der Gegenreformation in Steiermark und Kärnten. 



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Das „Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Prote- 
stantismus in Oesterreich", welches unter der Kedaction des Präsidenten 
(Dr. Carl von Otto), der beiden Vicepräsidenten (Dr. Alph. Witz und Dr. Theodor 
Haase) und des Secretärs der Gesellschaft (Lic. Dr. Gustav Trautenberger) in viertel- 
jahrigen Heften erscheint, behandelt in längeren Original-Artikeln, in Referaten, in 
Mittheilung von Urkunden, in Besprechungen und Notizen Alles, was sich auf die 
Geschichte der evangelischen Kirche Oesterreichs bezieht. 

Dasselbe ist von den Evangelischen überall mit ungeteilter Freude begrüsst 
und von der Kritik auf das Wohlwollendste aufgenommen worden. 

Es mögen hier blos aus den letzterschienenen Kecensionen einige Worte mit- 
getheilt werden: 

„Mit dem ersten Doppelhefte wird ein Unternehmen eröffnet, welches die leb- 
hafteste Zustimmung verdient Nach dieser Reichhaltigkeit des Inhalts darf 

man der jungen Zeitschrift zu dem würdigen und verheißungsvollen Anfang theilneh- 
mend Glück wünschen und einen entsprechenden Fortgang unter Gottes Segen getrost 
In Aussicht stellen." Theologisches Literaturblatt (Leipzig) 1881. Nr. 20. 

„. . . Möge das Jahrbuch, dessen erste Anfänge wir mit Interesse verfolgt haben, 
seinen Weg in der bisherigen Weise fortsetzen und die Leser in und ausser Oester- 
reich femer durch so lehrreiche, gehaltvolle Publicationen erfreuen." 

Theologisches Literalurblatt (Leipzig) 1881. Nr. JJ. 

„. . . Zugleich hat die Gesellschaft in zwei Doppelheften den ersten Jahrgang 
ihres Jahrbuches herausgegeben, welches eine Fülle interessanter Nachrichten über 
die wechselvollen Schicksale der evangelischen Kirche in Oesterreich enthält. Wir 
wünschen unsern österreichischen Brüdern Glück zu diesem schönen Anfang, und hoffen, 
dass die neue Gesellschaft auch im Deutschen Reiche Mitglieder und thätige Freunde 
gewinnen werde. Wirkliche Mitglieder sind jene, welche historische Arbeiten 
liefern und einen Beitrag von 38. jährlich leisten, unterstützende Mitglieder 
solche, welche wenigstens 5 fl. jährlich, oder als Gründer einen einmaligen Beitrag 
von wenigstens 50 fl. zahlen." Neue Evang. Kirchenzeitung (Berlin) 188 1. Nr. 2a. 

„. . . Als erfreuliche Frucht der Vereinsthätigkeit liegen die beiden ersten 
Doppelhefte des Jahrbuchs der Gesellschaft vor, welche eine Reihe zum Theil höchst 

interessanter Veröffentlichungen enthalten Wir wünschen dem so glücklich 

begonnenen Unternehmen, dem unsere volle Sympathie gesichert ist, kräftigen Fort- 
gang. Möge dasselbe an seinem Theile zur Stärkung des evangelischen Bewusstseins 
unter den Protestanten Oesterreichs das Seinige beitragen!" 

Theologische Literaturzeitung (Leipzig) 1881. Nr. rj. 



Im Hinblick auf die beträchtlichen Kosten des „Jahrbuchs" werden die Freunde 
unserer Sache und der Geschichtsforschung zunächst um unentgeltliche Mitarbeit 
ersucht ; die Gesellschaft erklärt sich jedoch bereit, denjenigen Schriftstellern, welche 
Honorare fordern, solche nach Uebereinkunft zu zahlen. 

Die für das Jahrbuch bestimmten Einsendungen, wie alle Zuschriften an die 
Gesellschaft u. dgl., sind zu richten: 

An das Bureau der Gesellschaft 

Wien, L Dorotheergasse 16. 



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Bei Wilhelm Braumüller, 



k. k. Hof- und Universitäts-Buchhändler in Wien, 

sind erschienen: 
— — • 

Böhl, Eduard, Doctor der Philosophie und Theologie, o. ö. Professor 
an der k. k. evang.-theol. Facultät in Wien, Mitglied der Deut- 
schen Morgenländischen Gesellschaft. Chriatologie des Alten 
Testamentes oder Auslegung der wichtigsten messianischen 
Weissagungen, gr. 8. 1882. 3 fl. — 6 M. 

— — Confessio Helvetica posterior, olim ab Henrico Bullingero con- 
scripta, nunc denuo ad fidem editionis principis anni Domini 
MDLXVI, ubi trecenti anni sunt elapsi, ad memoriam Helveticae 
Confessionis pie recolendam edita, variis lectionibus editionis 
a. 1568, appendice, quae literas Hungarorum ad Bullingerum datas 
continet, et praefatione adjectis. 8. 1866. 1 fl. 20 kr. — 2 M. 40 Pf. 

Allgemeine Pädagogik, gr. 8. 1872. 1 fl. 50 kr. — 3 M. 

Forschungen nach einer Volksbibel zur Zeit Jesu und deren 

Zusammenhang mit der Septuaginta-Uebersetzung. gr. 8. 1873. 

2 fl. — 4 M. 

Die alttestamentlichen Citate im Neuen Testamente, gr. 8. 

1878. 3 fl. — 6 M. 

Frank, Dr. Gustav, geistl. Rath Augsburgischer Confession im k. k. 
evangelischen Oberkirchenrathe und ordentlicher Professor an 
der k. k. evang.-theol. Facultät in Wien. Das Toleranz-Patent 
Kaiser Joseph II. Urkundliche Geschichte seiner Entstehung und 
seiner Folgen. Säculär-Festschrift des k. k. evangelischen Ober- 
kirchenrathes A. C. und H. C. in Wien. gr. 8. 1881. 1 fl. — 2 M. 

Die k. k. evangelisch-theologische Facultät in Wien von ihrer 

Gründung bis zur Gegenwart. Zur Feier ihres 50jährigen Jubi- 
läums. 8. 1871. 50 kr. — 1 M. 

Witz, Dr. Oh. Alph., ev.-ref. Pfarrer, a. o. k. k. Oberkirchenrath H. C. 
in Wien. Einleitung in die Schriften Alten und Neuen Testaments. 

Für gebildete Bibelfreunde. 8. 1876. 2 fl. — 4M. 

Die Lehre Christi nach den Seligpreisungen. Apologetische 

Vorträge. 8. 1876. I fl. — 2 M. 

Das christliche Gebet. Vorträge über Matth. Cap. 6. V. 5 — 15. 

8. 1877. 1 fl. 50 kr. — 3 M. 
Der Heidelberger Katechismus, kl. 8. 1881. 60 kr. — iM. 20 Pf. 

Der erste Brief Petri. Für die Gemeinde in Vorträgen aus- 
gelegt. 8. 1881. 4 fl. — 8 M. 



Druck von Wilhelm Köhler, Wien, VI. Mollardgasse 41. 

* 

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JAHRBÜCH 



der 



Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus 



in Oesterreich. 



Vierter Jahrgang. • / 

L Heft. /i^-^N 

Januar - Marz .883. | * (BODU LIBR) ' I 



Wien und Leipzig. 

Julius Klinkhardt. 
1883. 



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Inhalt von Heft IV. 

Seite 

12. Studien zur Reformationsgeschichte Nordböhmens. IV. Von Di. R. Wölkau 145 

13. Heimatssehnen eines Transmigranten. Von Pfarrer J. Friedrick Koch in 

Gmunden 108 

14. Zwei Memoriale der aus Oberösterreich, Steiermark und Kärnten nach 

Siebenbürgen transmigrirten Evangelischen an das Corpus Evangelicorum. 
Mitgetheilt von Dr. Karl R. von Otto 

15. Miscellanea. 

1. Zu Jahrgang II. S. 147 (Scheufflerj 

2. Die frühesten Opfer des Protestantismus in Kärnten, 1531 (Elze) 

3. Grazer Christenlehre im 16. Jahrhundert (Trautenbergerj .... 

4. Das Cultusverhältniss der Bevölkerung Oesterreichs fOj .... 

16. Mitglieder- Verzeichniss 

Namenregister . 



Mittheilungen. 

■ 

Der Redaction sind folgende Abhandlungen zur Verfügung gestellt worden: 

Die Slovenischen protestantischen Gesangbücher des 16. Jahrhunderts. Von 
Dr. Th. Ehe in Venedig. 

Zur Geschichte des Protestantismus, im Attergau (Oberösterreich). Von Aug. 
Kotschy, Pfarrer in Attersee. 



0W Laut Beschlusses des Central Vorstands in seinen Sitzungen am 21. Novem- 
ber 1882 und am 10. April 1883 wird den Mitarbeitern am „Jahrbuche" vom vierten 
Jahrgange (1883) an ein Honorar, pro Druckbogen zehn Gulden S.W., gezahlt werden. 

Die für das Jahrbuch bestimmten Einsendungen, wie alle Zuschriften an die 
Gesellschaft u. dgl., sind zu richten 

An das Bureau der Gesellschaft 

Wien, I. Dorotheergasse 16. 




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Das „Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Prote- 
stantismus in Oesterreich", welches unter der Redaction des Präsidenten 
Dr. Carl Ritter von Otto), der beiden Vicepräsidenten (Dr. Alph. Witt und Dr. Theodor 
Haase) und des Secretärs der Gesellschaft (Lic. Dr. Gustav Traute nberget) in viertel- 
jährigen Heften erscheint, behandelt in längeren Original-Artikeln, in Referaten, in 
Mittheilung von Urkunden, in Besprechungen und Notizen Alles, was sich auf die 
Geschichte der evangelischen Kirche Oesterreichs bezieht. 

Dasselbe ist von den Evangelischen überall mit ungetheilter Freude begrüsst 
und von der Kritik auf das Wohlwollendste aufgenommen worden. 

Es mögen hier aus Recensionen einige Worte mitgetheilt werden : 

„Mit dem ersten Doppelhefte wird ein Unternehmen eröffnet, welches die leb- 
hafteste Zustimmung verdient ....... Nach dieser Reichhaltigkeit des Inhalts darf 

man der jungen Zeitschrift zu dem würdigen und verheissungsvollen Anfang theilneh- 
mend Glück wünschen und einen entsprechenden Fortgang unter Gottes Segen getrost 
in Aussicht stellen." 

.,Auf das erste Doppelheft ist alsbald das zweite gefolgt .... Möge das 
Jahrbuch seinen Weg in der bisherigen Weise fortsetzen und die I.eser in und 
ausser Oesterreich ferner durch so lehrreiche, gehaltvolle Publicationen erfreuen." 

„Wie der zweite Band entspricht auch der dritte durch die Reichhaltigkeit und 
Verschiedenheit des Inhalts den gehegten Erwartungen." 

Theologisches Literaturblatt 'Leipzig' iS8r. Nr. so u. JJ. /SSj. Nr. jj. 

.,. . . Zugleich hat die Gesellschaft in zwei Doppelheften den ersten Jahrgang 
ihres Jahrbuches herausgegeben, welches eine Fülle interessanter Nachrichten über 
die wechselvollen Schicksale der evangelischen Kirche in Oesterreich enthält. Wir 
wünschen unsern österreichischen Brüdern Glück zu diesem schönen Anfang, und 
hoffen, dass die neue Gesellschaft auch im Deutschen Reiche Mitglieder und thätige 
Freunde gewinnen werde. Wirkliche Mitglieder sind jene, welche historische 
Arbeiten liefern und einen Beitrag von 3 iL jährlich leisten, unterstützende Mit- 
glieder solche, welche wenigstens 5 fl. jährlich, oder als G r ü n d er einen einmaligen 
Beitrag von wenigstens 50 fl. zahlen." 

Neue Evangelische Kirchenzeitung Berlin ' rSSi. Nr. 22. 

„. . . Als erfreuliche Frucht der Vereinsthätigkeit liegen die beiden ersten Doppel- 
hefte des Jahrbuches der Gesellschaft vor, welche eine Reihe zum Theil höchst 

interessanter Veröffentlichungen enthalten . Wir wünschen dem so glücklich 

begonnenen Unternehmen, dem unsere volle Sympathie gesichert ist, kräftigen Fortgang. 
Möge dasselbe an seinem Theile zur Stärkung des evangelischen Bewusstseins unter 
den Protestanten Oesterreichs das Seinige beitragen!" 

Theologische Literaturzeitung Leipzig) /SSi. Nr. ij. 

Das Jahrbuch r für unsere evang. Brüder in Oesterreich gewiss von grösstem 
Werth und Interesse, aber auch für weitere Kreise sehr zu empfehlen" u. s. w. 

Theologischer Litteratur Bericht 'Gütersloh 1 iSSj. A r r. S. 



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„Wir haben schon vor zwei Jahren dies Jahrbuch, das unter tüchtiger Redaction 
steht, unseren Lesern empfohlen. Unser günstiges Unheil können wir . . . nur wieder- 
holen. Es freut uns aufrichtig, dass unsere Brüder in Oesterreich dies wahrhaft evan- 
gelische Unternehmen weiter geführt haben. Auch diese Bändchen aus dem vorigen 
Jahre spiegeln in reicher Mannigfaltigkeit die Geschicke des österreichischen Prote- 
stantismus wieder: Bedrängnisse und Freuden, Vergangenes und Gegenwärtiges, Per- 
sönliches und Allgemeines" u. s. w. 

Neue Evangelische Kitchenteitung (Berlin) fSSj. Nr. 40. 

„Es ist ein ungemein dankenswerthes und jeder Unterstützung werthes Unter- 
nehmen, das, aus kleinen Anfängen bescheiden sich erhebend, nicht blos ein treffliches 
Bindemittel der Protestanten in Oesterreich zu werden verspricht, sondern auch jedem 
Geschichtsfreund aufs Wärmste zu empfehlen ist. Denn reichlich und werthvoll sind 
die Beiträge in den bisher erschienenen Jahrgängen" u. s. w. 

(Prof. Dr. Horawitz) Deutsche Zeitung, Wien iSSj. Nr. 410J. 



Zur Nachricht. 

Se. Erlaucht der Graf und Herr von Giech auf Thurnau bei Kulmbach in 
Bayern hat das in seinem Besitz befindliche Porträt des berühmten österreichischen 
Exulanten Gallus Freiherrn zu Rägknitz (f in Nürnberg 1658) dem Central- 
vorstande unserer historischen Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Das Porträt ist von 
der Meisterhand Sandrart's ausgeführt und zeigt das Brustbild des Freiherrn in künst- 
lerischer Umrahmung. Vier Medaillons tragen nebst entsprechenden Abbildungen die 
Inschriften : 

Geh nur davon, 
Sey fromm für mir, 
Gib Armen hier, 
Ich bin dein Lohn. 

Damit correspondirend besagt die Unterschrift mit Beziehung auf 1. Mos. 12: 
Geh aus deinem Vaterland, und lass deiner Freundschaft Band, 
Wandle für mir und sey fromm, dass mein Segen zu dir komm, 
Ich, ich bin dein Heil und Schild, weil du bist den Armen mild, 
Ich bin dein sehr grosser Lohn, und gib dir die Himmelskron. 
Der Centraivorstand hat eine gelungene Photographie dieses Porträts anfertigen 
lassen, welche im Archiv unserer Gesellschaft (Wien, I. Dorotheergasse 16) a 1 fi. 
zu haben ist. 





Druck von Wilhelm Köhler. Wien, VI. Mollardgasse 41. 



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