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GRÜNDZÜGE
DER
PHYSISCHEN ERDKUNDE
VON
PROF. DR. ALEXANDER SUPAN,
HERAUSGEBER VON PETERMANNS GEOGRAPHISCHEN MITTEILUNGEN.
ZWEITE, UMGEARBEITETE UND VERBESSERTE AUFLAGE.
MIT 203 ABBILDUNGEN IM TEXT
UND ZWANZIG KARTEN IN FARBENDRUCK.
LEIPZIG,
VERLAG VON VEIT & COMP.
1896.
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Druck von Metzger A Wittig iu Leipzig.
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Vorwort.
^ u der zweiten Auflage meiner Physischen Erdkunde habe ich
^ nur wenige erläuternde Worte hinzuzufügen. Der ursprüng-
liche Plan ist im wesentlichen beibehalten worden. In Bezug auf die
Aufgaben der physischen Geographie haben sich meine Ansichten
nicht geändert, und wer darüber noch nicht orientiert ist, und sich
dafür interessiert, den muß ich bitten, das betreffende Kapitel in
der ersten Auflage (S. 10) nachzulesen.
Im einzelnen hat das Buch eine völlige Umarbeitung erfahren.
Dazu nötigten nicht bloß die großen Fortschritte der Wissenschaft
im Laufe des verflossenen Jahrzehnts, sondern auch der Umstand,
daß ich mich nun an einem Orte und in einer Stellung befinde,
»o mir viel reichlicheres Material zuströmt, als es früher der
Fall war.
Eine hoffentlich willkommene Neuerung sind die Litteratur-
nachweise. Es lag mir dabei die Absicht fern, eine große Gelehr-
samkeit zu entfalten, und ich wollte damit nur dem Studieren-
den, der sich über diesen oder jenen Gegenstand eingehender
unterrichten will, Fingerzeige geben. Wer die genannten Werke
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IV
Vorwort.
zu Rate zieht, wird darin weitere literarische Hinweise finden.
Nur in jenen Fällen, wo die Quellen schwerer zugänglich sind, sind
auch einzelne Angaben mit Citaten belegt worden.
Grollen Dank schulde ich meinem Verleger, Herrn H. Credneb,
der der Erweiterung des Werkes und der Vermehrung der Ab-
bildungen, die ich für eine durchaus notwendige Beigabe zu jeder
physischen Geographie halte, nicht den geringsten Widerstand ent-
gegengesetzt hat; sowie auch Herrn Dr. C. E. M. Rohkbach für
seine opferwillige und erfolgreiche Unterstützung bei der Korrektur.
Gotha, im Oktober 1895.
A. Supan.
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Inhalt.
Einleitung.
Die Gestalt und Größe der Erde. S.l. Entwicklung der Erde. S. 2. — Gestalt der Erde.
S.3. — Dimensionen der Erde. S. 5. — Flächenberechnung. S.5. — Litteratur-
nachweise. S. 6.
Die Teile des Erdkörpers.' S. 7. Der Erdkern. S. 7. — Die Erdkruste. S. 12. —
Litteratumachweise. S. 13.
Die vier Energiequellen. S. 14. Die Wirkungen der unterirdischen Kräfte. S. 14. — Die
solaren Wirkungen. S. 15. — Die Anziehung von Sonne und Mond. S. 17. —
Die Kotation der Erde. S. 17. — Litteraturaach weise. S. 18.
Geschichte der Erde. S. 19. Litteratumachweise. S. 22.
Die GrundzUge der Gestaltung der Erdoberfläche. S.23. Verhältnis von Wasser und Land.
S. 23. — Einteilung des Ozeans. S. 2G. — Einteilung des Festlandes. S, 27. —
Oberflächengestaltung des Festlandes. S. 80. — Vertikaler Aufbau der Erd-
kruste. S.34. — Mittlere Höhen uudTiefeu. S.36. — Litteratumachweise. S.40.
Erster Abschnitt. Die Lufthülle.
Die HBhe und Zusammensetzung der Luft. S.41. Höhe der Luft S.41. — Zusammen-
setzung der Luft. S. 41. — Litteratumachweise. S. 42.
Die Erleuchtung und Erwärmung der Erdoberfläche. S.42. Wärmequellen. S.42. — Jahres-
zeiten. S. 43. — Wärmemenge. S. 45. — Die Beleuchtungszonen. S. 4ß. —
Das Polarlicht. S. 48. — Litteratumachweise. S. 52.
Die Abnahme der Temperaturmit der Höhe. S. 52. Wärmequellen der oberen Luftschichten.
S. 52. — Freie Atmosphäre. S. 53. — Gebirge. S. 55. — Wärmeumkehr im
Gebirge. S. 58. — Plateaus. S. 59. — Reduktion der Temperatur auf das
Meeresniveau. S. 61. — Litteratumachweise. S. 62.
DiehorizontaleVerteilungderTemperatur. S.62. NormaleTemperaturverteilung. S.63. —
Abweichungen. S. 65. — Wärmeverteilung in den extremen Monaten. S.67. —
Durchschnittstemperatur der Parallelkreise, Meridiane, Erdteile und Meere;
Isanomalen. S. 71. — Temperaturzonen. S. 74. — Litteratumachweise. S. 77.
Die Schwankungen und die mittlere Veränderlichkeit und Abweichung der Temperatur. S.78.
Die tägliche Wärmeschwankung. S. 78. — Die jährliche Wärmeschwankung.
S. 81. — Temperaturveränderlichkeit. S. 88. — Mittlere Abweichung. S. 86. —
Litteratumachweise. S. 87.
Windsysteme und Windgebiete. S.88. Windgesetze. S.88. — AllgemeineLuftziikulation.
S. 90. — Anticyklonen. S. 94. — Cyklonen. S. 94. — Passate. S. 99. —
Litteratumachweise. 8. 101.
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VI
Inhalt.
Luftdruck- und Windverteilung in den extremen Jahreszeiten. S. 101. Die Isobarenkarten.
S. 101. — Nördlicher Winter. 8.102. — Nördlicher Sommer. S. 10G. — Mittlere
monatliche Barometerschwankungen. 8.109. — Litteratumachweise. S. 110.
Lokale Winde. 8. 110. Lokale Windsysteme. 8. 1 1 1. — KiiiHnB lokaler Verhältnisse auf
die Winde. S. 112. — Litteratumachweise. S. litt.
Oer Wasserdampf in der Atmosphäre und die Ursachen seiner Kondensation. S. llti, Ver-
schiedene Ausdrücke ttir die Üeuchtigkcit der Luft. 8.116. — Die Winde als
Verbreiter des Wasserdampfes. 8. 119. — Kondensation de» Wasserdampfes.
8. 119. — Litteratumachweise. 8. 1227
Die Verteilung der jährlichen Niederschlagsmengen. 8. 122. Gesetze der Verbreitung der
Niederschläge. 8. 122. — NorUkontinontc und Sahara. S. 125. — Siid-
kontinentc. 8. 129. — Mittlere Kegcmvahrschcinlichkeit. iS. 129. — Littcratur-
naeh weise. S. 139.
Die jahreszeitliche Verteilung der Wiederschläge. S. I.'iii. Periodische Kegen. 8.134. —
(xleiehmäiiigc Niederschläge. 8. 1H7. — Kegengebiete. 8. 138. — Gewitter.
8. 139. — Hagel. S, HO. — Litteratumachweise. 8. 141.
Verbreitung des Schnees. S, 142. Verbreitung. 8. 142. — Die Schneegrenze. S. 148, —
Verteilung der Schneegrenze. 8. 147. -• Littcraturnachweisc. 8, 149.
Gletscher. 8. 149. Begriff und Einteilung der Gletscher, S. 150. — Die Gletscher-
zunge. 8. 152. — Gletscherkorn. 8. 154, — Gletschcrbcwegung. 8. 154, —
Ghitaehcrtheorie. 8. 157. Struktur. 8. 156. — Moränen.' 8. 101. — Ab-
schmclzung. 8. 1K2. — Litteratumachweise. 8. 165.
Oie geographische Verteilung der Gletscher. 8. 105, Die Tropen. 8, 1 65. — Gemäßigte Zonen.
8.166. — Volare Zonen. 8. 160. — Kis berge. 8,171. — - Littcraturnachweisc. S. 179.
Das Klima. 8. 173. Kliinaprovinzen. 8. 173. — Die 85 jährigen Schwankungen.
8.175. — Säkulare Perioden. 8. 181. Geologische Perioden. 8,162. — Über-
sicht der Schwankungen. 8. 185, — Kliniaäiiderungeii. 8. 187. — Kin-
flub des Waldes. 8. 1811. - Litteratumachweise. 8. 190.
Zweiter Abschnitt. Das Meer.
Morphologie des Meeres. 8.191 Gliederung des Weltmeeres. 8. 191. — Unterseeische
Böschungen. 8. 194. — Kclief des Meeresbodens. 8. 196. — Bedeckung des
Meeresbodens, S. 200. — Permanenz der ozeanischen Becken. 8. 205, —
Littoratnrnaohwcise. 8. 206.
Das Meerwasser. S. 207. Das Meeresuiveau. 8.207. — Salzgehalt und spezifisches Ge-
wicht, 8.212. — Karbe. 8.217. — Litteratumachweise. 8.219.
Die Wellenbewegung. 8,219. Windwellen. 8.219. —Brandung. 8.223. — Stoß- und Ex-
plosionswellen. 8. 225. — Stehende VV eilen. 8. 226, — Litteratumachweise. 8. 228.
flie Gezeiten. 8. 229. Thooretischo.Gczoiton, 8.229. — Wirkliche. Gezeiten. S. 299. —
Die atlantischen Gezeiten. 8.2:19. — GezeitenBtröino. 8. 297. — Flntliöhe. 8. 23S.
Litteratumachweise. 8. 240.
Die Meeresströmungen. 8.240. Nordatlantischcr Ozean. 8.242. — Die übrigen Ozeane.
8. 246. — Theorie der ozeanischen Strömungen. 8.247. — Anwendung der Tritt-
theorie auf die beobachteten Strömungen. 8.251, — Litteratumachweise. 8,255.
Die Wärmeverteilung imWasspr. 8.255.DieOberfläclienteniperatur desMeeres. 8.255, —
Tiefentcmperatnr in Süllwasserseen. 8. 257. — Tiefentemperatureil im Salz-
wasaer. 8.259. — Atlantischer Ozean. 8.262. — Nördliches Eismeer. 8.264. —
Übrige Ozeane. 8. 266. — Das Meereis. 8. 268. — Litteratumachweise. 8. 271.
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Inhalt.
VII
Dritter Abschnitt. Die Dynamik des Landes.
Die Haupttormen der Dislokationen. S. 272. Theorien. S. 275. — Litteraturnach weise. S. 278,
Moderne Niveauveränderungen. S. 278. Litorale Ni veauver&iKlo.rungen.S. 278. — Theorie.
S. 280. — Skandinavien. S. 282. — Höhere arktische Breiten. S. 288. —
Mittlere und niedere Breiten. S. 290. — Schlußfolgerungen. S. 294. —
Binnenländische Niveauveränderungen. S. 236. — Litteraturnachweisc. S. 297'.
Die vulkanischen Ausbrüche. S. 298. Eruptivprodnkto. S.299. — Die vulkanischen Aus-
hrüehe. S. 3UQ. - Überblick der Vulkanfonnen. S- 3Q3- — Kritischen der
Vulkane. S. 309. — Geographische Verbreitung der Vulkane. S. 310. —
Theorie des Vulkanismus, ■>. 317. — Schlannnsprudel. S. 820. — Littcratnr
naehweise. S. 822.
Erdbeben. 8. 322. Instrumente. S. 324. — Dauer. S. 325, — Intensität und Wirkungen.
S. 326. — Areal. S. 328. — Ursachen. S. 331, — Einteilung der -Beben.
S. 336. — 'rieft; des Herdes. S. 337 — Erdbebenstatistik, iS. 338. -T
Litteiatnriiaohweiso- S. 340.
Übersicht der exogenen Wirkungen. S, 340.
Die Verwitterung. S. 343. Der Venvitterungsprozeti. S. 343. — Bodenarten. S. 346. —
Gebiete vorherrschender Denudation. S. 346. — Gebiete säkularer Ver-
witterung. S. 352. — Litteraturnachweiae. S. 353,
Das unterirdische Wasser. S.354. Verhalten des Rodens. S.354. — Das Karstphänomcn.
S. 356. Quellbildung. S 364. — Einteilung der Quellen. 8. 366. —
Geysir, iS. 368. — Litteratnrnacli weise. S. 370.
Das fließende Wasser. S. 370. Wasserinengo. S.37U.— Bewegung des Wassers. S.374. —
Die Arbeit der Flüsse. S. 376. — Flutiablagerungen. S. 378. — Litteratur-
nachweise. S.381.
Thalbildung durch Erosion. S. 881. Gesetze der Erosion. S. 381. — Zeitliche und rämn-
liehe Varationen des Erosionstypus. S. 383. — Moderne Thalbildungen.
S. 38H. — Klammen und Canons. iS. 887. — Terrassen bildung. IS. 390. —
Tektonische und Abdämmnngsstufeu. S. 394. — Wasserfälle. S. 396. -
Gletschererosion. S. 397. — Genetische Einteilung der Thiiler. s. 398. —
Litterntnrnach weise. S. 401.
Deltabildungen. S.401. Miindungsformen der Flüsse. S.401. — Hau, Gestalt und Ober-
fläehenform der Deltas" S. 403. — Wachstum der Deltas. iS. 404.
Geographische Verbreitung der Deltas. S. 405, — Litteratnrnaebweisc. S. 408.
Die Arbeit des Windes. S. 408. Winderosion. S. 408. — Äolische Sandablagerungen. S. 410.
— Dünen. S.411. — Staubablagerungen. S.41.3, — Litteraturaachweise. 8. 415.
Die Arbeit des Meeres. S. 415. Begriff der Küste. 8.415. — Charakter der Küste. S. 416.
— Die Brandung. S. 417. — Steilküsten. S. 417. — Zerstörung der Flach-
küsten. S. 421. — Erosion durch Gezeitenströmungen. S. 423. — Anschwem-
mung. .S, 423. — Litteraturnachweiae. S. 426.
Die geographische Verbreitung der exogenen Wirkungen. S. 427, liodenarteu. S. 427. —
Faziesgebiete. 8. 431. — Litteraturnachweiae. S. 434.
Vierter Abschnitt. Morphologie des Landes.
Übersicht. S. 435. Qrographisches System. S. 436. — Hypsometrische Systeme.
S. 487. — Hypsometrie. 8. 438. — - Uroinetrie. S. 440, - - Genetisches System.
S. 441. — Litteratumachweise. 441.
Die Oberflächentormen der Flachschichtung. S.442, Das Tafelland. 8.442. — Ansgefullto
Landsenken. S. 443. — Peripherische Flachböden iugenrHiclienAlters.S.440.-
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VIII
Inhalt.
Ergebnis. 8. 449. — Umformung durch Denudation. 8. 449. — Umformung
durch Bruch. 8. 457. — Übersicht der Um wandlungsformen derFlaehschiehtung.
8. 461. — Literaturnachweise. 462.
Faltengebirge. 8.463. Terminologie. 8.463. — Theorie. 8.466. — Querprofil einfacher
Faltengebirge. S, 4ti7. — Querprotil zusammengesetzter Gebirge. 8.469. —
Längserstreckung. S. 473. — Beziehungen der Faltengebirge zu einander.
Abgrenzung und Einteilung derselben. 8. 4 Io. — Beziehungen der Ketten-
gebirge zum ungefalteten Vorlande. S. 477. — Littoratnmach weise. 8. 479.
Umformung der Faltengebirge. S. 479, Umformung durch Brach. S, 479. — Umformung
durch Destruktion. S. 483. — Umgestaltung durch Destruktion und Bruch.
S. 487. — Vorkommen der Kumpfschollengehirge. 8. 490. — Urographie der
Kuinpfscholleiigebirge. 8. 491. — Genetische Einteilung des Ealtenlandes.
iS. 494. -- Ditteraturnachweise. S. 495l
Flexurgebirge. S. 496, Geschlossene Flexurgebirge. S. 490. — 'ITieorie. 8. 497. —
Aufgelöste Flexurgebirge. 8. 498, --Litteraturnachweise. S, 499.
Vulkanische Berge, S. 500, Stratovulkane. 8.500. — Umwandlung durchDenudation.
iS. 503, — Homogene Vulkane. S, 504. — Einteilung der yiilkaniachen lloden-
formeu. 8. 506. — Li tteratnmach weise. ,S. 506.
Gliederung der Gebirge. S.507. Alter derThäler. S, 507. — Längs- und Qucrthäler. S, .507.
— Waaseraeheide. 8.511. — 1 lurchgaiigsthfiler. S. 511. — Thalwasscrschoiden.
S. 51B. — Aufschliettung der Gebirge. 8. 519. — Litteraturnachweise. iS. 520i
Die Flüsse. 8. 520. Einteilung. 8.520.— Verteilnngder Flüsse. 8. 621. — Flußvermischuiig
und Wasaerteilung. iS. 523, — Hau der Fluüsysteme. iS. 525. — Grobe der Flüsse.
8. 526. — Veränderungen der FliÜic. S. 527. — Litteraturnachweise. S. 531.
Die Seen. 8.531, Beckenformen. 8. 581.— Dimensionen der Seebecken. Depressionen.
8. 536. — Seengebiete. 8.538, — Süß- und Salzwaaserseen. 8. 542. — Erlöschen
der Seen. 8. 544. — Sumpf und Moor. 8. 546. — Litteraturnachweise. 8. 548.
Die horizonlaleGliederung des Festlandes. 8. 548, DieHalbinseln. 8.548, — Inseln.S.551.—
GoiictiselieEinteilung.S.552. — Kontinentalinseln, geologischer Beweis. 8.552.
— Biologischer Beweis. 8.554.— Kestinseln, 8,559. — Littcrnturnacliwei.se. 8.560.
Ursprüngliche Inseln. S. 560. Hebungainseln. 8, 5 HO. — Vulkaninseln. 8. 560, — Korallen-
inseln. 8. 561, — Theorie der KoraUeninaeln, 8, 565, — Elora und Fauna.
8. 571. — Litteratnrnachweise. 8.574.
Küslenlormen. 8.574. Haupttypen. 8.574, , — Detailformen. 8,576. — Thalbuchten.
8.573.— Natürliche Seehäfen und MooresstraKse.ii. 8, 583, — Kiistoncntwick-
lung und mittlerer Küstenabstand. 8. 585. — Litteraturnachweise. 8. 53».
Fünfter Abschnitt.
Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
Allgemeine Bemerkungen Uber die Verbreitung der Pflanzen. S. 589, Abhängigkeit vom
Boden. 8, 589. — Abhängigkeit vom Klima. 8. 590. — Bilanzen Wanderungen
und PManzenverbreitung. 8. 592. — Litteraturnachweise, 8, 595,
Die Hauptzonen und Hauptregionen der Vegetation. 8, 595. Tropische Pflanzenzone.
8. 596, — Gemäßigte Zone. 8,599. — Polare Waldgrenzen. 8. 601. — Polare
1‘Haiizenzone. 8. 602. — FHanzcnregionen. 8. 603. •
Die wichtigsten Vegetationsformationen innerhalb der Waldgrenzen. 8. 607, Tropenwald.
8. 608.— Der Wald mittlerer und höherer Breiten. 8. 610. — Savane. 8. 612.
— Grassteppen. S. 614, — Wüstensteppen und Wüsten. S. 616. — Buschland.
8. 618. Ausdehnung der Formationen. 8.620. — l.ittcratumachweise. 8.621.
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Inhalt.
IX
Die Entwicklungsgeschichte der Florenreiche. S. 621. Die tropische Florenzone. S. 621. —
Boreale Zone. S. 622. Australe Zone. S. 625. — * Floristische Einteilung
des Landes. S. 627. — Hochgebirgsflora. S. 628. — Moderne Veränderungen0
S. 630. — Litteratumachweise. S. 632.
Die Nutzpflanzen. S. 632. Cerealien. S. 633. — Andere Kulturpflanzen. S. 636. —
Literaturnachweise. S. 639.
OieLebensbedingungen derTierwelt.S.639. Beziehungen zwischen derTier-nnd Pflanzen-
welt. S. 640. Färbung. S. 641. — Abhängigkeit derTiere vonderTemperatur.
S. 642. — Tropische Tierwelt. S. 644. — Arktische Tierwelt S. 645. —
Vertikale Verteilung. S. 646. — Periodizität im Tierleben. S. 648. — Be-
ziehungen der Tiere zu einander. S. 649. — Literaturnachweise. S. 650.
Die Entwicklung der Faunenreiche. S. 650. Die australische Gruppe. S. 651. — Süd-
amerika. S. 653. — Afrika. S. 655. — Indisches ßeich. S. 657. — Die mitt-
leren und höheren Breiten der Nordhalbkugel. S. 658. — Faunengruppen
und -reiche. S. 662. — Litteratumachweise. S. 664.
Begister. S. 665.
Berichtigungen und Zusätze. S. 706.
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Verzeichnis der Kartenheilagen.
Tafel 1.
.. 2.
„ 3.
,, 4.
„ 5.
„ 6.
7.
„ 8.
„ 9.
„ 10.
„ 11.
„ 12.
„ 13.
,, 14.
„ 15.
„ 16.
„ 17.
„ 18.
19.
„ 20.
Landhöhen und Meerestiefen.
Die morphologischen Hauptgebiete der Erde.
Jahres-Isothennen.
Januar-Isothermen.
Juli-Isothermen.
Thermische Anomalie im Januar und Juli.
Die Tempera tu rzonen der Erde.
Linien gleicher, jährlicher Wärmeschwankung.
Isobaren und Winde im Winter.
Isobaren und Winde im Sommer.
Jährliche Niederschlagsmengen.
Jahreszeitliche Verteilung der Niederschläge.
Verbreitung der Gletscher und des Treibeises.
Die Klima-Provinzen.
Meeresströmungen.
Küstenverän derungen.
Korallenbauten, Vulkane, Erdbeben.
V egetationskarte.
Die Florenreiche.
Faunengrappen und -Reiche.
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Einleitung.
Die Gestalt und Größe der Erde.
Die einfache Naturanschauung betrachtet die Erde als ruhen-
den Körper, den die Sonne in kreisförmiger Bahn umwandelt.
Der alexandrinische Gelehrte Ptolejiäüs gab dieser Anschauung
zuerst einen wissenschaftlichen Ausdruck und schuf damit ein Welt-
system, das bis zum Anfänge der Neuzeit seine Geltung bewahrte. Er
machte die Erde zum Zentrum des Weltalls, und die von der
Theologie beherrschte Wissenschaft des Mittelalters fand in diesem
Systeme eine Bestätigung ihres Grundsatzes, daß der Mensch der
Mittelpunkt und Zweck der Schöpfung sei. Erst Copebnicus ver-
bannte die Erde aus ihrer usurpierten Stellung und wies ihr einen
bescheideneren Platz im Sonnensysteme an. Die Erde ist ein Planet,
der sich in 24 Stunden einmal um seine Achse und, vom Monde
begleitet, in einem Jahre einmal um die Sonne bewegt, von der er
Licht und Wärme empfängt.
Die Fortschritte in der Erforschung des Erdkörpers, seines
organischen Lebens und seiner Entwicklung hatten eine gänzliche
Umwandlung der Weltanschauung im Gefolge. Wir sehen in der
Natur nicht mehr eine Aufeinanderfolge wunderbarer Schöpfungs-
thaten, die jede Form fertig und unabänderlich aus dem Nichts
oder aus dem Chaos hervorriefen, sondern einen nach ewigen Ge-
setzen wirkenden Mechanismus, in dem die Formen in beständiger
Umwandlung begriffen sind. Man mag darüber streiten, ob diese
Anschauung der großen Fülle der Erscheinungen gerecht wird und
ob wir von ihr die Lösung aller Welträtsel erwarten dürfen; aber
keinem Zweifel unterliegt es, daß sie unendlich befruchtend auf die
Wissenschaft gewirkt hat. 'Wenn wir annehmen, daß jede Form durch
einen unerforschlichen und uns daher willkürlich erscheinenden
Schöpfungsakt entstanden ist, dann bleibt uns am Ende nichts
übrig, als diese Formen zu beschreiben und zu klassifizieren;
8 UP AN , Physische Erdkunde. 2. Aufl. 1
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2
Einleitung.
nehmen wir aber an, daß alles auf natürlichem Wege sich ent-
wickelt hat, so können wir diesem Prozesse nachspüren. Die Natur-
wissenschaft schreitet von der Systematik zur Genetik
fort, und damit erwachsen auch der Geographie ganz andere Auf-
gaben, als sie früher zu lösen hatte.
Entwicklung der Erde. Kant und Laplace verknüpften auch
die einzelnen Teile unseres Sonnensystems genetisch miteinander.
Alle Körper desselben bildeten nach dieser Hypothese einst einen
großen kugelförmigen Nebelfleck, der sich infolge der Abkühlung
im kalten Weltenraume zusammenzog. Dadurch erhöhte sich die
Rotationsgeschwindigkeit, die Abplattung an den Polen und die Aus-
bauschung am Äquator wurden immer größer, und so lösten sich mit
der Zeit am Äquator Teile los, die einen Ring bildeten. Dieser
zerriß infolge ungleicher Beschaffenheit und Erkaltung und ver-
aidaßte so die Entstehung planetarischer Nebelballen. Derselbe
Prozeß wiederholte sich auch hier: erst Ringbildung, wie sie noch
am Saturn beobachtet werden kann, dann Zerreißung derselben
und Bildung der Monde. So erscheinen nach dieser geistvollen
Hypothese alle Glieder des Sonnensystems als eine große Familie,
deren Mutter die Sonne ist, wie sie auch noch jetzt alles Leben
auf der Erde ernährt und erhält.
Noch einen Schritt weiter nach rückwärts führen uns die eng-
lischen Physiker Thomson und Croll, die uns begreiflich machen
wollen, wie der Urnebel entstand, d. h. wie die Materie in diesen
glühenden, gasigen Zustand geriet. Als ursprünglich nehmen beide
dunkle Massen an; nach Thomson sind diese ruhend und stürzen
durch eigene Anziehung auf einander; nach Groll1 besitzen sie von
allem Anfang an eine ihnen eigentümliche Geschwindigkeit, und
indem sie den Raum durchfliegen, stoßen zwei oder mehrere solcher
Massen auf einander und die Bewegung setzt sich in Wärme um.
Durch fortgesetzte Abkühlung und Zusammenziehung wurde
die Erde aus einem glühenden Nebelballen ein glühendflüssiger
Körper, der sich endlich mit einer Erstarrungskruste umhüllte. Die
Wasserdämpfe wurden kondensiert und sammelten sich in den Ver-
tiefungen der Erdkruste als Meer an, über das die Erhöhungen als
Kontinente emporragen. Der Gegensatz von Land und Wasser ist
seit dieser Zeit ein bleibender Charakterzug unseres Planeten, wenn
auch die geographische Verteilung dieser beiden Grundformen dem
Wechsel unterworfen ist.
Nun fühlen wir sicheren Boden unter den Füssen, denn die
Zeugnisse der Erdgeschichte sind uns in den auf einander folgenden
Gesteinsschichten, in den vielfachen Störungen derselben und in
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Die Gestalt und Größe der Erde.
3
den begrabenen Lebewesen noch erhalten. Aber auch hier hat
sich eine richtige Deutung erst allmählich herausgearbeitet. Zwar
konnten es sich auch die älteren Geologen nicht verhehlen, daß der
Erdkörper und sein organisches Leben verschiedene Stadien durch-
gemacht hat, aber sie meinten noch, daß die einzelnen Perioden der
Erdgeschichte durch allgemeine Katastrophen, die das Bestehende
vernichteten, und ebensoviele Neuschöpfungen von einander getrennt
seien. Erst Hoff2 und Lyell3 lehrten, daß die Veränderungen der
Erdoberfläche sich nicht sprungweise, sondern allmählich vollzogen
haben, in derselben Weise, wie wir sie auch in der geschichtlichen
Gegenwart beobachten, und durch dieselben Kräfte, die noch jetzt
thätig sind; wenn auch zugegeben werden mag, daß die Kraft-
äußerungen in früheren Epochen eine größere Intensität besaßen.
Lamabk und Darwin wendeten diese Theorie auch auf die organische
Welt an, die von niederen zu höheren Formen fortschreitend, end-
lich im Menschen gipfelt.
Gestalt der Erde. Als ein sicheres Zeugnis für die einstige
flüssige Beschaffenheit des Erdkörpers wird dessen Gestalt an-
gesehen, aber mit Unrecht, denn jeder rotierende kugelförmige
Körper, der nicht absolut starr ist, muß au den Enden der Rotations-
axe, d. h. an den Polen sich abplatten und am Äquator sich aus-
bauschen: mit anderen Worten: die Kugel muß ein Sphäroid
werden. Die sphäroidale Gestalt der Erde ist direkt durch Pendel-
beobachtungen und Gradmessungen erweisbar, indirekt auch auf
astronomischem Wege.
Die Pendelbeobachtungen ergaben als Resultat, daß die
Länge des Sekundenpendels (d. h. eines Pendels, das in einer Sekunde
eine Schwingung ausführt) vom Äquator nach den Polen zunimmt. x
Diese Thatsache kanu ihre Erklärung nur darin finden, daß die Schwer-
kraft an den Polen am größten, am Äquator am kleinsten ist. Der
Grund ist ein doppelter. Einerseits erreicht die Fliehkraft, die der
Schwerkraft direkt entgegenwirkt, am Äquator ihren größten Wert,
während sie an den Polen gleich Null ist; anderseits ist mau wegen der
x Zur Illustration dieses Gesetzes greifen wir aus Helmerts Tabelle einige
Stationen in Abständen von ea. 10° B. heraus:
Länge des
Sekunden-
pendels
N. B. in mm.
Gaussah Lout . . . 0° 2' 991,oss
Trinidad 10° 39' 991, oai
Mauwi 20° 52' 991, in
Ismailia 80° 56' 992, ju
Hoboken — New York 40° 45' 993, ist
Länge des
Sekunden-
N. B.
pendels
in mm.
Bonn ....
. . 50° 44'
994,072
Unst ....
. . 60" 45'
994,050
Hämmertest . .
. . 70° 40'
995,557
Spitzbergen . .
. . 79° 50'
996, «KT
1*
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Einleitung.
Abplattung dem Erdmittelpunkte, dem Sitze der Schwerkraft, an den
Polen am nächsten, und ist am Äquator am weitesten davon entfernt
Einen noch augenfälligeren Beweis für die Abplattung der Erde
liefern die Gradmessungen. In Fig. 1 ist rechts ein halber kreis-
förmiger, links ein halber elliptischer Meridian dargestellt; P be-
ziehungsweise P‘ ist der Pol, und die Horizontallinie der Durchschnitt
der Äquatorialebene. Wählen wir auf dem Kreisquadranten zwei Paare
von Punkten, von denen a und b nahe dem Äquator, c und d nahe dem
Pole sich befinden.
Die Vertikalen (oder
Normalen), die wir
in diesen Punkten
errichten, sind Halb-
, messerund schneiden
sich daher in o; der
■ Winkel aob ist =cod
10°, ebenso ist
der Bogen ab = cd,
oder mit anderen
Worten: auf einer
Kugel entspre-
chen gleichen
W’inkelabständen der Normalen gleiche Meridianbogen.
Anders auf dem Sphäroid. Die Normalen schneiden sich nicht
mehr im Zentrum, die Winkelabstände von a' und b', d und d' sind
zwar gleich (= 10“), wovon wir uns sofort überzeugen können,
wenn wir mit dem Radius ao von 6 und o" aus Kreise beschreiben
(die Bogen a"b" = c" <f = cd = ab)] aber die ihnen entsprechenden
Meridianbogen sind ungleich (a'b' < cd'), weil die Krümmung der
Ellipse gegen den Pol hin sich verflacht. Auf dem Sphäroid
nimmt also die Länge eines Meridiangrades vom Äquator
gegen die Pole zu.
Indem die große französische Gradmessung in der Mitte des
vorigen Jahrhunderts für die Länge eines Meridiangrades in Lapp-
land 111949, in Frankreich 111212, in Peru 110608 m fand, er-
brachte sie den unumstößlichen Beweis für die sphäroidale Gestalt
der Erde. Als aber die folgenden, in verschiedenen Gegenden aus-
geführten Gradmessungen und Pendelbeobachtungen verschiedene
Werte für die Abplattung ergaben, gelangte man zur Erkenntnis,
daß die Gestalt der Erde der Regelmäßigkeit entbehrt Und dies
gilt nicht bloß von der Landoberfläche mit ihren Erhebungen und
Vertiefungen, nicht blos von der wirklichen Meeresoberfläche, die
Fig. 1. Abplattung der Erde.
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Die Gestalt und Größe der Erde.
5
wechselnden Umgestaltungen unterliegt; auch das sogenannte Geoid,
d. h. die idelle, unbewegte, nur unter dem Einflüsse der Schwerkraft
stehende MeeresHiiche, die man sich durch ein System von Kanälen
von der Küste in das Innere der Kontinente geführt denkt, ent-
spricht nicht einem regelmäßigen Sphäroid, sondern zeigt Abnahmen
und Zunahmen mit konkaver Krümmung nach dem Erdinnem zu.
Es ist die Aufgabe der großen europäischen Gradmessung, diese
Abweichungen in Bezug auf Europa festzustellen und zugleich ihre
Ursachen zu erforschen.
Dimensionen der Erde. Die nächste praktische Folge dieser
Unregelmäßigkeit ist die, daß man, um die Dimensionen der
Erdoberfläche zu berechnen, ein ideelles Sphäroid zu Grunde legen
muß, das sich den Ergebnissen der Grad- und Pendelmessungen
möglichst anschmiegt. Unter diesen Berechnungen hat die von
Bessel, obgleich sie sich nur auf zehn zuverlässige Gradmessungen
stützt, weitaus die größte Verbreitung gefunden und kann auch
heute noch als ausreichend für geographische Zwecke erachtet
werden. Die Hauptwerte sind folgende8:
Äquatorialkalbmesser (a) = 6377,« km.
Polarhalbmesser (b) — 6356, i km.
... a — b 1
Abplattung = ~ = 299'
Umfang des Äquators = 40 070 km.
Umfang im Meridian = 40 003 km.
Oberfläche der Erde = 509 950 714 qkm.
Körperinhalt der Erde = 1083 Milliarden ebkm.
Neben den BEssELschen Werten haben sich in neuester Zeit
auch die von Clabke und Faye vielfach eingebürgt. Die Abplattung
wird hier beträchtlich größer angenommen, so von Clabke 1806
zu '/,95, 1880 zu */t9S, von Faye sogar zu Helmebt5 hält
dagegen 1/396 für die oberste Grenze und gelangt auf einem wesent-
lich anderen Wege, wie Bessel, zu dem gleichen Resultate (1/208).
Dagegen steht es ziemlich fest, daß die BEssELschen Werte für a
und b zu klein sind; als wahrscheinlichste Länge des Äquatorial-
halbmessers gilt jetzt 6378,2 km, und damit ändert sich natürlich
auch die Oberfläche des Erdpshäroids, doch nicht so beträchtlich, daß
wir die runde Zahl von 510 Millionen qkm nicht beibehalten könnten.
Flächenberechnung. Die Fläche eines Landes kanu entweder
durch direkte Vermessung oder auf planimetrischem Wrege, d. h. auf
der Karte mit Hilfe des Planimeters ermittelt werden. Die letztere
Methode wird weitaus am häufigsten angewendet, ja für hallt oder
ganz unzivilisierte Länder ist sie die einzig mögliche. Da kommt es
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6
Einleitung.
nun in erster Linie darauf an, welche Dimensionen des Sphäroids
der Messung zu Grunde gelegt werden, ob z. B. die ßEssELschen, wie
es in der Geographischen Anstalt Jüstüs Perthes in Gotha ge-
schieht, oder die CLARKEsclien, die Stkelbitzky bei seinen bekannten
Flächenberechnungen Europas und des Russischen Reiches auge-
wendet hat. Unter sonst gleichen Umständen muß für ein und
dasselbe Land die Fläche nach Clarke stets größer sein, als die
nach Bessel; aber der Unterschied, der sich daraus ergiebt, ist in
den meisten Fällen geringfügig gegenüber der Unsicherheit der
Messung, die durch das mangelhafte Kartenmaterial, den Maßstab
der Karte, die Ausdehnung des Papieres bei verschiedener Feuchtig-
keit und die Beschaffenheit des Instrumentes bewirkt wird. Selbst
bei Ländern mit so vortrefflichen Karten, wie Frankreich oder
Italien sie besitzen, haftet den Flächenzahlen noch ein wahrschein-
licher Fehler von l/3 bis 1 Prozent des Areals an; und man mag
daraus einen Schluß ziehen, wie es selbst mit den besten Flächen-
zahlen dort bestellt ist, wo noch verhältnismäßig wenig Punkte durch
gute Breiten- und Längenbestimmungen festgelegt sind, und jede
neue größere Reise Verschiebungen des Kartenbildes zur Folge hat.
Solche Länder werden infolge dessen meist in kleinerem Maßstabe
abgebildet, und daraus erwächst wieder ein anderer Fehler, der bei
sonst größter Sorgfalt bis zu 3 Prozent der Fläche sich steigern kann.
Überdies ist auch zwischen der auf die Karte projizierten Fläche
und der wahren Oberfläche zu unterscheiden. Dies wird sofort
klar aus Fig. 2, die ein schematisches Gebirgsprisma darstellt. Auf
der Karte erscheint nur die Grundfläche
abde und nur ihr Areal wird ermittelt,
die wahre Oberfläche ist aber acfd + bcfe.
Dieser Unterschied verschwindet nur auf
völlig horizontalen Flächen und nimmt mit
dem Böschungswinkel zu, so daß er in
Gebirgsländern einen ziemlich hohen Wert erreicht. Für ein Ge-
birge vom Typus des Böhmerwaldes hat z. B. BeneS 7 berechnet, daß
die wahre Oberfläche um 3,s Prozent größer ist, als die projizierte.
Literaturnachweise. 1 Croi.l, Stellar Evolution, London 1889. —
* Hoff, Geschichte der durch die Überlieferung naeligewiesenen natürlichen
Veränderungen der Erdoberfläche. Gotha 1822—40. — 8 Lyell, Principlcs of
Geology, London 1830 — 33. 12. Aufl. 1876. — 4 Darwin, The Origin of Species,
London 1859. Letzte deutsche Ausgabe von Carüs, Stuttgart 1883. — 8 Haupt-
werk Helmert, Die mathematischen und physikalischen Theorien der höheren
Geodäsie. Berlin 1880—84. Günther, Handbuch der mathematischen Geographie,
Stuttgart 1890. Hier sei auch das im Erscheinen begriffene Lehrbuch der
Geographie von H. Wagner (Hannover u. Leipzig, 1. Lief. 1894) erwähnt, für
Fig. 2.
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Die Teile des Erdkörpers.
7
mathematische Geographie wohl der beste Leitfaden, den wir besitzen. —
4 H. Wagner, Die Dimensionen des Erdsphäroids nach Bessel; in Behms Geo-
graphischem Jahrbuch, Bd. III, 1870. — 1 BeneS, Die wahre Oberfläche des
Böhmerwaldes, in dem Bericht des Vereins der Geographen an der Universität
Wien, 1888.
Die Teile des Erdkörpers.
Wenn wir von den Dimensionen der Erde sprechen, so ver-
stehen wir darunter nur die des festen Erdkörpers, schließen aber
deren gasförmige Umhüllung, die Atmosphäre, aus, obwohl diese
ebenso einen integrierenden Bestandteil des Erdkörpers bildet, wie
die Gesteinshülle und der Erdkern. Die Gesteinshülle tritt ent-
weder als Festland zu Tage oder ist als Grund des Meeres und
der Seen unseren Blicken entrückt, so daß wir, ausgehend von den
Erscheinungen der Oberfläche, voneiner Gesteins hülle im engeren
Sinne und einer Wasserhülle sprechen können.
Der Erdkern. Eine so scharfe Grenze, wie zwischen der Luft-
und Gesteinshülle, besteht zwischen der letzteren und dem Erdkern
nicht, und es ist schon aus diesem Grunde unmöglich anzugeben,
bis zu welcher Tiefe die Gesteinshülle hinabreicht. Das tiefste
Bohrloch der Erde, das Schladebacher bei Leipzig, durchfuhr sie
nur bis 1748m Tiefe; es ist also selbst an dieser Stelle vom Erd-
innern nur der 3644. Teil des mittleren Halbmessers bekannt
So unnahbar das Erdinnere auch der direkten Beobachtung ist,
so sind uns doch zwei Thatsachen bekannt, die geeignet sind, etwas
Licht über seine Beschaffenheit zu verbreiten.
Die mittlere Dichte der ganzen Erde1 beträgt nach den ver-
läßlichsten Untersuchungen 5,e, d. h. die Erde ist 5, «mal so schwer
als eine gleich große Wasserkugel. Da die Gesteine, welche sich
hauptsächlich an dem Baue der Erdoberfläche beteiligen, nur ein
spezifisches Gewicht von etwa 2ljt bis 3 besitzen, so muß die mittlere
Dichtigkeit des Inneren noch größer sein, als die der ganzen Erde.
Süess hat daher den Erdkern in zutreffender Weise die Bary Sphäre
(ßaovg = schwer) genannt, und sie der Lithosphäre oder Gesteins-
hülle und der Atmosphäre gegenübergestellt. Es ist auch sehr wahr-
scheinlich, daß sich innerhalb des Erdkörpers die Stoffe vom Anfänge
an nach ihrer Schwere geordnet haben, und die schwersten daher
den innersten Kern bilden. Nach Analogie der Meteoriten, jener
Trümmer von Weltkörpern, die von Zeit zu Zeit auf die Erde
fallen und teils aus Silikatgesteinen, teils aus gediegenem nickel-
haltigen Eisen bestehen, hat man vielfach die Vermutung ausge-
sprochen, daß der Erdkern aus Eisen bestehe.
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8
Einleitung.
Einen Schluß auf die Wärme des Erdinnern gestatten die
Beobachtungen hei den zahlreichen vertikalen und horizontalen
Tief bohrungen , die in allen Kulturländern zu technischen und
industriellen Zwecken ausgeführt wurden. Die Temperaturschwan-
kungen der Oberfläche dringen nur bis zu einer geringen Tiefe in
die Gesteinshülle ein; schon in einer Tiefe von ca. 1 m wird die
tägliche Schwankung nicht mehr fühlbar, und in unseren Gegenden
beträgt nach Adolf Schmidts2 Untersuchungen schon in einer Tiefe
von 15 — 16 m der Unterschied der jährlichen Extreme nur mehr
0,i 0 C. In den Tropen, wo die jahreszeitlichen Gegensätze gering
sind, dürfte die Schicht konstanter Temperatur schon in circa
6 m Tiefe zu finden sein. Von da an nimmt die Temperatur
in allen Jahreszeiten und überall mit der Tiefe zu. Man
nennt die Tiefe, die einer Temperatursteigerung von 1° C. ent-
spricht, die geothermische Tiefenstufe; sie beträgt nach den
Schladebacher Beobachtungen zwischen 1266 und 1716 m Tiefe —
den weitaus zuverlässigsten in dieser Beziehung, da die künstlichen
Fehlerquellen liier nahezu ganz vermieden wurden — 39,« m. Wenn
an anderen Orten andere Werte gefunden wurden (in Liverpool
z. B. 66,4 — 71,9, dagegen in Neuffen lim), so ist dies nur lokalen
Wärmeherden (chemische Prozesse in Bergwerken, Thermen u. s. w.)
zuzuschreiben, und diese bewirken auch, daß die Zunahme scheinbar
ungleichmäßig erfolgt, je nachdem man sich ihnen nähert oder
von ihnen entfernt. So betrug im 610 m tiefen Fermanschacht in
Nevada mit einer mittleren geothermischen Stufe von 18,i m die
Zunahme zwischen 400 und 500 e. F. 4°,»> zwischen 1800 und
1900 e. F. aber nur 0°,3, und zwischen 300 und 400 F. fand sogar
eine Abnahme um l°,i statt Die Beobachtungen in den großen
Alpentunnels lehren, daß die geothermischen Tiefenstufen von der
Thalsohle gegen das Innere des Berges größer werden. So z. B.
im St. Gotthardtunnel:
Tiefe des Tunnels 301 558 1026 1165m
Geothermische Stufe 24, o 42, s 51, s 52,5 „
Die Flächen gleicher Erdwärme wiederholen also die Konturen der
Oberfläche, indem sie im Innern der Gebirge ansteigen, aber unter
einem flacheren Winkel als die Böschungen. Nehmen wir an, ein
Berg B erhebe sich 2000 m über die Ebene A (Fig. 3). Die mittlere
Jahrestemperatur betrage hier 10°, und auf dem Berggipfel 0°; die
geothermische Tiefenstufe sei unter A 39, s und unter B 52,6 m. Es
wird dann unter dem Berggipfel im Niveau der Ebene das Thermo-
meter 39° zeigen, während wir unter A diese Temperatur erst in
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Die Teile des Erdkörpers 9
1148 m Tiefe erreichen. Diese Thatsache ist von größter prak-
tischer Wichtigkeit, denn da der menschliche Körper trockene
Wärme nur bis 50° und feuchte nur bis 40° ertragen kann, so
sind Tunnelbauten durch sehr hohe Gebirge ebenso unmöglich, wie
Bergwerke in großen Tiefen.
Es kann ferner keinem Zweifel unterliegen, daß im Innern der
großen Massenerhebungen der Gesteinshülle, die wir Kontinente
nennen, die Isothermenfiächen in ähnlicher Weise ansteigen, wie im
Innern der Gebirge. So fand z. B. die Challengerexpedition im
südatlantischen Ozean in 4846 m Tiefe Wasser von nur 1° Wärme,
und wir müssen annehmen, daß unter dem afrikanischen Boden in
gleicher Tiefe bereits eine Temperatur von 146° herrscht.
Da aber die geothermischen Tiefenstufen unter den Erhebungen
größer sind, als unter der Ebene, so muß allmählich ein Ausgleich
erfolgen, indem die Geoiso-
thermen immer flacher werden, ~f«
wie Fig. 3 versinnlicht. In
diesem Falle muß bereits in ''
4500 m unter dem Niveau der ' ’fpv '
Ebene sowohl unter A, wie unter * ' J|j.7.7. ^ V.' ; ; ; yf» ;
B die gleiche Temperatur '■‘ztr -'if-"
, , 8 , . / ww
herrschen, und es ist anzu- ..../ft*. (»o* ‘M*‘
, ’ o , , .
nehmen, daß von da an keine ...-MAI
weitere Störung im gleich- **'"
mäßigen Verlaufe der Geoiso- Fig. 3. Geoisothermen.
thermen eintritt, und die geo-
thermische Tiefenstufe nicht mehr von den Reliefverhältnissen der
Erdoberfläche beeinflußt wird.
Nimmt aber die Wärme stetig bis zum Mittelpunkte zu? Es
ist dies die nach den Beobachtungen wahrscheinlichste Annahme,
wenn auch nie exakt zu beweisen. Dagegen kann die Frage, ob
überall, wo keine örtlichen Einflüsse störend eingreifen, die
Temperaturzunahme in allen Tiefen gleichmäßig erfolge, nicht
beantwortet werden. Alle zu diesem Zwecke aufgestellten Formeln
haben nur innerhalb der Grenzen der Beobachtung Giltigkeit, und
schon oben wurde darauf aufmerksam gemacht, daß selbst das
Schladebacher Bohrloch nur den 3644. Teil des Erdradius re-
•fc.--. ft«
•••
iqofm l?9°.
Ceoisot/l ernten
Fig. 3. Geoisothermen.
präsentiert. Haben diejenigen Recht, welche annehmen, daß die
Erde eine durch Wärmeleitung und Wärmeausstrahlung sich ab-
kühlende Kugel ist, dann müssen die geothermischen Tiefenstufen
gegen den Mittelpunkt zu immer größer werden. Fouriers Rechnung
und Bischofs Experiment mit einer Basaltkugel führen zu dem
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10
Einleitung.
nämlichen Schlüsse. Letztere zeigte 48 Stunden nach dem Gusse
folgende Temperaturen :
Entfernung vom Mittelpunkte 0 4,5" 6,15" 9"
Temperatur 192,5° 170, o° 165,s° 137,5°
Thermische Stufe 0,j«o" 0,i*«" 0,iso"
Das eine ist jedenfalls gewiß, daß die Temperaturzunahme sich
nicht bloß auf die unserer Messung zugängliche Zone beschränkt,
sondern auch in jene bedeutenden Tiefen hinabreicht, aus der die
heißen Quellen und das geschmolzene Gestein der Laven an die
Oberfläche kommen. Bleibt sich die geothermische Tiefenstufe gleich,
so muß schon in einer Tiefe von 67 km die Temperatur der schmel-
zenden Schlacke, d. h. 1700°, erreicht werden. Man hat daraus den
Schluß gezogen, daß das Erdinnere eine glühendflüssige Masse ist,
die von einer verhältnismäßig dünnen Kruste umschlossen wird,
und es kann nicht geleugnet werden, daß diese Annahme eine einfache
und befriedigende Erklärung der geologischen Thatsachen bietet.
Von Seiten einiger Physiker ist aber dagegen Widerspruch er-
hoben worden, der sich hauptsächlich auf diejenigen Erscheinungen
stützt, die durch die Anziehungskraft der Sonne und des Mondes
bedingt werden. Unter dem Einflüsse dieser Gestirne kann zu-
nächst die Erde wegen der polaren Abplattung ihre Rotationsachse
nicht in unveränderter Lage erhalten, sondern dieselbe muß gewisse
Bewegungen ansführen, die denen eines wankenden Kreisels nicht
unähnlich sind, und von den Astronomen als Nutation und Prä-
zession bezeichnet werden. Aber die darauf gegründete Schluß-
folgerung Hopkins’, daß die Erdkruste mindestens 1270 — 1590 km
mächtig sein müsse, ist als unhaltbar erwiesen worden, indem der
Aggregatzustand des Erdinnern nach G. Darwin auf jene Bewegungen
keinen Einfluß ansübt. Das Hauptbedenken, das jetzt — haupt-
sächlich von den englischen Forschern Thomson und G. Darwin 4 —
gegen die Annahme eines feurig-flüssigen Erdinnern ins Feld geführt
wird, stützt sich auf das Flutphänomen. Jene Bewegungen des
Meeres, die unter dem Namen Ebbe und Flut allgemein bekannt
sind, könnten nach der Ansicht jener Physiker nicht zu stände
kommen, wenn das Erdinnere flüssig und die Kruste dünn wäre,
denn dann müßte auch die Kruste sich heben und senken, also
Land und Wasser, und wir würden die Gezeiten ebenso wenig wahr-
nehmen, wie die Bewegung der Erde. Da aber das Wasser sich
erfahrungsgemäß anders verhält, als die Kruste, so müsse die Erde
mindestens den Starrheitsgrad des Stahles besitzen. Die Sammlung
und rechnerische Bearbeitung des umfangreichen Beweismaterials
ist zwar noch nicht abgeschlossen, aber einige theoretische Bedenken
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Die Teile des Erdkörpers.
11
sind doch schon ausgesprochen worden. Wenn Thomson meint, das
Innere der Erde müsse durch Druck starr geworden sein, so hält
dem Siemens5 die erfahrungsgemäße Thatsache entgegen, daß der
Druck Quarz und quarzreiche Silikate nicht verfestige, sondern nur
aus einem dünn- in einen zähflüssigen Zustand überführe. Um aber
eine zähflüssige Masse durch die Anziehungskraft der Sonne und
des Mondes in Bewegung zu setzen, bedarf es natürlich mehr Zeit,
als um den gleichen Effekt in einer Wassermasse zu erzielen; „es
scheint daher wahrscheinlich, daß die Erdflut — auch wenn man
annimmt, daß der Kruste keine in Betracht kommende Starrheit
oder Elastizität zuzuschreiben ist — bei der Rotation der Erde
soweit hinter der Meeresflut zurückbleibt, daß sie nur einen geringen
vermindernden Einfluß auf dieselbe ausüben kann.“ Von anderen
Gesichtspunkten ausgehend, hat 0. Fisher0 nachzuweisen gesucht,
daß eine flüssige Unterlage, welche Gase gelöst enthält, nicht not-
wendigerweise Fluterscheinungen zeigen müsse. Auch gegen die
weitere Schlußfolgerung Thomsons, daß die Erde von innen nach
außen erkaltet sei — denn sobald sich eine Kruste gebildet habe,
müsse sie als schwerer in dem flüssigen Körper untergesunken
sein — , sprechen mancherlei Versuche; das größte Experiment führt
uns die Natur selbst in der flüssigen Lava des Kilaueakraters, die
eine feste Decke trägt, vor Augen.
Es stehen sich also noch immer zwei Hypothesen — flüssiges
oder wenigstens plastisches Erdinnere mit Kruste und völlig feste
Erde — einander gegenüber; die Vermittlungsannahme einer flüs-
sigen Schicht zwischen der festen Kruste und dem festen Erdkern
hat keine Bedeutung mehr. Nur eine Modifikation der Flüssigkeits-
Hypothese ist es, wenn Zöppritz 7, auf den Untersuchungen von
A. Ritter fußend, dafür eintritt, daß das Erdinnere sich in einem
gasförmigen Zustande befinde. Wir wissen nämlich von einer
Reihe von Körpern — und es läßt sich auch von den andern an-
nehmen — , daß sie oberhalb einer für jeden Körper bestimmten,
der sogenannten kritischen Temperatur nur mehr als Gase existieren
und durch keinen noch so hohen Druck in einen andern Aggregat-
zustand übergeführt werden können. Da im Erdmittelpunkte die
Temperatur jedenfalls 20 000° übersteigen muß, so darf voraus-
gesetzt werden, daß bereits sämtliche Körper die kritische Temperatur
weit überschritten haben. In folgerichtiger Weise leitete Günther8
daraus den Satz ab, daß der Erdkörper alle Aggregatzustände
in ganz allmählichen Übergängen in sich vereinige. Die feste
Erdkruste geht in eine plastische Zone, diese in eine zähflüssige,
diese in eine flüssige, diese endlich in einen gasförmigen Kern über.
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12
Einleitung.
Aber auch der letztere erscheint in diesem Systeme noch zweigeteilt
Die äußere Zone nehmen Gase ein, die ihre Individualität noch bei-
behalten haben (Günthers Zone der „gemischten“ Gase); im innersten
Kerne aber ist der molekulare Zusammenhang in Atome aufgelöst,
und an Stelle der „gemischten“ treten die einatomigen Gase. Die
Vorstellung, daß der innerste Kern das größte spezifische Gewicht
besitze, ist mit Günthers Hypothese sehr wohl vereinbar.
Die Erdkruste. Soweit die Erdkruste der unmittelbaren Be-
obachtung zugänglich ist, besteht sie aus Gesteinen, die sich aus
mehreren Mineralien zusammensetzen; nur wenige wie Quarzfels,
Schwefel, Graphit und einige andere sind einfache Gesteine. Die
Unterlage scheinen überall Gneiß und krystallinische Schiefer
zu bilden, doch treten sie auch an vielen Stellen auf weite Er-
streckungen zu Tage. Darauf ruhen mit wechselnder Mächtigkeit
die geschichteten oder Sedimentgesteine, von denen Schiefer,
Kalksteine, Dolomite, Sandsteine und Konglomerate die verbreitetsten
sind. Eruptive Massengesteine durchbrechen vielfach die kry-
stallinische Grundmauer wie den sedimentären Oberbau.9
Daß die Erdkruste nicht überall gleich mächtig ist, wird ziemlich
allgemein angenommen. Nach Henxessy 10 wächst die Exzentrizität
•Ktor,* .
HetssflUssige
Cnferlag*
Fig. 4. Ein Teil der Erdkruste nach O. Fisher.
nach dem Innern, sodaß die Kruste am Äquator am dünnsten und
an den Polen am dicksten sein müßte; die äußerste Schicht des
flüssigen Erdkerns hat dieselbe Abplattung, wie die innerste Schicht
der Kruste, dann nimmt die Exzentrizität nach dem Mittelpunkte
wieder ab. 0. Fisher denkt sich die Kruste infolge seitlicher
Zusammenschiebungen, wie sie im Laufe der geologischen Ent-
wickelungsgeschichte eingetreten sind, derart gestaltet, daß alle Her-
vorragungen an der Erdoberfläche in ebensolchen an der Untenseite
der Kruste, gleichsam wie im Wasser, sich abspiegeln (Fig. 4). Als
mittlere Mächtigkeit der Kruste ist dabei 40 km angenommen; die
„neutrale Zone“, von der beim Zusammenschub die Teilchen der
Kruste nach oben und unten gepreßt werden, liegt in 16 km Tiefe.
Damit stehen nun auch Dichtigkeitsunterschiede der oze-
anischen und kontinentalen Krustenteile im Zusammenhänge,
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Die Teile des Erdkörpers.
13
zu deren Annahme man übrigens auch genötigt wird, wenn man auch
nicht die Ansichten Fishees teilt. Wir haben oben (S. 3) gesehen,
daß die Pendellänge nach dem Pole zu wächst. Aus einem ähn-
lichen Grunde sollte man auch erwarten, daß unter gleicher geo-
graphischer Breite die Pendellänge auf dem Festlande größer sein
müsse, als auf dem offenen Meere, weil dort die anziehenden Massen
größer sind, ln der That scheint aber gerade das umgekehrte Ver-
hältnis stattzutinden, wie man aus den Pendelbeobachtungen auf
ozeanischen Inseln schließen darf. Das führt zu der wichtigen
Folgerung, die früher schon von mehreren Forschern ausgesprochen
und in neuester Zeit wieder von Hei.meht11 bekräftigt wurde, „daß
die Wirkung der Kontinentalmassen mehr oder weniger kompensiert
wird durch eine Verminderung der Dichtigkeit der Erdkruste
unterhalb der kontinentalen Massen“. Auch die Scliwere-
messungeu in den Alpen, im Himalava und Kaukasus, die sehr
beträchtliche Massendefekte, also eine geringere mittlere Dichtigkeit
der gebirgigen Krustenteile im Vergleich zu den Ebenen ergaben,
führen zu dem Analogieschlüsse, daß die ozeanischen Krusten teile
dichter sind als die kontinentalen. Aus Erwägungen allgemeiner Natur
hat Siemens die Wahrscheinlichkeit solcher Unterschiede dargethan.
Die Höhendifferenz zwischen dem zentralasiatischen Hochlande und
dem Boden des Pazifischen Ozeans beträgt mindestens 10000m; der
erstere übt also auf den Erdkern einen um ein paar tausend Atmo-
sphären höheren Druck aus, und die Folge davon müßte sein, daß
das Hochland einsinkt und der Meeresboden sich hebt. Da dies
nicht der Fall ist, so kanu das hydrostatische Gleichgewicht nur da-
durch erhalten werden, daß der Meeresboden aus schwererem
Gesteine besteht, als die Kontinente, oder daß die flüssige Unter-
lage unter dem Meeresboden ein größeres spezifisches Gewicht besitzt.
Litteraturnachweise. 1 Einen guten Überblick über die verschiedenen
„Methoden zur Bestimmung der mittleren Dichte der Erde“ giebt unter diesem
Titel Fresdorf in der wissenschaftlichen Beilage zum Jahresbericht des Gymna-
siums zu Wittenburg i. Elsaß 1894. — 1 Ad. Schmidt, Theoretische Verwertung der
Königsberger Bodentemperatur-Beobachtungen, Königsberg 1892. — 3 Hutsseh,
Die Tiefbohrung im Dienste der Wissenschaft, in den Verhandlungen des VIII.
Deutschen Geographentages, Berlin 1889. Eine umfangreiche Zusammenstellung
von 530 Stationen giebt Prestwich in den Proceedings of the Royal Society,
Bd. XLI, 1886. — * Die Arbeiten von Thomson und G. Darwin sind nur dem ge-
wiegten Mathematiker verständlich, einen elementaren Beweis für die Starrheit der
Erde versuchte G. F. Becker im American Joum. of Science, 1890, Bd. XXXIX,
S. 336. — 5 Siemens in den Monatsberichten der Preußischen Akademie der
Wissenschaften 1878, S. 558. — 3 Fisher, Physics of the Earth’s Crust, 2. Aufl.
London 1889. — 7 Zöpfritz in den Verhandlungen des I. Deutschen Geographen-
tages, Berlin 1882, S. 15. — 8 Günther, Entwickelung der Lehre vom gasförmigen
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Einleitung.
Zustande des Erdinnern, im XIV. Jahresberichte der Geographischen Gesellschaft
in München 1892. — 8 Löwl, Die gebirgsbildenden Felsarten, Stuttgart 1893
(ein vortreffliches, aber elementares Hilfsbüchlein). Kalkuwsky, Elemente der
Lithologie, Heidelberg 1886. — 10 Hennessy, Philosophieal Magazin 1886, Bd.XXlI,
S. 231 und 328. — 11 Helmert, Die Schwerkraft im Hochgebirge. Berlin 1891.
Von größter Wichtigkeit sind v. Sternecks Relative Schwerebestimmungen in
Österreich-Ungarn (s. die letzte Abhandlung darüber in den Mitteilungen des
K. u. K. Militärgeographischen Instituts, Bd. XIII, Wien 1894).
Die vier Energiequellen.
Die Veränderungen, denen die Erdoberfläche seit dem Beginne
ihrer Geschichte fortwährend unterliegt, lassen sich unmittelbar oder
mittelbar auf vier Energiequellen zurtlckführen: auf die Erdwärme,
die Sonnenwärme, die Drehung der Erde und die Anziehungskraft
von Sonne und Mond. Hier handelt es sich nur darum, das Ge-
webe von Ursachen und direkten und indirekten Wirkungen, welche
das Erdenleben ausmachen, in seinen Grundzügen darzulegen und
damit das Verständnis der nachfolgenden Betrachtungen anzubahnen.
Die Wirkungen der unterirdischen Kräfte. Wenn wir als erste
Energiequelle die Eigenwärme der Erde genannt haben, so ist
dies so zu verstehen, daß ein völlig erkalteter Körper nicht mehr
im stände wäre, aus eigner Kraft Veränderungen an der Oberfläche
hervorzurufen. Solche Veränderungen haben sich aber im Laufe
der geologischen Zeiträume wiederholt ereignet und ereignen sich
noch fortwährend. Ihnen verdanken wir in erster Linie die ab-
wechselungsreichen Formen der Landoberfläche und höchst wahr-
scheinlich auch den Gegensatz von Land und Meer.
Die meisten Schichten, welche die Oberfläche des Festlandes
zusammensetzen, sind ursprünglich auf dem Boden des Meeres
horizontal oder mit sehr sanfter Neigung abgelagert worden. Es
giebt zwar Ausnahmen, wo schon die ursprüngliche Lagerung unter-
einem größeren Winkel erfolgt, aber sie treten in der Regel nur
in örtlich beschränkter Weise auf. Wo immer nun ehemaliger Meeres-
boden in Festland umgewandelt wurde, müssen wir eine nachträg-
liche Niveau Veränderung annehmen. Dabei kann die ursprüngliche
Lagerung der Schichten keine oder nur eine geringfügige oder aber
eine erhebliche Störung erleiden: wir sprechen im erstem Falle von
einfachen Niveauveränderungen (Hebungen und Senkungen), im
letzteren von Niveauveränderungen mit Dislokation der
Schichten oder von Dislokationen schlechtweg. Die wichtigsten
dieser Schichtenstörungen sind die Faltung und die Verwerfung,
und wir verstehen unter letzterer die Niveauveränderung eines größeren
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Die vier Energiequellen.
15
oder kleineren Stückes der Erdoberfläche (Scholle) entlang von Bruch-
spalten. Eine dritte Wirkung unterirdischer Kräfte sind die vul-
kanischen Ausbrüche, während wir die Erdbeben nicht als ein
selbständiges Phänomen, sondern nur als eine Begleiterscheinung von
Dislokationen oder vulkanischen Ausbrüchen zu betrachten haben.
Die solaren Wirkungen. Für die Gestaltung der Oberfläche ist
aber die Erdwärme nicht der einzige Faktor. Die Sonnenwärme
tritt ihr als zweite Energiequelle ebenbürtig an die Seite. Ja auch
das organische Leben ist im Grunde genommen nichts anderes, als
umgewandelte Sonnenwärme.
Abgesehen von der Pflanzendecke wirkt die zugeführte Sonnen-
wärme auf jeden Punkt der Landoberfläche zerstörend, und dieser
Einfluß wird wesentlich erhöht durch ihre periodischen Schwankungen,
zunächst durch die thermischen Gegensätze von Tag und Nacht,
Sommer und Winter. Allerdings beruht der Yerwitterungsprozeß
zunächst nur auf der chemischen Einwirkung der Lufthülle auf das
Gestein, und er würde nicht sofort zum Stillstände gebracht werden,
wenn die Sonne plötzlich erlöschte. Nicht sofort, aber doch schon
bald. Die Lockerung des Gesteins durch die Temperaturunterschiede
würde aufhören, und das Wasser würde seinen Kreislauf einstellen.
Dazu kommt aber noch die ungleiche Verteilung der Temperatur.
Sie setzt das Luftmeer in ununterbrochene Bewegung, es entstehen
die Winde.
Die Winde erzeugen wieder zweierlei Bewegungen innerhalb der
Wasserhülle: Wellen und Strömungen. Das bewegte Meer zer-
stört die Küsten, und das Zerstörungsprodukt wird entweder im
Meere abgelagert oder an anderen Stellen zur Vergrößerung des
Landes verwendet. Auf dem Lande bewirkt der Wind direkt eine
Umlagerung des losen Materials, wodurch er unter Umständen auch
indirekt an der Abtragung des Gesteins mitarbeitet; eine noch ein-
greifendere Kolle spielt er aber als Wasserverteiler.
Alles Wasser verdunstet unter dem Einflüsse der Sonnenwärme,
am meisten natürlich das Meer. Die Winde führen den Wasser-
dampf landeinwärts und lassen ihn hier als Regen oder Schnee
niederfallen. Das Wasser dringt zum Teil in den Erdboden ein und
fördert und unterhält denVerwitterungsprozeß; zum Teil fließt es ober-
flächlich ab, schafft Thäler durch seine eigene zerstörende Kraft und
durch die Fortführung fremder Zerstörungsprodukte, und entledigt
sich an anderen Stellen wieder dieser fremden Stoffe, durch die es
das Land erhöht oder auf Kosten des Meeres und der Seen ver-
größert. In großen Höhen und unter polaren Breiten tritt das Wasser
vorwiegend in der festen Form, als Eis aus, aber auch dieses wirkt.
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16
Einleitung.
wenn auch in etwas anderer Weise, als das Wasser, zerstörend und
neuschaffend.
Wenn wir also die geologische Tlüitigkeit der Sonnenwärme, die
mit der letzteren periodischen Schwankungen unterliegt, noch einmal
überblicken, so haben wir zu unterscheiden:
1. Förderung des Verwitterungsprozesses:
2. Wirkungen des Windes;
3. Wirkungen des Wassers und zwar
a) im Meere und in den Seen,
b) des fließenden Wassers;
4. Wirkungen des Eises und zwar
a) des Meereises,
b) des Landeises.
Jede dieser Wirkungen ist zugleich eine zerstörende, wie eine
schaffende; beide Seiten ergänzen sich notwendigerweise, denn eben-
sowenig, wie aus dem Nichts ein Etwas, kann aus dem Etwas ein
Nichts werden. Aber die äußere Erscheinungsform wird eine andere.
Lappakent1 schätzt das durchschnittliche jährliche Ergebnis der kon-
tinentalen Zerstörung auf 10,43, der marinen auf 0,3o und der che-
mischen auf 4,e2 cbkm, die gesamte jährliche Abtragung also auf
rund 16 cbkm. Um soviel verliert das Land und gewinnt das Meer;
das erstere wird um 0,uomm erniedrigt, der Spiegel der letzteren um
0,044 mm erhöht; die Höhe des Landes, die wir ja vom Meeresniveau
aus rechnen, nimmt also jährlich um 0,no + 0,044 = ü.mnim ab, oder
in ca. 6500 Jahren um 1 m. Die Sonnenwärme wirkt somit der Erd-
wärme entgegen; die Erhöhungen und Vertiefungen, die die unter-
irdischen Kräfte schaffen, werden durch die Oberflächenkräfte wieder
ausgeglichen. Aber diese Umlagerung von Material kann unter der
Voraussetzung einer dünnen Kruste und einer plastischen Unterlage
selbst wieder Niveauveränderungen hervorrufeu, indem das erleichterte
Land in die Höhe steigt und der beschwerte Meeresboden sich senkt.
Zu den Ablagerungen irdischen Ursprungs gesellen sich über-
dies noch kosmische Bruchstücke, von denen die Meteorsteine die
bekanntesten sind. Nachgewiesen ist auch eine kosmische Beimengung
der Tiefsee-Ablagerungen in Gestalt von braungelben Körnchen von
1/2 mm mittlerem Durchmesser (Bronzitchondrite) und Kügelchen von
Magneteisen2; dagegen ist es sehr unwahrscheinlich, daß kosmi-
scher Staub in genügenden Mengen auf die Erde gelangt, um, wie
Nordenskiöld 3 meint, unseren Planeten im Laufe geologischer Zeit-
räume merkbar zu vergrößern. Was beglaubigt ist, sind nur ver-
einzelte und örtliche beschränkte Fälle kosmischen Niederschlages,
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Die vier Energiequellen. 1 7
die auf die Entwicklung des Erdballs keinen nennenswerten Einfluß
ausüben.
Die Anziehung von Sonne und Mond. Durch die Anziehungs-
kraft von Sonne und Mond erleidet die Erde periodische Gestalts-
veränderungen, die zunächst allerdings nur in der Ebbe und Flut
des Meeres einen sichtbaren Ausdruck finden. Auch diese Bewegung
wird unter Umständen ein bedeutsamer Faktor in dem Umgestaltungs-
prozesse der Küsten. Daß auch die feste Erdkruste jener Anziehung
unterliegt, war schon theoretisch vorauszusetzen, aber erst mit Hilfe
eines so empfindlichen Instrumentes wie es das Horizontalpendel
von Rebeur-Paschwitz4 ist, gelang es diesem sowohl auf Tenerifi’a,
wie in Potsdam Bewegungen der Lotlinie nachzu weisen, die auf
sehr geringe körperliche Gezeiten (nur mit einem Koefficienten von
etwa O.oi") zurttckzuftihren sein dürften.
Die Rotation der Erde. Als letzte Energiequelle haben wir
endlich die Rotation der Erde zu nennen, die alle in horizontaler
Richtung sich bewegenden Körper auf der nördlichen Hemisphäre
nach rechts, auf der südlichen nach links ablenkt. Die Ursache
dieser Ablenkung ist eine doppelte; zunächst die Beibehaltung der
Bewegungsrichtung. In Figur 5, die einen Erdquadranten vorstellt,
bewegt sich ein Körper in einer gewissen Zeit von a nach b, während
er in derselben Zeit infolge der Rotation von a nach a gelangt.
Die Wirkung dieser Doppelbewegung ist
dieselbe, als wenn auf der stillstehenden
Erde die Bewegung von a ausginge und
parallel mit der ursprünglichen Richtung
(ab) nach b' gerichtet wäre. Die dadurch
hervorgerufene Ablenkung nach rechts tritt
in der Zeichnung deutlich hervor, indem
der Winkel a größer ist als a. Die Be-
wegungsrichtung ist dabei ganz gleichgültig,
und es muß besonders betont werden, daß
auch die äquatoriale (d. h. ostwestliche oder
westöstliche) der Ablenkung unterliegt.
Eine zweite Ursache der Ablenkung ***•“
liegt in der Beibehaltung der Rotations- Fis- 5- Ablenkung durch die
i t,. T'r.. i Beibehaltung der Bewegunes-
geschwmdigkeit (Fig. 6). Ein Körper be- richtung.
wege sich z. B. vom 40. zum 50. Breiten-
grade, also in meridionaler Richtung nach Norden. Er würde von
a nach b gelangen, wenn sich nicht inzwischen a nach a und b
nach b' fortbewegt hätte. Es läßt sich wieder annehmen, daß die
Svpak, Physische Erdkunde. 2. Aufl. 2
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Einleitung.
Erde ruhe und die Bewegung von a ausgehe; wir setzen ferner
der Einfachheit wegen voraus, daß die erstgenannte Ursache der
Ablenkung nicht vorhanden
sei. Wird dann der Körper in
b' anlangeu? Nein, denn die
Geschwindigkeit des Punktes
a ist größer als die von b
(b:a = 1 : l,j), und mit dieser
größeren Geschwindigkeit er-
reicht a den 50. Parallel. Er
wird daher dem Punkte b'
vorauseilen und den Punkt c
treffen, d. h. die aus Süd
kommende Bewegung wird in
Fig. 6. Ablenkung durch die Beibehaltung der eine aus SW. kommende ver-
Rotationsgeschwindigkeit. wandelt. Diese Ablenkung ist
bei meridionalen Bewegungen
am größten, während äquatoriale dadurch nicht beeinflußt werden.
Die Größe der Ablenkung ist proportional dem Sinus der geogra-
phischen Breite, erreicht somit an den Polen ihr Maximum und
wird am Äquator gleich Null.
Die Ablenkung der Bewegungen erfolgt also im Sinne der Pfeile:
Nördliche Hemisphäre.
m >►
N. NO. 0. SO. S. SW. W. NW. N.
■< m
Südliche Hemisphäre.
Wenn auch alle horizontalen Bewegungen dieser Ablenkung
unterliegen, so leisten ihr doch nur die Luft- und Meeresströmungen,
solange sie nicht auf einen kräftigen Widerstand stoßen, in so sicht-
barer Weise Folge, daß jeder Zweifel ausgeschlossen ist. In Bezug
auf die Flüsse sind aber die Meinungen geteilt; d. h. die Ablenkung
kann zwar nicht geleugnet werden, wohl aber ihre geologische Be-
deutung.
Literaturnachweise. 1 de Lapparent, La mesure du temps par les
phenomfines de Sedimentation, im Bulletin de la Societc geologique de France,
Bd. XVIII. — 1 Mdrray et Renard, Les caracteres microscopiques des cendres
volcaniques et des poussiöres cosmiques, im Bulletin du Musee R. de l'histoire
naturelle de Belgique, Bd. III, 1884. — * Nohde.nskiold, Studien und Forschungen,
Leipzig 1885. — 4 v. Rebeür-Pasciiwitz, Über Horizontalpendel-BeobachtUDgen
in Wilhelmshaven etc., in den Astronomischen Nachrichten 1892. Bd. CXXX.
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Geschichte der Erde.
19
Geschichte der Erde.
Die Geschichte der Erde ist Gegenstand einer eigenen Wissen-
schaft, der Geologie,1 die aber zur physischen Geographie in so
engen Beziehungen steht, daß wir es uns nicht versagen können,
hier wenigstens die Hauptmomente anzudeuten.
Jede Schicht der Erdkruste entspricht einem gewissen Zeit-
abschnitte, dessen absolutes Maß wir freilicli nicht kennen. Nur ihr
relatives Alter läßt sich teils aus den Lagerungsverhältnissen, teils
aus den organischen Einschlüssen ermitteln. Schichten mit Über-
resten gleichartiger Lebewesen fassen wir zu Stufen oder Etagen,
die Etagen zu Serien, die Serien zu Formationen oder Systemen,
die Formationen wieder zu Formationsgruppen zusammen. Zeit-
lich entspricht die Formation einer Periode, die Formationsgruppe
einem Zeitalter.
Solcher Zeitalter unterscheidet die Geschichte der Erde fünf.
Aus der Urzeit oder dem archäischen Zeitalter stammen die
Gneiße und krystallinischen Schiefer, die nur zweifelhafte Spuren
organischen Lebens enthalten. Mit dem Auftreten einer reichen
Tierwelt, der sich später echte Landpflanzeu zugesellen, beginnt das
Altertum der Erde, das primäre oder paläozoische Zeitalter,
aber eine weite Kluft trennt die organischen Typen jener fernen
Epoche von denen der Gegenwart. Fische und Amphibien sind
fast bis zum Schlüsse die einzigen Vertreter des Kreises der Wirbel-
tiere ; die Meere beleben zahllose Armfüßer (Brachiopoden), besonders
aus den ausgestorbenen Familien Spirifer und Productus. Im Mittel-
alter der Erde, im sekundären oder mesozoischen Zeitalter,
erscheinen schon die Vorläufer der jetzigen Lebewelt, aber unter
den Landtieren spielen noch die Reptilien, unter den Seetieren die
Ammoniten und ihre Verwandten die erste Rolle. In der Neuzeit
der Erde, im tertiären oder känozoischen Zeitalter, nehmen Tier-
und Pflanzenwelt modernen Charakter an und die Säugetierfauna
gelangt zu immer reichlicherer Entwicklung. Die geologische Gegen-
wart oder das quartäre Zeitalter endlich kann kurzweg als das
Zeitalter des Menschen bezeichnet werden.
Zum bequemen Nachschlagen in zweifelhaften Fällen lassen wir
hier eine Übersicht der wichtigsten geologischen Haupt- und Unter-
abteilungen von den ältesten bis zu den jüngsten folgen.
I. Archäische Formationsgruppe.
II. Paläozoische Formationsgruppe:
1. Cambrische Formation;
2. Silur;
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20
Einleitung.
3. Devon;
4. Karbon oder Steinkohlenformation:
a) Unter-Karbon (Kulm),
b) Ober-Karbon (produktive Steiukohlenformation);
5. Permische Formation oder Dyas:
a) Rothegendes.
b) Zechstein.
III. Mesozoische Formationsgruppe:
1. Trias:
a) Buntsandstein,
b) Muschelkalk,
c) Keuper;
2. Jura:
a) Lias,
b) Dogger oder brauner Jura,
c) Malm oder weißer Jura;
3. Kreide oder kretacetselie Formation:
a) Untere Kreide:
ce) Neocom und Wealden,
ß) Gault ;
b) Obere Kreide:
a) Cenoman,
ß) Turon,
y) Senon.
IV. Känozoische Formationsgruppe:
1. Alt-Tertiär oder Eogen:
a) Eocän,
b) Oligocän;
2. Jung-Tertiär oder Neogen:
a) Miocän,
b) Pliocän.
V. (Quartäre Formation:
a) Diluvium,
b) Alluvium.
Diese Formationen sind weder überall in lückenloser Reihe,
noch dort, wo sie Vorkommen, in gleicher Weise entwickelt Es
herrschten zu allen Zeiten ähnliche Verhältnisse, wie in der Periode,
in welcher wir leben: im Alluvium. Die eigentlichen alluvialen Ab-
lagerungen sind in den Meeren zu suchen, aber auch hier sind sie
im offenen Meere anderer Art, als in der Nähe der Küste. Das
Land ist vorwiegend eine Stätte der Zerstörung; die Ablagerungen
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Geschichte der Erde.
21
der Flüsse, Gletscher, Seen und des Windes und die vulkanischen
Neubildungen sind von verhältnismäßig geringer Ausdehnung. Es
geht daraus auch hervor, daß Ablagerungen innerhalb gleicher Zeit-
räume sehr verschiedene Mächtigkeit besitzen können. So besteht
z. B. das oberste Triasglied, der Keuper, in Deutschland aus sandigen,
thonigen und mergeligen Gesteinen, die eine Gesamtmächtigkeit
von etwa 300 m erreichen, während in den Ostalpen in derselben
Periode Kalksteine und Dolomite bis zu ein paar tausend Meter
Mächtigkeit zur Ablagerung gelangten. Und anderseits, während
in Deutschland und in den Alpen alle drei Glieder der Trias ent-
wickelt sind, fehlt in England der Muschelkalk, und der Keuper
ruht unmittelbar auf Buntsandstein, so daß man es hier vorzieht,
die ganze Formation als New Red Sandstone zu bezeichnen.
Trotzdem läßt sich, wenn man die Maximalmächtigkeiten der
Formationen miteinander vergleicht, der Gedanke nicht abweisen,
daß das, was wir geologische Perioden nennen, Zeiträume von sehr
verschiedener Dauer repräsentiert. In noch höherem Grade gilt das
von den geologischen Zeitaltern, und man darf mit einiger Sicher-
heit die Behauptung aussprechen, daß sie um so kürzer werden, je
jünger sie sind. In der sog. „Weltgeschichte“ ist es ja auch nicht
anders. Da umfaßt das Altertum reichlich 4000, das Mittelalter
aber nur etwa 1100 Jahre. Auch in einer andern Beziehung finden
wir eine Analogie zwischen der „Welt-“ und der Erdgeschichte.
Wie die Gliederung der ersteren nur auf den europäisch-medi-
terranen Kulturkreis anwendbar ist, aber nicht auf die Geschichte
anderer Kulturvölker, so paßt das herrschende geologische System
zunächst nur auf die Verhältnisse in Mittel- und Westeuropa, d. h.
im Heimatlande der geologischen Wissenschaft. Zwar läßt es sich
auch auf das übrige Europa und auch auf Nordamerika übertragen,
aber jenseits des Äquators versagt es stellenweise. Das innere
Südafrika baut sich nach Schenck2 aus drei Formationen auf:
der Primär-, Kap- und Karruformation; erst die Schichten, die
in einigen Küstengegenden auf den Karrubildungen liegen, lassen
sich mit der nordhemisphärischen Kreide identifizieren. Auf der
vorindischen Halbinsel3 entspricht der Karruformation das Gond-
wana-System, aber wahrscheinlich nur zum Teil. In die Sprache der
europäischen Geologie übertragen, umfaßt das Gondwana den Un-
geheuern Zeitraum vom oberen Karbon bis zum oberen Jura, also
paläozoische, wie mesozoische Formationen; und die bedeutungsvolle
Grenze zweier europäischer Formationsgruppen trennt in Indien nur
zwei Etagen der unteren Gondwana-Serie. Steigen wir in immer
tiefere Horizonte hinab, so folgt auf die Gondwana die Vindhya-
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22
Einleitung.
und auf diese die Cuddapahformation; es bleibt aber noch ganz
unsicher, wie sie sich zeitlich zur südafrikanischen Kap- und zu den
älteren paläozoischen Systemen der Nordhalbkugel verhalten.
Es ist oben gesagt worden, daß unsere gebräuchliche geologische
Einteilung auf den organischen Einschlüssen beruht Nun tritt
aber, dank den epochemachenden Untersuchungen von Suess4, immer
deutlicher hervor, daß die Umgestaltungen im Bereiche der Lebe-
welt mit wichtigen geographischen Veränderungen der Vorzeit nicht
zusammenfallen. Solche Veränderungen sind die Transgressionen
oder Überflutungen und die Gebirgstal tungen.
Zu wiederholten Malen ist der Boden der heutigen Festländer
trocken gelegt und vom Meer überflutet worden. So liegt z. B. die
obere Kreide nicht überall normal auf der unteren Serie, sondern
vielfach auf Jura, Trias, ja sogar auf paläozoischen und archäischen
Formationen. In der Mitte der Kreideperiode trat also das Meer
über seine bisherigen Ufer hinaus und eroberte weite Landgebiete.
Transgressionen von beschränktem Umfange gehören zu den ge-
wöhnlichen Ereignissen der Erdgeschichte, ausgedehnte sind aber
verhältnismäßig selten; die mitteldevonische, unterkarbonische, mittel-
jurassische und oberkretacelsche sind die bekanntesten. Die letztere
scheint die größte gewesen zu sein, denn ihre Spuren lassen sich
über die ganze Erde verfolgen.
Zu wiederholten Malen war auch das Festland ein Schauplatz
gewaltiger Gebirgsfaltungen. Zwar sind die Äußerungen der inneren
Erdkräfte an keine bestimmten Perioden gebunden und, wie die
Erdbeben uns lehren, eine geradezu alltägliche Erscheinung, aber
trotzdem hat es uns Suess im hohen Grade wahrscheinlich gemacht,
daß sie in gewissen Zeitabschnitten eine größere Intensität erlangten.
Solche Faltungsepochen waren in nacharchäischer Zeit das jüngere
Silur, das jüngere Karbon und das Tertiär. Die meisten unserer
Kettengebirge stammen aus der letzten Epoche, aber wiederholt
werden wir auch den Überresten älterer Schöpfungen begegnen.
Das Ergebnis des sicher Millionen von Jahren dauernden geo-
logischen Entwicklungsprozesses sind die heutigen Formen der Erd-
oberfläche, deren Grundzüge wir im nächsten Abschnitte zu schildern
versuchen werden. Aber nicht als ein endgültiges Ergebnis sind sie
aufzufassen, sondern auch nur als ein Durchgangsstadium. In An-
betracht der Ungeheuern Länge geologischer Zeiträume sind unsere
Karten kaum mehr, als Momentphotographien.
Litteraturnach weise. 1 Besonders empfehlenswerte Lehrbücher der
Geologie sind H. Cbednek, Elemente der Geologie, 7. Aufl., Leipzig 1891;
Neumayr, Erdgeschichte, Leipzig 1887 (neue Auflage im Erscheinen begriffen);
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Die Grundzüge der Gestaltung der Erdoberfläche. 23
Katser, Lehrbuch der Geologie, Stuttgart 1891 — 93. Von fremdsprachigen Lehr-
büchern sei besonders auf de Lapparent, Traitc de Geologie, 3. Aufl., Paris 1893,
wegen seiner außerordentlichen Reichhaltigkeit und steten Rücksichtnahme auf
die Bedürfnisse des Geographen, und auf Dana, Manual of Geology, 4. Aufl.,
New York und London 1895, wegen der Berücksichtigung amerikanischer Ver-
hältnisse aufmerksam gemacht. — ’ Scuenck, Die geologische Entwicklung
Südafrikas, in Petermanns Mitteilungen, 1888. — 3 Oldham, Manual of the
Geology of India, 2. Aufl., Calcutta 1893. — * SCss, Das Antlitz der Erde,
Wien 1885 u. 1888.
Die Grundzüg'e der Gestaltung der Erdoberfläche.
(Siehe Karte I und II.)
Verhältnis von Wasser und Land.1 Die bekannten Landmassen
schätzt man nach den neuesten Quellen auf rund 135 Mill. qkm.
Die Zahl ist beständigen und ziemlich beträchtlichen Veränderungen
unterworfen, da das Kartenmaterial, worauf die Flächenberech-
nungen sich gründen, mit dem Fortschreiten unserer geographischen
Kenntnisse sich fortwährend verbessert. Es giebt ja noch große
Räume, die, soweit die historische Kunde reicht, noch kein Mensch
betreten hat. Im arktischen Gebiete erreichte Pebby 1827 unter
ca. 20° 0. 82° 45' B., Payer 1874 unter ca. 581/,® 0. 82° 5' B.,
Markham 1876 unter ca. 63° W. die höchste Breite: 83° 20'; auf der
anderen Seite, unter 156°\V., kam die unglückliche „Jeanette“-Expedi-
tion nur bis 77°14'B. Im ganzen schätzt man hier die noch unbe-
kannte Fläche auf 6,3 Mill. qkm. Um den Südpol beträgt sie sogar
16,2 Mill. qkm; Weddell drang hier 1823 unter 45° W. nur bis74°15',
Ross 1842 unter ca. 162° W. bis 78°10'B. vor. Wenn wir diese
22,5 Mill. qkm unbekannten Landes von der Rechnung ausschließen
und der letzteren die BESSELSchen Dimensionen der Erde zu Grunde
legen, so erhalten wir für die Meeresfläche 352 */, Mill. qkm. Das Land
nimmt also nur 27, s Prozent der bekannten Erde ein und verhält sich
zum Meere wie 1:2,8. de nachdem wir jene unbekannten Räume
dem Wasser oder Lande zuweisen, schwankt der prozentische Anteil
des Landes zwischen 26, s und 31, o, und das Verhältnis des Landes
zum Wasser zwischen 1 : 2,8 und 1 : 2,2. Als wahrscheinlichste Werte
nimmt Wagner neuerdings an:
Land 144 449 000 qkm = 28,« Proz.
Wasser 365 501 000 „ =71,« „
woraus sich ein Verhältnis von Land zu Wasser = 1 : 2,54 ergiebt
Land und Wasser sind aber ungleichmäßig verteilt. Die
nördliche Halbkugel hat 40, die südliche im günstigsten Falle
nur 17 Prozent Land, und in demselben Gegensätze stehen die
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24
Einleitung.
östliche Hemisphäre mit 35 und die westliche mit 20 (nach Tillo
mit 19) Prozent Land. Die nachstehende Tabelle zeigt uns ein Über-
gewicht des Landes nur zwischen 70 und 40° n. B. Dann beginnt die
Herrschaft des Meeres; zunächst freilich nur allmählich, und zwischen
1 0° N. und 30° S. bleibt das Verhältnis von Wasser und Land nahezu
konstant Zwischen 30 und 60° S. liegt die eigentliche Wasserzone;
Tabelle der Verteilung der Land- und Wasserflächen inner-
halb der 10°-Zonen, in Prozenten.
nach Heidekich
nach
Waokek
Land
W estl. Halbkugc 1
Land Meer
Östl. Halbkugel
Land | Meer
Ganze Erde
Land Meer
90—80° N
—
- 1
—
(25)
80—70
39,«
60,»
25,« | 74,i
32,7
67,3
28 s
70—60
58,»*
41,.
83,»* 16,«
71,5*
28,5
71,4
60—50
40,«
59,.
73,2* 26,8
57,o*
43,o
56,9
50—40
i 33,b
66,»
70,7* | 29,3
52,2*
47,8
52,3
40—30
27,»
72,«
59,7* 40,3
43,5
56,5
42,8
30—20
i 17,. .
82,.
57,5* 42,5
37,3
62,7
37,6
20—10
1 15,6
84,t
37,7 62,»
26,7
73,»
26,3
10—0
16,t
83,«
29,5 70,5
23,o
77,o
22,8
0—10 S
23,7
76, s
21,» 78,i
22,8
77,»
23,«
10—20
20,5
79,5
24,5 1 75,5
22,5
77,5
22,i
20—30
13,4
: 86,.
32,5 67,5
22,8
77,8
23,i
30—40
9,.
90,»
11,» 88,3
10,1
89,»
11,4
40—50
4,8
95,»
1,7 98,3
3,3
96,7
3,8
50—60
2,.
97,»
0,o 100,o
1,0
99,o
0,5
60—70
1,8
98,2
4,6 95,4
3,2
96,8
(5)
70—80
J
80—90
—
—
— —
—
1
} (50)
zwischen 50 und 60° S. herrscht das Meer viel entschiedener vor, als
zwischen 60 und 70° N. das Land. Die Abnahme des Landes nach
S. ist auch der gemeinsame Charakterzug beider, durch den Meridian
von Greenwich getrennter Halbkugeln, in beiden tritt aber ein dop-
peltes Maximum deutlich hervor; das Haupt-Maximum fällt zwischen
70 und 60° N., das sekundäre liegt im W. zwischen 0 und 10° S.,
im 0. aber zwischen 20 und 30° S. Eine eigentliche Landzone (mit
mehr als 50 Prozent Land) hat aber die Westhemisphäre nur zwischen
70 bis 60° N., während sie auf der Ost-Halbkugel über 50 Breitengrade,
von 70 bis 20° N. sich ausdehnt. Nur in drei Zonen, 80 bis 70° N.,
10 bis 0° N. und 40 bis 60° S. übertriff't die westliche Landfiäche
die östliche, am meisten steht sie hinter letzterer zurück zwischen
20 und 30° nördlicher und südlicher Breite.
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Die Grundzüge der Gestaltung der Erdoberfläche.
25
Fig. 7. Erdkarte in Steinhäuser» Sternprojektion.
Man hat die Erde auch in eine Land- und eine Wasserhalbkugel
geteilt; im Pole der ersteren, die beinahe alles Tockene der Erd-
oberfläche enthält, liegt London, im Pole der letzteren die Antipoden-
insel bei Neuseeland.
Kreisförmig umlagern
die großen Kontinental-
massen das arktische
Binnenmeer: Amerika
dringt bis 71° 50', Eu-
ropa bis 71° 10', Asien
bis 77° 42' B. vor; von
da an strecken sie mit
abnehmender Breiten-
entwickelung polypen-
artig ihre Arme nach
Süden aus, um auf der
südlichen Hemisphäre
in drei Spitzen zu enden :
Südamerika in 56°, Au-
stralien mit Tasmanien
in 43° 40', Afrika sogar
schon 34° 51' B. Dagegen hat der Ozean seine Heimat auf der süd-
lichen Halbkugel, wo das Antarktische Eismeer, die Südsee und der
Indische Ozean den Stamm einer zusammenhängenden Wasserfläche
bilden, die in zwei Armen, dem Nordpazifischen und dem Atlantischen
Ozean mit dem Arktischen Meere, auf die Nordhemisphäre über-
greift.
Im Gegensätze zur ununterbrochenen Meeresfläche erscheint das
Trockene allerdings in der Form von getrennten Massen, Kontinenten
und Inseln, von denen aber die letzteren — nur 7,2 Prozent der
ganzen bekannten Landfläche — eine verhältnismäßig untergeordnete
Rolle spielen. Doch ist es, dank der nahen Aneinanderrückung der
Kontinente au ihrer arktischen Breitseite, möglich, von jeder Süd-
spitze eines Südkontinentes zu den beiden anderen zu reisen, ohne
das Land aus den Augen zu verlieren. Die Beringstraße, die Asien
von Amerika trennt, ist nur 1 */, Längengrade (111 km) breit Zwischen
Neufundland und Irland erstreckt sich allerdings der Ozean über
48 Längengrade oder 3300km, aber zwischen Grönland und Nor-
wegen engt er sich schon auf 1500 km ein. Wie ganz anders ge-
stalten sich die Verhältnisse an den Ausläufern der Kontinente! Das
Kap Hoorn ist vom Kap Agulhas 89, das letztere vom South Cape
137, und dieses vom Kap Hoorn 144 Längengrade entfernt.
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26
Einleitung.
Einteilung des Ozeans. Gewöhnlich unterscheidet man fünf Kon-
tinente und fünf Ozeane. Untersuchen wir, ob dies in der Natur
begründet ist Die offizielle Einteilung des Weltwassers grenzt
zunächst die beiden Eismeere von den übrigen Ozeanen durch die
Polarkreise ab; und da die südlichen Festländer schon in niederen
Breiten enden, so werden die kontinentalen Grenzen des Atlan-
tischen, Indischen und Großen oder Pazifischen Ozeans durch
die Meridiane der drei Südspitzen (67° W., 20° und 146° 0. Gr.) bis
zum südlichen Polarkreise ergänzt.
Aber Meridiane und Polarkreise sind keine natürlichen Grenzen,
und doch lassen sich morphologische Gesichtspunkte, die uns bei der
Einteilung des Festlandes leiten, auch hier zur Geltung bringen. So ist
die Südgrenze des Arktischen Meeres durch eine Reihe von untersee-
ischen Bodenanschwellungen gegeben, und wir werden in einem späteren
Kapitel nachweisen, welchen Einfluß sie auch auf die Verteilung der
Tiefentemperatureu haben. Auf der pazifischen Seite ist die Bering-
straße schon oberflächlich eine gute Grenze, ihre Bedeutung wird
aber noch verstärkt durch ein submarines Plateau, das sich vom
asiatischen Ostkap über die Diomedes- und Krusenstern-Insel zum
Kap Prinz von Wales hinüberzieht. Auf der atlantischen Seite finden
wir solche Bodenschwellen unter dem Polarkreise zwischen Baffin-
land uud Grönland, und eine zweite, besonders wichtige, die von der
grönländischen Ostküste über Island und die Färöer zu den Shet-
land-Inseln hinüberstreicht; von hier bis zur Südwest-Spitze Norwegens
ist die Grenze freilich nur eine künstliche. Die Nordgrenze des
Antarktischen Meeres wird morphologisch durch die Loxodromenx
gebildet, die die Südspitzen der drei südlichen Erdteile miteinander
verbinden. Dieses Meer ist das einzige , das ohne kontinentale
Schranken und wahrscheinlich nur von kleineren Inseln unterbrochen
die ganze Erde umgiebt, es ist der circumterrane Ozean im Gegen-
sätze zu den interkontinentalen.
Für einen physiologischen Einteilungsgrund trat Kümmel2 ein.
Danach giebt es nur drei Ozeane mit selbständigen Systemen von
Meeresströmungen. Die Grenzmeridiane der offiziellen Einteilung
werden beibehalten, aber bis zum Südpol oder bis zu den Spitzen
des hypothetischen Kontinentes am Südpol verlängert. Das Südliche
Eismeer verschwindet somit ganz aus der Liste der Ozeane, während
das Nördliche zu einem Dependenten des Atlantischen Ozeans herab-
sinkt. Da wir aber über das Antarktische Meer und seine Strö-
x Die Loxodromen, die alle Meridiane unter gleichem Winkel schneiden,
erscheinen nur auf Karten in Mekcatobs Projektion als Gerade.
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Die Grundzüge der Gestaltung der Erdoberfläche. 27
mungen noch wenig wissen, so empfiehlt sich diese Einteilung derzeit
noch nicht.
Karstens3 verdanken wir eine neue Berechnung des Flächen-
inhaltes der einzelnen Ozeane innerhalb der offiziellen Grenzen. Er
fand für das Arktische Eismeer 12,s, für den Atlantischen Ozean 90,
für den Indischen 74, für den Pazifischen 175,4, und für das Südliche
Eismeer 15,s Mill. qkm. x Der Pazifische Ozean ist also fast um das
Areal Asiens, des gewaltigsten Kontinentes, größer, als das gesamte
Festland der Erde. Es bedeckt am Äquator die Hälfte unseres
Planeten, ist noch unter 44° S. 11300 km breit, verengt sich aber
am Nordende auf 111 km. Der Indische Ozean wiederholt im ab-
geschwächten Maße die Gestalt der Südsee, während der Atlan-
tische thalförmig zwischen der alten und neuen Welt eingebettet ist.
Seine Breite ist ziemlich gleichmäßig, wenn man sie nach Parallel-
graden mißt; nach km gemessen, zeigen sich aber erhebliche Unter-
schiede. So beträgt die Breite unter 35° S. 6800, unter 25° N. 7300,
unter 65 u N. aber nur 3800 km, und außerdem wird hier die Meeres-
fläche noch durch Grönland unterbrochen.
Einteilung des Festlandes. Die Weltkarte zeigt uns zwei große
zusammenhängende Kontinentalmassen, eine West- und eine Ost-
feste, wovon die erstere 31, die letztere 69 Prozent alles Trockenen
umfaßt Wir zählen zur letzteren auch Australien, das trotz seiner
insularen Lage mit der alten Welt durch eine ununterbrochene
Inselkette verbunden ist Neben dem Gegensätze der alten und
neuen Welt fällt uns aber auch sofort der zwischen den Nord-
und Südkontinenten in die Angen; sie werden durch eine große
Bruchzone (s. Fig. 7), die vom europäischen Mittelmeere zu den
west- und ostindischen Inselmeeren hinüberfuhrt, voneinander ge-
schieden. Dies führt uns zur Frage nach den Grenzen der Erdteile,
wobei wir vorläufig von dem insularen Zugehör absehen wollen.
Von allen Kontinenten ist nur Australien ringsum von Meer
umflossen und bildet gleichsam ein Mittelglied zwischen Insel und
Erdteil. Diese Isolierung verleiht ihm eine ausgeprägte Individualität,
und dieser Charakterzug wird noch durch den Umstand verschärft,
daß die Abtrennung von Asien wahrscheinlich schon vor der Tertiärzeit
erfolgte, wie man aus der altertümlichen Tracht seiner Säugetierwelt
schließen darf. Wohl ist auch Amerika, irrtümlich als ein einziger
Erdteil bezeichnet, allseitig von Wasser umgeben, aber schon ein
flüchtiger Blick auf die Kart läßt ihn als Doppelkontinent er-
x Die daraus sich ergebende Summe ist um 3,8 Mill. qkm größer, als die
von Wauner (S. 28) angenommene, was sich aus abweichenden Ansichten über
die Ausdehnung der polaren Länder erklärt.
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28
Einleitung.
kennen. An verschiedenen Stellen des Mittelgliedes wird der west-
liche Hochgebirgswall vollständig unterbrochen; die granitischen
Gesteine und krystallinischen Schiefer verschwinden, und an ihre
Stelle treten vulkanische Gesteine mit submarinen Konglomerat-
und Tuffbildungen und jungen Anschwemmungsmassen. Die Wasser-
scheide erniedrigt sich auf der Landenge von Tehuantepec auf
208, beim Hafen von Brito auf 46 (13 m über dem Nicaragua-
See), zwischen Aspinwall und Panama auf 87, auf dem Isthmus
von Darien zwischen dem Caquirri und der Paya auf 142, in
der Provinz Choco zwischen dem Mittelläufe des Rio Atrato und
der Mündung des Rio Jurador auf 154, endlich im Westen von
Cupica auf 186 m. So trennen die Isthmen von Tehuantepec und
Panama mit dem zentralamerikanischen Zwischenstücke Nord- und
Südamerika nicht minder scharf, wie die Landenge von Sues
Afrika und Asien; nur ist die Hoffnung, daß wie hier, so auch bei
Panama ein Kanal, statt der nur 72,6 km langen Eisenbahn beide
Ozeane verbinden werde, leider in weite Feme gerückt. Daß noch
in junger geologischer Vergangenheit natürliche Kanäle beide Kon-
tinente schieden, Kanäle, die durch submarine Eruptionen in der
Tertiärzeit und durch Hebungen (worauf die 1 6 — 34 0 starke Neigung
der Tertiärschichten im Innern der Pauamaenge hindeutet) verstopft
wurden, das beweist die auffallende Übereinstimmung der Seefische
und die nahe Verwandtschaft der Meeres-Mollusken zu beiden Seiten
des Isthmus von Panama. Morphologisch endet Nordamerika schon
bei der Enge von Tehuantepec, und auch der faunistische Charakter
Zentral-Amerikas, das seine Tierwelt hauptsächlich vom Südkontinente
empfing, führt zu dieser Grenzbestimmung.
Zwischen Europa, Asien und Afrika liegen Teile der großen
Bruchzone, das Mittelmeer und die Grabensenkung des Roten Meeres,
und nur im Sues-Isthmus findet ein schmaler Landzusammenhang
statt Nach Th. Fuchs’4 genauen Untersuchungen besteht dieser
Isthmus aus rezenten Bildungen von meist lockerer Beschaffenheit,
wodurch die Anlage des Kanals, der nur südlich von den Bitterseen
eine feste Gipsbank durchbricht, wesentlich gefördert wurde. Den
nördlichen Teil bedecken Ablagerungen des Mittelmeeres, den süd-
lichen Ablagerungen des Roten Meeres, zwischen beiden schiebt sich
ein Streifen von Nilsedimenten ein. Der zur Hälfte ausgetrocknete
Mensaleh-See und die in Marschland verwandelten Seen von Ballah
sind ebenso abgetrennte Stücke des Mittelmeeres, wie die Bitterseen,
die bis zur Durchstechung des Kanals trocken lagen, Reste des Roten
Meeres sind, mit dem sie vielleicht noch in geschichtlicher Zeit
verbunden waren. Alles drängt uns zu dem Schlüsse, daß die Ver-
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Die Grundzüge der Gestaltung der Erdoberfläche. 29
einigung von Asien und Afrika erst in der geologischen Gegenwart
sich vollzog. Aber dem widerspricht die fundamentale Verschieden-
heit der Faunen des Roten und Mittelmeeres, die erst seit der
Eröffnung des Kanals durch Hin- und Herwanderungen zu schwinden
beginnt — ein Beweis, daß nicht verschiedene Lebensbedingungen,
sondern nur ein feste Barriere die frühere Vermischung verhinderte.
Während Australien völlig isoliert ist, Asien und Afrika wie
Nord- und Südamerika nur durch schmale Landbrücken Zusammen-
hängen, erscheint der fünfte Kontinent, Europa, nur als eine große
asiatische Halbinsel. Fügen wir noch hinzu, daß er die Flora und
Fauna mit den benachbarten Gegenden Asiens teilt, so scheint er
jede Berechtigung seiner kontinentalen Selbständigkeit eingebüßt zu
haben. In der That verdankt er seine Würde zunächst nur der
eigenartigen und hohen Kultur seiner Bewohner, und es wäre ebenso
kleinliche Pedanterie, wie vergebliche Mühe, wollte man ihn jetzt
zum asiatischen Anhängsel degradieren. Die Landesgrenze, die mit
der Kultur immer weiter nach Osten rückte, ist freilich schwankender
Natur. Eine gute Marke bildet nur das Uralgebirge, während der
Uralfluß lediglich nur eine konventionelle Grenze ist Im Südosten
ragt zwar auch ein Gebirge empor, aber mit besseren Gründen, als
auf den Kamm des Kaukasus, verlegen wir die Grenze in die
Manytsch-Niederung, wo die Wasserscheide zwischen dem Schwarzen
und Kaspischen Meere nur 10 m über dem Spiegel des ersteren
liegt, und noch in junger geologischer Vergangenheit ein natürlicher
Kanal beide Wasserbecken verband.
Um die Selbständigkeit Europas auch morphologisch zu be-
gründen, hat man darauf hingewiesen, daß es wie Asien in drei
Halbinseln ausläuft. Man hat dies überhaupt als einen gemeinsamen
Zug der Nordkontiuente bezeichnet, aber schon die Ungleichheit des
Baues und der Entwickelungsgeschichte der asiatischen und euro-
päischen Halbinseln belehrt uns, daß die Dreizahl nichts mehr ist
als eine Zufälligkeit; abgesehen davon, daß mau sie bei Nordamerika
nur dadurch retten kann, daß mau Mexico erst bei dem Zusammen-
schlüsse mit Südamerika seine Halbinselnatur einbüßeu läßt. Auffallen-
der ist die Zuspitzung Südamerikas und Afrikas; nur bei Australien
wurde durch die Abtrennung Tasmaniens diese Eigentümlichkeit
etwas verwischt. Auch sonst haben die Südkontinente manche ge-
meinsame Züge. So entspricht die flache Bucht von Arica dem
Busen von Guinea und dem Australischen Golfe, und es ist be-
merkenswert, wie die Größe dieser Einschnitte gegen Osten stetig
zunimmt
Sehen wir von dem insularen Zubehör vorläufig ganz ab, so
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30
Einleitung.
erhalten wir für die Areale der Kontinente folgende abgerundete
Zahlen:
Nordamerika 20, o Mill. qkm.
Europa 9,2 „ „
Asien 41,» „ „
Nordkontinente 70, i „ ,,
(56 Prozent).
Südamerika 17, e Mill. qkm.
Afrika 29, a „ „
Australien 7,« „ „
i Südkontinente 54, t „ .,
(44 Prozent).
In Bezug auf die geographische Lage entspricht stets ein Nord-
kontinent einem Siidkontinente. Aber in ihren gegenseitigen Größen-
verhältnissen weicht jedes Paar von den anderen ab. Europa-Afrika
und Asien- Australien stellen die Extreme dar, zwischen denen die
fast gleich großen amerikanischen Zwillinge vermitteln.
Oberflächengestaltung des Festlandes. Wie sehr die üblichen
Grenzen zwischen Europa, Asien und Afrika nur konventionelle sind,
ersieht mau am besten daraus, daß die Hauptformen ihrer Bodengestal-
tung sich darüber hinwegsetzen. Der hervorstechendste Zug der alten
Welt ist der große Hochland gürtel, der in ostwestli eher Richtung
die drei Erdteile miteinander verbindet, die große Achse dieser zu-
sammenhängenden Festlandsmasse. Er beginnt im W. mit dem iso-
lierten Felsengebirge der Pyrenäen und zerbrochenen Gliedern des
europäischen Alpensytems, dessen Aste sich nach W. über die Apenninen
nach dem Atlas und der südspanischen Sierra Nevada verzweigen,
während im 0. die Gebirge der westlichen Balkanhalbinsel, die
Karpaten und der Balkan fester mit ihm Zusammenhängen. Dann
folgt, abermals nach einer Unterbrechung, der Kaukasus mit dem
taurischen Jailagebirge und endlich die gewaltigen Hochländer Asiens,
von mächtigen Gebirgen umschlossen und zum Teil auch erfüllt, nach
0. an Ausdehnung, wie an Seehöhe wachsend. Die Glieder dieser
zusammenhängenden Zone sind das kleinasiatische Hochland, im
S. vom Taurus begrenzt, das armenische Hochland, das iranische
Dreieck und endlich Zentralasien. Ein verhältnismäßig schmaler
Gebirgsarm, der Hindukusch, verbindet es mit Iran; aber gerade
hier, im W., verschlingen sich mehrere Gebirge auf das engste, um
dann nach verschiedenen Richtungen auszustrahlen: der Himalaja
mit seinem Parallelzug, dem Karakorum, das höchste Gebirge der
Erde; der Kuenlun, die Pamir und der Tianschan. Himalaja und
Kuenlun schließen die tibetanischen Hochflächen ein, die größte
Bodenanschwellung unseres Planeten, fast so hoch gelegen, wie die
Spitze der Jungfrau und der anderen Kolosse des Berner Oberlandes.
Niedriger (800 — 1000 m) ist die nördliche Stufe Centralasiens, für
die jetzt der chinesische Name Hanhai (das Meer) sich eingebürgert
hat Auch ist hier der Gebirgsrahmen nicht so hoch und lücken-
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Die Grundzüge der Gestaltung der Erdoberfläche. 31
hafter, und zwischen den scherenformig auseinander tretenden
Tianschan und Altai öffnet sich im W. ein bedeutsames Völkerthor.
Kleinasien -Armenien hat unter 40° 0. eine Breite von 400 km
(Distanz Berlin-Frankfurt a. M.), Iran unter 60° 0. eine Breite von
1300 km (Distanz Berlin -St. Petersburg), Zentralasien unter 90° 0.
eine Breite von 3000 km (Distanz Berlin bis zum Ural unter gleicher
Breite). Dieses immer weitere Auseinandertreten der Gebirge endet
im 0. mit einer großen gabelförmigen Teilung, indem das sibirische
Gebirge nach NO. bis zum Ostkap an der Beringstraße, das hinter-
indische nach S. und endlich auf Sumatra und Java über SO. nach
0., dann nach S. sich wendet und mit Neuseeland abschließt Inner-
halb dieser Gabel liegen die zerrissenen Gebirgsbogen der ostasiati-
schen Inselwelt
Zentralasien und Iran umschließen weite trockene Hochflächen.
Dieser Teil des Hochlandgürtels ist zugleich Wüstengürtel. Das
schmale Kleinasien steht schon unter günstigeren Bedingungen, aber
abflußlose Becken zeugen noch immer vom binnenländischen Mangel
an Niederschlägen. Erst im Bereiche de§ Mittelmeeres tritt völlige
Auflösung ein, und nur in den Donausenken finden wir noch
schwache Anklänge an asiatische Verhältnisse. An die Stelle des
Hochlandgürtels tritt ein anderes orographisches Element als tren-
nende Schranke: die große Wüstentafel, die Arabien, Syrien und
die Sahara samt Ägypten umfaßt
Diese breite Zone voll hoher Gebirge und ausgebreiteter Wüsten,
die nur im Roten Meere und in der Suesenge eine Unterbrechung
erleidet, scheidet die alte Welt in drei große Abschnitte: den mitter-
nächtigen, den mittägigen und den morgenländischen. In jedem hat
sich eine eigenartige Kultur entwickelt: die antik-christliche, die
indische und die chinesische. Erst die entwickelte ozeanische Schiff-
fahrt des 15. Jahrhunderts bewältigte die Wüstenschranke, indem
sie sie umging; mit diesem Zeitpunkte, der zugleich auch die atlan-
tische Schranke durchbrach und uns Amerika schenkte, beginnt
eigentlich erst die weltgeschichtliche Entwicklung der Menschheit.
Den mitternächtigen Abschnitt erfüllt das große paläark-
tische Flachland, das man wohl auch das russische nennen dürfte,
weil es mit ganz geringfügigen Ausnahmen unter dem Szepter des
Zaren steht Es umfaßt den größten Teil des europäischen Rußlands,
Sibiriens und Turans. Gerade unter jenen Längengraden, wo es
am tiefsten nach S. eingreift, erhebt sich daraus das Uralgebirge,
aber ohne es völlig in zwei Hälften zu trennen. Das westliche
Europa ist verhältnismäßig niederes Bergland oder Ebene, aber die
Berge sind anders gestaltet, als die langen Faltenzüge des Hochland-
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32
Einleitung.
gürtels, denen äußerlich, an Länge und Höhe, nur das skandi-
navische Gebirge nahekommt. Die Zerteilung in kleine Berg-
massen und Bergketten mit eingestreuten Ebenen und Hügelländcheu,
die stellenweise bis zur insularen Auflösung fortgeschritten ist, ver-
leiht dem westlichen Europa einen hohen Grad der Aufgeschlossen-
heit, und dazu kommt noch, daß — abermals mit Ausnahme des
skandinavischen Gebirges — die Bergzüge mehr oder weniger senk-
recht zur Küste streichen und der Meeresluft ungehinderten Eingang
gewähren.
Die mittägige Seite umfaßt zwei alte Festlandmassen, das
tafelförmige Australien mit aufgebogenem Ostrande und die
indisch-afrikanische Provinz, die jetzt in drei Hauptstücke zer-
fällt: Dekan, Madagaskar und Afrika jenseits des Äquators. Das
letzere besteht aus den vier Becken des Niger, des Tsadsees, des
Kongo und dem Sambesi-Kalahari-Becken. Am schärfsten ist diese
Beckennatur im äquatorialen und südlichen Afrika ausgebildet, wo
eine breite, über 1 000 m hohe Landschwelle den Kongo und Sambesi
trennt Bald ist der West-, bald der Ostrand höher; die Flüsse,
die sich im Innern breit entwickeln, gelangen nur durch schmale,
stufenförmig ahstürzende Tliäler zum Meere ; und so gesellt sich zur
plumpen, gliederlosen Gestalt ein schweres orographisches Hindernis,
das erst die kühnen Entdeckerthaten der letzten vierzig Jahre über-
wanden.
Die östliche Randzone, vom Polarkreise bis über den Äquator
sich erstreckend, hat keine einheitlichen orographischen Züge. Auf
den ochotskischen Küstenstrich folgt das mandschurische Becken
und endlich das chinesische und hinterindische Bergland mit seinen
breiten Anschwemmungsebenen am Unterlaufe der Flüsse. Einheitlich
ist nur die horizontale Gliederung, das tiefe Eindringen des Meeres
und die Inselguirlanden, die eine fast ununterbrochene Vorposten-
kette des größten Festlandes gegen den größten Ozean bilden.
Auch die neue Welt hat ihren Hochlandgürtel, aber dieser
erstreckt sich, entsprechend der Hauptachse des amerikanischen Fest-
landes, in meridionaler Richtung, und nicht ununterbrochen durch
beide Kontinente, wie schon auf S. 28 ausführlicher dargelegt wurde.
Es erinnert einigermaßen an alpine Verhältnisse, wenn wir sehen,
wie die Cordillere von Columbia fächerförmig auseinandertritt und
mit ihrem vielfach zerstückelten Ostarm einen großen Bogen über
die Küstenkette von Venezuela, die Antillen und die westlich strei-
chenden Bergzüge von Guatemala beschreibt. Auch in Amerika
schwillt der Hochlandgürtel stellenweise bedeutend an, indem sich,
wie in Asien, Hochflächen zwischen die Randgebirge einschalten;
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Die Grandzüge der Gestaltung der Erdoberfläche. 33
aber während er sich in der alten Welt konstant nach einer Rich-
tung verschmälert, erreicht er in der neuen Welt zwei Breiten-
maxima, in jedem Kontinent eines. Aber keine Anschwellung kann
sich mit der zentralasiatischen messen. Die nördliche, unter 40° N.,
die das abflußlose wiiste „Große Becken“ und das Coloradoplateau
einschließt, ist nur 1600 km (Distanz Berlin — Moskau), die südliche
oder bolivianische, unter 20° S., sogar nur 750 km (Distanz Berlin —
Triest) breit Der entschiedenste Unterschied zwischen den beiden
Hochlandgürteln der Erde besteht aber darin, daß der amerikanische
fast unmittelbar aus dem Ozean emporsteigt: fast alles Festland
dacht sich zum Atlantischen Ozean ab, die pazifische Seite ist nur
ein schmaler Küstenstrich. Dafür fehlt hier ein so scharfer klima-
tischer Gegensatz zwischen der gemäßigten und kalten Mittemachts-
und der tropischen Mittagsseite, wie er die alte "Welt auszeichnet
Steigen wir in Südamerika von der Cordillere nach Osten herab,
so gelangen wir in eine breite wasserreiche Tiefebene, dann erhebt
sich der Boden wieder und senkt sich endlich zur östlichen Küste.
Die atlantische Seite hat also die Form einer Mulde, deren tiefste
Teile unter dem mexicanischen Golf und der Caribischen See be-
graben liegen. So scharf ist diese mittlere Furche ausgeprägt, daß
selbst die Wasserscheiden zwischen den nach Norden und Süden
fließenden Strömen fast oder ganz verschwinden. Aber der Ostrand
der Mulde, Brasilien-Guyana, ist nicht nur wesentlich niederer
als der westliche Hochlandgürtel, sondern auch durchbrochen, und
zwischen den einzelnen Randstücken tritt die mittlere Tiefebene in
breiten Streifen bis an das atlantische Gestade und leitet die Haupt-
ströme in dieser Richtung ab.
Die Oberfläche Nordamerikas ist sehr ähnlich geformt, nur kann
man hier mehr von einer mittleren Furche, als von einer breiten
Mulde sprechen. Mississippi und Mackenzie nehmen, nach entgegen-
gesetzten Seiten strömend, diese Furche ein. Östlich steigt der
Boden der Prärien allmählich bis zum Fuße des Felsengebirges,
der in beträchtlicher Seehöhe liegt, an; im Osten unterscheiden wir
eine Appalachen- und eine Hudson-Provinz. Die erstere ist eine
mäßige Hochfläche, östlich begrenzt von den Alleghanies, die der
Lage nach zwar den brasilianischen und Guyana-Hochmassen ent-
sprechen, aber zum Unterschiede von diesen ein Kettengebirge sind.
Nach Osten folgt dann eine breite Küstenebene. Die Hudson-Provinz
zeigt eine auffallende Ähnlichkeit mit Skandinavien; beide bestehen
aus den ältesten Gesteinen und umschließen flache, mit Wasser
erfüllte Senken, die Hudsonbai und die Ostsee. Suess hat diese
Geländeform treffend mit der Innenseite eines Schildes verglichen.
Supaä , Physische Erdkunde. 2. Aufl. 3
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34
Einleitung.
Zu den bisher genannten morphologischenProvinzen kommen
noch drei insulare: die Südsee, die arktische und die antarktische.
Nur die letztere enthält wahrscheinlich auch einen Kontinent.
Diese Einteilung, die unserer Darstellung auf Karte II zu
Grunde liegt, sieht von den üblichen Kontinentalgrenzen völlig ab,
ohne sie verdrängen zu wollen. Die Anregung dazu haben wir
aus Suesb’ epochemachendem Werke über das „Antlitz der Erde“
empfangen, doch sind wir dabei in erster Linie von morphologischen
Gesichtspunkten ausgegangen, und wir werden dies in einem späteren
Abschnitte ausführlicher zu begründen haben. Die morphologische
Gleichartigkeit wird aber bedingt durch ähnliche entwicklungsge-
schichtliche Schicksale. So sind, wie wir später sehen werden, die Hoch-
landgürtel der Hauptsache nach große Faltungszonen, wenn auch
der Faltungsprozeß nicht in allen Teilen sich gleichzeitig vollzogen hat
Manche Provinzgrenzen mögen freilich noch anfechtbar sein, so be-
sonders der Umfang unserer ostasiatischen Provinz, die vielleicht
besser in eine kontinentale und eine insulare zu scheiden wäre.
Trotzdem konnten wir uns nicht entschließen, die Zahl der Pro-
vinzen zu vermehren; denn je spezieller Einteilungen werden, desto
mehr verlieren sie an Übersichtlichkeit, und das wäre gerade den
Zwecken unseres Buches wenig forderlich.
Neben dem Gegensätze der alten nnd neuen Welt tritt auch
der zwischen der atlantischen und pazifischen Welt deutlich
hervor. Von der Cordillerenkette bis zum Nordllügel des ostasia-
tischen Fächers reicht die atlantische Welt, auch Afrika öffnet seine
Hauptpforten dem atlantischen Meeresgebiete. Wie schmal sind da-
gegen die kontinentalen Bezirke der pazifischen Welt, und nachdem
sie sich im Norden fast berührt haben, fliehen sie dann immer weiter
auseinander. Zwar ist kein Ozean reicher an Inseln, wie die Südsee,
aber auch sie schlagen keine Brücke von einem Gestade zum anderen.
Niemals drang ein Kulturstrahl von China zu den Völkern Mexicos
und Perus; erst Europa hat Amerika erobert.
Vertikaler Aufbau der Erdkruste. Die neuen Erdkarten mit
Linien gleicher Höhe (Isohypsen) und Tiefe (Isobathen) (vgl. Karte 1)
eröffnen uns einen sehr lehrreichen Einblick in den Aufbau der Erd-
kruste. Setzen wir die ganze Erdoberfläche = 100, so erhalten wir
für die einzelnen Höhen- und Tiefenstufen folgende Prozentzahlen : 6
8840—4000 m
über
dem
Meeresniveau
0,5
Proz.
4000—3000 „
ft
ff
0,e
»
3000—2000 „
ft
»»
ft
tt
2000- 1000 ,,
ft
>»
ft
*,*
tt
1000— 200 „
»»
ft
13,o
tt
200— 0 „
ft
ft
10,5
tt
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Die Grundzüge der Gestaltung der Erdoberfläche.
35
0 — 200 m
unter dem Meeresniveau
5,a
Proz.
200—1000 „
11 11
11
3,2
ii
1000—2000 „
11 11
11
3,4
ii
2000 - 3000 „
» 11
11
6)6
ii
3000—4000 „
» )>
11
14)5
ii
4000—8515 „
11 11
11
37,0
ii
Wir können diese Zahlen in folgender Weise graphisch darstellen.
Wir nehmen den Meeresspiegel als Abscissenachse und tragen auf
derselben die den einzelnen Stufen entsprechenden Strecken auf.
Dann errichten wir in jedem Teilpunkte Ordinaten, für das Land
nach oben, für das Meer nach unten, geben ihnen die betreffenden
Höhen (8844, 4000, 3000 etc.) und verbinden endlich ihre Endpunkte
mit einer Kurve, die den allmählichen Übergang, wie er in der Natur
Regel ist, zum Ausdruck bringen soll. Die Endpunkte dieser hypso-
graphischen Kurve sind die größte Landhöhe (Gaurisankar 8840m)
und die größte bekannte Meerestiefe (bei Japan 8515 m). Ihr Verlauf
ist sehr wechselnd: von 8840 m bis 2000 m Seehöhe steil, dann sich
Fig. 8. Hypsographische Kurve der Krustenoberfläche.
verflachend, besonders zwischen 200 m und dem Meeresspiegel, und
in derselben Weise bis 200 m Tiefe sich fortsetzend. Hier erst hört
die Kontinentaltafel auf. Dann folgt bis etwa 3000 m Tiefe ein
Steilabfall, den wir als Kontinentalböschung (arktische Region) auf-
fassen können, endlich die Tiefenregion (abyssische Region), Hach
bis 6000 m, dann wieder steil. In Prozenten der ErdoberHäche
kommen diesen drei Hauptteilen der Kruste folgende Werte zu:
Kontinentaltafel, + 8840 bis — 200 in 35, a Proz.
Kontinentalböschung, — 200 „ — 3000 m 13, i „
Tiefenregion, — 3000 „ — 8515 m 51, a „
Mehr als die Hälfte der Erde nimmt also der Tiefboden des
Weltmeeres ein.
Den vertikalen Aufbau der einzelnen Kontinente und Ozeane
3*
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36
Einleitung.
nach den drei Höhen- , bezw. Tiefenstufen zeigt in Prozenten
der betreffenden Einheiten die nachstehende Tabelle.
Höhenstufen
Europa
Asien
Afrika
Australien
Nord-
Amerika
Süd-
Amerika
fl
sä
Hochstufe (über 2000 m)
1 1.»
14,i
2,i 0,s
6,0
9,0 |
Mittelstufe (200 — 2000 m)
41,7
60,5
82, » 63, a
i 6M
48,i |
62,s
Unterstufe (unter 200 m) ;
; 56,8
25,»
15,4 i 36,0
32,i
42,«
29,8
Tiefenstufe
Atlanti-
j scher
| Ozean
Indischer !
Ozean
Großer '
Ozean
Meer
Kontinentalstufe (0- 200 m) . . .
11,5
4,6
5,4
7,i
Kontinentalbösehung (200—3000 m)
25,5
21,»
14,5
19,»
Tiefenregion (über 3000 m) . . .
63,0
74,2
80,i
73,7
Auf dem Festlande herrscht überall die Mittelstufe vor, mit
Ausnahme von Europa, dem nur Südamerika nahe kommt. Die
Hochstufe ist am meisten in Asien und Südamerika entwickelt Der
massige, auch vertikal wenig gegliederte Bau Afrikas findet in obigen
Zahlen einen treffenden Ausdruck. Die ozeanischen Becken sind noch
gleichartiger als die Festländer, doch tritt die Eigenart des Atlantischen
Ozeans in der relativ großen Ausdehnung der beiden oberen Stufen
deutlich hervor.
Mittlere Höhen und Tiefen. Die Ausmessung der Flächen
zwischen den Isohypsen und Isobathen bildete in neuester Zeit auch
vielfach die Grundlage von Berechnungen der mittleren Höhe des
Festlandes und mittleren Tiefe des Meeres, sei es, daß man dabei
nur rechnerisch verfuhr, wie Mubbay 7 und der Verfasser5, oder sich
der hypsographischen Kurve bediente, wie Penck.® Diese Kurve
schließt eine unregelmäßige Fläche ab, die an den geraden Seiten
von den Ordinaten der höchsten Erhebung und der größten Tiefe
und von der, der Ausdehnung des betreffenden Kontinentes oder
Ozeans entsprechend langen Abscisse (dem Meeresspiegel) begrenzt
wird (vergl. Fig. 8). Der Quotient dieser Fläche und der Länge der
Abscisse ist die gesuchte mittlere Höhe, bezw. Tiefe. Neben dieser
planimetrischen Methode hat Heidebich1 sich auch der Profil-
methode bedient, und in neuester Zeit hat Kabstens3 auch wieder
die ältere Feldermethode, die aber nur für die Ozeane ange-
wandt wird, zu Ehren zu bringen gesucht. Uns scheint Pencks Methode
den Vorzug zu verdienen, schon deshalb, weil sie auf kontinentale
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Die Grundzüge der Gestaltung der Erdoberfläche. 37
und ozeanische, auf große und kleine Gebiete in gleicher und ein-
facher Weise anwendbar ist, wenn sie auch bei der Konstruktion
der Kurve Willkürlichkeiten nicht ganz ausschließt. Doch dürfen
wir von diesen Mittelwerten nicht zuviel verlangen; sie bieten uns
bequem zu handhabende Vergleichszahlen, aber sie vermögen nur auf
indirekte Weise zu Vorstellungen über die Hauptzüge der OberHächen-
gestaltung und die Ausdehnung der Gebirge, Hoch- und Tiefebenen
zu führen. Wie große Fortschritte unsere Kenntnis von den Relief-
verhältnissen des Landes in den letzten 50 Jahren gemacht hat,
ersieht man am besten aus einem Vergleiche der HcMBOLDTSchen
Schätzung der mittleren Höhe mit den neueren Ermittelungen. Hum-
Fig. 9. Mittlere Höhe des Landes und mittlere Tiefe des Meeres.
boldt hatte 300 m gefunden, jetzt darf man rund 700 m als wahr-
scheinlichsten Wert annehmen. Für das Meer ist die entsprechende
Zahl 3500 bis 3700 m; halten wir an der ersteren als wahrschein-
lichen Minimalwert fest, so erhalten wir als Volumina für die Fest-
landmassen bis zum Boden des Meeres 606,7 und für das Wasser
1279,s Mill. ebkm. Das Land verhält sich zum Wasser wie 1 :2,i;
das ist annähernd derselbe Wert, wie wir ihn für die Ober-
flächen gefunden haben. Würden wir die Landmassen abtragen
und gleichmäßig über den Boden des Meeres ausbreiten, so würde
dieses noch immer mit einer mittleren Tiefe von 2500 m den Erdball
umtluten.
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38
Einleitung.
Obwohl die mittlere Meerestiefe fünfmal größer ist, als die mittlere
Landhöhe, sind die größten bekannten Tiefen und Höhen doch nahezu
gleich. Schon daraus müßte man den Schluß ziehen, daß auf dem
Lande die geringen Höhen und im Meere die großen Tiefen vor-
herrschen, und wir haben bereits gesehen, daß dieser Schluß völlig
gerechtfertigt ist.
Nach Breitenzonen sind die mittleren Höhen und Tiefen von
Heid erich 1 und Tillo n berechnet worden. Die Zahlen des ersteren
lieferten das Material für das Diagramm in Fig. 9, das die
mittleren Höhen, bezw. Tiefen der Landes- und Meeresprofile von
5 zu 5° B. darstellt. Das Land zeigt eine wellenförmige Gestaltung
mit Anschwellungen in 80° N., 35° N., 15° S. und 45° S., die gegen
Süden hin stetig an Höhe abnehmen, — ein Satz, der freilich nur bis
60° S. gilt, da im unbekannten Südpolargebiete vielleicht noch hohe
Landmassen liegen. Das Tiefbecken des Meeres erstreckt sich von
50° N. bis 50° S., gegen die Pole hin steigt der Meeresboden an,
so daß — allerdings nicht in regelmäßiger Weise — die Abplattung
der Kruste dadurch gemildert erscheint. Einen ziffermäßigen
Ausdruck dafür bietet in nachstehender Tabelle die letzte Columne,
wo die Mittelhöhe der Kruste in Bezug auf den Seespiegel (+ über,
— unter demselben) durch die vollständige Ausebnung aller Er-
hebungen und Vertiefungen gewonnen wurde. Diese Tabelle zeigt
Nach v
. Tillo
Nach Hkiuerich
Mittlere
Laud-
höhe
Mittlere
Meeres-
tiefe
Mittlere
Land-
höhe
Mittlere
Meeres-
tiefe
Mittlere
Krusten-
höhe
80—70° N.
550
630
1044
510
+ 0
70—60
360*
890
492
718
+ 138
60—60
470
2130
480*
1801
- 461
50—40
770
3650
652
3762
-1454
40—30
1350
4150
1472
3980
-1612
30-20
740
4150
750
3647
-2010
20—10
520*
4100
576*
3872
-2685
10— 0
690
4020*
618
3489*
-2544
0—10° S.
550
4100
622
3535
-2586
10—20
830
4200
907
3789
-2732
20—30
600
4420
735
3898
-2860
30—40
470
4120
528
3666
-3242
40—50
540
4210
623
3732
-3590*
50—60
400*
3690
393*
2945
-2910
60—70
510
2850
843
2651
-2539
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Die Grundzüge der Gestaltung der Erdoberfläche.
39
aber auch, daß im einzelnen die Berechnungen noch immer etwas
problematisch sind. Die Maxima und Minima fallen zwar mit einer
einzigen Ausnahme hei beiden Berechnern in die gleichen Zonen, aber
die Zahlen selbst differieren doch noch erheblich. Es erklärt sich
dies zur Genüge aus der Ungleichheit des Kartenmaterials und der
Berechuungsmethode, sowie aus abweichenden Grenzbestimmungen.
Wenn man dies im Auge behält, so wird man von der Überein-
stimmung der neueren Ergebnisse betreffs der mittleren Höhe des
Festlandes überrascht sein, während in Bezug auf die einzelnen
Kontinente die Angaben zum Teil noch schwankend sind:
Autoren
Europa
Asien
Afrika
a
o
"3
£
tc
<
Nord-
Amerika
Süd-
Amerika.
Festland
Humboldt (1844) . . .
205
351
—
228
345
307
(Einzelberechnungen) . .
|i 297 9
—
662 10
—
—
—
—
de Lapparent (1883) 11 .
!; 292
879
612
362
595
537
646
Murray (1888)’ . . . .
| 286
972
616
245
575
633
686
Supan (1889)« . . . .
|| 290
940
620
260
610
610
680
Pence (1889)6 . . . .
1 280
950
650
280
600
030
705
v. Tillo (1889) 12 . . .
317
957
612
240
622
617
693
Heiderich (1891) 1 . . .
375
920
602
470
830
760
744
Pence (1893)« . . . .
330
1010
660
310
650
650
735
Als mittlere Tiefe der Ozeane wird angegeben:
Autoren
Atlanti-
sches
Gebiet
Pazifi-
sches
Gebiet
Indisches
Gebiet
Welt-
meer
Krümmel (1879)xS . . .
3180
3650
3310
3440
de Lapparent (1883) 11 .
—
—
4260
Krümmel (1886) x «» . .
3070
3650
3310
3320
Murray (1888) x ’ . . .
3510
4140
3820
3800
Sdpan (1889)« ....
3330
3870
3600
3650
Pence (1889)« ....
3290
3870
3590
3650
v. Tillo (1889)'* . . .
4020
4380
3670
3800
Heiderich (1891)1 . . .
—
—
—
3440
Karstens (1894)® . . .
3160
3830
3590
3500
Vertikale und horizontale Ausdehnung scheinen im geraden
Verhältnisse zu einander zu stehen,14 obwohl wir den ursächlichen
x Die Zahlen für die Einzelozeane habe ich, um Vergleichbarkeit zu er-
zielen, nach den Zahlen der betreffenden Autoren und nach deren Methoden
berechnet.
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40
Einleitung.
Zusammenhang nicht aufzudecken vermögen. Die HEiDERiCHSchen
Zahlen widersprechen übrigens zum Teil auch dieser Vermutung.
Litteraturnacii weise. 1 Heiderich, Die mittleren Erhebungsverhält-
nisse der Erdoberfläche, Wien 1891. Nach Breitenzonen giebt neue Zahlen
H. Wagner in Petermanns Mitteilungen 1895, S. 48 (die ausführliche Abhand-
lung ist erst während der Drucklegung dieses Buches im II. Bande von Geri.ands
Beiträgen zur Geophysik, Stuttgart 1895, erschienen); nach Längszonen v. Tino
ebendaselbst S. 96. — ’ Krümmel, Versuch einer vergleichenden Morphologie
der Meeresräume, Leipzig 18T9. — * Karstens, Eine neue Berechnung der
mittleren Tiefen der Ozeane, Kiel 1894. — * Fuchs, Die Landenge von Suez,
in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie der Wissenschaften, mathem.-
naturw. Klasse 1877. — 5 Nach Penck in Petermanns Mitteilungen 1889, S. 17.
(Daselbst auch die Berechnung von Sur an.) — 8 Pencks Morphologie der Erd-
oberfläche, Bd. I. — 1 Murray im Scottish Geographical Magazine, 1888, S. 1. —
8 v. Tillo in Petermanns Mitteilungen 1889, S. 48. — * Leipoldt, Die mittlere
Höhe Europas, Plauen i. V. 1874. — 10 Chavanne, Die mittlere Höhe Afrikas,
in den Mitteilungen der Wiener Geographischen Gesellschaft, 1881. — 11 de Lap-
parent, Traite de Geologie, Paris 1883. — ’* v. Tillo in den Iswesstijä der
Russischen Geographischen Gesellschaft, 1889, S. 113. — 18 Krümmel, Der Ozean,
Leipzig 1886. — 14 v. Tillo in Petermanns Mitteilungen 1889, S. 49.
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Erster Abschnitt.
Die Lufthülle. 1
Die Höhe und Zusammensetzung der Luft.
Höhe der Luft. Die Lufthülle umgiebt den festen Erdkörper
in der Form eines Holilsphäroides. Ihre Höhe hat man nach dem
ersten Aufleuchten der Sternschnuppen auf 180 km berechnet Aber
auch darüber hinaus erfüllen — wie aus den neuesten Forschungen
über die „leuchtenden Wolken“ hervorgeht2 — verdünnte Gase den
Raum zwischen dem Planeten und der Sonne; Gase, welche man
im Gegensatz zur Erdenluft als Himmelsluft bezeichnet hat, und
die sehr wohl zu unterscheiden sind von dem Äther, jenem ange-
nommenen Medium, das uns die Lichterscheinungen vermittelt
Während die Erdenluft noch an der Bewegung der Erde teilnimmt,
verharrt die Himmelsluft iu relativer Ruhe oder bewegt sich nach
verschiedenen Richtungen, begleitet aber zugleich das ganze Planeten-
system auf seiner Wanderung durch den Weltraum. Wir haben es
hier nur mit den meteorologischen Erscheinungen zu thun, und diese
beschränken sich auf eine verhältnismäßig geringe Höhe. Die Atmo-
sphäre ist, wie alle Körper, schwer; eine bis zum Meeresniveau herab-
reicheude Luftsäule hält im Mittel einer 7 60 mm hohen Quecksilber-
säule das Gleichgewicht. Mit der Höhe nimmt der Luftdruck
ab, denn die auf dem Barometer lastende Luftsäule wird kleiner.
Dem Luftdrucke ist aber auch die Dichte proportional, denn jede
Schicht drückt auf die untere und preßt sie zusammen. Schon in
5513 m Seehöhe ist die Luft um die Hälfte dünner, als im Meeres-
niveau (Dichte = 1), und in einer Höhe von 59 400 m ist der Baro-
meterstand schon auf */4 mm und die Dichte auf 0,ooo3 herabgesunken.
Zusammensetzung der Luft. Die Atmosphäre ist ein Gemenge
von Stickstoff und Sauerstoff, die in der Regel im Volumver-
hältnis von 79:21 stehen. Der letztere ist der wichtigste Bestandteil,
da er den Atmungsprozeß des tierischen Organismus unterhält, dessen
Existenzfähigkeit auf hört, wenn der Sauerstoffgehalt auf 1 7,2 Prozent
Digitized by Google
42
Die Lufthülle.
sich vermindert hat. Da dünnere Luft weniger Sauerstoff enthält, als
dichtere, so ist dem tierischen Leben eine Höhengrenze gesetzt, die
1 0 000 m nicht beträchtlich übersteigt. Die sogenannte „Bergkrank-
heit“, die fast jeden in bedeutender Seehöhe befällt, wird weniger
durch die geringe Dichtigkeit der Atmosphäre, als durch die Abnahme
des Sauerstoffgehaltes verursacht: erhielt sich doch Bebson noch in
9150m Höhe — die größte Höhe, in der bisher eine wissenschaftr
liehe Beobachtung gemacht wurde (4. Dez. 1894) — durch künstliche
Zufuhr von Sauerstoff frisch bei Kräften. In den Tropen ist die
Luft oxygenäriner, als in unseren Breiten; aber man hat noch nicht
untersucht, ob dieser Unterschied beträchtlich genug ist, um im
menschlichen Organismus größere Veränderungen hervorzurufen.
Unter den zufälligen Bestandteilen spielt die Kohlensäure,
die Ernährerin der Pflanzen, eine hervorragende Rolle, wenn sie sich
auch im Mittel nur mit ca. 0,os Prozent an der Zusammensetzung
der Atmosphäre beteiligt. Noch geringer ist der Amrnoniakgehalt.
Wasserdämpfe sind zwar immer und überall vorhanden, aber ihre
Menge ist außerordentlichen Schwankungen unterworfen. Staub,
gasförmige Fäulnisprodukte und mikroskopische Organismen, die
häufig die Träger austeckender Krankheiten sind, verunreinigen
überall die Luft. In Palermo beträgt der Gehalt an organischen
Substanzen vom Februar bis Mai 0,102 und steigert sich im trockenen
Sommer auf 0,i«o Volumprozente. Der Regen wäscht also gleichsam
die Atmosphäre und ist daher von eminenter sanitärer Bedeutung.
Littcraturnach weise. 1 Allgemeine Werke über Meteorologie und
Klimatologie: Hann, Astronomische und physische Geographie, in der Allgemeinen
Erdkunde von Hann, IIochstetteb und Pokorny, Prag-Leipzig 1886; Mohn,
Grimdziige der Meteorologie, Berlin 1887; Günther, Die Meteorologie, München
1880. Für Witterungskunde ist ein Hauptwerk: van Bebber, Handbuch der
ausübenden Witterungskunde, Stuttgart 1885 — 86. Das theoretische Pendant
dazu ist: Sprung , Lehrbuch der Meteorologie, Hamburg 1885. Die umfang-
reichsten klimatologischen Darstellungen sind: Hann, Handbuch der Klima-
tologie, Stuttgart 1883, und Woeikow, Die Klimate der Erde, Jena 1887. Die
vollständigste kartographische Darstellung bietet Hanns Atlas der Meteorologie
in Bebgiiaus’ Physikalischem Handatlas, Gotha 1887. — * Förster, Die Er-
forschung der obersten Schichten der Atmosphäre, in den Verhandlungen der
Gesellschaft für Erdkunde. Berlin 1891.
Die Erleuchtung und Erwärmung der Erdoberfläche.
Wärmequellen. Licht und W arme bedingen das organische Leben.
Die ungleiche Erwärmung der unteren Luftschichten ist die letzte
Ursache aller meteorologischen Prozesse, die ihrerseits wieder die
Oberfläche der Erde umgestalten. Und alle diese Wirkungen gehen
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Die Erleuchtung und Erwärmung der Erdoberfläche. 43
von der Sonne aus, unserer Licht- und Wärmequelle. Die Eigen-
wärme der Erde ist ohne Einfluß auf die Oberfläche, und die Wärme,
die die Fixsterne aussenden, kommt uns nur indirekt zu Gute, indem
sie die Temperatur des Weltraumes erhöht.
Die Sonne ist ein glühendflüssiger Körper, umgeben von einer
ebenfalls glühenden Atmosphäre, die für uns allein sichtbar ist. Auf ihrer
Oberfläche bemerkt das bewaffnete Auge wechselnde Flecken, über
deren Wesen die Meinungen noch geteilt sind. Rudolf W o 1 f er-
kannte in ihrem Auftreten eine gewisse Regelmäßigkeit, indem von
einem Maximum bis zum nächsten durchschnittlich ein Zeitraum von
11 Jahren verstreicht Wir werden sehen, wie diese Fleckenperiode
auch in einigen irdischen Phänomenen sich wiederspiegelt.
Ein kleiner Teil der Wärmestrahlen, die die irdische Lufthülle
passieren, wird von ihr gleichsam verschluckt; von den senkrecht
auf die Erde fallenden ca. 1/1, von den schief einfallenden aber
mehr, weil sie einen längeren Weg durch die Atmosphäre zurück-
legen. Nun wäre zwar auch dann, wenn die Lufthülle fehlte, die
Erwärmung jedes Punktes der Erdoberfläche zunächst ab-
hängig von der Bestrahlungsstärke, d. h. von dem Winkel,
unter dem ihn die Sonnenstrahlen treffen, aber dieses Grundgesetz
wird durch die genannte Eigenschaft der Atmosphäre noch verstärkt.
Die Wärmedurchlässigkeit oder Diathermanität der Luft vermin-
dert sich mit zunehmender Feuchtigkeit, und es ist jedermann be-
kannt, wie sehr dichter Nebel oder eine ununterbrochene Wolkendecke
die Bestrahlung verhindern.
Die Erdoberfläche strahlt die empfangene Wärme, die nur lang-
sam und nur bis zu einer geringen Tiefe in den Boden eindringt
(vgl. S. 7), wieder in den kalten Weltraum zurück; aber auch jetzt
wirkt die Luft wie ein schützender Mantel, der zu rasche und zu
starke Wärmeabgabe verhindert. Infolge der Achsendrehung der
Erde wechseln Tag und Nacht, d. h. ein Zeitraum, wo die Wärme-
zufuhr die Ausstrahlung überwiegt, und ein anderer, in dem nur
Ausstrahlung stattfindet. Der Tag ist daher wärmer als die Nacht,
und die Temperatur ist einer 24stündigen Periode unterworfen.
Jahreszeiten. Würde die Balm, auf der die Erde die Sonne
umwandelt, mit der Aquatorialebene zusammenfallen und die Erdachse
senkrecht auf derselben stehen, so würde jeder Punkt der Erdober-
fläche das ganze Jahr hindurch die Sonnenstrahlen unter dem gleichen
Winkel empfangen, Tag und Nacht wären immer und überall von
gleicher Dauer, und es gäbe keine Jahreszeiten und keine jährliche
Temperaturperiode. Nun bildet aber die Erdbahn mit der Aquato-
rialebene einen Winkel von 23'/a° und die Erdachse, die während
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44
Die Lufthülle.
des ganzen Umlaufes mit sich selbst parallel bleibt, ist unter einem
Winkel von 66 */2° gegen die Erdbahn geneigt. Die beistebenden
Figuren zeigen die Stellung der Erde zur Sonne in den vier Epochen
des Jahres. Die Sonnenstrahlen können wegen der großen Entfer-
nung beider Himmelskörper voneinander als parallel gedacht werden.
Fig. 10 stellt die Erde am 21. Dezember dar. Nur der Wende-
kreis des Steinbocks, 23,/a° sttdL vom Äquator, wird von senkrechten
Strahlen getroffen. Die ganze Kalotte innerhalb des nördlichen Polar-
kreises (66*/a B.) fällt in die unbeleuchtete, die ganze Kalotte inner-
halb des südlichen Polarkreises in
die beleuchtete Erdhälfte. Die süd-
liche Hemisphäre hat den längsten,
die nördliche den kürzesten Tag;
auf jener beginnt der astronomische
Sommer, auf dieser der Winter,
und zwar einerseits wegen der
Fig.io. Stellung der Erde am 21. Dezember. Kürze des Tages, anderseits weil
jeder Punkt der Nordhalbkugel die
Sonnenstrahlen unter einem spitzeren Winkel empfängt, als ein unter
gleicher Breite befindlicher Punkt auf der südlichen Hemisphäre.
Am 21. März und 23. September steht die Erde in den Schnitt-
punkten der Bahn und Äquatorialebene (s. Fig. 11). Senkrechte Strahlen
treffen nur den Äquator; der Winkel, unter dem die Strahlen auf
die beiden Hemisphären einfallen, ist unter gleicher geographischer
Breite gleich. Ebenso ist auf der ganzen Erde (mit Ausnahme der
Pole) Tag und Nacht gleich lang. An diesen beiden Tagen beginnen
die astronomischen Übergangsjahreszeiten Frühling und Herbst
Fig. 11. Stellung der Erde am 21. März Fig. 12. Stellung der Erde am 21. Juni,
und 23. September.
Fig. 12 zeigt die Stellung der Erde zur Sonne am 21. Juni.
Senkrechte Sonnenstrahlen fallen auf den Wendekreis des Krebses
(23 1/2 0 n. B.). Die nördliche Hemisphäre hat den längsten Tag und
Sommeranfang, die südliche den kürzesten Tag und Winteranfang;
und ebenso verhalten sich die beiden polaren Kalotten gerade um-
gekehrt, wie am 21. Dezember.
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Die Erleuchtung und Erwärmung der Erdoberfläche.
45
Von den vier astronomischen Jahreszeiten weichen die meteoro-
logischen in Bezug auf die Begrenzung und Dauer etwas ah:
Nord hem isph&re Südhemisphäre
Dezember — Februar Winter Sommer
März — Mai Frühling Herbst
Juni — August Sommer Winter
September — November Herbst Frühling.
Wärmemenge. Da die Wärmezufuhr einerseits von dem Einfalls-
winkel der Sonnenstrahlen, anderseits von der Tageslänge abhängig ist,
so nimmt sie mit der Breite ab, wobei jedoch zu berücksichtigen ist,
daß die Linie senkrechter Einstrahlung, also größte Wärmezufuhr im
Laufe eines Jahres zwischen den beiden Wendekreisen sich ver-
schiebt. Denken wir uns die Erde ohne atmosphärische Hülle, und
setzen wir die Wärmemenge, die ein Punkt empfangen würde, wenn
er die Sonne das ganze Jahr hindurch im Zenith hätte, = 1000,
so erhalten wir nach Wieners1 Berechnung folgende Wärmemengen
für die verschiedenen Breiten:
Breite
Sommer-
halbjahr
Winter-
halbjahr
Jahr
0°
•153
158
306
10
162
139
301
20
166
123
289
30
166
102
268
40
161
80
241
50
153
56
209
60
142
32
174
70
132
13
145
80
128
3
131
90
127
0
127
Diese Zahlen gelten natürlich für die nördliche, wie für die süd-
liche Halbkugel. In einer anderen Beziehung besteht aber zwischen
beiden ein Gegensatz. Das astronomische Winterhalbjahr dauert auf
der südlichen 186 Tage (21. März bis 23. September), auf der nördlichen
nur 179 Tage (23. September bis 21. März), und dem entsprechend
ist das nördliche Sommerhalbjahr um 7 Tage länger als das süd-
liche. Der Grund dieser Ungleichheit ist in der elliptischen Gestalt
der Erdbahn zu suchen. Die Sonne stellt, wie Fig. 13 zeigt, in einem
Brennpunkte, und die Erde befindet sich daher einmal des Jahres in
der Sonnennähe (Perihel) und einmal in der Sonnenferne (Aphel).
Während die Erde im Mittel in 24 Stunden einen Bogen von 59' 8"
zurücklegt, rückt sie im Perihel um 61' 10", im Aphel nur um 57'
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46
Die Lufthülle.
12" vor. Da die Erde jetzt am 1. Januar im Perihel und am 2. Juli
im Aphel steht, so gelaugt sie rascher vom Herbst- zum Frühlings-
punkte, als vom Frühlings- zum Herbstpunkte, woraus die längere
Dauer des südlichen Winters und nördlichen Sommers sich erklärt.
Das Perihel hat aber keine konstante Lage. Etwa 4000 Jahre
v. Chr. fiel es mit dem Herbstpunkte zusammen und infolgedessen
waren beide Halbjahre gleich lang. Bis jetzt hat es einen Bogen von
nahezu 101° zurückgelegt und wird im Jahre 6470 den Frühlingspunkt
erreicht haben, d. h. die
Sommer- und Winterhälfte
des Jahres werden wieder
gleich sein. Von da an
wird die Südhemisphäre
die begünstigtere sein, und
in ca,. 10500 Jahren werden
Perihel und Aphel ihre
Plätze gewechselt haben,
und der nördliche Winter
länger sein als der süd-
liche. In einem Zeiträume
von ungefähr 21 000 Jahren vollfuhrt somit die Apsidenlinie (PA
in Fig. 12) einen Umlauf.
Auf die Wärmezufuhr haben diese Veränderungen jedoch keinen
Einfluß, selbst wenn einmal der Unterschied von Sommer- und Winter-
halbjahr seinen äußersten Grenzwert von 33 Tagen erreicht haben
wird. Unter allen Umständen erhält jede Halbkugel im Winterhalb-
jahr 37 und im Sommerhalbjahr 63 Prozent der jährlichen solaren
Strahlenmenge, und nur darin besteht ein Unterschied, daß sich die
konstante Wärmezufuhr auf verschieden lange Perioden verteilt,
daß also, wenn die Zahl der Tage eines Halbjahres größer ist, durch-
schnittlich weniger Wärme auf einen Tag entfällt, als im entgegen-
gesetzten Falle.
Die Beleuchtungzonen. So entscheidend nun auch die geogra-
phische Breite für die Wärmezufuhr ist, so ist sie für die endgültige
Temperaturverteilung doch nicht der einzige Faktor, und es wider-
streitet daher durchaus den thatsächlichen Verhältnissen, wenn man
die, aus den Zeiten der griechischen Naturphilosophie uns über-
kommene Einteilung jeder Hemisphäre in drei Klimazonen, die durch
die Wende- und Polarkreise voneinander getrennt werden, noch auf-
recht erhalten will. Dagegen behalten diese Zonen noch ihren vollen
Wert, wenn man sie ausschließlich auf die Beleuchtungsverhält-
nisse anwendet; nur muß man ihnen dann andere, als die üblichen
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Die Erleuchtung und Erwärmung der Erdoberfläche. 47
Namen beilegen. Wir nennen den Gürtel zwischen Äquator und
Wendekreis die Tropen-, den zwischen Wende- und Polarkreis die
mittlere und den Kugelabschnitt innerhalb des Polarkreises die
polare Zone. Nur bis zur Grenze der Tropenzone treft'en senk-
rechte Strahlen die Erdoberfläche, und zwar zweimal des Jahres und
nur an den Wendekreisen einmal. Die mittlere Zone hat mit der
tropischen nur den regelmäßigen Wechsel von Tag und Nacht inner-
halb 24 Stunden gemein.
Vom Äquator, wo Tag und Nacht immer gleich sind, bis zu
den Polen, wo ein halbjähriger Tag mit einer halbjährigen Nacht
wechselt, nimmt im Sommer die Tages-, und im Winter die Nacht-
länge stufenweise zu:
Tropische und mittlere Zone:
O. B. 0“ 10“
20“
30“
40“
60“
60“
60'/,“
Längster Tag 12" 0“ 12" 35“
13" 13“
13" 56
in
14"51m
jghgm
i8"30”
24" O™
KürzesterTag 12 0 11 25
10 47
10 4
9 9
7 51
5 30
0 0
Unterschied 0 0 1 10
2 26
3 52
5 42
8 18
13 0
24 0
Nordpolare Zone:
G. B.
66'/,“
7(y
SO“
90“
Die Sonne geht nicht
unter
1
65
134
186
Tage.
Die Sonne geht nicht
auf
1
60
127
179
V
Für die südliche Hemisphäre sind die Zahlen uinzukehreu. Am
antarktischen Pol geht z. B. die Sonne 179 Tage nicht unter und
186 Tage nicht auf.
Die astronomische Dauer der Nächte wird aber durch die
Dämmerung beschränkt Indem die Lichtstrahlen in immer dich-
tere Luftschichten gelangen, werden sie gebrochen, so daß man Sonne
und Sterne schon über dem Horizonte sieht, wenn sie sich that-
sächlich noch unter demselben befinden. Die volle Nacht dauert
nur solange, als der Stand der Sonne unter dem Horizonte mehr
als 16° beträgt Je größer der Winkel, unter dem Sonnenstrahlen
einfallen, desto länger die Dämmerung; ihre Dauer wächst also mit
der geographischen Breite. In der Tropenzone gehen Tag und
Nacht fast unvermittelt ineinander über. Dagegen giebt es von
SCP/j0 B. an zur Zeit des höchsten Sonnenstandes keine eigent-
lichen Nächte mehr, indem Abend- und Morgendämmerung ineinander
fließen. In der Breite von St. Petersburg z. B. dauern diese hellen
Nächte vom 27. April bis 15. August. Für die polare Zone erweist
sich die Dämmerung, die die monatelaqge Nacht verkürzt, als eine
besondere Wohlthat. Unter 70° B. währt der Tag vom 20. Mai bis
23. Juli, aber die Nächte vorher vom 30. März angefangen und
nachher bis zum 12. September werden ganz von der Dämmerung
erfüllt. Am Nordpol beginnt die Morgendämmerung am 4. Februar,
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48
Die Lufthülle.
die Sonne geht am 21. März auf und am 23. September unter, und
am 6. November erlischt auch die Abenddämmerung. So wird die
volle Nacht auf 90 Tage eingeschränkt.
Das Polarlicht.3 Die polare Wintemacht wird auch zeitweise
von jenen eigentümlichen und rätselhaften Lichterscheinungen er-
hellt, die wir unter dem Namen Polarlichter zusammenfassen und
Fig. 14. Geographische Verbreitung des Nordlichtes nach Fritz.
je nach der Hemisphäre, auf welcher sie auftreten, als Nord- und
Südlichter bezeichnen. Das erstere, das natürlich häufiger be-
obachtet und eingehender studiert wurde, ist besonders in einem
5 — 10 Meridiangrade breiten Gürtel in der Nähe des Polarkreises
heimisch, wo es ein fast tägliches Phänomen ist, und wird nach
Norden wie nach Süden immer seltener. Fig 14 verbindet die Orte
gleicher Häufigkeit der Nordlichter durch Linien von entsprechender
Breite, die sich in kreisähnlicher Gestalt um den magnetischen
Nordpol gruppieren. Da letzterer im arktischen Archipel von Nord-
amerika unter ca. 70° B. und 90° w. L. von Greenwich sich befindet,
so erklärt es sich leicht, daß die Linien gleicher Häufigkeit in der
neuen Welt viel weiter gegen den Äquator herabsinken als in der
alten, und somit die Parallelkreise schneiden. Nur ausnahmsweise
ist das Polarlicht auch in niederen Breiten sichtbar, wie das große
Digitized by Google
Die Erleuchtung und Erwärmung der Erdoberfläche.
49
Nordlicht vom Jahre 1859 fast his zum Äquator; und auch von der
südlichen Hemisphäre wissen wir, daß den Bewohnern der alten
Incastadt Cuzko unter 121/2° B. dieses Phänomen nicht unbekannt
ist. Am glänzendsten zeigt es sicli aber stets nur in der Maximal-
zone, wo es hauptsächlich in zwei Grundformen, als Band- und
Strahlenlicht, auftritt. Das erstere besteht aus nebeneinander
gereihten senkrechten Lichtstreifen, die den Eindruck von in der
Luft biegenden Bändern oder herabhängenden Draperien machen
(Fig. 15). Die zweite Form ist ein leuchtender Bogen am nördlichen
Himmel, dessen Enden sich auf den Horizont stützen (Fig. 16).
Er umsäumt ein völlig dunkles Kreissegment; aber der Umstand,
Fig. 15. Band-Nordlicht nach J. Payer.
daß es hellere Sterne durchscheinen läßt, beweist uns, daß die
Finsternis nur eine durch den Kontrast hervorgerufene optische
Täuschung ist Aus dem Lichtbogen schießen Strahlen in den
mannigfachsten Farben hervor, um sich nicht selten über dem
Scheitel des Beobachters zu einer glänzenden Krone zu vereinigen.
Manchmal erscheint auch ein Bogen über dem anderen. Nur eine
Modifikation des Strahlenlichtes ist der gewöhnliche Nordlicht-
bogen ohne Bewegung und ohne Strahlen, der in den höheren
Breiten jenseits der Maximalzone am häufigsten ist; manchmal er-
scheint hier .aber noch ein zweiter Bogen im Süden und beide
tauschen Strahlen aus. Im innersten Polarraume wird meist nur
ein heller Nebel am südlichen Horizont sichtbar, und die ge-
ringe Lichtentwickelung erklärt es, daß man hier Nordlichter nur
SctjlH , Physische Erdkunde. 2. Aufl. 4
Digitized by Göogle
50
Die T.ufthfllle.
selten beobachtet hat In unseren Breiten wird zumeist nur eine
mattrote Wolke oder eine rote Beleuchtung des nördlichen Himmels
wahrgenommen; doch ist sie in den Perioden größter Häufigkeit
intensiv genug, um das Lesen zu gestatten und Schatteuwurf zu
erzeugen. Gewöhnlich ist aber die Lichtstärke auch in höheren
Breiten so gering, daß Sterne I. und II. Größe durchschimmeru,
und selten wird die Leuchtkraft des Vollmondes ilbertroffen , daher
auch die Häufigkeit der beobachteten Polarlichter zur Vollmondszeit
ein Minimum erreicht.
Wie die Erscheinungsweise und Intensität, ist auch die Höhe
der Polarlichter verschieden, doch scheinen sie in höheren Breiten
Fig. 16. Strahlen-Nordlicht zu Bergen in Norwegeu nach H. Sattler.
der Erde näher zu sein. Bald sind sie nur innerhalb enger Grenzen
sichtbar, bald beleuchten sie einen beträchtlichen Teil der Hemi-
sphäre; bald dauern sie nur wenige Minuten, bald ganze Nächte
ja manchmal erstrecken sie sich sogar über einen größeren Zeit-
raum, wie das Nordlicht, das vom 28. August bis 7. September 1859
dauerte. Es gilt als Regel, daß große Erscheinungen sich allmählich
entwickeln und allmählich verschwinden.
Über die Natur des Polarlichtes haben Lkmstböms Experimente
den lange gewünschten Aufschluß gebracht. Am 29. Dezember 1882
gelang es ihm durch ein mit Spitzen versehenes Drahtnetz, das auf
dem Gipfel der kegelförmigen Pietarintunturi bei Kultala in Finn-
land aufgestellt wurde, ein wirkliches Nordlicht zu erzeugen, und
Digitized by Google
Die Erleuchtung und Erwiirmung der Erdoberfläche.
51
die Untersuchungen der folgenden Jahre haben die Theorie wesent-
lich vervollständigt. Die elektrische Natur des Polarlichtes ist nun
außer Zweifel gestellt; vertikal abwärts fließende elektrische Ströme
sind es, die nach Lemströms Auffassung die Luft zum Glühen
bringen, und es ist nach Paulsen anzuuehmen, daß diese Ströme
erst in der eigentlichen Polarlichtzone zur Erdoberfläche herab-
steigen. Dieser Umstand in Verbindung mit dem Dichteunterschied
der Luftschichten bewirkt in den höheren Breiten eine ganz andere
Entwickelung des glänzenden Phänomens, als wir es in unseren
Gegenden kennen.
Am häufigsten sind die Polarlichter 1 bis 2 Stunden vor
Mitternacht, nur in der Nähe des magnetischen Nordpoles verspäten
sie sich etwas. Über die jährliche Periode giebt Fig. 17 Aufschluß.
Die Kurve aa stellt die Periode der
Nordlichter darr b b die der Süd- »«. j f m a m j j a s o s d«.
lichter (beide in Prozenten der Jahres- ... ~sy\\
mengen) und oo die mittlere tägliche / \ \ /
Variation der Deklinationsnadel in ä / \ .4
München und Hobart (in Minuten). ^ \ /
Alle drei Kurven zeigen Maxima zur
Zeit der Nachtgleichen (März und Okto- «
ber) und Minima zurZeit des höchsten
^ . , . T . i Fig. 1 7. Jährliche Penode des
und tiefsten Sonnenstandes (Juni und Polarlichtes.
Januar). Es zeigt sich darin unleugbar
ein Zusammenhang mit dem Erdmagnetismus, aber man darf
nicht übersehen, daß in den höheren Breiten jenseits der Maxiraal-
zone der jährliche Gang ein anderer ist. An der Westküste von
Grönland z. B. nimmt die Zahl der Nordlichter stetig vom September
bis zum Dezember oder Januar zu und dann wieder ab. Und noch
in anderer Beziehung besteht ein bedeutsamer Gegensatz. Während
nämlich in den niedereren Breiten die Polarlichter am häufigsten in
den Jahren der Sonnenfleckenmaxima und am seltensten zur Zeit
der Fleckenminima auftreten, also dem gleichen Gesetze unterliegen,
wie die magnetische Variation, zeigen sie in der inneren arktischen
Zone ein gerade entgegengesetztes Verhalten. Ob sich darin regel-
mäßige Verschiebungen der Maximalzone, sowohl innerhalb des
Jahres wie im Verlaufe einer Sonnenfleckenperiode, aussprechen,
wie Weyrrecht meinte, mag noch fraglich bleiben; aber auch, wenn
diese Zone unveränderlich bleiben sollte, muß man zugeben, daß
eine lebhaftere Entfaltung des Nordlichtes in niedereren Breiten mit
einer Abschwächung dieses Phänomens in den höheren Breiten Hand
in Hand geht
4 ¥
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52
Die Lufthülle.
Litteraturnach weise. 1 Wiener in der Österr. Meteor. Ztechr., 1879,
S. 113. — * Fritz, Das Polarlicht, Leipzig 1881; Lemstrük, L’aurore boreale,
Paris 1886; Pal'lsen, Aurores boreales observees ä Godtliaab, Kopenhagen 1891.
Die Abnahme der Temperatur mit der Höhe.
Wärmequellen der oberen Luftschichten. Die erwärmte Erd-
oberfläche teilt ihre Temperatur zunächst den unteren Luftschichten
mit. Für die höheren Schichten der freien Atmosphäre giebt es
verschiedene Wärmequellen. Sie behalten zunächst einen Teil der
sie durchstrahlenden Sonnenwärme zurück (s. S. 43), sodann empfangen
sie auch von der Erdoberfläche ausgehende Wärmestrahlen. Von
weitaus größerer Bedeutung sind aber die aufsteigenden Luft-
ströme. Indem die untersten atmosphärischen Schichten erwärmt
werden, dehnen sie sich aus und steigen in die Höhe, während
kältere Luft von oben ihren Platz einnimmt. So schreitet allmäh-
lich — wie Hann sich ausdrückt — die Erwärmung der Luft durch
das Spiel aufsteigender wärmerer und niedersinkender kälterer Luft-
säulchen vou unten nach oben fort, und das Werk des einen Tages
wird nach nächtlicher Unterbrechung am anderen wieder fortgesetzt.
Nach den Prinzipien der mechanischen Wärmetheorie kühlt
sich aufsteigende trockene .Luft um 1° C. für je 100 m Erhebung
ab, und es ist sowohl die Anfangstemperatur, wie die Höhe, von
wo aus das Aufsteigen stattfindet, ohne Einfluß darauf. Umgekehrt
wird herabsinkende trockene Luft um 1° für je 100 m erwärmt.
Anders verhält sich die mit Wasserdampf gesättigte Luft.
Einerseits kühlt sie sich bedeutend weniger ab, weil der Wärme-
verlust zum Teil durch die bei der Kondensation des Wasserdampfes
frei werdende Wärme ersetzt wird; anderseits ist die Temperatur-
abnahme um so geringer, je höher das Niveau, von wo das Auf-
steigen stattfindet, und je höher die Anfangstemperatur ist. x
Ist die aufsteigende Luft nicht mit Wasserdampf gesättigt, so
verhält sie sich bis zum Zeitpunkte, wo Kondensation eintritt, wie
trockene, dann wie gesättigte Luft.
Unter allen Umständen muß die mittlere Jahrestempe-
ratur mit der Höhe abnehmen, einerseits weil die Entfernung
von ihrer Hauptquelle, der Erdoberfläche, wächst, anderseits weil
die Lufthülle immer dünner wird und dadurch die Ausstrahlung
begünstigt. Es ist aber zu betonen: die mittlere Jahrestemperatur,
weil — wie es sich jetzt mit immer größerer Bestimmtheit heraus-
x Aiifangstemperatur —10° 0° 10° 20° 30°
Wärmeabnahme für 100m H. 0,7«° 0,ca° 0,m" 0,«° 0,m°
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Die Abnahme der Temperatur mit der Höhe. 53
stellt — zu gewissen Tageszeiten und unter gewissen Witterungs-
verhältnissen die Temperatur wenigstens in den unteren Luftschichten
überall mit der Höhe zunimmt.
Freie Atmosphäre. Durch die Einrichtung des bekannten Eiffel-
turms in Paris für den meteorologischen Dienst ist zum ersten
Male die Möglichkeit geboten worden, regelmäßige Beobachtungen
über den Zustand der freien Atmosphäre anzustellen. Die Instru-
mente sind in 2, 123, 197 und 302 m über dem Boden aufgestellt
und an den drei letzteren Stellen somit völlig dem unmittelbaren
Einflüsse des Bodens entrückt, während anderseits die luftige Bauart
des Turmes selbst eine Störung der Instrumente durch Strahlung
ausschließt.1 Bei Tage erreicht die Wärmeabnahme einen überraschend
hohen Wert, besonders bis 200 m Höhe im Frühjahr und Sommer,
wo sie sogar über den Maximalwert für aufsteigende trockene Luft
hinausgeht. Das erklärt sich dadurch, daß in den Mittagsstunden
der Erdboden überhitzt wird und seine Wärme nicht rasch genug
den oberen Luftschichten mitteilen kann. In der Nacht tritt der
umgekehrte Fall ein; der Boden kühlt sich rascher ab, als die Luft,
die noch einen Wärmefond vom vorhergehenden Tage bewahrt hat.
Daher nimmt in allen Jahreszeiten die Temperatur bis 200 in zu, und
wenn auch dann Abnahme eintritt, so ist es doch auf der Höhe des
Temperaturäuderung für je 100m Höhe.
Eiffelturm (300 m)
Schaf berg (1716 m)
Sonnblick (3105 m).
Mitternacht
bis 4h früh
Mittag bis
4 11 N.M.
24 stünd.
Mittel
1890—92 i
Mittel (red.)
1851—90
Winter
+ 0,1.»
-0,ia°
-0,1!«
— 0,59°
Frühling
-0,05
-
— 1,10
— 0,51
— 0,04
Sommer
1 + 0,06
— 1,00
— 0,50
— 0,63
Herbst
+ 0,41
— 0,8T
— 0,14
— 0,58
Jahr
+ 0,16
— 0,95
— 0,sj
— 0,61
Eiffelturmes meist immer noch wärmer, als auf dem Erdboden.
Aber die Abnahme bei Tage ist größer, als die Zunahme bei Nacht,
die mittlere Tagestemperatur nimmt also in der Regel ab.
Um von der durchschnittlichen Temperaturabnahme in den
höheren Schichten der Atmosphäre eine Vorstellung zu gewinnen,
müssen wir die zwei benachbarten Gipfelstationen der Salzburger
Alpen, den Schafberg und den Sonnblick, zu Rate ziehen. Allerdings
wirkt hier neben dem Zuflusse von unten auch die eigene Wärme-
aufnahme und Ausstrahlung des Bodens, und aus dem Vergleiche
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54
Die Lufthülle.
der Beobachtungen der Münchener Luftschiffer mit den gleichzeitigen
Teinperaturablesuugen auf den bayerischen Höhenstationen können
wir entnehmen, daß die Unterschiede zeitweise recht beträchtlich
sind.2 In der freien Atmosphäre sind die Schwankungen geringer;
daher ist sie in der Nacht und im Winter wärmer, als die Luft
über den Berggipfeln, bei Tage und im Sommer (wenigstens bei
normaler Witterung) aber kälter. Im langjährigen Mittel mögen
sich diese Unterschiede ausgleichen, und damit Gipfelstationeu auch
für die Verhältnisse in der freien Atmosphäre verwendbar werden;
wegen ihrer freien Lage eignen sich dazu keine Beobachtungspunkte
besser, als die oben genannten.2 Wie am Eiffelturm, so ist auch in
der Luftschicht zwischen dem Schafberg und Sonnblick die Tempe-
raturabnahme im Frühling und Sommer größer, als im Herbst und
Winter, aber diese jahreszeitlichen Gegensätze sind in der untersten
Luftschicht, die noch ganz unter dem Einflüsse des Erdhodens steht,
ungleich größer. Daher ist hier die Temperaturabnahme im Jahres-
mittel fast um die Hälfte geringer, als in den höheren Schichten.
Aus Glaishebs berühmten Ballonbeobachtungen in den sechziger
Jahren, die bis 8000 m Höhe reichten, hat man geschlossen, daß die
Temperaturabnalime nach oben sich verlangsamt. Nun sind aber
alle älteren Beobachtungen dieser Art, vielleicht die von Welsh
(1852) ausgenommen, gänzlich unbrauchbar; erst seit der Einführung
des AsSMAXxschen Aspirationspsychrometers haben die Temperatur-
beobachtuugen im Ballon den notwendigen Grad von Zuverlässigkeit
erlangt. Allerdings haftet ihnen der unvermeidliche Fehler an, daß
sic nur Augenblicksbilder liefern, nur den Zustand der Atmosphäre
unter wechselnden Witterungsverhältnissen uns kennen lehren. Es
werden noch viele Fahrten unternommen werden müssen, ehe man
daran gehen kann, aus widerspruchsvollen Einzelbeobachtungen nor-
male Mittelwerte abzuleiten. Aber auch jetzt schon haben die Hoch-
fahrten des Berliner Vereins für Luftschiffahrt unsere Vor-
stellungen von der senkrechten Wärmeverteilung wesentlich berichtigt.
Zwei Sätze stehen wenigstens fest: 1) daß die Atmosphäre bis in be-
trächtliche Höhen in scheinbar regelloser Weise aus verschieden tempe-
rierten Schichten besteht, x 2) daß die Temperaturabnahme auch in
x Als Beispiel diene die von Kremser bearbeitete Fahrt des Ballons
„Humboldt“ am 1. Marz 1893. Die Temperaturabuahme für je 100 m betrug:
0— 1000 m
Höhe
0,1! 0
2600—3100 m
Höhe
0,38
1000—1600
0,33
3100—3400
V
0,6?
1600—2000
»»
0,70
3400—3700
0.43
2000—2300
0,33
3700—4300
V
0,65
2300—2600
V
0,#o
Digitized by Google
Die Abnahme der Temperatur mit der Höhe. 55
großen Höhen viel rascher erfolgt, als man bisher annahm. Während
man früher für die Grenze der Atmosphäre Temperaturen von — 34
bis —49° berechnete, sind jetzt schon Höhentemperaturen bis —67°
durch Messung festgestellt. * Aber diese Temperatur ist keines-
wegs die tiefste, die auf unserem Planeten registriert wurde. Am
15. Januar 1885 zeigte das Weingeistthermometer auf der ostsibiri-
schen Station Werchojansk — 68°; das würde an dem gewöhnlichen
Luftthermometer einer Temperatur von — 76° entsprechen.4 Bis
zu mehr als doppelter Gaurisankarhöhe muß man sich also erheben,
um in der freien Atmosphäre Temperaturen wiederzufinden, die in
Ostsibirien unter dem Einflüsse intensiven Wärmeverlustes des Erd-
bodens schon in einer Seehöhe von 50m zu stände kommen! Aber
in jenen Luftregionen dürfte sich die Temperatur kaum jemals be-
deutend von — 60° entfernen; in Werchojansk hat man schon
Maxima von 30° beobachtet.
Gebirge. Je massiger ein Gebirge ist, desto mehr gewinnt die
Wärmeaufnahme und Ausstrahlung der Thalböden, Böschungen und
Gipfel an Bedeutung gegenüber der Wärmezufuhr aus den unteren
Regionen. Meist vergleicht man Ebenen- oder Thalstationen mit
Gipfelstationen, und in diesem Falle wird das Endergebnis häufig
durch klimatische Eigentümlichkeiten getrübt, die mit der absoluten
Höhe nichts zu thun haben. Namentlich die in den Niederungen
stagnierende kalte Winterluft drückt den Durchschnittswert für die
Temperaturabnahme manchmal erheblich herab. Es ist dies im
Auge zu behalten, wenn man nachstehende Tabelle durchmustert,
welche die vertikale Wärmeabnahme für je 100 m in einigen Ge-
birgen Europas, Asiens, Nordamerikas und der Insel St. Helena zeigt.
x Übersicht der höchsten Ballonfahrten und der beobachteten Minimal-
temperaturen. Die Höhen in Klammem sind nur rohe Näherangswerte.
Luftschiffer
Datum
Seehöhe
Temperatur
Gross
19. Okt. 1893
6060
-26,0»
Gross
14. März 1893
6105
-27.«
Bersoh
6. Sept 1894
6220
-26,0
Welsh
10. Nov. 1852
(6900)
-22,8
Barral-Bixio
27. Juli 1850
(7000)
— 39,t ?
Tissandier
15. April 1875
7400
-11,0?
Glaisher
5. Sept. 1862
7650
-20,7 ?
Gross
11. Mai 1894
7700
— 36,5
7930 m
-32,s»
Bersok
4. Dez. 1894
9150
-47,»
„L'Aerophile“
21. März 1893
(14000)
— 55,o
„Cirrus“
7. Juli 1894
15600
— 53,o
16325
-52,o
„Cinus“
6. Sept 1894
?
-67,o
18450
?
Die drei letzten Fahrten wurden von unbemannten Ballons mit Registrier-
apparaten ausgeführt.
Digitized by Google
56
Die Lufthülle.
Gegend
Winter
Frühling
Sommer
Herbst
Jahr
Schottland (Ben Nevis) ....
0,40°
0,72°
0,68°
0,63°
0,66°
Norwegen (bei Kristiania) . . .
0,05
0,73
0,»i
0,52
0,55
Harz
0,43
0,67
0,70
0,51
0,58
Erzgebirge, Nordseite ....
0,48
0,60
0,41
0,54
0,55
„ Südseite
0,3»
0,74
0,72
0,60
0,63
Raube Alp
0,26
0,53
0,55
0,42
0,44
Nördliche Schweiz
0,34
0,85
0,61
0,47
0,52
Südliche Schweiz
0,17
0,64
0,66
0,56
0,58
Ostalpen a, Nordseite
0,S1
0,50
0,43
0,17
0,51
„ Tirol u. Tessin . . .
0,50
0,66
0,57
0,57
0,40
„ Kärnten
0,s«
0,57
0,58
0,42
0,46
Pyrenäen (Pic du Midi) . . .
0,50
0,61
0,56
0,55
0,56
Serra da Estrella
0,53
0,73
0,71
0,41
0,65
Nördlicher Kaukasus
0,26
0,48
0,51
0,38
0,41
Südlicher Kaukasus
0,39
0,54
0,5S
0,18
0,49
Bengalen
0,56
0,53
0,17
0,57
0,52
Indische Nordwest-Provinzen . .
0,47
0,64
0,57
0,59
0,56
Ceylon
0,57
0,58
0,52
0,59
0,58
Insel Hongkong
0,53
0,17
0,57
0,66
0,60
Mt. Washington (New-Hampshire)
0,40
0,59
0,67
0,52
0,55
Felsengebirge
0,55
0,71
0,69
0,59
0,64
St. Helena
0,84
0,99
0,07
0,88
0,93
Die mittlere Jahrestemperatur nimmt ferner in Indien um 0,«s
bis 0,60°, im Himalaja um 0,45 — 0,48°, in Tibet um 0,4« °, im Kuenlun
um 0,48°, in Mexico um 0,53°, und in den Andes um 0,4i — 0,62° für
je 100 m Erhebung ab.
Man ersieht aus dieser Zusammenstellung, daß die Abnahme
der mittleren Jahrestemperatur auf der ganzen Erde ziemlich
gleichmäßig ist, im Mittel 0,s° für 100 m, wenn wir St. Helena von
der Rechnung ausschließen. Aber gerade die abnormen Verhältnisse
auf St. Helena sind sehr lehrreich. Die untere Station, Jamestown,
ist außerordentlich trocken, und die von hier aufsteigende Luft
befolgt im Frühjahr und Sommer (Regenmenge 6 und 22 mm)
nahezu das Gesetz der Temperaturabnahme dampfleerer Luft. Im
Herbst steigt die Regenmenge auf 49 mm, und dem entsprechend
sinkt die Wärmeabnahme auf 0,8s°; im Winter endlich erreicht die
Niederschlagshöhe ihr Maximum (68 mm) und die Wärmeabnahme
ihr Minimum. Dieses Beispiel beweist, daß für isolierte Anhöhen
die aufsteigende Luft die fast ausschließliche Wärmequelle ist,
Digitized by Google
Die Abnahme der Temperatur mit der Höhe. 57
während sie in ausgedehnten Gebirgen gegenüber der Wärmeauf-
nahme und Ausstrahlung der Abhänge und Thalflächen naturgemäß
etwas zurücktritt.
Im Winter ist die Luft in der Regel viel feuchter, als im Sommer;
schon aus diesem Grunde muß die Temperatur im Winter am lang-
samsten, im Sommer am raschesten mit der Höhe abnehmen. Wenn
Bengalen davon eine Ausnahme macht, so erklärt sich dies daraus,
daß hier der Sommer den Winter an Feuchtigkeit übertrifft. Auch
die tägliche Periode ist überall scharf ausgeprägt. Aus dem Ver-
gleiche der nahe benachbarten, frei gelegenen Bergstationen Sonn-
blick und Kolm-Saigurn ermittelte Trauert0 für die Nachthälfte
eine mittlere Abnahme von 0,56°, für die Tageshälfte eine solche von
0,«s° für je 100 m.
Die folgende Tabelle giebt als Beispiele des Bergklimas die
mittleren Monats- und Jahrestemperaturen der drei höchsten, unter
verschiedenen Breiten gelegenen Beobachtungsstationen. Zum Ver-
gleiche fügen wir Upemivik an der grönländischen Westküste, die
nördlichste Station der Erde mit langjährigen Beobachtungen, bei.
Alpen.
Felsengebirge.
Audes.
Grünland.
Sonnblick
Pikes Peak
Anti sana
..
Upernivik
Geogr. Breite
47° 3' N.
38° 50' N.
0° 21' S.
72» 47' N.
Höhe m
3105
4308
4060
—
Dezember . .
-12,4°
-14,3°
6,o»
-14,7°
Januar . . .
-12,8
-16,4*
-21,1
Februar . . .
-13,o*
-15,8
5,.
-23,5*
März ....
-11,8
-13,4
5,6
-21,.
April ....
- 8,0
-10,4
5,8
-13,1
Mai ....
— 4,6
— 5,3
5,5
- 3,7
Juni ....
- 1,»
0,4
4,6
1,6
Juli ....
1,*
4,4
3,0*
4,8
August . . .
1,5
3,6
3,0
4,0
September . .
— 1,0
- 0,3
4,o
0,8
Oktober . . .
- 4,6
— 5,8
5,o
- 4,8
November . .
- 9,’
-11,8
5,5
- 8,8
Jahr ....
— 6,3
- 7,.
4,8
- 8,3
Es ist eine landläufige Vorstellung, daß das Bergklima in
größeren Höhen einen polaren Charakter annehme. Nun findet
man allerdings die mittleren Jahrestemperaturen des Sonnblick
oder des Pikes Peak in der arktischen Zone wieder, aber selbst
Digitized by Google
58
Die Lufthülle.
das durchschnittlich kältere Upernivik hat einen wärmeren Sommer
und Herbst, als die Hochgipfel der Alpen und des Felsengebirges.
Ebenso auffällig ist der Kontrast von Antisana und Westeräs an der
schwedischen Küste unter 50° 37'. Die .7 ahrestemperatur ist an beiden
Orten dieselbe, aber die tiefste Monatstemperatur ist an letzterem
— 4,6° und die höchste 16,s°. Das Höhenklima unterscheidet sich
also vom polaren wesentlich durch kühle Sommer und verhältnis-
mäßig milde Winter.
Aber es besitzt noch einen anderen Vorzug, der selten ent-
sprechend gewürdigt wird. Die mittleren Temperaturen einer Be-
obachtungsstation sind Schattentemperaturen; in den alpinen
Hochthälern ist aber bei vorwiegend heiterem Himmel und Wind-
stille die Insolation außerordentlich kräftig, und daher im Winter
der Unterschied zwischen Sonnen- und Schatten temperatur, der in
der polaren Nacht natürlich wegfällt, sehr bedeutend. In Davos
(1650 m hoch) stieg z. B. die Lufttemperatur am 30. Dezember 1873
nicht über —12,8°, aber in der Sonne zeigte das Thermometer um
9 Uhr Morgens 25,5° und um 1 */2 Uhr Nachmittags 38,5°. Von
dem bekannten Kurorte Meran sagt Fuchs, daß vom Dezember bis
März die Nächte Winter, die Tage aber sommerliches Frühjahr
seien. Auch im Sommer ist der Unterschied zwischen Sonnen- und
Schattentemperatur bedeutender als in der Ebene. Er beträgt nach
H. Houfmann 7 im Juli und August in den Alpen 16,4°, in Gießen
(an den gleichen Tagen gemessen) dagegen nur 4,«°. Im Gebirge
ist die Luft trockener und reiner, während im Tief lande der größere
Dampfgehalt, die größere Dichtigkeit und die Trübung der untersten
Luftschichten einen beträchtlichen Teil der eingestrahlten Sonnen-
wäririe absorbiert.
Wärmeumkehr im Gebirge. Die Beobachtungen auf dem Eiffel-
türme haben uns gelehrt, daß in der Nacht der Boden regelmäßig
so stark erkaltet, daß eine Wärmeumkehr, d. h. eine vertikale
Temperaturzunahine eintritt, die aber viel geringfügiger ist, als die
Abnahme in den Tagesstunden. In Gebirgsländern kann sie jedoch
im Winter ein dauernder Zustand werden, der bei Tag wie bei
Nacht wirksam ist. Grundbedingung ist ein hoher Barometerstand,
der heiteres, ruhiges Wetter erzeugt; günstig wirkt auch eine dichte
Schneedecke, da diese durch Ausstrahlung außerordentlich intensiv
erkaltet. Diese Temperaturerniedrigung teilt sich nur den untersten
Luftschichten mit, die bei vorherrschender Windstille sich ruhig
über dem Thalboden lagern. Zwar erkalten auch die Berggehänge
und Gipfel, aber hier ist die Luft immer etwas bewegt, und die
dem Boden unmittelbar auflagernden kalten Schichten können sich
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Die Abnahme der Temperatur mit der Höhe. 59
mit den wärmeren der freien Atmosphäre mischen. Dann ragen
die Berge als Wärmeinseln aus dem kalten Meere der Thäler und
Ebenen hervor, und es können Wochen vergehen, bis der normale
Zustand wieder hergestellt ist Solche Umkelirperioden tragen natür-
lich auch dazu bei, die mittlere winterliche Temperaturabnahme
zu erniedrigen, wenn wir die Beobachtungen an Ebenen- oder Thal-
stationen der Berechnung derselben zu Grunde legen.
Geographisch bedeutsam wird die Wärmeumkehr aber nur dort,
wo sie auch in langjährigen Mittelwerten zum Ausdrucke kommt, also
zum habituellen klimatischen Charakter gehört. In den Alpen sind,
wie Hann 5 ziffernmäßig nachwies, alle Thäler, welche gegen die herr-
schende Windrichtung abgeschlossen sind, durch diese Abnormität
ausgezeichnet, und daraus erklärt es sich, daß die menschlichen
Wohnstätten mit auffallender Regelmäßigkeit selbst breite, frucht-
bare Thalsohlen meiden und sich auf die Gehänge zurückziehen.
Das Engadin und das kärntnische Drauthal sind schon lange bekannte
klassische Beispiele dafür. Sils im Engadin (1810 m hoch) ist im
.Januar (—8,o0) fast ebenso kalt als der St. Bernhard in 2478 m H. (—8,3),
und Bevers, nur 1715 m hoch gelegen, hat sogar —9,7°, ist also um
4,9° kälter als der 75 m höhere, aber isolierte Rigi. Im Drauthale
nimmt in der Regel die Temperatur normal mit der Höhe ab, im
W inter sind aber noch die Stationen in 1600 m H. wärmer als die
1000 m tieferen Thalsohlen.x Im Gebiete des ostsibirischen Kälte-
pols rufen dieselben Ursachen dieselbe Wirkung hervor. Auf dem
ca. 2200 m hohen Alihertberge ist nach Woeikow die Temperatur im
Januar um 4° höher als im benachbarten Irkutsk (460 m h.), da-
gegen im Juli in ganz normaler Weise um 6,0° und im Jahresmittel
um 5,i° tiefer.
Plateaus. Über ausgedehnten Plateaus, die stellenweise, wie
z. B. im südlichen Zentralasien, zu alpiner Höhe ansteigen, werden
die untersten Luftschichten in derselben Weise erwärmt, wie über
x
Stationen
Höhe m
! Januar
April
Juli
Oktober
Jahr
Klagenfurt
440
-6,5°
8,6°
18,9° |
8,o°
7,2«
Kappel
560
— 5,J
6,7
IV
V
6,6
Fellach
805
-4,o
5,8
15,3
7,o
6,0
Unterschäff-
ler Alpe
1063
-3,6
4,o
1
15,1 ,
6,5
5,5
Obir 1
1230
-4,3
4,«
14,o
6,1
V
Obir II
1612
-5,1
8,1
12,3
5,3
3,7
Hoch-Obir
2047
— 6,8
1,3
9,2 i
2,3
0,6
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60
Die Lufthülle.
dem Tieflande. Von einer Wärmemitteilung durch aufsteigende Luft-
massen aus der Tiefebene kann keine Kede sein, am wenigsten bei
den großen, gebirgsumschlossenen Tafelländern der Erde. Man könnte
daraus schließen, daß hier die Seehöhe ohne Einfluß auf die Tempe-
ratur sei. Allein die Beobachtungen beweisen, daß hier dasselbe
Gesetz zu Re#ht besteht, wie für die freie Atmosphäre und das Ge-
birge, nur ist die Ursache eine andere. Die Luft Uber den Hoch-
ebenen ist dünner als über dem Tieflande, daher wird der Boden
und die untere Luftschicht zwar rasch erwärmt, aber ebenso rasch
abgekühlt. An hellen Sommertagen mag es hier ebenso heiß sein,
als wenige Meter über dem Meeresniveau, aber die Nächte sind be-
deutend kälter, und dieser Gegensatz steigert sich mit der Seehöhe.
Daher muß die letztere auch in der Tagestemperatur zum Ausdrucke
kommen, denn diese ist ein 24 stiindiges Mittel, oder wenigstens auf
ein solches reduziert.
Es wäre für den Geographen von höchster Wichtigkeit, das
Maß der Temperaturabnahme auf den Hochebenen festzustellen. Leider
stoßen wir hier auf zwei bedeutende Hindernisse. Von den großen Tafel-
ländern der Erde besitzen wir — mit Ausnahme des nordameri-
kanischen — nur spärliche und kurze Beobachtungen. Wir sind ferner
meist darauf angewiesen, Plateau- und Tieflandstationen mitein-
ander zu vergleichen, aber diese liegen häufig weit entfernt vonein-
ander und stehen unter verschiedenen klimatischen Bedingungen.
Ein Vergleich der Stationen auf dem Prairienplateau und am Mississippi
ergiebt folgende Temperaturabnahme für je 100 m:
Winter 0,si0, Frühling 0,37°, Sommer 0,3i°, Herbst 0,to“, Jahr 0,38°.
Die jährliche Periode nimmt also den umgekehrten Verlauf wie
im Gebirge, weil im Sommer auch die Erwärmung der Hochflächen
eine bedeutende ist, und die Abnahme der mittleren Jahrestemperatur
ist etwas geringer. Ein etwas anderes Resultat liefert der Vergleich
von Hasaribag und Barhampur in Bengalen:
Winter 0,ii0, Frühling 0,i»0, Sommer 0,37°, Herbst 0,53°, Jahr 0,87°.
Wie die Wahl der Vergleichsstationen die höchste Vorsicht er-
fordert, zeigt folgendes Beispiel. Valparaiso und das um 489 m höher
gelegene Santiago, nur 110 km voneinander entfernt, scheinen zu
einer Untersuchung über die vertikale Temperaturänderung vollkommen
geeignet zu sein. Santiago ist im Juli (Winter) um 4,2 0 kälter als
Valparaiso, von November bis März dagegen wärmer, im Januar
sogar um 2,3°. Ist da der Schluß gestattet, daß die Temperatur im
Sommer mit der Seehöhe zunimmt? Keineswegs, denn Valparaiso
repräsentiert das unter dem Einflüsse der kalten Meeresströmung
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Die Abnahme der Temperatur mit der Höhe. 61
stehende Kiistenklima, Santiago das Binnenklima; sie sind daher nicht
miteinander vergleichbar. Santiago wäre jedenfalls noch viel wärmer,
wenn es tiefer läge. Nördlich vom 27° B. zeigen die chilenischen
Inlandstationen auch im Winter eine scheinbare vertikale Tem-
peraturzunahme, die in der Wärmeausstrahlung der kahlen Felsen
und in der Abwesenheit der Küstennebel begründet ist.
Reduktion der Temperatur auf das Meeresniveau. Von den
großen Faktoren, die die mathematische, d. h. allein von der geo-
graphischen Breite abhängige Wärmeverteilung auf der Erdoberfläche
modifizieren, haben wir den am meisten wechselnden, die Seehöhe,
soeben kennen gelernt. Wir können ihn ausschließen, indem wir
die beobachteten Temperaturen auf das Meeresniveau reduziren;
wenn wir sodann die Orte mit gleicher Temperatur durch Linien
(Isothermen) miteinander verbinden, so gewinnen wir ein einfaches
und übersichtliches Bild, das uns die Ursachen der thatsächlichen
Wärmeverteilung sofort verrät.
Die Frage nach dem besten Reduktionsmaßstahe dürfte wohl
kaum jemals mit Sicherheit zu beantworten sein. Für die beiliegen-
den Isothermenkarten wurden die von Wild benützten Werte (Ab-
nahme für 100 m im Jahresmittel 0,47°, im Januar 0,38°, im Juli
0,69°) angewendet Sie empfehlen sich deshalb, weil es sich ja meist
um Plateaustationen handelt und hier die Wärmeabnahme etwas
langsamer stattfindet als im Gebirge. Eine andere Frage ist die,
ob ein einheitlicher Maßstab für die ganze Erde an gewendet werden
darf. Solange wir über die Temperaturabnahme auf Hochebenen
nicht besser unterrichtet sind, als jetzt, ist dies Verfahren jedenfalls
nicht nur das bequemste, sondern auch sicherste. Denn wollte man
z. B. für Nordamerika und Vorderindien die auf S. 60 angegebenen
Werte benützen, so müßte man erst untersuchen, ob sie nicht bloß
lokale Bedeutung haben und auf große Länderkomplexe angewendet
werden dürfen. Wollte man aber für jeden einzelnen Fall ein eigenes
Reduktionsmaß berechnen, so käme man zu demselben Resultate,
wie wenn man alle Stationen mit größerer Seehöhe ausschließen
würde. Ein einheitlicher Maßstab liefert zwar nur ein ideales, aber
jedenfalls ein einheitliches Bild. Er muß aber auch dann in An-
wendung kommen, wenn thatsächlich die Temperatur mit der Höhe
zunimmt; denn nur auf diese Weise wird z. B. die Kälte des Thal-
bodens im Draugebiete auf der Isothermenkarte des Januar klar her-
vortreten, während eine umgekehrte Reduktion alle örtlichen Eigen-
tümlichkeiten verwischen würde. Man muß sich nur stets vor Augen
halten, was das Isothermenbild eigentlich darstellen will. Es sagt
uns nicht, so würde die Wärmeverteilung sich gestalten, wenn die
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62
Die Lufthülle.
ganze Erdoberfläche eine ununterbrochene Ebene im Meeresniveau
wäre; sondern es setzt die wirklichen Terrain Verhältnisse mit allen
ihren modifizierenden Einflüssen voraus, und elimiert nur die ther-
mische Wirkung der Seehöhe.
Litteraturnach weise. * Anoot, Sur la dccroiasance de la temperatur
dans l’air avec la bauteur, in den Comptes rendus der Pariser Akademie d.
Wissenscli. Bd. CXV, 1892. — * Finstekwaldeb u. Sohncke in der Meteoro-
logischen Zeitschrift 1894, S. 361. Vgl. auch Sohnckes akademische Festrede
„über die Bedeutung wissenschaftlicher Ballonfahrten“, München 1894. — s Hann,
Studien über die Luftdruck- und Temperaturverhältnisse auf dem Sonnblick-
gipfel, in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie d. Wissenschaften, Matli.-
naturwiss. Klasse, 1891, Bd. C. — 4 Meteorologische Zeitschrift 1886, S. 178. —
5 Hann, Die Temperaturverhältnissc der österreichischen Alpenländer, in d.
Sitz.-Ber. d. Wien. Akad. d. Wiss., Math.-naturw. Kl. 1884 — 85, Bd. XC, XC1
u. XCII. Hanns Werte für die Ostalpen, aus der Combination sämtlicher
Temperaturmittel nach der Methode der kleinsten Quadrate gewonnen, sind
wohl die zuverlässigsten, welche jemals für ein Gebirge berechnet wurden. —
8 Tbabert, Der tägliche Gang der Temperatur und des Sonnenscheins auf dem
Sonnblickgipfel, in den Denkschriften der Wiener Akademie d. Wissenseh.,
Math.-naturwiss. Kl. Bd. LIX, 1892. Die Arbeit bietet auch in theoretischer
Beziehung viel beachtenswertes. — 1 Hoffmans in der Zeitschrift der öster-
reichischen Gesellschaft für Meteorologie, 1882, S. 123.
Die horizontale Verteilung der Temperatur.
(Vergl. Karten III bis VIL)
Wir haben oben (S. 45) die relativen Wärmemengen kennen gelernt,
welche die verschiedenen Breiten von der Sonne empfangen würden,
wenn die Erde nicht von Luft umhüllt wäre. Es muß nun einen
Schritt weiter gegangen, es muß der Wärmebetrag festgestellt werden,
den die Luft bei dem Durchgänge der Sonnenstrahlen absorbiert; und
es muß endlich festgestellt werden, wie sich die verschiedenen Erd-
oberflächen zu derjenigen Wärmemenge, die bis auf den Boden ge-
langt, verhalten. Denn Land und Wasser empfangen, wenn sie auch
unter gleicher Breite liegen, wegen der ungleichen Reflexion der
Sonnenstrahlen verschiedene Wärmemengen, und zwar wie Zenkeb1
nachgewieseu hat, das Wasser überall weniger als das Land. Mit
der Polliöhe steigert sich dieser Gegensatz, weil die Reflexion mit
dem Einfallswinkel der Sonnenstrahlen wächst. Daß die Luft über
dem Lande in der Regel trockener ist, als über dem Meere, und
daher mehr Wärme durchläßt, kommt noch als weiterer Umstand
hinzu. Entscheidend ist aber nicht die Wärmeaufnahme, sondern
die Art und Weise, wie die Wärme festgehalten wird, und in dieser
Beziehung ist das Wasser im Vorteile. Auf dem Lande wird nur
eine dünne Schicht erwärmt und die Wärme rasch wieder au die
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Die horizontale Verteilung der Temperatur. 63
Luft abgegeben; das Wasser wird dagegen schon direkt bis zu grö-
ßeren Tiefen von der Sonne durchstrahlt, und außerdem gestattet
die Beweglichkeit der einzelnen Teile den während der Nacht und
im Winter erkalteten oberen Schichten, als den schwereren, zu
Boden sinken und wärmeren Schichten ihren Platz einzuräumen.
Das Land erhält viel Wärme, aber es geht verschwenderisch damit
um; das Wasser hält seinen geringeren Vorrat sparsam zusammen
und speichert Wärmemengen für die kalten Perioden auf. Daraus
folgt unmittelbar: 1) daß die Temperatur über dem Wasser
bei Nacht und im Winter höher und bei Tag und im Sommer
niedriger ist als auf dem Lande, oder mit anderen Worten, daß
das Landklima größeren täglichen und jährlichen Schwan-
kungen unterworfen ist, als das Seeklima; 2) daß die mitt-
lere Jahrestemperatur in höheren Breiten, wo die kalten
Perioden lange andauern, auf der See, in niederen Breiten
auf dem Lande höher ist.
Normale Temperaturverteilung. Wir haben bisher nur von rela-
tiven Wärmemengen gesprochen; aber diese müssen erst in die gemein-
verständliche Sprache der Temperaturgrade übersetzt werden, um für
die klimatologische Betrachtungsweise überhaupt brauchbar zu wer-
den. Das ist der heikle Punkt der modernen Methode, denn es
giebt kaum eine meteorologische Station, von der wir mit Bestimmt-
heit behaupten können, daß sie reines See- oder Landklima besitze;
und es ist daher begreiflich, wenn Zenker, der sich mit diesen
Untersuchungen hauptsächlich beschäftigt, noch immer bestrebt ist,
seine Werte zu verbessern. Die zuletzt gefundenen sind folgende:2
Breite
Landklima
Seeklima
Unterschied
(Landkliina-Seekliina)
0°
36,5°
26,i°
+ 10,4»
10
35,2
25, j
+ 9,9
20
30,»
23,o
+ 7,o
30
24,o
19,i
+ L7
40
14,7
14,3
+ 0,4
50
3,7
8,.
- 4,7
60
- 8,2
1.»
-10,1
70
-18,i
- 3,4
-14,7
80
-22,7
— 5,»
— 16,8
90
-24,»
- 6,7
-17,5
Am Äquator ist das Landklima dem maritimen am meisten über-
legen ; dann nähern sich beide Klimate immer mehr, bis sie unter
42° B. einander gleich werden; von da ab ist das Seeklima wärmer,
und es wird immer wärmer, je mehr wir uns dem Pole nähern, —
freilich unter einer Voraussetzung, die in der Natur nicht erfüllt wird:
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64
Die Lufthülle.
daß nämlich das Wasser nicht gefriert. Wir nennen die Zone zwischen
U und 42" B. die innere und die Zone . zwischen 42 und 90° B. die
äußere. Die mittlere Temperatur der Erde würde ihren höchsten
Grad erreichen, wenn die innere Zone nur aus Land und die äußere
nur aus Wasser bestünde, und im umgekehrten Falle ihren niedrigsten
Wert erlangen. Es ist leicht einzusehen, daß beide Extreme für die Be-
wohnbarkeit der Erde durch Landorganismen gleich ungünstig wären.
In Wirklichkeit liegen zwischen 80° N. und 50 *' S. Land und
Wasser in meridioualen Streifen nebeneinander, und nun tritt
nicht bloß, wie unter allen Umständen, ein Wärmeaustausch in meridio-
naler, sondern auch in ostwestlicher Richtung ein, denn stets müssen
verschieden temperierte Räume, die miteinander korrespondieren, einen
Ausgleich anstreben. Selbst wenn wir annehmen, daß im innersten Teile
der Land- und Meeresstreifen reines Land- bezw. reines Seeklima sich
noch erhalten könnte, so wird doch gegen die Ränder hin stets eine
Mischung eintreten und die beiden Klimate sich immer mehr einander
t nähern. Dieser einfachste Fall ist in Fig. 18 dargestellt Land und
Meer sind als regelmäßige Streifen zwischen 80 °N. und50°S. gedacht.
Im mittleren Meridian dieser Streifen sind den Temperaturen von
5 zu 5° diejenigen Stellen angewiesen, die ihnen nach dem Solar-
klima zukommen, und die Orte gleicher Temperatur sind durch Linien
(sog. Isothermen) miteinander verbunden. Das sind die Normaliso-
thermen unter der Voraussetzung, daß Land und Wasser in meridio-
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Die horizontale Verteilung der Temperatur. 65
nalen Streifen nebeneinander lagern; sie weichen mit Ausnahme
der Isotherme in 42° B. (in der Figur annähernd die 15" Isotherme)
überall von dem Verlaufe der Parallelkreise ab, indem sie in der
inneren Zone vom Meere gegen das Land, in der äußeren vom Lande
gegen das Meer polwärts ansteigen. Auf dem Lande treten in der
äquatorialen und polaren Zone sogar in sich geschlossene Isothermen-
systeme auf. Aber obwohl Wärmeänderungen auch in ostwestlicher
Richtung sich vollziehen, so bleibt doch stets das Grundgesetz des
solaren Klimas gewahrt, indem in jedem Meridian die Temperatur
vom Äquator gegen die Pole hin stetig abnimmt
Abweichungen. Vergleichen wir dieses Normalbild mit der
Karte der Jahresisothermen (Karte III), so werden wrir von dem hohen
Grade der Übereinstimmung beider überrascht sein, sowreit es die
Grundgesetze der Temperaturabnahme mit wachsender Breite und
der Isothermenkrümmung betrifft. Aber neben der Übereinstimmung
gewahren wir auch auffallende Abweichungen von dreierlei Art
Winde und Meeresströmungen bewirken Wärmeverschiebungen, ab-
norme Erwärmungen auf der einen und damit notwendigerweise
Erkaltungen auf der anderen Seite. Es ist eine der wichtigsten
physikalischen Thatsachen und auch für die Entwicklung des
Menschengeschlechts von weitest tragender Bedeutung, daß fast die
ganze nördliche gemäßigte und kalte Zone wärmer ist, als ihr der
Breite nach zukommt, und daß die heiße Zone, vor allem die süd-
liche, diesen uns so erwünschten Wärmezuschuß deckt. In die nörd-
lichsten Teile der Kontinente dringt das Seeklima so w'eit ein, daß
mit Ausnahme des inneren eiserfüllten Grönlands selbst die niedrig-
sten Jahrestemperaturen höher sind, als die den betreffenden Breiten
entsprechenden Werte des solaren Landklimas; offenbar eine Folge
davon, daß das Land in den höheren Breiten abbricht. Würde
Asien über den Pol mit Amerika Zusammenhängen, so würden
in 60 und 70° B. viel niedrigere Temperaturen auftreten, als es
thatsächlich der Fall ist Auch in der Tropenzone löst sich das
Land auf, auch hier siegt das See- über das Landklima, und selbst
die höchsten beobachteten Jahrestemperaturen erreichen nicht die
Wärmegrade des reinen solaren Landklimas, das einen großen Teil
der Kontinente unbewohnbar machen würde. Auf dem Indischen
Ozean bewirkt die große kontinentale Umrahmung eine deutliche
Wärmeerhöhung; hier hat sich der Ausgleich zwischen Land- und
Seeklima wirklich vollzogen, indem das erstere erniedrigt, das letztere
erhöht wurde, während im südtropischen Teile des Atlantischen
Ozeans die Strömungen den Einfluß des umgebenden Festlandes so
sehr unterdrücken, daß es entschieden als zu kalt erscheint. Da-
Si’pan, Physische Erdkunde. 2. Aufl. 5
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66
Die Lufthülle.
gegen ist der ganze Norden zu warm, und diese Abnormität tritt
besonders in den höheren Breiten schärfer hervor. Die Isothermen
dringen hier mit den warmen Meeresströmungen durch eine offene
Pforte viel weiter gegen Norden vor, als im abgeschlossenen
Pazifischen Ozean. Diese größte MeeresHäche endlich wird von dem
Landklima nur wenig beeinflußt, die Strömungen sind nicht sehr
energisch entwickelt, und die Wärmeverteilung dürfte hier am meisten
den theoretischen Voraussetzungen entsprechen.
Die Scheitel unserer Normalisothermen in Fig. 18 liegen in der
Mitte der Festländer und Meere, und die Krümmung verläuft regel-
mäßig. Bei den wirklichen Isothermen ist dies nicht der Fall, die
Scheitel sind alle nach Osten verschoben, in die Nähe der Ränder der
Kontinente und Meere, und infolge dessen sind sie am Westrande des
Festlandes mehr oder weniger scharf geknickt, während sie am Ost-
rande in sanftem Schwünge verlaufen. Die innere und äußere Zone
unterscheiden sich nur insofern, als dort die polwärts, hier die äquator-
wärts gerichteten Scheitel geknickt sind ; dort liegt die abnorme Stelle
an der Vorderseite, hier im Rücken der herrschenden Winde, aber in
beiden Fällen sind die Winde die Ursachen der Verschiebung.
Diese Isothermengestaltung ist nur der Ausdruck des Gesetzes,
daß die Westküsten in höheren Breiten wärmer, in niederen Breiten
kälter sind als die Ostküsten. Theoretisch sollten ja beide Küsten
nahezu gleich warm sein, unter dem Einfluß der Westwinde verschiebt
sich aber in der äußeren Zone unserer Halbkugel das Seeklima im
Westen weit in das Land hinein, und ebenso verschiebt sich das
Landklima gegen die Ostküste und macht seinen erkältenden Ein-
fluß noch weit in das Meer hinaus geltend. In der Zone der
Passate sind auch die von diesen Seewinden getroffenen Küsten die
wärmeren, aber die Verkettung von Ursache und Wirkung ist hier
eine andere. Hier schiebt sich ein Zwischenglied ein, das wir erst
später genauer kennen lernen werden: die Erkaltung des Meerwassers
an den Westküsten Afrikas und des tropischen Amerikas durch Auf-
steigen von Tiefenwasser und Zufluß polaren Wassers. Wo dieses
kalte Küstenwasser fehlt, wie in Australien, da ist die Ostküste die
kühlere, weil sie vom Seewind Uberweht wird und das tropische
Seeklima ja kälter ist als das Landklima.
Die dritte Unregelmäßigkeit besteht endlich in der stellenweisen
Wärmezunahme mit wachsender Breite. Der Grund liegt in der
horizontalen und vertikalen Gliederung des Festlandes, im Wechsel
von Land und Wasser längs eines Meridians, in Vegetationsverhält-
nisseu, in Meeresströmungen u. s. w. Verbindet man, wie es auf
Karte VII geschehen ist, die heißesten Punkte der Meridiane mitein-
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Die horizontale Verteilung der Temperatur. 67
ander, so erhält man den thermischen Äquator, der in höchst
unregelmäßiger Weise zwischen 26° N. und 9° S. hin und her
schwankt und den mathematischen Gleicher stellenweise kreuzt
Daß er im Pazifischen Ozean auf die Südhemisphäre hinübertritt, ist
wohl in den Strömungsverhältnissen begründet, sonst liegt er aber
fast durchaus auf unserer Halbkugel und bewegt sich auf den Fest-
ländern am weitesten polwärts. Warum er in Afrika, wo am wirk-
lichen Äquator doch auch breites Land ist, so weit nach Norden
sich verschiebt, mag auffallen, ist aber ohne weiteres erklärlich,
wenn man erwägt, daß er eine Wüste durchzieht, die im Sommer
außerordentlich sich erhitzt und ihre Wärme den untersten Luft-
schichten mitteilt, während am Gleicher das Land mit Vegetation
bedeckt ist. Deshalb liegt auch in Amerika die heißeste Stelle nicht
im üppig bewaldeten Äquatorialstreifen, sondern im trockenen
Binnenlande Mexicos.
Ob die Pole die kältesten Punkte der Erdoberfläche sind, wie
es das solare Klima verlangt, wissen wir nicht In Bezug auf den
Südpol läßt sich nicht einmal eine Vermutung aussprechen, auf der
nördlichen Halbkugel deutet manches darauf hin, daß der thermische
Pol etwas gegen Amerika verschoben ist Der kälteste Ort, von dem
wir eine zusammenhängende Beobachtungsreihe haben, ist die Lady
Franklin-Bay an der Ostküste von Grinnellland (82° 27' N.) mit
einer mittleren Jahrestemperatur von — 20°. Außer dem hypothe-
tischen Kältepole giebt es aber noch ein paar Kältezentren, wo
nach allen Seiten, auch gegen Norden die Temperatur abnimmt:
das eine im grönländischen Inlandeise, das andere in Ost-
sibirien, das aber auf unserer Karte nicht zur Darstellung gelangt,
weil die geschlossene Isotherme von — 17° im Janagebiete in das
von uns adoptierte Dezimalsystem nicht hineinpaßt Auffallender-
weise finden wir in Nordamerika kein Gegenstück dazu; es erklärt sich
das, wenn auch noch keineswegs zur vollen Befriedigung, aus der
winterlichen Wärmeverteilung, zu deren Besprechung wir jetzt über-
gehen.
Wärme Verteilung in den extremen Monaten3. Die mittlere Jahres-
temperatur ist eigentlich ein imaginärer Wert, denn die Sonne wandert
im Verlaufe eines Jahres von einer Hemisphäre zur anderen, und
mit ihr das ganze Isothermensystem, der Wärmeäquator sowohl, wie
die beiden Grenzlinien zwischen der inneren und den äußeren Zonen.
Nur in den Ubergangsjahreszeiten nähert sich die Wärmeverteilung
dem mittleren Zustande, im Januar und Juli weicht sie am meisten
davon ab. Aber nicht im gleichen Sinne. Alles was wir früher
als Abweichung vom Normalen bezeichnet haben, gelangt in der
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Die Lufthülle.
inneren Zone im Sommer, in der äußeren im Winter zur höchsten
Entfaltung. In diesen Jahreszeiten bleibt für die betreffende Zone
der Charakter der Jahresisothermen zwar gewahrt, ist aber bis zum
Extrem verzerrt. Man ersieht das am besten aus der Knickung
der Isothermen, die immer einen schroffen Übergang vom See- zum
Landklima unter gleicher Breite anzeigt Im Sommer schwächt sich
in der äußeren und im Winter in der inneren Zone der Gegensatz von
Wasser und Land ab, und der Einfluß der Polhöhe gewinnt an
Bedeutung.
Der thermische Äquator liegt im Januar (s. Karte IV) zum
größten Teil in der Südhemisphäre, am weitesten ausgebuchtet auf
den Kontinenten, wo in den trockenen Gebieten die Hitze über 30°
steigt, in Südamerika allerdings nur im westlichen Argentinien, wäh-
rend das innere Australien ein wahrer Glutofen ist, ähnlich wie die
Wüstendistrikte Nordafrikas und Vorderasiens im Juli. Die innere
Zone umfaßt alle südlichen Festländer, auf unserer Halbkugel be-
ginnt die äußere Zone aber schon zwischen 10° und 20° B. Unsere
Aufmerksamkeit wird hier weniger durch die pazifischen Verhält-
nisse gefesselt, als durch jene im Umkreise des Atlantischen Ozeans
vom Felsengebirge bis zum Ostrande Asiens. Hier wirkt der Golf-
strom in der That als Warmwasserheizung, aber nur das europäische
Gestade überfluten die herrschenden Westwinde mit lauen atlan-
tischen Lüften, an der Ostküste der alten und neuen Welt kommen
sie als kalte Landwinde au. Der Gegensatz von West und Ost
wird noch dadurch verschärft, daß die Seewinde an den Westküsten
feucht sind: der bewölkte Himmel hindert die Ausstrahlung, die bei
der Kondensation des Wasserdampfes frei werdende Wärme erhöht
die Temperatur. Die entgegengesetzte Wirkung hat das trockene
klare Wetter an der Ostküste Asiens. Dagegen sind die kalten
Polarströme an den Ostseiten der Nordkontinente von geringerer
thermischer Bedeutung. Sie sind schmal, und ihre Temperatur wird
nicht durch die herrschenden Winde den benachbarten Küsten-
strichen mitgeteilt, wie die der warmen Strömungen den westlichen
Gestaden. Nur in der nordostasiatischen Inselwelt, die an der
Westküste von einem Zweige des warmen Kuro Schio und an der
Ostküste von einer kalten Strömung aus dem Ochotskischen Eis-
meere berührt werden, entstehen Gegensätze, die im Kleinen den
Kontrast zwischen den West- und Ostseiten der Kontinente wieder-
holen. Noch gewaltiger ist der Unterschied zwischen dem winter-
lichen Land- und Seeklima. Der Ostschenkel der atlantischen Iso-
thermenknickung nimmt einen meridionalen Verlauf, ja wendet sich
zum Teil sogar widersinnig gegen Südwesten und Westen. So wird
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Die horizontale Verteilung der Temperatur.
69
die Wärmeabnahme in der alten Welt von West nach Ost stärker als
von Süd nach Nord. Zwischen der südlichsten und nördlichsten
Stadt Europas, Tarifa und Hammerfest, beträgt sie durchschnittlich
für 100 km 0,44°, dagegen zwischen Europa und Westsibirien, auf
das gleiche Maß reduziert, im 56. Parallel 0,6i° und im 63. sogar
0,82°. Die 0°- Isotherme überschreitet an der norwegischen Küste
den Polarkreis, sinkt im östlichen Asien bis zum 34. Breitengrade
herab, steigt dann in Japan wieder bis 40 0 und an der amerikanischen
Westküste bis 59°, um im Innern der Union bis 38° herabzusinken
und die Ostküste unter ca. 40° B. zu erreichen. Schanghai unter
der Breite von Alexandrien hat dieselbe mittlere Januartemperatur
wie Thorshaven auf Färöer unter 62 0 B. und die amerikanische Ost-
küste in der Breite von Sizilien. Am schroffsten sind die Gegen-
sätze an den atlantischen Gestaden, wo in Kristiansund und Aale-
sund an der norwegischen Küste die mittlere Tagestemperatur nie
unter 0° sinkt, während an der amerikanischen selbst die mittlere
Monatstemperatur auf —20° und darunter fällt.
Alle Isothermenkarten verzeichnen in Ostsibirien ein Kälte-
zentrum von enormer Tiefe. In Breiten, wo die Lufttemperatur auf
dem Atlantischen Ozean sich über dem Gefrierpunkte hält und die
norwegische Küste so warm ist, wie das pontische Gestade Süd-
rußlands, beträgt die mittlere Jahrestemperatur in Jakutsk (62° N.)
— 42,8°, sie sinkt in Werchojansk am Janaflusse auf —52,7° und
steigt in Ustjansk an der arktischen Küste wieder auf —41,4°. Dies
ist die Gegend, wo überhaupt die tiefsten Temperaturen beobachtet
wurden: so in Irkutsk —62° und in Werchojansk —68°, während
als absolutes Minimum auf der westlichen Hemisphäre (am Floebcrg
Beach) bisher nur —58,7° notiert wurde. Indes hat Woeikow
Zweifel an der Richtigkeit der üblichen Darstellung, der auch wir
gefolgt sind, ausgesprochen. Er hat darauf aufmerksam gemacht,
daß die Stationen hier alle in den Thälern liegen, und daß aller
Wahrscheinlichkeit nach die Temperatur im Winter mit der Höhe
zunimmt. Die tiefsten geschlossenen Isothermen müßten also schmale
Kältebänder entlang den Flußläufen umsäumen, anstatt in weiter
Ausdehnung Berg und Thal zu umschließen. Aber selbst wenn wir
uns dieser Auffassung anschließen, eines ist unzweifelhaft, die außer-
gewöhnliche Erkaltung Ostsibiriens im Vergleiche zu den Binnen-
landschaften Nordamerikas in gleicher Breite. Wir werden bei
Besprechung der Luftdruckverteilung in Ostsibirien ebenso abnorme
Verhältnisse ausgebildet finden, und unzweifelhaft besteht zwischen
beiden meteorologischen Elementen eine Wechselbeziehung. Schon
an der Grenze zwischen West- und Ostsibirien sinkt das Tliermo-
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70
Die Lufthülle.
meter bei Windstille im Winter außerordentlich tief, während alle
stärkeren Winde die Temperatur erhöhen, gleichgültig aus welcher
Himmelsrichtung sie wehen. Bei Windstille stagnieren die durch
die heftige Ausstrahlung des schneebedeckten Bodens erkalteten
unteren Luftschichten, und es kommt, um sehr tiefe Temperatur-
grado zu erzeugen, nur darauf an, daß Kalmen vorherrschen. Das ist
nun in Ostsibirien der Fall. Die hügelige Natur des ganzen Landes,
die ziemlich hohe Scheidewand, die das Stanowoi-Gebirge zwischen
Ostsibirien und dem Pazifischen Ozean aufrichtet, hindern den
Abfluß der kalten Tiefenluft zu den umgebenden Gebieten niederen
Barometerstandes; während die Luft des canadischen Mackenzie-
beckens, das sonst unter ähnlichen Bedingungen steht, wie Ostsibirien,
nach Norden, Osten, Süden freie Bahn findet.
Ein zweites Kältezentrum bildet die Eiswüste Grönlands, wo
Nansen in Seehöhen von über 2000 m schon im September 1888
Nächte erlebte, in denen sein nur bis —30° gehendes Thermometer
völlig versagte. Mohn4 berechnete auf konstruktivem Wege ein
Minimum von — 45 °! Es dürfte also das grönländische Kälte-
zentrum dein ostsibirischen nicht viel uachgeben, ja vielleicht es
sogar übertreffen, aber trotzdem möchten wir es vermeiden, beide
Gegenden, wie üblich, als Kältepole zu bezeichnen, solange wir
über die Verhältnisse um den mathematischen Pol noch gänzlich
im Unklaren sind. Sicher befindet sich auch hier ein Kältezentrum,
aber welches von den dreien oder ob alle drei den Namen Kältepol
verdienen, das zu entscheiden muß der Zukunft Vorbehalten bleiben.
Im Juli (s. Karte V)- steigt der Wärmeäquator weit in unsere
Hemisphäre hinauf, besonders in Asien und Nordamerika, wo er
dem 30. Parallel sich nähert, vielleicht ihn sogar überschreitet.
Auch hier sind wieder Mitteltemperaturen über 30° an die vege-
tationsarmen Gebiete gebunden; am heißesten ist die Sahara. Die
Grenze zwischen der inneren und äußeren Zone liegt in Australien
und Südamerika in ca. 20° B., auf der nördlichen Halbkugel um-
faßt die innere Zone die Kontinente bis über 70° B., mit Ausnahme
von Grönland. Überall ist das Meer kälter als das Land, die
Isothermen steigen auf dem Festlande polwärts an, und senken
sich auf der See äquatorwärts, aber die Wärmeunterschiede sind
im allgemeinen docli nicht so groß als die entgegengesetzten im
Januar; nur im westlichen Nordamerika zeigen die dichtgedrängten
meridionalen oder sogar übergekippten Isothermen eine beispielslos
rasche Wärmezunahme von der Küste nach dem Inneren des Landes
an. San Diego am californischen Gestade, das unter dem Einflüsse
einer kühlen Meeresströmung und vorherrschender Seewinde steht,
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Die horizontale Verteilung der Temperatur. 71
hat eine mittlere Jahrestemperatur von 21,3°, das nur 240 km davon
entfernte Fort Yuma in der Coloradowüste dagegen 34, i°. Das
ergiebt in östlicher Richtung eine Wärmesteigerung von 1° für
nicht ganz 19 km.
Das sibirische Kältezentrum ist verschwunden, selbst Werchojansk
hat eine mittlere Julitemperatur von 14, und ist beträchtlich wärmer
als Nordamerika unter gleicher Breite, das schutzlos den polaren
Winden preisgegeben ist.» Man beachte besonders, wie die tief
eindringende Hudsonbai, die erst spät ihr Eis verliert, die Iso-
thermen nach Süden zurückdrängt. So wird Labrador, in der Breite
von England und Norddeutschland, eines der unwirtlichsten Länder,
denn nicht die mittlere Jahrestemperatur und die Winterkälte
ist entscheidend für den Kulturwert eines Landes, sondern die Sommer-
wärme. Abgesehen vom Pole dürfte die kälteste Gegend das Eis-
plateau des inneren Grönlands sein, denn obwohl hier die Wärme-
zufuhr eine beträchtliche ist, so geht sie doch größtenteils im Tau-
prozesse wieder verloren, so daß die Luft niemals dauernd über 0°
erwärmt werden kann. Soweit aber sonst die Beobachtungen reichen,
sinkt die mittlere Monatstemperatur nirgends unter den Gefrierpunkt,
während auf der südlichen Hemisphäre Ross im Jahre 1843 schon
in der' Breite von Island einen Januar mit —0,7° Mitteltemperatur
verlebte.
Auf dieser Halbkugel nehmen die Isothermen einen einfacheren
Verlauf als im Sommer, weil die Kontinente nicht in hohe Breiten
hineinreichen. Die West- und Ostküsten von Afrika und Süd-
amerika zeigen dasselbe thermische Verhalten wie im Januar, nur
ist die Wärmedifferenz in der Nähe des Äquators größer, weiter
gegen Süden aber kleiner als im heißesten Monat. Den schärfsten
Gegensatz bilden die brasilianische und die peruanische Küste. Lima
unter 12° B. und 172 m ü. M. hat eine mittlere Julitemperatur von
14,7°, die im Osten erst unter 27° B. erreicht wird. Der Unter-
schied von 15 Breitengraden wird zwar auf der Nordhemisphäre
übertroffen, aber nirgends finden wir wieder eine so niedrige Tem-
peratur so nahe dem Äquator.
Durchschnittstemperatur der Parallelkreise, Meridiane, Erdteile
und Meere; Isanomalen. Nach den Isothermenkarten hat zuerst Dove
die „Normaltemperaturen“, richtiger gesagt, die Durchschnitts-
temperaturen der Parallelkreise berechnet, und in neuester
Zeit hat Spitaler mit Zuhilfenahme des inzwischen reichlich ange-
wachsenen Beobachtungsmaterials, wie es in Hanns Isothermenkarten
niedergelegt ist, diese Operation wiederholt.5 Ich füge seinen Ergeb-
nissen nur noch einige Berichtigungen hinzu, die die neueste
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Die Lufthülle.
72
Konstruktion der Grönland-Isothermen durch Mohn notwendig
machten.
Durchschnittstemperaturen der Breitengrade.
Breite
Jahr
Januar
Juli
Breite
Jahr
Januar
Juli
80" N.
-17,o»
-32,»°
2,3°
10» N.
26,«
25,3
26,3
70
-10,3
-26,.
6,8
0
25,o
26,2
25,8
60
— 0,8
-16,o
14,1
10 S.
25,o
25,9
24,o
50
5,«
— 7,3
18,1
20
22,3
25,s
20,s
10
14,o
3,.
23,8
30
18,o
22,8
15,9
30
20,«
13,3
27,.
40
11,8
16,i
9,3
20
25,t
21,3
28,1
50
5,9
8,.
3,3
Der Gegensatz zwischen den beiden Halbkugeln springtaus diesen
Zahlen sofort in die Augen, nur muß man den nördlichen Januar mit
dem südlichen Juli und umgekehrt vergleichen. Im wärmsten Monat ist
die ganze nördliche Hemisphäre w'ärmer, als die südliche, im kältesten
aber nur vom Äquator bis 26, 2 0 B., und im Jahresmittel nur zwischen
0 und 45,3° B. In den höheren Breiten, wenigstens bis zum mut-
maßlichen anarktischen Festlande, liegt das thermische Übergewicht
auf der südlichen Halbkugel, in deren ununterbrochenen Wassergürtel
hier nur noch ein schmaler Ausläufer der neuen Welt hineinragt.
Was wir oben (s. S. 63) Uber das Verhältnis von Land- und Seeklima
in verschiedenen Breiten sagten, findet also hier wieder seine Be-
stätigung. Im kältesten Monat hat die nördliche, vorwiegend Land-
hemisphäre eine Mitteltemperatur von 8,0 die südliche, ozeanische
eine solche von 12,3°; im wärmsten Monat hat die erstere 22, s°,
die letztere nur 17,5°. Im Jahresmittel gleichen sich die Gegensätze
wahrscheinlich ganz aus, so daß die Durchschnittstemperatur jeder
Halbkugel etwa 15° beträgt.
Man hat auch sog. Durchschnittstemperaturen für die ein-
zelnen Breitenzonen (Spitaler, v. Tillo8), für die Meridiane (Buys-
Ballot7) und für die Erdteile und Meere (v. Tillo8) berechnet; alle
diese Zahlenreihen variieren nur das Grundgesetz von dem Gegensätze
des Land- und Seeklimas. Noch deutlicher kommt dies auf den Isa-
nomalenkarten zum Ausdrucke.
Die Berechnung der fälschlich sogenannten Normaltemperaturen
führte Do ve zur Aufstellung des Begriffes der thermischen Ano-
malie. Man versteht darunter die Abweichung der Temperatur eines
Ortes von der Durchschnittstemperatur seiner Breite. Ist die Ano-
malie positiv, so gilt der betreffende Ort als zu warm, im entgegen-
gesetzten F alle als zu kalt. In neuerer Zeit hat auch Spitaler 6 Karten
entworfen, auf welchen die Orte gleicher Anomalie durch Linien,
sogenannte Isonomal en miteinander verbunden sind. Auf Taf. VI
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Die horizontale Verteilung der Temperatur. 73
ist die Anomalie in beiden extremen Monaten zur Darstellung ge-
bracht
Konstant zu warm sind die Westseiten der nordhemisphärischen
Festländer, aber aus orographischen Gründen in sehr verschiedener
Ausdehnung. Denn während in Amerika das Cordillerensystem der
Seeluft nicht gestattet über den schmalen pazifischen Küstenstrich
*»• 90° w. o° O f)o° *80°
In Fig. 19 und 20 bedeutet N die Durchschnittstemperatur des betreffenden Breiten-
grades, -f bedeutet positive, — negative Anomalie. Anomalie im Januar.
Anomalie im Juli.
binnenwärts vorzudringen, werden im offen liegenden Westeuropa
ausgedehnte Länder derWohlthat der atlantischen Winterwärme teil-
haftig. Zu kalt sind die Ostseiten, und auch darin zeigt sich wieder
die Bevorzugung der alten Welt. In den übrigen Gebieten wechselt
die thermische Anomalie im Laufe des Jahres ihre Zeichen: die
Meere sind im Winter zu warm uiid im Sommer zu kalt, das Innere
der Kontinente ist im Sommer zu warm und im Winter zu kalt.
So ordnen sich etwa nördlich von 20° N. die vier Arten der ther-
mischen Anomalie in meridionalen Streifen an. Aus Fig. 19. wird
dies noch deutlicher, wir ersehen daraus aber auch, daß die winter-
lichen Anomalien viel größer sind, als die sommerlichen. Umgekehrt
verhält es sich aber in den Tropen (vgl. Fig. 20), wo die Erhitzung
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74
Die Lufthülle.
des Festlandes durch die senkrechten Sonnenstrahlen entscheidend
wirkt. Aber im großen und ganzen entspricht die Temperaturver-
teilung in den Tropen viel mehr dem solaren Klima, als in unseren
Breiten; es gilt der allgemeine Satz, daß die Anomalie um so größer
wird, je mehr die Isothermen von den Parallelkreisen abweichen.
Innerhalb des circumterranen Ozeans können nur Meeresströmungen
kleine Anomalien hervorrufen.
Auch in den Tropen wechseln die vier oben genannten Arten
der Anomalien miteinander ab; aber die permanent kalten Gebiete
liegen nun im Westen, die permanent warmen Gebiete im Osten der
Festländer, — Australien ausgenommen. Bemerkenswert ist der
große Gürtel beständiger positiver Anomalie, welcher sich zwischen
10 und 20 ü S. fast um die ganze Erde schlingt, nur unterbrochen
durch die verhältnismäßig kalten Meeresräume im Westen Afrikas
und Südamerikas.
Temperaturzonen. Wenn wir das , wTas über die horizontale
Wärmeverteilung bisher gesagt wurde, überblicken, so ergiebt sich,
daß das wirkliche Klima zwar auf dem solaren beruht, aber stellen-
weise mehr oder minder beträchtlich von demselben abweicht. Die
alten Klimagürtel (s. S. 46) aufrecht zu erhalten, ist unter solchen
Umständen vergebliches Bestreben, denn was nützt eine Regel, wenn
die Ausnahmen überwiegen? An die Stelle von Wende- und Polar-
kreisen, die die mathematischen Zonen begrenzen, sind also Iso-
thermen zu setzen (s. Taf. VII).
Für die Polargrenzen der warmen Zone eignen sich am
besten die Jahresisothermen von 20°. Sie fallen im großen und
ganzen zusammen mit den Polargrenzen der Palmen, die Gbisebach
den reinsten Ausdruck des Tropenklimas nannte, und auch mit
jenen der Passatwinde, die — w'ie wir später sehen werden — für die
warmen Erdgegeuden so sehr charakteristisch sind. Für die Abgren-
zung der gemäßigten von den kalten Zonen habe ich ursprünglich
die Jahresisotherme von 0° vorgeschlagen. Dieselbe hat allerdings
zunächst nur theoretische Bedeutung, aber praktisch doch auch in-
sofern, als innerhalb der 0°-lsotherme beständiges Bo den eis vor-
kommt. Nach Wilds Annahme tritt es dort auf, wo die Jahres-
temperatur — 2° beträgt; in der That ist aber seine Verbreitung
von einer Reihe anderer Umstände abhängig, unter denen, wie Woeikow
gezeigt hat, der Schnee am wichtigsten ist. Als schlechter Wärme-
leiter schützt die Schneedecke den Boden vor Ausstrahlung, und ein
Eisboden entwickelt sich erst dort, wo die Jahrestemperatur unter
— 5° herabsinkt; während dort, wo sie fehlt, wie z. B. in weiten
Gebieten Zentralasiens, der Boden schon bei höheren Mitteltem-
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Die horizontale Verteilung der Temperatur.
75
peraturen in einer gewissen Tiefe dauernd gefriert. Es ist auch
mit Recht der Einwurf erhoben worden , daß jenseits der Nulliso-
therme sehr verschiedene Klimate existieren, verschieden nämlich)
wenn wir den Einfluß des Klimas auf die Pflanzenwelt und damit
auch auf den Menschen berücksichtigen. Allen Anforderungen einer
guten Grenze entspricht dagegen die 10°-Isotherme des wärmsten
Monats. Die Sommerwärme ist für die Vegetation entschei-
dend, die Winterkälte ist ohne Einfluß. Wo die Mitteltemperatur
des wärmsten Monats 10 u nicht mehr erreicht, da ist Waldwuchs
und Getreidebau ausgeschlossen, und damit nehmen die menschlichen
Kulturformen eine andere Gestaltung an.
Den Unterschied der mathematischen Klimagürtel und unserer
Teiuperaturzonen entnimmt man deutlich aus folgenden Zahlen:
Grenze zwischen der
Mathem.
Zonen
T emperaturzonen
Mittlere
Lage
Extreme
..... j
uördl. kalten u. gemäß. Zone . .
66° 27' N.
67° 3' N.
72° 54 */i”
nördl. gemäß, n. wannen Zone .
23 27
30 31
38 22*/»
südl. wannen u. gemäß. Zone
23 27 S.
26 58 S.
36 12
Biidl. gemäß, u. kalten Zone . .
66 27
47 58
54 V. 44.
Aus der mittleren Lage der Grenzisothermen können wir die
Flächen der Temperaturzonen berechnen:
Mathem.
Zonen
Temperatur-
Zonen
Mill.
qkm
Nördl. kalte Zone . .
. . . . j| 21, J*
20,26
Nördl. gemäßigte Zone
.... 132,«i
105,67
Nördl. warme Zone .
.... | 101, u
129,0*
Südl. warme Zone
.... 1 101,12
115,21
Südl. gemäßigte Zone
.... 132,61
73,19
Südl. kalte Zone . .
. . . . 21,2«
65,97
Die warmen Temperaturzonen sind ausgedehnter als der Gürtel
zwischen den Wendekreisen, eine Folge der großen Entwicklung
der Kontinentalmassen zu beiden Seiten des Äquators. Aus dem-
selben Grunde nimmt auch die südliche ■warme Zone eine kleinere
Fläche ein, als die nördliche. Das entscheidende ist aber die ge-
waltige Ausdehnung der südlichen kalten Zone. Das ist die Wirkung
des circumterraneu Meeres. Wo Südamerika weiter in dieses Meer
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76
Die Lufthülle.
hinausragt, da springt auch die 10° -Isotherme weiter als irgendwo
anders gegen den Pol vor. Nun haben wir allerdings einigen Grund
anzunehmen, daß um den antarktischen Pol sich ein Festland lagert,
aber für die Temperaturzonen bleibt dies gleichgültig. Kontinente
sind machtlos, wenn sie nicht in einem breiten Zusammenhänge mit
dem Festlande der gemäßigten und warmen Zone stehen. Wenn ein
großes Südpolarland existiert, so ist es unter einer Eisdecke begraben,
wie das Innere Grönlands. —
Von wesentlich anderen Gesichtspunkten ging Koppen8 bei der
Aufstellung seiner Wärmezonen aus. Er begrenzt dieselben nicht
durch Isothermen, sondern berücksichtigt nur die Dauer gewisser
Temperaturen, und zwar ohne Reduktion auf das Meeresniveau. Als
Schwellenwerte sind 20° und 10° angenommen; über 20° nennt
Koppen heiß, 10 — 20“ gemäßigt, unter 10° kalt.
Im tropischen Gürtel Köppens sind alle Monate heiß, im
subtropischen wenigstens 4, höchstens 11. Der gemäßigte
Gürtel charakterisiert sich dadurch, daß wenigstens 4 Monate ge-
mäßigtsind; eine Untereinteilung in drei Gürtel wird hier für notwendig
erachtet Der konstant gemäßigte kommt nur auf den Ozeanen, der
sommerheiße nur auf dem Festlande vor; nur der dritte, mit ge-
mäßigtem Sommer und kaltem Winter breitet sich, von einer großen
Unterbrechung in Sibirien abgesehen, rings um die Erde aus. Auf
den gemäßigten Gürtel folgt der kalte, in dem höchstens 4 Monate
gemäßigt, die übrigen kalt sind; endlich der polare Gürtel: alle
Monate kalt.
Der polare Gürtel Köppens fällt also mit unserer kalten Zone
zusammen, die 20 “-Isotherme durchschneidet aber verschiedene
Dauergebiete. Zwischen der einen und der anderen Einteilung zu
wählen, liegt kein Grund vor; mau kann beide mit Nutzen neben-
einander gebrauchen. Unsere Einteilung hat den, besonders in
didaktischer Beziehung nicht zu unterschätzenden Vorzug der Ein-
fachheit, sie schließt sich den althergebrachten Klimazonen möglichst
an, und endlich kommt den Grenzlinien, wie wir gesehen haben,
auch eine reelle Bedeutung zu. Dagegen ist Köppens Gesichtspunkt
für viele, namentlich pHanzengeographische Untersuchungen im hohen
Grade fruchtbringend, wenn wir uns auch nicht verhehlen können,
daß seine Einteilung einer viel größeren Spezialisierung fähig ist
und diesem Schicksale auch nicht entgehen wird, freilich um sich
damit immer mehr von der Forderung klarer Übersichtlichkeit zu
entfernen. Man wird dann anfangen, Karten für die Dauer ver-
schiedener Schwellenwerte gesondert zu entwerfen, wie das für Europa
bereits geschehen ist.9 Überhaupt sucht man jetzt in der Klima-
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Die horizontale Verteilung der Temperatur.
77
tologie nach neuen Methoden. Es möge hier nur eine erwähnt
werden. Wir arbeiten jetzt ausschließlich mit arimethischen Mitteln
der Temperatur, des Regens u. s. w. Neben denselben lassen sich
aber aus den meteorologischen Beobachtungen noch andere Werte
ableiten, und unter diesen hat der Scheitelwert, der vorherrschende
oder wahrscheinlichste Wert, unzweifelhaft eine bedeutende Zukunft
in der Klimatologie.10 Um das Verhältnis des Mittelwertes (M) zum
Scheitelwert (S) klar zu legen, habe ich nach Meyer die Temperaturen
zu Breslau, 6h früh, für die Periode 1876 — 85, zusammengestellt.
Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.
M. —3,o —0,8 0,2 4,j 8,o 13,9 15,« 14,3 11, 1 6,« 1,9 — l,i
S. —0,8 1,8 0,1 2,2 8,0 12,2 14,1 13,2 11,2 6,8 1,3 0,«
M-S. —2,4 —2,8 —0,2 +2,2 +0,9 +1,7 +1,3 +1,1 —0,1 —0,1 +0,6 —1,8
Die Scheitelwerte sind also höher in der kalten, die Mittelwerte
in der warmen Jahreszeit. Im Januar z. B. kommen Temperaturen
zwischen — 2,i bis —3° nur in 5, s, Temperaturen von — 0,i bis — 1°
aber in 1 0,z Prozent aller Fälle vor. Mit anderen W orten : von allen Tempe-
raturen ist in Breslau im Januar um 6h früh nicht die Mitteltemperatur
von —3°, sondern eine viel mildere, nämlich — 0,«° die wahrscheinlichste.
Eine kartographische Darstellung der mittleren Maxima und
Minima hat van Bebber11 versucht. Das Bild der Januar- und
Juliisothermen kommt hierin in verschärfter Weise zum Ausdrucke.
Mittlere Maxima von 40° und Minima von —50° kommen aus-
schließlich auf dem Festlande vor.
Litteraturnachweise. ' Zenker, Die Verteilung der Wärme auf der
Erdoberfläche, Berlin 1888. — 8 Zenker in der Meteorologischen Zeitschrift
1892, S. 336 u. 380; 1893, S. 340; in Petebmanns Mitteilungen 1893, S. 39. —
3 Isothermenkarten für alle Monate hat seit Dove erst wieder Buchan (im
Challenger- W erk, PhysicB and Chemistry, II. Bd., London 1 889), leider im Fahrenheit-
Maße veröffentlicht. — 4 Mohn und Nansen, Nansens Durchquerung von
Grönland, Gotha 1892 (105. Ergänzungsheft zu Petebmanns Mitteilungen). —
3 Spitaler, Die Wärmeverteilung auf der Erdoberfläche, in den Denkschriften
d. Wiener Akademie d. Wissenschaften, math.-naturwiss. CI., 1886, Bd. LI.
Isanomalenkarte des Jahres in Petebmanns Mitteilungen 1887, des Januar und
Juli ebendas. 1889. Neue „Normaltemperaturen“ hat Pkecht (Meteorologische
Zeitschrift 1894, S. 81) unter der Voraussetzung berechnet, daß Land und Wasser
überall gleich verteilt sind. Es sind dies also völlig imaginäre Werte. Auf die
Bezeichnung Normaltemperaturen haben nur die auf S. 64 mitgeteilten An-
spruch. — * v. Tillo, Recherches sur la repartition de la temperature et de
la pression atmospherique k la surface du globe, St. Petersburg 1887. —
1 Bcys-BALLOT, Verdeeling der Wärmte over de Aarde, Amsterdam 1888. —
8 Kuppen, Die Wärmezonen der Erde, in der Meteorologischen Zeitschrift 1884. —
* Supan, Die mittlere Dauer der Wärmeperioden in Europa, in Petebmanns Mit-
teilungen 1887. — 10 H. Meter, Anleitung zur Bearbeitung meteorologischer Be-
obachtungen, Berlin 1891. — 11 van Bebber in Petebmanns Mitteilungen 1893, S. 273.
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78
Die Lufthülle.
Die Schwankungen und die mittlere Veränderlichkeit
und Abweichung der Temperatur.
(Siehe Karte VIII.)
Die tägliche Wänneschwankung. Das Klima eines Landes wird
nicht bloß durch die mittleren Temperaturen des Jahres und der
Monate, sondern auch durch die Schwankungen und die Veränder-
lichkeit der Wärme charakterisiert. Wie alle meteorologischen Ele-
mente hat auch die Temperatur eine dreifache Periode, eine
tägliche, eine jährliche und eine cyklische; von der letzteren werden
wir bei einer anderen Gelegenheit sprechen.
Das tägliche Minimum und Maximum fällt nicht mit dem
tiefsten und höchsten Sonnenstände zusammen, sondern verspätet
sich um ein paar Stunden. Das Minimum tritt ein, wenn die Aus-
strahlung der tagsüber empfangenen Wärme ihren Höhepunkt erreicht
hat, im Seeklima 1 — 2h vor Sonnenaufgang, an kontinentalen Orten
dagegen bei Sonnenaufgang oder einige Minuten nachher. Ihr
Maximum erreicht die Wärme auf dem Meere und an den Küsten
zwischen 12 und lh mittags und im Sommer etwas früher als im
Winter, auf den Kontinenten dagegen zwischen 2 und 3h nachmittags
und im Sommer etwas später als im Winter.
Den mittleren Unterschied zwischen der höchsten und tiefsten
Tagestemperatur, wie sie am Maximum-Minimum-Thermometer ab-
gelesen werden können, nennt man die unperiodische tägliche
Wärmeschwankung (Amplitude), die Differenz zwischen der
größten und kleinsten Ordinate der mittleren Tageskurve dagegen
die periodische. Unmittelbar läßt sich diese nur durch wenigstens
stündliche Beobachtung finden, mittelbar durch geeignete Inter-
polation der fehlenden Beobachtungen. Die unperiodische Schwankung,
die stets größer ist als die periodische, kennen wir von vielen
Stationen, da sie leicht zu ermitteln ist, während die periodische
nur für verhältnismäßig wenig Orte berechnet wurde. Die Schwierig-
keit besteht nun in der Vermengung des nicht streng miteinander ver-
gleichbaren Materials, daher auch die Lehre von der geographischen
Verbreitung der täglichen Wärmeschwankung leider noch auf keiner
allseitig gesicherten Basis ruht Doch treten jetzt schon die Grund-
züge deutlich hervor.
Im allgemeinen steigt die tägliche Temperaturschwankung mit
abnehmender und fällt mit zunehmender Bewölkung, da letztere so-
wohl die Insolation wie auch die Ausstrahlung vermindert. Sie ist
daher in unseren Breiten im Winter kleiner als im Sommer, verhält
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Die Schwenkungen nnd die mittlere Veränderlichkeit der Temperatur. 79
sich aber in Ostindien, soweit die Winter trocken sind, gerade um-
gekehrt. Auf dem Meere beträgt sie einerseits infolge der größeren
Bewölkung, anderseits wegen der geringen thermischen Leitungs-
fahigkeit des Wassers nur 1 — 2°; an den Küsten ist sie etwas
größer, und noch größer im kontinentalen Tieflande. So steigert sie
sich im Jahresmittel auf dem 55. Breitengrade von 3,7° in Kopen-
hagen auf 4,a° in Moskau und 5,i° in Kasan. In der turanischen
Niederung, wo der vegetationslose Boden sich rasch erwärmt und
abkühlt, erreicht sie unter 41 — 42° B. 12° und darüber. Noch größer
ist sie in den australischen Ebenen, selbst in geringer Entfernung
vom Meere. So hat z. B. Hollow in Queensland, nur 40 km von der
Küste entfernt und ca. 60 m hoch , eine unperiodische Schwankung
von 13,i#, und Deniquil im Murraygebiete eine solche von 19,s°; es
ist also auch die periodische im letzteren Falle unzweifelhaft größer
als in Turan. Die höchsten Werte erreicht sie aber auf regenarmen
Hochebenen, wo die dünne, trockene Luft die Ein- und Ausstrah-
lung der Wärme außerordentlich befördert. So groß auch die
Temperaturschwankung in der aral-kaspischen Steppe ist, so ist sie
doch im August und September um 9 bis nahezu 12° kleiner als
auf den Plateaus und in den Hochthälem der Pamir. Auch auf
dem Karakorumplateau fand Shaw' im September eine durchschnitt-
liche Amplitude von 19,5°, im Karakaschthale aber bei trübem Wetter
nur 13°. Im westlichen Tibet beobachtete Przewalski selbst noch
im Dezember eine mittlere Differenz von 17,3° zwischen den Tempe-
raturen um 8h früh und lh nachmittags und ein Maximum von 26,6°.
Schon diese Beispiele belehren uns, daß die tägliche Amplitude auf
dem zentralasiatischen Hochlande selbst die in den Sandwüsten der
Sahara übertrifft, welche man bisher als die Gegend der extremsten
Wärmeschwankungen ansah. Allerdings sank in der Oase Mursuk
während des Aufenthaltes von Bohlfs im Winter 1865/66 die Tempe-
ratur in der Nacht mehrere Male unter den Gefrierpunkt, sogar bis
— 5°, aber selbst in der libyschen Wüste beobachtete Jordan im
Mittel von 21 Tagen im Dezember und Januar nur eine Amplitude
von 13,8°, während sie in Kairo in derselben Zeit nur 10, i° betrag.
Zwischen Mursuk und Schimmedru fand Nachtigal sogar zur Zeit
des Zenithaistandes der Sonne und bei heiterem Himmel nur eine
mittlere Schwankung von 22,4°. Die größte Differenz in der afrika-
nischen Wüste, die Barth unter 27,8° B. und in 300 m Seehöhe
erlebte, beträgt allerdings 35°, aber sie wird in Schatten gestellt
durch die Beobachtungen auf den westlichen Plateaus von Nord-
amerika. So betrug die Schwankung zu Wickenburg in Arizona
(34° N., 1 12,7 W., 620m hoch) am 28. Juli 1877 38, »°, am 31. 42,2°
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80
Die Lufthülle.
und am 1. August 40 u. Das sind einzelne Fälle; aber auch die
stündlichen Beobachtungen der amerikanischen Vermessungs-
ingenieure auf den Plateaus des Felsengebirges zwischen 35 und
42° B. ergaben für die Seehöhe von 1500 — 1600 m so enorm hohe
monatliche Mittelwerte (Juli 24,2°, August 20,8 und November 19, 2),
wie sie kaum noch irgendwo Vorkommen dürften. Dieser Charakter-
zug ist übrigens auch den tropischen Hochebenen insofern eigen, als
die Wärmeschwankung hier größer ist als im benachbarten Tieflande.
So beträgt sie z. B. auf dem Plateau von Guatemala (1480 m H.)
9,6°, in Belize an der Küste aber nur 2,9°.
Im Gebirge ist die tägliche Temperaturschwankung in den
Hochthälern größer als in der Ebene, auf den Berggipfeln dagegen
kleiner; und der Satz, daß sie mit der Höhe abnehme, findet daher
nur auf die letzteren Anwendung. Nachstehende, von Woeikow
entlehnte Tabelle ist in dieser Beziehung sehr lehrreich. Man ver-
gleiche nur Altstätten mit dem benachbarten Gäbris oder Bevers
mit dem nur wenig höheren Rigi. Nicht bloß die größere Trocken-
heit der Atmosphäre in den Thälern, sondern auch die stärkere
Abkühlung in den Winternächten, wenn die schwere kalte Luft an
den Gehängen herabtließt, um sich ruhig über dem Thalboden zu
lagern, begünstigt die Steigerung der Wärmeschwankung. Die Pässe,
nicht so frei wie die Berggipfel, aber auch nicht so eingeschlossen
wie die Thäler, vermitteln zwischen diesen Extremen.
Höhe ui
Jahr
Winter
Sommer
Hochebene
Bern
574
V
4,o°
9,2°
Altstätten
478
6,3
3,o
9,3
Hochthal
Bcvcra
1 1715
10,6
7,»
11,.
Paß.
St. Bernhard
2478
4,3
2,3
5,8
Gipfel
Gäbris
1250
3,s
2,3
4,3
Rigi
| 1784
2,3
1,3
3,5
Zunächst ist also die tägliche Wärmeschwankung von den
topographischen Verhältnissen abhängig. Der Einfiuß der
Polhöhe kommt erst in zweiter Linie in Betracht. An den Küsten-
stationen in der Nähe des Äquators ist die Amplitude nicht größer
als in unseren Breiten, und nur darin besteht ein wesentlicher
Unterschied, daß sie dort — wie die Tageslänge — das ganze Jahr
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i Die Schwankungen und die mittlere Veränderlichkeit der Temperatur. 81
hindurch ziemlich gleich bleibt. In St Thomö (0°20'N.) beträgt
sie 6,8°, zu Tschintschoscho (5°9' S.) 6,*°, zu Sansibar (6° 10' S.)
4,i°, in Batavia (6° 11' S.) 5,»° und auf Ascension (7° 55' S.) 5,i°.
Auf den Kontinenten tritt unter übrigens gleichen Verhältnissen
ihre Abnahme mit der Breite schärfer hervor. So ist sie z. B.
in Lugan um 2,»° größer als in Moskau, und selbst noch in Odessa
um 1,*°, trotz der Nähe des Meeres. Ihr Maximum erreicht sie
auf den Hochplateaus zwischen 30 und 50° B., während weiter im
Norden die Insolation in den kurzen Wintertagen und die Aus-
strahlung in den kurzen Sommernächten zu geringfügig ist, als daß
die Wärme innerhalb 24 Stunden beträchtlich variieren könnte. Im
polaren Gürtel mit seinen monatelangen Winternächten und ebenso
langen Sommertagen ist sie naturgemäß sehr gering. So auf Nowaja
Semlja unter und auf der Sabine-Insel unter 74l/s0 B. 2,5°,
in der Mosselbai (79,9° B.) 0,9° und in der Polarisbai (81,«u B.) 1,6°.
An den Polen, wo ein halbjähriger Tag mit einer halbjährigen
Nacht wechselt, fällt die tägliche Wärmeschwankung mit der jähr-
lichen zusammen.
Die jährliche Wärmeschwankung1. Aus demselben Grunde wie
in der täglichen, fallen auch in der jährlichen Temperatur-
periode Maximum und Minimum nicht mit dem höchsten und
tiefsten Sonnenstände zusammen, sondern treten etwas später ein.
ln den mittleren und höheren Breiten des nördlichen Festlandes
ist der Juli der wärmste und der Januar der kälteste Monat, auf
dem Meere sind dagegen im allgemeinen Februar und August die
extremen Monate. In der tropischen Zone steigt das Thermometer
am höchsten, wenn die Sonne den Scheitelpunkt erreicht; so ist in
Columbia der März, in Zentralamerika der April und in Mexico
der Mai der wärmste Monat Während sonst überall die mittleren
Monatstemperaturen eine einfache Kurve darstellen, zeigt diese in
der Äquatorialzone, wo die beiden Zenithstände der Sonne weit
auseinanderliegen, zwei Erhebungen. Doch ist dies keineswegs eine
allgemeine Erscheinung. Deutlich ausgeprägt ist das doppelte
Maximum z. B. im südäquatorialen Teile des malaiscben Archipels,
dagegen in Singapore nur in einer leisen Hebung der Kurve im
Oktober angedeutet In Westafrika tritt es scharf an der Elfenbein-
küste und in Tschintschoscho, also unter 5 0 N. und S. hervor, aber
undeutlich am Äquator, und schon in Sansibar unter 6 0 S. ist die
einfache Kurve wieder hergestellt
Die Differenz der extremen Monatstemperaturen nennen wir
die jährliche Wärmeschwankung (s. Karte VIH). Vom Äquator,
wo sie durchschnittlich l,s° beträgt und auf den ostindischen Inseln
Sctah, Phyajjcbe Erdkunde. 2. Aufl, 6
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82
Die Lufthülle.
sogar auf 0,u" herabsinkt, nimmt sie gegen die Pole zu, gleichzeitig
aber auch von den Küsten gegen das Innere der Kontinente. Ein
Klima mit einer mittleren Jahresamplitude bis höchstens 15° be-
zeichnen wir als Äquatorial-, beziehungsweise Seeklima, von
15 — 20° als rbergangsklima, von 20 — 40° als Landklima und
über 40° als exzessives Landklima. Das Seeklima wird durch
warme Winter und kühle Sommer, das Landklima durch kalte
Winter und warme Sommer charakterisiert. Das erstere ist auf
unserer Hemisphäre nördlich vom 30. Parallel nur auf die West-
küsten beschränkt, wogegen die Ostküsten wegen der bedeutenden
Winterkälte Landklima haben. Auch in den höheren Breiten mit
Ausnahme von Grönland und in den mittleren Breiten der Süd-
halbkugel ist die jährliche Schwankung au den Westküsten kleiner
als an den östlichen, und dem gleichen Gesetze begegnen wir an
den Gestaden der südeuropäischen Halbinseln und Vorderindiens.
Das Landklima nimmt auf den Südkoutinenten wegen ihrer niederen
Breite nur ein verhältnismäßig kleines Areal ein, während es den
weitaus größten Teil der nördlichen Festländer umfaßt. Der Gegen-
satz der ozeanischen und kontinentalen Erdhälfte macht sich wieder
geltend; schon unter 40° N. ist die Jahresschwaukuug durchschnitt-
lich um 10,4° größer als auf dem entsprechenden südlichen Parallel,
und die Differenz steigert sich mit der Annäherung an die Pole.
Durch exzessives Landklima ist die Umgebung der winterlichen
Kältecentren ausgezeichnet; das Maximum erreicht die jährliche
Temperaturschwankung in Ostsibirien (Werchojansk 67, i°). Überall
in der gemäßigten und kalten Zone erscheinen die Linien gleicher
Amplitude abhängig von den Winterisothermen, im warmen Gürtel
dagegen von den Sommerisothermen; sie verhalten sich also ebenso
wie die Kurven gleicher Jahrestemperatur.
Auf isolierten Berggipfeln ist die Jahresschwankung kleiner
als in der Ebene, weil die Wärme im Winter langsamer mit der
Höhe abnimmt, als im Sommer. Der Einfluß des Land- und See-
klimas macht sich aber auch hier geltend:
H. m Winter Sommer Differenz
Pikes Peak, Felsengebirge 38,8° N. 3000 —8,5° 11, 7° 20, a°
Casa inglese, Ätna 37,8 N. 2996 —4,« ö,a 10, a
In den Hochthälern ist die jährliche Schwankung nicht nur be-
trächtlicher als auf freien Berggipfeln in gleichem Niveau, sondern
auch größer als in der Ebene. Folgende Tabelle giebt auch die
Ursache dieser Erscheinung an:
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Die Schwankungen und die mittlere Veränderlichkeit der Temperatur. 83
H. m
Kältester M.
Wärmster M.
Differenz
Rigi
1790
-4,8°
9,7°
14,5°
Bevers
1715
-9,7
11,.
21,«
Basel
278
0,4
19, .
18,8
Für die Plateaus läßt sich ein präzises Gesetz noch nicht aufstellen.
Auf einigen differieren die extremen Monatstemperaturen etwas mehr,
auf anderen etwas weniger als im kontinentalen Tieflande; aber
nirgends ist der Unterschied so bedeutend, daß man auf eine be-
stimmte Abhängigkeit von der Seehöhe schließen könnte.
Vergleichen wir die Verteilung der jährlichen Wärmeschwankung
mit der der täglichen, so gelangen wir zur Aufstellung folgender
klimatischer Typen:
1. Das Aquatorialklima. Auf dem Meere und auf dem
Lande in nicht beträchtlicher Seehöhe sind beide Schwankungen
gering, aber die tägliche ist größer als die jährliche. Erstere be-
trägt im Mittel der auf S. 81 angeführten Stationen 5,e°, letztere
nur 2,8°; und lediglich in diesem Sinne ist der bekannte Satz auf-
zufassen, daß die Nacht der Winter der Tropen sei.
2. Im Seeklima der mittleren und höheren Breiten
siud beide Schwankungen gering, aber die jährliche größer als die
tägliche. Landeinwärts nehmen beide zu. Die jährliche Variation
nimmt unter übrigens gleichen Verhältnissen auch mit der Breite
zu, die tägliche aber ab.
3. Das Polarklima mit großer jährlicher und kleiner täglicher
Schwankung.
Mit Bezug auf die Seehöhe lassen sich folgende Typen unter-
scheiden:
1. Das Bergklima. Beide Schwankungen sind kleiner, als im
benachbarten Tieflande. Das Bergklima gleicht somit dem Seeklima.
2. Das Plateau- und Hochthälerklima hat dagegen einen
streng kontinentalen Charakter. Die tägliche Temperaturschwankung
ist unter allen Umständen und unter allen Breiten größer als im
Tieflande, während die jährliche von der in den Niederungen nicht
beträchtlich differiert
Temperaturveränderlichkeit. Ein klimatologisclies Moment von
eminent geographischer Bedeutung, aber bislang noch wenig ge-
würdigt, ist die mittlere Veränderlichkeit der Temperatur von
einem Tage zum andern. Schon Hann,3 dessen bahnbrechende
Untersuchungen bereits in mehreren Ländern Nachahmung ge-
funden haben, machte darauf aufmerksam, wie die größere Wärme-
variabilität in Nordamerika, Australien und Neuseeland auf den
körperlichen Habitus wie auf den Charakter der europäischen Ein-
6*
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84
Die Lufthülle.
Wanderer merklich einwirkt, und wir fügen die Vermutung hinzu,
daß der erschlaffende Einfluß des Tropenklimas hauptsächlich in der
geringen Veränderlichkeit begründet ist. Einen Einfluß auf die Sterb-
lichkeit, die sowohl in der geographischen Verteilung wie im jährlichen
Gange mit der Temperaturveränderlichkeit wächst, hat Kbemsee3
wenigstens für Norddeutschland sehr wahrscheinlich gemacht. Es
liegt ferner auf der Hand, daß auch die Verbreitung der Pflanzen
zum Teil von diesem Momente abhängt, und es ist nur zu bedauern,
daß Untersuchungen in dieser Richtung noch nicht eingeleitet wurden.
Infolge des Wechsels der Jahreszeiten nimmt die Tagestem-
peratur bis zum Maximum zu und dann wieder ab. Das ist das
periodische Element in der Veränderlichkeit Nebstdem wirken
aber auch Winde, Bewölkung, Niederschläge u. s. w., und das ist das
unperiodische Element, welches sich schon dadurch als das maß-
gebendere erweist, daß die Werte für die mittlere Veränderlichkeit
sich nicht erheblich ändern, wenn man den Einfluß des periodischen
Elements eliminiert. Daraus erklärt es sich, daß in der Zone der
regelmäßigen Winde, in den Tropen, die Tagestemperatur weniger
variiert (in Georgetown z. B. durchschnittlich nur um 0,6°), als im Ge-
biete der wechselnden Luftströmungen. Die mittlere Veränderlichkeit
nimmt daher mit der Breite zu, aber in ganz unregelmäßiger Weise,
wie folgende Tabelle in der letzten Kolumne zeigt:
Mittlere
Dez.
Mürz
Juni
Sept.
bis
bi»
bis
bis
Jahr
Breite
Febr.
Mai
Aug.
Nov.
Arktisches Nordamerika
71,»°
3,4«
2,4°
1,3»*
2,5«
2,4«
Amerikanische Westküste
47,4
2,o
1,*
l,i*
1,5
1,5
Westliches Plateau
40,a
3,4
2,»
2,3*
2,8
2,8
Inneres von Nordamerika
43,o
4,7
3,5
2,4*
3,3
3,5
Östliches Nordamerika
42,8
4,1
2,8
2,1*
2,7
2,»
Südöstliches Nordamerika
30,«
2.»
1,»
1,>*
1,8
1,«
Plateau von Mexico
19,3
l|t
1,6
0,7*
0,7
1,0
England
58,i
2,1
1,0
1,5*
1,0
!<•
Mitteleuropa
49,3
2,2
1,»
1,0
1,7*
1,»
Europisches Rußland
56,3
3,7
2,5
2,0*
2,3
2,5
Westsibirien
56,o
4,6
3,.
2,3*
3,1
3,2
Ostsibirien
57,i
3,2
2,«
2,1*
2,7
2,8
Ostasien
50,3
2,8
2,>
1,7*
2,3
2,7
Westliches Mittelmeer
42,i
1,8
1,»
1,4
1,3*
1,»
Östliches Mittelmeer
35,5
1,5
1,7
1,»
1,7 *
1,*
Südliche Halbkugel
33,8
1,»
1,5*
1,7
2,o
1,3
Die nördliche Hemisphäre hat
zwei Maximalbezirke,
von denen
nach
allen Seiten, auch gegen die Pole hin, die Veränderlichkeit abnimmt.
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Die Schwankungen und die mittlere Veränderlichkeit der Temperatur. 85
Der eine liegt im Innern von Nordamerika und umfaßt wahrschein-
lich die nördlichsten Teile der Vereinsstaaten und den südlichen
und mittleren Teil der Hudsonbai-Länder; der andere liegt in
Westsibirien, etwas nördlicher als der amerikanische, und auch
etwas schwächer ausgebildet. Der Gegensatz der Ost- und West-
küsten tritt auch hier wieder zu Tage, indem die erstere eine etwas
variablere Temperatur hat (europäische Westküste 48,7° N. 1,6°,
asiatische Ostküste 47, s® N. 2°); es ist dies wahrscheinlich eine
Folge davon, daß hier die Wärme im Winter rasch mit der Breite
zunimmt Wenn auch die Veränderlichkeit in der Regel landeinwärts
sich steigert, so darf man doch nicht dem Seeklima als solchem
einen mildernden Einfluß zuschreiben, denn in diesem Falle müßte
sie auf der südlichen Halbkugel geringer sein, als auf der nörd-
lichen, während doch thatsächlich das Umgekehrte statttindet Den
durchschnittlichen Wert von l,s °, der jenseits des Äquators schon
in 33,8 B. erreicht wird, finden wir auf unserer Erdhälfte im Mittel
erst unter 49, s® B. Mit der Höhe wächst die Veränderlichkeit, und
zwar zum Unterschiede von den Schwankungen, gleichmäßig auf
Berggipfeln, wie auf Plateaus. In Zürich (480 m) beträgt sie im
Jahresmittel 1,8®, auf dem Utliberg (874 m) 2,o® und auf dem Rigi
(1784 m) 2,4®. In Stuttgart (270 m) beträgt sie l,s®, in München
(479 m) dagegen 2,i°. Im Erzgebirge nimmt sie durchschnittlich
um 0,o3® für je 100 m zu.
In den mittleren und höheren Breiten unserer Halbkugel er-
reicht die Veränderlichkeit ihr Maximum im Winter und ihr Mini-
mum im Sommer. Die geographische Anordnung bleibt aber das
ganze Jahr dieselbe, nur sind im Sommer die Unterschiede beträcht-
lich kleiner als im Winter. Die winterlichen Werte sind also für
das Jahresmittel das Entscheidende, und das giebt uns den
Schlüssel zur Erklärung der Maximalbezirke in die Hand. Sie liegen
an den Grenzen der winterlichen Regionen hohen Luftdruckes, wo
eine häufige Verschiebung der Windgebiete stattfindet. So gelangt
z. B. Westsibirien bald unter die Herrschaft warmer Winde vom
Atlantischen Ozean, bald unter die der kalten Luftströmung vom
asiatischen Kältezentrum. Nordamerika, der kleinere und daher
wärmere Kontinent, dessen meridionale Gebirge ein Abfließen der
kalten Luft zu den Meeren im Osten und Süden gestatten, erfährt
aus diesem Grunde (wie wir später ausführlicher erörtern werden)
auch raschere Windwechsel, und die Tagestemperatur ist daher
größerer Veränderlichkeit unterworfen. Man muß sich auch stets
vor Augen halten, daß die Winde nicht nur direkt die Temperatur
beeinflussen, sondern auch indirekt, indem warme Winde im Winter,
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86
Die Lufthülle.
weil sie meist von der See kommen, auch Bewölkung und Nieder-
schläge bringen, die kalten Landwinde aber Heiterkeit und trockene
Luft; und wir haben schon gehört, daß das eine die Temperatur
erhöht, das andere sie erniedrigt
Örtliche Einflüsse spielen im Sommer eine viel größere Rolle
als im Winter. Namentlich wird die Variabilität gesteigert, wenn in
der Nähe eines erhitzten Landstriches ein höheres Gebirge oder eine
größere Wasserfläche sich befindet, wie an der Hudsonbai und im
canadischen Seengebiete, oder auf der bayerischen Hochebene und
im oberitalienischen Tieflande. Besonders auffallend ist im Sommer
die geringe Veränderlichkeit in den Polargegenden, die nicht größer
ist als in den Mittelmeerländern. Auf der südlichen Hemisphäre
sind Frühling und Herbst die extremen Jahreszeiten, und der Sommer
ist sowohl an den Küsten, wie im Binnenlande veränderlicher als
der Winter.
Klimatologisch wichtig ist auch die Häufigkeit der Veränderungen
von bestimmter Größe. Auch hier wiederholt sich die geographische
Verteilung, die wir schon kennen gelernt haben, wenn auch mit einigen
Unterschieden. So sind z. B. Veränderungen von mehr als 6° in
Ostsihirien seltener als im europäischen Rußland, geringere Änderungen
aber häufiger. In beiden Maximalbezirken sind Änderungen von 20°
und darüber nicht sehr selten, und auch solche von 25 0 kommen noch
vereinzelt vor, aber der westsibirische Bezirk scheint öfter bedeutenden
Schwankungen unterworfen zu sein, als der inneramerikanische. Da-
gegen reichen in Amerika die großen Temperaturwechsel viel weiter
nach Süden, als in der alten Welt, was Hann mit Recht den „Norther“
zuschreibt, jenen von Norden kommenden Winterstürmen, die manch-
mal bis in den Golf von Mexico, also bis über die Grenze der warmen
Zone hinaus die binnenländische Kälte tragen.
Mittlere Abweichung. Wie in der mittleren Veränderlichkeit,
so können wir wohl auch in der mittleren Abweichung der
Monats- und .Jahrestemperaturen der einzelnen Jahrgänge von dem
Mittelwerte ohne Rücksicht auf das Vorzeichen, wie sie Dove4 für
zahlreiche Stationen berechnete, einen Ausdruck für die unperiodischen
Störungen sehen, wenn auch — wie aus späteren Erörterungen hervor-
gehen wird — ein periodisches Element darinnen steckt, das aber
aller Wahrscheinlichkeit nach von dem ersteren verdunkelt wird.
Ihre geographische Verteilung ist von großer klimatologischer Be-
deutung. Es zeigt sich, daß Abweichung und Veränderlichkeit nicht
parallel laufen. Zwar gilt auch für erstere im allgemeinen das
Gesetz, daß sie vom Äquator gegen die Pole und von den Küsten
landeinwärts zunimmt. In der alten Welt, wie in Nordamerika, liegt
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Die Schwankungen und die mittlere Veränderlichkeit der Temperatur. 87
das Gebiet der größten Abweichung im Innern, und sind die Monats-
und Jahrestemperaturen an der Ostküste variabler als an der west-
lichen, aber damit hört auch der Parallelismus auf. Die neue Welt
hat die größte Veränderlichkeit, die alte die größte Abweichung; die
störenden Elemente, welche die Temperaturkurve von einem Tage zum
anderen beeinflussen, sind in Amerika mächtiger, aber sie treten auch
regelmäßiger von Jahr zu Jahr auf, als auf unserer östlichen Feste.
Die Abweichung im amerikanischen Binnenlande ist nicht größer als
im nördlichen Deutschland, und in den östlichen Vereinsstaaten sogar
Ixänder
Größte
Abweichung
Kleinste
Abweichung
Jahr
Italien
Dez. 1,»4°
Aug. 0,90°
1,19°
England ....
Jan. 1,4«
Sept. 0,89
1,24
West-Europa . .
Jan. 2,26
Sept. 1,07
1,44
Schweiz ....
Dez. 2,»2
Okt. l,n
1,46
Süd-Deutschland .
•
Jan. 2,6t
Sept. I,i6
1 ,65
Nord Deutschland
•
Jan. 2,io
Sept. 1,09
1,12
Baltische Länder .
Jan. 2,13
Sept. 0,87
1,47
Nordost-Europa
.
Jan. 3,is
Sept. l,oi
1,84
Inneres Rußland .
.
Dez. 3,so
Mai l,4i
2,00
Ural und Sibirien
•
Dez. 3,12
Juli 1,it
1,97
Westliches Amerika
Jan. 2,i«
Sept 0,«4
1,23
Inneres Amerika .
Febr. 2,63
Aug. 1,12
1,10
Östliches Amerika
Febr. 1,8»
Juli 0,oo
1,27
Polarländer . . .
*
Dez. 1,»5
Sept. l,i«
1,59
geringer als in Westeuropa. Ebenso ist die Abweichung auf der
südlichen Hemisphäre kleiner, als auf der nördlichen unter gleicher
Breite. Alles das beweist, daß sie von der Kontinentalität
des Klimas weit abhängiger ist, als die Veränderlichkeit Dagegen
nehmen beide mit der Höhe zu, aber die Abweichung nur um
0,oo7° für 100 m. In den einzelnen Monaten ist sie verschieden.
Am größten ist sie im Winter, wo die Temperatur am meisten von
den Winden abhängt; am kleinsten im Spätsommer; nur in Gegenden
mit strengerem Landklima fällt das Minimum in den Anfang oder
in die Mitte des Sommers.
Literaturnachweise. 1 Sofas, Die Verteilung der jährlichen Wärme-
schwankung, in der Zeitschrift für wissenschaftliche Geographie, 1880, lid. I. —
* Haxn, Untersuchungen über die Veränderlichkeit der Tagestemperatur , in
Sitzungsberichten der Wiener Akademie der Wissenschaften, Math.-naturwiss.
Kl. 1875, Bd. LXXI, II; Die Veränderlichkeit der Temperatur in Österreich,
in den Denkschriften der Wiener Akademie d. Wissenschaften, Math.-uaturwiss.
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88
Die Lufthülle.
Kl. 1891, Bd. LVTII. — * Kremseb, Die Veränderlichkeit der Lufttemperatur
in Norddeutschland, in den Abhandlungen des Preußischen Meteorologischen
Instituts, Bd. I, 1888. — 4 Dovf., Die mittlere und absolute Veränderlichkeit
der Temperatur, in den Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissen-
schaften 1867.
Windsysteme und Windgebiete.
Windgesetze. Zu wiederholten Malen hatten wir schon Gelegen-
heit, den Einfluß der Winde auf die Wänneverteilung kennen zu
lernen. In einem späteren Kapitel werden wir erfahren, daß der
Wind einer der wichtigsten Faktoren ist, die die Verteilung der
Niederschläge regeln. Es ist daher nicht Überschätzung, wenn man
den Wind als den eigentlichen Träger des Klimas bezeichnet, und
zugleich — da die klimatischen Verhältnisse das organische Leben
und damit auch die Entwicklung der Menschheit bedingen — als
eine Kulturmacht ersten Hanges.
Direkt erscheinen die Winde von der Verteilung des Luftdruckes
abhängig. Ein ungleich verteilter Luftdruck zeigt an, daß das Gleich-
gewicht der Atmosphäre gestört ist, und die Winde haben die Ten-
denz, dasselbe wieder herzustellen. Dieses Grundprinzip der modernen
Meteorologie ergab sich unmittelbar aus den sogenannten synop-
tischen Witterungskarten, die den Zustand der Atmosphäre
über einem größeren oder kleineren Teile der Erdoberfläche (Europa,
nordatlantischer Ozean, Vereinigte Staaten von Amerika) in einer
bestimmten Stunde (meist 7h früh nach Ortszeit) darstellen. Auf
diesen Karten sieht man die Orte gleichen Luftdruckes durch Linien,
die sogenannten Isobaren, miteinander verbunden. Um die be-
obachteten Barometerstände miteinander vergleichbar zu machen,
muß man sie auf das Meeresniveau reduzieren; und außerdem muß
man, da das Gewicht aller Körper, somit auch der Luft, mit der
Polhöhe zunimmt, eine Schwerekorrektur anbringen, d. h. die unter
verschiedenen Breiten beobachteten Barometerstände auf einen ge-
meinsamen Parallel (gewöhnlich den 45.) reduzieren. Der Vergleich
der Isobaren mit den Winden ergiebt nun folgende zwei Gesetze,
die nach ihren Entdeckern benannt werden:
1) Das BüYS-BAiiLOT’sche Gesetz: Die Luft strömt von der Gegend
höheren Luftdruckes nach der niederen Luftdruckes und wird dabei
durch die Erdrotation auf der nördlichen Hemisphäre nach rechts
und auf der südlichen nach links abgelenkt. Man kann noch den
Satz hinzufügen, daß jedes Windsystem aus zwei Strömungen besteht,
aus einer unteren vom höheren Luftdruck zum niederen und einer
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Windsysteme und Windgebiet«.
89
oberen in entgegengesetzter Richtung. Beide werden durch die
Achsendrehung der Erde abgelenkt, die untere aber außerdem noch
durch die verschiedenen Reibungswiderstände an der Erdoberfläche.
Ozeanische Winde unterliegen einer größeren Ablenkung als kon-
tinentale, weil die letzteren auf dem unebenen Boden des Festlandes
nicht völlig dem Einflüsse der Rotation zu folgen vermögen. Stets
aber bildet die Windrichtung mit dem Gradienten einen Winkel,
der jedoch nie 90° erreicht.
2) Das S'fEVENSON’sche Gesetz lautet: Die Windstärke wird
bedingt durch den barometrischen Gradienten, d. h. durch die
Druckdifferenz, welche in der Richtung senkrecht zu den Iso-
baren gemessen und auf eine Längeneinheit (jetzt allgemein 1 0 am
Äquator =111 km) bezogen wird. Je steiler der Gradient, desto
dichter gedrängt die Isobaren, desto größer auch die Windgeschwindig*
keit. Aber auch sie wird durch die Reibung wesentlich modifiziert.
Loomis 1 ermittelte die Windgeschwindigkeit in Kilometer pro Stunde
für folgende Gebiete, die wir in der Richtung W. — 0. anordnen.
Vereinigte Staaten !
Nord-
atlant.
Ozean
Europa
Binnen-
land
Ost- |
kUste
West-
küste
Binnen-
land
Winter
13,7
18,o
53,i
! 22, n
14,1
Frühling ....
15,9
17,o j
49,«
20,9
13,5
Sommer ....
11,9
12,«
4 l,o
18,5
10,8
Herbst
12,5
16,i
47,8
20,9
12,5
Jahr
13,i
15,9
47,o
19,8
12,7
In allen Jahreszeiten sehen wir hier die Windgeschwindigkeit
vom Ozean gegen die Küste und von der Küste gegen das Binnen-
land abnehmen, also genau in der Richtung, in der die Reibungs-
widerstände wachsen. Aus demselben Grunde nimmt die Windstärke
mit der Höhe zu, und schon geringe Höhenunterschiede fallen da
schwer ins Gewicht» Ist doch schon auf dem 300 m hohen Eiffeltürme
die Windstärke 3 — 4 mal größer als auf dem J/a km davon entfernten
Turme des Meteorologischen Zentralbureaus in 21m Höhe. Aber
auch in der täglichen Periode unterscheiden sich Meer, Land und
freigelegene Berggipfel wesentlich voneinander. Auf dem Meere ist
eine tägliche Periode der Windgeschwindigkeit so gut wie gar nicht
bemerkbar, Tag und Nacht weht es mit gleicher Stärke. Auf dem
Festlande erreicht sie unter allen Breiten ihr Minimum in den ersten
Morgenstunden und ihr Maximum ein paar Stunden nach Mittag; sie
steigt und fällt also mit der Temperatur, und dieser Parallclismus
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90
Die Lufthülle.
kommt auch darin zum Ausdrucke, daß sie an heiteren Tagen schärfer
ausgeprägt ist als an trüben. In den höheren Luftschichten ist
dagegen der Wind bei Nacht bedeutend stärker als bei Tage, wie die
Beobachtungen nicht nur auf Berggipfeln, sondern auch schon auf
dem Eiffeltürme zeigen. Die unteren Schichten werden also am
meisten zur Zeit der größten Erwärmung in die allgemeine Luft-
zirkulation hineingezogen, während sich diese in der Nacht haupt-
sächlich nur auf die oberen Schichten beschränkt. Koppen erklärt
dies dadurch, daß in den Mittagsstunden die unteren Luftschichten
sich ausdehnen und in die Höhe steigen, während die oberen, stärker
bewegten herabsinken. Infolge dessen findet ein stärkerer Austausch
zwischen den verschiedenen Niveaus statt und die horizontale Ge-
schwindigkeit der ganzen Luftmasse wird eine gleichförmigere.
Allgemeine Luftzirkulation. Ehe wir uns in eine Schilderung
der Hauptwindarten einlassen, richten wir unseren Blick auf das
Fundamentalsystem der Luftbewegung, wie es durch die großen Gesetze
der Wärmeverteilung geregelt wird. Denn in letzter Linie ist der
Luftdruck, d. li. das Gewicht der Luftsäule, die einer Quecksilber-
säule von entsprechender Höhe (als normal nimmt man im Meeres-
niveau 760 mm an) das Gleichgewicht hält, eine Funktion der Tem-
peratur. Allerdings auch des Dampfgehaltes, denn Wasserdampf ist
leichter, als eine gleiche Quantität Luft, aber dieser Faktor selbst
hängt unter sonst gleichen Umständen lediglich von der Wärme ab.
Der Zusammenhang zwischen Luftdruck und Temperatur bedarf indes
noch einer weiteren Erörterung. Am Äquator — wir lassen hier
überall der Einfachheit wegen den thermischen und mathematischen
Äquator zusammenfallen — am Äquator tritt unter dem Einflüsse
beständiger hochgradiger Erwärmung eine Auflockerung der ganzen
Luftmasse ein; die Flächen gleichen Druckes steigen in die Höhe,
d. h. sie entfernen sich weiter von der Erdoberfläche, als an den
Polen. Dadurch wird der Luftdruck noch nicht vermindert, sondern
erst durch die Folgeerscheinung. Es entsteht nämlich in den oberen
Luftschichten eine Strömung, die der Abdachung vom Äquator zum
Pole folgt. Vom Äquator wird Luft weggeführt — und nun sinkt
hier der Luftdruck; an den Polen wird Luft augehäuft — und nun
steigt hier der Luftdruck. Damit ist die Gleichgewichtstörung
aus den oberen Schichten in die unteren verlegt und erfordert
nun einen Ausgleich durch eine Rückströmung. Auf der ruhen-
den Erde entstehen also zwei Meridionalströme: ein primärer
Oberstrom vom Äquator zu den Polen und ein sekundärer Unter-
strom von den Polen zu Äquator, beide durch Vertikalströme mit-
einander verbunden. In den höheren Breiten geht der Oberstrom
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Windsy steine und Windgebiete.
91
durcli eine absteigende Bewegung in den Unterstrom über, in den
niederen Breiten der Unterstrom durch eine aufsteigende Bewegung
in den Oberstrom. Damit ist der Kreislauf geschlossen. Allbekannt
ist folgendes Experiment: man öffnet das Fenster eines gebeizten
Zimmers, und sofort entsteht eine Luftzirkulation; unten fließt die
kalte Luft in das Zimmer hinein, oben die warme Luft in das Freie
hinaus, wovon man sich durch die Bewegung einer Kerzenflamme
unmittelbar überzeugen kann. Nur in Einem Punkte stimmt dieser
Versuch mit den großen irdischen Verhältnissen nicht überein, darin
nämlich, daß die äquatoriale Hitze und die polare Kälte nicht un-
vermittelt aufeinander stoßen.
Auf der ruhenden Erde mit homogener Oberfläche würde sich
also die Luftdruckverteilung genau an die Temperaturverteilung au-
schließen, nur in umgekehrter Weise. Die Temperatur nimmt gegen
die Pole hin stetig ab, der Luftdruck stetig zu.
Wenn wir aber aus den mittleren Jahresisobaren die Durchschnitts-
barometerstände der Breitenkreise in derselben Weise ableiten, wie
aus der Isothermenkarte die entsprechenden Durchschnittstempera-
tureu, so erhalten wir ein ganz anderes Bild. Statt Einer baro-
metrischen Depression am Äquator und zwei Hochdruckgebieten an
den Polen bestehen in den untersten Luftschichten vier Hochdruck-
gebiete und drei Depressionen. x
Breite Luftdruck
Nordpolares (arktisches) Hochdruckgebiet (90°N. 7 60, j mm)
Nord], subpolare (subarktische) Depressiouszone 66 758,2
Nördl. subtropische Hochdruckzone 34 762,4
Äquatoriale Depressionszone 8 757,s
Siidl. subtropische Hochdruckzone 28 8. 763, j
Südl. subpolare (subantarktische) Depressionszone ? ?
Südl. polares (antarktisches) Hochdruckgebiet t ?
Daß die äquatoriale Depression auf der nördlichen Halbkugel
liegt, kann nicht auffallen, wenn man erwägt, daß der thermische
Äquator ebenfalls nach Norden verrückt ist. Um so rätselhafter sind
die subtropischen Hochdmck- und die subpolaren Depressionszonen.
Die alte DovEsche Windtheorie, die von den Verhältnissen auf
einer ruhenden Erde ausging, gab dafür keine genügende Erklärung.
Man hatte, unmutig darüber, den Gegenstand schon ganz fallen ge-
lassen, und erst in den letzten Jahren fing mau an, das Problem
von einer anderen Seite wieder in Angriff zu nehmen. Mauerkannte
den fundamentalen Einfluß der Erdrotation, die nicht bloß meridionale
Ströme ablenkt, sondern selbst Ströme in der Richtung der Parallelen
x Abgeleitet aus den KaiiaEi/sclien Zahlen durcli graphische Interpolation.
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92
Die Lufthülle.
erzeugt, obwohl in der praktischen Anwendung dieser Erkenntnis
die Wege auseinander gehen.
Ferkel 2 und mit ihm die überwiegende Anzahl der Meteoro-
logen gehen von dem Prinzipe der Erhaltung der Fläche aus. Rufen
wir uns noch einmal ins Gedächtnis zurück, daß die Zirkulation auf
der ruhenden Erde einen primären Oberstrom vom Äquator zum
Pol verlangt Durch die Rotation der Erde wird er aus einem Süd-
in einen Südwest-, endlich in einen Westwind verwandelt. Je weiter
er in höhere Breiten gelangt, desto größer wird, entsprechend dem
Flächensatze, seine Geschwindigkeit, und endlich so groß, daß die
Zentrifugalkraft die polare Anziehung überwiegt Dieser Umschwung
vollzieht sich beiläufig in 30 — 35° n. und s. Breite. Bis dahin
wächst der Luftdruck entsprechend dem Temperaturunterschiede, dann
nimmt er wieder ab entsprechend der Zentrifugalkraft Es entstehen
also auf jeder Hemisphäre gleichsam zwei Wirbel: einer um den
Äquator, wo der Unterstrom, weil aus höheren Breiten kommend,
nach Osten, und der Oberstrom, weil aus niederen Breiten kommend,
nach Westen abgelenkt ist; und einer um den Pol, wo oben und unten
westliche Strömung herrscht An der Grenze beider Wirbel senkt
sich die Luft zu Boden, an den Grenzen der nord- und südhemi-
sphärischen Wirbel um den Äquator steigt sie in die Höhe. In
beiden Zonen vertikaler Luftbewegung herrschen am Boden Wind-
stillen oder schwache Winde vor.
Zu ähnlichen Ergebnissen gelangte v. Siemens3, der den Satz
von der Erhaltung der Kraft in den Vordergrund seiner deduktiven
Untersuchung stellte. Die Energie, welche sich durch die Rotation
der Luftmasse um die Erdachse ansammelt, muß unverändert bleiben.
Nun wird aber durch die vorher erwähnten Meridianströme das
Luftmeer vermischt, und die Summe der lebendigen Kraft kann nur
dann die gleiche bleiben, wie im Zustande relativer Ruhe, wenn
überall die Rotationsgeschwindigkeit von 379 m in der Sekunde, d. h.
die normale Rotationsgeschwindigkeit in 35° B. herrscht. Polwärts
von 35° B., wo die Rotationsgeschwindigkeit sonst geringer wäre,
eilt die Luft der Erddrehung voran, muß also auch, wie die Erde,
sich von Westen nach Osten bewegen; äquatorwärts von 35° B.,
wo die Rotationsgeschwindigkeit sonst größer wäre, bleibt die Luft
hinter dem Erdkörper zurück, sie bewegt sich also in entgegen-
gesetzter Richtung, wie die Erde, von Osten nach Westen. An den
Grenzen beider Strömungen herrscht relative Ruhe, hier häuft sich
die Luft an, es entstehen die subtropischen Maxima.
In streng mathematischer Weise und mit Berücksichtigung der
Reihung hat Ouerbeck4 das Problem behandelt, freilich ohne den
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Windsysteme und Windgebiete.
93
tatsächlichen Verhältnissen in allen Punkten gerecht zu werden.
Immerhin sind wir schon soweit gelangt, uns eine Vorstellung von
der allgemeinen Luftzirkulation machen zu können, etwa in der Weise,
wie ich sie in Fig. 21 darzustellen versucht habe. Wir sehen oben
eine Hemisphäre in Polarprojektion mit den beiden entgegengesetzten
Wirbeln in den unteren und den beiden gleichlaufenden in den
oberen Schichten und die breiten, dunkel gehaltenen Kalmen- Zonen
mit vorherrschend vertikaler Luftbewegung. Das Verhältnis der ver-
schiedenen Bewegungsrichtungen zu einander zeigt der untere Durch-
schnitt durch das
Luftmeer zwi-
schen 60° N. und
60° S. Warum wir
an diesen Breiten
Halt machten, hat
seinen Grund
darin , daß eine
Erklärung der po-
laren Hochdruck-
gebiete noch aus-
steht. Das ark-
tische ist sicher
vorhanden, wenn
auch wahrschein-
lich nicht so in-
tensiv wie die sub-
tropischen ; die
Existenz eines
antarktischen läßt
sich wenigstens
vermuten. Die Theorieen verlangen Abnahme des Luftdruckes bis
zu den Polen, und schon in mäßigen Höhen der Atmosphäre
scheint dies in der That der Fall zu sein. Einige Schwierigkeit
bereitet auch noch die Zurückführung der zu den Polen ab-
strömenden Luft in niedere Breiten, weshalb wir auch diesen Punkt
in unserer Darstellung unberücksichtigt gelassen haben. Auffallend
ist der Gegensatz zwischen den nördlichen und südlichen subpolaren
Depressionen; wir kennen zwar die Lage der letzteren nicht, aber
wir können mit Sicherheit sagen, daß sie eine viel größere Tiefe
erreicht, als die arktische. Ferkel hat folgende Durchschnittsbaro-
meterstände berechnet.
Fig. 21. Schematische Darstellung der allgemeinen
Luftzirkulation.
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9-1
Die Lufthülle.
Breite
35°
40"
45“
50“ 55°
700 mm +
60"
65"
70"
Nord
62,»
62,o
61,5
60,7
59,7
58,7
58,2
58,5
Süd
62,4
60,5
57,3
53, i
48,2
43,4
39,7
38,0
Wir erblicken in diesem Gegensätze, der in den angeführten
Zahlen in so drastischer Weise zu Tage tritt, einen Ausdruck der
verschiedenen Reibungswiderstände in den mittleren und höheren
Breiten beider Halbkugeln, denn über der südhemisphärischen
Wasserfläche muß der polare Wirbel zu viel kräftigerer Entfaltung
gelangen, als bei uns, wo Land und Wasser mehrfach wechseln.
Wir verlassen nun das Feld der Theorie, die ihren Ausbau
allein von systematischen Ballonbeobachtungen erwarten darf, und
wenden uns den erfahrungsgemäß festgestellten Windverhältnissen in
den untersten Luftschichten zu.
Anticyklonen. Betrachten wir synoptische Witterungskarten von
größerer Ausdehnung, etwa die des nordatlantischen Ozeans, so er-
kennen wir eine dreifache Art der Luftbewegung: eine passa-
tische, cyklonische und anticyklonische. Doch bestehen sie nicht
unabhängig nebeneinander, sondern Passate und Cyklonen treten stets
in Verbindung mit Anticyklonen auf. Anticyklonen (Fig. 22) sind
kreisähnliche oder elliptische Gebiete hohen Barometerstandes, aus
denen die Luft allseits von der Gegend des höchsten Luftdruckes,
dem sogenannten barometrischen Maximum, ausströmt. Inner-
halb des Gebietes steigt die Luft herab und dieser vertikale Strom
wird durch horizontalen Zufluß in der Höhe ernährt. Dafür spricht
außer der Wolkenrichtung, die gegen das Maximum gekehrt ist, die
große Konstanz der Anticyklonen, die natürlich bald sich auf lösen
müßten, wenn beständig nur Luft ausströmte; endlich auch die
vertikale Temperaturzunahme, von der bereits auf S. 58 die Rede war.
Wenn auch Anticyklonen ihren Ort verändern, so ist ihnen doch
im Vergleich zu den Cyklonen eine gewisse Ruhe und Stetigkeit
eigentümlich. Das Wetter ist meist ruhig, klar, im Sommer heiß,
im Winter meist kalt, aber nur in den untersten Luftschichten; mit
der Höhe nimmt die Temperatur zu. Innerhalb der Anticylone ist
der Wind meist schwach und schwankend; Kalmen sind häufig.
Cyklonen. Ganz anders ist der Charakter der Cyklonen. Mau
versteht darunter Gebiete niederen Luftdruckes von kreisähnlicher
oder elliptischer Gestalt; die Gegend des tiefsten Luftdruckes heißt
das barometrische Minimum. Allseitig strömt ihm die Luft in
Spirallinien zu, einerseits vom Minimum angezogen, anderseits durch
die Erdrotation abgelenkt. Eine von NNO. nach SSW. gezogene
Linie (xy in Fig. 22) teilt die Cyklonen unserer Breiten in zwei
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Windsysteme und Windgebiete.
95
Hälften mit entgegengesetztem Witterungscharakter, von dem Mohn
folgende schematische Übersicht entworfen hat:
Hintere (linke) Seite: Vordere (rechte) Seite:
Windrichtung ... 0. NO. N. NW. W. W. SW. S. SO. 0.*
Barometer .... steigt fällt
Temperatur, Feuchtig-
keit und Bewölkung fällt steigt
Niederschlag . . . nimmt ab in der Itegel bedeutend.
Die hintere Seite wird also durch kalte Polar-, die rechte durch
warme Äquatorial winde ausgezeichnet. Doch bezeichnen diese, für
Fig. 22a. Auticyklonen und Cyklonen auf der nördlichen Halbkugel.
Fig. 22 b. Anticyklonen und Cyklonen auf der südlichen Halbkugel.
beide Hemisphären gleichmäßig anwendbaren Ausdrücke nicht etwa
den Ort der Entstehung, sondern lediglich die Richtung, aus der
X Für die südliche Hemisphäre ist Süden statt Norden und umgekehrt
zu setzen.
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96
Die Lufthülle.
die Winde wehen. Wir werden im folgenden die hintere Seite
der Cyklonen die Polar- und die vordere die Aquatorialseite
nennen. Im Zentrum der barometrischen Depression sind die Winde
veränderlich und Windstillen häutig. Der Gradient (und damit auch
die Windgeschwindigkeit) ist nicht in allen Teilen der Cyklonen
gleich; der größte liegt im nördlichen und westlichen Europa meist
im südlichen, der kleinste im nördlichen Quadranten; auf den
ersteren sind daher die meisten europäischen Stürme beschränkt
Aber auch innerhalb eines Quadranten nimmt der Gradient vom
Zentrum gegen die Peripherie erst zu, dann wieder ab. Bei gleichem
Gradienten sind in unseren Breiten die nördlichen und östlichen
Winde stärker, als die südlichen und westlichen; und im Sommer
sind alle Winde stärker, als unter gleichen Verhältnissen im Winter.
Bis zu welcher Höhe die cyklonisehe Bewegung reicht, ist noch
wenig untersucht worden. In der Bai von Bengalen vermögen die
Cyklonen nicht einmal die 300 — 600 m hohen Ostghats zu über-
schreiten. In der östlichen Union erreichen sie selten die Höhe des
Mt. Washington (1900 m), während in der westlichen selbst das über
4000 m hohe Felsengebirge keine absolute Schranke für sie bildet.
Die ältere Theorie (Konvektionstheorie), die auch heute noch
viele Anhänger zählt, erblickt in der Cyklonenbildung die erste Ver-
anlassung zur atmosphärischen Gleichgewichtsstörung. An über-
wärmten Stellen entwickelt sich ein aufsteigender Luftstrom; sein
Dampfgehalt wird dabei kondensiert, und die dadurch frei gewordene
Wärme verstärkt den Auftrieb. Oben fließt er nach allen Seiten ab
und sinkt dann erkaltet zu Boden und erzeugt Anticyklonen. So
speist in den oberen Schichten die Cyklone die sie umgebenden
Anticyklonen, und in den unteren Schichten ernährt die Anti-
cyklone die Cyklonen.
Für die tropischen Cyklonen und einige engbeschränkte Phä-
nomene unserer Breiten, wie z. B. für die verheerenden Luftwirbel
oder Tornados Nordamerikas wird diese Erklärung auch jetzt noch
ziemlich allgemein festgehalten. Für die maßgebenden Witterungs-
erscheinungen der gemäßigten und wohl auch der kalten Zone hat
sie aber ihre Geltung verloren, seitdem Hann nachgewiesen hat, daß
die mittlere Temperatur der gesamten Luftsäule innerhalb der Anti-
cyklone höher ist, als innerhalb der Cyklone.5 Die letztere kann
also nicht ein Produkt abnormer Erwärmung sein. Man darf an-
nehmen, daß die erste Störung im Gleichgewichtszustände der Luft
von der Anticyklone ausgeht; sie entwickelt sich an einer Stelle,
wo ein Arm der allgemeinen Luftströmung nach dem Pole zu
Boden sinkt und dadurch in der Nachbarschaft eine Verminderung
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Windaysteme und Windgebiete.
97
des Luftdruckes bewirkt. Ist aber auf diese Weise an der Erdober-
fläche einmal der Anstoß zu einer cyklonalen Bewegung gegeben,
dann wird unter günstigen Umständen das barometrische Minimum
durch den um dasselbe entstehenden Luftwirbel immer mehr ver-
tieft. Je mehr das Barometer im Zentrum sinkt, desto steiler wird
der Gradient, desto heftiger der Wirbel, desto geringer auch der
Luftdruck im Mittelpunkte. So trägt die Cyklone in sich selbst die
Bedingungen ihres Wachstums, das aber erfahrungsgemäß zeitlich
beschränkt ist.
Von ihrer Geburt bis zu ihrem Erlöschen sind die Cyklonen
in beständiger, bald schnellerer, bald langsamerer Wanderung be-
griffen. In der tropischen Zone bewegen sie sich nach Osten, biegen
dann an der Polargrenze der Passate nach Norden, beziehungsweise
Süden um, wobei sie an Tiefe verlieren, aber an Ausdehnung
gewannen, und schlagen in den mittleren und höheren Breiten einen
westlichen Weg ein. Das letztere gilt auch von jenen Depressionen,
die in den außertropischen Gegenden entstehen. Die Cyklonen be-
wegen sich also, seltene Ausnahmen abgerechnet, stets im Sinne der
allgemeinen Luftzirkulation; sie sind Wirbel, die von den großen
Ost- und Westströmen weiter getragen werden. Genauer kennen wTir
bisher allerdings nur ihre mittleren Zugstraßen zwischen dem Felsen-
gebirge und Ural. In Nordamerika wandert die Mehrzahl unter ca.
45 0 B. durch die Seenregion, während andere aus dem SW. auf den
Atlantischen Ozean gelangen. Mehr als die Hälfte der nordamerika-
nischen Minima durchkreuzt denselben in 4—5 Tagen und erreicht
Europa. Die einen ziehen über Labrador oder entlang der Küste nach
Grönland und von da nach Osten; die Bahnen der anderen teilen sich
in der Nähe von Neuschottland, um entweder über Island, oder quer
über den Ozean oder nördlich von den Azoren nach Europa zu
führen. Hier ist der Norden das Hauptdurchzugsgebiet der Minima.
Eine Straße beginnt bei Island, zieht dem norwegischen Gestade entlang
über den Polarkreis hinaus und führt von da entweder nordwärts in
das Eismeer oder zum Weißen Meere oder nach SO. in das Innere
von Rußland. Von den britischen Inseln und ihrer Umgebung
wandern die Minima entweder über die Nordsee, Südschweden und
die mittlere und südliche Ostsee nach den baltischen Provinzen
und nach Finnland; oder — jedoch in selteneren Fällen und im
Sommer fast nie — über Frankreich nach dem Mittelmeere. Hier
vereinigt sich diese Zugstraße mit der vom westlichen Mittelmeer
kommenden, um im weiteren Verlaufe teils nach SO., teils in das
Schwarze Meer, teils nach NO. in das innere Rußland zu führen.
Besonders ausgezeichnet sind die Kreuzungspunkte der Zugstraßen,
Rupan, Physische Erdkunde. II. Aufl. 7
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98
Die Lufthülle.
wie die Lorenzomündung, die Gegenden in der Davisstraße, süd-
westlich von Island und bei den Lofoten, das südliche Schweden
und der Atlantische Ozean zwischen 50 und 52° N. und 34 und
38 0 W. Gr. Hier pflegen die Minima länger zu verweilen und schlagen
häufig auf kurze Zeit sogar eine retrograde Bewegung ein; hier bilden
sich auch die meisten, so einflußreichen stationären Depressionen.
Die mittlere 24stündige Geschwindigkeit der Minima beträgt
in Nordamerika 1097, auf dem nordatlantischen Ozean 696 und in
Europa 646 km. Daraus ergiebt sich ein bedeutungsvoller Unter-
schied zwischen dem nordamerikanischen und europäischen Klima.
Denn die direkte Folge der fortschreitenden Cyklonen ist die Ver-
änderlichkeit des Wetters; je rascher sie wandern, desto größer
auch die Veränderlichkeit Die Punkte a und b in Fig. 22 a (S. 95)
gelangen, wenn die Cyklone nach rechts fortschreitet, von der
Äquatorial- auf die Polarseite, wobei sich in a (entsprechend dem
sogenannten DovEschen Drehungsgesetze, das aber nur beschränkte
Geltung hat) der Wind im Sinne eines Uhrzeigers von SO. über
SW. nach NW., in b aber im entgegengesetzten Sinne von SO. Uber
NO. nach NW. dreht
Innerhalb einer größeren Depression können sich auch sekun-
däre oder Teilminima bilden, am häufigsten auf der Südseite
derselben. Im ersten Stadium ihrer Entwicklung verraten sie sich
durch eine seitliche Ausbuchtung der Isobaren. Unter günstigen
Bedingungen lösen sie sich vom Hauptminimum los und verfolgen
selbständig ihren Weg.
Die eigentliche Heimat der Cyklonen sind die subpolaren De-
pressionszonen.x In einem schmalen Gürtel zu beiden Seiten des
Äquators fehlen sie ganz, denn hier ist die ablenkende Wirkung
der Erdrotation zu schwach, als daß Störungen des Gleichgewichts-
zustandes der Luft nicht bald ausgeglichen werden müßten. In
dem übrigen Teile der Tropenzone fehlen sie zwar nicht, und sind
insofern wichtig, als sie meist von verheerenden Stürmen begleitet
sind, aber sie sind nur einige Monate beschränkt Genauer bekannt
sind nur die Hurricane des nordatlantischen Tropenmeeres, die
Teifune der Chinasee und die Cyklonen des Indischen Ozeans.
Von den erstgenannten kommen nach Loomis 88 Prozent auf die
a Zahl der Stürme in Prozenten aller Beobachtungen auf dem nord-
atlantischen Ozean:
0- 5« N.
0,o« : 20—25° N.
1,9 40— 45° N.
10,5
5—10
0,i j 25—30
8,9 45—50
14,o
10—15
0,8 30—35
7,i 50—55
16,o
15—20
1,1 35—40
13,i 55—60
20,5
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Windsysteme und Windgebiete. 99
Monate August bis Oktober, wo der thermische Äquator am wei-
testen vom mathematischen sich entfernt. Die niedrigste Breite
ihres Vorkommens ist 10,3° N., das Umbiegen der Bahn erfolgt im
Sommer im Mittel in 30, s°, im September in 29,7° B.; die durch-
schnittliche tägliche Geschwindigkeit beträgt 460 km. Auch die
Teifune sind in der warmen Zeit am häufigsten (72 Prozent in den
Monaten Juli bis Oktober). Von den Wirbelstürmen im Pazifischen
und Indischen Ozean kommen 52 Prozent auf den Herbst (September
bis November) und 43 Prozent auf den Frühling (April bis Juni):
das sind die Zeiten der sogenannten Monsunwechsel, wovon wir im
nächsten Abschnitte hören werden. Ihre niedrigste Breite ist 6,i°, die
Umbiegung ihrer Bahn nach Norden vollzieht sich im Durchschnitt
schon unter 19,s° B., die mittlere Geschwindigkeit in 24 Stunden
beträgt 310 km. Im südindischen Ozean sind die Monate Januar
bis April die Sturmzeit.
Wir haben oben gesagt, Cyklonen seien hauptsächlich eine Er-
scheinung der subpolaren Depressionszonen, und wir hatten dabei
natürlich die subarktische, als die allein genügend bekannte, besonders
im Auge. Die von der Theorie geforderten Westwinde kommen
hier, wie uns die Richtung der Cirrus-Wolken lehrt, nur in den
höheren Schichten der Atmosphäre zu ungestörter Entwickelung,
auf dem Boden des Luftmeeres treiben dagegen Cyklonen und Anti-
cyklonen ihr wechselndes Spiel. Jeder Ort auf der Erdoberfläche
in unseren Breiten gelangt bald in eine anticyklonische, bald in
eine cyklonische Luftbewegung, bald auf die äquatoriale, bald auf
die polare Seite der wandernden Cyklonen, und erleidet dadurch
beständige Witterungsveränderungen. Selbst in langjährigen baro-
metrischen Mittelwerten kommt dies zum Ausdrucke; niemals um-
spannt eine kontinuierliche Depressionszone die ganze Erde, immer
löst sie sich in Cyklonen und Anticyklonen auf, die in ostwestlicher
Richtung neben einander lagern, geradeso wie die verschieden er-
wärmten Land- und Wassermassen; und je schärfer dieser Temperatur-
gegensatz ausgebildet ist, desto schärfer sondern sich auch die beiden
barometrischen Systeme voneinander ab.
Geographische Eigentümlichkeiten sind es also, die von ca. 35°
n. B. bis in das arktische Meer hinein die allgemeine Luftzirkulation
an der Erdoberfläche wesentlich modifizieren.
Passate. In den niederen Breiten zwischen den beiden sub-
tropischen Hochdruckzonen entspricht dagegen die Bewegung in
den untersten Luftschichten wenigstens auf den Meeren den theo-
retischen Voraussetzungen. Es ist das Gebiet der Passate, des
nordöstlichen auf der nördlichen, des südöstlichen auf der südlichen
7*
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100
Die Lufthülle.
Hemisphäre. Sie unterscheiden sich von den Cyklonen vor allem
durch ihre Beständigkeit, denn beständig ist auch die äquatoriale De-
pression, wenn sie sich auch mit dem Gang der Sonne verschiebt und
dadurch ebenfalls Verrückungen der beiden subtropischen Hochdruck-
zonen bewirkt. In nachstehender Figur, wo die Kurven die mittleren Ba-
rometerstände des Breitenkreise (nach der Berechnung von Teisserenc
de Boet6) in ihren positiven und negativen Abweichungen von dem
als normal geltenden Luftdruck im Meeresniveau (760 mm) zur Dar-
stellung bringen, sind diese jahreszeitlichen Verschiebungen durch
die punktierten Linien augedeutet In der Nähe des mathematischen
ao' so° *»• ,*>- ao° m • o» >o - so° w so • Äquators kann also ein
. Punkt zeitweise im
'N s-h Depressionsgürtel mit
rao j - ^ ~ T~Z ^ i"**e ~T V~ Ja7mar seinen variablen Win-
i i / \ den und Stillen (Kal-
7ov — < — ^ — -j— ^ T—5 Aprü mengürtel) liegen und
I : ^ ' zeitweise wieder unter
! / i \ die Herrschaft bald des
' Trn — ' ' \ NO.-, bald des SO.-
V — !"'\ Passates gelangen. Aber
' Nr Oktober aucj1 davon abgesehen,
1 — 1 — ~~~ — — : --J — — — s d — ^ bedarf die Vorstellung
Fig. 23. Verteilung des Luftdruckes. (Die Abstände Gleichmäßig-
vom mittleren Luftdrucke 760 mm in mm entsprechend keit und Regeln] äßig-
dem Barometerstände.) keit der Passate einiger
Einschränkung. Das Nebeneinander von Wasser und Land wirkt
auch hier störend. Von einem ununterbrochenen Passatbande
kann man daher auf der nördlichen Hemisphäre niemals und auf
der südlichen nur im Winter sprechen. Auch auf den Meeren ist
der SO.-Passat, entsprechend der bedeutenderen barometrischen
Höhe des südsubtropischen Maximums, besser entwickelt, als der NO.-
Passat. Die äquatorialen Depressionen bilden hier keine gleichmäßig
breiten Bänder, sondern verschmälern sich von 0. nach W. beträchtlich,
und ebenso wenig ist der Luftdruck in den subtropischen Hoch-
druckzonen gleichmäßig verbreitet, sondern verdichtet sich in der
Nähe der Westküsten der Kontinente zu scharf umrissenen Anti-
cykloneu. Daher kommt es, daß wir den Passat nur in den Ost-
hälften der Meere ganz regelmäßig ausgebildet finden, während er
im Westen eine rückläufige Bewegung annimmt Der SO. der
Südhemisphäre, wo diese Erscheinung besonders kräftig ausgebildet
ist, geht allmählich in 0., NO., NW., W. Uber, so daß dadurch ein
vollkommen geschlossener anticyklonischer Kreislauf um die sub-
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Luftdruck- und Windverteilung in den extremen Jahreszeiten. 101
tropischen Maxima entsteht, und die Passate selbst nur als ein ver-
längerter Zweig desselben erscheinen. Daß auch die Passatzonen zeit-
weilig von Cyklonen durchfurcht werden, wurde schon oben erwähnt,
und endlich unterliegen auch ihre polaren Grenzen häufigen un-
periodischen Verschiebungen.
Über der passatischen Bewegung in den unteren Schichten
zieht die antipassatische in den oberen Schichten in entgegen-
gesetzter Richtung, wodurch der vertikale Kreislauf geschlossen
wird. Der Pic von Teneriffa, 3700 m hoch, ragt bereits in diese
Region westlicher Winde hinein, und der Himalaja wird im Winter
schon in 2000 m Höhe von denselben getroffen.
Litteraturnach weise. 1 Loomis, im American Journal of Science 1885,
Bd. XXX, S. 9. — * Zur Einführung (ohne Zuhilfenahme der höheren
Mathematik) dient Ferrel, A populär Treatise on the Winds, London 1889. —
1 v. Siemens, Die Erhaltung der Kraft im Luftmeer der Erde, in den Sitzungs-
berichten der Berliner Akademie der Wissenschaften 1886. — 4 Oberreck, Über
die Bewegungscrscheiuungen der Atmosphäre; ebenfalls in den Sitzungsberichten
1889 (S. 383 und 1129). Für die Theorie der allgemeinen Luftzirkulation sind
ferner wichtig Helmiioi.tz , Über atmosphärische Bewegungen, in den Sitzungs-
berichten der Berliner Akademie der Wissenschaften 1888 und 1889; und Möller,
Zur Dynamik der Atmosphäre, in der Meteorologischen Zeitschrift 1893. —
1 Hann, Das Luftdruckmaximum vom November 1889, in den Denkschriften
der Wiener Akademie der Wissenschaften, Math.-naturwiss. Klasse, Bd. LVI1,
1890. Bezold, Zur Theorie der Cyklonen, in den Sitzungsberichten der Ber-
liner Akademie der Wissenschaften 1890. — 6 Teisserenc de Bort, Rcpartition
de la pression atmosph£ricjue ä la surface du globe, in Comptes rendus d. Aca-
demie des Sciences. Paris 1889 (S. 878).
Luftdruck- und Wind Verteilung in den extremen
Jahreszeiten.1
(Siehe Karte IX und X.)
Die Isobarenkarten. In derselben Weise, wie einst Dovk die
mittlere Temperaturverteilung in einzelnen Monaten und im Jahres-
durchschnitt kartographisch durch Isothermen darstellte, hat Büchan
Isobaren- und Windkarten entworfen, die uns die mittleren Zustände
des Luftmeeres vor Augen führen. Dieser Versuch ist für das Jahr
und die extremen Monate (Januar und Juli) von verschiedenen
Seiten, für alle Monate aber nur noch einmal und zwar von
Buchau2 selbst wiederholt worden. Indes leiden diese Karten an
verschiedenen Mängeln. Hann mußte 1886 das Geständnis ablegen,
daß „die Kurven (mittleren Isobaren), die mit vorhandenem guten
Material konstruiert werden können, so umfassender Interpolationen
bedürfen, daß sie eigentlich mehr eine Darstellung unserer Vor-
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102
Die Lufthülle.
Stellungen von der Verteilung des Luftdruckes sind, als der Aus-
druck von Thatsachen“. Trotz dieses skeptischen Urteils dürfen
wir aber wohl sagen, daß die Isobarenkarten wenigstens im großen
und ganzen der Wirklichkeit entsprechen, wenn wir auch genaue,
ganz zuverlässige Darstellungen nur von sehr wenigen Gegenden3
besitzen. Ein weiterer Übelstand liegt darin, daß wir die mittlere
Luftdruckverteilung mit den vorherrschenden Winden in Vergleich
setzen, also einen Mittelwert mit einem Scheitelwerte. Die bis-
herigen Versuche, die mittlere Windrichtung eines Ortes festzu-
stellen, haben zu keinem befriedigenden Ergebnisse geführt, und
ebenso wenig sind wir im stände, die sehr maßgebenden örtlichen
Einflüsse auf die Drehung der Windfahne zu beseitigen. Indes
treten diese Übelstände mehr in Detailuntersuchungen störend zu
Tage, als bei der Feststellung der Haupt -Windgebiete in den
extremen Jahreszeiten, womit wir es hier zu thun haben.
Nördlicher Winter (Karte IX). Im Bande hohen Luft-
druckes, das sich vom Dezember bis zum März um unsere Halb-
kugel schlingt, liegen vier anticyklonische Zentren; zwei, von
denen die NO.-Passate ausgehen, am Rande der Tropenzone und
zwar das atlantische im S. der Azoren, das pazifische nordöstlich
von Hawaii, die beiden anderen dagegen auf den Kontinenten in der
Nähe der Gebiete größter negativer Wärmeanomalie. Das ostsibirische
Maximum ist um 10 mm höher als das nordamerikanische, denn
dort sinkt die Temperatur um 24°, hier nur um 10° unter den
Breitendurchschnitt. Die Isobaren von 75 bis 65 mm buchten sich
auf der Ostfeste scharf nach W. aus, und ähnliche Krümmungen
zeigen auch die Isanomalen.
Das äquatoriale Minimum liegt auf dem Atlantischen und
Pazifischen Ozean nördlich vom Gleicher, nur auf dem warmen Indi-
schen Ozean ist es mit der Sonne etwas nach S. gewandert
Hoher Luftdruck breitet sich über die ganzen Nordkontinente aus
und umschließt zwei subpolare Gebiete niederen Barometer-
standes, deren Minima bei Island und den Aleuten, also in der
Nähe der relativ wärmsten Gegenden unserer Hemisphäre liegen.
Auch hier ist wieder der Zusammenhang mit der Temperaturver-
teilung deutlich ausgeprägt. Die größere Tiefe des nordatlantischen
Minimums ist bedingt durch den höheren Grad der positiven Ano-
malie; und auch die Biegungen der Isobaren sind in den Isanomalen
vorgezeichnet, wie beispielsweise das wichtige Teilminimum in der
Davisstraße.
Der thermische Gegensatz von West und Ost, der das Winter-
klima unserer Halbkugel beherrscht, kommt auch darin zum Aus-
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Luftdruck- und Windverteiluug in den extremen Jahreszeiten. 103
drucke, daß in derselben Richtung Windsysteme von entgegengesetztem
Charakter einander ablösen. Auf die nordatlantische Cyklone folgt die
ostasiatische Anticyklone, dann die nordpazifische Cyklone und endlich
die nordamerikanische Anticyklone. Eine Linie, die auf den Meeren
ungefähr mit den 30. Parallel zusammenfällt, auf den Kontinenten
aber — wie Karte IX zeigt — beträchtlich höher ansteigt, bildet,
gleichsam wie ein barometrisches Gebirge, die Hauptwindscheide
zwischen den vier nördlichen und den südlichen Systemen.
Yon jenen ist die nordatlantische Cyklone für uns am wich-
tigsten, überdies auch am eingehendsten erforscht. Eine von den
Bermudas gegen Island gezogene Linie trennt die Polar- von der
Äquatorialseite. Auf der letzteren herrschen südliche und west-
liche Winde vor, welche die höhere Lufttemperatur des Golfstrom-
gebietes, größere Feuchtigkeit und Niederschläge über das mittlere und
polare Europa bis nach Westsibirien verbreiten, aber natürlich in
immer geringerem Maße, je weiter sich die ozeanischeu Winde von
ihrer Ursprungsstätte entfernen, und je mehr kontinentale Luftmassen
in den Wirbel gezogen werden. Die folgende Tabelle, welche die
mittlere Differenz der Polar- ( — ) und Äquatorial winde ( + ) in Pro-
zenten flir einige Gegenden angiebt, zeigt uns am besten den Kon-
trast zwischen beiden Seiten der Cyklone.
Polarselte.
Neu-England —31,«
Küste von New York bis zur
Chaspcakbai — 21, i ,
Küste von der Chaspeakbai bis
Savannah — 9,o j
Hudsonthal — 9.a
Seenregion +4,«
Ohio und Tennessee . . . + ll,o
Oberes Mississippithal ... — 4,o
Äquatorial seite.
Irland 4- 20, o
Schottland + 26,*
England +7,5
Norwegische Westküste . . +33,«
Norwegische Südküste . . . — 15,o
Südschweden + 9,s
Haitische NW.-Küste ... +3,»
Belgien und Nordfrankreich . + 22, a
Französische Westküste . . + 8,a
Niederlande, Deutschland und
Dänemark +26,a
Nord- Alpen (Rigi und Schaf-
berg) +21,5
Inneres Böhmen +15,o
Nordabhang der Karpaten. . +10,3
Ostseeprovinzen und Finnland +27,s
Nord-Rußland +21,o
Zentral-Rußland +23,5
Westsibirien +20,o
Man ersieht aus dieser Tabelle, daß in Europa nicht alle Gegenden
gleichmäßig begünstigt sind. England und das südliche und östliche
Skandinavien haben im Osten und Süden wärmere Meeresflächen,
die häufig der Schauplatz von Cyklouenbildungen sind, aber ohne
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104
Die Lufthülle.
auf unseren Isobarenkarten als Teilminima klar hervorzutreten. Jene
Lokalitäten liegen daher oft auf der Polarseite von Barometerdepres-
sionen. ln Nordamerika nimmt die Häufigkeit der nördlichen Winde
nach Süden rasch ab (und infolge dessen die Temperatur ebenso rasch
zu), ja stellenweise herrschen sogar die Äquatorialwinde, wenn auch
nicht bedeutend vor. Es erklärt sich dies aus der regelmäßigen
Wanderung von Cyklonen aus dem Inneren der Vereinsstaaten gegen
Osten, wodurch ihre Zugstraßen, sowie die südlich davon gelegenen
Landstriche häufig der Wohlthat äquatorialer Winde teilhaftig
werden.
Die nordpazifische Cyklone unterscheidet sich von der at-
lantischen in einigen wesentlichen Punkten. Sie umfaßt auf der einen
Seite die Ostabdachung Asiens, auf der anderen den schmalen pazi-
fischen Rand von Nordamerika. Ihre kontinental abgeschlossene
Nordseite ist viel ausgebildeter, als die offene der atlantischen Cyklone;
überall in der Umgebung der Beringstraße herrschen Polarwinde
vor, wie die Vega-Expedition bestätigen konnte. Aus dem gleichen
Grunde liegt das Minimum liier wenigstens 10 Breitengrade süd-
licher als im Atlantischen Ozean; Alaska befindet sich daher schon
auf der Polarseite, während Skandinavien noch auf der Aquatorial-
seite liegt. Die letztere ist also in der neuen Welt in nordsüdlicher
Richtung beschränkter, als in der alten Welt, aber auch gegen Osten
hin, weil Gebirge ein tieferes Eindringen nicht verstatten. Ein ebenso
bemerkenswerter Unterschied liegt in der gleichförmigen Entwicke-
lung der Polarseite bis an den Wendekreis. Eine Linie von den
Bonininseln zu den Aleuten trennt sie von den äquatorialen.
Polarßelte. I Äquatorialseite.
Ocbotskische Küßte und Kam- Pazifische Küßte von Nord-
tßchatka — 41, s amerika +15,r
Sachalin, Japan und China . —46,7 Oberes Columbia +18, o
Ein Vergleich mit den auf S. 103 mitgeteilten Zahlen zeigt uns
deutlich, daß das östliche Nordamerika in den mittleren Breiten ungleich
begünstigter ist als das östliche Asien. Hier nimmt die Wärme nicht
so rasch nach Süden zu; Schanghai hat nur eine mittlere Januar-
temperatur von 3,a°. Noch schärfer tritt der Gegensatz in den Nieder-
schlagsverhältnissen hervor, wie wir später sehen w'erden. Woher
dieser Unterschied? Offenbar findet in Ostasien keine so lebhafte
Cyklonenbewegung statt, wie in den Vereinigten Staaten. Alle Be-
wegung nimmt in diesen Breiten eine östliche Richtung, und in dieser
stößt sie auf hohe Gebirge. Ebensolche verhindern auch den Abfluß
der Luft nach Süden. So gewinnt die sibirische Anticyklone
eine größere Festigkeit als die nordamerikanische, und dadurch
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Luftdruck- und Windverteilung in den extremen Jahreszeiten. 105
ist wohl auch zum Teil die abnorme Höhe des Luftdruckes be-
dingt.
Außer den beiden genannten Anticyklonen dürfte noch eine dritte
im Gebiete des amerikanischen Kältepols sich befinden. Darauf deuten
die sehr beständigen NW.- Winde hin, die das ganze arktische Amerika
bis in die Baffinbai und Davisstraße überwehen.
An der Hauptwindscheide finden wir schwankende Strömungs-
verhältnisse, da die Grenzen der Windgebiete, der Beweglichkeit des
Elementes entsprechend, sich beständig verschieben. Je weiter wir
aber gegen Süden Vordringen, desto mehr nimmt die Luftzirkulation
einen passatischen Charakter an. Die Polargrenze des eigentlichen
NO.-Passates liegt im Osten und Westen des Atlantischen Ozeans
in ca. 26 0 B. und sinkt in der Mitte auf ca. 1 8 0 herab ; die westliche
Sahara auf der einen Seite und Zentralamerika und der nördliche
Teil von Südamerika auf der anderen gehören noch diesem Gebiete
an. Auch im Pazifischen Ozean treffen wir den ausgebildeten Passat
erst jenseits des 30. Parallels im Osten und des 21. — 25. im Westen
an. In der östlichen Sahara, in Arabien und in Mesopotamien zieht
eine sehr beständige NW.-Strömung zum Indischen Ozean. In Zentral-
asien beginnt das passatische System erst jenseits des Himalaja, der
weit in die Region der antipassatischen Strömung hineinragt; dies-
seits desselben bis zum 50. Breitengrade ist ein Übergangsgebiet mit
schwankenden Winden, unter denen aber doch die polaren vorherrschen.
Wie hier das Relief des Erdbodens die Passatgrenze nach Süden
schiebt, so rückt im Westen das Mittelmeer die Hauptwindscheide
nach Norden. Auch hier nimmt der Luftdruck vom Festlande gegen
die See ab; aber das vielfach gegliederte Mittelmeer beherbergt
mehrere Minima, und die Windverhältnisse sind daher ziemlich kom-
plizierter Natur. Doch herrschen an den nördlichen und westlichen
Küsten im allgemeinen nördliche und an den südlichen südliche
Winde vor.
Jenseits des Himalaja fließt die Luft den großen Thälern des
Ganges und Brahmaputra entlang zum Indischen Ozean, wo die Strö-
mung erst die regelmäßige passatische Richtung annimmt. Überall,
wo der Kalmengürtel im Süden des Äquators liegt, also im ganzen
Indischen Ozean und in der westlichen Südsee, dringt der NO.-Passat
auf die Südhemisphäre hinüber bis ca. 10° B. und in Australien noch
weiter. Er wird hier durch die Rotation in einen NW.- bis W.-Wind
umgewandelt, und daher im malaischen Archipel und in Australien
als NW.- oder Australmonsun bezeichnet Unter dem Ausdruck
Mo nsun (vom arabischen mausim = Jahreszeit) versteht man einen
mit den Jahreszeiten wechselnden Wind; so führt auch der indische
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106
Die Lufthülle.
Passat den Namen NO.-Monsun, nur weil er im Sommer vom SW.-
Monsun abgelöst wird.
Auf der südlichen Halbkugel folgt ebenfalls auf den äquato-
rialen Depressionsgürtel eine Zone hohen Luftdruckes, die aber durch
die stark erwärmten Kontinente unterbrochen wird. Die Luftauf-
lockerung schafft hier Minima, die ringsum von der kälteren
Umgebung Luft anziehen und in cyklonale Bewegung setzen. Wir
haben also hier, entsprechend den drei Meeren, drei Passatge-
biete, die durch die festländischen Cyklonen voneinander ge-
trennt werden.
Der SO.-Passat überschreitet in dieser Jahreszeit (Sommer) nur
in den östlichsten Teilen des Atlantischen und Pazifischen Ozeans
den Äquator, während er sonst überall von dem nördlichen Passat
bis ca. 10° s. B. zurückgedrängt wird. Er erreicht seine höchste
Breite (33 — 34°) im Gebiete der subtropischen Maxima, und von da
nähert sich seine Polargrenze immer mehr dem Äquator. Im Osten
wird er durch die benachbarten kontinentalen Minima in SW. um-
gewandelt (besonders deutlich ist diese Ablenkung an der afrikanischen
Westküste ausgebildet), im Westen vollzieht sich, ebenfalls unter dem
Einflüsse jener Minima, die schon auf S. 100 geschilderte Umkehr,
wodurch die anticyklonische Bewegung um die subtropischen Maxima
geschlossen wird. Nirgends und niemals ist dieses Phänomen kräf-
tiger ausgebildet, als in dieser Jahreszeit auf der Südhemisphäre.
Wir finden es sogar mitten in der Südsee wieder, wo das östliche
Passatgebiet von dem schwächer entwickelten westlichen durch ein
Band des rückkehrenden Passates getrennt wird. Von etwa 45 °S.
breitet sich bis in die unbekannte Südpolarwelt hinein die antark-
tische Windzone mit vorherrschenden westlichen und nordwestlichen
Strömungen aus.
Nördlicher Sommer. (Karte X.) Der April ist für die nördliche
Halbkugel ein Ubergangsmonat. Im Mai weicht schon die Zone
hohen Luftdruckes gegen N. zurück, und der äquatoriale Gürtel nie-
deren Luftdruckes dringt von S. aus vor. Im Juli und August ist
die eigentümliche Verteilung des Barometerstandes, von dem wir
sogleich sprechen werden, zur höchsten Ausbildung gelangt.
Auf der südlichen Halbkugel liegen die Verhältnisse einfacher.
Die im Dezember und Januar getrennten Gebiete hohen Luftdruckes
schließen sich schon im Februar über dem südamerikanischen Kon-
tinent zu einem ununterbrochenen Bande zusammen und dieser
Zustand erhält sich bis November. Die subtropischen Maxima
liegen in ca. 30° S.; auch auf den Kontinenten entwickeln sich solche
in den Gegenden negativer Wärmeanomalie. Nördlich davon dehnt
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Luftdruck- und Windverteilung in den extremen Jahreszeiten. 107
sich die Passatzone aus, die sich nicht mehr auf die Meere allein
beschränkt, wenn sie auch auf den Kontinenten weniger regelmäßig
ausgebildet ist Die drei, bez. vier sommerlichen Passatgebiete lassen
sich trotzdem auch jetzt noch unterscheiden, doch verschmelzen die
beiden pazifischen, wenigstens im Norden, völlig miteinander. Die
anticyklonische Bewegung um die subtropischen Maxima ist noch
gut erkennbar, aber sie vollzieht sich erst in höheren Breiten. Auf-
fällig dürfte in dieser Jahreszeit (Winter) die Ablenkung des Passates
gegen die südafrikanische Westküste erscheinen ; aber sie erklärt sich
leicht, wenn man bedenkt, daß hier das Meer stets kälter ist als die
Küstenzone, und daß diese eine genügende Ausdehnung besitzt, um
durch Luftauflockerung den Seewind anzuziehen.
Die Polargrenze des eigentlichen Passates liegt in ca. 25° B.;
im Atlantischen Ozean reicht sie bis gegen 30°, in der mitt-
leren Südsee zieht sie sich bis gegen 18° B. zurück. Jenseits des
40. Parallel herrscht überall die westliche Strömung des antark-
tischen Windgebietes. Hier hat sich im allgemeinen seit dem Sommer
nichts geändert, nur der Gradient ist etwas steiler geworden.
Welcher Kontrast zwischen beiden Jahreszeiten tritt uns aber
auf der nördlichen Halbkugel entgegen! Lassen wir die alte
Welt vorläufig außer Betracht. Das äquatoriale Minimum ist mit
dem thermischen Äquator allenthalben nach Norden gerückt, im
Mittel bis ca. 10° N., nur an den Westseiten der Festländer bis
15 — 20° N. Überall folgt ihm der SO.-Passat auf unsere Hemisphäre,
und wird dabei in der Nähe des erhitzten östlichen Festlandes in SW.
umgewandelt. Auch das Gebiet hohen Luftdruckes ist auf dem Meere
beträchtlich weiter gegen den Pol fortgeschritten, durchschnittlich bis
55° B. Ebenso liegen die subtropischen Maxima nördlicher als im
Winter, unter ca. 40° B., und damit verschiebt sich auch die Haupt-
windscheide in höhere Breiten. Auf den Kontinenten, die wärmer sind
als das Meer in gleicher Breite, biegen sich dagegen die Isobaren nach
Süden um, und der Luftdruck nimmt landeinwärts ab; daher sinkt
die Hauptwindscheide in Amerika bis zum 20. Parallel und in der
alten Welt verschwindet sie vollständig.
Es dürfte nun an der Zeit sein, einen vergleichenden Blick auf
die horizontale Luftdruckverteilung im Sommer und Winter zu werfen.
Auf den Meeren folgen in beiden Jahreszeiten aufeinander: das äqua-
toriale Minimum, das subtropische Maximum, das subpolare Minimum
und das polare Maximum (letzteres wenigstens auf unserer Halb-
kugel). Die Festländer beherbergen dagegen im Winter Maxima und
im Sommer Minima. Es besteht also ein fundamentaler Gegen-
satz zwischen den marinen und kontinentalen Maxima und
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108
Die Lufthülle.
Minima; jene sind permanent, wandern aber mit der Sonne, diese
sind periodisch.
Die nordhemisphärische Passatzone reicht im Sommer nur von
der Saharaküste westwärts ungefähr bis zum Meridian von Sachalin.
Ihre Polargrenze liegt auf den Meeren durchschnittlich in 28° B.
steigt alter im Osten über 30° an. Die Nähe der erhitzten Kontinen-
talflächen erzeugt eine vollständige anticyklonische Bewegung um die
subtropischen Maxiraa, wie wir sie bisher nur auf der Südhemisphäre
beobachten konnten.
In den mittleren und höheren Breiten lagern vier cyklonische
Windgebiete nebeneinander, nur das der alten Welt reicht auch in
die Tropenzone hinein. Eine strenge Scheidung durch ausgedehnte
anticyklonische Systeme findet nur in den mittleren Breiten statt, in
den höheren treten die Windscheiden nur aufsehr detaillirten Isobaren-
karten deutlich hervor. Überdies sind die Winde nicht so stark wie
im Winter, denn die Druckdifferenzen sind nach allen Bichtungen viel
geringer, ebenso wie die Temperaturunterschiede. Sie sind auch in
den höheren Breiten von geringerer klimatologischer Bedeutung als
im Winter, weil die Verteilung der Temperatur hauptsächlich durch
die Insolation bedingt wird, und wir werden ihnen daher nur eine
flüchtige Betrachtung widmen.
Im nordatlantischen Cy klonengebiete liegt das Minimum
östlich von Island. Amerika östlich vom Mississippi und von einer
Linie, die man sich zwischen der Seenregion und der Hudsonbai nach
Nord westen gezogen denkt, der Atlantische Ozean nördlich einer Linie
von Florida bis Frankreich, die britischen Inseln, Frankreich und das
westliche Deutschland gehören dazu. Im Norden der Linie Jamesbai-
Island herrschen Polar-, südheh davon Äquatorialwinde vor. Die Nähe
der großen ostkontinentalen Barometerdepression macht sich aber
auch hier insofern geltend, als in Westeuropa die Polarströmung
häufiger ist, als im Winter. Über die Lage des Minimums in der
pazifischen Cyklone ist nichts genaues bekannt Die ameri-
kanische Cyklone, zieht S.- und SO.-Winde aus dem Golf von
Mexico an, die das ganze Prärienplateau überströmen, und erzeugt
anderseits NW.- Winde an der pazifischen Küste. Weitaus am wich-
tigsten ist aber das Cyklonengebiet der alten Welt. Das
Hauptminimum verlegt Hann nach Iran und in das Indusgebiet,
aber die Biegungen der Isobare von 755 mm verraten nicht minder
wichtige Teilminima, wie im westlichen Sibirien, in der Sahara
und in China. Überall ist in den weiten erhitzten Ebenen Gelegen-
heit zur Bildung barometrischer Minima vorhanden, an allen Seiten
saugt der Kontinent Luft ein, wie er im Winter Luft ausatmet
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Luftdruck- und Windverteilung in den extremen Jahreszeiten. 109
lm Süden wird — das einzige Beispiel dieser Art — der indische NO-
Passat völlig unterdrückt und die Luft gezwungen, in entgegengesetzter
Richtung, als SW. -Monsun dem zentralasiatischen Minimum zu-
zufließen. Thalaufwärts strömt sie in Hindustan bis zur großen Hima-
laja-Barriere, ja vielleicht in tieferen Einschnitten auch darüber hin-
weg. Nach Westen herrscht dieser Monsun bis Arabien, nach Osten bis
zu den Philippinen. In der Sahara dringt der SO.-Passat bis gegen
20 °N. vor; in China, Japan und auf dem benachbarten Festlande löst
der SO.- Wind den winterlichen NW. ab. Auf der anderen Seite des
großen Depressionsgebietes herrschen vom östlichen Deutschland und
der Balkanhalbinsel bis Sibirien und Turan polare Strömungen vor.
Dasselbe Gesetz, das hier die Luftzirkulation über einem Drittel
der Erdoberfläche regelt, macht sich auch im kleinen geltend. Skan-
dinavien und die iberische Halbinsel sind ebenfalls abgeschlossene
Cyklonengebiete, wie im Winter kleine anticyklonische Zentren. Auch
Italien zieht Seewinde an, während im südlichen Mittelmeere nörd-
liche Winde zur Sahara ziehen.
Die Änderungen vom Winter zum Sommer zeigt folgende
schematische Übersicht der Hauptwindgebiete:
Winter.
Nordpazifische Nordamerik. Nordatlautisclie Ostasiatische
Cyklone Anticyklone Cyklone Antieyklone
Nordpazifisches Nordatlantisches (Mittelmeer- Nordindisches
Passatgebiet Passatgebiet Gebiet) Passatgebiet
West- u. Ostpa- Südamerik. Öüdatlaut. Südafrikan. Südiudisches Austral.
zifischesPassatgebiet Cyklone Passatgebiet Cyklone Passatgebiet Cyklone
Antarktisches Windgebiet.
Sommer.
Nordpazifische
Nordamerikanische Nordatlantische
Cyklone
Cyklone Cyklone
Cy klonengebiet
der alten Welt
Nordpazifisches
N ordatlunt isches
Passatgebiet
Passatgebiet
Siidpazifisches
SUdatlantisches
SUdindisches
Passatgebiet
Passatgebiet
Passatgebiet
Antarktisches Windgebiet.
Mittlere monatliche Barometerschwankungen. Wie die Wärme-
schwankungen, so sind auch die mittleren Schwankungen des
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110
Die Lufthülle.
Luftdruckes ein bedeutungsvolles klimatisches Element, und es
ist ein großes Verdienst Köppens,4 dieselben zuerst kartographisch
dargestellt zu haben. Je größer sie sind, desto unruhiger ist durch-
schnittliche das Wetter, desto steiler ist wahrscheinlich der Gradient,
und desto stärker sind die Winde. Auf der Nordhemisphäre nimmt die
durchschnittliche monatliche Barometerschwankung vom Äquator bis
zum (50. Parallel, der Gegend der subpolaren Minima, zu, dann wieder
ab. Überall ist sie im Winter größer als im Sommer, aber die Diffe-
renz der winterlichen und sommerlichen Schwankung ist in der Tropen-
zone auf den Kontinenten und von 30 0 B. ab auf dem Meere beträcht-
licher. Vergleichen wir Meer und Festland miteinander, so ergiebt
sich ein sehr bemerkenswerter Gegensatz. Bis zum 20. Parallel ist
das Wetter auf dem Meere im Gebiet des regelmäßigen Passates stets
beständiger als auf den Kontinenten, nördlich vom 30° B. ist um-
gekehrt das maritime Wetter schwankender. Zwischen 20 und 30°
ist eine Übergangszone. Mit der Polargrenze des Passates steigt im
Sommer der tropische Typus bis zu 30° B. und sinkt im Winter der
Typus der gemäßigten Zone bis 20° B. herab.
Auf der südlichen Hemisphäre ist dasselbe Gesetz der Ab-
hängigkeit von der Breite wirksam, wie auf der nördlichen, aber
die Schwankungen sind dort beträchtlicher, namentlich wenn wir
die Sommer miteinander vergleichen. Die Maximalwerte unserer
Halbkugel werden jenseits des Äquators schon zwischen. 50 und
55° B. erreicht — ein Beweis, daß in der südlichen gemäßigten
Zone Cyklonen- und Anticyklonenbildungen ebenso wechseln, wie
bei uns, und daß die barometrischen Gradienten steiler sind. In der
That berichten alle, die die antarktische See durchfuhren, von dem
stürmischen Charakter der dort herrschenden Westwinde.
Litteraturnack weise. 1 Supan, Statistik der unteren Luftströmungen,
Leipzig 1881. — * Büchan, Monats- und Jakresisobaren im Challenger- Werk
cit. S. 77. — 3 Noch unerreichtes Muster ist Hann, Die Verteilung des Luft-
druckes über Mittel- und Südeuropa. Wien 1887. Für die Methode der Be-
arbeitung mariner Beobachtungen ist Ritno, Repartition de la pressure atmo-
spherique sur l’oeean atlantique septentrional , Kopenhagen 1894, maßgebend.
— 4 Köppkn, Die monatlichen Barometerschwankungen, in den Annalen der
Hydrographie und maritimen Meteorologie 1882.
Lokale Winde.
Die lokalen Winde können wir in zwei Hauptarten teilen. Zur
ersten gehören die lokalen Winde in des Wortes strengster Bedeu-
tung, die nicht durch die allgemeine geographische Verteilung
des Luftdruckes, sondern durch örtlich beschränkte barometrische
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Lokale Winde.
111
Unterschiede hervorgerufen werden. Es ist selbstvertständlich, daß
solche lokale Druckdifferenzen nur dann zur Geltung gelangen
können, wenn die Atmosphäre nicht von beträchtlichen Störungen
heimgesucht wird. Die Winde dieser Kategorie sind daher nicht
nur örtlich, sondern auch zeitlich beschränkt. Die zweite Hauptart
bilden jene Winde, die zwar Teile der allgemeinen Luftzirkulation
sind, aber in bestimmten Gegenden oder nur unter bestimmten
Umständen eine lokale Färbung erhalten.
Lokale Windsysteme. Zur ersten Art gehören die Land- und
See-, Berg- und Thalwinde. Die ersteren, deren Theorie
Blanfobd1 ausgebildet hat, finden wir an den Gestaden aller
größeren Wasserflächen, hauptsächlich aber an den Meeresküsten.
Wenn in den Vormittagsstunden das Land sich erwärmt, steigen die
Luftsäulen über demselben zu einer größeren Höhe an, als über dem
kühleren Meere; es entsteht infolge dessen eine obere Strömung
vom Lande zur See, und zum Ausgleich in den unteren Luft-
schichten der Seewind. Die Zirkulation reicht in ziemlich bedeu-
tende Höhen, wie die Beobachtungen mittels eines befestigten Ballons
in der Bucht der Coneyinsel (New York) lehren.* In den Abend-
stunden gleichen sich die Druckunterschiede aus, und nach Mitter-
nacht, wenn sich das Land mehr abgekühlt hat als das Meer, ent-
wickelt sich die umgekehrte Bewegung: in den oberen Schichten ein
Seewind, in den unteren ein Landwind.
Ein echter Tagesmonsun sind auch die Berg- und Thal-
winde,2 ein allen
Gebirgsländem
gemeinsames Phä-
nomen, wenn auch
kaum irgendwo
großartiger und
regelmäßiger ent-
wickelt, als in
Tibet und Kasch-
garien. Wenn mit
Fig. 24. Berg- und Thalwinde.
steigender Sonne dieLuft im Thale und an den Berghängen sich erwärmt,
dehnen sich die Luftsäulen (Fig. 24) ab und cd bis b' und d' aus, und es
entsteht nun ein Gradient von der freien Atmosphäre gegen den Berges-
X 10. Aug. 1879 10. Aug. 1879 13. Aug. 1879
lh 19m p. m. 31' 10“ p. m. 1 11' 50“ a. m.
Oberes Ende des Landwindes 270 m 330 m 320 m (?)
Unteres Ende des Landwindes 150 150 210
Oberes Ende des Seewindes 120 150 200
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112
Die Lufthülle.
Lang hin. Dasselbe Resultat wird außerdem noch durch einen anderen
Umstand erzielt. Die Luft am Abhange wird mehr erwärmt, als in
der freien Atmosphäre im gleichen Niveau; jene strebt als spezifisch
leichter in die Höhe, und muß durch zuströmende Luft ersetzt werden.
So entwickelt sich bei Tag ein Steigungswiud die Gehänge hinan, und
zum Ersätze Hießt Luft aus der Ebene thalaufwärts. Bei Nacht
ziehen sich die Luftsäulen ab und cd bis b" und d" zusammen, und
dem neuen Gradienten folgt ein Eallwind an den Gehängen hinab
und thalabwärts zur Ebene hinaus.
Wo die Berghänge mit Schnee und Eis bedeckt sind und
daher erkaltend auf die Luftschichten wirken, da entsteht auch bei
Tag ein kalter Fallwind. Dieser Art sind z. B. die Nevados oder
Schneestürme auf dem mit hohen Bergen gekrönten Plateau von
Quito.
Auch im oberen Engadin weht im Sommer bis nach Scanfs bei
Tage ein Thalwind. Diese Anomalie bereitete der Theorie einige
Schwierigkeiten, bis sie Billwillee durch die eigentümlichen oro-
graphischeu Verhältnisse des Thaies befriedigend erklärte. Auch
hier finden wir den regelrechten Steigungswind, aber der Ersatz
dafür kommt nicht von dem stark eingeengten unteren Thale, son-
dern von dem ganz offenen oberen Ende.
Enge Nebenthäler, die von hohen und steilen Felswänden ein-
geschlossen und daher nur wenige Stunden von der Sonne beschienen
werden, senden oft, besonders im Sommer, kalte Winde in das viel
wärmere Hauptthal. Bekannt ist der Wisperwind, der, aus dem
Taunus kommend, manchmal das um 12 — 18° wärmere Rheinthal
heimsucht. Eine ähnliche Wirkung erzeugt die Nachbarschaft von
Gebirge und Ebene, besonders im Frühjahr und Herbst; das Klima
des bayerischen Plateaus und der Po-Ebene wird zum Teil durch
diesen Gegensatz bedingt. Zu den echten lokalen Winden gehört
auch jene eigentümliche und, wie es scheint, ganz abgeschlossene
Luftzirkulation im Ghör, wo im Sommer Süd- und im Winter Nord-
winde ausschließlich herrschen.
Einflufs lokaler Verhältnisse auf die Winde. Zweige der all-
gemeinen Luftbewegung können durch bestimmte lokale Verhältnisse
in ihrer ursprünglichen Richtung oder Stärke verändert werden
oder auch einen eigentümlichen klimatischen Charakter erhalten.
So werden im meridionalen Champlaiu-Hudsonthal im Staate New
York die winterlichen NW.-Wiude in N.- und die sommerlichen
SW.-Winde in S.-Winde umgewandelt. Das von Nordwesten nach
Südosten ziehende Ebrothal kennt eigentlich nur zwei Luftströ-
mungen: den Cierzo (Nord westen) und Bochorno (Südosten). Ein groß-
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Lokale Winde.
115
artiges Beispiel dieser Art liefert auch Hindustan, wo der Winter-
monsun thalabwärts und der Sommermonsun thalaufwärts fließt, und
selbst die antipassatische Strömung in 2000 m Höhe im Winter
genau den Bahnen des Sommermonsuns folgt. Auf wie weite Strecken
hin ein Gebirge die Windrichtung zu bestimmen vermag, beweisen
die Gegenden an der Ostseite der Karpaten, wo NW.- und SO.-
Winde von Bessarabien bis in die Nähe von Lemberg entschieden
vorherrschen.
In noch höherem Grade, als die Richtung, unterliegt die Stärke
des Windes der lokalen Beeinflussung, besonders durch Temperatur-
unterschiede, wie zwischen dem Meere und einem gebirgigen Hinter-
lande im Winter, oder zwischen einem solchen und einer erhitzten
Küstenebene im Sommer. Auf diese Weise erhält der Mistral,3 ein
stürmischer N.- oder NW.- Wind, der die Küstengegenden von der
Ebromündung bis in den innersten Winkel des genuesischen Golfs so
häutig heimsucht, seinen eigentümlichen Charakter. Besonders heftig
ist er in der Provence und Languedoc, wo die Gebirgsmauem der
Cevennen und Alpen aneinander stoßen, und wo er regelmäßig auf-
tritt, wenn ein Minimum sich im Süden oder Südosten der Provence
befindet, während eine Anticyklone über dem mittleren und süd-
westlichen Frankreich lagert. Diese Druckverteilung ist im Winter
die normale, daher auch der Mistral in dieser Jahreszeit am häu-
tigsten. Seine Heftigkeit erklärt sich dadurch, daß die Gegensätze
nicht sofort ausgeglichen werden, indem die von Norden kommende
Luft einige Zeit hinter dem Gebirge sich staut. Ähnlich verhält
sich die Bora* an den gebirgigen Küsten von Triest, Dalmatien
und Albanien. Man versteht darunter NO.- und O.-Winde, die
besonders im Winter durch Minima aul dem Adriatischen Meere
erzeugt werden. Die zeitweise Stauung und das plötzliche Herein-
brechen über die Pässe des Gebirges kommt in dem stoßweisen
Wehen dieser oft gefährlichen Stürme zum Ausdrucke, die am
wütendsten dort sind, wo der Gebirgskamm mindestens 300 — 600 m
hoch und zugleich in horizontaler Richtung nur ein paar Kilometer
von der warmen See entfernt ist. Solche Borastürme kommen
übrigens auch bei Noworossisk am NO.-Ufer des Schwarzen Meeres
und am Fuße eines ca. 550 m hohen Ausläufers des Kaukasus vor,
und Middendobff berichtet von einer gleichen Erscheinung an der
ochotskischen Küste.
Alle diese Winde sind kalt und trocken, und diese Eigen-
schaft bedarf einer Auseinandersetzung. Ein Beispiel wird hier am
schnellsten zum Ziele führen. An einem Januartage mit mittlerer
Monatstemperatur bewege sich die Luft von Alessandria (Seehöhe
Supah, Physische Erdkunde. 2. Aufl. 8
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114
Die Lufthülle.
98 m, Temperatur —0,9°) über den Bocchettapaß (780 m hoch) nach
Genua (48 m hoch, Temp. 8°). Auf dem Bocchettapasse wird sie
sich von —0,9° auf — 3,a° abkühlen (Abnahme für 100 m 0,4°), beim
Herabsinken auf der anderen Seite aber nach der Theorie um 1°
für je 100 m erwärmen. In der That beträgt die Zunahme nach
Mohns Berechnung freilich nur 0,984°, weil ein Teil der Wärme zum
Verdampfen des ausgeschiedenen Wassers verbraucht wird, aber
immerhin hat die Luftströmung am Südfuße des Apennin eine
Temperatur von 3,e°. Sie ist also wärmer wie in Alessandria und
daher relativ trockener, aber in Genua erscheint sie dennoch als
relativ kalter Wind. Wäre aber der Bocchettapaß 2000 m hoch,
dann würde ihre Temperatur auf demselben sich zwar auf — 8,6 0
erniedrigen, aber am Südfuße auf 10,7° erhöhen, d. h. sie würde in
Genua als trockener und relativ warmer Wind, als sogenannter
Föhn ankommen.
Die Temperatur eines Windes hängt also unter übrigens gleichen
Umständen 1) von der Wärmedifferenz der Anfangs- und Endstation
ab, 2) von der Höhe des Gebirges, das er zu überschreiten hat.
Der Föhn4 ist eine zahlreichen Gebirgsländem gemeinsame
Erscheinung, während man ihn früher nur auf die Nordalpen be-
schränkt glaubte. Hier ist dieser warme und trockene Südwind
(SW — SO), der sich zeitweise zum Sturme steigert, von Besannen
am Jura bis Vorarlberg zu Hause, erreicht aber in seinen östlichen
Ausläufern auch das untere Innthal und manchmal sogar die
Thäler von Salzburg und des Salzkammergutes. Er erzeugt, be-
sonders im Frühling, oft plötzliche und gefährliche Schneeschmelze
und Überschwemmungen, ist aber auch von dauerndem Einflüsse auf
das Klima * und ermöglicht die Maiskultur in Gegenden, von denen
sie sonst ausgeschlossen wäre.
Nach Hann tritt der Föhn auf der Nordseite der Alpen dann
auf, wenn sich eine tiefere Barometerdepression auf dem Atlantischen
Ozean zwischen dem Golf von Biscaya und Nordschottland einstellt.
Der Luftdruck ist dann am Nordfuße der Alpen viel tiefer, als am
Südfuße, weil die mächtige Gebirgsmauer eine Ausgleichung der
Dichtigkeit der unteren Luftschichten verhindert. Die Luft wird
durch jenes Minimum aus den nördlichen Thälern gleichsam aus-
gepumpt, und zum Ersätze strömt nun Luft vom Südabhange über
die Pässe auf die Nordseite, wobei durch die Abkühlung der auf-
x Höhe
Winter Frühling
Sommer
Herbst
Jahr
Zürich 470 m
-0,8°
8,9°
17,8°
8,8°
8,7°
Altdorf (Föhngebiet) 454
9,8
17,8
10,o
9,5
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Lokale Winde.
115
steigenden Luft am Siidabhange häufig Niederschläge erzeugt werden.
Daß bei der Föhnbildung die Höhe des Gebirges das maßgebende
Moment ist, beweist der Nordföhn, der in den südlichen Thälem
erscheint, wenn hier der Luftdruck beträchtlicher tiefer ist, als auf
der Nordseite.
Heutzutage weiß man, daß der Föhn ein allgemein verbreitetes
Phänomen ist. Der sogenannte Scirocco auf der Nordseite der
Pyrenäen und in Algier ist nach Hebebt nichts anderes als Föhn.
In Modena nimmt der SW.-, in Simferopol auf der Krimhalbinsel
der SO.-, in Trapezunt und im Kurthal der SW.-, in Kutais dagegen
der ONO. -Wind zeitweise einen föhnartigen Charakter an. Für die
Westküste Japans hat erst kürzlich Knipping das Vorkommen des
Föhns nachgewiesen. Auch an der Ostseite der nordamerikanischen
Gebirge, der Rocky Mountains sowohl, wie der Alleghanies zeigt
sich diese Windform häufig. In Neuseeland ist er besonders ent-
wickelt auf der Ostseite der Südalpeu. In Grönland ist er an beiden
Küsten heimisch, je nachdem ein tiefes barometrisches Minimum
westlich oder östlich von dieser Kontinentalmasse erscheint, nur daß
hier nicht ein Überwehen des ganzen inneren Eisplateaus voraus-
gesetzt werden darf, sondern ein Abströmen der Luft von demselben
genügt, um ähnliche thermo-dynamische Wirkungen zu erzeugen, wie
in schmalen Gebirgszügen. Von großer klimatischer Bedeutung ist der
Föhn an der Westküste, wo er im Winter und Frühjahr die Tempe-
ratur häufig über den Gefrierpunkt hebt. In Jakobshavn z. B. ist
die durchschnittliche Zahl der Föhn tage 16 (in der Schweiz 40). In
Nischne-Kolymsk erwähnt schon Wkangell einen trockenen und
warmen Wind aus Südosten, wo ein Ausläufer des Stanowoigebirges
liegt. Woeikow hat auch den Föhn herangezogen, um manche Eigen-
tümlichkeiten des 08tasiatisclien Winterklimas zu erklären. Wo der
Gebirgsrand unterbrochen ist, bringt der herrschende Nordwest die
Temperatur des sibirischen Kältezentrums bis an die Küste; wo er
aber ein Gebirge übersteigen muß, erwärmt er sich beim Herab-
sinken. Daher ist z. B. Ajan im Januar um 2,8° wärmer als Niko-
lajewsk und Peking um 4,8° wärmer als Niutschwang.
Die Trockenheit und Wärme hat der Föhn mit den Wüsten-
winden6 gemein und lange Zeit hielt man ihn auch für einen
solchen. Er erhält aber seinen Charakter durch lokale Verhältnisse
und verliert ihn auch wieder, sobald diese zu wirken aufhören;
während die Wüstenwinde ihn aus der Wüste, in der sie entstehen
oder die sie passieren, mitbringen. So sendet die Sahara den
Khamsin nach Ägypten, den Harmattan nach Oberguinea und
sogar über breite Meerestrecken den Leste nach Madeira und den
8*
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116
Die Lufthülle.
Canarischen Inseln, den Leveche an die spanische Ostkttste vom
Kap Gata bis zum Kap Näo, und den Scirocco (nicht zu ver-
wechseln mit den ebenso genannten feucht-warmen Winden in Italien
und auf dem Adriatischen Meere) nach Sicilien. Ein Wüstenwind
ist ferner der bekannte Samum im mittleren und nördlichen Arabien.
Auch von der Mohavewüste im westlichen Nordamerika sind solche
Winde bekannt. Aber keine sind heißer und trockener als die aus
dem Inneren von Australien kommenden. Neümayer beobachtete
einmal in Melbourne, wie durch einen solchen Wüstenwind die Äpfel
an den Bäumen buchstäblich gebraten wurden. In Neu -Süd -Wales
schwankt die Temperatur dieses Windes zwischen 27 und 43°, im
Binnenlande ist sie aber viel höher. So beobachtete Stiikt in
Zentralaustralien am 21. Januar 1845 55° im Schatten, und im
Dezember 1828 zerstörte ein heißer Wind am Hunt River auf eine
Strecke von nahezu 50 km allen Weizen.
Litteraturnach weise. 1 Blanford, Land- und Seewinde an der Küste
von Bengalen, in der Zeitschrift der österreichischen Gesellschaft für Meteoro-
logie, 1877. — * Hann, Zur Theorie der Thal- und Bergwinde, ebendaselbst
1879. — * Dersch, Der Ursprung des Mistral, ebendaselbst 1881. — 4 Hanns
Klimatologie eit. S. 42 — 6 Niemeter, Die heißen Winde der Wüstengebiete.
Meldorf 1891.
Der Wasserdampf in der Atmosphäre und die Ursachen
seiner Kondensation.
Verschiedene Ausdrücke für die Feuchtigkeit der Luft. Alle
Wasserflächen und die Pflanzendecke entsenden fortwährend Wasser-
dampf in die Atmosphäre. Man mißt den absoluten Feuchtig-
keitsgehalt der Luft als Dunstdruck; die Höhe einer Queck-
silbersäule (ausgedrückt in mm), die der Expansivkraft des Wasser-
dampfes das Gleichgewicht hält, gilt noch allgemein als Maßstab
desselben, obwohl die Angabe des Gewichtes des Wasserdampfes
in einem Kubikmeter Luft (ausgedrückt in Gramm) vorzuziehen
wäre. Die folgende Tabelle zeigt aber, daß beide Ausdrücke nicht
sehr voneinander abweichen.
Die Erfahrung lehrt, daß die Luft bei einer bestimmten Tem-
peratur nur eine bestimmte Menge Wasserdampf in sich aufnehmen
kann:
Temperatur
-10°
—5°
0°
5°
10°
15°
20°
25°
Maximaldunstdruck
3,i
4,«
6,5
9,*
12, t
17,4
23,«
Maximalgewicht
2,*
3,*
4,»
6,s
9,4
12,i
17,i
22, •
Es ergiebt sich daraus, daß die Verdunstung mit der Tem-
peratur steigt, wobei freilich auch der Wind insofern von Einfluß ist,
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Der Wasserdarapf in der Atmosphäre u. die Ursachen seiner Kondensation. 117
als er die feuchte Luft immer wieder fortführt und dadurch eine
rasche Sättigung verhindert Je größer die Verdunstung, desto
größer ist die absolute Feuchtigkeit der Luft; sie muß daher, wie
sie an jedem Orte mit der Temperatur steigt und fällt, auch in
ihrer geographischen Verteilung sich an die der Wärme anschließen.
Die Linien gleichen Dunstdruckes wiederholen in der That alle
Biegungen der Isothermen, und nur die regenarmen Gebiete der
Kontinente machen begreiflicherweise davon eine Ausnahme. Die
jährliche Schwankung des Dunstdruckes steigert sich wie die der
Temperatur vom Äquator gegen die Pole und von den Küsten
landeinwärts, wobei in unseren Breiten der Gegensatz von Ost-
und Westküsten in derselben Weise hervortritt, wie auf der Karte
der jährlichen Wärmeschwankung. Ebenso nimmt die absolute
Feuchtigkeit mit der Höhe ab und zwar in der freien Atmosphäre
rascher als im Gebirge, und hier (mit Ausnahme des Pic von Tene-
riffa und vielleicht der ganzen Passatzone) unter höheren Breiten
schneller als unter niederen. Schon in einer Höhe von 2000 m
hat der Feuchtigkeitsgehalt um die Hälfte abgenommen und über
6500 m Höhe finden wir nur mehr x/10 ^es atmosphärischen Dampf-
gehaltes.
Wenn auch für die Charakteristik des Klimas einer Gegend der
Dunstdruck ein entscheidendes Element ist, so bedarf er doch stets
zu seiner Erläuterung der Temperaturangabe und eignet sich daher
wenig zu klimatologischen Vergleichen. Wenn wir auf die unten-
stehende Tabelle * einen Blick werfen, so finden wir bei Königsberg
und Breslau die gleichen Jahresmittel der absoluten Feuchtigkeit;
ist aber wirklich die Luft in beiden Städten durchschnittlich gleich
Winter Frühling Sommer Herbst
Jahr
Absolute Feuchtigkeit (mm)
Königsberg
3,5*
5,3
10,4
6,3
6,5
Breslau
3,,*
5,»
10,8
6,3
6,5
Borkum
4,,*
6,5
11,5
8,3
7,3
Trier
4,5*
6,o
10, g
7,3
7,«
Relative
Feuchtigkeit (Proz.)
Königsberg
87
76
74*
83
80
Breslau
83
71
69*
78
75
Borkum
91
84
82*
87
86
Trier
85
68*
69
80
75
Sättigungsdefizit (mm)
Königsberg
0,5*
1,0
1,»
1,3
Breslau
0,7*
2,,
4,8
2,»
2,‘
Borkum
0,5*
1,3
2,5
1,3
1,3
Trier
0,.*
2,3
4,8
2,o
2,5
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118
Die Lufthülle.
feucht? Nein, denn die Temperatur ist verschieden. Um bequeme
Vergleichs werte zu schaffen, berechnet man daher entweder das
prozentische Verhältnis des wirklichen Dunstdruckes (d) zu dem
der Temperatur entsprechenden Maximum (m), d. h. die relative
Feuchtigkeit ( f), die in der Meteorologie schon lange eine hervor-
ragende Rolle spielt; oder, nach Wilds Vorgänge, das Sättigungs-
defizit (s), d. h. die Dampfmenge, welche der Luft unter den
gegebenen Temperaturverhältnissen zur Sättigung noch fehlt In
Fonnein ausgedrückt ist also f = 100 ~ und s = m — d. Nun
wird sofort klar, daß Königsberg feuchter ist als Breslau. Aus den
Formeln ergiebt sich auch, warum die jährliche Periode des Sättigungs-
defizits denselben Verlauf nimmt, wie die des wirklichen Dunstdruckes,
w ährend die relative Feuchtigkeit gerade das entgegengesetzte Ver-
halten zeigt. In unseren Gegenden ist die Luft im Sommer absolut
am feuchtesten, relativ aber am trockensten. Welches Element, die
relative Feuchtigkeit oder das Sättigungsdefizit, sich besser für die
Zwecke der Klimalehre eignet, ist noch eine offene Frage1; es unter-
liegt aber keinem Zweifel, daß das erstere manchmal irreleitet. Es
erweckt z. B. den Schein, als ob in Trier der Frühling trockener
sei, als der Sommer, während doch, wie sich aus dem Sättigungsdefizit
ergiebt, gerade das Umgekehrte der Fall ist. Trotzdem ist die
relative Feuchtigkeit aus ihrer dominierenden Stellung noch nicht
verdrängt. Wenn wir oben sagten, daß ihre jährliche Kurve im
entgegengesetzten Sinne verlaufe, wie die der Temperatur, so bedarf
dies insofern einer Einschränkung, als sie im asiatischen Monsun-
gebiete und in den Polargegenden, wo die Winter sehr trocken
sind, mit der Wärme steigt und fällt, obwohl dieser Parallelismus
auf kein direktes Verhältnis zwischen beiden Elementen hindeutet. Wie
die absolute Feuchtigkeit nimmt auch die relative von den Küsten
(mit Ausnahme der asiatischen Ostküste) gegen das Innere des
Landes ab und ist am geringsten in den Wüsten und Steppen,
aber im Gegensätze zu jener ist sie in höheren Breiten durchschnitt-
lich größer als in niederen. In vertikaler Richtung nimmt sie unter
allen Umständen bis zu einer gewissen Höhe zu und dann beständig
ab. Die Höhe dieser Maximallinie ist aber sehr schwankend;
Flammarion traf sie auf seinen Ballonfahrten am 10. Juni 1867 in
150 m, am 15. Juli aber in 1100 m H. an. Im Gebirge machen sich
lokale Einflüsse geltend. Am Antisana in den Andes von Quito, 4060 m
hoch, sinkt die relative Feuchtigkeit selten bis 74 herab und er-
reicht meist den Sättigungspunkt. Doch war Mühbys Schluß, daß
sich die ganze Aquatorialzone durch große Feuchtigkeit bis zu
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Der Wasserdampf in der Atmosphäre u. die Ursachen seiner Kondensation. 119
einer Höhe von 5700 m auszeichne, voreilig, denn Junghuhn belehrt
uns, daß auf Java die relative Feuchtigkeit in 3400 m Höhe 48
und in 3700 m Höhe nur mehr 10 Prozent beträgt. Das ist be-
deutend weniger, als auf dem Gipfel des Montblanc (4810 m), wo
im August 55 Prozent gemessen wurden. Jedenfalls ist die rela-
tive Feuchtigkeit im Gebirge größer, als im gleichen Niveau der
freien Atmosphäre, weil dort aufsteigende Luftströme, die wir als
Bergwinde kennen gelernt haben, beständig Wasserdampf hinauf
tragen.
Die Winde als Verbreiter des Wasserdampfes. Da die Luft in
fortwährender Bewegung ist, so kann der an einem Orte erzeugte
Wasserdampf auch anderen, oft weit entfernten Orten zu gute kommen.
Die Regelung der Verteilung des Wasserdampfes und damit auch
der Niederschläge ist die zweite Hauptaufgabe der Winde im Haus-
halte der Natur. Seewinde sind selbstverständlich feuchter als Land-
winde, büßen aber ihren Charakter immer mehr ein, je weiter sie
landeinwärts vorrücken. Winde, die aus kälteren in wärmere Gegen-
den kommen, sind relativ trocken, weil sich ihr Dampfgehalt immer
weiter vom Sättigungspunkte entfernt; umgekehrt sind Luftströmungen
(mit Ausnahme der von Natur trockenen Wüstenwinde) relativ
feucht, wenn sie aus wärmeren in kältere Gegenden versetzt werden.
Auf diese einfachen Sätze werden wir uns berufen, wenn wir von
der geographischen Verteilung der Niederschläge sprechen werden.
Kondensation des Wasserdampfes. Es entsteht nun die Frage:
unter welchen Bedingungen schlägt sich die Luftfeuchtigkeit nieder?
Offenbar kann nur solange Wasserdampf aufgenommen werden, als
die Luft noch nicht gesättigt ist; sobald aber die relative Feuchtig-
keit 100 Prozent übersteigt — und dies kann nur geschehen, wenn
ganz oder nahezu gesättigte Luft mehr oder weniger rasch abgekühlt
wird — , so muß ein Teil des Wasserdampfes ausgeschieden werden.
Wir haben uns also die Frage vorzulegen: unter welchen Bedingungen
kann rasche Abkühlung der feuchten Luft eintreten?
Berührung feuchter Luft mit Körpern, deren Temperatur durch
nächtliche Ausstrahlung unter die der umgebenden Atmosphäre
herabgesunken ist, oder starke Verdunstung des Bodens und der
Pflanzen in hellen, windstillen Nächten, wenn die unterste Luft-
schicht kälter ist als der Boden — eine von diesen Ursachen, meist
aber beide zusammen erzeugen den Tau und Reif (gefrorenen Tau).2
Messungen am Observatorium von Montsouris im Februar 1874 er-
gaben für diese Niederschlagsform eine monatliche Höhe von 2,5 mm;
in regenarmen Gegenden kann also der Tau eine nicht ganz un-
bedeutende Rolle spielen. Eine andere Ursache der Kondensation
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120
Die Lufthülle.
ist die Vermischung ungleich temperierter Luftmassen. Daher sind
die warmen, feuchten Winde in unseren Gegenden meist Regen-
bringer, besonders in der kälteren Jahreshälfte; aber auch kalte
Winde können zu Niederschlägen Veranlassung geben, wenn sie
plötzlich in eine dampfgeschwängerte Atmosphäre einbrechen. Die
Quelle der reichlichsten Niederschläge sind aber die freiwillig oder
gezwungen emporsteigenden Luftströme. Zu den ersteren gehören
die aufsteigenden Luftströme im Zentrum einer Barometerdepression,
der Bergwind im Gebirge und alle jene emporsteigenden Luftströme,
die sich in den heißen Nachmittagsstunden windstiller Sommertage
lokal über größeren und kleineren Ebenen entwickeln. Die Über-
hitzung des Bodens erzeugt im letzteren Falle einen labilen Gleich-
gewichtszustand der Atmosphäre, d. h. einen Zustand, in dem die
Temperatur um mehr als 1° für je 100 m Höhe abnimmt, wofür
die Ballonfahrten der Münchener Luftschiffer3 zum ersten Male den
thatsächliclien Beweis erbracht haben. * Die zweite Art bilden hori-
zontale Luftströmungen, welche durch orographische Hindernisse,
besonders durch Gebirge gezwungen werden, sich aufwärts zu be-
wegen, wodurch selbst relativ trockene Winde in Regenwinde ver-
wandelt werden können.
Auch jede Abnahme der Geschwindigkeit eines horizontalen
Luftstromes muß, solange er sich nicht verbreiten kann, seinen
Querschnitt erhöhen, also ein Aufsteigen bewirken; und solche Ver-
änderungen vollziehen sich nicht bloß dort, wo die Reibung zunimmt,
wie bei dem Übergange eines Luftstromes von dem Meere auf das
Land, oder von einer nackten Fläche auf eine mit Vegetation be-
kleidete, oder von einer Grasffäche in den Wald, sondern auch mitten
auf dem Ozean.4
So lange der Wasserdampf gasförmig in der Atmosphäre ver-
X Nehmen wir eine Temperaturabnahme von 1,3° an, so wird die Luft-
temperatur, wenn wir unmittelbar über dem Boden 26° haben, in 500 in
Höhe 20° und in 1000 m Höhe 14° betragen. Steigt ein Luftteilchen der
untersten Schicht in die Höhe, so wird cs sich höchstens um 1° für je 100 m
abkühlen, also in 500 m 21° und 1000 m 16° besitzen. In jedem Niveau
ist es aber wärmer, als die umgebende Schicht und es findet erst
Ruhe, wenn es eine gleichwarme Schicht erreicht. Andererseits ist die zum
Krsatz von oben kommende Luft in jedem Niveau kälter, als die Umgebung
(1000 m 14°, 500 m 19°, 0 m 24 °) und kann bis zum Boden gelangen. Auf
diese Weise kann eine vertikale Luftzirkulation bis in beträchtliche Höhen sich
entwickeln. Das ist weder bei dem indifferenten (Temperaturabnahme 1°),
noch bei dem stabilen Gleichgewichtszustände der Luft (Temperaturabnahme
weniger als 1 •) möglich. Ein labüer Gleichgewichtszustand kann natürlich nur
bei Windstille entstehen, da sonst Mischung der Luftschichten eintritt
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Der Wasserdampf in der Atmosphäre u. die Ursachen seiner Kondensation. 121
teilt ist, ist er vollkommen durchsichtig. Die blaue Farbe des
Himmels ist ihm zuzuschreiben, daher sie um so dunkler erscheint,
je höher der Standpunkt des Beobachters, oder je trockener die Luft
ist.5 Kondensiert sich der Wasserdampf zu Tröpfchen, so erzeugt er
Trübung und eine weißliche Färbung des Firmamentes. Eine örtliche
Anhäufung von Wassertröpfchen verschiedener Größe oder in bedeu-
tenden Höhen von Schneekrystallen x nennt man Wolken.6 Nebel
ist nichts anderes als Wolkenbildung in den untersten Luftschichten.
Er tritt als eine beständige und daher geographisch wichtige Erschei-
nung besonders an den Berührungsstellen kalter und warmer Meeres-
ströme (z. B. an der Bank von Neufundland) auf, desgleichen auch
an den von kalten Meeresströmungen begleiteten tropischen Küsten.
Ein geographisch wichtiges Element, dem aber bisher ver-
hältnismäßig wenig Beachtung geschenkt wurde, ist der mittlere
Grad der Bewölkung, xx da von ihr die Verbreitung mancher
Pflanzenarten (z. B. der Dattelpalme) ebenso abhängig ist, wie von
der Temperatur.7 Welch ein gewaltiger, tiefgreifender Gegensatz
Nord
70° 00° SO9 W 30° SO9 IO9 O
Süd
IO 20 30 <rO 50 60
Fig. 25. Mittlere Verteilung der Bewölkung auf der Erde.
Bewölkung. Mittlerer jährl. Luftdruck.
besteht z. B. in dieser Beziehung zwischen den Wüsten und unseren
heimatlichen Gegenden! Biskra am Nordrande der Sahara hat im
Jahre durchschnittlich 264,4 heitere Tage, dagegen Berlin nur 30,6.
Und der letztere Ort stellt nicht etwa ein Extrem dar, denn die
Bewölkung nimmt in Europa in nordwestlicher Richtung zu und
erreicht ihr Maximum auf den britischen Inseln und in Skandinavien.
Tkisskrenc de Bobt hat die durchschnittliche Bewölkung der
x. Diese Erfahrung verdanken wir der Ballonfahrt Bersons im Dezember
1894 (8. S. 55). Bisher hielt man die Cirruswolken für Anhäufungen von Eis-
uadeln.
x x Ausgedrückt in Zahlen von 1 (ganz heiter) bis 10 oder bis 100 'ganz
bewölkt).
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122
Die Lufthülle.
Breitengrade ermittelt,8 und tragt man seine Zahlen zusammen
mit den mittleren Barometerständen in ein Coordinatensystem ein
(s. Fig. 25), so erhält man einen klaren Einblick in den Zusammen-
hang zwischen der Bewölkung und der allgemeinen Luftbewegung.
Wo die Luft in die Höhe steigt und sich abkühlt, wie im Bereich
der äquatorialon Depressionszone, da erreicht die Bewölkung einen
hohen Betrag; dann folgen in der Breite des subtropischen Hoch-
druckgürtels, wo die Luft herabsinkt, Zonen mit heiterem Himmel;
dann verfinstert er sich wieder, um sich gegen die Pole hin wieder
etwas aufzuklären. Daß die Bewölkung der vorwiegend ozeanischen
Südhemisphäre die der nördlichen übertrifft, ist ohne weiteres ver-
ständlich. Auf Elfeuts Bewölkungskarte von Mitteleuropa® tritt
neben dem allgemeinen Gesetze der Zunahme nach Norden auch
der Einfluß des Geländes deutlich hervor, indem die Luvseiten der
Gebirgszüge immer bewölkter sind als die Leeseiten, und gebirgs-
umschlossene Gebiete sich meist eines verhältnismäßig heiteren Himmels
erfreuen.
Der Kondensationsprozeß des atmosphärischen Wasserdampfes,
der mit der Wolkenbildung beginnt, führt in seiner weiteren Ent-
wicklung zu Niederschlägen in der Form von Regen, Schnee
oder Hagel. Sie sind neben der Wärme und den Winden das
dritte klimatologische Hauptelement, von dem nicht bloß das orga-
nische Leben, sondern auch die Formen der Erdoberfläche zum großen
Teil abhängig sind.
Litteraturnachweise. 1 II. Mayer, Jährlicher Gang der Luftfeuchtig-
keit in Norddeutschland, in der Meteorologischen Zeitschrift 1885. Hann, Die
Luftfeuchtigkeit als klimatischer Faktor, in der Wiener klinischen Wochen-
schrift 1888. — * Chistoni, Sülle cause della formazione della rugiada, in den
Annali di Meteorologia, I. Teil, 1880. — 5 Citiert S. 62 Note 2. — 4 Woeikow
in der Meteorologischen Zeitschrift 1894, S. 401. — 6 Perntee, Die blaue Farbe
des Himmels, Wien 1890. — 6 Wolkenatlas, herausgegeben von Hii.debrandsson,
Koppen und Neumayer, Hamburg 1890. — 1 Teisserenc de Bort, Etüde sur
la distribution moyenne de la nebulosite >i la surtace du globc, in den Annales
du bureau central möteorologique de Paris. Erster Versuch von Bewölkungs-
karten der ganzen Erde für alle Monate und das Jahr. — s Teisserenc de Bort
im American Meteorological Journal 1890, S. 49. — 9 Ei-fert, Die Bewölkung
in Mitteleuropa, in Petermanns Mitteilungen 1890.
Die Verteilung der jährlichen Niederschlagsmengen.
(Siehe Karte XI.)
Gesetze der Verbreitung der Niederschläge. Kein zweites meteo-
rologisches Element ist so sehr von lokalen Verhältnissen abhängig,
keines wechselt so sehr von Jahr zu Jahr, als die Niederschlags-
menge, und zwar — zum Unterschiede von der Temperatur — in
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Die Verteilung der jährlichen Niederschlagsmengen. 123
den Tropenländern ebenso, wie in der gemässigten Zone. Es sind
daher zur Feststellung verlässlicher Mittelwerte langjährige Beob-
achtungsreihennötig, und wie wenig solche besitzen wir ausser Europa!
Trotzdem sind die Hauptgesetze schon jetzt erkennbar und ist eine
kartographische Darstellung möglich, vorausgesetzt, dass sie sich nur
auf das Festland beschränkt und auf alle Details verzichtet.1
Zunächst zeigt sich eine Abhängigkeit der jährlichen Nieder-
schlagsmenge von der Breite. Murray2 hat sie für die ein-
zelnen Parallelzonen von je 10° nach Loomis Regenkarte berechnet;
da aber die Zonen gegen die Pole zu immer kleiner werden, so
müssen Relativwerte — in unserem Falle cbm Niederschlag auf je
ein qkm — eingeführt werden, und man erhält sodann:
Breite
0
10
20
30
40
50
60
70
80
10°
20°
30°
>**•
O1
50°
60°
70°
80"
90°
Nördl. Hemisphäre
21,3
10,3
7,»
5,9*
«,i
5,9
4,o
3,8
3,8*
Südl. Hemisphäre
20,»
13,3
7,i*
7,3
11,8
11,3
10,T *
Ein gewisser Parallelismus mit der Verteilung der Bewölkung
und dem allgemeinen Kreisläufe der Luft ist unverkennbar, nur ist
das äquatoriale Maximum hier beträchtlich grösser, als das der mitt-
leren Breiten, und das polare Minimum übertrifft wenigstens auf
unserer Halbkugel das der Rossbreiten (subtropische Hochdruckzonen)
um ein bedeutendes. Indeß würde sich die Niederschlagskurve viel-
leicht noch enger an die Bewölkungskurve anschliessen, wenn wir uns
nicht auf die kontinentalen Regenmengen beschränken müssten. Mittel-
werte von mehr als 500 cm sind aus der gemässigten Zone nicht be-
kannt, und über 100 cm steigt hier die Niederschlagshöhe nur an den
Windseiten der Gebirge, während sie im Äquatorialgürtel nur stellen-
weise darunter sinkt. Die arktischen Gegenden sind, soweit wir sie
kennen, regenarme Gebiete. Dagegen stehen die 24stündigen Maxima
der Regenhöhe in unseren Breiten den tropischen nicht nach.8 Das
grösste bekannte Maximum (1036 mm) weist zwar eine tropische
Station, Tscharapundschi in Assam, auf, aber nicht sehr viel kleiner
ist das zu Joyeuse am Ostabhange der Cevennen (792 mm). Tägliche
Regenmengen von 200 mm und darüber sind auch in der warmen
Zone nicht allgemein, und andererseits kommen solche auch in Eng-
land, im südöstlichen Frankreich und in den Südalpen vor und ver-
ursachen plötzliche Überschwemmungen.
Wir haben oben gesagt, dass der atmosphärische Dampfgehalt
mit der Breite abnimmt, die relative Feuchtigkeit aber sich steigert.
Der Regen steht also wohl zu ersterem, nicht aber zu letzterem
im direkten Verhältnisse. Noch ein anderes Beispiel zeigt uns, dass
die Luft trotz beträchtlicher Feuchtigkeit wenig Regen liefern kann.
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124
Die Lufthülle.
Die mittlere relative Feuchtigkeit beträgt in Port Said am Sueskanal
ebenso wie in Rom 67 Proz., trotzdem fallen dort durchschnittlich
nur 52 mm und hier 821 mm. Im Sommer ist die Luft in Port
Said um 9 Proz. feuchter, als in Rom, aber trotzdem ist Port Said
regenlos, während Rom 80 mm Niederschlag aufweist In den
polaren Gegenden ist wenig Veranlassung zu aufsteigenden Luft-
strömen vorhanden, und die feuchte Atmosphäre überschreitet selten
den Sättigungsgrad ; in den kontinentalen Gebieten der niederen Breiten
können Mangel an orographischen Hindernissen und die starke Er-
hitzung der untersten Luftschichten, in denen die Regentropfen wieder
verdunsten, ehe sie den Boden erreichen, den Widerspruch zwischen
Feuchtigkeitsgehalt und Regenmenge erklären. Namentlich für den
zuletzt genannten Umstand sprechen unmittelbare Beobachtungen
Pezewalskis auf dem Alaschanplateau.
Wenn auch die fliessenden und stehenden Gewässer, sowie die
Pflanzendecke des Festlandes, vor allem die ausgedehnten Urwälder
mancher Tropengegenden durch ihre Verdunstung der Luft Feuchtig-
keit zuführen, so bleibt doch immer das Meer die Hauptquelle derNieder-
schläge, und die letzteren müssen daher von der Küste landeinwärts
abnehmen. Dies zeigt sich nicht nur im allgemeinen in den jähr-
lichen Regensummen, sondern auch in der Häufigkeit der Niederschläge
und in der mittleren Dauer der nassen und trockenen Perioden.
Von den Küsten müssen wieder jene regenreicher sein, die in der
Regel von Seewinden getroffen werden, also in höheren Breiten die
westlichen und im Passatgebiete die östlichen. Südamerika illustriert
dieses Gesetz in prägnantester Weise. Aus dem auf S. 120 Gesagten
ergiebt sich ferner, dass das Relief des Erdbodens von massgebendem
Einflüsse auf die Niederschlagsmenge ist. Sie nimmt mit der An-
näherung an das Gebirge zu und in diesem selbst mit der Höhe,
aber nur bis zu einer gewissen Grenze. In Hiudustan liegt nach
Hill die Maximalregion des Regens in 1270 m Höhe, d. h. dort, wo
im Mittel eine von der Ebene aufsteigende Luftmasse den Sättigungs-
punkt des Wasserdampfes erreicht. Der Mt. Owen Stanley auf Neu-
guinea, nur 8° vom Äquator entfernt, ist bis 2400 m feucht, dann
erst trocken. In den bayrischen Alpen erreicht die Maximalzone im
Winter nur eine Höhe von 600 bis 1000 m, steigt aber mit zuneh-
mender Wärme immer höher. Es ist daher einleuchtend, welche
wichtige Rolle die Gebirge, besonders in sonst regenarmen Gegenden
spielen. Selbst in der Sahara vermögen sie noch zeitweise kräftige
Flüsse zu entsenden, im regenlosen Sommer Südeuropas werden die
Gebirge immer noch benetzt, und in der Sandwüste am oberen
Hoangho ist der Alaschan mit einem Waldgürtel bekleidet.
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Die Verteilung der jährlichen Niederschlagsmengen. 125
Wenn ein Gebirgszug mehr oder weniger senkrecht steht zur
Richtung der feuchten Luftströmungen, so ist die Windseite regen-
reicher, als die Leeseite, und dieser Kontrast steigert sich mit der
Höhe des Gebirges. Sein Einfluss reicht auch noch weit über seine
orographischen Grenzen hinaus, indem er kleineren oder grösseren
Strecken des im Windschatten gelegenen Flachlandes Regen ent-
zieht, bis eine abermalige Erhebung des Bodens eine abermalige
Steigerung der Niederschläge hervorruft. Darauf beruht die Be-
deutung so vieler Gebirge als Wetter- und Klimascheiden. x
Nordkontinente und Sahara. Halten wir uns diese wenigen
Hauptsätze vor Augen und erinnern wir uns an die Verteilung der
Winde, so wird uns das Bild auf Karte XI sofort verständlich
werden. Für Europa und Asien nördlich vom Hochlandgürtel ist
der Atlantische Ozean der Regenspender. Daher die Abnahme
der Niederschläge von Westen nach Osten, ein Gesetz, das ebenso
zutage tritt, wenn wir den ganzen Festlandkomplex betrachten, wie
wenn wir die West- und Ostküsten der Halbinseln und Inseln mit-
einander vergleichen. Die größten Mengen finden wir an den west-
lichen Küstengebirgen (Dommesten in Norwegen 195, Glenquoich in
Inverness, Schottland, 275, Sierra Estrella 310 cm), an den Alpen-
rändern, besonders am südlichen (Hermsburg in Krain 317 cm)
und im dalmatinischen Gebirge (Crkvice 429 cm). Da die Terrain-
gestaltung in der europäischen Westhälfte so mannigfaltig ist, so
wechselt natürlich auch die Regenhöhe auf kurze Distanzen, aber
im allgemeinen beträgt sie mehr als 50 cm. Unter dieses Maß
sinkt sie nur in einigen Teilen von Schweden, im östlichen Teile des
Seinebeckens, im gebirgsumschlossenen Böhmen und südlichen March-
gebiete, vor allem aber in den inneren Plateaulandschaften (Sala-
manca 27 cm) und an der SO.-Küste Spaniens, dem nieder-
x Wie dieser Gegensatz auch innerhalb eines Gebirgssystems sieh geltend
macht, zeigt folgendes Beispiel. Der Regen kommt hier, wie in ganz Europa,
vom Westen.
Westseite
| Ostseite
o
'V
3
s
O
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s
Langen
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560
1062
1220
1405
l 1790
1280
810
Niederschlag cm . .
‘ ’ 1
119
151
183
185
189
119
i
61
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126
Die Lufthülle.
schlagsärmsten Gebiete von Westeuropa, wo nach Willkomm drei
und mehr Jahre ohne einen einzigen anhaltenden Regen vergehen,
die Bewölkung saliarisch gering ist, und die Dattelpalme ihre Früchte
reift.
In Osteuropa beträgt die jährliche Niederschlagsmenge fast allent-
halben unter 60 cm, im mittleren Westsibirien ca. 40, im Lena-
gebiete meist unter 30 und am Ochotskischen Eismeere, soweit nicht
das Gebirge an die Küste herantritt, unter 20 cm. Mit der Ab-
nahme nach Osten verbindet sich im russischen Reiche aber auch
eine Abnahme nach Norden und Süden, und die Regenmenge er-
reicht ihr Minimum im turanischen Tieflande bis zum Kaspisee,
einem echt kontinentalen Gebiete, das von allen Meeren entweder
durch weite Flachlandstrecken oder Hochgebirge getrennt ist
(Astrachan 16 cm, Petro Alexandrowsk am Amu Darja 6 cm).
Jenseits des asiatischen Hochlandgürtels liegt das pazifisch-
indische Monsungebiet. Das östliche Kamtschatka, Japan, China
südlich vom Jangtse-Kiang und fast ganz Ostindien haben eine
Niederschlagsmenge von mehr als 100 cm. Da an der pazifischen
Seite der sommerliche SO.-Wind der Regenbringer ist, so nimmt der
Niederschlag in nordwestlicher Richtung ab. Für die beiden in-
dischen Halbinseln ist der SW.-Monsun der Regen wind, daher die
Westküsten 2—3 mal mehr Niederschläge empfangen, als die Ostküsten.
In Hindustan weht dieser Monsun aus dem bengalischen Golfe thal-
aufwärts und in gleicher Richtung nehmen die Niederschläge ab.
Im östlichen Bengalen beträgt ihre jährliche Höhe überall über
200 cm; am Südabhange des Khassiagebirges liegt in 1250 m Höhe
der einzige bekannte Ort der Erde mit mehr als 10 m Regenhöhe
(Tscharapundschi 1204 cm). Im westlichen Bengalen schwankt die
Niederschlagshöhe zwischen 1 — 200 cm, in der Ebene am mittleren
Ganges und an der Dschamuna beträgt sie durchschnittlich 85 cm,
im südlichen Pandschab und am mittleren Indus sinkt sie schon
unter 20 cm herab. Auf dem Plateau von Dekan dürfte sie im
Mittel etwas über 70 cm betragen.
Zwischen dem atlantisch - arktischen und pazifisch - indischen
Regengebiete schieben sich die niederschlagsarmen Plateauflächen
von Zentralasien, Iran und zum Teil auch Kleinasien ein, deren Ge-
birgsumrahmung allseitigen Windschatten erzeugt. Regenlos sind
freilich auch die mongolischen Wüsten und Steppen nicht, wie
Pbzewalski bezeugt, aber selbst der nördliche Gebirgsrand hat nur
ca. 20 cm Niederschlag, und nur über das nordöstliche Tibet ver-
breitet der Sommermonsun noch reichlichere Benetzung. Im Innern
von Iran erreicht die jährliche Regenmenge nach St. John nicht
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Die Verteilung der jährlichen Niederschlagsmengen. 127
viel mehr als 12 — 13 cm. Dagegen verdankt jenes Wüstengebiet,
das sich von Mesopotamien über Syrien, Arabien und die Sahara
bis zum Atlantischen Ozean ausdehnt, seine Regenarmut lediglich
den beständigen Nordwinden, die, wenn sie auch vom Meere kommen
— wie im Sommer in der Sahara — , wegen der höheren Tempe-
ratur der Wüstenluft relativ trocken sind. Nur der Nordabhang des
Atlas und die Libanonküste werden etwas ausgiebiger benetzt Von
den Rändern dieses Gebietes (Biskra 20, Alexandrien 22, Jerusalem
55 cm) nimmt die Regenmenge nach dem Innern rasch ab: Bagdad 15,
Port Said 5,2, Kairo 3,4, Sues 2,8 cm. Es zeigt sich also, daß selbst
die unmittelbare Nachbarschaft des Meeres dieses Schicksal nicht
zu wenden vermag.
In Nordamerika gestaltet sich die Regenverteilung infolge
verschiedener orographischer Verhältnisse wesentlich anders. Der
pazifische Regenbezirk, der dem atlantischen der alten Welt ent-
spricht, reicht nur bis zur Küstencordillere, dagegen ist der des
mexicanischen Golfs und des Atlantischen Ozeans verhältnismäßig
viel weiter ausgedehnt, als die entsprechenden südlichen und öst-
lichen Gebiete Asiens. Das Hauptreservoir für die nordamerikanische
Ostabdachung ist der Golf von Mexico, dessen warme und dampf-
reiche Luft einerseits durch die, die Vereinigten Staaten durch-
querenden Minima, anderseits durch die kontinentale Barometer-
depression im Sommer landeinwärts gezogen wird, da keine Gebirge
mit äquatorialer Richtung hindernd in den Weg treten. Daher ist
das Areal, das trotz des Vorherrschens der Ebene über 100 cm
jährlichen Niederschlags empfangt, hier größer, als irgendwo in der
alten Welt nördlich vom 30. Breitengrade. Erst von Virginia an
beginnt das eigentliche Regengebiet des Atlantischen Ozeans. In den
nördlichen Territorien der Union und westlich von der Hudsonbai
sinkt die Niederschlagshöhe unter 25 cm, entsprechend den trocke-
nen Gegenden von Turan und Ostsibirien. Auch Vertreter der beiden
anderen Arten regenarmer Gebiete finden wir hier. Wo an der
pazifischen Küste die Aquatorialwinde aufhören, werden, wie an der
atlantischen Küste Nordafrikas, die Niederschläge immer seltener
und dürftiger. Mogador an der marokkanischen und S. Diego an
der califomi8chen Küste, nahezu unter gleicher Breite, haben auch
fast gleichviel Regen (27 und 26 cm). Es ist das eine allen West-
küsten im Rücken des Passates eigentümliche Erscheinung, aber
trotzdem auffallend, weil hier Länderstriche angesichts des Ozeans
verdursten. Die subtropischen Anticyclonen scheiden sie ebenso wirk-
sam, wie ein hohes Gebirge, vom regenspendenden Meere: und wenn
auch Seewinde in das Küstenland eindringen, so kommen sie doch
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128
Die Lufthülle.
nicht von weit her und müssen eine Zone kalten Küstenwassers
überwehen, so daß sie relativ trocken im wärmeren Lande anlangen.
Mit Ausnahme der Sahara, deren klimatische Verhältnisse etwas
komplizierter sind, dehnen sich diese subtropischen Trocken-
gebiete nirgends weit landeinwärts aus; die nahen Küstengebirge
setzen ihnen bald eine Grenze. So auch in Nordamerika; hier
aber schließt sich unmittelbar daran eine von bedeutenden Boden-
erhebungen eingeschlossene Windschattenregion, die nördlich über
Nevada und östlich bis zum Felsengebirge sich ausdehnt. In der
Coloradowüste ist der Niederschlag kaum reichlicher als in der
Sahara, denn Fort Mohave hat nur 6 cm und selbst Fort Yuma in
der Nähe des Meeres nur 9 cm.
Südkontinente. Die Landstriche zu beiden Seiten des
Äquators haben mit wenigen Ausnahmen eine jährliche Nieder-
schlagshöhe von mehr als 100 cm, so 1) der ostindische Archipel und
der nördlichste Teil von Australien bis 15 l/s° B. am Überlandstele-
graphen und bis 1 8 x/2 0 B. in Queensland; 2) das mittlere Afrika,
wo wahrscheinlich die ganze, in tropischer Pflauzenfülle prangende
Aquatorialzone sehr regenreich ist, da die Messungen in der öst-
lichen Seenregion kaum minder hohe Resultate ergaben, als an den
Küsten; endlich 3) in der neuen Welt Zentralamerika, der größte
Teil von Westindien, das nördliche Südamerika, mit Ausnahme der
zentralen Gegenden, die ganze Amazonasebene und sogar die äqua-
torialen Hochthäler der Andes. Jenseits des Gleichers ändert sich
die Regenverteilung aber bald und zwar auf allen drei Kontinenten in
demselben Sinne. Niederschläge bringt hier der Passat, teils der regel-
mäßige, teils der rückläufige ; die Hauptregenquelle ist daher für Austra-
lien die Südsee, für Südafrika der Indische und für Südamerika der
Atlantische Ozean. Überall nimmt die Niederschlagshöhe nach Westen
ab, doch ruft die ungleiche Terrainbildung der drei Festländer tief-
greifende Unterschiede hervor. Südamerika, das seine lange Ab-
dachung nach Osten kehrt, ist bis an den Fuß der Andes wohl bewässert
und nur das Innere des brasilianischen Massivs, die sogenannten
Campos dürften etwas trockener sein. Weiter als sonst dehnt sich
hier das subtropische Trockengebiet aus; der ganze pazifische Küsten-
strich von 5 — 30° S. ist ein fast absolut niederschlagsloses Gebiet,
wo Jahre ohne einen Tropfen Regen verfließen, was aber ebenso-
wenig, wie in anderen Wüsten, gelegentliche wolkenbruchartige
Regengüsse (z. B. im Winter 1881 in der Atacamawüste) aus-
schließt Das kalte Küstenwasser erzeugt im Winter dichte Nebel
(garüas), die aber nach Woeikows Angabe auf die Region von
300 — 1000 m Seehöhe beschränkt sein sollen.
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Die Verteilung der jährlichen Niederschlagsmengen. 129
Einen schroffen Gegensatz zu Südamerika bildet Australien.
Die Lage des Gebirges am Ostrande beraubt die inneren Ebenen bis
gegen die Westküste hin der pazifischen Feuchtigkeit. Zwar hat
das Flußgebiet des Darling und Murray noch immer eine mittlere
Niederschlagsmenge von 40 cm und erst in den zentralen Niederungen
zwischen 25 und 30° B. sinkt sie unter 20 cm, aber Mittelwerte
geben hier kein ganz zutreffendes Bild von den Regenverhältnissen.
Der eigentliche Charakterzug derselben ist vielmehr die Unregel-
mäßigkeit, der Wechsel von oft jahrelangen Dürreperioden und ver-
heerenden Gewitterregen.
Auch Südafrika senkt sich nach Westen, aber der östliche
Hochrand ist zwischen den Drakeubergen und dem Seenplateau
mehrfach unterbrochen. Daher hat erst die Westhälfte Regen-
mengen unter 50 cm, und selbst die Kalahariwüste erhält regel-
mäßigere und nachhaltigere Niederschläge, als z. B. die Sahara.
Fast regenlos ist nur die Küstenterrasse vom Kap Negro (16° S.)
bis über den Oranje hinaus; das ist die subtropische Wüste, der nur
die dichten Winternebel etwas Feuchtigkeit bringen.
Wie mit einem Zauberschlage verändert sich die Situation, so-
bald wir über die Hauptwindscheide in das Gebiet der vorherrschenden
NW.- und W.- Winde treten. In Südamerika x wird nun die West-
seite der Andes regenreich und die Ostabdachung kommt in den
Windschatten. An der Südküste des Kaplandes ist ebenfalls eine
Regenabnahme nach Osten bemerkbar, und auf Neuseeland kommt
der Gegensatz zwischen dem niederschlagsreicheren Westen und
niederschlagsarmeren Osten zur vollen Geltung.
Mittlere Regenwahrscheinlichkeit.4 Wir haben bisher nur von
den jährlichen Regenmengen gesprochen, ohne auf die Regendauer
oder Regenwahrscheinliclikeitxx Rücksicht zu nehmen. Da
Menge und Dauer der Niederschläge aber nicht gleichmäßig wachsen
und abnehmen, so müssen wir — soweit es das Beobachtungsmaterial
gestattet — wenigstens einen flüchtigen Blick auf die geographische
x Den raschen Übergang an der chilenischen Küste macht folgende
Tabelle ersichtlich:
Copiapo 27 0 8. 0,8 cm jährl. Regenmenge
Serena 29,8 4
Valparaiso 33,2 34
Tal ca 35,» 50
Conception 36,8 237
x x Der Quotient aus der Anzahl der Regentage einer Periode (Monat,
Jahr u. s. w.) dividiert durch die Gesamtzahl der Tage der betreffenden Periode.
Eine Regenwahrscheinlichkeit von 0,u> sagt also, daß von 100 Tagen 50 Regen-
tage sind.
Scpan, Physische Erdkunde. 2. AuH. 9
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130
Die Lufthülle.
Verteilung der Regenwahrscheinlichkeit werfen. Es erscheint dies
utn so notwendiger, als nur auf diesem Wege ein Vergleich der
Niederschlagsverhältnisse auf dem Meere und Festlande
möglich ist: ein Vergleich, bei dem man freilich stets im Auge be-
halten muß, daß die marinen Mittelwerte auf ganz anderen Grund-
lagen beruhen, als die kontinentalen, die aus regelmäßigen, mehr-
jährigen Beobachtungen an einem und demselben Orte hervor-
gehen.
Auf dem Atlantischen wie auf dem Indischen Ozean nimmt die
Regenwahrscheinlichkeit von der äquatorialen Kalmenzone nach
Norden und Süden ab, jenseits der Passatgrenze im Gebiete der
Äquatorialwinde wieder zu, im Norden der subarktischen Cyklone
aber jedenfalls wieder ab. Die Abhängigkeit von der Windverteilung
tritt somit ganz deutlich hervor, und — was besonders beachtens-
wert ist — am öftesten regnet es nicht in der Äquatorialzone, son-
dern in den mittleren Breiten. Man darf auch die Vermutung aus-
sprechen, daß die südlichen Ozeane mehr Niederschläge erhalten,
als die nördlichen, und angesichts der sehr viel grösseren Wasser-
bedeckung der Südhalbkugel ist dies auch nicht auffallend.
Atlantischer Ozean nach Klippen und Sprung-.5 Mittlere Regen-
wahrscheinlichkeit
Gebiet der Westwinde (40 — 50° N.) 0,«t
Übergangsgebiet (20 — 40° N.) 0,j->
Permanentes NO. -Passatgebiet (10 — 20° N.) 0,2? *
Übergangsgebiet (5 — 10° N.) 0,«
Kalmenzone (0 — 5° N.) 0,so
Gebiet des permanenten SO.-Passates 0,22*
Gebiet des zeitweilig rückläufigen SO.-Passates .... 0,a4
Jenseits 30° S über 0,40
Jenseits 50° S über 0,50
SUdatlantischer Ozean nach Schlee.8
Dampferroute * Scgelroute x
0 — 5 0 S. 0,52 0 — 71/, 0 S. 0,49
5 — 12'/, 0,5i 7l/a — 15 0,50
121/,— 17‘/t 0,53 15 —25 0,5#
17*/,— 30 0,45 25 —32'/, 0,55*
30 —35 0,43» 32*/s — 42'/* 0,54
42'/,- 55 0.7S
x Die Dampferroute von Europa nach La Plata geht dicht bei Amerika
vorbei, die Segelroute nach der Magellanstraße liegt etwas östlich davon,
aber doch nicht im eigentlichen Passatgebiete. Es ist zu beachten, daß
die Berechnungen von Schlee viel höhere Werte ergaben, als die von Koppen;
und da sie auf reichlicherem Material beruhen, so darf man annehmen, daß
sie der Wirklichkeit näher kommen.
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Die Verteilung der jiihrlichen Niederschlagsmenge».
131
Östlicher Indischer Ozean (80—120° 0.) nach v. Danckelinan. 7
Mittlere Regen-
wahrscheinlicnkcit
Äquatorialgürtel (8 — 0° N.) . . . • 0,6»
Äquatorialgürtel (0—8° S.) 0,«*
Passatzone (8 — 20° S.) 0,m
Passatzone (20 — 80° S.) 0,45*
Übergangsgebiet (80 — 36° 8.) 0,6»
Gebiet der Westwinde (86 — 50“ 8.) 0,oj
Auf den Kontinenten finden wir den marinen Typus der mit
der Breite erst ab-, dann zu- und endlich wieder abnehmenden Regen-
wahrscheinlichkeit nur an den Westseiten vollkommen ausgebildet,
während an den Ostseiten eine ziemlich gleichmäßige Abnahme gegen
die Pole stattfindet. Zwischen 40° N. und etwa ebensoviel S. sind
eben die regenarmen Küstengebiete nur auf die Westseite beschränkt.
Auch auf dem Festlande ist die Aquatorialzone durch eine
Regenwahrscheinlichkeit von mehr als 0,40, stellenweise von über
0,so ausgezeichnet Dann folgt in der alten Welt eine Zone von
0,3o — 0,40 Regenwahrscheinlichkeit, wozu die oberen Nilgegenden, die
Malabarküste, das östliche Hinterindien und Südchiua gehören. In
Oberguinea, Bengalen und Nipon schwankt die Regenwahrschein-
lichkeit zwischen 0,ao und 0,3o und sinkt in Senegambien, in Vorder-
indien mit Ausnahme der genannten Teile und des Pandschab und
in den Ebenen von Peking auf 0,io — 0,20 herab. Im Wüstengebiete
beträgt sie weniger als 0,io, steigt aber von da wieder in nordwest-
licher Richtung. Die Zone 0,io — 0,zo umfaßt Syrien, Kleinasien,
Mesopotamien und Turan; die von 0,so — 0,30 das mediterrane Europa,
Südrußland, die Kirgisensteppe und Sibirien; die Zone 0,9o bis 0,4o
das mittlere und südliche Frankreich, den Nordrand der Alpen
und die Karpaten, ferner Nord- und Zentralrußland; endlich che
Zone 0,4o bis 0,so Britannien, fast ganz Deutschland und Nor-
wegen.
Eine ähnliche Anordnung finden wir an der schmalen Westab-
dachung Nordamerikas, eine wesentlich andere aber im Osten. In
Zentralamerika und an der Golfküste von Mexico beträgt die Regen-
wahrscheinlichkeit 0,3o bis 0,40, auf dem mexicanischen Tafellande
und in den Vereinigten Staaten östlich vom Felsengebirge 0,20 — 0,30,
stellenweise, wie in Virginien, Georgia und Carolina, sogar weniger
als 0,20. Unter diesem Mittelwerte bleibt sie auch im ganzen arktischen
Gebiete. Auf den Südkontinenten erreicht sie nur in der Zone der
Äquatorialwinde (Chile und westliches Neuseeland) 0,4o und mehr,
sonst hält sie sich fast überall unter 0,30 und in den regenarmen
Gegenden unter 0,io.
9 *
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132
Die Lufthülle.
Schon aus dieser kurzen Beschreibung ergeben sich zwei
wichtige Gesetze: 1. Zwischen ca. 35° N. und S. ist der Regen an
der Westküste seltener als an der Ostküste, jenseits dieser Grenz-
parallelen werden aber die Westküsten häufiger von Regen heim-
gesucht. Die beiden Küsten verhalten sich also in Bezug auf die
Häufigkeit (wie im allgemeinen auch bezüglich der Menge) der
Niederschläge ebenso zu einander, wie in Bezug auf die Erwärmung.
2. Die Regenwahrscheinlichkeit ist im allgemeinen auf dem Meere
größer, als auf dem Festlande in gleicher Breite. Ganz besonders
gilt dies von der ozeanischen Passatzone im Vergleiche zu den Wüsten.
Auf dem Atlantischen Ozean regnet es in diesem Gürtel ebenso
häufig wie in Südeuropa, und im südindischen sogar ebenso oft,
wie in Norddeutschland. An und für sich ist allerdings der Pas-
sat als ein aus höheren Breiten kommender Wind trocken, aber
man darf nicht vergessen, daß seine Polargrenze von einem Tage
zum anderen bedeutenden Schwankungen unterliegt, daß gelegentlich
(besonders im südindischen Ozean) Cyklonen diesen Gürtel durch-
schneiden, und daß seine Aquatorialgrenze ebenfalls jahreszeitlichen
Verschiebungen unterworfen ist. Der Passatzone der Südsee könnte
man zwar geneigt sein, wüstenähnliche Regenarmut zuzuschreiben,
denn auf der Backerinsel (0,2° N.) beträgt die Regen Wahrscheinlich-
keit nur 0,i6 (4 '^monatliche Beobachtung) und auf der Maldeninsel
(4° S.) nach mehr als zweijähriger Beobachtung nur 0,io. Aber
Hague erzählt, wie oft ein der Insel sich nähernder Regenguß in
zwei Arme sich teilte, indem die Wolke durch die vom weißen
Korallensand aufsteigende erhitzte Luft gespalten wurde. Es regnete
also auf dem Meere öfter als auf der Insel.
Über die Niederschlagsmenge des Passatgürtels wissen wir frei-
lich nichts sicheres. Anhaltender Regen kommt nicht vor, sondern
nur vorübergehende „Passatschauer1, wie sie der deutsche Seemann
nennt. Die Messungen der „Novara“ zwischen 6 und 1 2 0 N„ die
ein durchschnittliches Maximum von 5,3 mm pro Stunde ergaben,
beziehen sich leider nicht auf die eigentliche Passatzone, und auch
die Beobachtungen auf den Inseln geben uns keine unzweideutige
Antwort auf unsere Frage, da orographische Verhältnisse die
Regenmenge beeinflussen. St Helena hat auf der Leeseite 13
und auf der Windseite 105 cm, Ascension hat 8, Praia auf den
Capverdeschen Inseln 32, Maiden 34 cm. Es ist also wahrschein-
lich, daß auch die Regenmengen der ozeanischen Passatzone die der
regenarmen Gebiete des Festlandes übertreffen.
ln den außerpassatischen Breiten ist dagegen die Regendichtig-
keit auf dem Festlande infolge mannifaltiger Terraingestaltung und
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Die jahreszeitliche Verteilung der Niederschläge. 133
sommerlicher Platzregen, auf die wir noch zurückkommen werden,
wohl durchwegs größer als auf den Inseln. * In den mittleren und
höheren Breiten, wo die Zahl der Regentage auf dem Meere selbst
die in den Tropen übertrifft, ist die Niederschlagsmenge doch ver-
hältnismäßig gering. Dem Ozean fehlen, wie in Bezug auf die
Temperatur, so auch in Bezug auf die Niederschläge die Extreme
des Festlandes.
Litteraturnachweise. 1 Alle bisherigen Darstellungen beruhen auf
Loomis, Mean annual Rainfall for different countries of the globe, im American
Journal of Science 1882, Bd. I, und 1883, Bd. I. — * Murray, The total annual
Rainfall on the land of the globe, im Scottish Geographical Magazine 1887. —
3 Zieher, Die größten Regenmengen eines Tages. Petekmanns Mitteilungen
1881. — * Koppen, Die jährliche Periode der Regenwahrscheinlichkeit in der
nördlichen Hemisphäre, in der Zeitschrift der Österreichischen Gesellschaft fiir
Meteorologie 1876. — 6 Köpper und Sprung, Die Regenverhältnisse des Atlan-
tischen Ozeans, in den Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie
1880. — 6 Schlee, Niederschlag etc. in einem Teile des Atlantischen Ozeans,
in der Meteorologischen Zeitschrift 1892. — 7 v. Dakckelman, Die Regen-
häufigkeit auf dem Indischen Ozean, in der Zeitschrift der Gesellschaft für
Erdkunde, Berlin 1886.
Die jahreszeitliche Verteilung der Niederschläge.
(Siehe Karte XII.)
Neben der mittleren Menge und Dauer der Niederschläge ist
ihre jahreszeitliche Verteilung namentlich für das Pflanzenleben von
größter Bedeutung. Karte XII stellt ihre Haupttypen dar. Auf
dem Atlantischen Ozean, nach dessen Muster sich wahrscheinlich
auch die Regenverhältnisse auf der Südsee regeln, und auf dem
südindischen Ozean folgt auf eine schmale, äquatoriale Zone mit
Regen zur Zeit des Zenithstandes der Sonne (Tropenregen) eine
Zone vorherrschender Winterregen, und zwar in zwei Modifikationen:
im Westen bis ca. 35 — 40° B. ist der Sommer arm an Niederschlägen
(subtropischer Regen), während in den übrigen Teilen des Meeres
keine Jahreszeit durch besondere Trockenheit sich auszeichnet. Auf
X
Hegen Wahr-
scheinlichkeit
Jährliche
Regenmenge
min pro Tag
( Regendichtig-
keit)
Insel St. Paul im Beringmeer
0,8»
109 cm
3,5
Thorshavn, Färöer ....
0,82
181
6,7
Stanleyhafen, Falklandinseln .
0,64
52
2,2
New-York
0,s«
113
8,9
Florenz
0,27
108
11,0
Viktoria, Hongkong ....
0,22
233
20,2
Tscharapundschi
0,52
1204
63, »
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134
Die Lufthülle.
den Kontinenten ist die Zone der Tropenregen mächtig entwickelt,
und daran schließt sich gegen die Pole hin die Zone des Regens
zu allen Jahreszeiten mit dem Maximum im Sommer.
Winterregen sind also der ozeanische, Somraerregen
der kontinentale Typus. Im Westen schiebt sich das ozeanische
Regime in die Kontinente hinein, im Osten das kontinentale in das
Meer hinaus. Dieseits wie jenseits des Äquatorialgürtels begegnen
wir also auch hier wieder einem scharfen Gegensätze der west-
lichen und östlichen Küsten.
Im allgemeinen kann man als Regel feststellen, daß für jede
Gegend dann Regenzeit eintritt, wenn Gelegenheit zu aufsteigenden
Luftströmen durch die Bildung von Cyklonen oder bei labilem
Gleichgewichtszustände der Atmosphäre gegeben ist. Auf dem
größten Teile des Meeres wird diese Bedingung besonders im Winter
und Herbst erfüllt, während in der warmen Jahreszeit der baro-
metrische Gradient sich verflacht Die Hauptmassen der Kontinente
haben dagegen im Winter hohen Barometerstand, während die
sommerliche Luftauflockerung die Seewinde weit in das Land hinein-
zieht, und die Erhitzung des Bodens an windstillen, heiteren Tagen
zu einem labilen Gleichgewichte der Luft führt, das örtlich be-
schränkte, kurz dauernde, aber oft heftige Gewitterregen erzeugt
Periodische Regen. Die Tropenregen sind streng periodisch,
so daß darauf die Bewohner jener Zone, in der die gleichmäßige
Wärme den Gegensatz von Winter und Sommer verwischt, die klima-
tologische Einteilung des Jahres in eine trockene und eine Regenzeit
gründen. Der Regen tritt im allgemeinen mit dem Zenithstande
der Sonne ein, also in der Nähe des Äquators zweimal und gegen
die Wendekreise hin einmal; hier beschränkt er sich auf ein paar
Monate, dort dehnt er sich über einen größeren Teil des Jahres
aus, umsomehr, da die Zeit zwischen den beiden Regenperioden
auch nicht ganz der Niederschläge entbehrt.* So kommt es, daß
* Als Beispiel diene Loanda an der Westküste Afrikas unter 8° 49' s. B.,
wo mehrjährige Beobachtungen vorliegen. Die Sonne steht hier am 26. Februar
und 17. Oktober im Zenith; dem ersteren Stande entspricht die kleine, dem
letzteren die große Regenzeit.
» . Beginn der kleinen
Regenzeit
Beginn der großen Beginn der großen
Trockenzeit Regenzeit
Beginn der kleinen
Trockenzeit
1879
?
6. Mai
5. Okt.
21. Dez.
1880
18. Febr.
29. April
4. Sept
29. Dez.
1881
5. Febr.
10. April
2. Dez.
27. Dez.
1882
8. Febr.
23. Mai
8. Okt
—
1883
—
5. Mai
29. Nov.
?
Die mittlere
Dauer der
vier Perioden
berechnet sich folgendermaßen: große
Trockenzeit
164, große Regenzeit 107, kleine Trockenzeit 35,
kleine Regenzeit
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Die jahreszeitliche Verteilung der Niederschläge. 1 35
in einigen äquatorialen Gegenden, besonders in der Amazonasebene,
auf Sumatra und an der Südspitze von Malacca die Regenverteilung
einen Charakter annimmt, der ihr sonst nur in höheren Breiten
eigen ist.
Die Tropenregen hängen stets mit einer Änderung der Wind-
richtung zusammen; der Passat hört auf und westliche Strömungen
erhalten das Übergewicht Insofern sind alle Tropenregen Monsun-
regen, wenn man auch diese Bezeichnung gewöhnlich nur auf die
periodischen Niederschläge Ostindiens und Australiens anwendet,
d. h. auf diejenigen Tropenländer, die äquatorwärts an ein Meer
grenzen. Hier ist der Monsuncharakter mit typischer Schärfe aus-
gebildet; in ganz Indien ist Nordost der trockene, und Südwest
der Regenwind. Im Pandschab dauert die Regenzeit von Juli bis
September, an der Malabarküste von Mai bis Oktober (dagegen an
der Coromandelküste von Juli bis Dezember), und auf Ceylon finden
wir schon eine doppelte Regenzeit im Frühjahr und Herbst. Regen-
los sind im allgemeinen die Monate von November bis März, nur
im Pandschab bringt der niedersinkende Antipassat auch im Winter
Niederschläge.
Orographische Eigentümlichkeiten beeinflussen die jahreszeit-
liche Regenverteilung in den Tropen viel mehr als in unseren
Breiten. Wo Küstengebirge vom marinen Passat getroffen werden,
kommt es niemals zur Ausbildung einer völligen Trockenzeit, weil
da auch im Winter die Möglichkeit zu Steigungsregen geboten ist.
Der Ostrand des tropischen Afrika ist daher ungleich bevorzugter,
als der westliche, wo in der Regel drei, vier oder noch mehr Monate
lang kein Tropfen Regen fällt. Ja unter Umständen kann der tropische
Regencharakter ganz unterdrückt werden, wenn ein Küstenort im
Windschatten des sommerlichen Monsuns, aber dem winterlichen Passat
offen liegt Finschhafen an der Nordostküste von Neuguinea z. B.
bekommt dadurch eine ganz anormale Regenperiode, die der des
Hatzfeldhafens an derselben Küste gerade entgegengesetzt verläuft. *
Während sonst das tropische Regensystem, wie schon der Name
besagt, den 30. Parallel nirgends beträchtlich überschreitet, reicht
59 Tage. Man beachte besonders die große Unregelmäßigkei im Beginne der
Hauptregenzeit, den zeitweiligen Wechsel beider Regenzeiten (1881 dauerte die
„große“ Regenzeit nur 25 Tage, die darauf folgende „kleine“ aber 104) und
das vollständige Fehlen der kleinen Perioden im Jahre 1882—83. Das alles
zeigt deutlich, welchen Schwankungen der Tropenregen unterworfen ist.
x Sommer Herbst AVinter Frühling
Hatzfeldhafen 41,3 30, j 8,4 19,« Proz.
Finschhafen 9,8 18,« 46, 0 26, 1 „
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136
Die Lufthülle.
es in Ostasien mit allen seinen Eigentümlichkeiten bis über die
Amurmündung hinaus. Die Bodenständigkeit der winterlichen Anti-
cyklone in Ostsibirien bewirkt eine ebenso große, nahezu passatische
Konstanz jener NW.- Winde, die nicht bloß die peripherischen Länder,
sondern auch einen großen Teil von Zentralasien fast von aller Zu-
fuhr ozeanischer Feuchtigkeit abschneiden, während sich in Nord-
amerika aus schon erörterten Gründen die Verhältnisse wesentlich
anders gestalten. In Japan hat der NW.-Wind schon etwas von
seiner Beständigkeit eingebüßt, und außerdem auf seinem Wege über
das Meer Feuchtigkeit aufgenommen. Hier weist also die jährliche
Verteilung der Niederschläge keine strenge Periodizität mehr auf.
Ebenso periodisch, wie die tropischen Regen, sind die subtro-
pischen, nur im umgekehrten Sinne. Am reinsten ist dieser Typus
in den subtropischen Trockengebieten ausgeprägt, wo der Sommer
ganz regenlos ist und nur der Winter einige, wenn auch ungenügende
Feuchtigkeit bringt Das hängt mit den Verschiebungen der sub-
tropischen Anticyklonen zusammen; im Sommer rücken diese in
höhere Breiten und die besagten Trockengebiete gelangen dann
unter die strenge Herrschaft des Passates. Äquatorwärts sind die
Subtropenregen von den tropischen scharf abgegrenzt, polarwärts
findet aber ein Übergang zu den ozeanischen Regen höherer Breiten
statt, indem die Sommerregen immer reichlicher werden, aber ohne
das Winter- und Herbstmaximum zu überflügeln.
Während der subtropische Regen typus sonst überall auf die
Westküsten im polaren Grenzbezirke des Passates beschränkt ist, er-
streckt er sich zu beiden Seiten des Mittelmeers weit landeinwärts,
über die Sahara, Arabien, Syrien, bis nach Iran und Turan, woran
sich in Kleinasien und in den Südhalbinseln Europas ein Übergangs-
gebiet zu dem mittel- und westeuropäischen Regentypus anschließt.
Das ist eine Anomalie, die ihres Gleichen nur in der weiten Aus-
dehnung der Tropenregen in Ostasien findet. Doch hat es sich bei
genauerer Untersuchung1 herausgestellt, daß dieses weite Gebiet
keinen einheitlichen Charakter besitzt. Gemeinsam sind nur die
Winterregen und der trockene Sommer, in den übrigen Jahreszeiten
verhalten sich aber die Küsten- und Binnenlandschaften ganz ab-
weichend voneinander. Die ersteren haben, wie alle Küsten mittlerer
und höherer Breiten, Herbstregen, die letzteren Frühjahrsregen, und
wir glauben in diesen ein Äquivalent der Sommerregen höherer
Breiten gefunden zu haben. In Vorderasien, im Inneren der pyre-
näischen Halbinsel, von Algier etc. steigt die Temperatur im Früh-
jahr sehr rasch; die Luft hat noch vom Winter her einige Feuchtig-
keit bewahrt, und damit ist die Möglichkeit zu Gewitterregen gegeben,
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Die jahreszeitliche Verteilung der Niederschläge. 137
wie wir sie in unseren Gegenden im Sommer häufig erleben. Die
heißeste Jahreszeit dörrt hier die Luft so aus, daß diese selbst in
aufsteigenden Strömen keinen Regen mehr zu erzeugen vermag, und
die gleichmäßig wehenden Polarwinde führen keine neue Feuchtig-
keit zu.
Gleichmäfsige Niederschläge. Den periodischen Regen der
niederen Breiten stehen die gleichmäßigen Niederschläge der
mittleren und höheren Breiten gegenüber, und zwar gleichmäßig nur
in dem Sinne, daß keine Jahreszeit völlig trocken ist, wobei aber
eine jährliche Periode mit dem Maximum im Winter- oder Sommer-
halbjahr überall deutlich hervortritt. Auch in der warmen Zone
sind gewisse Gegenden durch gleichmäßige Niederschläge ausge-
zeichnet; aber hier bleibt dieser Regentypus stets eine Ausnahme,
während er im allgemeinen jenseits des 30., in der alten Welt jen-
seits des 40. Parallels und auf dem Meere sogar in noch niedererer
Breite fast allein herrscht. Ob auch in den polaren Gegenden, ist
noch unentschieden. Jedenfalls empfiehlt es sich nicht die Umgebung
der winterlichen Kältezentren als selbständige Gebiete mit trockenem
Winter auszuscheiden; die wenigen Beobachtungen berechtigen nicht
dazu, ja der kälteste Ort, Werchojansk, zeichnet sich besonders
durch reichliche Schneefälle aus.
Die einzelnen Typen gehen langsamer oder schneller ineinander
über, aber ganz unvermittelt stoßen vielleicht nur Tropen- und Sub tropen-
regen zusammen. Wenn wir uns vom ostasiatischen Monsunbezirke nach
Westen begeben, so wird das sommerliche Maximum immer kleiner,
es verschiebt sich endlich auf den Herbst und am atlantischen Ge-
stade auf den Winter. In gleicher Weise wächst das winterliche
Minimum und wird endlich in den Frühling verlegt. Die folgende
Tabelle zeigt auch, daß der Unterschied zwischen Maximum und
Minimum gegen Westen immer kleiner wird, d. h. daß die Nieder-
schläge sich immer gleichmäßiger über die Jahreszeiten verteilen.
Winter j Frühling | Sommer Herbst
Prozente der Jahresmenge
Max. —
Min.
Sibirien
9*
16 53
22
44
Zentral-Rußland
16*
21 37
26
21
Östliches Norddeutschland . . .
19*
20 36
25
17
Westliches Norddeutschem! . .
22
20* 31
27
11
England
24
20* 26
30
10
Irland
28
21’ | 24
27
7
Jenseits des Atlantischen Ozeans mit seinem ausgesprochenen Winter-
maximum finden wir in den östlichen Vereinsstaaten von Nordamerika
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138
Die Lufthülle.
eine Regenverteilung ähnlich derjenigen in der westlichen Hälfte von
Norddeutschland, und erst allmählich bildet sich das Sommermaxi-
mum schärfer aus. Begeben wir uns von Mitteleuropa über die
Alpen in das subtropische Gebiet, so gelangen wir, wie die zweite
Tabelle uns lehrt, fast unvermerkt aus dem Bezirke der Sommerregen
I Winter Frühling ! Sommer Herbst ' ^
Pror.onte der Jahreemenge 1 ^Ad*
Nordalpeu vou Wien bis Bregenz
16* ,
24
38
22
24
Südfuß der Zeutralkette . . .
13*
22
36
29
23
Südalpen
n*
24
28
31
14
Oberitalienische Ebene . . . .
19*
25
25
31
12
Emilia
21*
23-
24
32
11*
Toskana, Umbrien und die Marken
26
22
20*
32
12
Latium und Neapel
32
23
10*
35
25
Sicilien
38
24
3*
35
35
Malta
72
18
0,**
10
72
in den der Winterregen. Nur werden wir gewahr, daß höhere Ge-
birge, wie die Alpen und der Apennin, den Übergang beschleunigen.
Am Südfuße der ersteren beginnen schon die Herbstregen, und
südlich vom letzteren wird plötzlich der Sommer die trockenste
Jahreszeit.
Nur nebenbei sei erwähnt, daß die höheren Stationen des deut-
schen und zentralfranzösischen Gebirges dem ozeanischen System
der Wiuterregen angehören. Eingehendere Untersuchungen werden
lehren, ob die Seehöhe überall im Gebiete der Sommerregen ihren
Einfluß in gleicher Weise äußert. Es wäre dies ein weiterer Beleg
dafür, daß das Bergklima dem marinen ähnlich ist.
Regengebiete. Überblicken wir noch einmal das in diesem und
dem früheren Abschnitte Vorgetragene, so gelangen wir zu folgender
Einteilung der Erdoberfläche:
1. Gebiete dauernder Regenarmut:
a) Arktische Gebiete,
b) Innerkontinentale Gebiete,
c) Windschattengebiete,
d) Gebiete beständiger Polarwinde (subtropische Wüsten);
2. Gebiete periodischer Regenarmut:
a) Gebiet der Tropen- (Monsun-) Regen,
b) Gebiete der Subtropenregen;
3. Gebiete gleichmäßiger Niederschläge:
a) Maximum im Sommerhalbjahr,
b) Maximum im Winterhalbjahr.
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Die jahreszeitliche Verteilung der Niederschläge. 139
Die geographische Verteilung dieser Gebiete ist ziemlich regel-
mäßig. An den Westküsten gelangen wir, wenn wir vom Äquator
gegen die Pole fortschreiten, aus den Tropenregen mit strenger
Periodizität in die subtropischen Wüsten, dann in das Gebiet der
subtropischen Regen, endlich in das Gebiet gleichmäßiger Regen
mit winterlichem Maximum. An den Ostküsten gehen die Tro-
penregen, die zum Teil wenigstens einen mehr gleichmäßigen
Charakter annehmen, ohne subtropische Zwischenglieder in das
Gebiet gleichmäßiger Niederschläge mit sommerlichem Maximum
über. Im Inneren der Festländer vollzieht sich der Ausgleich
des westlichen und östlichen Typus, aber so daß der letztere als
kontinentaler weitaus vorherrscht, während der erstere Küstentypus
bleibt Die innerkontinentalen Gebiete dauernder Regenarmut sind,
wie schon der Name besagt, auf die zentralen Gegenden des Fest-
landes beschränkt, die Windschattengebiete können aber überall Vor-
kommen, nicht bloß im Inneren, sondern oft unmittelbar an der
Küste. Sie sind orographische, nicht meteorologische Erscheinungen.
Gewitter. Aus der geographischen Verteilung2 und jährlichen
Periode der Gewitter kann man den Schluß ziehen, daß sie Begleit-
erscheinungen des Kondensationsprozesses des Wasserdampfes sind.
Die rein physikalische Frage, wie hei dieser Gelegenheit eine so
hohe elektrische Spannung zu Stande komme, harrt noch der Lösung,
ist aber glücklicherweise für unsere Zwecke nicht von Belange.
WTie die Regenmenge, nehmen auch die Gewitter mit der Breite
ab. Nirgends tritt dieses Phänomen, das in seiner schauerlichen Schön-
heit auf den Menschengeist stets einen tiefen Eindruck gemacht hat,
häufiger und großartiger auf, als in den Tropen. In Abessinien
sind jährlich im Mittel 424 Gewitter, die sich auf 216 Tage
verteilen. Auf den Hochebenen von Mexico, Bogota und Quito ist
durchschnittlich jeder dritte Tag ein Gewittertag. Natürlich ist die
Regenperiode auch die gewitterreichste Zeit, aber die Beobachtungen
lehren zugleich, daß nicht jeder Regenguß von Gewitter und nicht
jedes Gewitter von Regen begleitet ist. In Europa, wo die Ver-
teilung dieses Meteors am besten gekannt ist, zeigt sich neben der
Abnahme nach Norden auch eine solche gegen Westen. Das legt uns
die Frage nahe, ob es auf dem Meere überhaupt weniger wettere,
als auf dem Festlande — eine Frage, die Arago einst mit Ja be-
antwortete. Klein, v. Danckelman3 u. a. haben diese Ansicht be-
richtigt Für den tropischen Teil ist sie entschieden zurückzuweisen;
nur im Passatgebiete sind Gewitter selten, was mit der relativen
Regenarmut dieser Gegenden übereinstimmt. In den höheren Breiten
sind sie nach der allgemeinen Ansicht der Seefahrer hauptsächlich
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140
Die Lufthülle.
an die warmen Meeressströmungen gebunden. Ziemlich frei von
elektrischen Entladungen der Atmosphäre sind die Wüsten und die
polaren Gegenden, aber es ist eine Fabel, daß sie dort ganz un-
bekannt seien. Lima an der peruanischen Küste, das besonders
in diesem Rufe stand, erlebte am 31. Dezember 1877 ein heftiges
Gewitter, und Unterägypten und die algerische Sahara sind sogar
gewitterreicher als Norwegen. Lokale Verhältnisse sind in dieser
Beziehung von großem Einflüsse, sonst wäre es nicht zu verstehen,
warum es z. B. an der Südspitze der iberischen Halbinsel so außer-
ordentlich selten wettert. Allgemein ist bekannt, daß dieses Phä-
nomen in der Ebene minder häufig auftritt, als im Gebirge, wo
besonders der Bergwind an ruhigen Sommernachmittagen Regen mit
Gewitter erzeugt Bis zu einer Höhe von 1300 — 1400 m nehmen
sie zu, dann wieder ab.
Auf dem Meere der mittleren und höheren Breiten wiegen die
Winter-, auf dem Festlande die Sommergewitter vor. Doch zeigt
sich eine solche Übereinstimmung mit der jährlichen Niederschlags-
periode nicht in jedem einzelnen Falle. Madrid und Biskra mit
regenarmen Sommern haben doch in dieser Jahreszeit am meisten
Gewitter und dasselbe gilt von Schottland, trotzdem daß auch hier das
Maximum der Niederschläge in die kälteste Jahreszeit fällt. Ander-
seits nehmen aber die Wintergewitter entschieden ab, je weiter wir
uns vom atlantischen Gestade in das Gebiet der Sommerregen begeben,
und in Osteuropa und Sibirien sind sie bereits ganz verschwunden.
Die Unterscheidung von Wärme- und Wirbelgewitter, wie sie
Mohn aufgestellt hat, muß auch jetzt noch aufrecht erhalten werden,4
wenn auch bei den ersteren auf sehr detailliert gezeichneten Wetter-
karten manchmal eine örtliche beschränkte cyklonale Anordnung der
Isobaren hervortritt. Die Wärmegewitter sind Folgeerscheinungen
des latenten Gleichgewichtszustandes der Luft; ihnen gehört die
überwiegende Mehrzahl der Sommergewitter des Festlandes an, die
weitaus am häufigsten in den Nachmittagsstunden eintreten und
in der Regel nicht weit über ihren Ursprungsort sich verbreiten.
Dagegen sind alle Wintergewitter und überhaupt alle elektrischen
Phänomene in den außertropischen Teilen des Ozeans Begleiter der
großen Cyklonen, mit denen sie wandern und dadurch oft zu einer
weiten Verbreitung gelangen.
Hagel. Nur kurz sei der Verteilung des Hagels gedacht, da
dieser wegen seiner verderblichen Wirkungen auch geographisches
Interesse bietet. Freilich ist die Statistik desselben ziemlich mangel-
haft, und überdies werden nur von wenigen Beobachtern Hagel
(Eiskörner) und Graupen (kleine Schneeballen) auseinander gehalten,
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Verbreitung des Schnees.
141
was freilich auch schwer möglich ist, da beide Formen vielfach in-
einander übergehen. So ist es noch nicht einmal mit Sicherheit
festgestellt, ob die mittleren Breiten die eigentliche Heimat dieses
Phänomens sind, denn auch in den Tropen ist es nicht selten.
Humboldts Ansicht, daß der Hagel hier nur in größerer Höhe vor-
komme, da in den tieferen Niveaus die Eiskörner von der Hitze
rasch aufgezehrt werden, hat wohl für das äquatoriale Südamerika
Giltigkeit, aber weder für die Küstenebene von Guatemala, noch
für die tiefer gelegenen Flußthäler der brasilianischen Provinz Minas
Geraes, noch endlich für Java und den Sudan, die heißeste Gegend
der Erde, oder für das Innere von Australien im Sommer.
Als die Hauptbedingung der Hagelbildung erscheint eine größere
Menge von Wasserdampf. Daher schließt sich die jährliche Periode
des Hagels enge an die des Regens an, enger sogar als die der
Gewitter. Daher nimmt auch in Europa der Hagel- und Graupen-
fall mit dem Regen von West nach Ost ab, aber die Zahl der reinen
Hagelfälle steigt in derselben Richtung. Selten ist dieses Phänomen
in den polaren Gegenden und Wüsten. Lokale Einflüsse sind ganz
besonders maßgebend, daher in jeder Gegend neben den Hagel-
strichen Land liegt, das nur selten unter dieser Heimsuchung zu
leiden hat. Das Beobachtungsmaterial genügt noch nicht zur Fest-
stellung allgemein gütiger Gesetze, doch läßt es sich jetzt schon
aussprechen, daß es im Gebirge häufiger hagelt als in der Ebene,
und im Mittelgebirge häufiger als im Hochgebirge. Vom Kaukasus
(vielleicht der hagelreichsten Gegend der Erde) sagt Abich, daß alle
zum Gebirge herbeiziehenden Ungewitter den Charakter verheerender
Hagelstürme erst dort annehmen, wo die weiten Thäler in die
Ebene münden, und von da ab gerne der Zone der niedrigen
Vorberge folgen. Ähnlich ist es auch in den Alpen. In der Schweiz
wird die Hochebene und der Jura am meisten durch Hagelfälle
geplagt, in Kärnten das niedrige Bergland der Osthälfte, und ebenso
in Steiermark das Hügelland gegen die ungarische Grenze hin.
Litteraturnach weise. * Sopan, Die jahreszeitliche Verteilung der
Niederschliige in Europa, Westasien und Nordafrika; in I’etermanns Mit-
teilungen 1890. — * Dürftige Tabellen von Ki.ein und Fritz in Petermanns
Mitteilungen 1870 (S. 427) und 1871 (8. 115). Das Beobachtungsmaterial ist in
den letzten Jahren bedeutend gewachsen, aber noch nicht einheitlich verarbeitet
worden. — 3 v. Danckelman, Kegen, Hagel und Gewitter im Indischen Ozean,
im Archiv der Deutschen Seewarte 1880. — 4 v. Bezolo in der Meteorologischen
Zeitschrift 1895, S. 121.
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142
Die Lufthülle.
Verbreitung des Schnees.
Verbreitung1. Unsere Gegenden gehören der Zone der ge-
mischten Niederschläge an: in der kälteren Jahreszeit schneit
es, in der wärmeren regnet es. Schon im mittleren Italien sind
Schneefälle in den Niederungen selten, aber immerhin hat noch Rom
durchschnittlich 1,4 Schnee tage im Jahr. Jenseits des Atlasgebirges
und der Südgrenze von Syrien ist der Schnee in der Ebene un-
bekannt, an der Ostseite der alten Welt aber rückt seine Aquatorial-
grenze, den Winterisothermen folgend, weiter nach Süden, bis über
Canton hinaus (23° B.), und eine ähnliche Anordnung wiederholt
sich auch in Nordamerika.
Begeben wir uns nach Norden, so wird die feste Niederschlagsform
in der .Ebene immer häufiger. Mit Ausnahme von Norwegen dürfte die
Grenze der sommerlichen Schneefälle sich in der Nähe des Polar-
kreises halten; schon auf Boothia Felix unter 70° B. betragen sie
von Juni bis August 40 Proz. der Niederschläge, und auf ähnliche
Verhältnisse deuten die Beobachtungen Nordenskiölds in der
Nähe der Beringstraße. Auf der Südhemisphäre scheint die Grenze
des Sommerschnees schon in der Nähe des 50. Parallels zu liegen.
Aber überall, soweit man auf den Polarkalotten vorgedrungen ist,
regnet es auch in den warmen Monaten; und es ist ganz ungewiß,
ob eine Zone des festen Niederschlags überhaupt existiert3
Wie in horizontaler, so verändert sich auch in vertikaler Rich-
tung mit der abnehmenden Temperatur die Form der Niederschläge.
Während in unseren Gegenden die steigende Sonne den winterlichen
Schnee in der Ebene und in den unteren Gebirgsregionen aufzehrt,
bleibt er in den höheren Partieen das ganze Jahr liegen und wird
noch durch gelegentliche sommerliche Schneefälle vermehrt. Über
die Veränderungen, welche die Schneedecke eines Gebirges im Laufe
eines Jahres durchmacht, haben wir langjährige Beobachtungen nur
vom Säntis in der Schweiz und vom Innthale bei Innsbruck.3 Die
letzteren sind insofern wichtiger, als sie sich sowohl über das Nord-
wie das Südgehänge des Thaies ausdehnen, doch berücksichtigen sie
nur die steilen Böschungen, wo der Schnee leichter schmilzt, als in
den Mulden des Hochgebirges. Im Winter ist das ganze Thal
(570 m über See) mit Schnee bedeckt, dann zieht sich seine, untere
Grenze bis zum Spätsommer in immer größere Höhen zurück, um
im Herbste sich rasch wieder zu Thal zu senken. x
X
Mürz
April
Mai
Juni
Juli
Aug.
Sept.
Okt.
Nov.
Südabhang
960
1270
1700
2190
2680
3130
3210
2150
1300 m
Nordabhang
720
1110
1540
2030
2470
2930
2760
1890
1010 m
Unterschied
240
160
160
160
210
200
450
260
290 m
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Verbreitung des Schnees.
143
Im heißesten Monat (Juli) kommen Schneefälle nur oberhalb
2100 m vor, aber auch in dieser oberen Region regnet es noch
ziemlich häufig. Die meteorologische Station auf dem Sonnblick-
gipfel in den Tauern (3100 m Höhe) verzeichnete im Sommer 1887
17 und im Sommer 1888 10 Regentage. Es ist also auch zweifel-
haft, ob ein Gebirge in die Region beständig fester Niederschläge
hineinragt.
Die Schneegrenze4. Der pulverig trockene Schnee, der in den
höchsten Regionen unserer Alpen fällt, bleibt auf den steilen Graten
und Abhängen nicht lange haften. Das Spiel der Winde und die
eigene Schwere führen ihn jenen großen Mulden und kesselförmigen
Fig. 26. Firnfeld des Gurgier Gletschers.
"Vertiefungen zu, mit denen die Thäler nach oben enden, und häuft
ihn hier, zusammen mit dem an Ort und Stelle gefallenen Schnee
zu gewaltigen Massen an, die an den sanfteren Böschungen des um-
gebenden Höhenkranzes, stellenweise bis an den Kamm desselben hinauf-
ziehen, jedoch so, daß aus der weißen Fläche noch immer schneefreie
Felseninseln aufragen (Fig. 26). Der Hochschnee nimmt hier unter
dem Einflüsse wechselnden Abtauens an Sommertagen und nächtlichen
Wiedergefrierens eine graupenförmig-kömige Beschaffenheit an, er
wird zum Firn. Nach unten geht dieser durch den Druck seiner
eigenen Masse in Eis über; die Schneedecke, die darüber lagert,
wird thalabwärts immer dünner und endet an jener Linie, wo die
Sommerwärme schon hoch genug ist, um die Schneemenge des vorigen
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144
Die Lufthülle.
Winters und gelegentlichen Neuschnee aulzuzehren. Diese Linie ist
die Schnee- oder Firnlinie; beide Begriffe können in unseren Hoch-
gebirgen thatsächlich als identisch betrachtet werden, denn die
Schneegrenze wird immer an den Firnfeldern gemessen. Oberhalb
derselben herrscht Anhäufung, unterhalb Abschmelzung vor.
Firnfeld reiht sich an Firnfeld; es ist selten eine auf weite
Strecken zusammenhängende Schneedecke, aber es sieht, von ferne
betrachtet, fast so aus. Wir können die einzelnen Firnlinien über
die trennenden Kämme hinweg zu einer einzigen Linie verbinden,
die dem Gebirge entlang laufend, im Sommer das vorwiegend schnee-
bedeckte von dem vorwiegend schneefreien Lande trennt. Das ist
die wirkliche Schneelinie.
Aber diese Linie fällt nicht mit einer bestimmten Isohypse zu-
sammen, denn die Bedingungen zu dauernder Schneeanhäufung sind
nicht überall gleich. Die Höhe der Grenze hängt allerdings zu-
nächst von zwei klimatischen Faktoren ab: von der Sommerwärme
und von der Niederschlagsmenge; aber selbst wenn innerhalb eines
Gebirges von beschränkter Ausdehnung diese beiden Faktoren nicht
erheblich variieren, schwankt doch die Schneegrenze infolge orogra-
phischer Verschiedenheiten, die in der Lage und im Baue der Firn-
mulden begründet sind. Maßgebend ist vor allem die Lage an der
Sonnen- oder Schattenseite eines Gebirges und die Lage gegenüber
der herrschenden Windrichtung. Am Finsteraarhorn-Massiv z. B.
hat die Schneegrenze an der
Nordabdachung eine Seehöhe von 2850 m
Ostabdachung „ ,. „ 2860 „
SUdabdachung „ „ „ 3010 „
Westabdachung „ „ „ 2900 „
Der Gegensatz von Nord- und Südabdachung tritt in den Alpen
überall deutlich hervor, obwohl im allgemeinen der Niederschlag
auf der Südseite größer sein dürfte. Aber erst dann, wenn die
Südseite sehr erheblich feuchter ist, kehrt sich der Gegensatz um.
Wir werden noch später davon zu sprechen haben.
Selbst bei benachbarten Gletschern von gleicher Lage kann
die Höhe der Fimgrenze sehr verschieden sein. Wählen wir wieder
ein Beispiel aus dem Finsteraarhorn-Massiv. Dem großen Aletsch-
gletscher fließen rechts der Mittelaletsch-, der Triest- und der Ober-
aletschgletscher zu; bei dem ersten liegt die Schneegrenze in 3060,
bei dem zweiten in 3210, bei dem dritten in 2830 m Seehöhe. Sie
alle fließen nach SO. und doch schwankt die Schneegrenze um volle
380 m! Ein näheres Eingehen auf den Bau der Firnmulden er-
klärt uns freilich diese Unterschiede; die Triester Mulde liegt der
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Verbreitung des Schnees.
145
Mittagssonne ganz offen, während der Ober-Aletschfirn durch hohe
Kämme beschattet wird.
Als klimatisches Phänomen ist die Fimgrenze natürlich auch
Schwankungen von Jahr zu Jahr unterworfen. Eine einzige Messung
hat daher nur beschränkten Wert. Aber Messungen sind in den
alpinen Gebirgen überhaupt schwierig und bieten nicht im entfern-
testen jene Gewähr, wie an den Vulkankegeln des tropischen Süd-
amerikas, wo die Schneelinie durch Regelmäßigkeit und Beständig-
keit schon frühe die Aufmerksamkeit der Forschungsreisenden auf
sich gelenkt hat Man versuchte daher, ihre Seehöhe zu be-
rechnen, zunächst auf direktem Wege durch Einstellung klimatischer
Mittelwerte, wie es v. Sonklar in umfassender Weise gethan hat.
Aber diese Methode konnte zu keinem befriedigenden Resultate
führen, weil die Grundlagen nicht gesichert sind. Die ältere Vor-
stellung, daß dip Schneegrenze mit der Höhenisotherme von 0° Zu-
sammenfalle, wurde bald als unhaltbar erkannt. In den letzten
Jahren sind drei indirekte Methoden mit Erfolg angewendet worden.
Die älteste derselben6 giebt eigentlich nur Grenzwerte; die obere
Grenze stellen die Gipfelhöhen jener Bergmassen dar, die Gletscher
entsenden, die untere bezeichnen jene benachbarten Gipfelhöhen, die
trotz günstiger Lage keine großen Schneefelder mehr beherbergen.
Man kann die Frage auch so stellen: weiche Isohypse muß ein Berg
übersteigen, um Gletscher bilden zu können? Diese Isohypse ist dann
annähernd die Schneegrenze innerhalb eines größeren Gebirgs-
abschnittes. Um zu Vorstellungen über die Seehöhe der eiszeitlichen
Schneegrenze zu gelangen, ist dies die einzige bisher bekannte
Methode und hat in dieser Beziehung schon gute Dienste geleistet
Die orometrische Methode Brückners6 geht von der Annahme
aus, daß mindestens 3/4 einer Gletscherfläche über der Schneegrenze,
d. h. im Sammelgebiete liege, und bestimmt nun, welcher Isohypsen-
fläche dieses Firnareal an Größe gleichkommt. Die betreffende
Isohypse stellt die Maximalhöhe der Schneelinie dar; die Maximal-
höhe insofern, als das Verhältnis der Eiszunge zum Firnfelde mit
Ausnahme der großen Thalgletscher sicher überschätzt ist, und weil
innerhalb des ewigen Schnees schneefreie Partien sich befinden, die
nicht in das Gletscherareal einbezogen werden. Die Ausdehnung
dieser Partieen, die ihre Schneefreiheit nur ihrer Steilheit verdanken,
kann aber unter Umständen eine sehr beträchtliche sein; für den
Ankogel z. B. fand Richter7 innerhalb der Höhenlinie von 2700 m
41 Proz. schneefrei. Als dritte Methode gesellt sich endlich die
von Kurowski6 hinzu. Wenn — so schließt er — der Niederschlag
proportional der Höhe wächst und die Abschmejzung in gleichem
Sofas, Pbjraiache Erdkunde. 2. Aufl. 10
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146
Die Lufthülle.
Verhältnisse abnimmt, so muß die mittlere Höhe des Gletschers
(Eiszunge und Firn) diejenige Linie sein, wo sich beide Faktoren
das Gleichgewicht halten, d. h. die Schneegrenze. In Wirklichkeit
ist die gemachte Voraussetzung allerdings nicht ganz erfüllt, aber
trotzdem ist erfahrungsgemäß die mittlere Gletscherhöhe zwar etwas,
aber nur wenig größer als die Höhe der Schneegrenze.
Allein mag die Berechnungsmethode noch so fein sein, so sind
wirkliche Schneegrenzen ebensowenig vergleichbare Größen, wie die
Temperaturen von Orten in verschiedener Seehöhe. Man hat daher
einen neuen Begriff aufgestellt, den der klimatischen Schnee-
grenze, d. h. jener idealen Schneegrenze, die lediglich durch die
klimatischen Faktoren bedingt ist Aber leider ist die Ausscheidung
der störenden orographischen Momente schwieriger, als die Reduktion
der Temperatur auf das Meeresniveau. Man muß sich mit Mittel-
werten behelfen, indem man voraussetzt, daß sich die Gunst und
Ungunst der örtlichen Verhältnisse innerhalb eines grösseren Ge-
birgsabschnittes ausgleichen. Es liegt aber auf der Hand, daß dies
nur zufällig geschehen kann, und erst die Heranziehung eines sehr
großen Zahlenmaterials wird uns in dieser Beziehung vor Fehl-
schlüssen einigermaßen bewahren. Man ist indeß auch noch immer
nicht darüber einig, was alles als orographisches Moment anzusehen
sei. Richtkb, Bbückner, Kubowski u. a. faßen die klimatische
Schneegrenze als die Schneegrenze auf einer supponierten horizon-
talen Fläche auf, wo der Gegensatz von Sonnen- und Schatten-
seite wegfällt, und suchen diesem Begriffe dadurch gerecht zu werden,
daß sie bei der Mittelziehung sämtliche Lagenverhältnisse berück-
sichtigen. In der Finsteraarhomgruppe z. B. schwanken die wirk-
lichen Schneegrenzen nach der Berechnung von Kubowski zwischen
2490 und 3210 m. Der Mittelwert ist 2950 m, und man nimmt
an, daß an dieser Stelle ein Hochplateau mit ewigem Schnee bedeckt
wäre, wenn es sich über diese Grenze erhöbe. Es ist aber klar,
daß man dabei auch voraussetzt, daß die klimatischen Faktoren auf
allen Abdachungen die gleichen seien, und wir haben keinen Beweis,
daß diese Voraussetzung richtig ist Es ist möglich, daß die Süd-
seite niederschlagsreicher ist, und daß dort die Schneegrenze noch
höher liegen würde, wenn die Schneeanhäufung nur ebenso groß
wäre, als am Nordabhange. Wo die klimatischen Gegensätze zwischen
den beiden Seiten eines Gebirges sich erheblich steigern, wie in vielen
Gebieten der Erde, da wird das, was man als klimatische Schnee-
grenze annimmt, nicht bloß ein idealer, sondern geradezu ein ima-
ginärer Wert Allein nicht bloß der Niederschlagsfaktor kann dabei
zu kurz kommen, auch der Einfluß des Temperaturfaktors wird
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Verbreitung des Schnees.
147
unserer Ansicht nach nicht richtig geschätzt. Was wir Temperatur
nennen, ist Luft- d. h. Schattentemperatur; darnach berechnen
wir auch die vertikale Wärmeabnahme und berücksichtigen dabei
die intensive Sonnenstrahlung an hochgelegenen Orten ganz und gar
nicht Die Temperatur wirkt als klimatischer Faktor auf die Schnee-
grenze also nur an der Schattenseite eines Gebirges; die Verhält-
nisse an der Sonnenseite sind dagegen durchaus abnorme und nähern
sich den normalen nur zur Zeit dichter Bewölkung. Wir definieren
daher die klimatische Schneegrenze als die mittlere Schneegrenze
auf der Schattenseite eines Gebirgsabschnittes mit mög-
lichst gleichartigen Temperatur- und Niederschlagsver-
hältnissen, und glauben uns damit auch, wenigstens der Haupt-
sache nach, mit der Auffassung Ratzels in Übereinstimmung zu
befinden. Wir müssen aber später noch eine wichtige Einschränkung
machen.
Ratzel9 unterscheidet übrigens noch eine orographische
Schneegrenze. Dauernde Schneeanhäufungen, teils wirkliche Firn-
flecke, teils Lawinenreste kommen nämlich unter abnorm günstigen
Bedingungen, an beschatteten Orten mit kellerartiger Temperatur,
auch unterhalb der Schneegrenze vor. Die untere Grenze dieser
vereinzelten Vorkommnisse nennt Ratzel die orographische Schnee-
grenze im Gegensätze zur klimatischen.
Verteilung der Schneegrenze.10 Die Liste der gemessenen und
geschätzten Schneegrenzen in verschiedenen Teilen der Erde ist
ziemlich reichhaltig, aber so außerordentlich ungleichmäßig, daß
man am besten thut, auf eine Reproduktion derselben zu verzichten.
Daß vereinzelte Messungen nur problematischen Wert haben, wurde
schon oben erörtert, und die schätzungsweisen Angaben lassen sich
nicht immer auf den Grad ihrer Zuverlässigkeit prüfen. Berechnungen
auf indirektem Wege sind nur für unsere Alpen geliefert worden
und überhaupt nur möglich in Ländern, von denen genaue Höhen-
schichtenkarten existieren. Noch bedauerlicher ist aber die Verwirrung,
die bis in die neueste Zeit in Bezug auf den Begriff der Schneegrenze
bestand, sodaß man oft nicht weiß, ob sich eine Zahl auf die oro-
graphische oder wirkliche oder klimatische oder eine andere Schnee-
grenze bezieht, und in welcher Weise die klimatische Schneegrenze
aufgefaßt wird. Ja bei manchen Gebirgen ist es überhaupt schwer
zu entscheiden, ob man es mit rein orographisch oder mit kli-
matisch bedingtem Firn zu thun hat Aber trotz aller Mängel des
Zahlenmaterials lassen sich doch schon einige allgemeine Gesetze
aufstellen.
Wenn wir von den Niederschlägen vorerst ganz absehen, so
10*
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148
Die Lufthülle.
müssen wir voraussetzen, daß die Schneegrenze von dem thermischen
Äquator nach beiden Polen sich senkt und zwar rascher nach dem
Südpole, weil auf der Südhemisphäre die Sommertemperatuf niedriger
ist, als unter entsprechenden nördlichen Breiten. Das ist auch in
der That der Fall. Im Kaskadengebirge Oregons ist die Schnee-
grenze auf 2100 — 2400 m festgesetzt, in den südchilenischen Andes
unter 44 0 B. liegt sie schon in 1 400 m. Im streng ozeanischen
Klima Südgeorgiens fand die deutsche Polarexpedition in der Breite
des nordenglischen Gebirges am Roßgletscher, der an der Ostküste
bis an das Meer herabsteigt, die Firngrenze schon in 360 m Höhe, also
beträchtlich tiefer als auf Jan Mayen unter 71" N. Aber in keinem
Polarlande, das man bisher besser kennen gelernt hat, sinkt die
klimatische Schneelinie bis an den Meeresspiegel herab, wohl aber
überall die orographische.
Die höchste Seehöhe erreicht die Schneegrenze zwar stets inner-
halb der innem Zone, wo das Landklima wärmer ist als das See-
klima, aber nicht unter dem Äquator, sondern in den trockensten
Gegenden. Im westlichen Hochgebirgswalle Amerikas, der sich wegen
seiner Erstreckung durch alle Klimagürtel am besten zu Gletscher-
studien eignet, aber in dieser Beziehung leider noch wenig bekannt
ist, liegt der Scheitelpunkt der Schneegrenzenkurve unter 18° 10' S.,
6120 m über dem Meeresspiegel. Die gemessene Stelle befindet sich
am Nordostabhange des Vulkans Pauchata; der benachbarte Vulkan
Sajama (18° T S.) hat seine Fimgrenze in 5925 m, sodaß wir
ca. 6000 m als maximalen Näherungswert für die sudamerikanische
Westcordillere annehmen dürfen. Auf der Ostcordillere aber, die
schon dem subtropischen Wüstenklima entrückt ist, liegt die Schnee-
grenze um ca. 1000 m tiefer, trotzdem daß der Sommer hier heißer ist
Es muß übrigens darauf aufmerksam gemacht werden, daß innerhalb
des Tropengürtels die Feststellung der klimatischen Schneegrenze
mit großen Schwierigkeiten verknüpft ist, weil keine Abdachung ohne
besondere orographische Schutzmittel das ganze Jahr hindurch im
Schatten liegt. Die alte Welt hat ihre höchste Schneegrenze im
trockenen Tibet. Das Karakorum gebirge unter 35y2° N. trägt auf
der Nordseite erst über 5700 m, auf der Südseite sogar erst über
5900 m ewigen Schnee; die erstere Zahl repräsentiert nach unserer
Auffassung die klimatische Firnlinie. Für den Himalaja reicht aber
unsere Definition dieser Linie nicht aus. Er trennt zwei Klima-
extreme, der Süden ist enorm feucht, der Norden enorm trocken.
Daher der außergewöhnliche Fall, daß die Schneegrenze am Nord-
abhange (5300 m) viel höher liegt als am Südabhange (4900 m). Bei
solchen klimatischen Unterschieden darf natürlich nicht die nördliche
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Gletscher.
149
Schneelinie als die des ganzen Gebirges betrachtet werden, aber
ebensowenig die südliche, vorausgesetzt, daß hier nicht Firnmulden
gefunden werden, die durch besonders günstigen Bau vor dem
direkten Einflüsse der Sonnenstrahlen stets geschützt sind.
Am genauesten kennen wir jetzt, dank den sorgfältigen Unter-
suchungen Eduard Richters, die Verteilung der klimatischen Schnee-
grenze in den Ostalpen. Sie liegt hier
in den nördlichen Kalkalpen
in
2500 in
H.
in der Silvretta
2650 „
im Innern der Otzthaler Alpen
»
2900 „
11
in den nördlichen Verzweigungen derselben
?»
2800 „
11
im Ortlergebiete
n
2900 „
11
im Venediger und Glöckner-Massiv ....
ii
2600 „
11
im Adamello
2800 „
in der Brentagruppe
unter
2700 „
11
in der Marmolata
in
2650 „
11
Überraschend ist hier die Senkung der Schneegrenze nach Osten,
während man früher das Entgegengesetzte annahm, und ferner ihre
hohe Lage in den Otzthaler und Ortleralpen, deren massiger Bau die
vertikale Wärmeabnahme verlangsamt und deren zentrale Lage ver-
mutlich eine geringere Niederschlagsmenge bedingt.
Literaturnachweise. 1 Hans Fischeb, Die Äquatorialgrenze des Schnee-
falls, Mitteilungen d. Vereins für Erdkunde, Leipzig 1888. — ’ M. Friedrich,
Niederschläge u. Schneelagerung in der Arktis. Leipzig 1891. — s v. Kerner,
Die Schneegrenze im Gebiet des mittleren InnthalSs, in d. Denkschr. d. Wiener
Akad. d. Wiss. 1887. — 4 F. Klengel, Die historische Entwicklung des Begriffs
der Schneegrenze, Mitteilungen d. Vereins für Erdkunde, Leipzig 1889. —
5 E. Brückner, Die Vergletscherung des Salzachgebiets, Wien 1886. — * Brückner,
Die Hohen Tauern u. ihre Eisbedeckung, in der Zeitschrift d. D. u. O. Alpen-
vereins 1886. — 7 E. Richter, Die Gletscher der Ostalpen, Stuttgart 1888. —
* L. Kcrowski, Die Höhe d. Schneegrenze, in d. Arbeiten d. geographischen In-
stituts der Universität Wien, 1891. — * Fr. Ratzel, Zur Kritik der natürlichen
Schneegrenze, in der Leopoldina, 1886. — 10 Heim, Handbuch der Gletscher-
kunde, Stuttgart 1885.
Gletscher.*
Wenn auch in der Region des ewigen Schnees der Verdunstungs-
prozeß nicht stille steht, so fällt ihm doch nur ein geringer Bruch-
teil der jährlichen Niederschlagsmenge zum Opfer, und das Wachs-
tum der Schneemassen wird dadurch nur wenig gehindert. Es giebt
aber ein wirksameres Gegenmittel: die Bewegungsfähigkeit des Schnees.
Er wird dadurch den wärmeren Regionen zugeführt und hier auf-
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150
Die Lufthülle.
gelöst, um entweder in den mütterlichen Schob des Meeres zurück-
zukehren oder in Dampfform seinen Kreislauf wieder zu beginnen.
Die übliche Bezeichnung „ewiger Schnee“ ist demnach insofern eine
unrichtige, als nicht die einzelne Schneelage, sondern nur die Schnee-
bedeckung eine dauernde ist.
Plötzlich gleitende Schneemassen nennt man Lawinen. Nament-
lich im Frühjahr sind solche häufig, wenn der erweichte Schnee an
den steileren Hängen nicht mehr haften kann. Der Schuß eines
Jägers, der Pfiff einer Lokomotive, das Jauchzen eines sangfrohen
Älplers genügt dann, um den auf das Äußerste gespannten Gleich-
gewichtszustand aufzuheben. Aber so gewaltige Massen auch dadurch
dem Thale zugeführt werden, so verheerend auch eine solche Kata-
strophe wirken kann, so trägt doch die langsame, aber stetige Thal-
bewegung des Gletschers unendlich mehr zur Entlastung der Hoch-
gebirge bei und ist auch in ihren sonstigen Wirkungen eines der
wichtigsten erdphysikalischen Phänomene.
Begriff und Einteilung der Gletscher. Wir müssen uns zunächst
über den Begriff des Gletschers verständigen, denn dieser Ausdruck wird
in sehr verschiedener Weise gebraucht, und dies giebt, wie es nicht
anders sein kann, zu vielen Mißverständnissen Veranlassung. Überall,
wo dauernde Schneeansammlungen vorhanden sind, kommt es auch
zur Eisbildung, denn der Schnee geht in seinen unteren Schichten
schon vermöge seiner eigenen Schwere in Eis über, und verschieden
ist nur die Tiefe, in welcher dieser Übergang sich vollzieht. Aber
nicht überall tritt das feis aus der Schneehülle zutage, oder mit
anderen Worten, nicht überall dringt das Eis aus der Region des
ewigen Schnees, wo es sich dauernd in der Tiefe befindet, in die-
jenige Region ein, wo die winterliche Schneehülle im Sommer schmilzt
Firn- und Eisgrenze fallen dann zusammen, und wenn wir auch aut
diese Eisbildung den Begriff Gletscher anwenden, so können wir sie
passend als Firngletscher bezeichnen. Wir finden sie überall,
wo nur einzelne regelmäßig gestaltete, ungegliederte Gipfel in die
Schneeregion hineinreichen, vorausgesetzt, daß die Abhänge sanft
genug sind, um überhaupt eine Schneedecke tragen zu können.
Anders in jenen Gebirgen, die mit einem langgestreckten Kamme
über die Schneegrenze emporsteigen. Wir haben da große, hoch-
gelegene Sammelbecken, wie wir sie in den Firnmulden kennen ge-
lernt haben, und ein ausgebildetes Thalsystem, das dem Eisstrome den
Weg in die Tiefe weist. Deutliche Scheidelinien grenzen hier
die einzelnen Gletscher voneinander ab; jeder Gletscher ist ein
Individuum für sich, eine hydrographische Einheit; jeder besteht aus
zwei Teilen, aus Firn und Eiszunge, ja wir können sogar noch
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Gletscher. 151
als dritten Teil den dazu gehörigen Hochschnee anfügen. Je nach-
dem die Eiszunge entwickelt ist, unterscheiden wir Gletscher
erster und zweiter Ordnung. Die ersteren können wir als Thal-
gletscher bezeichnen, denn ihre ausgebildete Eiszunge bewegt sich
stromartig thalabwärts oft bis in die Wald-, ja sogar bis in die
Kulturregion. Die anderen besitzen nur eine wenig entwickelte Eis-
zunge, sie scheinen hoch oben, an den Abhängen der Thäler zu kleben,
und man hat sie daher Hängegletscher benannt. Diese und die Thal-
gletscher sind Unterarten der alpinen Gletscher.
Wieder eine andere Gestaltung gewinnt das Gletscherphänomen,
wenn eine breite, plateauartige Gebirgsmasse mit ewigem Schnee sich
bedeckt. Hoch- und Firnschnee verschmelzen dann zu ausgedehnten
Schneefeldern, die entweder in gleicher Weise wie die Firngletscher
als Eismauer abbrechen oder Eiszungen in der Form von Thal-
und Hängegletschem nach verschiedenen Seiten entsenden. Das ist
die Erscheinungsform des Inlandeises. Der Unterschied vom alpinen
Typus besteht darin, daß beim Inlandeise die Individualisierung ver-
loren geht; es besteht aus einer Gletscherfamilie, die von einem
gemeinsamen Schneefelde ohne erkennbare Firnscheiden gespeist wird.
Den alpinen Gletscher können wir einem Gebirgssee mit einseitigem
Abflüsse vergleichen — der See entspricht in diesem Falle der Firn-
mulde — das Inlandeis ist einem See gleich, der eine flache Wasser-
scheide bedeckt und nach verschiedenen Seiten hin entwässert.
Als eine Mittelform zwischen dem alpinen Gletscher und dem
Inlandeise bezeichnet Russell 2 den Vorland-Gletscher des
Mount Elias in Alaska, den einzigen noch lebenden Repräsentanten
einer Form, die in der Eiszeit weit verbreitet war. Die Gletscher-
zungen verschiedener alpiner Firnfelder erstrecken sich hier über den
Fuß des Gebirges hinaus und verschmelzen im Vorlande zu einem
3900 qkm großen Eisfelde, den Malaspina-Gletscher. Sein Nähr-
gebiet hat also alpinen Bau, er selbst aber gleicht dem In-
landeise.
Nach diesen Erörterungen können wir zu unserem Ausgangs-
punkte zurückkehren. Der Ausdruck „Gletscher“ wird für drei ver-
schiedene Dinge gebraucht:
1. Für alle aus dem Schnee hervorgehenden dauernden Eis-
bildungen auf dem Lande. In diesem Sinne spricht man z. B.
von einer Vergletscherung Grönlands oder Norddeutschlands zur
Eiszeit u. s. w.;
2. für die alpinen Gletscher und setzt dann Gletscher in
bestimmten Gegensatz zum Inlandeise. Unsere Firngletscher werden
dann nicht als Gletscher angesehen, und in diesem Sinne ist es
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152
Die Lufthülle.
zu verstehen, wenn z. B. vereinzelten hohen Vulkankegeln Gletscher
abgesprochen werden;
3. für die Eiszungen der alpinen Gletscher und des Inland-
eises, und man unterscheidet dann streng zwischen Gletscher und Firn.
Aus unseren Auseinandersetzungen dürfte schon hervorgegangen
sein, dass wir uns für den weitesten Begriff entschieden haben;
wir werden aber der nachfolgenden Schilderung hauptsächlich die
alpinen Verhältnisse zu gründe legen, weil diese am besten bekannt
und am eingehendsten erforscht sind.
Die Gletscherzunge. Wenn man Gletscher als Eisströme be-
zeichnet, so denkt man dabei zunächst an die großen Thalgletscher.
Fig. 27. Mer de Glace.
Wie die Flüsse vereinigen sich mehrere derselben zu einem einzigen
Eisstrome. Wir nennen als Beispiel die berühmte Mer de Glace
in der Montblanc-Gruppe, die den Arveiron zur Arve entsendet
Bei der Vereinigung ist der Eisstrom 2000 m breit, später wird er
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Gletscher.
153
auf ca. lüüü m eingeengt. Sein Ende erreicht dieser vielbesuchte
Gletscher, der bis zu den Eiskatarakten des Göant 9800 m mißt,
in 1125 m Seehöhe, also nur 75 m über Chamonix. Das Sammel-
gebiet hat eine Gesamtfläche von 3013 ha. (nämlich Glacier du
Göant 1600, G. de Löchaux 569, G. de Talefre 844); die Mer de
Glace eine solche von 1165 ha.; das Verhältnis der Eiszunge zum
Firn ist also 1 : 2,e oder rund 1:3, und dies darf man auch als
das durchschnittliche Verhältnis bei allen großen Thalgletschern der
Alpen ansehen, wenn auch Schwankungen innerhalb ziemlich weiter
Fig. 28. Goruer Gletscher.
Grenzen selbst bei benachbarten Gletschern Vorkommen. Bei Hänge-
gletschern ist das Verhältnis natürlich ein anderes. Man kann hier
1:8 als Kegel annehmen.
Meist ist der Eisstrom in der Mitte etwas höher als an den
Ufern, wo er unter dem Einflüsse der erwärmten Berggehänge
rascher schmilzt. Beim Aletschgletscher in den Berner Alpen
betrug die Erhöhung der Mitte über dem Rande im August 1872
nahezu 60 m. Wo aber die Ränder eine dichte Schuttdecke tragen,
während der mittlere Teil schutzlos der Wirkung der Sonnenstrahlen
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154
Die Lufthülle.
preisgegeben ist, da ist der letztere tiefer eingesenkt, wie dies z. B.
beim Vernagtgletscker in Tirol der Fall ist. ln unseren Alpen beträgt
die Mächtigkeit des Gletschers in seinen oberen Partien mehrere
hundert Meter, am Ende aber, besonders wenn es in die Kultur-
region hineinreicht, übersteigt sie kaum Baumeshöhe. Niemals aber
läuft der Gletscher allmählich aus, sondern bricht stets als eine mehr
oder weniger hohe Eismauer ab, die aus einem gewölbten Thore
den Schmelzwasserbach entläßt. Am reichlichsten ist dieser natür-
lich in der heißen Jahreszeit, aber bei den großen Gletschern der
Alpen versiegt er selbst im Winter nicht und ist in Grönland sogar
kaum schwächer als im Sommer. Auch auf der Oberfläche des
Gletschers ruft die Sommersonne zahlreiche Bäche und Seen hervor,
aber die Nacht legt sie wieder in Eisfesseln, die erst der folgende
Tag wieder sprengt.
Oletscherkorn. Wenn wir nach dem wissenschaftlichen Sp rach-
gebrauche unter Gletscher Firn und Eiszunge zusammenfassen, so
unterscheiden wir doch streng zwischen Firn- und Gletschereis
und beschränken den letzteren Ausdruck auf das Material der Zunge.
Yom Hochschnee zum Firn und vom Firn zum Firneis lassen sich
alle Übergänge beobachten; der Firn wird nach unten immer grob-
körniger, und das Firnkorn erscheint auch noch im Firneise der
tiefen Schichten eingebettet in eine Masse trüben, mit Luftbläschen
angefüllten Eises. Ganz anders ist das Gletschereis beschaffen. Die
ganze Masse ist von einem dichten Netze von Haarspalten durch-
zogen und zerfällt dadurch in unzählige eckige Eisstückchen, die
man Gletscherkörner nennt. Es sind Eiskrystalle, die sich in
ihrer Ausbildung gegenseitig hemmten, also etwas ganz anderes als
das Firnkorn, obwohl das Gletschereis durch Umformung aus dem
Firneis hervorgeht: ein Prozeß, der freilich noch nicht der Beobach-
tung zugänglich gemacht wurde. Die Gletscherkörner werden immer
größer, je mehr wir uns dem Ende des Eisstromes nähern, oder mit
anderen Worten: sie wachsen mit dem Alter — eine Erscheinung,
die bisher noch keine allseitig befriedigende Erklärung gefunden
hat. Die letzte Phase in dem Streite um das Gletscherkorn bezeichnet
die Behauptung Hagenbach-Bischoffs,8 daß alle größeren Eis-
krystalle die benachbarten kleineren in sich aufnehmen, mag nun
das Eis in Ruhe oder in Bewegung sein. Bislang hatten viele
Forscher die Kömerstruktur mit der Bewegung in ursächlichen
Zusammenhang gebracht.
Gletscherbewegung. Die einseitige Bewegung des Gletschers
setzt eine Neigung des Bettes voraus, die wir aber in der Regel
nicht messen, sondern nur nach der Neigung der Gletscheroberfläche
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Gletscher.
155
beurteilen können. Jedenfalls ist die letztere größer, weil die Mächtig-
keit nach unten abnimmt. Sie beträgt bei den Thalgletschern 3 — 6°,
doch ist der Firn in der Regel etwas steiler. Geringere Neigungen
scheinen in außeralpinen Gebirgen sogar noch häutiger zu sein. Wie
in den Flußthälem unterbricht auch in den Gletscherthälem oft eine
steile Stufe die sanfte Abdachung; der Eisstrom löst sich bei seinem
Sturze in ein Trümmermeer auf, aber unterhalb schließen sich die
Spalten wieder, und in majestätischer Ruhe zieht er weiter. Häuge-
gletscher haben eine viel größere Neigung als Thalgletscher, und es
kommt nicht selten vor, daß große Eisstücke abbrechen und als
Gletscherlawine in das Thal herabstürzen. Geschieht dies regel-
mäßig und ist die Materialzufuhr ausreichend, so wachsen die Eis-
trümmer am Fuß der Gletscherwand wieder zusammen und bilden
einen bewegungsfähigen regenerierten Gletscher, der keinen Zu-
sammenhang mit der Firnregion hat. Vielleicht gehören die „halb-
ausgebildeten“ Gletscher Tibets, welche A. Schuster als zusammen-
gefrorene Schneemassen mit äußerst geringer Bewegung charakterisiert,
in diese Kategorie. Auch Firnlager unterhalb der klimatischen Schnee-
grenze können vereisen, wie beispielsweise das Blaueis am Hoch-
kalter bei Berchtesgaden.
Eine eigentümliche und noch nicht ganz aufgeklärte Erscheinung
sind die Nieve penitente, d. h. der Büßerschnee der argentinischen
Cordilleren. Es sind ausgedehnte Schnee- oder Eisfelder unterhalb
der Fimgrenze, die durch Sonne und Wind in merkwürdig aus-
gezackte Figuren verwandelt sind. Von ferne betrachtet, nehmen sie
sich wie ein Chor stehender oder knieender, in weiße Schleier gehüllter
Frauengestalten aus. „Figur — so schildert sie Güssfeld — reiht
sich an Figur, jede hoch und starr aufgerichtet, übermenschlich groß,
eine jede von ihrem Nachbar verschieden, und alle scheinen, ver-
steinerten Sündern gleich, auf ein erlösendes Zauberwort zu harren.“
Nach Brackebüsch4 kommen sie nur auf lockerem, wasserdurch-
lässigem Boden vor, und er schließt daraus, daß sie nicht nach Art
normaler Gletscher auf ihrer Unterlage sich abwärts bewegen, sondern
passiv von der rutschenden Unterlage zu Thale gebracht werden.
Dabei löst sich das Eis vom Firnfelde los, es entstehen Spalten und
Klüfte, und die Eismasse zerfällt in Blöcke, die nun von den
meteorischen Kräften in so seltsamer Weise modelliert werden.
Von derartigen abnormen Erscheinungen abgesehen, befinden
sich Firn und Gletscher in ununterbrochener Bewegung thal-
abwärts; unregelmäßige Bewegungen, wie sie aus den Messungen
von Pfaff, Klocke und Koch hervorzugehen schienen, können nicht
als erwiesen gelten, weil die Abweichungen noch innerhalb der Grenzen
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156
Die Lufthülle.
der Beobachtungsfehler liegen. Dabei folgt das anscheinend spröde Eis
genau den Gesetzen des fließenden Wassers. Die Geschwindigkeit
hängt auch hier von der Neigung des Bettes und von der Größe
und Konzentration des Querschnittes ab. Sie wechselt daher inner-
halb eines und desselben Gletscherkörpers und nimmt bei normalem
Thalbaue gegen die Mitte zu und dann gegen das Ende wieder
ab. Die Thalgletscher bewegen sich schneller als die Hänge-
gletscher, obwohl die letzteren eine größere Neigung besitzen; aber
die Thalgletscher sind mächtiger und überwinden leichter die Rei-
bung am Untergründe. Wird die Eismasse in dem sich verengenden
Bette zusammengepreßt, so wird die Reibung vermindert, während
der Querschnitt sich gleich bleibt, und die Geschwindigkeit steigert
sich. Zahlreiche Beobachtungen haben ferner gelehrt, daß sie von
den Rändern nach der Mitte zunimmt, daß sie in gekrümmten
Thälern am konvexen Rande stärker ist als am konkaven, und daß
dann die Liuie größter Geschwindigkeit nicht genau in der Mitte,
sondern näher dem konvexen Rande liegt Auch gelang es Tyndall
am Glacier de Göant nachzu weisen, daß die Bewegung von der
Oberfläche nach dem Grunde abnimmt.
Aber das Maß der Bewegung hält keinen Vergleich aus mit dem
des fließenden Wassers. In den Alpen wie in Norwegen rücken die
Gletscher durchschnittlich in 24 Stunden nur 0,i bis höchstens 0,4 m vor.
Heim hat berechnet, daß ein Schneeteilchen etwa 450 Jahre braucht,
um vom Gipfel der Jungfrau bis zum Ende des Aletschgletschers
zu gelangen! Die gewaltigen Gletscher des Himalaja bewegen sich
allerdings viel rascher, im Sommer täglich 2 — 3,? m, doch übersteigt
in dieser Jahreszeit — wie wir sehen werden — auch die Ge-
schwindigkeit mancher alpinen Eisströme 1 m. Die lebhafteste
Bewegung herrscht im nordwestlichen Grönland; Geschwindigkeiten,
wie sie von Steenstbuf , Helland, Hammeh, v. Dbygalski u. a. an
den Ausläufern des Inlandeises nordwärts der Diskobai gemessen
wurden, übersteigen noch weit das himalajische Maß, wenn sie
auch noch immer nicht größer sind, als die Geschwindigkeit kleiner
Schnecken! Ein Fortschreiten von 10, 20 bis 32m in der Mittel-
linie für je 24 Stunden ist sonst noch nirgends im normalen Zu-
stande beobachtet worden. Hier wirkt die gewaltige Masse des
Binneneises als Treibkraft; im äußersten Süden, im Bezirke Juliane-
haab, wo das Inlandeis schon beträchtlich sich verschmälert, kon-
statierte Steensteuf eine alpine Langsamkeit der Ausläufer, und
dasselbe berichtet man von den selbständigen Gletschern der Rand-
zone. Unter außergewöhnlichen, noch gänzlich unaufgeklärten Be-
dingungen nehmen aber manche alpine Gletscher plötzlich eine uu-
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Gletscher.
157
heimliche und verderbliche Geschwindigkeit an, um dann wieder in ihre
gemächliche Gangart zurückzufallen. Der Vernagtgletecher in Tirol
und der Dewdarokgletscher im Kaukasus sind durch derartige Aus-
brüche bekannt. Der erstere rückte z. B. in der Zeit vom 19. Mai
bis 1. Juni 1845 täglich um 12,7m vor, am 1. Juni sogar um 1,9m
in der Stunde!
Auch darin unterscheidet sich der Gletscher vom Fluß, daß seine
Bewegungsfähigkeit einer strengen jahreszeitlichen Periode unter-
worfen ist. Diese Thatsache steht fest, wenn wir auch nur wenige
vollständige Jahresbeobachtungen haben. x
Auch von Jahr zu Jahr wechselt die Geschwindigkeit. Sie
betrug nach Seelands Beobachtungen auf der Pasterze, einem der
mächtigsten Eisströme der Ostalpen, von 1883 — 86 konstant 50,4 m
pro Jahr, fiel 1887 auf 41, i, 1888 sogar auf 30,6, stieg dann wieder
1889 — 90 auf 41,4 und 1891 auf 51, o, und sank 1892 auf 48,7 m.
Die mittlere tägliche Geschwindigkeit dieser zehnjährigen Periode
ist nur 0,mm.
Gletschertheorie. Die Thatsachen, die wir vorgeführt haben,
beweisen, daß der Gletscher nicht als Ganzes auf geneigtem Boden
herabgleitet, sondern daß er fließt, d. h. daß die kleinsten Massen-
teilchen ihre gegenseitige Lage fortwährend verändern. Das setzt bei
diesem anscheinend starren Körper einen hohen Grad von Plastizität
voraus, und man kann sich davon überzeugen, wenn man sieht,
wie er sich den wechselnden Formen seines Bettes anschmiegt
An der Westküste Grönlands reicht unter 62° 40' B. ein Ausläufer
des Binneneises in einen schmalen, nordöstlich streichenden See, den
er in T-Form ausfüllt. Von den Gletschern des Franz- Josef-Landes
berichtet Payeb, daß die durch Bergvorsprünge geteilten Arme am
Fuße der ersteren wieder zusammenfließen. Vielleicht den drasti-
x Als Beispiel mögen die Beobachtungen von Fokbes an der Mer de Glace dienen:
Jahr 1844-45
Mittlere tägl. Gesc
2. Okt. — 1. Nov.
0,747 m
2. Nov. — 3. Dez.
0,4«e „
4. Dez. — 6. Jan.
0,3»O „
7. Jan. — 17. Febr.
0,36T „
18. Febr. — 17. März
0,431 „
18. März — 16. April
0,430 „
17. April — 16. Mai
0,571 „
17. Mai — 18. Juni
0,960 „
19. Juni — 8. Juli
1,01» „
4. Juli — 5. Aug.
1,278, ,
6. Aug. — 7. Okt.
0,90« „
Jahresmittel 0,«is (Summe 251,« m)
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158
Die Lufthülle.
schesten Beweis liefert aber der kleine norwegische Gletscher von
Kaagan (70° B.), in dem Fokbes die Form einer herabrinnenden
Thräne so schön ausgebildet fand.
Auch darüber sind die meisten Forscher jetzt einig, daß das
leitende Motiv der Gletscherbewegung, ebenso wie des fließenden
Wassers, die Schwerkraft ist, nicht — wie man vielfach gemeint
hat — Kräfte, die im Eise selbst thätig sind. Nach Heims Auf-
fassung gehört das Gletschereis in die Kategorie der dickflüssigen
Körper, die auf Druck plastisch ausweichen und auf Zug zerreißen.
Den Druck übt hier die eigene Masse aus, den Zug die thalabwärts
gerichtete Komponente der Schwerkraft. Die Art der Plastizität
bedarf aber doch noch einer Erläuterung. Allerdings ist das Eis,
wenn seine Eigentemperatur in der Nähe des Schmelzpunktes liegt,
plastisch und kann sich ohne Bruch umformen, aber diese Eigen-
schaft reicht zur Erklärung nicht aus. Eine Bewegung, wie die des
Gletschers, ist mit Zerreißungen und Verschiebungen verbunden,
und der Eiskörper müßte sich endlich in ein Haufenwerk auflösen,
wenn nicht eine zweite Eigenschaft zu Hilfe käme, die der Rege-
lation. Sie besteht darin, daß tauende Eisstückchen an ihren Be-
rührungsstellen sofort wieder zusammenwachsen. Sie ist es, die alle
Wunden heilt, die die kleinen Brüche wie die großen Spalten ver-
schwinden läßt, die zwei Gletscher zu einem einzigen Strome verbindet
Struktur. Mit der Bewegung des Gletschers hängt auch dessen
Struktur zusammen. Das Gletschereis ist keine gleichförmige
Masse, es besteht viel-
mehr aus wechseln-
den, mehr oder we-
niger dicht gedräng-
ten Bändern oder
Streifen von w e i ß e m
Eis, das seine Farbe
den kleinen Luftbla-
sen verdankt, mit
denen es angefüllt
ist und von blauem
Eis, aus dem die
Luftblasen ausgetrie-
ben sind (Fig. 29).
Das erstere schmilzt wegen seiner größeren Porosität leichter und
bildet Vertiefungen, das letztere dagegen Erhöhungen. Überblickt
man den Eisstrom von einem erhabenen Standpunkte aus und bei
günstiger Beleuchtung, so scheinen die zahllosen kleinen Erhebungen
' f
Fig. 29. Ein Stück Gletschereis, (a die Tischplatte, auf
der das aus blauem und weißem Eis zusammengesetzte
Eisstück ruht.)
Gletscher.
159
zu Linien (Ogiven) zu verschmelzen, die quer über den Gletscher
hinlaufen, und in der Nähe des Firns kaum merkbar gekrümmt
sind, nach abwärts aber, entsprechend der schnelleren Bewegung der
Gletschermitte, immer spitzere Bogen beschreiben. Jeder Zufluß
bringt sein eigenes Ogi- r t n
vensystem mit sich, so A
daß nach der Vereinigung
mehrere solche Systeme
nebeneinander laufen, bis
sie endlich verschmelzen
oder bis die stärkere Ogi ve
die schwächere verdrängt
(Fig. 30).
Die gebänderte Struk-
tur tritt mit voller Klar-
heit an den Spaltenwän-
den zu Tage. Daß die
Bänder ganz verschieden
sind von den Firnschich-
ten, beweist eine Stelle
am Furkagletscher, die
Tvndall entdeckte. Hier ,
beobachtete er deutliche
horizontale Schichtung
des Eises, die offenbar
aus der Firnschichtung
hervorging, und in lot-
rechter Richtung verlau-
fend die blauen Adern. Diese Entdeckung bewog ihn hauptsächlich,
die Gletscherstruktur als eine Wirkung des Druckes zu erklären.
Es ist eine Thatsache, daß der Schmelzpunkt des Eises durch Druck
erniedrigt wird. Innerhalb des Gletschers übt jede nachfolgende
Partie auf die vorhergehende einen Druck aus, es treten Verflüssi-
gungen ein, die Luftblasen werden ausgetrieben, und das Wasser
erstarrt dann wieder zu luftfreiem Eis. Daher stehen die blauen
Bänder senkrecht auf der Druckrichtung und nimmt ihre Zahl und
Größe thalabwärts zu. Reicheren Aufschluß könnten die nordischen
Gletscher bieten, da hier die Bandstruktur besonders schön aus-
gebildet ist. So bemerkt man z. B. auf Spitzbergen an frischen
Querschnitten tiefblaue Adern bis zu 1 1/8 m Dicke und 2 — 4 m
Länge, die in verschiedenen Richtungen sich kreuzen, wobei jedoch
die horizontale vorherrscht
ß* gl | Schrcfbtrmgel
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Fig. 30. Rotmoosgletscher nach V. Sonklar.
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1 (iO Die Lufthülle.
Der Gletscher ist oben als dickflüssiger Körper bezeichnet worden,
der dem Zuge gegenüber sich spröde verhält; die Folge davon ist die
Spaltenbildung, der Ausdruck des Kampfes der Kohäsion mit
der Streckung, und daher stets senkrecht zur Spannungslinie. Vom
Bergschrunde an, jener Spalte, die die Schneemasse des Firn von
der des Gipfelkörpers trennt, bis zum Gletscherende ist der Fim-
und Eiskörper in allen Gegenden vielfach zerklüftet, wenn auch
im allgemeinen die nordischen Gletscher elastischer erscheinen, als
unsere alpinen. Querspalten werden durch die verschiedene Neigung
des Bettes hervorgerufen, vernarben aber wieder, wenn das Gefalle
sich vermindert. Eine eigentümliche Art der Querspalten sind die
ßandspalten (s. Fig. 28, r in Fig. 31), die einen Winkel von 30
bis ca. 45° mit den Seiten einschließen und
durch die schnellere Bewegung der Mitte er-
zeugt werden. Infolge dessen nimmt in Fig. 3 1
das Stück A nach einer gewissen Zeit die
Form Ä an, und das Quadrat a wird zu a'
verzerrt. Dadurch erfährt die Linie xy eine
Streckung (x' y\ der das Eis nicht folgen kann.
Es muß reißen und zwar senkrecht zur Linie
der größten Spannung (Spalte ss). Ist das
Bett gekrümmt, so .ist die Spaltung an der
konvexen Seite stets größer, als an der kon-
kaven. Längsspalten bilden sich, wenn der
Gletscher aus einem engen in ein weites Bett
tritt, denn dann wirkt die Spannung in der
Querrichtung des Gletschers.
Wenn im Sommer die an der Oberfläche
des Gletschers entstehenden Bäche in eine
Spalte hinabstürzen (sog. Gletschermühlen),
so höhlen sie mit der Zeit tiefe und beinahe
zylindrische Löcher im Eise aus, die manchmal bis auf den Grund
reichen. Gelangen Steine in ein solches Loch, so werden sie von den
Sturzbächen in kreisende Bewegung gesetzt und können unter gün-
stigen Verhältnissen in dem Boden Vertiefungen, sog. Riesentöpfe
ausschleifen. Bekndt fand zwei solche von 0,8 und 1,* m Durchmesser
im verlassenen Bette des Rosenlauigletschers. Allerdings wandert die
Gletschermühle mit der Spalte abwärts, aber an gewissen Stellen
erzeugt die Unebenheit des Bodens immer wieder Spalten, und die
Ausarbeitung des Riesentopfes, die die eine Kaskade begonnen, setzt
einige Tage nachher eine andere fort. Die schönsten Riesentöpfe,
aus der Eiszeit stammend, sieht man im Gletschergarten in Luzern.
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Gletscher.
161
Moränen. Eine andere, mit der Gletscherbewegung zusammen-
hängende Erscheinung sind die Moränen. Die Oberflächen-
moränen werden durch die größeren und kleineren Gesteinsstücke
gebildet, die von den Felsen sich losbröckeln und auf den Gletscher
herabfallen. Wallartig häufen sie sich an den beiden Seiten des
Eisstromes an. Fließen zwei Gletscher zusammen, so vereinigen
sich ihre inneren Seitenmoränen zu einer Mittelmoräne,
und die Anzahl der letzteren giebt uns somit Aufschluß über die
Zahl der Zuflüsse (Fig. 31 und 32). Erniedrigt sich die Oberfläche
Fig. 32. Moränen und Gletschertische.
des Gletschers durch Abschmelzung, so können die Seitenmoränen
ganz oder zum Teil auf Felsgrund zu liegen kommen und werden
damit dem Transporte entzogen. In diesem Stadium bezeichnet man
sie als Ufermoränen.
Nicht alle Gletscher haben ausgebildete Oberflächenmoränen,
wenn diese auch den Thalgletschern unserer Breiten nie ganz fehlen.
Dagegen sind sie — wie wir später eingehender besprechen werden
— in den polaren Gegenden selten. Keinem Gletscher fehlt aber
die Grundmoräne. Dringt man durch die Höhle, aus der der
Gletscherbach kommt, unter die Eismasse ein, so findet man, daß
diese nicht unmittelbar auf dem Felsboden aufruht, sondern von
Sufax , Physische Erdkunde. 2. Aufl. 1 1
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162
Die Lufthülle.
demselben durch eine Lage von Sand, Grus und Schlamm mit ein-
gebetteten Gesteinsblöcken von verschiedener Größe getrennt ist.
Die letzteren sind mehr oder weniger gerundet, ihre Oberfläche ist
geglättet und — wenn das Gestein nicht besonders hart ist — mit
Schrammen und Kritzen bedeckt. In gleicher Weise findet man,
wenn man die Grundmoräne entfernt, den Felsboden poliert und mit
geradlinigen Kritzen in der Richtung der Gletscherbewegung bedeckt.
Dasselbe Phänomen beobachtet man auch an den Seitenwänden des
Eisstromes; ihre ursprünglichen Unebenheiten sind abgerundet und
ihre Oberfläche ist blank gescheuert und geschrammt Durch diese
Thatsachen sieht sich Heim genötigt, neben der fließenden Gletscher-
bewegung auch eine gleitende anzunehmen, die aber gegenüber der
ersteren nur eine untergeordnete Rolle spielt
Aber selbst solche, die dem Gletscher die Kraft zuschreiben,
Seebecken auszuschaufeln, sprechen ihm ausdrücklich die Fähigkeit
ab, selbst abschleifend zu wirken. Dieses Geschäft besorgen viel-
mehr nach einer weitverbreiteten Ansicht teils jene Gesteinstrümmer,
die zwischen der Thalwand und dem Gletscherrande auf den Grund
gelangen, teils Stücke der Oberflächenmoräne, die durch Spalten immer
tiefer und tiefer sinken und endlich den Grund erreichen. Man denkt
sich mit anderen Worten die Seiten- und die Unterfläche des Glet-
schers mit eingebackenen Gesteinsblöcken wie mit Zähnen besetzt,
und diese polieren und kritzen die Felsen und werden dabei selbst
zermalmt. Das Endprodukt dieses Prozesses ist eine schlammig-
sandige Masse, die zum Teil die Grundmoräne bildet, zum Teil durch
den Gletscherbach („Gletschermilch“ wegen seiner trüben Farbe)
herausbefördert wird.
Wir werden später sehen, daß diese Theorie zur Erklärung der
Grundmoränen der polaren Gletscher nicht ganz ausreicht.
Während der Gletscher die Oberflächenmoräne auf seinem
Rücken thalabwärts trägt, schiebt er unter sich auch die Grund-
moräne vorwärts. An seinem Ausgange lagert er beide als End-
moräne ab, die bald als ein schmaler niedriger Stein wall, bald
als eine weite Schlamm- und Kiesfläche uns entgegentritt, in der
mächtige Felstrümmer zwischen kleinen unregelmäßigen Schutthügeln
zerstreut liegen. Mit dem transportierten Material vermischt sich
manchmal der vom Gletscher zusammengeschobene lockere Boden
des Vorlandes.
Abschmelzung. Außer der Bewegung ruft auch die Abschmel-
zung Veränderungen im Eiskörper hervor, und zwar Abschmelzung
von oben durch die Sonnenstrahlen, warme Winde und Regen und
von unten wahrscheinlich durch die Erdwärme. Oberflächliche
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Gletscher.
163
Massenanhäufungen schützen Teile des Gletschers vor diesem Zer-
störungsprozesse. Die Mittelmoräne befindet sich auf einem Eiswulste;
einzelne größere Steinblöcke scheinen gleichsam aus dem Eise her-
vorzuwachsen. So entstehen die bekannten, stets nach der Mittagsseite
geneigten Gletschertische (Fig. 32). denen freilich auch nur eine
vergängliche Existenz beschieden ist Die Sandkegel, die oft eine
Höhe von mehreren Metern erreichen, ruhen ebenfalls auf geschützten
Eiserhöhungen. Dagegen sind dünne Sand- und Schlammlagen, wie
sie von den Abhängen herabgeschwemmt oder durch den Wind her-
beigeführt werden, nicht nur kein Schutzmittel, sondern geradezu
Beförderer der Abschmelzung. Sie sammeln sich als sogenannte
Schmutzbänder in den Ogiven und in den Vertiefungen, welche
die zusammengewachsenen Querspalten unterhalb eines Gletscher-
falls bezeichnen, und verharren in ihrer Lage, indem sie sich immer
tiefer in das Eis hineinfressen. Allgemein herrscht in den Alpen-
ländern die Überzeugung, daß der Gletscher fremde Körper aus-
stoße; und dies ist auch insofern richtig, als jeder Körper, der in
eine Spalte fällt, an einem thalabwärts gelegenen Punkte infolge
der Abschmelzung wieder an die Oberfläche kommt. Auf diese
Weise können sich auch Teile der Grundmoräne den Oberflächen-
moränen beigesellen.
Die Abschmelzung nimmt mit der Temperatur thalabwärts zu.
Wo sie durch die Zufuhr von oben nicht mehr ersetzt wird, dort
muß der Gletscher enden. Ist die Zufuhr bedeutend, so rückt der
Gletscher immer weiter vor; übersteigt der Betrag der Abschmelzung
schon weiter oben den der Zufuhr, so wird das Gletscherende immer
weiter thalaufwärts
verlegt : der Eisstrom
zieht sich zurück, er
schrumpft ein.
ln diesem Zu-
stande befinden sich
seit dem Beginne der
fünfziger Jahre die
Gletscher der Alpen,
Pyrenäen, des Kauka-
sus,Norwegens, über-
haupt alle Gletscher,
von denen genauere
geschichtliche Nach-
richten vorliegen. Über die Alpen sind wir am besten unterrichtet;
hier sind die Gletscher unter strenge Aufsicht gestellt; der Khöne-
11*
Fig. 33. Rückgang des Rbönegletschers (nach A. Heim).
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164
Die Lufthülle.
gletscher wird seit 1874 regelmäßig vermessen. Den älteren Stand
zeigen die Moränen an; wirersehen aus Fig. 33, wie beträchtlich der
Gletscher seit 1856 zurückgegangen, und eine wie große Fläche nun
eisfrei geworden ist. Es ist aber weder die Längen-, noch die
Arealabnahme entscheidend für das Maß des Rückganges, sondern
nur der Volumverlust, und dieser nimmt absolut mit der Größe
des Gletschers zu; doch scheinen auch relativ die großen Gletscher
mehr Einbuße erlitten zu haben, als die kleinen. *
Die Periode allgemeinen Gletscherrückganges nähert sich be-
reits ihrem Ende und auch aus der früheren Zeit wissen wir, daß
Vorstoß- und Rückzugsperioden miteinander wechselten. Der Witte-
rungscharakter des einzelnen Jahres ist darauf ohne Einfluß; es
findet ebenso oft in kalten und nassen Jahren ein Rückzug, wie in
warmen und trockenen Jahren ein Vorstoß statt.
Nach Fobel6 hängt die Länge des Gletschers von seiner Ge-
schwindigkeit ab, und diese wieder von der Mächtigkeit des Eises.
Je dicker es ist, desto schneller fließt es. Wir haben also nach
den Ursachen der wechselnden Mächtigkeit des Gletscherkörpers zu
fragen, und diese sind offenbar die Abschmelzung und die Speisung
durch den Firn. Die erstere wird zwar durch die Mitteltemperatur
des Sommers bedingt, aber diese wirkt nicht sogleich auf die Dicke
des ganzen Eisstromes ein. Ist sie nur vorübergehend sehr groß
oder sehr gering, so wird sie auf die Lage des Gletscherendes am
Schlüsse des betreffenden Sommers wenig Einfluß haben; vielmehr
entscheidet darüber unter sonst gleichen Verhältnissen der durch-
schnittliche Gesamtcharakter einer größeren Reihe früherer Sommer.
In zweiter Linie kommt die Niederschlagsmenge in Betracht,
denn von ihr hängt die Mächtigkeit des Firns und damit der Be-
trag der Zufuhr ab. Fobel zeigte, daß diese Ursache von oben
nach unten ihre Wirkung steigert. Nur mit etwas geminderter
Mächtigkeit gelangt z. B. das Fimeis bis zu einem gewissen Punkte
x Einer Zusammenstellung von Finsterwai.der und Schünck® entnehmen
wir folgende ostalpine Fälle mit Angabe des Rückgangs in allen Dimensionen
seit dem Maximalstande bis zum Beobachtungsjahr:
Fische
LAngcnabnahme
Arealverlust
Volumrerluat
ha
m
ha
M01. cbm
Gliederferner ( — 1887)
893
806
47
29
Hornkees ( — 1884)
497
350
ca. 17
34
Alpeinerferner ( — 1886)
720
200—650
46
40
Suldenerferner ( — 1886)
9S3
1350
68
50
Obersulzbachferner ( — 1880)
1570
500
46
65
Gepatschferner ( — 1887)
2200
460
72
129
Pasterzc ( — 1882)
3015
unter 100
gering
218
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Die geographische Verteilung der Gletscher.
1G5
des oberen Gletscherthaies. Die Folge davon ist Abnahme der Ge-
schwindigkeit und Zunahme der Abschmelzung. Schon stärker ver-
mindert fließt die betreffende Eispartie weiter tlialabwärts und zwar
mit noch geringerer Geschwindigkeit und daher noch mehr dem
Abschmelzungsprozesse preisgegeben. In einer gewissen Anzahl von
Jahren kann diese eine Ursache die ganze Länge des Gletschers
durchwandert haben und dann erst auf die Lage des Gletscher-
endes bestimmend einwirken. Nicht die Niederschlagsmenge des
betreffenden Jahres ist also dafiir maßgebend, ob der Eisstrom
vorrückt oder zurückgeht, sondern das Mittel der Schneemassen,
die in den letzten Jahrzehnten gefallen sind. Wir werden darauf
noch später zurückkommen.
Auffällig ist das ungleiche Verhalten selbst benachbarter Glet-
scher, aber Forel, der seit einer Reihe von Jahren regelmäßige
Beobachtungen über die Veränderungen der Alpengletscher sammelt,
gelang es auch diesen Widerspruch zu lösen.7 Je größer der Gletscher
und je geringer seine Neigung, desto beständiger ist er. Die
kleinen und stark geneigten passen sich zuerst den veränderten
klimatischen Bedingungen an. Schon 1875 zeigte im Montblanc-
Massiv der Glacier des Bossons den Beginn der Vorstoßperiode an,
aber 15 Jahre dauerte es, bis alle Gletscher dieses Gebirges von
der neuen Bewegung ergriffen wurden, und zuletzt der größte der-
selben, der Glacier des Bois.
Litteraturnach weise. 1 Hauptwerk Heims Gletscherkunde, eit. S. 149.
Ferner Richter, Ostalpen, eit. S. 149. — * Russell, The Malaspina Glacier, im
Journal of Geology, Chicago 1893. — 3 Hagenbach-Bischoff, Weiteres über
Gletschereis, in den Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel,
1889. — * Brackebuscu, Die Penitentesfclder, im Globus, 1893, Bd. LXIII. —
6 Finsterwalder u. Schunck, Der Gepatschfemer, in der Zeitschrift d. D. u. O.
Alpenvereins, 1888. — 3 Forel, Essai sur les variationes periodiques des glaciers,
in d. Archives des Sciences physiques et naturelles, Genf 1881. — s Forel im
Jahrbuch des Schweizer Alpenklub, 1893—94, S. 243.
Die geographische Verteilung der Gletscher.
(Siehe Karte XIII.)
Die Tropen. Die beiliegende Karte zeigt, daß die Gletscher
vorzugsweise ein polares Phänomen sind. Penck schätzt die vereisten
Gebiete der Nordhemisphäre auf 2*/4 und die der südlichen Halb-
kugel auf etwa 14 Mill. qkm, die Existenz eines antarktischen Kon-
tinentes vorausgesetzt. Aber die Gletscher sind an keine Zonen ge-
bunden; man kann nur sagen, daß ihre orographischen Ansprüche
um so größer werden, je höher die klimatische Schneegrenze sich
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166
Die Lufthülle.
erhebt. Auch in den Tropen fehlen sie nicht; da aber hier nur
einzelne Yulkanriesen in die Region des ewigen Schnees hineinragen,
so ist das Gletscherphänomen meist nur in der Form der Firn-
gletscher entwickelt. Der Kibo, der 6000 m hohe Westgipfel des
Kilimandscharo (3° s. B.) hüllt sich nach Hans Meyers1 Schil-
derung in einen Eismantel, der auf der Nordostfianke nur bis 5750,
auf der Südwestseite aber bis 3800 m herabreicht. Hoch- und Firn-
schnee vereinigen sich zu einem einzigen Gürtel. Nur dort, wo
tiefere Mulden sich einsenken, entwickeln sich kleine Gletscherzungen
nach Art der alpinen Hängegletscher, ein längerer nur im Südwesten,
der aus der großen Kraterspalte herauszukommen scheint. Einer
ähnlichen Ausbildungsweise begegnen wir im tropischen Amerika.2
Die Forschungen von Reiss, Stübel, Whymper u. a. haben uns auch
hier eine verhältnismäßig reiche Schneewelt enthüllt, aber meist sind
es nur Eismäntel, die sich den höchsten Vulkankegeln anschmiegen,
zum Teil geschützt durch eine Aschendecke, dann kleine Hänge-
gletscher, und nur unter besonders günstigen orographischen Ver-
hältnissen Eisströme von alpinem Typus, wie am nicht vulkanischen
Sara urcu in Ecuador, wo sie bis 4200 m Seehöhe herabsteigen.
Gemäßigte Zonen. In den gemäßigten Zonen sind schon viele
Kammgebirge mit ewigem Schneebedeckt, und der alpineGletscher-
typus gelangt dadurch zu einer fast ausschließlichen Herrschaft.
Dies gilt wenigstens für die Hochländer bis in die Nähe des 60. Pa-
rallels; darüber hinaus entwickeln sich schon Übergangsformen, von
denen später die Rede sein soll. Der Alpengürtel, der die alte Welt
durchzieht, ist in allen seinen höheren Teilen eine Stätte hervor-
ragender Gletscherbildungen. Auf der iberischen Halbinsel finden
wir allerdings erst rudimentäre Anläufe. Selbst die Pyrenäen
beherbergen meist nur Hängegletscher und vorwiegend nur auf der
Nordseite; der Maladettagletscher endet hier schon in 2300 m Höhe.
Ein kleines Eisfeld soll auch die Sierra de Gredos besitzen. Der
südlichste Eisstrom unseres Erdteiles ist der Corralgletscher am Nord-
abhange der Sierra Nevada in 2800 — 2900 m Höhe. Unser herr-
lichstes Schneegebirge sind, von Skandinavien abgesehen, die Alpen,
ln der Schweiz sind 1839, in den Ostalpen3 1462 qkm vergletschert;
die kristallinische Zone, als das höchste und kompakteste Gebirge,
ist die eigentliche Heimat der Eiswelt, x und hier vor allem die
Montblanc-Gruppe, das Berner Oberland, die Penninischen und Ötz-
thaler Alpen. Dreizehn Gletscherzungen sind über 10 km lang;
* In den Ostalpen haben die Centralalpen nach Richte« 141 807 ha, die
nördlichen Kalkalpen 2693, die südlichen 1687 ha Gietachcrareal.
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Die geographische Verteilung der Gletscher.
167
weitaus alle übertrifft der Aletschgletscher mit 16,6 (samt Firn 24) km
Länge; er bedeckt in seiner Gesamtheit 129 qkm, d. h. mehr als
das Doppelte der Fläche von San Marino. Sein Nachbar auf der
anderen Seite des Fiescher Grates, der untere Grindelwaldgletscher,
hat den Ruhm, unter allen alpinen Eisströmen am tiefsten in die
Kulturregion herabzusteigen; er endet jetzt in der Nähe des Dorfes
Grindelwald in 1080 m Seehöhe, 1818 reichte er noch bis zur Höhen-
linie von 983 m. Sonst liegt das Ende der großen alpinen Thal-
gletscher durchschnittlich schon in 1900 m Höhe.
Das nächste Gletschergebirge ist der Kaukasus,4 vor allem
der zentrale Teil desselben. Er kann sich vielleicht mit den Alpen
messen; jedenfalls ist seine Eisbedeckung bis auf die neueste Zeit
Fig. 34. Die Gletscher des Karakorum-Gebirges.
N = Nagar, H — Hispar, H.P. — Hisparpaß, K — Korofan, K* = Dapsang, 8620 m hoch.
unterschätzt worden. Der Karagamgletscher in der Adai-Choch-
Gruppe ist 16 — 19 km lang und steigt bis 1740 m Seehöhe herab.
Am gewaltigsten entwickelt sich das Gletscherphänomen in den hohen
Randgebirgen Zentralasiens, im Himalaja, Karakorum, Hindukusch,
Tian-schan, und schon bedeutend schwächer im Altai. Im Himalaja
enden die meisten Thalgletscher in 3400 — 4200 m, der des Nanga
Parbat in Kaschmir sogar erst in 2900 m Höhe. Noch gletscher-
reicher ist der Karakorum, wo die Eisströme nicht nur den Hinter-
grund der Querthäler einnehmen, sondern auch in die Längsthäler
herabsteigen und indenseiben sogar flache Wasserscheiden überfluten.
Das merkwürdigste Beispiel hat uns Conways Expedition i. J. 1892
genauer kennen gelehrt (Fig. 34).® Wenn wir von Nagar in einem
Seitenthale des Gilgit aufwärts gehen, so erreichen wir bei Hispar
in 3145 m Seehöhe das Ende des gleichnamigen Gletschers (60 km
lang), der am Hisparpasse (5380 m hoch) ohne Unterbrechung in den
Digitized
168
Die Lufthülle.
nach der entgegengesetzten Seite abfließenden Biafogletscher(51 km lang)
übergeht Dieser endet bei Korofan in 3000 m Seehöbe. Die Gesamt-
länge dieses gewaltigen Doppelgletschers ent spricht dem Rhönethale vom
Rhönegletscher bis Martigny. Das Hauptfirngebiet des Biafogletschers
bezeichnet Conway wegen seiner anscheinend völligen Flachheit als
„Firn-See“ (Schneesee in Fig. 34); er bedeckt ein Areal von ca. 300 qkm,
auf dem das Fürstentum Reuß ä. L. oder das Gebiet der Hansastadt
Lübeck bequem Platz hätten. Die tibetanischen Gebirge sind, mit
Ausnahme des zentralen Kuenlun, zu trocken, um große Eisströme
zu erzeugen. Am pazifischen Rande Asiens sind die orographischen
Verhältnisse der Gletscherbildung nirgends günstig; wie es scheint,
selbst in Kamtschatka nicht, wo doch gewaltige Vulkankegel sich
erheben. Kleine Firnfelder wurden vom nördlichen Korea und vom
Ostabhange des japanischen Berges Tateyama (36° 35' N., 2900 m
hoch) gemeldet. Wir müssen uns auf die amerikanische Seite be-
geben, um wieder echte Gletschergebirge zu finden. Die pazifische
Küstenkette wird von Alaska bis zur Südgrenze von Britiscli-Colum-
bia durch reichliche Niederschläge benetzt, die die Schneegrenze
stark herabdriicken. Noch im Takufjord in 58 0 B. gehen die Eis-
ströme bis ans Meer herab, und unter 55 0 B., also in der Polhöhe
des südschottischen Gebirges, endet einer erst bei 400 m Seehöhe.
Ein Hauptzentrum sind die St. Elias- Alpen an der Ostgrenze Alaskas ;
des Malaspina-Gletschers haben wir schon auf S. 151 gedacht.
Würdig reiht sich ihm der Muirgletscher an, den Reid° in den letzten
Jahren eingehend studiert hat. Er bedeckt ein Areal von 900 qkm,
das siebenfache der Aletschfläche, und tritt mit einer Gesamtmächtig-
keit von 280 m in das Meer hinaus. Dieser gewaltigen Masse ent-
spricht auch eine, weit über alpine Verhältnisse hinausgreifende Ge-
schwindigkeit von 2,19 m pro Tag in der Mittellinie. In den Ver-
einigten Staaten sind die dem pazifischen Gestade zunächst liegenden
höheren Gebirge das Kaskaden-Gebirge und die Sierra Nevada. Auch
über die Eiswelt dieser Höhenzone haben uns erst die Forschungen
der letzten Zeit Aufklärung verschafft.7 Die mächtigen Vulkanberge
des Kaskadenzuges tragen echte Gletscher, der Mt. Shasta (in 41 0 B.,
4423 m hoch) z. B. fünf zwischen 2,7 und 0,s qkm Flächeninhalt, von
denen der Witungletscher erst in 2400 m Seehöhe endet. Selbst die
schon ziemlich trockene Sierra Nevada beherbergt zwischen 36y2
und 38° B. nicht weniger als 17 Gletscher, freilich alle sehr klein
und unentwickelt, und nur bis ca. 3500 m herabreichend. Nach
Osten nehmen Niederschläge und Eisentwicklung rasch ab. Jeff
Davis Peak im Großen Becken hat nur einen kleinen Firnfieck in
besonders günstiger Lage, und auch das Felsengebirge scheint inner-
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Die geographische Verteilung der Gletscher. 1 69
halb der Vereinigten Staaten in der Gegenwart nur wenig bedeu-
tende Hängegletscber zu erzeugen. Erst auf canadischem Boden,
in den Quellgebieten des Saskatchewan und Athabaska treten echte
Thalgletscher von alpinen Dimensionen auf, und auch die inneren
Parallelketten , das Selkirk- und Goldgebirge , entbehren dieses
Schmuckes nicht.
Das niederschlagsreiche Seeklima der südlichen Hemisphäre ist
der Gletscherentwicklung besonders günstig, ln den Breiten von
Triest bis Hamburg steigen von den kaum 2600 m hohen An des
Eisströme bis zum Meeresspiegel herab, an den Abhängen begleitet
von Hochwäldern der antarktischen Buche und Birke. Kolibri und
Papageien, die wir als tropische Vögel zu betrachten gewohnt sind,
bewohnen hier Gletscherlandschaften. An der Westseite der neu-
seeländischen Alpen enden der Franz-Josef- und Prinz-Alfred-
Gletscher in der Breite von Florenz erst in 215 (bezw. 214) m Höhe,
wo die mittlere Jahrestemperatur (10°) der von Wien gleicht, und
eine üppige Tieflandvegetation von Nadelhölzern, Buchen, Baum-
farnen und Fuchsiabüschen gedeiht. An der trockeneren Ostseite
liegt das Gletscherende durchschnittlich in 1200 m Höhe, also auch
hier noch immer 700 m tiefer als in unseren Alpen. Auf den
Kerguelen-Inseln in der Breite von Nürnberg und Prag senkt
sich der Zevegletscher bis ca. 210, der Lindenberggletscher bis
ca. 75 und der Naumanngletscher bis ca. 60 m Seehöhe herab.
Polare Zonen. Wie in der heißen Zone der Firngletscher, in
der gemäßigten der alpine Gletscher, so herrscht auf der polaren
Kalotte das Inlandeis vor. Trotzdem sind diese verschiedenen
Formen zunächst orographisch bedingt, und nur daß die Schnee-
grenze gegen die Pole sich senkt, hat zur Folge, daß zuerst nur die
höchst ragenden Gipfel, dann auch die Kämme der Hochgebirge,
endlich auch niedriger gelegene Plateaus Eis erzeugen. Unter
günstigen Umständen fehlt auch der alpine Typus im Polarlande
nicht, wie z. B. auf Spitzbergen, ebensowenig wie die Form des
Inlandeises, allerdings in sehr bescheidenen Dimensionen, den mitt-
leren Breiten (z. B. auf dem Ewigen Schneeberg in den Salzburger
Alpen). Schärfer ausgeprägt finden wir ihn allerdings erst im skan-
dinavischen Hochlande von 60 0 B. au. Das mächtigste Gletscher-
gebiet ist hier der Jostedalsbrä von 6 1 */3 bis gegen 62° B. hin.
Am Nordabhange des Sognefjords erhebt sich dieser flachgewölbte
Bergrücken, ein Fjeld, wie man es hier nennt; an den Rändern, wo
die Thäler einzuschneiden beginnen, 1400 — 1800, in der Mitte 2038 m
hoch. Den ganzen Rücken bedeckt ein ununterbrochenes Firnfeld,
erst an den Rändern sehen einige steile Gipfel aus demselben hervor;
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170
Die Lufthülle.
900 qkm, eine Fläche so groß wie eines der Schwarzburgischen
Fürstentümer in Thüringen, liegt hier unter Schnee begraben. Nach
allen Seiten steigen Eiszungen herab; man zählt allein 24 Gletscher
erster Ordnung. Sie enden in 300 — 600m Seehöhe, der Boium-
gletscher reicht aber bis 150 m, der Suphellagletscher sogar bis
50 m Seehöhe herab.
Die denkwürdige Reise Nansens8 im Jahre 1888 hat uns die
Geheimnisse der grönländischen Eiswelt, der umfangreichsten
unserer Halbkugel, enthüllt. Da finden wir das Inlandeis in seiner
typischesten Ausbildung. Nur die Ränder sind eisfrei, oder eigent-
lich nur der Westrand, denn im Osten tritt das große Binneneis,
das Sermerssuak der Eskimos, vielfach bis an den Küstenrand heran
und bricht hier in Steilmauern ab. Nach Westen sendet es große
Eisströme bis ins Meer hinaus; von ihrer außerordentlichen Ge-
schwindigkeit haben wir bereits an anderer Stelle gesprochen. In
der Polhöhe der NANSENschen Durchquerung ist diese eisfreie Zone
etwa 100 km breit. Auf das Sermerssuak entfallen 445 km, davon
50 auf die westliche, 15 auf die östliche Randzone, 380 auf das
innere Schneeplateau in Höhen von mehr als 1000 m; Nansen über-
schritt die Scheide zwischen beiden Abdachungen in 2716 m Höhe.
Das Eismeer wölbt sich also flach von einer Küste zur anderen,
und wie man vermuten darf, auch von Süden nach Norden. Sein
Ende hat Peary in ca. 82° N. erreicht.
In den beiden Randzonen ist der Schnee grobkörnig, nach
innen zu wird er immer feiner, endlich so „fein wie Staub“. Bei
Tage taut nur die Oberflächenschicht etwas auf, um bei Nacht wieder
zu einer dünnen Eiskruste zu gefrieren; kein Bächlein entsteht, nichts
geht durch Abschmelzung verloren, alles wird durch den Nachtfrost
wieder festgehalten. Die Trockenheit des Schnees verhindert in
Höhen von mehr als 2300 m sein Zusammenballen, er kann daher
erst in sehr großer Tiefe in Eis übergehen. Dieser innerste Teil
war auf einer Strecke von ca. 1 50 km so glatt wie ein Spiegel, ohne
andere Unebenheiten, als die Spuren, die die Reisenden zurückließen;
eine unübersehbare Schneefläche ohne Staub, ohne Schmutz, ohne
irgend einen fremden Körper. Mit einem Wort: der innere Teil
des Sermerssuak entspricht dem alpinen Hochschnee, die Rand-
zonen dagegen den alpinen Firnmulden. Nicht bloß der Schnee ist
hier timartig, es treten auch schon Spalten auf, die auf lebhaftere
Bewegung hinweisen; einzelne Berggipfel, hier Nunatakken genannt,
ragen inselartig aus dem Schnee hervor (s. Fig. 35). Was das Inlandeis
von dem alpinen Gletscher unterscheidet, ist die ungeheuere Aus-
dehnung der Hochschneeregion im Vergleiche zur Firn- und eigent-
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Die geographische Verteilung der Gletscher.
171
liehen Gletscherzone, d. h. derjenigen Zone, wo individualisierte
Eisströme in das eisfreie Land Vordringen. Diese sind zwar ungleich
länger, breiter und mächtiger, als die alpinen Thalgletscher, aber
doch nur zwergartige Anhängsel im Vergleiche zu den Dimensionen
des Inlandeises, das mit seinem Flächeninhalte von ca. 2 MUL qkm
ganz Mittel- und Westeuropa iiberHuten würde. An und für sich
sind die grönländischen Gletscherzungen, wie gesagt, gewaltige Ge-
bilde; der größte derselben, der Humboldt-Gletscher, hat eine Länge
von 110 km und endet mit einer 100 m hohen Eiswand.
Was das Inlandeis ferner noch vom alpinen Typus unterscheidet,
ist der Mangel an Oberflächenmoränen, die höchstens in den Rand-
gebieten, aber auch da nur selten, von den Nunatakken erzeugt
Fig. 35. Grönländisches Inlandeis nach Jbnsen.
werden können. Dagegen fehlt die Grundmoräne nicht, ein deut-
licher Beweis, daß fließendes Eis seine Unterlage zu erodieren
vermag.
Die Form des Inlandeises verbreitet sich über alle größeren Inseln,
die in der atlantischen Öffnung des arktischen Kalotte liegen, über
Island (Gletscherareal nach Tuoboddsen 13 400 qkm), Spitzbergen,
Franz- Josef-Land; dagegen ist westlich von Grönland, wo kein
warmer Golfstrom reichlichere Niederschläge erzeugt, das Gletscher-
phänomen sehr dürftig entwickelt.
Eisberge. Wenn ein polarer Gletscher in tieferes Meer hiuaus-
tritt, so erfolgt an der Stelle, wo das Eis leichter wird, als das von
ihm verdrängte Wasser, ein Bruch von unten nach oben, und die
abgerissenen Gletscherstücke setzen nun als Eisberge ihren Weg
im Meere fort, häufig auch Erde und Felsblöcke — Bruchstücke
der Moränen — mit sich führend. Zahlreiche Luftblasen verringern
ihr spezifisches Gewicht, so daß meist noch 1/7 der ganzen Masse
aus dem Meere hervortaucht Es kann dabei leicht geschehen, daß
sie vollständig umkippen, und dann statt der ursprünglichen wild
zerklüfteten Gletscheroberfläche die mehr oder weniger ebene Sohle
nach oben kehren. Durch die polaren Meeresströme nach Süden
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172
Die Lufthülle.
entführt, werden diese großen Klötze mit meist senkrechten Wänden
von der Sommersonne zu phantastischen Gestalten umgeformt, bis
sie endlich, in Trümmer zerfallen, mit dem Meereise verschmelzen,
oder im offenen Ozean vergehen.
Grönland und Franz- Josef-Land sind die Hauptgeburtsstätten
der großen arktischen Eisberge, deren Masse in einzelnen Fällen
zu 21 Mill. cbm bestimmt wurde. Dagegen fehlen sie an der ganzen
West- und Nordküste von Nowaja Semlja, wie an der Südspitze von
Spitzbergen, weil hier das Meer an den Küsten zu seicht ist, und
nur kleine Stücke von den Gletschern abbröckelt.
Weitaus häufiger und größer, auch anders gestaltet, als im
Nordpolarmeere, sind die Eisberge in der antarktischen See. Die
Naturforscher der „Challenger “-Expedition schildern sie als ge-
waltige Tafeln von 400 — 1000 m Durchmesser und 60 m Höhe.9
Die ebene, horizontale oder geneigte Oberfläche ist von zahlreichen
Spalten durchschnitten, die senkrechten Seitenwände zeigen wech-
selnde Lagen von blauem und weißem Eise in deutlichster Schichtung.
Nach unten werden die Schichten dünner und sind horizontal, die
oberen, die keinen Druck erlitten haben, sind leicht gebogen. Sind
diese Tafelberge Meer- oder Gletschereis? Helm hat sich für das
erstere entschieden, und auch Nansen ist der Ansicht, daß über-
einander getürmte Treibeisschollen Eisberge formen können. Wir
können uns aber nicht davon überzeugen, daß jene geschichtete,
etwa 60 m hohe Eismauer, an der Ross mehrere hundert Kilometer
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Das Klima.
173
weit entlang fuhr, ohne ihr Ende zu erreichen, etwas anderes
gewesen sein könnte, als die Bruchfläche eines kolossalen Gletschers.
Litteraturnachweise. 1 Hans Meter, Ostafrikanische Gletscherfahrten,
Leipzig 1890. — * Schwarze, Verbreitung der Gletscher in den Westgebirgen
Amerikas, im „Ausland“ 1891. — * E. Richter, Ostalpen, cit. S. 149. — * Fresh-
field, The Peakes, Passes and Glaciere of the Caucasus, in den Proceedings
of the R. Geographical Society, London 1888. — 5 Conway, Climbing and Ex-
ploration in the Karakorum Himalayas, London 1894. Die Karte wurde 1894
von der R. Geographical Society in London herausgegeben. Unsere Fig. 34
ist nach einem Kärtchen im Alpine Journal entworfen. — * Reid, Studies of
Muir Glacier, im National Geographical Magazine, Washington 1892. — 7 Russell,
The existing Glaciers of the United States im 5. Jahresbericht des Geological
Survey of the U. S., Washington 1885. — s Mohn u. Nansen cit. S. 77. —
* I. Bd. des Challenger-Report: Narrative of the Cruise, London 1885.
Das Klima.
Klünaprovinzen (s. Karte XIV). Unter Klima eines Ortes ver-
stehen wir den mittleren Zustand der Atmosphäre, wie er uns durch
langjährige meteorologische Durchschnittswerte repräsentiert wird. Als
die Hauptfaktoren haben sich Wärme und Niederschlag erwiesen, in-
direkt auch die Winde und die orographischen Verhältnisse, da sie
die Verteilung der beiden ersteren Elemente wesentlich mitbedingen.
Es ist nun die Aufgabe der physischen Geographie, das Zusammenspiel
dieser vier Faktoren in den einzelnen Lokalitäten zu untersuchen,
gemeinsames zusammenzufassen, und nach dem vorherrschenden
Witterungstypus Klimaprovinzen aufzustellen. In jeder dieser
großen Abteilungen lassen sich noch eine Reihe von Klimabezirken,
oder wie man sie sonst nennen will, unterscheiden, und in manchen
Gegenden wird das Beobachtungsmaterial noch eine weitere Unter-
einteilung gestatten. Es liegt in der Natur der Sache, daß über die
Zahl und Grenzen der Haupt- und Unterabteilungen wohl niemals
eine, alle Zweifel ausschließende Übereinstimmung erzielt werden
dürfte; und auch Karte XIV, die sich nur auf die Darstellung
der Provinzen beschränkt, ist lediglich als ein Versuch aufzufassen.1
Von den 34 Klimaprovinzen — unter diese Zahl dürfte keine
Einteilung herabgehen — entfallen 21 auf die östliche Landfeste
mit Polynesien, 12 auf die neue Welt und 1 auf die Nordpol-Zone.
"Wir müssen uns, um Wiederholungen zu vermeiden, auf eine kurze,
aphoristische Schilderung derselben beschränken.
1. Östliche Kontinente und Inseln.
1. Westeuropäische Provinz. Milde Wintertemperatur unter dem Ein-
flüsse der westlichen Winde und des Golfstromes. Jährliche Wärmeschwankung
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174
Die Lufthülle.
unter 15°. Keichliche Niederschläge mit ziemlich gleichmäßiger Verteilung über
die Jahreszeiten. Summen sehr variabel, da die Terraingestaltung außerordent-
lich wechsclvoll ist Überhaupt wechseln die klimatischen Verhältnisse oft auf
kurze Distanzen, und es wird daher eine eingehende Untersuchung zur Auf-
stellung zahlreicher Unterabteilungen führen.
2. Osteuropäische Provinz. Es beginnt schon das Gebiet des Land-
klimas. Vorherrschen der Ebene, daher Unterschiede hauptsächlich nur von
der geographischen Breite abhängig. Die Niederschläge sind geringer, als in
der 1. Provinz, und nehmen nach Südosten ab; ausgeprägtes Sommermaximum.
3. Westsibirische Provinz. Die Grenze gegen die osteuropäische
Provinz liegt dort, wo die positive Jahresanomalie, die Europa auszeichnet,
aufhört ; und es ist zu betonen, daß sie fast genau mit der Urallinie zusammen-
föllt. Im übrigen unterscheidet sich diese Provinz von der vorhergenannten
nur durch ein schärferes Hervortreten aller Charaktereigentümlichkeiten. Große
Temperaturveränderlichkeit.
4. Ostsibirische Provinz. Jenseits des Jenissei beginnt eine all-
gemeine Hebung des Landes, Tiefebene nur an den Flüssen. Gebiet eines
winterlichen Kältezentrums. Jährliche Wärmeschwankung am größten. Nieder-
schläge im allgemeinen gering.
5. Kamtschatka-Provinz. Das Meer mildert die Temperaturextreme
und führt reichlicheren Regen zu.
6. Chinesisch-japanische Provinz. Auf dem Festland relativ be-
deutende Winterkälte und streng periodische Regen. In Japan treten diese
Eigentümlichkeiten etwas gemildert auf.
7. Die Asiatische Hochlandprovinz umfaßtalle gebirgsumschlossenen
Hochländer, die im allseitigen Windschatten liegen ; daher sehr trocken. Winter-
kälte durch die bedeutende Seehöhe gesteigert, Sommerwärme durch die kon-
tinentale Lage. Tägliche Wärmeschwankung sehr bedeutend.
8. Aral-Provinz. Trockenes Tiefland; Niederschlagsmaximum im Norden
im Sommer, im Süden im Winter. In Turan strenge Winter und sehr heiße
Sommer.
9. Indus - Provinz , durch Trockenheit und Hitze ausgezeichnetes
Tiefland.
10. Mittelmeer-Provinz. Große Mannigfaltigkeit wegen reicher hori-
zontaler Gliederung und wechselnder Oberflächenbeschaffenheit. Mild ist das
Klima überall mit Ausnahme der inneren Hochländer. Winterregen.
11. Sahara-Provinz, bis nach Mesopotamien reichend, Gebiet der
trockenen Nordwinde, wahrscheinlich regenärmste Gegend der Erde. Kon-
tinentalität und vegetationsarmer Boden steigern die Sommerhitze außerordent-
lich, jährliche und tägliche Wärmeschwankung beträchtlich.
12. Tropische Provinz von Afrika. Wärme auf dem inneren Hoch-
land durch die Seehöhe gemildert, desto größer aber auf den schmalen Küsten-
ebenen. Tropenregen, nach Westen abnehmend.
13. Kalahari-Provinz, umfaßt das ganze regenarme Gebiet von Süd-
west-Afrika.
14. Kap-Provinz, subtropisch.
15. Ostindisch-australische Monsunprovinz. Mit Ausnahme einiger
Gegenden im Archipel streng periodischer Regen mit SW.-Wind, bezw. NW.-
Wind. Temperatur ziemlich gleichmäßig trotz beträchtlicher Ausdehnung der
Provinz; Jahresschwankung sehr mäßig.
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Da« Klima.
175
16. Australische Binnenprovinz. Große Temperaturextreme; unregel-
mäßige Niederschläge, vorherrschend trocken.
17. Australische Südwest-Provinz, subtropisch.
18. Australische Ost-Provinz, bis an die Wasserscheide auch die
SO.-Küste und Tasmanien umfassend. Niederschläge ergiebig und ziemlich
gleichmäßig. Wärmeschwankung mäßig.
19. Neuseeländische Provinz, wahrscheinlich auch die kleineren Inseln
in der Umgebung umfassend. Mildes Klima mit ziemlich gleichmäßigem Kegen.
20. Polynesische Tropenprovinz. Tropenklima, durch die See ge-
mildert, eigentlich das ganze Jahr ein milder Sommer. Regen auf den hohen
Inseln reichlich und mit tropischer Periodizität.
21. Hawaii-Provinz. Temperatur ebenfalls gleichmäßig mild. Regen
subtropisch.
2. Amerika.
1. Hudson-Provinz. Zum größten Teile extremes Landklima und wenig
Niederschläge.
2. Nordwestliche Küstenprovinz. Regenreiches, mildes, gleich-
mäßiges Klima.
3. Californischc Provinz. Verhältnismäßig kühl, besonders im Sommer.
Streng subtropische Regenperiode.
4. Hochlandprovinz. 'Trocken, große jährliche und tägliche Wärme-
schwankung.
5. Atlantische Provinz. Im Winter großer Temperaturgegensatz
zwischen Norden und Süden, Landklima auch an der Küste. Regen reichlich
und gleichmäßig über das Jahr verteilt Große Veränderlichkeit.
6. Westindische Provinz, auch den Südrand von Nordamerika um-
fassend. Gleichmäßige Wärme, Niederschläge zu allen Jahreszeiten, aber mit
ausgesprochenem Sommermaximum.
7. Tropische Cordillerenprovinz. Im inneren Tafelland wegen
beträchtlicher Seehöhe ewiger Frühling. In Mexico und Zentralamerika aus-
geprägte Zenithairegen, in Südamerika gleichmäßige Niederschläge.
8. Tropenprovinz von Südamerika. Der Gegensatz von Gebirgs-
und Tiefland dürfte eine ziemliche Mannigfaltigkeit des Klimas hervorrufen,
doch wissen wir darüber nichts Sicheres.
9. Peruanische Provinz, auch einen Teil von Chile bis zum 30.° B.
umfassend. Regenlos und abnorm kühl.
10. Nordchilenische Provinz, subtropisch.
11. Südchilenische Provinz, außerordentlich niederschlagsreich. Tem-
peratur gleichmäßig, Sommer kühl.
12. Pampas-Provinz. Regen nicht reichlich; jährliche Temperatur-
schwankung, wenigstens im Norden, ziemlich groß.
Arktische Provinz. Die Eigentümlichkeiten des polaren Klimas wurden
schon mehrfach erörtert Auch hier lassen sich viele Unterabteilungen unter-
scheiden. Als Südgrenze auf den Kontinenten kann man die 10 °- Isothermen
des wärmsten Monats, die annähernd mit der Baumgrenze übereinstimmt, an-
nebmen.
Die 35jährigen Schwankungen. Man hat schon lange darüber
gestritten, ob das Klima eines Ortes konstant oder veränderlich ist
Der Begriff der Veränderlichkeit muß aber schärfer gefaßt werden;
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176
Die Lufthülle.
wir haben zwischen dauernden Veränderungen nach einer Richtung
und periodischen Schwankungen zu unterscheiden, und es ist auch die
Frage zulässig, ob Bewegungen beider Art nebeneinander stattfinden.
Belehrt durch vielerlei Erfahrungen, sind wir jetzt zu der Auf-
fassung geneigt, daß die meteorologischen Prozesse regelmäßigen
Schwankungen unterliegen, und zwar in der Weise, daß jede Periode
wieder in eine Reihe von Perioden kürzerer Dauer zerfällt Wenn
wir diese Schwankungen im Sinne ihrer gewöhnlichen graphischen
Darstellung (vgl. z. B. Fig. 37) als Wellen auffassen, so können wir
auch sagen, daß jede Welle sich in kleinere auflöst, diese wieder
in kleinere u. s. w., daß aber dabei niemals ganz regelmäßige Ge-
stalten entstehen.
Wir haben die tägliche und jährliche Periode der Temperatur
bereits kennen gelernt. Wir können die erstere unterdrücken, wenn
wir die mittleren Tagestemperaturen berechnen, und die Aneinander-
reihung der letzteren läßt uns die jährliche Periode erkennen. Wir
können auch diese ausschalten, wenn wir das Jahresmittel berechnen.
Das zweite maßgebende Klimaelement, der Regen, ist in seiner
Periodizität schwieriger zu behandeln, weil er nirgends eine dauernde
Erscheinung ist; doch ist auch er deutlichen jährlichen Schwankungen
unterworfen, wenn diese auch in verschiedenen Gegenden bald
stärker, bald schwächer hervortreten.
In der täglichen, wie in der jährlichen Temperaturperiode sind
zwei Elemente deutlich zu unterscheiden. Das periodische be-
wirkt stetige Zunahme vom Minimum zum Maximum und dann
wieder ebenso stetige Abnahme, und nur die unperiodischen,
nicht an bestimmte Zeiten gebundenen Veränderungen rufen in dem
streng regelmäßigen Verlaufe der Temperaturkurve Störungen her-
vor. In noch höherem Grade ist das bei der Regenkurve der Fall.
Gerade dieses unperiodische Element suchen wir durch langjährige
Mittelwerte zu beseitigen, indem wir — wenn auch nicht ganz zu-
treffend — annehmen, daß es ebenso oft im positiven wie im nega-
tiven Sinne wirkt.
Reihen wir nun die klimatologischen Jahresmittel eines Ortes
an einander. Kalte und warme, nasse und trockene Jahre wechseln
mit einander ab, scheinbar ohne Gesetzmäßigkeit. Sind diese
Schwankungen von Jahr zu Jahr nur unperiodische, oder steckt auch
ein periodisches Element darin?
Daß man das letztere so lange vergeblich suchte, hat seinen
Grund offenbar darin, daß die unperiodischen Veränderungen mit
der Länge der Periode an Bedeutung wachsen. Zunächst fand man
Beziehungen zu der elfjährigen Sonnenfleckenperiode,8 die auf
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Das Klima.
177
den Erdmagnetismus und die Polarlichter von so entscheidendem
Einflüsse ist. Dagegen ist sie in den meteorologischen Erscheinungen
nur schwach ausgeprägt oder gänzlich verwischt Am klarsten tritt
sie noch in den Niederschlägen hervor, die mit der Zahl der Sonnen-
flecken steigen und fallen; aber nur in den Tropen ist diese Ab-
hängigkeit von praktischer Bedeutung, insofern die Zeit der Flecken-
minima Därre und häufig sogar Hungersnot bringt. Dagegen lassen
die Temperaturbeobachtungen es noch immer im Zweifel, ob die
fleckenarme Sonne der Erde mehr Wärme zusendet als die flecken-
reiche; und außerdem ist diese Schwankung zu gering, als daß sie
mehr als bloß theoretisches Interesse erwecken könnte.
Die Schwankungen der Gletscher und des Niveaus abflußloser
Seen wiesen aber doch allzu deutlich auf meteorologische Perioden
höherer Ordnung hin, die mit den Sonnenflecken nicht in Einklang
zu bringen sind. Hier setzte E. Brückner 3 den Hebel an. Er
untersuchte die Wasserstandsschwankungen einer größeren Zahl von
abflußlosen Seen, Flußseen und Flüssen aus allen Gegenden der
Erde, die Temperatur- und Regenmessungen, die bis in die Mitte,
bezw. den Anfang des 18. Jahrhunderts hinaufführen; die Eisver-
hältnisse der russischen Flüsse, deren Aufzeichnungen ebensoweit
(betreffs der Düna bei Riga sogar bis 1556) hinaufreichen; die
sorgfältigen Aufzeichnungen über das Datum der WTeinemte in
Westeuropa, die sich bis zum Ende des 14. Jahrhunderts zurück-
verfolgen lassen, und endlich die Nachrichten über kalte Winter,
die das Material bis ca. 1000 n. Chr. ergänzen.
Das Ergebnis war die Entdeckung einer durchschnittlich 35jäh-
rigen Periode, die zu der Häufigkeit der Sonnenflecken in keinen
Beziehungen steht. Jede Periode zerfällt in eine kalte und eine
warme Hälfte; die Jahrestemperaturen steigen bis zu einem Maxi-
mum an und sinken dann bis zu einem Minimum herunter, freilich
noch unregelmäßiger, als die Tagestemperaturen innerhalb der Jahres-
periode, weshalb es Brückner vorgezogen hat, fünfjährige Durch-
schnittszahlen zu verwerten, die in ihrem Wesen genau den Monats-
mitteln entsprechen. Die Zeit zwischen zwei Temperaturminima
schwankt zwischen 20 und 50 Jahren, ebenso wie auch die Zeit
zwischen zwei jährlichen Minima nicht immer 365 Tage beträgt;
das Mittel von 35 Jahren ergiebt sich aber aus verschiedenen An-
sätzen, so daß es wenigstens vorläufig als wahrscheinlichster Wert
festgehalten werden muß.
Die Schwankung erscheint auf den ersten Blick nicht beträcht-
lich, nach der Tabelle auf S. 1 78 nur höchstens 1 0 C., in der Periode
1836 — 70 sogar nur 0,s°. Aber man muß beachten, daß bei der
Süpan , Physische Erdkunde. 2. Aufl. 1 2
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178
Die Lufthülle.
Klimaschwankungen. *
Jahre
Temperatur
Regen
(Prozente)
I
Seen
Beginn
der Gletscher-
bewegungen
1731—1735
- 0,3.°
- 4
i
1735 Vorstoß
1736—1740
- 0,43 *
+ »
1740 Max.
1741—1745
— 0,85
- 6*
1746—1750
+ 0,45
+ 5
1750 Rückzug
1751—1755
+ 0,1«
+ 5
1756—1760
— 0,08
- 3
1760 Min.
1761—1765
— 0,10
+ 0
1766—1770
- 0,43*
- 4*
1767 Vorstoß
1771—1775
+ 0,34
+ 7
1776—1780
+ 0,15
- 2
1780 Max.
1781—1785
+ 0,18
- 2
1786—1790
— 0,11
+ 2
1791—1795
+ 0,48
- 2
1796—1800
+ 0,07
- 1
1800 Min.
1800 Rückgang
1801—1805
+ 0,3«
- 4*
1806—1810
— 0,18
+ 3
1811—1815
- 0,4«*
+ 0
1814 Vorstoß
1816—1820
— 0,35
+ 0
1820 Max.
1821—1825
+ 0,66
- 2
1823 Rückgang
1826—1830
+ 0,14
- 0
1831—1835
+ 0,03
- 8*
1835 Min.
1836—1840
- 0,33*
- 5
1840 Vorstoß
1841—1845
— 0,oo
+ 1
1846—1850
— 0,08
4* 3
1850 Max.
1851—1855
+ 0,u
+ 1
1855 Rückgang
1856—1860
+ 0,o«
- 4
1861—1865
— 0,06
- 5*
1865 Min.
1866—1870
+ 0,n
-1
1871—1875
— 0,04
+ 2
1876—1880
— 0,o:
+ 7
1880 Max.
1881—1885
— 0,08*
1
+ 6
x Mittel aus sämtlichen Gruppen der Erde; die positiven und negativen
Werte stellen Abweichungen von der mittleren Temperatur bezw. Jahres-
menge des Regens dar, im letzten Falle in Prozenten der mittleren Jahres-
menge.
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Das Klima.
179
S 00
Zusammenfassung der Beobachtungsreihen einzelner Orte zu Gruppen-
mitteln und dieser wieder zu einem Mittel für die ganze Erde viele
Gegensätze sich ausgleichen. Wir
können vermuten, daß im konti-
nentalen Klima die Amplituden
größer werden (im südwestlichen
Rußland z. B. bis 2°), und mög-
licherweise findet 'auch eine Steige-
rung mit der Breite statt. Die
DovEschen Werte für die mittlere
Abweichung (s. S. 87) geben viel-
leicht auch hierfür einen Anhalts-
punkt, wenn sie auch für unsere
Frage nur mit großer Vorsicht zu
benutzen sind.
Diese Temperaturschwankun-
gen treten gleichzeitig auf der
ganzen Erde ein, die Ursache
muß daher außerhalb der Erde
liegen, und wir sind geneigt, sie
in periodischen Veränderungen des
Strahlungsvermögens der Sonne zu
suchen, obwohl es den Astronomen
bisher noch nicht gelungen ist,
einen positiven Anhaltspunkt für
diese Hypothese zu gewinnen. Mit
der Temperatur schwankt auch der
Niederschlag, aber im Gegen-
sätze zur ersteren nicht überall in
dem gleichen Sinne. Auf den Land-
flächen sind die kalten Hälften der
35jährigen Perioden zugleich naß,
die warmen zugleich trocken; auf
dem nordatlantischen Ozean und
wahrscheinlich auf allen Meeren
findet ein entgegengesetzter Zu-
sammenhang statt. Dies hängt
mit den periodischen Veränderun-
gen des Luftdruckes zusammen.
Er sinkt in der trocken- warmen Hälfte auf dem nordatlantischen
Ozean und steigt über Europa; dort vertieft sich das subpolare
Minimum, hier entsteht eine Anticyklone, die wirksamer als ein
12*
a
-
Ui
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180
Die Lufthülle.
hohes Randgebirge uns von der Zufuhr feuchter Meeresluft ab-
schneidet. In der feucht-kühlen Hälfte gleichen sich die Gegensätze
etwas aus; über dem nordatlantischen Ozean steigt das Barometer,
über Europa sinkt es.
Die feuchten und trockenen Periodenhälften decken sich nicht
ganz genau mit den kalten und warmen. Für Süddeutschland finden
wir z. ß. auf graphischem Wege (vgl. Fig. 37):
Temperatur
Max. 1777, warm 1773 — 1781 x
Min. 1785, kalt 1781 — 1788 *
Max. 1796, warm 1788— 1809 X
Min. 1816, kalt 1809—1824
Max. 1830, wann 1824 — 1836
Min. 1854, kalt 1836—1859
Max. 1866, warm 1859 — 1876
Regen
— 1815 feucht, 1809 Max.
1815—1839 trocken, 1824 Min.
1839—1851 feucht, 1844 Max.
1851 — 1869 trocken, 1862 Min.
Auch in der Tabelle für die ganze Erde zeigen sich Verschie-
bungen und Unregelmäßigkeiten, namentlich scheint sich die Periode
1756 — 1805 durch fast permanente Trockenheit ausgezeichnet zu
haben. Wir können aber noch nicht sagen, ob diese Anomalie
thatsächlich begründet ist, oder ob sie nur in der bedauerlichen
Mangelhaftigkeit des Beobachtungsmaterials ihre Erklärung findet
Von der Größe der Regenschwankungen giebt uns jene Tabelle kein
richtiges Bild, weil in dem Mittel für die ganze Erde die euro-
päischen Stationen wegen ihrer großen Anzahl naturgemäß domi-
nieren und auch die nordatl an tischen Gebiete einbezogen sind, ln
Europa beträgt die Schwankung nur 14 — 20 Proz. in den echt
kontinentalen Gebieten Asiens aber schon bis 36 Proz., in Barnaul
in Sibirien z. B. über 100 Proz. der mittleren Jahressumme (1861
bis 1865 durchschnittlich 150, 1881 — 85 460mm!). Solche Gegen-
den, die ja an und für sich schon au Wasserarmut leiden, verändern
in der Trockenzeit in der That ganz ihr Aussehen, und hier greifen
die Klimaschwankungen noch viel tiefer als bei uns in die mensch-
lichen Verhältnisse ein. Und doch fühlen wir ihren Einfluß selbst
in Deutschland schon schwer genug.
Von den in die physische Geographie einschlägigen Erschei-
nungen werden die Wasserstände der Seen und Flüsse, das Meeres-
niveau, die Eisbildung auf den nordischen Flüssen und die Bewegung
der Gletscher am meisten beeinflußt; der Zusammenhang tritt schon
in der Haupttabelle deutlich hervor, noch besser aber, wenn wir die
x Möglicherweise muß auch in der Haupttabelle (S. 178) die lange Periode
1756 — 1805 in zwei Perioden 1756 — 1785 und 1786—1805 aufgelöst werden.
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Das Klima.
181
Alpengletscherepochen mit den Schwankungen in Süddeutschland in
Vergleich setzen.4 Wir legen auf das Verhalten der Seen und Glet-
scher das Hauptgewicht, weil sich darin auch noch größere Klima-
perioden widerspiegeln. Ehe wir aber darauf eingehen, wollen wir
nur noch eine wichtige Schlußfolgerung ziehen.
Wir haben schon wiederholt über die Ungleichmäßigkeit der
klimatologischen Mittelwerte geklagt. Aus unseren Erörterungen
über die 35jährige Periode geht klar hervor, erstens daß nur
gleichzeitige Mittelwerte miteinander vergleichbar sind, zweitens
daß kurze Beobachtungsreihen selbst in den Tropen ganz un-
genügende Werte ergeben, weil sie dem auf- oder abwärtssteigenden
Aste der Klimawelle angehören können. Mittel, die wirklich das
Klima repräsentieren, sog. Normalwerte, müssen eine ganze Klima-
periode umfassen, also auf etwa 30 — 35jährige Beobachtungen sich
stützen. Aber wir werden noch sehr lange warten müssen, bis diese
Forderung auf der ganzen Erde erfüllt ist; bis dahin müssen wir
alle unsere Isothermen-, Isobaren-, Wind- und Regenkarten als ziem-
lich rohe Skizzen betrachten.
Säkulare Perioden. Aus den Normalmitteln ist die 35jährige
Periode eliminiert, wie aus den Jahresmitteln die jährliche, aus den
Tagesmitteln die tägliche. Es entsteht nun die Frage, ob die Nor-
malmittel, aneinander gereiht, eine ähnliche Schwankung zeigen,
wie die Jahresmittel; ob noch Perioden höherer Ordnung bestehen.
Ziffermäßig lassen sich diese nicht mehr nach weisen, denn wenn
auch manche Temperaturreihen bis in die Mitte oder den Anfang
des 18. Jahrhunderts hinaufreichen, so sind sie doch selten homogen
und überdies zu spärlich verteilt, um Rückschlüsse auf Bewegungen
auf der ganzen Erde zu gestatten. Aber mancherlei Anzeichen
haben wir doch in den Aufzeichnungen Uber die Wasserstände des
Kaspisees, die Eisbedeckung der Flüsse, die Weinernte, die Glet-
schervorstöße, daß die 35jährigen Perioden nur Auszackungen
größerer Wellen sind, die sich vielleicht über ein Jahrhundert und
mehr ausdehnen und daher mit Recht säkulare genannt zu werden
verdienen. x Es ist auch wahrscheinlich, daß es säkulare Perioden
verschiedener Ordnung giebt; diejenigen, die uns Blytt an der
Vegetationsfolge in Norwegen und Schweden kennen gelehrt hat,
dürften die der höchsten Ordnung darstellen.5
„Die Torfmoore des südlichen Norwegens,“ sagt Blytt, „be-
stehen, wenn sie über der höchsten marinen Stufe liegen, aus vier
x Brückner hat ursprünglich seine 35jährigen Schwankungen säkulare
genannt; es liegt aber auf der Hand, daß dies schon etymologisch unrichtig ist.
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Die Lufthülle.
Torfschichten mit drei zwischengelagerten Waldschichten, und sie
sind, seit sie sich anfingen zu bilden, jetzt zum vierten Male mit
Wald bewachsen. Auf eine ähnliche Anzahl wechselnder Perioden
deuten auch die dänischen Torfmoore mit ihren vier Torfschichten,
welche zuweilen von Wurzelschichten geschieden werden. Torfmoore
mit allen drei Wurzelschichten sind aus Dänemark bekannt, gleich-
falls aus einzelnen Teilen Schwedens, Södermanland, Smaaland und
Dalsland. Moore mit drei Wurzelschichten kennt man aus Schlesien,
aus England und Schottland und aus dem Juragebirge.“
Im norwegischen Gudbrandsdalen, unter 61° 45' N., finden wir
einen mehrfachen Wechsel von Tuffen und Lehmschichten, die Blytt
in folgender Weise mit den Moor- und Wurzelschichten des süd-
lichsten Norwegens und Dänemarks zu identifizieren versuchte:
Südlichste Gegenden Gudbrandsdalen
4. Periode.
Wald der Gegenwart Erde
Subatlantischer Torf (Buchen, Erlen) —
3. Periode.
Subboreale Wurzelschicht —
Atlantischer Torf (Eichen) Kiefemtuff
2. Periode.
Boreale Wurzelschicht Lehm und Dryastuff
Infraborealer Torf (Kiefern) Birkentuff
1. Periode.
Subarktische Wurzelschicht Lehm
Subglazialer Torf (Birken, Espen) Moräne.
Wir haben also hier einen Wechsel von langen trocken-warmen
Zeiträumen mit Waldbildung und Lehmanhäufung und feucht-kühlen
Zeiträumen mit Moor- und Tuffbildungen. Sie stellen vier große
Klimawellen dar, die von der Eiszeit bis in die unmittelbare Gegen-
wart hineinreichen, denn der subglaziale Torf ruht auf Lehm mit
alpiner Silberwurz (Dryas), Polarweide u. dergl., und dieser wieder
auf der glazialen Grundmoräne. Aber jene südnorwegischen und
dänischen Profile deuten zugleich auch auf Perioden noch höherer
Ordnung hin. Die zweite Periode scheint wärmer gewesen zu sein
als die erste, die dritte wärmer als die zweite; in der letzteren
hat aber die Temperatur nach der Ansicht Blytts einen Höhepunkt
erreicht, von dem sie in der vierten Periode wieder herabsanfc.
Geologische Perioden. Die BLYTTschen Perioden füllen, wie ge-
sagt, die geologische Gegenwart, das Alluvium, aus. Die vorher-
gehende Epoche, das Diluvium, zeigt uns in den Spuren, die sie hinter-
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Das Klima.
183
lassen hat, noch weit größere Klimawellen. Mit der Mehrzahl der
heutigen Forscher nehmen wir in Europa drei Eiszeiten an, die
durch wärmere Interglazialzeiten getrennt wurden. Die erste
Eiszeit war die intensivste; jede folgende war milder als die vorher-
gehende, aber auch die thermischen Gegensätze von Glazial- und
Interglazialzeit scheinen sich successive abgestumpft zu haben. An-
knüpfend an die erste BLYTTsche Periode haben wir:
VI. Dritte Eiszeit,
V. Zweite Interglazialzeit,
IV. Zweite Eiszeit,
III. Erste Interglazialzeit,
II. Erste (Haupt-) Eiszeit,
I. Gemäßigte (pliocäne) Periode. x
In Amerika unterscheidet man zwei, nach anderer Auffassung
aber ebenfalls drei Eiszeiten.
Im Höhepunkte der Glazialperiode war das Gletscherphänomen
mächtig entwickelt. Wie heutzutage nur noch Grönland, war da-
mals ganz Nord-Europa unter einer Eisdecke begraben (vgl. Taf. XIII),
deren mächtigster Ausgangspunkt Skandinavien war. In der zweiten
Eiszeit war diese Decke schon erheblich zusammengeschrumpft, in
der dritten hatte sich das britische Gletscherzentrum vom skandi-
navischen bereits losgelöst In Nordamerika füllte den Raum zwischen
der canadischen Küstenkette und dem Felsengebirge ein gewaltiger
Gletscher aus, der von ca. 52—59° N. nach Nordwesten und Süd-
osten floß. Ööstlich vom Felsengebirge strahlte das Inlandeis von der
Gegend zwischen dem Mackenzie und der Hudsonbai und von
Labrador aus und ergoß sich sogar bis in die nördlichsten Vereins-
staaten, in Ohio und Indiana bis über den 40. Parallel, also weiter
wie in der alten Welt, wo selbst in Rußland der 49. Breitenkreis
wohl nirgends überschritten wurde. Alle Gebirge, die jetzt noch
Gletscher tragen, waren damals bis in die Hauptthäler herab
x Von den schottischen Verhältnissen ausgehend, hat J. Geikie8 kürzlich
sechs Eiszeiten unterschieden. Die erste ist älter, als die erste unserer Tabelle;
ob damals große Landeisbildungen stattgefunden haben, erscheint uns aber noch
nicht ausgemacht. Unsere erste, zweite und dritte Eiszeit entsprechen der
zweiten, dritten und vierten Geikies; die fünfte und sechste fällt mit den älteren
BLvrrschen Perioden zusammen. Daß die feuchten Hälften dieser Perioden
kälter waren, als die Gegenwart, lehren schon die Funde im südlichen Norwegen;
Schottland erzeugte damals noch Gletscher, aber die Schneehöhe hob sich immer
mehr (in der vierten Eiszeit lag sie in 300 — 500, in der fünften in 760, in der
sechsten in 1070 m Seehöhe). Der GBiKiEschen Auffassung entspricht es, wenn
man sagt, die heutigen Gletschergebiete haben die Eiszeit noch nicht ganz über-
wunden. Zwischen Diluvium und Alluvium giebt es eben keine scharfe Grenze.
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184
Die Lufthülle.
vereist; unsere alpinen Gletscher rückten bis an die nördlichen und
südlichen Ebenen vor und lagerten hier ihre Moränen ab. Auch
Gebirge, die jetzt schneefrei sind, erzeugten damals Gletscher, wenn
auch nicht sehr mächtige; man hat berechnet, daß die Schneegrenze
damals 500 — 1300 m tiefer lag, was einer Temperaturerniedrigung
von 3—4° entspricht Man braucht also nicht zu ungeheueren
Wärmeschwankungen seine Zuflucht zu nehmen, um die Eiszeit
zu erklären. Jedenfalls war aber der Niederschlag beträchtlich
größer, als in der Gegenwart, wenigstens auf den Landflächen.
Hulls? „Pluvialperiode“, die das Tote Meer so anschwellen ließ,
daß es das ganze Ghör erfüllte, trat aller Wahrscheinlichkeit nach
gleichzeitig mit der Glazialperiode ein; wir wissen auch, daß die
Sahara einst wasserreicher war, daß Flüsse damals Thäler ausfurchten
und in der Oase Chargeji Steineichen wuchsen. In Zentralasien
hatten die Seen sich mächtig ausgebreitet, der Kaspisee stand noch
mit dem Schwarzen Meere in Verbindung. Die schlagendsten Be-
weise für die Gleichzeitigkeit der Pluvial- und Eisperioden liefern
aber die großen Seen auf dem trockenen Hochlande der westlichen
Vereinigten Staaten, der Bonneville-See,8 dessen kümmerlicher Über-
rest der Große Salzsee ist, der Lahontan-See9 am Fuße der Sierra
Nevada u. a., die so deutliche Strandlinien hinterlassen haben , daß
man ihre einstige Fläche — 109 300 qkm gegen 15 400 qkm in der
Gegenwart — ziemlich genau ermitteln konnte. Entscheidend ist,
daß hier zwei Schwellungsperioden, entsprechend zwei Eiszeiten,
deutlich erkennbar sind, und daß in der Zwischenzeit die Seen-
bedeckung wahrscheinlich unter das gegenwärtige Maß herabsank.
Die Interglazialzeiten werden jetzt vielfach, wenn auch in nicht
ganz unanfechtbarer Weise, als Trockenperioden aufgefaßt, die selbst
Mitteleuropa in Steppen, ähnlich den heutigen südrussischen, um-
schufen. Die Fauna des mitteleuropäischen Löß, für dessen inter-
glaziales Alter vieles spricht, ist von Neu ring als eine echte Steppen-
fauna erkannt worden. 10
Wir bewegen uns bei allen diesen Untersuchungen freilich noch
auf unsicherem Boden. Zunächst entsteht ja die Frage, ob die
Eiszeit wirklich ein wiederkehrendes Phänomen ist, oder ob sie bis-
her einzig in der Geschichte der Erde dasteht Und auch in letz-
terem Falle sind die Aussichten in die Zukunft schwankend. Nach
Biebmanns11 Ansicht haben wir keine neue Gletscherperiode mehr
zu befürchten, weil die Sonne mit fortschreitender Kontraktion in
einen wärmeren Zustand übergeht, der den Ausfall der Eigenwärme
unseres Planeten zur Genüge deckt Zu einem ganz anderen Schlüsse
gelangt Dubois, 12 trotzdem daß auch er die Ursache der geologischen
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Dax Klima.
185
Klimaänderungen in die Sonne verlegt Bis zur Tertiärzeit war
unsere Wärmespenderin ein weißer Stern, dessen heißere Strahlen
ein üppiges organisches Leben auf der ganzen Erdoberfläche ins
Dasein riefen. Dann folgte eine verhältnismäßig kurze Übergangs-
periode aus dem weißen ins gelbe Stadium, der die sich vollziehende
Abkühlung der Erdoberfläche in der Tertiärzeit entspricht Am
Beginne haben wir in Mitteleuropa noch tropisches Klima, Grönland
trug noch unter 70° B. eine reiche Waldflora von Sequoien, Cypressen,
Eichen, Wallnußbäumen u. s. w., und diese verbreitete sich auch über
Island und Spitzbergen. In der Mioeänzeit ist das mitteleuropäische
Klima schon subtropisch, in der Pliocänzeit schon gemäßigt, gleich
dem gegenwärtigen. Nun ist die Sonne im gelben Stadium an-
gelangt. Eigentümlich sind dieser Entwickelungsphase gewisse Schwan-
kungen, die durch das Auftreten chemischer Verbindungen erzeugt
werden. Dann erhält die Sonne eine rötliche Farbe, ihr Strahlungs-
vermögen nimmt ab, es beginnt die Eiszeit. Im Diluvium trat
dieses Phänomen zum ersten Male auf, aber nun gehört es zum
dauernden Inventar der Erde. Eiszeiten und Interglazialzeiten werden
wechseln, bis die Sonne endlich dauernd rot geworden ist und end-
lich ganz verdunkelt. Dann kommt die Nacht, auf die kein Tag
mehr folgt.
Dieses Lehrgebäude würde Zusammenstürzen, wenn es gelänge,
für die vielfach behauptete Eiszeit gegen Ende der paläozoischen
Epoche mehr Anhaltspunkte zu gewinnen, als es bisher leider der
Fall war. Sie würde uns lehren, daß auch die tertiäre Tropen-
periode, von der wir oben sprachen, nur eine Welle war, der nicht
bloß eine tiefe Depression folgte, sondern auch voranging, und wir
dürften erwarten, daß die Erde wieder einmal von einer warmen
Hauptwelle überflutet werde. Dann würde das Wort Ben Akibas
eine höhere Bedeutung gewinnen: „Es ist alles schon dagewesen.“
Aber wie gesagt, zu der Kette dieser Schlußfolgerungen fehlen
noch viel mehr Glieder, als wir in Händen haben.
Übersicht der Schwankungen. Als erwiesen mögen dagegen
folgende Ordnungen von Klimaschwankungen gelten:
Erster Ordnung sind die geologischen Wellen, wie sie sich
von der Pliocänzeit bis in die Gegenwart deutlich verfolgen lassen.
Wir können annehmen, daß jede dieser primären Wellen wieder in
eine Reihe untergeordneter Schwankungen zerfällt, nachweisbar ist
dies aber nur bei der letzten, zu der die Gegenwart gehört.
Zweiter Ordnung sind die säkularen Wellen, von denen
die BLYTTschen wohl den höchsten Rang einnehmen; daß auch
kürzere noch existieren, ist höchst wahrscheinlich, aber bisher weder
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186
Die Lufthülle.
geognostisch noch ziffernmäßig sicher nachgewiesen, so daß wir vor-
läufig als Schwankungen
Dritter Ordnung die 35jährigen oder BßüCKNEEschen be-
zeichnen müssen.
Vierter Ordnung sind dann die jährlichen und
Fünfter Ordnung die täglichen Schwankungen.
In einer Beziehung sind aber die täglichen und jährlichen
Schwankungen ganz anderer Art, als die längerdauemden. Da sie
nämlich durch die verschiedene Stellung der Erde zur Sonne her-
vorgerufen werden, so tritt jede Phase immer nur auf der einen Erd-
hälfte auf, nicht gleichzeitig auf der ganzen Erde, wie wir es wenig-
stens von der 35jährigen Temperaturperiode annehmen müssen.
Die säkularen Schwankungen sind bisher überhaupt nur für einen eng-
begrenzten Raum nachgewiesen worden, und was die großen Eiszeiten
betrifft, so können wir zwar wohl sagen, daß sie überall diluvial
sind, aber nur vermuten, daß der Höhepunkt der Vergletscherung auf
beiden Halbkugeln wirklich gleichzeitig eintrat. Die bisherigen
kosmischen Theorien, von denen die von Cboll13 die bekannteste
ist und auch jetzt noch viele Anhänger zählt, erklären die Eiszeit
durch das Zusammenwirken der periodischen Störungen der Erd-
bahn, nämlich der Exzentrizität, der Schiefe der Ekliptik und des
Vorrückens des Perihels. x Darnach wäre die Eiszeit zwar eine
periodisch wiederkehrende Erscheinung, aber auf der nördlichen
und südlichen Halbkugel alternierend, wie die Jahreszeiten. Wir
x Die für die Vergletscherung einer Halbkugel günstigsten Verhältnisse
sollen dann eintreten, wenn sie den Winter bei größter Exzentrizität im Aphel hat.
Sie ist dann 160,32 Mill. km von der Sonne entfernt und hat 200 Tage Winter
(35 Tage mehr als das Sommerhalbjahr). Jetzt hat die Südhemisphäre den
Winter im Aphel, aber bei der gegenwärtigen geringen Exzentrizität (Entfernung
von der Sonne 151,12 Mill. km) ist ihr Winterhalbjahr nur 7 Tage länger als das
Sommerhalbjahr. Übrigens betrachtet Crom, die kosmischen Veränderungen
nur als indirekte Ursachen der geologischen Klimaschwankungen. Sie bewirken
eine Verschiebung des Kalmeugürtels, der jetzt zum großen Teil auf unserer
Halbkugel liegt, nach jener Hemisphäre, die den Winter im Perihel hat, und damit
auch eine Änderung im Regime der Winde und Meeresströmungen, die das
Landklima in so hohem Grade beeinflussen. Es ist beachtenswert, daß Blytt,14
der den Grundgedanken der Caouschen Theorie völlig teilt, wenigstens für den
Atlantischen Ozean zu einer geradezu entgegengesetzten Ansicht gelangt. Hier
erzeugt nicht der perihelische , sondern der aphelische Winter höhere Wärme,
denn er verschärft den Gegensatz von Land- und Seeklima und steigert dadurch
die Windgeschwindigkeit und den Golfstrom. Freilich betrachtet Bj.ytt die Eiszeit
nur als ein lokales atlantisches Phänomen, zu dessen Erklärung er noch die
Absperrung des Golfstroms durch eine Landbrücke von Europa nach Grönland
zu Hüfe ruft.
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Das Klima.
187
haben aber bereits (S. 46) erfahren, daß trotz aller Schwankungen
der Erdbahn jede Halbkugel immer gleich viel Wärme erhält; und
wenn sich die CaoLLsche Theorie trotzdem erhält, so findet dies
darin seine Erklärung, daß sie mit bekannten Faktoren rechnet,
während periodische Veränderungen, die auf die ganze Erde gleich-
zeitig ein wirken, sich unserer Beobachtung und Messung noch ent-
ziehen.
Klimaänderungen. Unter dem Gesichtspunkte der Klimaschwan-
kungen betrachtet, gewinnen auch die verschiedenen, immer wieder
auftauchenden Nachrichten über die Änderung des Klimas einzelner
Gegenden eine ganz neue Beleuchtung. Es wurde darüber ein
zeitweise erbitterter Streit geführt, aber Gegner und Verteidiger
können sich heute die Hand reichen, ohne ihre Ansichten gänzlich
ändern zu müssen. Nur müssen die ersteren zugeben, daß das
Klima in der That nichts konstantes ist, daß Änderungen von ver-
schiedener Dauer stattfinden, und daß jede Generation solche Ände-
rungen erfährt, die ihr bei oberflächlicher Betrachtung dauernd
erscheinen können. Früher sagte man, das Klima ändere sich
lokal, aber dauernd; jetzt sagen wir: die Klimaänderungen sind
zeitlich beschränkt, aber allgemein. Da wir nur mit Normalwerten
operieren, so können wir die Grenzen der Klimaprovinzen im
großen und ganzen als konstant betrachten, vom Standpunkt
der säkularen Schwankungen betrachtet, sind sie es aber wahrschein-
lich nicht Nur muß man in dieser Beziehung größte Vorsicht walten
lassen, weil die Nachrichten, aus verschiedenen Zeiten stammend,
sehr leicht nur die BnCcKNEEschen Perioden widerspiegeln können,
und daher nicht einfach aneinander gereiht werden dürfen. Es
könnte dann leicht geschehen, daß wir nur die absteigenden Äste
aufeinander folgender Klimawellen wahrnehmen, nicht aber die da-
zwischen liegenden aufsteigenden, und dieß könnte zu ganz falschen
Schlüssen führen. Selbst solche Zeugnisse, die gut in den Rahmen der
säkularen Klimaschwankungen Blytts hineinpassen, müssen sorgfältig
geprüft werden, und selten gelingt es, die Ursachen einer Veränderung
reinlich voneinander zu scheiden. Hat, wie man von Zeit zu Zeit
immer wieder behauptet, stetige Regenabnahme Griechenland, Klein-
asien, Syrien und andere Kulturstätten des Altertums zur Verödung
und Barbarei verurteilt, oder ist nur die Untüchtigkeit der jetzigen
Bewohner dafür verantwortlich zumachen? Wahrscheinlich das
letztere, denn einerseits hat Unger schon vor Jahren nachge-
wiesen, daß jene Länder auch im Altertume au Wassermangel
litten, und andererseits blüht die alte Fruchtbarkeit wieder auf, wenn
— wie bei Urfa, Aintab, Mess’r u. a. a. 0. — der Boden durch ein
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188
Die Lufthülle.
ausgebreitetes Kanalsystem genügend benetzt wird. Für die Gebiete
an der Äquatorialgrenze der Subtropenzone glauben viele Forscher,
wie G. Fkitsch, Loew, Fraas, Theobald Fischer u. a., eine Klima-
änderung im Sinne zunehmender Trockenheit nachweisen zu können;
allein alle Erzählungen laufen doch nur darauf hinaus, daß die
Quellen und Flüsse an Wasserreichtum abgenommen haben oder
ganz versiegt sind; und wir werden später sehen, daß auch die Ver-
nichtung von Waldbeständen und die Abnahme der Bodenkultur zu
diesem traurigen Resultate führen kann, ohne daß die mittlere jährliche
Niederschlagsmenge sich wesentlich zu verändern braucht. Es kann
dies namentlich der Fall sein in Ländern, wo keine winterliche
Schneedecke allmählich das Wasser in den Boden versinken läßt,
und der Regen sich nur auf wenige Monate beschränkt. Allen
Zeugnissen gegenüber steht die durch Baudenkmäler verbürgte That-
sache fest, daß der tunesische Schott-el-Djerid in der römischen
Kaiserzeit ebenso spärlich mit Wasser gefüllt war, wie heutzutage.
Wie Reichelt15 urkundenmäßig nachwies, hatte der Weinbau in
Deutschland um das Jahr 1000 seine größte Ausbreitung erreicht,
selbst nach Niederbayern, Thüringen und Brandenburg war er vor-
gedrungen. Hat sich seitdem das Klima verschlechtert? Nichts
zwingt uns zu diesem Schlüsse. Der kirchliche Gebrauch des
Weines bei der Messe ließ es, besonders den Klöstern, wünschens-
wert erscheinen, ihn überall anzubauen, wo er in günstigen Jahren
eben noch fortkommt; die Güte des Erzeugnisses spielte dabei
keine Rolle. Je mehr sich aber der Geschmack und die Verkehrs-
mittel verbesserten, desto mehr zog sich der Weinbau in Gegenden
zurück, wo er noch als ein lohnender Zweig der Landwirtschaft
betrieben werden kann. Sehr oft werden Kulturen aufgegeben, weil
sich ihr Erträgnis aus äußeren Gründen vermindert. So verschwindet
allmählich der Maulbeerbaum aus Südtirol, weil die Konkurrenz der
ostasiatischen Seide zu mächtig geworden ist, und in einigen Jahr-
hunderten könnte ein Gelehrter daraus eine Klimaänderung folgern,
wenn ihn nicht die zahlreichen Geschichtsquellen der Gegenwart
über die wahren Ursachen belehren würden. Ganz in das Gebiet
der Sage gehören die Nachrichten vom einstigen Kornreichtume
Islands, von skandinavischen Ansiedlungen an der Ostküste Grön-
lands, von der Gangbarkeit alpiner Pässe, die jetzt vergletschert
sind u. s. w. Sie sind alle teils durch Untersuchungen an Ort und
Stelle — wie in Grönland — , teils durch die historische Kritik
widerlegt worden, was natürlich nicht verhindern wird, daß man
sie von Zeit zu Zeit immer wieder einem leichtgläubigen Publikum
auftischen wird.
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Das Klima.
189
Einfluß des Waldes. Die schwierigste und am meisten umstrittene
Frage ist die nach dem Einflüsse des Waldes auf das Klima. Dali
er als Windbrecher wirkt, ist eine tägliche Erfahrung; er bietet
dadurch ebenso Schutz wie ein Gebirge, nur in geringerem Grade.
Alle anderen Einflüsse werden aber vielleicht überschätzt. Jeden-
falls haben die verschiedenen Untersuchungsmethoden verschiedene
Ergebnisse geliefert. Wenn man, wie es z. B. Woeikow that, große
Waldgegenden mit unbewaldeten vergleicht, so scheinen überall die
ersteren sich durch niedrigere Jahrestemperatur, geringere Wärme-
schwankungen und reichlichere Niederschläge vor den letzteren aus-
zuzeichnen. Diese Methode ist aber nicht einwandfrei, weil man
möglicherweise dem Walde zuschreibt, was in der That eine Wir-
kung anderer Faktoren ist Es ist jedenfalls auffallend, daß die
forstlich-meteorologischen Beobachtungen in Deutschland, Österreich
und Schweden einen so weit reichenden Einfluß nicht erkennen
lassen.1“ Es ist zwar festgestellt, daß die Lufttemperatur unter den
Baumkronen etwas niedriger ist als in den Lichtungen und hier
wieder etwas niedriger als an den benachbarten Freilandstatiouen,
aber im Jahresmittel nur um etwa 1/4°. Auch sind die Schwan-
kungen im eigentlichen Walde geringer, als in der Lichtung und
im Freilande, denn das Laubdach schützt namentlich in der Vege-
tationszeit vor intensiver Ein- und Ausstrahlung, und das echte Wald-
klima nähert sich in dieser Beziehung dem Seeklima. Gerade die
Eigenschaft des Windbrechers hindert aber das Innere des Waldes
in klimatische Wechselbeziehung zum entfernten Freiland zu treten,
nur die Temperaturverhältnisse der Baumkronen können durch Ver-
mittelung von Luftströmungen auf größere Entfernung wirken, und
zwar, wie die Erfahrung gelehrt hat, besonders in der kälteren
Tageshälfte, wenn die Baumkronen bei klarem Himmel rascher er-
kalten, als der nackte Boden. Im großen und ganzen ist also der
Einfluß des Waldes auf die Temperaturverteilung, wenigstens in
den Kulturländern unserer Breiten, ein sehr mäßiger; und niemand
wird behaupten wollen, daß sich das Isothermensystem gänzlich
umgestalten würde, wenn Europa und Asien von Ozean zu Ozean
ein einziger Wald wäre. Noch zweifelhafter ist der Einfluß auf
die Regenmenge. Es ist allerdings wahrscheinlich, daß der Wald
das Ansteigen horizontaler Luftströme durch Stauung begünstigt,
und wir wollen auch nicht leugnen, daß die Verdunstung der Pflanzen
ebenso wie der Landseen etwas zu den atmosphärischen Nieder-
schlägen beiträgt, aber das ist doch wohl nur ein ganz kleiner
Prozentsatz jener Feuchtigkeitsmenge, die das Weltmeer aushaucht.
Wenn es anders wäre, könnte der Regen nicht mit solcher Gesetz-
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190
Die Lufthülle. Daa Klima.
maßigkeit von den Küsten gegen das Innere der Festländer ab-
nehmen. Es ist beachtenswert, daß die forstlichen meteorologischen
Stationen die Lösung dieser Frage noch nicht zu fordern ver-
mochten; für uns ein Beweis, daß es sich hier nur um minimale
Einflüsse des Waldes handeln kann. Vielleicht ist es in den Tropen
anders. Blanford hat die Regenverhältnisse eines Gebietes von
ca. 160 000 qkm in den indischen Zentralprovinzen vor und nach
der Bewaldung, die 1875 begann, untersucht, und um den Einfluß
der Perioden dritten Ordnung auszuschließen, mit denen von ganz
Indien verglichen. Das Ergebnis war folgendes:
1869—75 1875—83
Wald der Zentralprovinzen 1215 1369 mm
Ganz Indien 1072 1074 „
Das betreffende Gebiet war also vor der Bewaldung um 13,
nach derselben aber um 27 Prozent regenreicher als Indien im
Gesamtdurchschnitte. 14 Prozent könnten also auf Rechnung der
Bewaldung gesetzt werden. Aber auch das erscheint uns noch nicht
ganz sicher, denn schon 1874, also vor der Wiederbewaldung,
begann dort die Regenkurve stark anzusteigen, und außerdem ist
die mittlere Regenmenge eines Landes von so gewaltigen Gegen-
sätzen, wie Indien, ein zu schematischer Wert, als daß er uns als
Vergleichsobjekt ein befriedigendes Gefühl der Sicherheit erwecken
könnte.
Litteraturnach weise. 1 Von anderen Prinzipien ausgehend, als ich,
hat Holt eine klimatische Einteilung entworfen (in den Vetenskapliga Mcd-
delanden af gcografiska foreningcn i Finland, I, 1892 — 93). — * Hahn, Die
Beziehungen der Sonnenflecken zu meteorologischen Erscheinungen, Leipzig
1877. — * Brückner, Klimaschwankungen seit 1700, Wien 1890. — 4 Richter,
Geschichte der Schwankungen der Alpengletscher, in der Zeitschrift des D. u.
Ö. Alpenvereins 1891. — 4 Blvtt, Zwei Kalktuffbildungen in Gudbrandsdalen;
Beiblatt 36 zu Enolers Botanischem Jahrbuch 1892. — 6 J. Geikie, The great
Ice Age, London 1894. — 7 Hüll, The Survey of Western Palestine, London
1886. — * Gilbert, Lake Bonneville, Washington 1890. — 9 Russell, Geological
History of Lake Lahontan, Washington 1885. — 10 Nehrino, Über Tundren
und Steppen der Jetzt- und Vorzeit, Berlin 1890. — 11 Biermann, Zur Frage
nach den Ursachen der Eiszeit; im Gymnasialprogramm Klagenfurt 1890. —
19 Dobois, Die Klimate der geologischen Vergangenheit, Leipzig 1893. —
15 Croll, Climate and Cosmology, Edinburgh 1885. — 14 Blvtt, Kurze Über-
sicht meiner Hypothese von der geologischen Zeitrechnung, in den schwe-
dischen Geologiska foreningens förhandlingar, 1890, Bd. XII. — 15 Reichelt,
Beiträge zur Geschichte des ältesten Weinbaues in Deutschland, Reutlingen
1886. — 19 Ebermayer, Die klimatische Wirkung des Waldes auf seine Um-
gebung, in der Meteorologischen Zeitschrift 1895.
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Zweiter Abschnitt.
Das Meer.1
Morphologie des Meeres.8
Mit der Luft teilt das Wasser die Eigenschaft der Beweg-
lichkeit seiner Teilchen, aber diese Beweglichkeit findet
eine Schranke in der Gestaltung des Gefäßes, das das Wasser um-
schließt.
Gliederung des Weltmeeres. Die Gliederung des Landes spiegelt
sich nur zum Teil in der des Meeres wieder. Wohl entspricht das
Adriatische Meer der langgestreckten Gestalt Italiens und der Ben-
galische Busen der Dreieckform Vorderindiens, aber zwischen der
arabischen Halbinsel und den sie begrenzenden Meereseinschnitten
finden wir keine morphologischen Beziehungen mehr. Ein so rudi-
mentäres Glied, wie die Somalihalbinsel und der nordwestliche Vor-
sprung des afrikanischen Festlandes, ist der Golf von Guinea. Schärfer
ausgeprägt sind schon die Arabischen und Bengalischen Meerbusen;
wir können sie vergleichen mit jenen Halbinseln, deren Bergzüge
sich ohne Unterbrechung im Festlandsrumpfe fortsetzen. Während
aber der Boden der genannten Golfe allmählich zur Tiefsee sich
absenkt, ist er in der Baffinbai trogförmig gestaltet, und eine Schwelle
trennt ihn von dem Becken des offenen Atlantischen Ozeans. Ein
Gegenstück dazu finden wir in jenen gebirgigen Halbinseln, die sich
mittels eines Tieflandstreifens an den Festlandsrumpf angliedern.
Macht sich die Trennung auch überseeisch geltend, indem sich die
Verbindungsstelle zwischen dem offenen Ozean und seinem Neben-
raume zu einer schmalen Pforte verengt, so entsteht ein Binnen-
meer, das unter den großen Halbinseln der Gegenwart nur ein
typisches Seitenstück findet: die Krim. Im übrigen sind auch die
Binnenmeere sehr verschieden. Bald ist die Verbindungsstelle ein
einziger schmaler Kanal, wie bei dem europäischen Mittelmeere
und Persischen Golf, bald ist sie durch insulare Mittelpfeiler in
mehrere Eingänge geteilt, wie bei der Ostsee, Hudsonbai und dem
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192
Das Meer.
Roten Meere; bald füllen diese Meere tiefe Einstürze der Erdkruste aus,
wie im Roten und Mittelländischen Meere, bald Hach schüsselförmige
Einsenkungen, wie in der Ostsee und Hudsonbai. Ganz eigenartig
sind die inselabgeschlossenen Meere in dem Bereiche zer-
trümmerter Faltenzüge. Sie sind eine charakteristische Eigentüm-
lichkeit der pazifischen Welt, die sie am West- und Nordrande
umsäumen: das Bering-, Ochotskische und Japanische Meer, die
Ostchinesische See, das Australasiatische Mittelmeer bilden eine
ununterbrochene Übergangszone zwischen dem größten Festlande
und dem größten Meere. Der Atlantische und Indische Ozean
haben nur je ein Glied dieser Art: das amerikanische Mittelmeer
und das Andamanische Meer.
Die Binnen- und inselabgeschlossenen Meere fassen wir unter
dem Namen Nebenmeere zusammen. Sie besitzen im Gegensätze
zu den offenen Busen eine gewisse Selbständigkeit, und zwar die
Binnenmeere in noch höherem Grade als die inselabgeschlossenen,
weil sie von den großen Meeresströmungen nicht berührt werden.
Sie gleichen geschlossenen Häusern mit einem einzigen Thore,
während die Meere, die durch Inselketten vom Ozean geschieden
werden, offenen Säulenhallen ähnlich sind, durch deren zahlreiche
Eingänge die Meeresströme ungehindert ein- und ausfließen können,
sofern nicht die Tiefenverhältnisse Hindernisse bereiten. Die Nord-
see zählen wir nur aus konventionellen Gründen zu diesen Neben-
meeren; in Wirklichkeit ist sie nur ein Meerbusen mit durchbohrter
Rückwand, der auch in seinem unterseeischen Relief keine Spur
von Selbständigkeit verrät.
Das Beringmeer und das Australasiatische Mittelmeer unter-
scheiden sich von den übrigen Nebenmeeren dadurch, daß sie als
Durchgangsmeere zwei Ozeane miteinander verbinden. Der
Sueskanal hat diese Eigenschaft auch dem europäischen Mittelmeere
wieder zuückgegeben und dadurch dessen Bedeutung außerordentlich
gesteigert Überhaupt muß man zugestehen, daß die Nebenmeere,
so sehr sie auch räumlich hinter dem Ozean zurücktreten — sie
machen nur 6,4 Prozent des Weltmeeres aus — und nur als gering-
fügige Anhängsel desselben erscheinen, die menschliche Entwicklung
in viel höherem Maße beeinflußten; gerade ihre verhältnismäßig
kleinen Dimensionen befähigten sie dazu, die völkerverbindende Kraft
des Meeres früher zur Geltung zu bringen, als die ungeheuere Wasser-
wiiste des offenen Ozeans. Je gegliederter diese Nebenmeere sind,
um so besser konnten sie ihre Kulturaufgabe erfüllen. In dieser
Beziehung wird das europäische oder das Mittelmeer schlechtweg von
keinem übertroffen. Durch die italienische Halbinsel zerfällt es in
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Morphologie des Meeres.
193
zwei Hauptbecken; das östliche besitzt im Adriatischen und Ägäischen
Meere zwei weitvorgreifende Glieder und spielt dem Schwarzen Meere
gegenüber selbst wieder die Bolle eines Ozeans. Einen ganz auderen
Typus repräsentiert «las Australasiatische Mittelmeer. Ohne hervor-
ragende Gliederung zeichnet es sich durch weitgehende Individuali-
sierung seiner Teile aus; namentlich die «östliche Hälfte gleicht einem
Zellengewebe, das uns noch deutlicher wird, wenn wir die Tiefen-
verhältuisse berücksichtigen. Die senkrechten und wagrechten Di-
mensionen müssen eben stets im Zusammenhänge betrachtet werden.
Ozeane und Nebeumeere
Fläche qkm
nach
Karstens
Mittlere Tiefe m
nach nach
Karstens Murray
Größte
bekannte
Tiefe
m
Arktisches Meer
12 795 850
820
4846
Hudsonbai
1 222 609
130
202
Atlantischer Ozean . . .
79 776 346
3760
4060
8341
Kanal und irische See . .
213 381
60
80 x
263
Nordsee
547 623
90
110
808 xxx
Ostsee .... ...
430 970
70
100
427
Europäisches Mittelmeer .
2 963 035
1430
1310
4400
St. Lorenz-Golf . . . . '
219 298
130
— XX
572
Amerikanisches Mittelmeer
4 584 567
2090
1970
6270
Indischer Ozean
72 563 443
3650
3860
6205
Rotes Meer
448 810
460
690
2271
Persischer Golf . . . . j
236 785
35
50
90 y
Andamanisches Meer . . j
790 550
800
— XX
3156
Großer Ozean
161 137 973
4080
4420
8515
Australasiatisches Meer . j
8 081 780
980
940
5120
Ostchinesisches Meer . .
1 242 480
140
190
nooy
Japanisches Meer ...
1 043 824
1100
950
3000
Ochotskisches Meer . . . ;i
1 507 609
1270
530
1300V
Beringmeer
2 264 664
1110
1160
3926
Golf von Californien . .
166 788
990
— XX
2904
Antarktisches Meer . . . .
15 630 000
1500
1150
3612
_ l|
Offener Ozean
341 903 612
3670
4000
8515
Neben meere
1
25 964 773
1220
1100
6270
x Nur Kanal. — x x Dem offenen Ozean zugezählt. — x*x 1»
Skagerrak.
Sofas , Physische Erdkunde. 2. Aufl. 13
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194
Das Meer.
Unterseeische Böschungen. Der ozeanographische Zweig der
physischen Erdkunde war bis in die letzten Jahrzehnte ein seltsames
Gemisch von wahren und falschen Vorstellungen, guten Beobach-
tungen und willkürlichen Annahmen; und erst die wissenschaftlichen,
mit zuverlässigen Apparaten ausgerüsteten Seeexpeditionen, die seit
den sechziger Jahren begannen, und unter denen die des britischen
Kriegsschiffes „Challenger'1 (1872 — 76)3 besonders hervorragt, haben
eine wissenschaftliche Meereskunde begründet. Ihnen, sowie den
zahlreichen Kabellegungen verdanken wir zunächst eine richtigere
Vorstellung von der Tiefe und Beschaffenheit des Meeresbodens.
Aber selbst unsere neuesten und besten Isobathenkarten 4 lassen
mehr ahnen, als sie wirklich darstellen, da die Lotungen nicht bloß
verhältnismäßig spärlich, sondern auch sehr ungleichmäßig verteilt
sind. Sie drängen sich dichter in der Nähe der Küsten, wo das
praktische Bedürfnis der Schiffahrer schon früh zu Tiefenunter-
suchungen führte, während die weiten Flächen des offenen Ozeans
nur von vereinzelten Lotungsreihen durchfurcht sind. Glücklicher-
weise wird dieser Übelstand dadurch gemildert, daß der Meeres-
boden im großen und ganzen ebener ist als die Oberfläche
des Festlandes. Es fehlt dort das mannigfaltige Relief unserer
Gebirgslandschaften, ja es ist fraglich, ob die faltende Kraft, die
unsere Hochgebirge geschaffen hat, unter dem Wasser überhaupt
thätig ist. Zwei andere Faktoren, die die Details der überseeischen
Bodenformen herausmodellieren, die Verwitterung und die Erosion,
fehlen dem Meeresboden ganz oder wirken doch in einer anderen
Weise. Die Verwitterung fehlt, denn der Meeresboden ist gänzlich
vor dem Einflüsse der Atmosphärilien geschützt: und wenn auch das
Seewasser eine zersetzende und auflösende Wirkung auf den festen
Meeresgrund ausübt, so geht dieser chemische Prozeß doch außer-
ordentlich langsam vor sich, und seine Produkte werden nicht durch
Winde und fließendes Wasser nach fernen Gegenden entführt, son-
dern lagern sich an Ort und Stelle wieder ab. Zwar ist auch das
Meerwasser bewegt, aber seine mechanischen Wirkungen reichen
nicht tiefer als bis 200 m, und sind auch anderer Art, als die der
Flüsse: sie gehen ins Breite und schaffen keine Rinnen. Mit Einem
Worte: die tieferliegenden Teile des Meeresbodens sind nicht ein
Reich der Zerstörung, sondern der Ablagerung, und Ablagerung
schafft in der Regel nicht neue Unebenheiten, sondern sucht die
vorhandenen zu mildern und auszugleichen.
Daher zeichnen sich die submarinen Erhebungen durch vor-
wiegend sanfte Böschungen aus. Von der Küste sinkt der Meeres-
boden gewöhnlich langsam bis 200 m Tiefe, dann steiler bis 3000 m
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Morphologie des Meeres.
195
und verläuft dann ganz allmählich bis zu noch größeren Tiefen.
Als Beispiel diene ein Durchschnitt durch den Atlantischen Ozean
in 10° s. B. von Afrika bis zum Rande des westlichen Beckens.
Tiefe
Böschung
Küste — 200 m
0°
14'
200—1000 „
1
50
1000—2000 „
1
9
2000—3000 „
1
9
3000 -4000 „
0
34
4000-5000 „
0
11
Ostatlantisches Becken
—
5000—4000 m
0
4
4000—3000 „
0
10
Verbindungsrücken
-
3000—4000 m
0
23
4000— 5000 „
0
15
5000—6000 „
0
11
Westatlautisches Becken
—
Die größten Böschungen am afrikanischen Sockel entsprechen
ungefähr dem Gefälle mäßig steiler Alpenthäler (Sillthal in Tirol
z. B. 1° 27'), die Abdachungsverhältnisse der Tiefsee aber denen
unserer Tiefebenen; so senkt sich z. B. die Poebene vom Rande der
Alpen unter einem mittleren Winkel von 0° 8' gegen die mittlere
Flußrinne, und die durchschnittliche Abdachung der westdeutschen
Tiefebene zwischen dem Wiehengebirge und der Hadelnküste er-
reicht kaum den Wert von 0° 1'. Eine so völlige Horizontalität
mag wohl auch das ostatlantische Becken besitzen, das in unserem
Durchschnitte so breit ist, wie Mitteleuropa zwischen Genua und
Schleswig; als größte Tiefe wurde weiter südlich 5600 m gelotet.
Der Verbindungsrücken erhebt sich zwar bis zu der ansehnlichen
Höhe von 3000 m über die Becken, aber der Anstieg von Osten wie
der Abstieg nach Westen verlaufen ganz allmählich, wenn auch der
letztere etwas steiler ist. Die Breite des Rückens selbst ist etwa
gleich der Entfernung Berlin- Braunschweig, sein höchster bekannter
Punkt in dieser Gegend liegt 2640 m unter dem Meeresspiegel.
Steilere Abfälle, als wir hier kennen gelernt haben, kommen
aber an den Rändern der Festländer und ihrer unterseeischen Sockel
häufig vor. Die britischen Inseln ruhen auf einer ausgedehnten
Platte von 200 m Tiefe. Gehen wir von der westirischen Küste unter
55° B. nach Westen, so finden wir den Rand jener Platte erst in
102 km Entfernung, was einem Abfallswinkel von kaum 0° 7' ent-
spricht. Dann ändern sich die Verhältnisse plötzlich; von 200 bis
500 m Tiefe beträgt die Böschung schon 1° 43', von 500 — 1000m
13*
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19t>
Das Meer.
2° 52', von 1000 — 2000m sogar 5° 43'. Da wir diese Abfälle aller
Wahrscheinlichkeit nach als Bruchränder zu betrachten haben, an
denen die marinen Schollen in die Tiefe gesunken sind, so müßten
wir eigentlich noch höhere Böschungswerte erwarten, und ursprüng-
lich mögen sie wohl auch höher gewesen sein, bis die ins Meer
hinausgeführten festländischen Sedimente die Bruclitlächen verhüllten.
Nach Dietrichs Untersuchungen5 hat es den Anschein, daß
die durch Bruch vom Festlande abgetrennten Inseln sich rascher ins
Meer senken, als die Kontinente seihst; die steilsten unterseeischen
Böschungswinkel — über 50°, wie sie selbst in den Gebirgen zu
den Seltenheiten zählen — finden wir aber nur hei den vulkanischen
und Koralleninseln. Auch mitten im Ozean begegnen wir manchmal
großen Tiefenunterschieden auf kurze Entfernung, teils an Ein-
brüchen, wie im Osten des Tongaarchipels (bis zu 7°), teils an iso-
lierten Bergen, die wahrscheinlich vulkanische oder sedimentäre
Aufschüttungen auf dem Meeresboden sind. Der Südabhang der
submarinen felsigen Faradayhügel (49 0 N., 29 0 W.), senkt sich unter
Winkeln von 19 bis 35°, und die Daciabank an der marokkanischen
Küste (31° N., 1 31/,0 W.) erhebt sich mit einer mittleren Böschung von
27° aus dem 4000 m tiefen Boden bis zu 90 m unter dem Meeresspiegel.
Relief des Meeresbodens (s. Karte I). An das Festland schließt
sich zunächst der Strand, jener amphibische Gürtel, der bei Hoch-
wasser Meeresboden und bei Niederwasser Land ist. Murray
schätzt die Länge aller Küsten auf 200000 km und die mittlere
Strandbreite auf 0,skm; der Strand bedeckt also eine Fläche von
IGO 000 qkm, etwa 0,<h Proz. der Meeresfläche in ihrer weitesten
Ausdehnung. Dann folgt die Kontinentalstufe oder Flachsee bis
200 m Tiefe, endlich die Tiefsee jenseits der Isobathe von 200m.
Der Gegensatz von Flach- und Tiefsee hat eine noch höhere Be-
deutung, als eine rein morphologische. Wir haben schon erwähnt,
daß bis 200 m die mechanischen Wirkungen des bewegten See-
wassers reichen, und wir können noch hinzufügen, daß auch das
Licht noch bis zum Boden der Flachsee eindringt und damit ganz
andere Lebensbedinguugen für Pflanzen und Tiere schafft, als sie
in der Tiefsee vorhanden sind.
Es ist, wenn auch nicht Gesetz, so doch Regel, daß die tiefsten
Einsenkungen nicht in der Mitte, sondern am Rande der Meeres-
becken liegen. Im Pazifischen Ozean wurden Tiefen von mehr als
8000 m nur im Westen gelotet:
44° 55' N. 152° 26' O. 8515 m
11° 24' „ 143" 16' „ 8367,,
17° 4' S. 172° 14' W. 8284,,
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Morphologie des Meeres.
197
Im Atlantischen Ozean liegt die tiefste Lotungsstelle mit 8341 m
dicht unter den Antillen in 19® 39' N., 66° 26' W., im Indischen
(6205m) ebenso dicht an den Suda-Inseln unter 11° 22' S., 116° 50' 0.
Die allerdings spärlichen Lotungen südlich von 60° slidl. B.
lassen vermuten, daß der Boden des antarktischen Meeres ein Plateau
von kaum mehr als 1000 — 1500 m Tiefe bildet. Größere Tiefen
wurden nur südlich vom Indischen Ozean gefunden, südlich vom
Großen Ozean übersteigt nur eine Messung 2000 m, und jenseits
des Polarkreises lotete Ross nur Tiefen von 350 — 1100 m. Von
diesem antarktischen Plateau senkt sich der Boden nach Norden
zu den eigentlichen ozeanischen Tiefbecken. Am einfachsten ist der
Bau des indischen Beckens, das zwischen 1883 und 1887 mehr-
fach durchquert wurde. Die 4000 m Linie umschließt beinahe den
ganzen Ozean, soweit er vom Festlaude eingerahmt ist; die Osthälfte
liegt sogar unter 5000 m.
Nach der pazifischen Seite sendet das antarktische Plateau
zwei große Ausläufer von weniger als 4000 m Tiefe; das westliche
schließt sich an Australien an und trägt die Mehrzahl der polyne-
sischen Inseln, das östliche schließt sich an Südamerika an und
ist nahezu inselleer; nur im Westen scheint es mit dem Sockel der
Paumotu-Eilande zusammenzuhängen. Beide südpazifische Pla-
teaus bergen Einsenkuugen, aber das westliche viel mehr, wie es
überhaupt ein mannigfaltigeres Relief besitzt, als irgend ein anderer
Teil des offenen Weltmeeres. Auf dem Ostplateau sind namentlich
die tiefen Einsenknngen in 25 und 26° S., unmittelbar an der
chilenischen Küste, bemerkenswert; da mehr als 7000 m gelotet
wurden, muß die Böschung des südamerikanischen Kontinental-
massivs hier eine ganz ungewöhnliche Steilheit erreichen.
Zwischen den Plateaus liegt das pazifische Tiefbeckeu, das
sich nördlich von 10® N. beträchtlich erweitert und nun von Amerika
bis zu den asiatischen Inseln sich ausbreitet. Am Nordrande senkt
es sich unter 6000, am Westrande sogar unter 8000 m.
Zwischen 25° N. und 19" S. und östlich vom 145. Meridian
w. v. Gr. fehlten, mit Ausnahme der Küstengewässer, bis 1884 Lotungen
gänzlich. Einige Andeutung gab nur der Verlauf der Flutwellen,
die bei den Erdbeben von Arica (1868) uud von Iquique (1877) von
der peruanischen Küste ausgingen, durch den fraglichen Meeresraum
sich fortpffanzten und endlich die hawaiischen Inseln erreichten.
Aus der Geschwindigkeit dieser Wellen läßt sich mit Hilfe der
Formeln von Lagrange und Rüssel die mittlere Tiefe des durch-
wanderten Meeres berechnen. Die von F. v. Hochstf.ttek6 und
Geinitz7 gefundenen Werte sind folgende:
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198
Das Meer.
Mittlere Tiefe
Arica — Hawaiische Inseln (Mittel aus zwei Berechnungen) 4691 m
Iquique— Hilo 4252 „
Iquique — Honolulu 4060 „
Die Durchquerung dieses ausgedehnten Meeresteiles durch das
italienische Kriegsschiff „Vettor Pisani“ hat die Richtigkeit dieser
indirekten Messung völlig bestätigt, denn das Mittel seiner Lotungen
zwischen Peru und Hawaii beträgt 4569 m. Uber 4000 m steigt der
Boden nur westlich von den Galapagosinseln an und unter 5000 m
sank das Lot nur an einer Stelle.
Im Atlantischen Ozean trennt ein zusammenhängender
Rücken, der die S-förmige Gestalt des Ozeans wiederholt und der
Träger der meisten vulkanischen Inselbildungen ist, die beiden west-
lichen vom östlichen Becken. Meist beträgt seine Tiefe nicht er-
heblich mehr als 2000m, und nur im Norden, wo er sich stark
verbreitet, birgt er einige Einsenkungen. Eine Abzweigung dieses
Rückens, die in der Nähe von Tristan d’Acunha vom Hauptkörper
sich loslöst und zum afrikanischen Festlande hiniiberzieht, scheidet
das Kapbecken vom ostatlantischen. x Wir werden später sehen,
wie wichtig diese Anordnung für die ozeanische Wärmeverteilung ist.
Tiefen von mehr als 6000 m sind in allen Becken mit Ausnahme des
südöstlichen gefunden worden, die meisten und die ausgedehnteste
aber im nordwestlichen. Es läßt sich schon jetzt mit Bestimmtheit
aussprechen, daß der nördliche Seeboden ein mannigfaltigeres Relief
besitzt, als der südliche, und daß in gleicher Weise der westliche
vor dem östlichen ausgezeichnet ist.
Der nordatlantische Rücken geht endlich in das breite islän-
dische Plateau Uber, das von der flachen Nordsee nach Grön-
land hinüberzieht; seine höchsten Teile, südlich von den Färöer
und in der Dänemarkstraße, nähern sich bis auf 649, bezw. 660 m
dem Meeresspiegel. Jenseits dieser Erhebung setzt sich das at-
lantische Thal im Eismeerbecken fort, das zwischen Spitz-
bergen und Grönland seine größte bekannte Tiefe erreicht. Diese
atlantische Tiefenlinie ist die wahre Grenze zwischen der
alten und neuen Welt, während im Beringmeere eine Flachsee
beide Landfesten verbindet. Die größte Tiefe der Beringstraße be-
trägt auf Dalls Messungslinie nur 52 m und damit hängt wohl auch
ihre geringe Breite im Vergleiche zu den drei isländischen Kanälen
zusammen.
x Da auf Karte I die Isobathen nur in Abständen von 2000 m gezeichnet
sind, kommen einige Erhebungen nicht zur Darstellung.
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Morphologie des Meeres.
199
Von den Reliefverhältnissen des übrigen arktischen Meeresbodens
wissen wir nur wenig, aber dieses wenige läßt uns vermuten, daß
die Flachsee hier außerordentlich große Räume einnimmt. Da nur
verhältnismäßig schmale Meeresströme das polare Wasser nach Süden
entführen, so häufen sich die von den großen Flüssen, hauptsäch-
lich Sibiriens, herbeigeführten Sedimente auf dem arktischen Meeres-
boden wie in einem See an und erhöhen ihn beständig. Dazu kommen
noch die Moränenlasten der Eisberge, über deren Massen man freilich
nichts Näheres weiß, und Fetzen des Meeresbodens, die an das
Grundeis anfrieren, mit ihm in die Höhe steigen und wandern. Doch
dürften die Eisberge für das antarktische Meer von größerer Be-
deutung sein, als für das nordpolare. Die über 700 km lange Neu-
fundlandbank, die sich genau an der Stelle befindet, wo das von der
polaren Meeresströmung mitgeführte Eis mit dem warmen Golfstrome
zusammentrifft, wurde nach Rodman8 mehr durch den Detritus des
Feldeises aufgehäuft, und wächst noch in die Höhe. Andere
Meeresräume mögen, wie Hahn auseinandergesetzt hat, ihre Flach-
heit den Gletschern der Eiszeit direkt oder indirekt (durch Eisberge)
verdanken. Dieser Gesichtspunkt mag auf die Ostsee, auf die Hud-
sonbai, auf das Meer bei Patagonien und vielleicht auch auf das
Beringmeer und die Nordsee Anwendung finden (wenn sich auch
wohl nie mit Bestimmtheit wird ermitteln lassen, bis zu welchem
Grade diese Anwendung gestattet ist), aber keinesfalls auf die austra-
lischen Flachseen, auf die Sundasee, das Ostchinesische und Per-
sische Meer, zu deren Gestaden keine diluvialen Gletscher herab-
stiegen.
Den soeben genannten flachen Nebenmeeren stehen die
tiefen gegenüber, doch sind auch diese weniger tief, als die ozea-
nischen Becken, und nur an wenigen Stellen sank das Lot über
4000 m. In der Regel sind sie trogartig gestaltet, so daß die ozea-
nischen Ausgangspforten flacher sind, als der innere Raum; ein
Umstand, der für die vertikale Wärmeverteilung besonders wichtig
ist. Am typischsten ist die Trogform im Roten Meere ausgeprägt;
die tiefste Stelle liegt fast genau in der Mitte. In anderen Meeren
ist der Boden unebener; am mannigfaltigsten ist das Relief des
australasiatischen, amerikanischen und vor allem des europäischen
Mittelmeeres. Das Eingangsthor zwischen den Kaps Trafalgar und
Spartel ist meist weniger als 200 m tief, und nur einige Durchfahrten
reichen unter 400m hinab; aber schon zwischen Gibraltar und Ceuta
erreicht die Tiefe 800 m und darüber. Das Mittelmeer selbst gliedert
sich in drei Becken von mehr als 2000m Tiefe; das westliche er-
reicht eine Maximaltiefe von 3149m, das tyrrhenische eine solche
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200
Das Meer.
von 3731 m, das östliche eine solche von 4400 m. Corsica mit Sar-
dinien und Italien mit Sizilien und dem tunesischen Landvorsprunge
bilden die Scheidewände; in der sizilischen Straße beträgt selbst die
größte Tiefe nur 454 m. Das zur Hälfte Hache Adriatische Meer
{Maximaltiefe 1590 m) und der Pontus (2618 m) sind echte Binnen-
meere. das Marmarameer (größte Tiefe 1344 m) ein solches mit zwei
Ausgängen, das Agäische Meer (größte Tiefe 2250m) eine durch
Inseln abgeschlossene Bandbildung. Auch hier bestätigt sich somit
das Gesetz, daß die Bandmeere Haclier sind als das Hauptmeer.
Das amerikanische Mittelmeer zerfällt durch Land vorsprünge
und Inseln, nämlich durch Yukatan — Cuba und Mosquitoland —
Jamaica — Haiti, in drei Becken, von denen das mittlere eine Tiefe
von 6270 m erreicht. Ganz eigenartig ist das Belief des austral-
asiatischen Mittelmeeres. Zwischen den größeren Inseln und Insel-
gruppen sinkt der Boden zapfenförmig zu isolierten Tiefen von 4300
bis 5120m hinab, während die Tiefe der sie untereinander und mit
dem Ozean verbindenden Meeresteile nur zwischen 700 und 1800 m
schwankt. Rasche Bodensenkungen von geringer Ausdehnung sind
zwar dem ganzen westpazifischen Ozean eigen, aber nirgends ist
dieser Charakterzug schärfer ausgeprägt, als zwischen Formosa,
Borneo und Neuguinea.
Bedeckung des Meeresbodens.1' Nur an wenigen Stellen berührt
das Lot Felsboden, meist ist der Grund des Meeres mit lockerem
Material bedeckt. Die geologische Arbeit nimmt eben ungestörten
Fortgang; die Ablagerungen in den Meeren sind die eigentlichen
Alluvionen. Nach Ursprung und Beschaffenheit unterscheidet man
kontinentale und pelagische Ablagerungen. Das Material zu
den ersteren liefert teils die von den Meereswogen beständig benagte
Küste, teils das Innere der Festländer, deren Zerstörungsprodukte
durch die Flüsse dem Meere zugeführt werden. Stets wird das Material
einem natürlichen Schlemmprozesse unterworfen. Die gröberen Stücke
bleiben in der nächsten Nachbarschaft der Küste, der Sand wird
etwas weiter hinausgeführt, der Schlamm am weitesten. Die Küsten
werden also in der Regel von Sandablagerungen begleitet. Dort
wo sich zwei einander entgegenkommende sand- und schlamm-
beladene Strömungen treffen, lassen sie ihre Last zu Boden fallen
und bauen jene für die Schiffahrt so gefährlichen Sandbänke oder
Barren auf, die oft auf viele Kilometer Erstreckung den Küsten
entlang ziehen. Manche steigen dauernd Uber den Seespiegel em-
por, manche nur zur Ebbezeit, manche — und diese sind die ge-
fürchtetsten — verbergen sich stets unter dem Meeresspiegel.
Häutig werden sie von Einsenkungen unterbrochen, die den Schiffen
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Morphologie des Meeres.
201
als Durchfahrten dienen, aber die Lage und Tiefe dieser Kanäle ist
vielfachen Veränderungen unterworfen. Andere Barren sind nur zur
Flutzeit und auch dann oft nur mit kleinen Fahrzeugen passierbar.
Kies, Sand und Schlamm bedecken den Strand und die Flach-
see, die feinsten erdigen Massen oder der Schlick, x an deren Zu-
sammensetzung sich bereits auch Meeresorganismen in hervorragen-
dem Maße beteiligen, treten aller schon in die Tiefsee hinaus, umsäumten
die submarinen Abdachungen der Festländer und Inseln und erfüllen
den Boden der tieferen Nebenmeere mit Ausnahme des amerikanischen.
Es ist besonders beachtenswert, daß nicht bloß im nördlichen Eis-
meere, soweit es Hach ist, sondern auch im südlichen nur solcher
Schlick gefunden wird, denn er kündet deutlich die Nähe eines antark-
tischen Festlandes an Weitaus am verbreitetsten ist der blaue
Schlick, der seine Farbe der Beimengung von organischer Substanz
und Eisensulfid verdankt. Große Mengen von Glaukonitkömem. die
meist Steinkeme von Foraminiferen bilden, färben den Schlick grün;
die ockerhaltigen Sedimente, die die großen südamerikanischen
Ströme in das Meer führen, geben den Schlickablagerungen an der
brasilianischen Küste eine rote Farbe. Vulkanische Gestade liefern
grauen Schlamm und Sand, Korallenriffe eine amorphe kalkige Masse,
in der organische Bestandteile in der Form von Korallentrümmern
und Schalen größerer und kleinerer Meerestiere bereits überwiegen
(vgl. Tab. S. 205).
Den eigentlichen Boden der Ozeane — eine Fläche, doppelt
so groß als das gesamte Festland — bedeckt organischer Schlamm
und roter Thon. Auch in Bezug auf die Verbreitung der marinen
Lebewesen haben die Untersuchungen in den letzten Jahrzehnten
zu überraschenden Resultaten geführt Allerdings erlischt das Pfianzeu-
leben mit dem Sonnenlichte schon ca. 200 — 250 m unter dem See-
spiegel, aber das Tierleben kennt keine Tiefengrenzen, wenn es auch
am reichlichsten in der obersten und in der untersten Region ent-
wickelt ist Die Tierleichen fallen zu Boden, uud ihre festen Be-
standteile schichten sich hier in so enormen Massen auf, daß z. B.
der „Travailleur“ an der tiefsten Stelle des biskayschen Meerbusens
(5100 m) in einem Kubikcentimeter Schlamm 116 000 Foraminiferen
und Radiolarien fand. Diese mikroskopischen Wurzelfüßer sind auch
hauptsächlich die Baumeister des organischen Tiefseeschlammes, an
dessen Zusammensetzung sich aber auch unorganische Massen, Mineral-
partikelchen und feinster Schlamm, beteiligen. Diese Massen stammen
x Die Engländer unterscheiden Ooxe und Mud. Meist übersetzt man
ersteres mit Schlamm, letzteres mit Schlick; andere bezeichueu Ooxe als Erde
und Mud als Schlamm.
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202
Das Meer.
zum Teil noch vom Festlande, ja nach Gümbels Untersuchungen
der von der „Gazelle“10 mitgebrachten Bodenproben scheint sogar
noch feinster Flußdetritus mit Hilfe der Meeresströmungen weit
in den offenen Ozean hinaus zu gelangen. Auch den Winden fällt
eine wichtige Vermittlerrolle zu, indem sie Staub und vulkanische
Asche weit über die Ursprungsstätte hinaus verbreiten. Wohl nirgends
spielen die ozeanischen Staubfälle eine größere Rolle, als im Gebiete
der C'apverdischen Inseln; aber gelegentlich werden auch westlichere
Gegenden heimgesucht. Der küstenfernste Punkt, von dem bisher
roter Passatstaub gemeldet wurde, liegt in 40, b° N. und 37, a° W.;
der Staubfall am 12. Februar 1882 bedeckte ein Areal von ca.
527 300 qkm, fast von der Ausdehnung des Deutschen Reiches. Wirk-
liche Staubfälle kommen allerdings durchschnittlich nur acht bis neun-
mal im Jahre vor, aber häutig ist die Luft über den capverdischen
Gewässern mit Staub erfüllt, und weiter gegen die afrikanische
Küste zu sind die unerwünschten trockenen Nebel eine beständige
Erscheinung. Seit Hellmanns und Dinklages11 Untersuchungen
kann es keinem Zweifel mehr unterliegen, daß der nordatlantische
Passatstaub aus der Sahara stammt, nicht wie seiner Zeit Ehbenbebu
annahm, aus Südamerika.
Einer noch größeren Verbreitung ist die feine Asche fähig, die
bei vulkanischen Ausbrüchen oft in kolossalen Mengen in die Luft
geschleudert wird. Man schätzt die Totalmenge der Auswurfstoffe
bei dem berühmten Krakatau-Ausbruche im Jahre 1883 auf 18 Mil-
louen cbm. Der Aschenfall, der bis zu 60 mm Mächtigkeit anschwoll,
erstreckte sich von Singapore im Norden, bis zu den Cocosinseln
im Süden, und von Benkulen (Sumatra) im Westen bis Patuha (Java)
im Osten, d. h. über ein Gebiet von 827 000 qkm. Ganz unver-
gleichlich ausgedehntere Wanderungen unternahmen aber jene feinsten
Aschenmengen, die in die oberen Luftströmungen gelangten und
von diesen zunächst über den ganzen Aquatorialgürtel und dann
polwärts getragen wurden. Namentlich auf der Nordhalbkugel war
die Luft nahezu vollständig mit Asche durchsetzt, und erzeugte
dadurch die prächtigen Dämmerungserscheinungen und sonstigen
optischen Phänomene im Herbste und Frühwinter 1883, wie ähnliche
auch schon früher nach großen vulkanischen Ausbrüchen (1818 und
1831) beobachtet wurden.1*
Solche gelegentliche kontinentale Spenden stehen aber in ihrer
Bedeutung für die pelagischen Ablagerungen jedenfalls zurück gegen
die Stoftmengen, die die vulkanischen Ausbrüche auf dem Meeres-
boden selbst liefern. Aus Rudolphs Untersuchungen,13 von denen
wir bei einer anderen Gelegenheit ausführlicher sprechen werden, geht
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Morphologie des Meeres.
203
mit Bestimmtheit hervor, daß solche submarine Ausbrüche überall
Vorkommen, in der Flach-, wie in der Tiefsee, auf den Rücken und
Plateaus, wie in den Becken des Meeresgrundes. Asche und Bims-
stein bedecken oft weithin die Meeresfläche, manchmal in solchen
Massen, daß sie Schiffe am Weiterfahren hindern, und sinken nur
sehr langsam zu Boden. Erwähnt wurde schon, daß das Seewasser
den Felsengrund des Meeres chemisch zersetzt; auch diese Zer-
störungsprodukte, die der Verwitterungserde des Festlandes ent-
sprechen, beteiligen sich am Aufbaue der anorganischen pelagischen
Ablagerungen; und endlich gesellt sich dazu auch noch etwas kos-
mischer Staub in der Form kleiner Kügelchen mit metallischem
Kern oder kristallinischer Struktur. Das Wachstum dieser Sedimente
geht äußerst langsam vor sich, jedenfalls viel langsamer, als das
der kontinentalen Ablagerungen, und langsamer auch, als die Auf-
schüttung auf den Erhebungen des Tiefseebodens. Denn hier tritt
ja noch das organische Element hinzu. Allerdings bevölkern
jene Myriaden winziger Organismen, die man jetzt unter dem Namen
Plankton zusammenfaßt, * gleichmäßig die tiefsten, wie die seichteren
Gewässer, und ununterbrochen geht ein Regen von Kalkgehäusen
zu Boden. Aber je tiefer sie gelangen, desto rascher verfallen
sie der Zerstörung, da der Kohlensäuregehalt des Meerwassers mit
der Tiefe zunimmt, und außerdem kohlensäurehaltiges Wasser unter
hohem Drucke mehr kohlensauren Kalk aufnimmt, als unter dem
gewöhnlichen Luftdrucke. Daraus erklärt es sich, daß der Kalk-
schlamm nur die mäßiger tiefen Abgründe des offenen Ozeans
bedeckt. Die größte Verbreitung hat der Globigerinenschlamm,
besonders im Atlantischen Ozean (58 Mill. qkm); auch im Indischen
Ozean, wo er den Westen und Norden einnimmt, herrscht er noch
vor, während er im Großen Ozean der Hauptsache nach auf die
polynesischen Plateaus beschränkt ist Seinen Namen führt er von
der Foraminiferengattung Globigerina, deren Schalen weitaus über-
wiegen. Besonders gerne folgt sie den warmen Meeresströmungen,
und ihre weite polare Verbreitung im Atlantischen Ozean verdankt
sie nur dem Golfstrome.
* Hackel teilt die Salzwasserorganismen nach ihrer Lebensweise in drei
Klassen: das Benthos (ßer&o; — die Tiefe) umfaßt alle festliegenden, laufenden
und kriechenden Organismen, die also an den Meeresboden gebunden sind ; das
Plankton (nlaväco = umherschweifeu) alle schwimmenden Organismen, die
widerstandslos den Bewegungen des Meeres folgen; das Nekton (ri?xröc =
schwimmend) endlich die kräftigeren Schwimmer, die auch gegen die Strömung
sich bewegen können. Zu den pelagischen Ablagerungen trägt das Plankton
am meisten bei.
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204
Das Meer.
Auf dem mittleren Rücken des sudatlantischen Ozeans nimmt
der Globigerinenschlamm durch die massenhafte Anhäufung von
Molluskenschalen, besonders von Pteropodeu und Heteropoden, einen
besonderen Charakter an. Man hat diese lokal beschränkte Abart
des Kalkschlammes als Pteropodenschlanun bezeichnet.
In den höheren antarktischen Breiten scheinen die feinen Kiesel-
panzer der mikroskopischen Algenordnung der Diatomaceen dieselbe
Rolle zu spielen, wie die Globigerinenschalen in den übrigen Meeren.
Freilich ist es noch sehr fraglich, oh der Diatomeenschlamm,
der übrigens auch einen großen Prozentsatz kohlensauren Kalkes ent-
hält, wirklich ein ununterbrochenes breites Band um das südliche
Eismeer schlingt, wie es Mübsats marine Bodenkarte darstellt, da
er ja nur an fünf Stationen des „Challenger“ beobachtet wurde. Sonst
hat man ihn nur noch in der Nähe der Kurilen gefunden.
In allen diesen Ablagerungen bilden die anorganischen Bestand-
teile nur ca. */3, im roten oder Tiefseethon aber ®/10 der Proben.
Im Atlantischen Ozean bedeckt dieser die tiefsten Einsenkungen der
Becken, während die Rücken und Plateaus — wie schon erwähnt —
Globigerinenschlamm einnimmt; im Indischen Ozean nimmt der rote
bis schokoladenbraune Thon den tieferen Osten ein; im Pazifischen
Ozean gewinnt er aber seine größte Verbreitung (106 MUL qkm),
im Nord- und Ostbecken herrscht er nahezu ausschließlich. Er
besitzt alle physikalischen und chemischen Eigenschaften eines echten
Thones; er ist weich, plastisch, schmierig; seinem Hauptbestandteile
nach kann man ihn als ein Thonerde-Silikat-Hydrat bezeichnen, wie
es aus der chemischen Zersetzung vulkanischer Auswürflinge hervor-
geht. An einigen der tiefsten Stellen des Indischen und Großen
Ozean mischen sich mit ihm die kugeligen Kieselgerüste der Ra-
diolarien oder Gittertierchen in solchen Mengen, daß man sich
genötigt gesehen hat, ihn als eigene Art unter dem Namen Radio-
lar i e n s c h 1 am m auszuscheiden.
Übersicht der Meeresablagerungen.
Pelagische
Ablagerungen
Bestandteile in Prozenten
Tiefengrenze
m
Areal
Mill.qkin
Kalk-
haltige
Organismen
Kieselsäure-
haltige
Organismen
Anorgau.
Alt-
lagerungen
Roter Thon
7
2
91
4100—7200
133,4
Radiolarienschlamm . .
4
54
42
4300-8200
5,e
Diatomeenschlamm . . .
23
41
36
1100-3600
28,3
Globigerinenschlamm . .
64
2
34
700—5400
128,3
Pteropodenschlamm . .
79
3
18
700—2800
i,o
Summe d. pelag. Ablag. .
-
—
-
—
296.»
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Morphologie des Moore«. 205
Kontinentale
Ablagerungen.
Bestandteile in Prozenten
Tiefen grenze
m
Areal
Mill.qkm
Kalt,-
haltige
Organismen
Kieselsäure- Anorgan.
haltige , Ab-
Org an Ismen i lagerungen
Blauer Schlick ....
13
3 1
84
200— 3100
37,6
Köter Schlick ....
32
i
67
200—2200
C,s
Grüner Schlick ....
25
14
fit
200—2800
1 ■) ..
Grüner Sand
50
8 i
42
unter 1600
( ’
Vulkanischer Schlamm
20
o
78
600—5100
l
Vulkanischer Sand . . .
20
i
70
200 - Mio
1
Korallenschlarom . . .
86
1
18
200 — 3300
'1 7,o
Korallcusand
87
5
8
unter 500
1
Summe d.koutinent. Ablag.
—
- 1
40,4
Permanenz der ozeanischen Becken. Da es auf dem Festlande
keinen Punkt giebt, der nicht ein oder mehrere Male Meeresboden
gewesen ist; da nachweisbar nach längeren Kontinentalperioden das
Meer weite Festiftndsrüume überflutete (Transgression), so muß man
erwarten, unter den Schichten, die unseren Hoden zusammensetzen,
sämtliche Vertreter der heutigen Meeresablagerungen wiederzufinden.
Pas ist bis zu einer gewissen Grenze in der That auch der Fall.
Soweit unsere Sedimentgesteine nicht auf festländische Bildungen
zurückzuführeu sind, lassen sie sich nicht nur als alte Strand- und
Flachsee-, sondern auch als alte Kontinentalablagerungen der Tiefsee
ohne Schwierigkeit erkennen. Schreibkreide und Nummulitonkalke
sind höchstwahrscheinlich alte pelagische Ablagerungen, die sich
unter denselben Verhältnissen niederschlugen, wie heutzutage der
Globigerinenschlamm. Nur dem roten Thone ist man in keiner For-
mation wiederbegegnet, und es ist dies um so auffallender, als er
fast ein Drittel des ganzen Meeresbodens einnimmt. Man hat daraus
geschlossen, daß die ozeanischen Becken, wenigstens die von
mehr als 4000 m Tiefe, von jeher mit Meer bedeckt waren; der
Wechsel von Land und Wasser würde sich also nur auf ca. (13 Pro-
zent der Erdoberfläche vollzogen haben und wohl auch in Zukunft
darauf beschränkt bleiben.
Diese Annahme würde an Festigkeit gewinnen, wenn es sich
bestätigen sollte, daß die ozeanischen Krustenteile dichter sind, als
die kontinentalen (vgl. S. 12).
Anderseits sprechen dagegen sowohl Thatsacheu der Tier- und
Pflanzenverbreitung, wie auch geologische Gründe. Die erstcren
lassen zum Teil wenigstens auch eine Deutung im Sinne der Per-
manenz der Ozeane zu, zwingender sind dagegen die letzteren. Die
Bruchränder, die jetzt die Gestade des Atlantischen und westlichen
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206
Das Meer.
Indischen Ozeans bilden, weisen darauf hin, daß Teile alter Fest-
länder in das Meer gesunken sind, und die Verteilung der oberjuras-
sischen Organismen verlangt anscheinend ebenso gebieterisch eine
von der gegenwärtigen wesentlich abweichende Anordnung von
Wasser und Land. Von so verschiedenen Gesichtspunkten aus-
gehend, gelangten Süss14 wie Neumayr15 zu demselben Schlüsse,
daß sowohl der Atlantische, wie der Indische Ozean jugendlichen
Alters sind und wenigstens in der Jurazeit zum großen Teil noch
von Land eingenommen wurden. Neumayrs kartographische Dar-
stellung der Verteilung von Wasser und Land in der Juraperiode
zeigt an Stelle des nord- und südatlantischen Ozeans zwei Fest-
länder, in denen Teile der alten und neuen Welt miteinander ver-
schmelzen. Sie werden in der Gegend jener großen Bruchzone,
die noch heute einer der charakteristischesten Züge im Antlitze der
Erde ist (s. Fig. 7 S. 25), durch das zentrale Mittelmeer geschieden,
von dem nur in den europäischen und amerikanischen Mittelmeeren
noch dürftige Reste und auch diese nur in vielfacher Umgestaltung
erhalten sind.
Die Anhänger der Lehre von der Permanenz der Ozeane stellen
sich die geologische Entwicklung der Erdoberfläche meist in der
Weise vor, daß die heutigen Kontinente im Laufe der Zeit aus
immer größer und zahlreicher werdenden Inseln zusammenschmolzen.
Es läßt sich übrigens auch die Annahme, daß das Verhältnis von Wasser
und Land stets das gleiche geblieben sei, mit dem Lehrsätze der
Permanenz sehr wohl vereinigen, denn es giebt genug seichte Meeres-
räume, besonders auf den Polarkalotten, die über den Wasserspiegel
emporsteigen konnten, wenn das jetzige Land unter denselben versank,
und umgekehrt. Ja selbst die Landkonstruktionen von Suess und
Neumayr stehen in keinem unlöslichen Widerspruche zu der That-
sache, daß der rote Thon in den geologischen Formationen nicht
vertreten ist, denn wir kennen weder das Maß des Wachstums
und die Mächtigkeit dieser Tiefseeablagerung, noch die Länge der
geologischen Perioden. Der Schluß, daß diejenigen Meeresteile, die
heute im Niveau des Tiefseethones liegen, immer in demselben ge-
legen haben müssen, ist ein ganz willkürlicher. Das einzige, was
wir folgern dürfen, ist dies: daß der Meeresboden von dem
Zeitpunkte an, wo er sich mit rotem Thone zu bedecken
begann, nicht mehr Land wurde.
Litteraturnach weise. 1 Hauptwerk v. Boouslawski und Krümmel,
Handbuch der Ozeanographie, Stuttgart 1884 — 87. Von fremdsprachigen ist
besonders Thoulet, Oeeanographie, Paris 1890, zu nennen. Berohads, Atlas
der Hydrologie und Teile des Atlas der Geologie (in Bebghaus' Physikalischem
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Das Meerwasser.
207
Atlas, Gotha 1891 u. 92). — * Krümmel, Morphologie, cit. S. 40. — * Das Chal-
lenger-Werk (Report on the scientific Results of the Voyage of H. M. S.
Challenger; herausgegeben von C. W. Thomson u. J. Murray), 1882 — 95, umfaßt
50 Bände, von denen aber 40 zoologischen Inhalt haben. Die geographisch
wichtigen Teile werden an den geeigneten Stellen citiert werden. — * Die
größten Tiefenkarten sind 1. im metrischen Maße die „Weltkarte zur Übersieht
der Meerestiefen“, herausgegeben vom Deutschen Reichsmarineamt, Berlin 1893;
2. im englischen Maße die drei Karten im I. Bde. der Summary of Results des
Challenger Report, 1895. Die darin eingefuhrte Nomenklatur können wir in
keiner Weise billigen. — 6 Dietrich, Untersuchungen über die Böschungsver-
hältnisse der Sockel ozeanischer Inseln, Greifswald 1892. — * v. Hochstetteb
in Petermanns Mitteilungen 1869, S. 222. — 7 Geinitz ebendort 1877,
S. 454. — 9 Rodman, Report on Ice and Ice Movcments in the North Atlantic
Ocean, Washington 1890. (Nr. 93 der Publikationen des U. S. Hydrographie
Office.) — 8 Murray u. Renard, Deep-Sea Deposits (Challenger Report), London
1891. — 10 Die Forschungsreise S. M. S. Gazelle, Berlin 1889 u. 1890. Bd. II
enthält die ozeanographischen Ergebnisse. — 11 Dinklaof. in den Annalen der
Hydrographie und maritimen Meteorologie 1886, S. 69 u. 113. — 11 Symons,
The Eruption of Krakatoa, London 1888; Kiesslino, Untersuchungen über
Dämmerungserscheinungen, Hamburg 1888. — 18 Rudolph, Über submarine
Erdbeben und Eruptionen, in Gerlands Beiträgen zur Geophysik, 1887. —
14 Süss , Antlitz der Erde, cit. S. 23. — 15 Neumayr, Verbreitung der Jura-
formation, in den Denkschriften der Wiener Akademie der Wissenschaften,
Mathem.-naturwiss. Klasse, 1885, Bd. L.
Das Meerwasser.
Das Meeresniveau. Im Gegensätze zu den starren Teilen der
Erdkruste ordnen sich die leicht verschiebbaren Teilchen des Meeres
nach dem Verhältnisse von Schwer- und Fliehkraft; seine Oberfläche
repräsentiert die wahre Erdgestalt (das Geoid), während die Land-
fläche unter dem Einfluß ganz anderer Kräfte in unregelmäßigen
Erhebungen und Vertiefungen verläuft. Allerdings wird auch der
Meeresspiegel von Wellen bewegt, aber dies ist immer nur ein vor-
übergehender Zustand, den wir durch eine zweckmäßige Pegelauf-
stellung an der Küste eliminieren können. Ferner unterliegt das
Meer auch der Anziehungskraft von Mond und Sonne, seine Ober-
fläche hebt und senkt sich, was wir freilich nur an der Küste, wo
Bewegtes und Festes aneinander grenzen, beobachten können; aber
aus den Ablesungen des wechselnden Wasserstandes am Pegel können
wir das mittlere Niveau oder das Mittelwasser berechnen, und
auf dieses beziehen wir unsere Höhenmessungen, während die
Tiefenmessungen von dem augenblicklichen Meeresniveau ausgehen.
Die daraus entspringende Ungleichheit der Tiefen ist indeß ohne
Belang, weil der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser im
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208
Das Meer.
offenen Ozean äußerst gering ist Endlich ist noch zu beachten,
daß das Meer infolge seiner eigenen Zusammendrückbarkeit nach
Taits Untersuchungen1 eine durchschnittliche Niveauerniedrigung
um 35 m erleidet
Wäre die Erde ein regelmäßiges Rotationsellipsoid, wie man
es bei allen Berechnungen ihrer Größe voraussetzt, so müßte das
Mittelwasser überall im gleichen Niveau liegen. Das könnte aber
nur unter der Bedingung einer ganz gleichmäßigen Massenverteilung
der Fall sein, denn jede Störung derselben verursacht eine Ver-
schiebung des Schwerpunktes und dadurch eine Ablenkung des Blei-
lotes, die sich aus der Differenz der astronomisch und geodätisch
gemessenen Entfernungen zweier Oberflächenpunkte ermitteln läßt.
Nun bestellt aber die Erdoberfläche aus tiefen wassergefüllten Becken
und mächtigen kontinentalen Anschwellungen aus festem Gestein.
An der Grenze dieser verschiedenen Teile wird, wie man zunächst
voraussetzen muß, das Lot, das uns die Richtung der Schwerkraft
anzeigt, gegen das Festland abgelenkt, und der Meeresspiegel, der als
Niveaufläche senkrecht zur Lotlinie sich stellen muß, wird hier in
die Höhe gezogen, was zur Ausgleichung natürlich eine Senkung
anderer Teile der Meeresfläche zur Folge hat. Denken wir uns der
Einfachheit wegen alle Kontinente entfernt bis auf Europa-Asien
und das Meer durch Kanäle unter dieses Festland fortgesetzt Im
Zentrum des Kontinentes (48° N., 73° 0.) würde das Geoid, bezw.
der Meeresspiegel am höchsten ansteigen, aber auch an dem ent-
gegengesetzten Punkte würde eine Niveauerhöhung eiutreten, denn
liier wirkt die Anziehungskraft der Festlandmasse am wenigsten;
gleichzeitig wird aber auch der Schwerpunkt der Erde von dem
Mittelpunkt gegen das kontinentale Zentrum hin verschoben, so
daß an dem entgegengesetzten Meridian der Abstand zwischen
Oberfläche und Schwerpunkt größer wird, als er es vor Ein-
schaltung des Festlandes war. Zwischen den beiden Erhebungen
liegen die Senkungen der Meeresfläche. Hel.meht2 fand hierfür
folgende Werte:
Abstand
vom
Festlandszentrum
Meridian
(Greenwich)
Lage der deformierten
Niveaufläche über( + )
und unter ( — | dem nor-
malen Niveau
0°
(
73° O.
143° 0.
+ 504
1 \
70°
3° 0.
- 188
180“
107° W.
+ 201
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Das Meerwasser.
209
In Wirklichkeit liegen mehrere Festländer unregelmäßig zer-
streut im Meere, und ihre Wirkungen auf das Geoid interferieren
miteinander. Helmert hat nach seinen Berechnungen eine Karte
der Geoiddeformationen entworfen, die aber nur ein theoretisches
Interesse in Anspruch nehmen darf. Unsere Kenntnis von der
Massenverteilung ist viel zu gering, als daß sich daraus schon ziffer-
mäßige Ermittlungen jener Deformationen ableiten ließen; und da
die Zahlen aller reellen Bedeutung entbehren, so schweben natür-
lich auch alle jene weittragenden Schlüsse, die man vor einigen
Jahren darauf baute, in der Luft. Die Pendelbeobachtungen, auf
die schon einmal (S. 12) hingewiesen wurde, haben nach Anwendung
der Kondensationsmethode Helmebts es im höchsten Grade wahr-
scheinlich gemacht, daß durch Massendefekte in den Kontinenten
einerseits, durch größere Dichtigkeit der ozeanischen Kruste anderer-
seits eine Ausgleichung angestrebt, wenn auch vielleicht noch nicht
erreicht wird; und 1891 konnte Helmebt seine Überzeugung dahin
aussprechen, daß die Abweichungen des Geoids von dem Normal-
ellipsoide nirgends + 200m übersteigen3.
Welche Gestaltsveränderungen auch immer der Meeresspiegel
dadurch erleiden möge, sein Charakter als Niveaufläche wird nicht
berührt Wohl geschieht dies aber durch eine Reihe anderer Ur-
sachen, einerseits durch die Verschiedenheiten des Salzgehaltes,
andererseits durch meteorologische Einflüsse. Eine genauere Kenntnis
dieser Art von Störungen verdanken wir Mohns klassischen Unter-
suchungen über das europäische Nordmeer zwischen Norwegen, Schott-
land, Island, Grönland und Spitzbergen.1 Es ist ohne weitere Erklärung
verständlich, daß das Meer, sobald es durch äußere Kräfte in seiner
Gleichgewichtslage gestört wird, bestrebt ist, durch Strömungen seinen
ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, und daß, wTenn jene Kräfte
dauernd wirken, auch die Strömungen dauernd erhalten werden. Den
größten Einfluß üben die vorherrschenden Winde und die dadurch
bewirkten Strömungen aus, die das nordatlantische Luftdruckminimum
umkreisen. Hier, von 68 0 N. 1 0 W. bis 7 1 1 /2 11 N. 3 0 0., hat auch die
Windfläche, d. h. die durch den Wind allein deformierte Meeres-
fläche, ihren tiefsten Stand, über den sie bis 0,sm an der europäi-
schen Küste, bis 0,nm bei Grönland, bis 0,6 m bei Spitzbergen und
bis 0,3 m bei Island ansteigt. Das zweite Störungsmoment sind die
Dichtigkeitsunterschiede, die von der Verteilung der Temperatur und
des Salzgehaltes abhängen. Es ist bekannt, daß verschieden dichte
Flüssigkeiten in kommunizierenden Röhren verschiedene Niveaus
einnehmen, und zwar die dichteste das tiefste. Im Meere, wo die
Gewässer von verschiedener Dichte sich vermischen können, wird
Supaj? , Physische Erdkunde. 2. Aufl. 14
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210
Das Meer.
ein oberflächliches Stromgefälle von dem höheren Niveau nach dem
tieferen entstehen. Auch die Dichtigkeitsfläche (d. h. die durch die
Dichteunterschiede allein deformierte Meeresfläche) steigt im Nord-
meere nach den Rändern an. Die Hauptdepressionen liegen nördlich
von Färöer, östlich von Island (größte Einsenkung, 0,n m unter dem
Normalniveau), östlich von Jan Mayen und westlich von der Bären-
insel. d. h. dort, wo niedere Temperatur und hoher Salzgehalt sich
vereinigen. Bei Grönland steigt die Dichtigkeitsfläche auf 0,2 — 0,6,
bei Spitzbergen auf 0,6, bei Norwegen auf 0,2 — 0,6 m über die
Normalfläche. Aus Wind- und Dichtigkeitsfläche setzt sich nun die
wirkliche Stromfläche zusammen;54 dazu kommt noch als wenig
bedeutendes Störungsmoment der verschiedene Luftdruck, der den
anderen Faktoren sogar entgegenarbeitet, weil er von der Mitte
des Meeres gegen die Küsten hin steigt. Das Enderzeugnis,
die wirkliche Meeresoberfläche, weicht nur wenig von der Strom-
ffäche ab: sie bildet eine Mulde, deren tiefster Punkt in 681/2° N.
1 0 W. liegt und dann nach allen Seiten, zuerst langsam, dann
schneller ansteigt. Das Küstenwasser bei den Färöer liegt 0,4,
bei Island, Jan Mayen und Spitzbergen 0,e, bei Finmarken 0,»,
bei Schottland 1 — l,i, bei Nowaja Semlja l,i, bei Grönland, Jüt-
land und im südlichen Norwegen 1,4 m über jener tiefsten Ein-
senkung.
Wenn meteorologische Vorgänge auf den Wasserstand bestim-
mend einwirken, so muß letzterer notwendig auch periodischen
Schwankungen unterworfen sein. Eine jährliche Periode ist für
die Ostsee und das Schwarze Meer nachgewiesen. In der ersteren
fällt, das Maximum in den August, das Minimum in den April; das
Schwarze Meer hat den höchsten Wasserstand im Mai und Juni,
den niedrigsten im Februar. Die Anschwellung an den Küsten
erfolgt also in der Regenzeit, wenn die Flüsse mehr Süßwasser ins
Meer führen und auf diese Weise nicht nur jene fast abgeschlossenen
Becken stärker füllen, sondern auch indirekt durch Verringerung
des Salzgehaltes das Niveau in die Höhe treiben. Die sekundären
Maxima, das baltische im November und das pontische im Dezember,
x AU Beispiele dienen folgende Stationen:
Beobachtungsstation
Windflfiche . . .
DichtigkeitsflSche .
Stromflfiche . . .
I 69° 18' N. 64° 36' N. 68* 21' N.
I 14° 33' 0. 10" 22' W. 2° 5' W.
Höhe über, bez. unter ( — ) dem Normalniveau.
. 0,58o m 0,io« m 0,oi«m
. 0,213 „ — 0,112 „ — 0,oi« „
. 0.703 ,, 0,08« „ — 0,001 „
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Da« Meerwasser.
211
bleiben freilich noch unerklärt. Brückner6 fand auch seine 35jährige
Periode in den Pegelablesungen an der Ostsee und im Schwarzen
Meere ausgeprägt; ja selbst das Küstenwasser des offenen Ozeans
steigt, wie die Beobachtungen an nordwestlichen Hafenplätzen Frank-
reichs zeigen, in der feuchten Periodenhälfte an (in Havre bis
0,05 m) und senkt sich in der trockenen. Hier ist offenbar die Ver-
ringerung des Salzgehaltes durch das Flußwasser das entscheidende
Moment.
Die Thatsache, daß das Mittelwasser an den Küsten in ver-
schiedenen Niveaus liegt, hat auch eine große praktische Bedeutung.
Die Höhenmessungen der einzelnen Länder hören damit auf, streng
vergleichbare Werte zu sein. Ja sogar innerhalb eines und desselben
Staates können sich diese Unzukömmlichkeiten fühlbar machen. In
Preußen wurden vor 1866 alle Höhenangaben in den östlichen Pro-
vinzen auf den Nullpunkt des Pegels zu Swinemünde, und in den
westlichen Provinzen auf den Nullpunkt des Amsterdamer Pegels
bezogen. Als sich nun Preußen durch die Einverleibung Hannovers
zu einer kompakten Ländermasse zusammenschloß, war jener hypso-
metrische Dualismus unhaltbar geworden. Man verlegte den Aus-
gangspunkt des Nivellements der Landesaufnahme seit 1879 in die
Berliner Sternwarte, wo auf dem tief fundierten Nordpfeiler der
„Normalhöhenpunkt“ angebracht ist; genau 37 m unter demselben
befindet sich die „Normalnull“, auf die alle neuen Höhenmessungen
bezogen werden. Man glaubte ursprünglich, daß sie genau im gleichen
Niveau mit dem Nullpunkte des Amsterdamer Pegels liege, in der
That liegt sie aber nach den letzten Berechnungen 0,ot m unter
demselben und 0,212 m über der Swinemünder Null. Die Schweiz,
die keine Meeresgrenzen hat, wählte als Basis ihres Nivellements
den Pierre du Niton bei Genf, dessen mittlere Seehöhe noch nicht
mit Sicherheit ermittelt ist; man nimmt jetzt als solche 373,54 m
an. In den übrigen Staaten geht man vom Mittel- oder Nieder-
wasser an der betreffenden Küste aus, und die Aussicht auf eine
gemeinsame europäische Normalnull dürfte sich nicht so bald ver-
wirklichen, seit sich auch die internationale Erdmessungskommission
dagegen ausgesprochen hat Denn unter allen Umständen müßte
diese Normalnull an das Meer verlegt werden, sonst würde man
auf jeden Vergleich der europäischen Höhen mit jenen anderer
Festländer und der Inseln verzichten; aber mit der Wahl eines
einzigen Pegelnullpunktes würde man für die entfernteren Länder
noch größere Fehlerquellen eröffnen, als diejenigen sind, unter denen
man jetzt leidet Selbst unsere feinsten Nivellements unterliegen
nach Börsch noch einem mittleren Fehler von ±4,42 mm auf das
14*
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212
Das Meer.
Kilometer, und andererseits sind die Niveauunterschiede des Mittel-
wassers an den verschiedenen Küsten jedenfalls nicht so groß, als
man früher annahm. Sie dürften in den europäischen Meeren wohl
selten 0,5 m überschreiten und in den meisten Fällen nicht einmal
0,i m erreichen, doch lassen sich genauere Zahlen bis jetzt nur für
wenige Punkte geben. x
Salzgehalt und spezifisches Gewicht. 32 Elemente sind bis-
lang im Meerwasser nachgewiesen wrorden und es unterliegt keinem
Zweifel, daß künftige Unter-
suchungen diese Zahl noch
vermehren werden. Sie er-
scheinen als Bestandteile teils
des Wassers selbst, teils der
absorbierten Luft und Koh-
lensäure, zum größten Teil
aber der aufgelösten chemi-
schen Verbindungen. Die
letzteren bezeichnet man in
ihrer Gesamtheit als Salz-
gehalt; dieser ist es, der dem
Meerwasser den eigentüm-
lich salzig bittem Geschmack
und das hohe spezifische Ge-
wicht verleiht. Im allgemei-
nen kaun man 35 Promille
als den normalen Salzgehalt
des offenen Ozeans betrach-
ten. Seine Zusammensetzung
ist, wie auch die zahlreichen Analysen der Challenger-Proben neuer-
dings wieder bestätigten, unter allen Breiten und Längen die gleiche,
und nur der Kalkgehalt nimmt mit der Tiefe etwas zu. Fobch-
hammeb fand im Durchschnitte in 1000 Teilen Wasser:
x Helmkrt sagt darüber: „Das Resultat dieser Arbeit (Kritik von
48 Nivellementspolygonen in Mittel- und Westeuropa) bat gezeigt, daß das mittlere
Niveau im Mittelländischen und Adriatischen Meer ca. 13 cm tiefer liegt, als
in der Ostsee, Nordsee und im Kanal, aber auch, daß Differenzen von der-
selben Ordnung entlang der nördlichen und südlichen Küsten Vorkommen.
Ein Teil dieser Differenzen ist sicherlich reell, wie z. B. die bis zu 15 cm
betragenden für die Punkte an der holländischen Küste. Allein sobald es
sich um große Entfernungen von Stationen handelt, kann diese Realität noch
nicht als erwiesen betrachtet werden.“
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Das Meerwasser.
213
Kochsalz
. 26,9 Teile i
Chlorverbindungen
Chlormagnesium . .
• 3,3 »
,30,7 oder 89, s Proz.
Chlorkalium ....
0,6 „ I
des Rückstandes.
Bittersalz
• 2,6 „ 1
Schwefelsäuresalze
Gips
■ 1.» „ 1
3,s oder 10,3 Proz.
Kohlensäuresalze etc.
. 0,. .,
oder 0,3 Proz.
Salzgehalt ....
. 34,3 Teile
Der Unterschied zwischen dem Meer- und Flußwasser besteht aber
nicht nur in dem weitaus größeren Salzgehalt des ersteren, sondern
auch in der Zusammensetzung desselben. Im Meerwasser herrschen
die Chlorverbindungen, im Flußwasser die Kohlensäuresalze ent-
schieden vor; der Salzgehalt des ersteren kann also kaum von dem
letzteren abgeleitet werden.
Die Ermittlung des Salzgehaltes durch feinere Methoden ist
nur im Laboratorium möglich. Weitaus die meisten Untersuchungen
sind aber an Bord des Schiffes angestellt worden, und hier ist man im
wesentlichen auf drei Methoden angewiesen: auf die Bestimmung des
spezifischen Gewichtes mittels des Aräometers, auf die Feststellung
des Chlorgehaltes, der in einem nahezu konstanten Verhältnisse zum
ganzen Salzgehalte steht, und auf die Untersuchung des optischen
Brechungsexponenten des Seewassers, der ebenfalls vom Salzgehalte
abhängigt. Die wichtigste und am meisten angewandte Methode
ist die erstgenannte; ihr seien daher einige Worte gewidmet.
Das in der deutschen Marine und auch sonst gebräuchlichste
Aräometer giebt unmittelbar das spezifische Gewicht des Seewassers
bei seiner augenblicklichen Temperatur (t °), bezogen auf destilliertes
Wasser von 17,6° (14 °R), oder um es kurz auszudrücken 0j •
Das spezifische Gewicht des Meerwassers, das man gewöhnlich,
wenn auch nicht ganz korrekt, mit seiner Dichte identifiziert, ist
außer vom Salzgehalte auch von der Temperatur abhängig, da das Meer-
wasser, wie alle Körper, bei steigender Temperatur sich ausdehnt
und dadurch leichter wird. Das spezifische Gewicht ist daher
periodischen und unperiodischen Schwankungen unterworfen wie die
Temperatur selbst Wir können den Einfluß der Temperatur aus-
scheiden, wenn wir alle Aräometerangaben auf gleiche Temperatur
reduzieren, z. B. auf 1 7,s °, wie es bei uns üblich ist. x Dieses
* Die Engländer berechnen, um wieviel mal Seewasser von der Temperatur
15,»#° (60° F.) schwerer ist, als ein gleich großes Volumen destilliertes Wasser
(15 ,#\ / o°\ / 20°\
•^uc^ere Reduktionen sind S j ^-(l 1 und S I -jy I . Eine
internationale Regelung ist dringend erwünscht.
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214
Das Meer.
(1 7 5
wird allein vom Salzgehalte
bestimmt und kann direkt in denselben verwandelt werden, x doch
ziehen es manche Darsteller vor, in ihre Karten nur Linien gleicher
Dichte, bezw. gleichen reduzierten spezifischen Gewichtes ein-
zuzeichnen. 8
Obwohl sich das Aräometer auch schon auf Handelsschiffen
eingebürgert hat, so haben doch eigentlich nur die wenigen wissen-
schaftlichen Expeditionen wirklich brauchbares Material geliefert,
und unsere Kenntnis von der Verteilung des Salzgehaltes in
den Oberflächenschichten ist daher noch eine recht mangel-
hafte; selbst die Karten des Atlantischen Ozeans von Krümmel7
und Schott8 sind noch für viele Gegenden hypothetisch (Fig. 38).
Indes tritt das Grundgesetz doch schon deutlich hervor. Im offenen
Ozean steigt der Salzgehalt von der Äquatorialzone bis gegen 15
bis 30° Breite und sinkt dann wieder polwärts, wobei wir es natür-
lich unentschieden lassen müssen, ob sich dieses Verhalten bis in
die innersten Polarkalotten fortsetzt Man erkennt sofort, daß Salz-
gehalt und Luftdruck im inneren Zusammenhänge stehen, wenn auch
nicht im direkten, sondern durch Vermittlung der Winde. Daher
fallen die Maximalgebiete des Salzgehaltes und Luftdruckes nicht
zusammen, sondern die ersteren liegen in der Zone lebhaftester
passatischer Luftbewegung, weil hoher Salzgehalt durch starke Ver-
dunstung bedingt ist, und nichts so sehr die Verdunstung befördert,
als regelmäßige, frische, trockene Winde. Die äquatoriale Minimal-
zone des Atlantischen Ozeans liegt im Windstillengürtel zwischen
5 und 10° N. und erstreckt sich nur an der afrikanischen Küste
weiter nach Süden. Ob hier die ergiebigen Regengüsse der Äquato-
rialzone für die Verdünnung des Seewassers verantworlich zu machen
seien, mag noch als unentschieden gelten. Dafür spricht jedenfalls
die Thatsache, daß in diesen äquatorialen Meeresgegenden die salz-
arme Schicht nur einen verhältnismäßig dünnen Überzug bildet,
während in etwas höheren Breiten der Salzgehalt normal mit der
Tiefe abnimmt. Schott hat in neuester Zeit auf Grund seiner Er-
fahrungen den Einfluß des Regens bestritten: nach seiner Ansicht
ist hier der Salzgehalt vielmehr der normale und erfährt nur darum
keine Steigerung, weil unregelmäßige, schwache Winde oder Stillen
und feuchte Luft die Verdunstung hindern. Aus einem ähnlichen
X Salzgehalt in Promille ist = 1310
f 1 5,56'
T°
lischen Reduktion = 1353 I
oder nach der eng-
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Das Meerwasser.
215
Grunde verringert sich der Salzgehalt stetig nach den mittleren und
höheren Breiten zu, denn in gleicher Richtung sinkt auch die Ver-
dunstung infolge abnehmender Temperatur und zunehmender relativer
Luftfeuchtigkeit. Die Meeresströmungen vermögen dieses Gesetz
nicht völlig zu durchbrechen, aber sie rufen doch Störungen hervor,
die sich in starken Krümmungen der Linien gleichen Salzgehaltes
kundgeben. Wo polare Ströme, wie an den Ostküsten Amerikas,
weit in niedere Breite Vordringen, verringern sie den Salzgehalt
merklich, während warme Ströme ihr salzreicheres Wasser mehr
oder minder weit in höhere Breiten führen. Am weitesten der Golf-
strom, in dessen Bereiche ein Salzgehalt von 35 Promille noch den
70. Parallelkreis überschreitet. Nichts Ähnliches weist sonst die
Meereskunde unserer Tage auf. Im südatlantischen Ozean reicht
die 35-Linie nur im Brasilstrome bis 43° B. und zieht sich sonst bis
gegen 36° B. zurück, und ein gleiches Verhalten zeigen, soweit unsere
Kenntnisse reichen, auch die übrigen Südozeane. Im nordpazifischen
Ozean liegt die äußerste Polargrenze dieses Salzgehaltsgrades ebenfalls
in 36° B. Schon dies vermag uns eine Vorstellung zu geben von der
Macht des Golfstromes, dem in der That kein anderer gleichkommt.
Wir haben bisher die Küstenzone von unserer Betrachtung aus-
geschlossen. Wo große Ströme einmünden, zeigt sich ihre ver-
dünnende Wirkung oft noch in ziemlich großer Entfernung von der
Küste. Oft, aber nicht immer. Daß das äquatoriale Minimum im
Atlantischen Ozean an der afrikanischen Seite so weit nach Süden
herabreicht, ist, wenigstens zum Teil, dem Niger und noch mehr
dem Kongo zuzuschreiben; aber Orinoko und Amazonas führen noch
größere Mengen Süß wassers dem Meere zu, und doch erlahmt ihr
Einfluß schon knapp an der Küste, gegen die die Passatströmungen
salzreiches Wasser hin wälzen. In den polaren Zonen gelangt d<»s
festländische Süßwasser in der Form von Eisbergen noch weiter in
das Meer hinaus, aber auch das schmelzende Meereis ist nur schwach
salzig und kann zur Verdünnung der Oberflächenschichten beitragen.
Die geographische Verbreitung des Salzgehaltes im Indischen
und Pazifischen Ozean weicht in den Grundzügen von dem atlan-
tischen Bilde nicht ab. Auch daß der Indische Ozean nur ein
Maximalgebiet, nördlich von 30° S., besitzt, kann uns nicht über-
raschen, wenn wir beachten, daß er nur in seinem südhemisphärischen
Teile von beständigem Passat überweht wird. Die Verteilung ist
also in allen Ozeanen dieselbe, aber in den absoluten Werten be-
stehen große Unterschiede. Der nordatlantische Ozean ist weitaus
der salzreichste, der nordpazifische sicher der salzärmste Ozean. 10
Als Maxirna werden angenommen im nordatlantischen Ozean 37,«,
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216
Das Meer.
im südatlantischen ebenfalls 37, e, im Indischen 36,4, im nordpazitischen
35,7 Promille.
Die Nebenmeere zeigen ein sehr verschiedenes Verhalten.
Zunächst ist entscheidend, ob sie von den großen Meeresströmungen
berührt werden oder nicht. Im ersteren Falle ist der Salzgehalt
von dem Charakter der Strömung abhängig, aber immer etwas
geringer als im benachbarten offenen Ozean, weil Nebenmeere ver-
hältnismäßig mehr Flußwasser empfangen. Die inselabgeschlossenen
Meere am Ostrande Asiens haben 34 bis 34, s Promille Salzgehalt,
wenn sie von warmen, und 30 — 32 Promille, wenn sie von kalten
Strömungen durchzogen werden. Im australasiatischen Mittelmeere
ist der Unterschied zwischen der verhältnismäßig salzarmen Banka-
und Javasee und den salzreichern Gewässern im Norden und Nord-
osten besonders auffallend, und die Annahme Schotts, daß die
letzteren noch pazifisches Wasser erhalten, scheint uns das Richtige
zu treffen. Dagegen ist der geringe Salzgehalt der Javasee (ca. 32
Promille) auffallend, wenn man die niedere Breite berücksichtigt,
und wir können die Vermutung nicht zurückweisen, daß reichliche
Zufuhr von Regenwasser hier auch mit im Spiele ist In den
Binnenmeeren regelt sich der Salzgehalt der Oberfiächenschichten
ausschließlich nach dem Verhältnisse von Verdunstung und Süßwasser-
Zufluß. In einem warmen und trockenen Klima erreicht er eine
Höhe, wie selbst im Ozean nicht Das Rote Meer ist wohl das
salzreichste (40 Promille), aber selbst das europäische Mittelmeer
bat noch über 37 Promille. Das Schwarze Meer wird dagegen
schon stark durch die einmündenden großen Flüsse ausgesüßt (ca. 18
Promille), und noch weit mehr die Ostsee, wo auch die niedere
Temperatur der Verdunstung hinderlich ist. Während die Nordsee,
die mit dem Ozean in offener Verbindung steht, noch im Osten
32,6 Promille Salzgehalt besitzt, sinkt dieser im Skagerak schon
auf 29, im westlichen Teile der Ostsee auf 8, im nördlichen Bottnischen
Busen schon unter 3 Promille. Auch noch in einem anderen Punkte
unterscheiden sich die Binnenmeere wesentlich vom offenen Ozean:
in den ersteren nimmt der Salzgehalt mit der Tiefe zu, im letzteren
aber ab, wenigstens bis gegen 2000m Tiefe; und wenn er dann
auch wieder etwas zu steigen scheint, so ist er doch stets am Grunde
geringer als in den Oberfiächenschichten. Die Konzentration des
Seewassers unter dem Einflüsse der Verdunstung vollzieht sich ja
nur an der Oberfläche. Aber da das Wasser dadurch schwerer
wird, so sinkt es unter und kann in den Binnenmeeren unter den
hier obwaltenden Temperaturverhältnissen (von denen später aus-
führlicher die Rede sein soll) wirklich bis zum Boden gelangen,
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Das Meerwasser.
217
während im kalten Ozean schon in Tiefen von etwa 200 m eine
Dichtigkeit herrscht, die kein weiteres Einsinken des salzreichen
OberHächenwassers gestattet
Indem wir vom Salzgehalte sprachen, sprachen wir zugleich auch
von den Verbreitungsgesetzeu des reduzierten spezifischen Gewichtes.
Anderen Gesetzen unterliegt das absolute spezifische Gewicht, das
nicht nur vom Salzgehalte, sondern auch von der Temperatur ab-
hängig ist und auf destilliertes Wasser von 4° bezogen wird (also
S I ) . Leider hat man es bisher selten in den Kreis der Unter-
suchungen gezogen, obwohl es als einer der Faktoren der Meeres-
strömungen sicher die größte Beachtung verdient. Soviel wir wissen,
nimmt es von der Aquatorialzone gegen die Pole und an jedem
Orte mit der Tiefe zu. Die Wirkungen des sich verringernden Salz-
gehaltes werden also durch die Temperaturerniedrigung mehr als
ausgeglichen.
Farbe. Mit dem Salzgehalte und der Temperatur hängt bis zu
einem gewissen Grade auch die Farbe des Meeres zusammen.
Wenn man absieht von allen jenen Reflexerscheinungen an der Ober-
fläche des Seespiegels, die die Himmelsfarbe, die wechselnde Be-
wölkung, die Sonnenhöhe und das Mondlicht hervorrufen, so kann
man die Meeresfarbe als blau bis grün bezeichnen. In kleinen
Mengen betrachtet, ist allerdings das Seewasser ebenso farblos, wie
destilliertes Wasser; jene Färbung kommt nur dem Meere als ganzes
zu, und schon daraus kann man schließen, daß auch sie eine Reflex-
erscheinung ist, die aber in größeren Tiefen ihren Sitz hat. Daher
erscheinen auch weiße Gegenstände, wenn man sie in das Meer
taucht, zuerst grün und nehmen eine immer blauere Färbung an,
je tiefer man sie versenkt, bis sie dem Auge gänzlich entschwinden.
Die größte Sichttiefe, die man bisher beobachtet hat, betrug 66 m
(in 31° 44' N., 43° 38' W.). Daß aber die chemisch wirksamsten
Strahlen der blauen und violetten Seite des Spektrums noch tiefer
eindringen, lehren Untersuchungen mittels der photographischen
Camera. Die sorgfältigsten wurden von Fol11 zwischen Corsica und
der Riviera angestellt; photographische Platten wurden in 461 m
Tiefe noch belichtet, in 480 m aber nicht mehr; zwischen diesen
Niveaus muß also für jene Strahlen die Grenze liegen. Dagegen
werden die roten und gelben Strahlen sehr bald vom Wasser ab-
sorbiert, und dies ist unzweifelhaft der Grund, weshalb Meer und
Seen, wenn sie nicht verunreinigt sind, blau oder grün erscheinen.
Die blauen Strahlen werden wahrscheinlich durch die auch im an-
scheinend reinen Wasser vorkommenden feinen Trübungen reflektiert;
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218
Das Meer.
je weiter sie in das Meer eindringen, desto blauer ist die Farbe;
je kürzer ihr Weg ist, desto mehr gelbe Strahlen sind ihnen bei-
gemengt, d. h. desto grüner ist die Farbe.
Es ist daher ohne weiteres verständlich, daß an der Küste oder
über Bänken das Wasser grün ist, und in der tiefen See die Farbe
umsomehr dem Blau sich nähert, je reiner und durchsichtiger das
Wasser ist. Hier ist der Punkt, wo Salzgehalt und Temperatur als
maßgebende Faktoren eingreifen. Mehrfache Untersuchungen haben
ergeben, daß die Trübung um so rascher zu Boden sinkt, je salz-
reicher und wärmer das Wasser ist
Daß ein solcher Zusammenhang wirklich besteht, lehrt auch
die Farbenkarte des nordatlantischen Ozeans von Krümmel, die
einzige dieser Art, die bisher gezeichnet wurde.7 Möglich wurde
eine solche Darstellung erst durch die FoRELsche Skala, die
alle Abstufungen vom tiefsten Kobaltblau bis zum dunkelsten Grün
durch das prozentische Verhältnis einer blauen und einer gelben
Lösung in exaktester Weise unterscheiden läßt. Ule hat diese Skala
noch erweitert, indem er dem Grün (Forels Nr. XI, 35 Proz. blau
und 65 Proz. gelb) noch verschiedene Prozentsätze einer braunen
Lösung hinzufügte. 12
Zwischen 10° S. und 40° N. ist der Atlantische Ozean kobalt-
blau, doch bestehen einige Ausnahmen. Grünlich-blau sind die
Küstengewässer um die Canarischen Inseln und der östliche Teil der
Aquatorialzone, in den noch Ausläufer des kalten Benguelastromes
einzudringen scheinen; tief kobaltblau und von größter Transparenz
ist die sog. Sargassosee, die nur zum Teil mit dem Maximalgebiete
des Salzgehaltes zusammenfällt. Zwischen 40 und 50° N. herrscht
die grünlich-blaue, jenseits 50° im Gebiete des Golfstromes schon
eine ausgeprägt grünblaue Farbe, während die Polarströme an der
amerikanischen Seite und die seichte Nord- und Ostsee dunkelgrünes
Wasser führen. Im großen und ganzen ist, wie oben bemerkt, ein
Zusammenhang zwischen Farbe einerseits und Salzgehalt und Tem-
peratur andererseits wohl vorhanden, aber im einzelnen giebt es doch
viele Ausnahmen, die noch ihrer Erklärung harren. Wir dürfen auch
nicht vergessen, daß es kalte Süßwasserseen giebt, die sich durch
herrliche blaue Färbung auszeichnen.
Außergewöhnliche Meeresfärbimgen, wie milchweiß, blutrot, gelb-
lich- oder schiefergrau, olivenbräunlich, nennt der Seemann bezeich-
nenderweise „Miß-“ oder „Verfärbung“. Sie treten immer nur spo-
radisch und örtlich begrenzt auf und werden meist von massenhaft
auftretendem Plankton erzeugt. Mancher Meeresname mag damit
Zusammenhängen. So heißt das Gelbe Meer sicher von den Löli-
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Die Wellenbewegung.
219
massen, die der Hoangho ihm zuführt, während andere Namen, wie
Weißes und Schwarzes Meer, ebenso sicher mit der Färbung nichts
zu thun haben. In Bezug auf das Rote Meer sind die Ansichten
geteilt. Milliarden mikroskopischer Tierchen sind es auch, welche
jenes wunderbar schöne, besonders den Tropenmeeren eigentümliche
Phänomen erzeugen, das als Meeresleuchten bekannt ist.
Litteraturnach weise. 1 Challenger Report, Physics and Chemistry,
Bd. II, 1889. — * Helmert eit. S. 6. — 9 Helmert eit. S. 13. — * Mohn,
Nordhavets Dybder, Temperatur og Ströminger, Kristiania 1887. — 6 Brückner
cit. S. 190. — 9 Hei-mebt, De Zero des altitudes, in den Verhandlungen der
permanenten Kommission der internationalen Erdmessung in Florenz 1891. —
7 Kbümmei-, Geophysikalische Beobachtungen der Plankton-Expedition, Kiel 1893.
— 9 Schott, Wissenschaftliche Ergebnisse einer Forschungsreise zur See 1891
und 1892, Gotha 1893. (109. Ergänzungsheft zu Petermanns Mitteilungen.) —
9 Buchan, Report on the Oceanic Circulation (Appendix zum Challenger-Report),
1895. — 10 Makarow, Le „Vitiaz“ et l’Ocean pacifique, St. Petersburg 1894.
Vergl. auch Krümmel in Petermanns Mitteilungen 1893, S. 85. — 11 Fol in den
Comptes rendus de l’Academie des Sciences de Paris 1889, Bd. CIX, S. 323. —
11 Ule in Petermanns Mitteilungen 1892, S. 70; vergl. dazu die Bemerkungen
v. Drygalskis, ebendas. S. 286.
Die Wellenbewegung,
Windwellen. Von der strömenden unterscheidet sich die Wellen-
bewegung dadurch, daß nur die Form der Bewegung, der Wechsel
von Berg und Thal, fortschreitet, während das einzelne Wasser-
teilchen seine Lage im Raume wenig oder gar nicht verändert. Wir
können uns durch den Augenschein davon überzeugen, wenn wir
irgend einen leichten Gegenstand auf das Wasser werfen: er hebt
und senkt sich nur, während Berg und Thal unter ihm hinwegeilen.
Jedes Wasserteilchen bewegt sich dabei wie ein sich drehendes Rad
in einer kreisähnlichen Vertikalebene; aufwärts und zugleich in der
Richtung der bewegenden Kraft nach vorwärts, dann hinunter und
zugleich gegen die Richtung der bewegenden Kraft nach rückwärts.
Man nennt dies eine Orbitalbewegung. Das Profil fortschrei-
tender Wellen ist am besten mit einer Troclioide * vergleich-
bar, und die Erfahrung hat gelehrt, daß die Trochoidenformeln
auch auf die Wellen, wenigstens auf solche in tiefem Wasser, sich
anwenden lassen. Die Hauptmaße; die Wellenlänge ( L ) oder die
Entfernung von einem Wellenkamme zum andern, die Periode ( T )
x Rollt ein Rad auf einer horizontalen Fläche weiter, so beschreibt ein
beliebiger Punkt der Peripherie eine Cykloide, ein solcher an einer Rad-
speiche aber eine flachere Kurve oder eine Trochoide.
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220
Das Meer.
oder die Zeitdauer zwischen zwei aufeinanderfolgenden Wellenbergen,
und die Fortpflanzungsgeschwindigkeit (C) der Welle in der Sekunde
stehen im inneren Zusammenhänge, so daß, wenn eines dieser Ele-
mente durch die Beobachtung gegeben ist, die anderen sich durch
die Trochoidengleichuugen rechnungsmäßig ableiten lassen. x Nur
ist dabei nicht zu vergessen, daß Beobachtungen auf einem fahrenden
Schiffe die eigene Geschwindigkeit und den Winkel zwischen Kiel-
linie und Wellenrichtung berücksichtigen müssen. Das vierte der
Hauptmaße, die Wellenhöhe oder der Vertikalabstand zwischen Berg
und Thal, kann dagegen nur durch unmittelbare Beobachtung fest-
gestellt werden, und da man dafür leider noch kein sicheres Meß-
verfahren ausfindig gemacht hat, so ist begreiflicherweise auch der
geübteste Seemann vielfachen Täuschungen ausgesetzt, und es erklärt
sich daraus zur Genüge, daß Höhe und Steilheit der Meereswellen
in Wort und Bild so häutig übertrieben werden.
Es ist nicht schwer, zu erklären, warum um irgend einen Gegen-
stand, der die Wasserfläche trifft, konzentrische Wellen entstehen.
An dieser Stelle wird das Wasser herabgedrückt, seine leicht ver-
schiebbaren Teilchen weichen aus, und indem sie dadurch einen
Druck auf alle benachbarten Wasserteilchen ausüben, wird um die
Depressionsstelle eine Erhöhung des Wasserspiegels, ein Wellenberg
erzeugt. Dieser sinkt wieder in sich zusammen, schwingt aber ver-
möge des Gesetzes der Trägheit noch über seine Gleichgewichtslage
hinaus, und so entsteht an der Stelle des früheren Wellenberges
ein kreisförmiges Wellenthal, das au seiner äußeren Peripherie wieder
einen Wellenberg erzeugt. Auf diese Weise pflanzt sich die Be-
wegung fort, bis die Eeibung die bewegende Kraft aufgezehrt hat.
Der Wind dagegen ist eine kontinuierlich und horizontal wirkende
Kraft und sollte die Wasserteilchen vor sich herschieben. Und dies
ist in der That auch der Fall, der Wind erzeugt ebenso Strömungen
wie Wellen, und die Frage ist nur die, wann erzeugt er die eine,
wann die andere Bewegungsart, und wie gehen beide ineinander über?
Sobald die völlig rubige See von einem Winde mit mehr als 0,2 m
Geschwindigkeit in der Sekunde getroffen wird, entsteht eine leichte
Fügen wir für 51 (LucoLPische Zahl = 3, na) und g (Beschleunigung der
Schwere = 9, so«) die Werte ein, so erhalten wir nach Schott folgende einfache
Gleichungen:
C = 1 ,25 = 1 ,56 T
L = Ü,tu C\ = 1,66 T*
T = 0,80 ]//' = 0,64 C.
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Die Wellenbewegung.
221
Kräuselung des Wasserspiegels. Die Oberflächenschicht, die sich
bei jeder Flüssigkeit in mancherlei Hinsicht wie eine selbständige
Membran verhält, legt sich in Falten, wie die Haut am Handrücken,
wenn man mit dem Finger über denselben hinwegstreicht. Die
glättende Wirkung des Öles auf die Wellenbewegung beruht nur
darauf, daß die Ölschicht, die sich über das Wasser ausbreitet, neue
Spannungsverhältnisse schafft. Die oben beschriebenen Fältehen oder
die kapillaren Wellen, wie Scott Russell sie nannte, sind es
nun, die dem Winde neue Angriffspunkte bieten und immer höher
zu wirklichen Wellen Anwachsen. Je größer der Raum und die
Wassermasse ist, desto ungehinderter kann diese Entwicklung vor
sich gehen; das Meer ist daher der eigentliche Schauplatz großer
Wellenbildungen. Dabei wird, wenn der Wind lang genug aus einer
und derselben Richtung weht, die Tendenz immer größer, die Wasser-
teilchen in dieser Richtung auch wirklich weiterzubewegen, so daß
die Orbitalbahnen nicht mehr geschlossene Kurven bilden, und jedes
Wasserteilchen am Ende einer Schwingung von seiner früheren Lage
etwas abgerückt ist. Daraus entstehen die Triftströmungen, auf die
wir bei einer andern Gelegenheit noch zurückkommen werden.
Aus Schotts Wellenmessungen heben wir folgende beobachtete
Werte hervor:
Geogr.
Breite
Geogr,
Länge
Wind-
stärke
0—12
| Geschwin-
digkeit
m pro Sek.
Länge
m
Periode
Sek.
Höhe ;
m
1 I
Böschung
Atlantische
s Passatgebiet.
7®
S.
15°
W.
5
I U
36,4
4,8
1,0
5®
11
J»
10
11
4 — 5
7,»
37,s
5,o
1,8 — 2,0
9
29
11 |
9
0.
5
8,«
58,8
6,e
4,0
11
29
11
I *
11
5
10,2
61,6
6,o
4,5
13
Indisches
Passatge
biet.
26°
S.
48°
0.
&
7,«
32,8
4,6
0,8
4»
26
11 1
48
11 (
6
8,2
44,2
5,4
2,5
10
17
11
72
11
8—9
14,2
130,4
8,8 I
7—8
10
Je stärker der Wind ist, desto größer sind alle Wellendimen-
sionen, aber auch bei gleichbleibender Windstärke entwickeln sie
sich immer voller, wofür die beiden Beobachtungen Schotts
in 29° S. 9° 0., die am gleichen Tage gemacht wurden, ein gutes
Beispiel bieten. Aber diese Abhängigkeit tritt bei den einzelnen
Dimensionen in verschiedenem Grade zu Tage. Am veränderlichsten
ist jedenfalls die Höhe, aber sie bildet sich nicht ruhig bis zu dem
der Windstärke entsprechenden Maximum aus, weil bei zunehmender
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222 Das Meer.
Luftbewegung die Kämme abbrechen und sich in das vor ihnen
liegende Thal stürzen. Auf stürmischem Meere sind diese „Sturz-
seen“ den Schiffen äußerst gefährlich. Gleichzeitig verändert sich
mit der Windstärke auch das Verhältnis von Höhe und Länge, oder
mit anderen Worten der Böschungswinkel der Wellenberge, der um
so steiler wird, je heftiger der Wind wehtx TJber das Verhältnis
der Wind- und Wellengeschwindigkeit sind die Ansichten geteilt;
nach den einen laufen die Wellen schneller, nach den anderen lang-
samer als der Wind. Dieser Widerspruch rührt davon her, daß man
bei der Umwandlung der beobachteten Windstärke in Windgeschwin-
digkeit verschiedene Reduktionsfaktoren anwendet. Bei mäßigem
Winde bewegen sich die Wellen nicht schneller, als die großen
Segelschiffe und die meisten Dampfer, und selbst bei Sturm erreichen
sie nur selten die Geschwindigkeit von Schnellzügen (ca. 19 m pro
Sekunde im deutschen Flachlande). In Schotts Beispielen sind
freilich nur die ruhigeren Passatgebiete vertreten, und es unterhegt
keinem Zweifel, daß die Zonen der Westwinde, besonders die süd-
liche, viel ausgebildetere Wellen besitzt, wie aus den zahlreichen
Messungen von Paris hervorgeht. x x Als höchste beglaubigte Dimen-
sionen können folgende angesehen werden:
Geschwindigkeit ... 28 m in der Sek.
Länge 500 m
Periode 18 Sek.
Höhe 15 m, jedenfalls nicht über 18 m.
Wie das Wasser, in das wir einen Stein geworfen haben, zu-
folge seines großen Trägheitsmomentes und seiner geringen inneren
x Nach Schott beträgt bei
Windstärke 5 (mäßig) 6—7 (stark) 9 (Sturm)
Wellenböschung 6° 10° 11°
xx Beobachtete Mittelwerte:
Geschw.
m
Lftnge
in
Periode
Sek.
Höhe m
Mittel Maxitnum
Mittlere
Böschung
Atlantisches Passatgebiet .
n.»
65
5,8
1,0 6
5°
Indisches Passatgebiet . .
12,s
96
7,0
2,8 ! 5
5
Südatlantische Westwinde .
14,o
133
9,5
4,3 7
6
Indische Westwinde . . .
15,o 1
114
7,«
5,3 11,0
8
Ostchinesisches Meer . .
11, <
79
6,9
3.2 I 6,5
7
Westpazifiseher Ozean . .
12,4
102
8,o
3,1 7,5
i
5*/a
Es darf indes nicht verschwiegen werden, daß in neuester Zeit gegen die
allgemeine Zuverlässigkeit der Messungen von Paris schwerwiegende Bedenken
erhoben wurden.
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Die Wellenbewegung.
223
Reibung nur allmählich zur Ruhe kommt, so wogt (las Meer auch
dann noch, wenn sich der Wind schon gelegt hat. Diese Bewegung
nennt der Seemann Düuung, im Gegensätze zu den unmittelbaren
Windwellen oder „Seen“. Nichts bietet dem Neuling ein geheimnis-
volleres Schauspiel, als wenn auf windstiller Fläche Welle auf Welle
heranrollt, von den Seen durch nichts unterscliieden, als durch sanf-
tere Böschung und abgerundete Form der Kämme. Die alte Be-
wegung dauert manchmal noch fort, wenn schon neuer Wind aus
anderer Richtung sich erhoben hat; alte und neue Wellen durch-
kreuzen sich dann nach den Gesetzen der Interferenz, als ob jede
nur für sich da wäre; und es steigert sich bis zum tollen Wirrwarr,
wenn eine tiefe Cyklone mit ihrer rasch wechselnden Windrichtung
über das Meer zieht. Dann kann die Dünung dem Schiffer schon
einige Zeit vorher den kommenden Sturm verkündigen. Am reinsten
und großartigsten gelangt die Dünung in den Zonen der regelmäßigen
Passate und im äquatorialen Kalmengürtel zur Ausbildung; die ge-
waltigen Wellen, die die Weststürme höherer Breiten erregen, dringen
sogar nicht selten von einer Halbkugel in die andere vor. x
Brandung. Nach den experimentellen Untersuchungen der Ge-
brüder Weber reicht die Wellenbewegung bis zu einer Tiefe, die
dem 350fachen Betrage der Wellenhöhe gleichkommt Bei den
höchsten Wellen würde also erst das Wasser jenseits der Isobathe
von 6300 m in Ruhe verharren. Aber mit der Tiefe nimmt die
Wellenhöhe rasch ab, die Orbitalbahnen nehmen eine elliptische
Gestalt mit immer mehr sich verkürzender Vertikalachse an, so daß
in größeren Tiefen die Wellenbew'egung eigentlich nur mehr in einem
Hin- und Herschieben der Wasserteilchen besteht. Schon in einer
Tiefe, die gleich ist der Wellenlänge, beträgt nach der Theorie die
Wellenhöhe nur mehr den öOOsten Teil der oberflächlichen. Indeß
genügt diese Bewegung, um den festsitzenden Tiefentieren fort-
während Nahrung zuzuführen, ja sie ist in mäßiger Tiefe bis circa
200 m noch im stände, feste Teilchen in Bewegung zu setzen, wie man
aus den Kräuselungen des Sandes nachweisen kann. Auf seichtem
Grunde wird also ein Teil der lebendigen Kraft in Arbeit umgesetzt,
und dieser Vorgang wird noch dadurch beiordert, daß liier die
* Beispiele zweier starker Dünungen nach den Beobachtungen von Schott:
Südl.
Breite
Ösü.
Länge 1
Wind-
Richtung ! Stärke
D Einung
aus
| Geschw. ,
| m pro Sek. ,
Länge
ra
Periode
Sek.
Höbe
m
Böschung
19°
0°
0
sw.
17,4
174,o 1
10,o
4,o !
4“
28
39
so.
5
SW.
23,5
341,7
14,5
7,,
4
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224
Das Meer.
Orbitalgeschwindigkeit nicht bloß mit der Wellenhöhe, sondern auch
mit der Verminderung der Wassertiefe zunimmt, wenn sie wohl auch
kaum jemals ihr theoretisches Maximum, den halben Wert der Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit der Wellenform, erreichen dürfte. Zugleich
wird die Welle, wenn sie aus tiefem Wasser in flaches tritt, kürzer,x
und diese doppelte Umgestaltung macht sich auch dann schon
geltend, wenn die Seen über eine Bank im offenen Ozean rollen.
Wenn sie dagegen an sanft ansteigenden Küstenabdachungen hinauf-
laufen, so erleiden die untersten Wasserschichten außerdem durch
Reibung eine wesentliche Verzögerung; die Kämme verlieren ihre
symmetrische Form, neigen sich nach vom und stürzen über.
Man bezeichnet diesen Vorgang als Brandung; sie tritt an allen
Küsten auf, die allmählich in das Meer verlaufen, am großartigsten
aber wohl an der Guineaküste Afrikas, wo sie unter dem Namen
Kalema bekannt ist und durch die
heftige und häufige Westdünung des
südatlantischen Ozeans erzeugt wird.
Aber nicht bloß die Form, sondern
auch die Richtung der Wellen ändert
sich etwas infolge ungleicher Reibung,
wie dies Fig. 39 schematisch dar-
stellt. Die Wellen ab, die in einiger
Entfernung vom Ufer in der Richtung
des Windes verlaufen, machen in der
Nähe des Landes eine Schwenkung,
weil die a-Hälften sich auf tieferem
Grunde und daher rascher bewegen,
als die fr-Hälften. Bei heftigen und
lange andauernden, gegen das Land gerichteten Stürmen verbindet
sich mit der Brandung der Windstau, eine Erhebung des Wasser-
spiegels, die besonders in trichterförmig sich verengenden Buchten
den Betrag von mehreren Meter erreichen kann und die Flüsse oft
zwingt, aufwärts zu fließen. Solche Sturmfluten setzen flache
Küstenländer oft weithin unter Wasser und gehören daher zu den
verheerendsten Phänomenen.
Wesentlich verschieden von der Strandbrandung ist die
Klippenbrandung. Trifft die Woge eine steil bis zu größerer
Fig. 39. Wellen am Ufer.
x Die Formeln von Laorange (manchmal auch als Airys Formeln bezeichnet)
für flaches Wasser, in denen ein neuer Faktor fr - Wassertiefe eintritt, lauten:
c = \'gh, l = t\gh, t =
Über eine weitere Anwendung dieser Formel s. S. 197.
/
Vs1'
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Die Wellenbewegung.
225
Tiefe abfallende Wand, so wird sie von dieser zurückgeworfen, d. h. sie
erfährt eine Gegenwirkung, als ob eine Welle von gleicher Form
und Geschwindigkeit ihr entgegenliefe. Dadurch wird sie gleichsam
zusammengepreßt; sie erhebt sich, da sie nur nach aufwärts aus-
weichen kann, zu beträchtlicher Höhe (bis zu 30 m), und ein Wogen-
chaos macht dann das Ufer oft unnahbar. Einsame Felseninseln
und Leuchttürme sind vor allem dieser Klippenbrandung ausgesetzt,
aber nur wenn der Wind stark und auflandig ist, entfaltet sie sich
in ihrer ganzen furchtbaren Größe.
Stoß- und Explosionswellen. Zu don fortschreitenden Wellen des
Meeres gehören außer den Windseen auch jene Fluterscheinungen,
die häufig im Gefolge von heftigen Erderschütterungen auftreten und
die man daher als Erdbebenfluten bezeichnet hat. Die bekanntesten
Vorkommnisse dieser Art knüpfen sich an die beiden peruanischen
Beben von Arica (13. August 1868) und Iquique (9. Mai 1877);
mehrere Wellen durcheilten den Pazifischen Ozean von Amerika
bis nach Australien, im Jahre 1877 sogar bis zu den japanischen
Inseln und richteten stellenweise bedeutende Verwüstungen an. Von
den Windseen unterscheiden sie sich durch ihre gewaltigen Dimen-
sionen; die Geschwindigkeit- steigert sich auf 150 — 200 m und dar-
über, die Länge auf 400 — 900 km, die Periode erweitert sich auf
eine halbe Stunde und darüber; nur die Höhe ist verhältnismäßig
gering und übersteigt jedenfalls nicht beträchtlich die der Windseen.
Dieser eigentümliche Charakter gestattet nicht mehr die Anwendung
der Trochoidenformeln ; da die Wellenlänge die Wassertiefe bedeutend
übertrifft, so ist hier (wie schon einmal, S. 224, bemerkt wurde) die
Geschwindigkeit nur von der letzteren abhängig. Einen tieferen
Fig. 40. Wasserstandsveränderungen in Sydney 14. — 16. August 1868 nach den Auf-
zeichnungen des selbstregistrierenden Flutmessers. (Reduktion nach d. Taf. in den
Sitz.-Ber. d. Wien. Akad. d. Wisa., Math.-nat. Kl. Bd. LX. 1869.) (Höhen in engl. Fuß.)
Einblick in das Wesen dieser Wasserbewegung gewähren die Auf-
zeichnungen selbstregistrierender Flutmesser, die durch ihre Auf-
stellung ja nur dem Einflüsse der kurzen Windwellen entrückt sind.
Wir ersehen aus der Flutkurve von Sydney (Fig. 40), daß die in
Scpan , Physische Erdkunde. 2. Aufl. 1 5
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226
Das Meer.
Frage stehenden Wellen durchaus nicht mächtig genug sind, den
Wechsel der Gezeiten zu unterdrücken, sondern nur als unter-
geordnete Störungen erscheinen, die der Kurve ein gezähntes Aus-
sehen verleihen. Am 14. August ist die Kurve noch ziemlich regel-
mäßig; am 15. August nach 2 Uhr morgens beginnt die Wellen-
bewegung, gegen 7 Uhr tritt die Hauptstörung ein: eine Welle
von etwa 1/2 m Höhe und einer Periode von 40 Minuten. Dann folgten
bis zum 19. August noch eine ganze Reihe von Oszillationen mit
gelegentlichen Ruhepausen; die Zahl sämtlicher Wellen belief sich
auf ungefähr 170.
Die Hauptwelle wurde von F. von Hochstettek direkt als eine
Wirkung des Erdbebenstoßes in Arica aufgefaßt, aber schon Schmick
hat die Unhaltbarkeit dieser Annahme dargethan. In letzter Zeit
hat Rudolph3 alle Phänomene dieser Art einer kritischen Prüfung
unterzogen und ist dabei zu folgendem Ergebnisse gelangt Eben-
sowenig wie alle heftigen Erdbeben in Küstengegenden, sind alle
Seebeben, d. h. Erschütterungen des Meeresbodens, von Flutwellen
begleitet. Es ist durch zahlreiche Beobachtungen erwiesen, daß
Schiffe plötzlich einen Stoß verspürten, als ob sie auf Grund auf-
gefahren wären, auch daß sie emporgehoben wurden und dann wieder
einsanken, ohne daß der Meeresspiegel irgend welche Veränderung
erlitt. Die Stoßwelle pflanzt sich also vom Meeresboden durch
die ganze Wassermasse fort, erzeugt aber keine Oberflächenwcllen.
Dazu bedarf es noch eines anderen Faktors, und diesen findet
Rudolph, namentlich durch die Beobachtungen bei den großen
Sprengarbeiten im Hafen von San Francisco geleitet, in den vul-
kanischen Eruptionen auf dem Meeresboden und in den damit ver-
bundenen Gas- und Dampfexplosionen, so daß wir jetzt nicht mehr
von Erdbeben-, sondern von Explosions fluten zu sprechen haben.
Man hatte zwar früher auch an plötzliche Einstürze auf dem Meeres-
gründe gedacht, nach denen das Wasser von allen Seiten hin-
drängt, aber kein einziger zuverlässiger Schift’sbericht läßt eine solche
Deutung ungezwungen zu. Auch für die Krakatauwelle (August
1883) scheint sie nicht zuzutreffen. Diese Explosionsflut — eine
der großartigsten, die die Geschichte kennt — überschwemmte ver-
heerend alle Küsten der Sundastraße, und machte sich nicht bloß
im ganzen Umkreise des Indischen Ozeans bemerkbar, sondern trat
auch in den Atlantischen Ozean ein, wo sie an so entfernten Orten,
wie in Südgeorgien, an der Panamaenge und an der französischen
Küste (Rochefort) von den Flutmessem verzeichnet wurde.
Stehende Wellen. Plötzliche Anschwellungen des Wassers an
den Ufern ohne sichtbare Ursache kommen in Binnenseen und
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Die Wellenbewegung.
227
abgeschlossenen Meeresteilen häutig vor. Man nennt sie im Genfer
See Seiches — ein Name, der sich jetzt allgemein für diese Er-
scheinungen eingebürgert hat — , an der Ostsee Seebär (Verstümme-
lung von Bare = Woge), an der sizilianischen Küste Marrobbio,
in Nordspanien Resaca u. s. w. Soweit es sich um die Seiche der
Binnenseen handelt, kann das Problem — dank besonders den Be-
mühungen Forels4 — als gelöst betrachtet werden. Rasche Ver-
änderungen des Luftdruckes, plötzliche Windstöße von den Bergen
herab, Stürme und andere gewaltsam, aber lokal wirkende atmo-
sphärische Störungen rufen sowohl in der Längs- wie in der Quer-
achse des Genfer Sees stehende Wellen hervor, eine eigentümliche
Schaukelbewegung des Wassers, so daß das Niveau, während es am
einen Ufer steigt, an dem entgegengesetzten fällt. Wird bei B ein
plötzlicher Druck ausgeübt, so nimmt der Seespiegel ( AKB ) die
Form ÄKB', dann die Form Ä'KB" an,
wie die Wasseroberfläche in einem Gefäße, A
das man bald auf die eine, bald auf die A
andere Seite neigt Dieses Spiel kann sich A
stundenlang wiederholen. K ist der Ruhe- A
punkt oder Knoten ; die Mehrzahl der Seiches A
sind wohl einknotige (uninodale) Wellen von A
dem oben beschriebenen Typus, doch kommen Fjg 41 stehende Wellen,
auch zweiknotige (binodale) vor, bei denen
sich der Spiegel A CB in ÄC'B', dann in A" C" B" u. s. w. de-
formiert.
Ob apch auf jene marinen Flutwellen, die ihrem ganzen Wesen
nach nicht als Dünung gedeutet werden können, entweder weil ihre
Periode zu lang ist, oder weil sie (wie der baltische Seebär) nach
kurzer Zeit ebenso plötzlich verschwinden, wie sie erschienen waren,
— ob, sage ich, auch auf diese Wellen die Seichetheorie in ihrem
ganzen Umfange Anwendung findet, muß noch als offene Frage
gelten. Nur soviel darf als sicher betrachtet werden, daß jene Wellen
nicht Explosionswellen sind, sondern ebenfalls atmosphärischen Ein-
flüssen ihr Dasein verdanken. Für den Seebären hat R. Credner
diese Ursache wenigstens sehr wahrscheinlich gemacht.6
Eine befriedigende Erklärung' durch die Seichetheorie haben
die rätselhaften Bewegungen im Euripus gefunden.8 Nach den
Wasserstandsbeobachtungen im Nordhafen von Chalkis treten zur
Zeit der Mondviertel anstatt der regelmäßigen Gezeiten 8 — fl Wellen
innerhalb 12 Stunden mit einer Durchschnittshöhe von 5 — 6 cm und
einer mittleren Periode von 1 h 25 rn auf ; und diese letztere stimmt, wie
die Seichetheorie es verlangt, mit den Dimensionen des talantischen
15*
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228
Das Meer.
Euripus gut überein. x Im Südhafen sind die Niveauschwankungen
permanent; man zählt in 12 Stunden 7 — 8 Wellen von 8 — 18 cm Höhe
und einer mittleren Periode von 1 h 36 m. Sind auch diese letzteren
stehende Wellen, so muß man sich den chalkidischen und eretrischen
Euripus als ein einheitlich bewegtes Becken vorstellen, um die nötigen
Maße zu erhalten.
Litteraturnachwcise. 1 Schott, cit. S. 219. — * PAais in der Revue
maritime et coloniale, Paris 1871, Bd. XXXI, S. 111. — * Rudolph, cit. S. 207.
— 1 Forel, Die Formel der Seiches, in den Archives des Sciences, Genf 1876
u. 1885. — 5 R. Cbbdner, Über den Seebär der westlichen Ostsee, im Jahrbuch
der Geographischen Gesellschaft in Greifswald 1887 — 88. Günther, Über die
rhythmischen Schwankungen des Spiegels geschlossener Meeresbecken, in den
Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Wien 1888. — 8 Krümmel,
Das Problem des Euripus, in Petermanns Mitteilungen 1888.
Die Gezeiten.
Das Meeresniveau ist einem periodischen Schwanken unter-
worfen, indem es innerhalb eines Mondtages von 24h 50m zweimal
fallt und zweimal steigt. Beistehende Figur versinnlicht uns Beob-
achtungen am Pegel von Cuxhaven zwischen 5h früh und 8h abends.
Der höchste Wasserstand (Hochwasser) tritt ein, wenn der Mond
den Meridian des Ortes passiert (obere Kulmination) und wenn er
180° davon entfernt ist (untere Kulmination), das Niedrigwasser
x Die halbe Schwingungsdauer (in Sekunden) t = ■■■ ; l = Länge des
\gh
Beckens (in m), h = mittlere Tiefe desselben (in m), g (Beschleunigung der
Schwere) = 9, so«.
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Die Gezeiten.
229
aber ungefähr zur Zeit <les Mondauf- und -Unterganges. Daher hatte
Cuxhaven am 19. August 1866 Hochwasser früh und abends, und
Niedrigwasser mittags und um Mitternacht, während sieben Tage
später der umgekehrte Fall eintrat. Das Steigen des Wassers nennt
man Flut, das Fallen Ebbe; beide Bewegungen zusammen Tiden
oder Gezeiten. Aus dem angeführten Beispiele ersieht man, daß
die Zeitdauer von Ebbe und Flut nicht immer gleich ist, ebenso
wie Hoch- und Niedrigwasser nicht immer den gleichen Punkt am
Pegel berühren. Von größter Wichtigkeit für die Schiffahrt ist die
Bestimmung 1) der Hafenzeit, d. i. des Zeitunterschiedes zwischen
dem Meridiandurchgange des Voll- und Neumondes und dem darauf-
folgenden Hochwasser, und 2) der Flutgröße oder des Höhenunter-
schiedes zwischen Hoch- und Niedrigwasser.
Theoretische Gezeiten. Nach dem Newton sehen Gesetze besitzen
alle Körper Anziehungskraft, die im geraden Verhältnisse zu ihrer
Masse und im umgekehrten zum Quadrate, ihrer Entfernung steht
So wird nicht bloß der Mond von der Erde, sondern auch die Erde
vom Monde angezogen; und die Gezeitenbewegung wäre eine ebenso
einfache als regelmäßige Erscheinung, wenn die Erde flüssig oder
von einem Meer von gleichmäßiger Tiefe bedeckt wäre, das den
anziehenden Kräften sofort Folge zu leisten vermöchte. Befindet
sich der Mond in der Aquatorialebene (Fig. 43), so wird der Punkt A
am meisten, C weniger, B am wenigsten angezogen. A wird also
von C, und C von B entfernt, oder mit anderen Worten: der Durch-
messer AB zu A' B verlängert. Dadurch wird notwendigerweise der
Durchmesser OW verkürzt, und die Aquatorialebene A OB W nimmt
die Gestalt ÄO BW' an. Nördlich und südlich von A und B werden
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230
Das Meer.
die Teilchen nicht bloß von C entfernt, sondern auch nach A und B
hinübergezogen, so daß z. B. D nach D gelangt; und infolge dessen
muß auch eine Verkürzung der Achse NS eintreten. A und B be-
wegen sich also nur in vertikaler Richtung, alle übrigen Punkte
aber auch horizontal gegen A und B hin, und die horizontale
Bewegungskomponente nimmt von A und B gegen 0, W, N und S
immer mehr auf Kosten der vertikalen zu. Das Niedrigwasser in
den Meridianen NOS und NWS und das Hochwasser in den Meri-
dianen NAS und NB S bedingen sich ebenso gegenseitig, wie Thal
und Berg in der Windwelle. In der That haben wir es auch hier
mit zwei großen Wellen zu thun, die dem scheinbaren Mondumlaufe
folgend, in 24“ 50 m einmal (he Erde umkreisen, so daß in A auf
das Hochwasser das Niedrigwasser ö, dann das Hochwasser B',
endlich das Niedrigwasser W' folgt. Dasselbe geschieht auf allen
Parallelkreisen, und nur an den Polen x bleibt der Wasserstand
unverändert
Neben dem Monde übt aber auch die Sonne eine merkliche
Anziehungskraft auf die Erde aus, aber wegen ihrer 387 mal größeren
Entfernung verhält sich das von ihr erzeugte Hochwasser zu dem
vom Monde erzeugten nur wie 4:9, obwohl ihre Masse um circa
2Ö1/, millionmal die des Mondes Ubertrifft. In 24 h umkreisen also
* In der Figur 43 ist Hoch- und Niedrigwasser der Deutlichkeit wegen in
übertriebener Größe dargestellt.
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Die Gezeiten.
231
zwei Sonnenwellen und in 24 h 50m zwei Mondwellen von Ost nach
West die Erde. Mond- und Sonnenwelle vereinigen sich zu einer
einzigen Welle, deren Höhe und Eintrittszeit von der wechselnden
Stellung beider Gestirne zu einander abhängt (Fig. 44). In der Phase
des Neumondes passieren diese gleichzeitig den Meridian, und das
Sonnenhochwasser tritt gleichzeitig mit dem Mondhochwasser ein.
Das wirkliche Hochwasser stellt die Summe beider dar, und ebenso
das wirkliche Niedrigwasser die Summe beider Niedrigwasser. Der
umgehrte Fall tritt im ersten Viertel ein; wenn A Sonnenhochwasser
hat, hat es Mondniedrigwasser
und umgekehrt, und die wirk-
lichen Gezeiten sind gleich dem
Unterschiede der Mond- und
Sonnentiden. Zur Zeit des Voll-
mondes trifft die untere Kul-
mination des Mondes mit der
oberen der Sonne zusammen,
und das Resultat muß das-
selbe sein wie bei Neumond.
Innerhalb eines Monats erreicht
also die Fluthöhe zweimal ihren
höchsten (Springtiden) und
zweimal ihren niedersten Wert
(taube oder Nipptiden *) ;
die Übergänge zwischen diesen
Extremen steht Fig. 45 dar.
Man hat die Mondflut theo-
retisch zu 563 mm, die Son-
nenflut zu 246 mm berechnet;
die Springflut steigt daher zu
563 + 246 = 809 mm, die taube
Flut aber nur bis 563 — 246 = 317 mm an. Den Unterschied zwischen
den Fluthöhen zur Zeit der Syzygien und Quadraturen nennt man
die halbmonatliche Ungleichheit
Die größte Fluthöhe fallt stets in die durch che Mittelpunkte
der Erde und des Mondes, bezw. der Sonne gelegte Ebene, in
Fig. 43 also in die äquatoriale. Da aber die Mondbahn um ca. 28°
und die Ekliptik um ca. 23 720 gegen die Ebene des Äquators geneigt
sind, so muß das Maximum der Mondfluthöhe innerhalb eines halben
x Der Ausdruck „Nipptiden“ ist eine Verstümmelung der englischen Be-
zeichnung neop tirles.
•pätwr
Fig. 45. Sonne- und Mondwelle.
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232
Das Meer.
Monats zwischen 0 und 28° B. und das der Sonnentiuthöhe inner-
halb eines halben Jahres zwischen 0 und 231/2° B. oszillieren. Wir
betrachten hier nur den einfachsten Fall: die Deklination beider
Himmelskörper betrage 231/2° N. (Fig. 46). Am Äquator ist (im
Vergleich nzu Fig. 43) zwar die Fluthöhe gesunken, aber Ebbe und
Flut dauern noch immer gleichlang (HlNl = NlH2 = H2N2 = N2Hl).
Wesentlich anders gestalten sich aber die Verhältnisse nördlich und
südlich davon. In 40 u n. Br. z. B. ist das Hochwasser bei der
oberen Kulmination (ff1) größer als bei der unteren (ff2) und ebenso
differieren die niedrigsten Wasserstände. Ferner ist die Dauer der
Ebbe zwischen ff1 und Nl bedeutend länger, als die der darauf-
folgenden Flut ( N 1ff2), worauf dann wieder eine kurze Ebbe (H2N2)
Mond Sonne
Fig. 46. Tägliche Ungleichheit der Gezeiten.
und eine lange Flut (IV2#1) folgen. Man nennt diese Unterschiede
die tägliche Ungleichheit.
Endlich hängt die fluterzeugende Kraft der Sonne und des
Mondes auch von ihrer wechselnden Entfernung von der Erde ab.
Die Mondflut schwankt nach der theoretischen Berechnung zwischen
647 und 465 mm, die Sonnenflut nur zwischen 259 und 234 mm.
Die höchste Springflut ist also 906, die niederste taube Flut 231 mm.
Diesen Unterschied nennt man die parallaktische Ungleichheit.
Fassen wir das bisher Gesagte noch einmal in Kürze zusammen.
Die Flutgröße und die Hafenzeit hängen ab: 1) von der Stellung
des Mondes zur Sonne, 2) von der Deklination beider Gestirne, und
3) von der Entfernung derselben von der Erde. Die theoretischen
Gezeiten ändern sich ferner mit der Breite. Am Äquator findet keine
tägliche Ungleichheit statt, unter den übrigen Breiten aber nur dann
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Die Gezeiten.
233
nicht, wenn die Deklination von Mond und Sonne = 0 ist Jenseits
der Breiten 28° N. und S. nimmt die Flutgröße stetig gegen die
Pole ab. An den Polen selbst wechseln Ebbe und Flut innerhalb
eines halben Monats einmal.
Wirkliche Gezeiten. Die Bedingungen, die die Theorie stellt,
werden aber in der Natur nicht erfüllt Die Trägheit gestattet dem
Wasser nicht, den anziehenden Kräften sofort Folge zu leisten. Die
Ungleichmäßigkeit der Meerestiefen erlaubt es ferner der Flutwelle
nicht, mit dem scheinbaren täglichen Umlaufe der Sonne und des
Mondes gleichen Schritt zu halten. Von noch entscheidenderem
Einflüsse ist die Unterbrechung der ozeanischen Fläche durch Fest-
landmassen, und die theoretischen Entwicklungen von Newton und
Laplace, die von der Voraussetzung einer allgemeinen Meeres-
bedeckung ausgehen, haben insofern keinen praktischen Wert, als
sich daraus für keinen Ort der Erde Hafenzeit und Fluthöhe rech-
nerisch ableiten lassen.
Whewell war der erste, der seine Theorie den beobachteten
Hafenzeiten anzupassen suchte. Wenn man die gleichen Hafenzeiten,
bezogen auf den Meridian von Greenwich, durch Linien (Cotidal
lines, Flutstunden- oder bloß Flutlinien) miteinander verbinde, so
müssen diese — das war Whewells Ansicht — die Kämme der
fortschreitenden Flutwellen darstellen. Für seichtes Meer ist diese
Annahme zulässig, und für die britischen Gewässer ist seine Dar-
stellung, wie wir sehen werden, auch heute noch giltig, aber die
Verlängerungen dieser Flutlinien in das offene Meer hinaus ist —
wie der Autor später selbst zugab — lediglich ein Phantasie-
gemälde. Auch war Whewell der Ansicht, daß die Südsee die
eigentliche Geburtsstätte der Gezeitenbewegung sei, und die Flut-
welle erst von da aus in den Atlantischen Ozean eindringe, und
suchte damit zu erklären, daß hier in der That die Springtiden
erst 1 */2 — 2*/2 Tage nach den Syzygien eintreten. Aber auch diese
Hypothese ist durch die Erfahrung widerlegt, daß nicht nur Binnen-
meere, wie das Mittelländische und die Ostsee, sondern auch von
aller ozeanischen Verbindung abgeschlossene, große Becken, wie der
Michigansee, Ebbe und Flut besitzen.
Die atlantischen Gezeiten. Die neueren Theorien suchen vor
allem die Unregelmäßigkeiten der atlantischen Gezeiten zu er-
klären. Ost- und Westküste zeigen einen auffallenden Mangel an
Übereinstimmung, namentlich im nordatlantischen Becken. Die Flut-
höhe ist selbst unmittelbar am ozeanischen Gestade überraschend
hoch, und auf der Ostseite höher als an der westlichen, während in der
südhemisphärischen Hälfte das umgekehrte Verhältnis stattzuhaben
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234
Das Meer.
scheint. Die Hafenzeit verspätet sich an der Ostküste, je weiter
wir von Süd nach Nord fortschreiten, immer mehr, als ob die Flut-
welle in dieser Richtung fortschreiten würde, oder vielmehr als ob zwei
Wellen sich nach Norden bewegten, denn Orte, die um 60 — 65 Breiten-
grade von einander entfernt sind, haben gleiche Hafenzeit. An der
Westküste begegnen wir nur bis zu den kleinen Antillen einer
ähnlichen Anordnung, von den Jungfem-Inseln bis Neu-Schottland —
24 Breitengrade Unterschied! — schwankt aber die Hafenzeit nur
zwischen 0h 3m und lh 47“, tritt also die Springflut fast überall
gleichzeitig ein. x
Auf die ungleichmäßige Ausbildung der periodischen Gezeiten-
schwankungen an beiden Gestaden werden wir noch später zurück-
kommen.
Nach Fitzroy, Dove und Ferrel lassen sich die Gezeiten des
nordatlantischen Ozean durch die Annahme einer meridionalen
stehenden Welle, einer Seiche im großartigsten Maßstabe erklären.
Eine solche konnte unter günstigen Umständen durch Interferenz
zustande kommen, indem die ursprüngliche, von den Gestirnen er-
zeugte Flutwelle von den Küsten zurückgeworfen wurde. Das Wesen
einer solchen stehenden Welle besteht — wie schon dargelegt
wurde — darin, daß die beiden Ufer abwechselnd Hoch- und
Niederwasser haben. Das amerikanische Gestade hat in der That
x Auszug aus einer Tabelle von Borgen *. Nur Orte mit möglichst freier
Lage wurden gewählt. Die Hafenzeiten sind, um vergleichbar zu sein, auf
Greenwicher Zeit reduziert.
Breite
Westküste
Ostküste
Hafenzeit
Fluthölie
Hafenzeit
Fluthöhe
(Greenwich)
m
(Greenwich)
m
58° N.
-
—
St Kilda . .
6h 4ra
4,1
46—48 „
Kap Racc
106 32m
1,8
Ouessant . .
3 52
5,o
41 „
Block Insel .
0 22
1,0
Oporto . . .
3 4
2,’
36—37 „
Kap Henry .
0 44
1,2
Lagos . . .
2 42
4,o
31—32 „
Ossabaw Sd. .
1 43
2,3
Funchal . . .
1 56
2,.
26-27 „
Abaco . . .
1 9
0,9
Ferro ....
1 42
2,o
14 „
Martinique .
8 5
0,4
Gorree . . .
9 18
1,5
4- 5 „
Cayenne . .
7 45
1,»
Kap Palmas .
5 1
1,*
6— 7 S.
Paraliyba . .
7 29
8,0
Kongo . . .
3 41
1,9
12 „
Bahia . . .
7 0
2,4
Benguela . .
2 51
1,0
26-27 „
S. Catherina.
5 59
1,6
Angra Pequena
1 30
2,.
34—40 „
Rio Negro .
3 11
3,6
Tafelbai . . .
1 27
1,9
54 „
Staten Island
8 45
2,4
—
—
—
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Die Gezeiten.
235
nahezu überall gleichzeitig Flut, am europäischen aber müßte sich
nach der Ansicht Fekrels die stehende Welle infolge der wechseln-
den Tiefenverhältnisse in eine fortschreitende verwandeln.
Wir haben oben (S. 228) die Seicheformel kennen gelernt. Wir
können berechnen, ob die Länge und mittlere Tiefe des atlantischen
Beckens mit der Periode der Flutwelle (12 h 25 m) übereinstimmt, und
darnach den Wert der Theorie bemessen. Die Prüfung, die Borgen
vorgenommen hat, ergab kein günstiges Resultat.
Airy hat in seiner Kanal- oder Wellentheorie den maßgebenden
Einfluß der Reibung auf das Gezeitenphänomen würdigen gelehrt,
ln einem gleichmäßig tiefen Kanal erzeugt die Anziehungskraft des
Mondes eine Welle von der Periode eines halben Mondtages und
von der Länge des halben Erdumfangs (A WO in Fig. 43), die Höhe
ist aber abhängig von der Tiefe des Kanals und steht zu dieser im
geraden Verhältnisse. Sobald an irgend einer Stelle des Kanals die
Breite oder Tiefe sich ändert, so daß die primäre Welle in ihrer
Fortbewegung gehindert wird, entsteht als Ausdruck der neuen
Gleichgewichtsstörung eine sekundäre Welle von derselben Periode
wie die primäre, aber von verschiedener Länge, die, weil sie unter
allen Umständen die Tiefe weit übertrifft, nach der LAGEANGESchen
Formel im direkten Verhältnisse zur Tiefe steht *
Die Annahme eines regelmäßigen Kanals ermöglicht die Rech-
nung, entspricht aber natürlich nicht den Formen der Meeresbecken.
Trotzdem läßt sich die Theorie bis zu einem gewissen Grade auch auf
die natürlichen Verhältnisse anwenden; jedenfalls ist sicher, daß die
an den Küsten beobachteten Gezeiten, wenn sie wirklich fort-
schreitende Wellen sind, nur sekundäre Wellen sein können.
Darauf baut Bürgen weiter. Die atlantischen Hafenzeiten deuten
an, daß die Flutwelle von S. nach N. fortschreitet Zwei Orte im
N. und S. mit gleicher oder ähnlicher Hafenzeit, wie z. B. St Catherina
in Brasilien und St. Kilda in Schottland sind dann, wie man an-
nehmen darf, nur eine Wellenlänge von einander entfernt. Stimmt
die wirkliche Entfernung mit der aus der Periode und mittleren Tiefe
berechneten überein oder doch wenigstens nahezu überein, so wird
man für jene Annahme eine wesentliche Stütze gewonnen haben.
Kreidel, 2 glaubt sogar, dass es einst möglich sein werde, aus den
Tiefen und Hafenzeiten die Lage der Flutlinien im offenen Ozean
zu berechnen; für die südatlantische 12 Uhr-Linie hat er einen
x Man nennt die primären Wellen auch gezwungene, weil sie unter
der unmittelbaren Herrschaft der wellenerzeugenden Kraft stehen, die sekun-
dären dagegen freie. Windseen sind z. B. gezwungene, Dünungen freie Wellen.
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236
Das Meer.
solchen Versuch bereits gewagt Ihr Kamm verläuft wegen der
wechselnden Tiefe nicht den Breitenkreisen parallel, sondern eilt im
tieferen Wasser schneller vorwärts, als im seichteren. Unter 12° O.
verlegt ihn Kreldel nach 35 */2 0 B., unter 44° W. aber nach 43l/2° B.
Es darf übrigens nicht verschwiegen werden, daß auch diese
neuesten Versuche, dem Gezeitenphänomen theoretisch beizukommen,
nur in verhältnismäßig wenigen Fällen wirklich befriedigende Resul-
tate erzielt haben. Das kann auch nicht wunder nehmen, denn die
Flutwelle unterliegt auch noch anderen Einflüssen außer dem der
Tiefe. Zunächst dem der Erdrotation, die sie nach links drängt;
und es mag damit wohl auch Zusammenhängen, daß im südatlan-
tischen Ozean das Westufer, im nordatlantischen das Ostufer die
bedeutendere Fluthöhe aufweist. Noch entscheidender, namentlich
auf die Hafenzeit, wirken die verschiedenen Interferenzen ein.
Borgen nimmt neben der großen Flutwelle, die von S. nach N. verläuft,
auch eine kleinere an, die in ostwestlicher Richtung sich fortpflanzt;
und außerdem kann die Hauptflutwelle selbst unter gewissen Um-
ständen, namentlich durch den Verlauf der Küsten gezwungen, eine
rückläufige Bewegung annehmen. Genauer sind eine Reihe solcher
Interferenzen in den britischen Gewässern und in der Nordsee
bekannt; die auffallende Verteilung der Hafenzeiten in dieser Gegend
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Die Gezeiten.
237
gab Whewkll zuerst Veranlassung, Flutlinien zu konstruieren, die
sich hier auch bewährt haben und durch die neuesten Erfahrungen
nur im Einzelnen korrigiert wurden (Fig. 47). Nach dieser Dar-
stellung erreicht die Flutwelle zuerst die iberischen, dann die fran-
zösischen Küsten, dringt sodann in den Kanal und in die Irische
See ein und umzieht Irland und Schottland, so daß sie an der nord-
östlichen Küste Schottlands und in der Themse gleichzeitig (Green-
wicher Mittag) eintrifft. Zwischen diesen beiden Punkten ist aber
die Hafenzeit kleiner und nimmt von Norden nach Süden zu.
Wheweli, erklärte dies durch die Annahme, daß die Flutwelle in
dieser Gegend nur eine Fortsetzung der vom nördlichen Schottland
kommenden sei. An der Themsemündung trifft also die Kanal-
welle mit der zwölf Stunden älteren schottischen Welle zusammen,
oder mit anderen Worten: in der Zeit, als eine Flutwelle Schottland
umzieht, um bis London zu gelangen, passieren zwei Wellen die
Straße von Dover. In ähnlicher Weise treffen sich zwei Flut-
wellen in der Irischen See, während die norwegische Welle in den
Skagerak eindringt, ohne für die deutschen Küsten Bedeutung zu
gewinnen.
Gezeitenströme. Wenn die Auffassung des Gezeitenphänomens
als fortschreitende Welle richtig ist, so ergibt sich daraus die Er-
klärung der Gezeitenströme. Man braucht sich nur vor Augen
zu halten, daß jedes Wasserteilchen eine Orbitalbewegung ausführt
und dazu genau soviel Zeit braucht, als die Wellenperiode beträgt; in
unserem Falle also sechs Stunden nach vorne und sechs Stunden
nach rückwärts sich bewegt. Die gleichzeitige Bewegung nach oben
und unten macht sich nicht fühlbar; überdies nimmt auch die
Orbitalbahn umsomehr die Gestalt einer flachen Ellipse an, je
länger die Welle ist
In einem Punkte scheinen aber die Gezeitenströme der Wellen-
theorie zu widersprechen. Man muß nämlich voraussetzen, daß
der Stromwechsel oder das Kentern des Stromes jedesmal statt-
findet, wenn das Niveau des Mittelwassers (mm in Fig. 48) er-
reicht wird; in Wirklichkeit aber vollzieht er
sich meist bald nach Hoch- und Niederwasser
(H und N in Fig. 48), nachdem eine kurze
Zeit völliger Stillstand geherrscht hat Dieses
abnorme Verhalten läßt sich auf den Einfluß
des ansteigenden seichten Meeresgrundes zu-
rückführen, wodurch der vordere Schenkel
der Welle eine Verkürzung erleidet Das Einsetzen des Ebbestromes
unmittelbar nach Hochwasser entspricht dem Branden der Windseen.
//
Fig. 48. Bahn der
Wasserteilchen in der
Flutwelle.
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238
Das Meer.
Wo günstigere Verhältnisse obwalten, nähert sich der Zeitpunkt des
Kenterns auch mehr der theoretischen Fordening.
Wie wir ebenfalls im vorigen Kapitel schon hervorgehoben haben,
biegt der Wellenkamm, wenn er eine sanfte Böschung hinauf läuft,
parallel zur Küste um. Daher geht der Flutstrom stets senkrecht
auf das Land zu und fließt der Ebbestrom x ebenso vom Lande ab,
welche Richtung sie auch immer in größerer Entfernung von der
Küste verfolgen mögen.
Fluthöhe. Mit dem Wellencharakter der Gezeiten hängt es
ferner auch zusammen, daß die Fluthöhe an den Küsten des Fest-
landes viel beträchtlicher ist, als auf dem offenen Meere; erreicht
sie doch selbst an den ozeanischen Eilanden Hawaii und Tahiti nur
0,3 bis 0,6 und auf St Helena nur 0,» m. Besonders günstig erweisen
sich dreieckige Buchten, deren Boden allmählich ansteigt, indem
hier die Flutwelle an Höhe gewinnt, was sie an Breite verliert
So sind an der europäischen Küste besonders der Bristol-Kanal
und die Bai von St. Michel durch hohe Flutwellen (15,8, bezw.
lim) ausgezeichnet, und auf der amerikanischen Seite erreicht
die Flutgröße in der Fundybai sogar 21,3 m. In trichterförmige
Flußmündungen eindringend, schiebt sich das schwere Salzwasser
keilförmig unter das Flußwasser ein, so daß dieses thatsächlich einige
Stunden aufwärts fließt. Die Vorderseite der Flutwelle ist hier be-
sonders steil, daher die Flut kürzer dauert als die Ebbe. Schwellen
günstige orographische Verhältnisse die Flutgröße beträchtlich an
und finden sich ausgedehnte Untiefen vor, so entwickelt sich die
imposante aber gefährliche Flutbrandung. (Bore des Ganges,
Mascaret der Seine vor ihrer Regulierung, Pororoca des Amazonen-
stroms). In mächtiger Brandung stürzt sich das Wasser über die
Hachen Uferbänke, während in der Mitte des Stromes die Flutwelle
als ungebrochener mauerartiger Wall aufwärts fortschreitet. Dort
wo die Gezeitenbewegung aufhört, ist die eigentliche Grenze
zwischen Fluß und Meer; an ihr haben sich zahlreiche der be-
deutendsten Handelsstädte entwickelt. Sie liegt z. B. in der Weser
67, in der Elbe 148, in den Hauptarmen des Ganges ca. 250, am
Jangtse-Kiang über 800, am Amazonas nahezu 1000 km landeinwärts.
An den Tiden nehmen aber nur die ozeanischen Flüsse teil,
ln den Binnenmeeren ist die Fluthöhe so gering, daß man ihnen
dies Phänomen früher sogar ganz abgesprochen hat. An der Ostküste
der Adria beträgt sie z. B. durchschnittlich nur 0,ie m und in Triest
* Die Küstenbewohner gebrauchen dafür kurzweg die Ausdrücke Flut
und Ebbe.
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Die Gezeiten.
239
und Venedig 0,7 m; nur in den Syrien steigt sie bis 2 m. In den
Belten und im Sund schwankt sie zwischen 0,oe — 0,«2 ni und an der
deutschen Ostseeküste sogar zur Zeit der Syzygien nur zwischen
U,ot und 0,n m. Bei Chicago am Michigansee erreicht die Spring-
flut 0,o7 m. Es muß übrigens nochmals betont werden, daß auch
Stürme den Wasserstand wesentlich beeinflussen, indem sie Wasser
zur Küste hintreiben (Windstau) oder von ihr entfernen; die
beobachtete mittlere Flutgröße ist also nicht allein das Resultat der
Gezeitenbewegung.
Die periodischen Veränderungen der Fluthöhe vollziehen
sich nicht überall in gleicher Weise; aber unsere Theorien sind zu
unvollkommen, als daß es ihnen bereits gelungen wäre, diese merk-
Fig. 49. Gezeiten zu Liverpool nach LENTZ. *
würdigen örtlichen Verschiedenheiten aufzuhellen. So ist z. B. im
nordatlantischen Ozean die halbmonatliche Ungleichheit an der ameri-
kanischen Seite nur halb so groß, als an der europäischen. Die täg-
liche Ungleichheit ist an beiden Gestaden gering; am amerikanischen
wächst sie aber rasch nach S. zu, und im Golf von Mexico ist die kleine
Ebbe schon völlig verschwunden und innerhalb 24 Stunden wechseln
Flut und Ebbe nur einmal. Solche Eintagstiden haben auch
die Golfe von Tongking und Manila. Im nordpaziflachen Ozean ist
die tägliche Ungleichheit ebenfalls kräftig entwickelt, wie der Ver-
gleich der Fig. 49 und 50 lehrt. Die halbmonatliche Ungleichheit
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240
Das Meer.
ist an beiden Orten gut erkennbar, die tägliche ist aber in Liver-
pool (nordatlantischer Typus) kaum merkbar, obwohl der Mond am
1. Mai das Maximum der Deklination erreicht, dagegen sehr be-
deutend in Peterpaulowsk (nordpazifischer Typus), obwohl die Mond-
deklination am 21. Juni = 0 ist. x Bis zum 19. Juni ist das vor-
mittägige Hoch- und Niedrigwasser das größere, vom 19. Juni an
aber das nachmittägige. Man beachte auch, wie an beiden Orten
die Eintrittszeit von Hoch- und Niedrigwasser sich allmählich ver-
schiebt.
Daß wir das Wasser an den Kästen steigen und fallen sehen,
beweist schon, daß es der Anziehungskraft des Mondes unendlich
leichter folgt, als die feste Erde. Aber deshalb darf die letztere
doch nicht als gänzlich gezeitenlos betrachtet werden, wie schon
auf S. 17 erörtert wurde, und der Nullpunkt des Pegels, auf den
man Hoch- und Niedrigwasser bezieht, ist daher selbst kein fixer
Punkt. Wenn am 26. August 1866 der Wasserstand zu Cuxhaven
von 1,88 auf 4,95 m stieg (s. Fig. 42), so entfernte sich das Meeresniveau
nicht bloß um 3,13 m vom Erdmittelpunkte, sondern um 3,13 m plus
dem Betrage, um welchen der Pegelnullpunkt selbst gestiegen war.
Die beobachtete Flutgröße ist also gleich der wirklichen Flut-
größe des Wassers weniger der Flutgröße der festen Erde, oder mit
anderen Worten: die beobachteten Tiden sind Differential-
tiden. Wie groß die Erdflut ist, läßt sich vielleicht einmal in
Bezug auf die halbmonatlichen Schwankungen ermitteln; bedeutend
ist sie jedenfalls nicht und kann nur theoretisches Interesse bean-
spruchen.
Litteraturweise. 1 Segelbandbuch des Atlantischen Ozeans, herausgeg.
von der deutschen Seewarte, Hamburg 1885. — * Kreidet., Untersuchungen
über den Verlauf der Flutwellen in den Ozeanen, Frankfurt a. M. 1889. —
* Lentz, Flut und Ebbe, Hamburg 1879.
Die Meeresströmungen.
(Siebe Karte XV.)
Strömungen können durch verschiedene Ursachen bewirkt werden.
Von den sogenannten Gezeitenströmungen wurde bereits ge-
sprochen; sie beherrschen das Meer oft bis in beträchtliche Ent-
fernung von der Küste, wie in den britischen Gewässern, in der
Hudsonstraße und im Lorenzgolf, in den seichten Gebieten des
x Die tägliche Ungleichheit ist nach der Theorie proportional dem Sinus
der doppelten Deklination.
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Die Meeresströmungen.
241
australasiatischen Mittelmeeres oder im Golf von Carpentaria. ln
engen Meeresstraßen geben sie Veranlassung zu Wirbelbildungen,
von denen der Maelstrom bei den Lofoten und die Scylla und
Charybdis in der Meerenge von Messina die bekanntesten Bei-
spiele sind. Zwischen Binnenmeeren und dem Ozean entstehen
Strömungen zur Ausgleichung des Salzgehaltes. Vom salz-
reicheren Meere geht ein Unterstrom zum salzarmeren und zum
Ersatz dafür ein Oberstrom in entgegengesetzter Richtung. So fließt
das Wasser der Ostsee oberflächlich zur Nordsee ab, während ein
Tiefstrom aus der Nordsee in die Ostsee eindringt, der in der
Kadettenrinne zwischen Darßerort und Gjedser sein Ende findet
Atlantisches und pontisches Wasser strömt oberflächlich in das salz-
reiche Mittelmeer ein, von dem wieder Tiefströme zum Ozean und
zum Schwarzen Meere gehen.
Wesentlich anderer Art sind die großen ozeanischen Strö-
mungen, die im Haushalte der Natur eine so bedeutsame Rolle
spielen. Flußartig und scharf begrenzt, wie sie in der schematischen
Darstellung der meisten Karten erscheinen, sind sie freilich nicht;
meist werden wir — wie bei Flüssen von sehr schwachem Gefälle —
nur durch indirekte Anzeichen belehrt, daß die Wasserteilchen in
einer bestimmten Richtung fortschreiten. Amerikanisches Treibholz
gelangt z. B. nach Island und Norwegen; Flaschen, welche einen
Zettel mit genauer Angabe der Stelle und Zeit des Aussetzens ent-
halten, werden an weit entlegenen Orten wieder aufgefunden. Die
Geschichte erzählt uns, daß Cabkal im Jahre 1500, als er nach
Ostindien segeln wollte, von den Strömungen nach Westen entführt
und so der unfreiwillige Entdecker Brasiliens wurde. Vor allem aber
ist die Temperatur- und zum Teil auch die Salzgehaltsverteilung im
Meere ein sicherer Beweis für das Vorhandensein von Strömungen
sowohl an der Oberfläche, wie in der Tiefe des Ozeans.
Auf dem offenen Meere ermittelt man die Strom-
versetzung des Schiffes durch den Vergleich des aus
dem Kurs und der Fahrgeschwindigkeit berechneten
(„gegißten“ d. h. geschätzten) Standortes mit dem
astronomisch bestimmten („Besteck“) im Verlaufe eines
„Etmals“ (Zeitraum von einem Mittag zum anderen).
Folgendes Beispiel, einer Abhandlung von Schott1
entnommen, wird uns über das Wesen dieser Be-
stimmung aufklären. Ein Schiff befindet sich an einem
Mittag in 0. (Fig. 51); 31° 15' N., 136° 20' 0. Am
Fig. 51. Die
Strom Versetzung.
nächsten Mittag sollte es sich nach der Schiffsrechnung in A. (29u 29' N.,
134° 20' 0.) befinden, ist aber, wie die astronomische Beobachtung
Süpan, Physische Erdkunde. 2. Aufl.
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242
Das Meer.
zeigt, thatsächlich in B. (29 u 48' N., 134° 47' 0.), wurde also wäh-
rend seiner Fahrt durch eine Strömung (AB) etwas nach NO. ah-
gelenkt. Der Breitenunterschied zwischen dem gegißten und astro-
nomischen Besteck (BC) beträgt 19' oder 19 Seemeilen, der Längen-
unterschied ( A C) 27' oder (nach der mittleren Breite von A und B
berechnet) 23 Seemeilen. Tn dem rechtwinkeligen Dreiecke ABC1 sind
nun die beiden Katheten bekannt; daraus läßt sich ermitteln 1. der
Weg AB, den die Strömung in 24 Stunden zurückgelegt hat, oder
ihre Geschwindigkeit, 2. der Winkel ABC - dem Winkel a, den
die Stromrichtung mit dem Meridian (NS) einschließt. Im vorliegen-
den Falle ergiebt sich für die Strömung die Richtung N. 52° 0. und
eine Geschwindigkeit von 30 Seemeilen pro Tag = 0,a m pro Sek.,
also eine bedeutend geringere als die Wellengeschwindigkeit. Eben
dadurch entzog sie sich der direkten Beobachtung.
Es ist klar, daß diese Methode, die Stromversetzung zu be-
stimmen, an großen Übelständen leidet, denn das Resultat hängt
ganz von der Zuverlässigkeit der Schiffsreclmung und der astrono-
mischen Positionsbestimmung ab. Temperatur- und Salzgehalts-
messungen müssen daher immer ergänzend mitwirken; namentlich
letztere betrachtet Schott als das sicherste Mittel, um über die
polare oder äquatoriale Herkunft einer Wasserprobe zu entscheiden.
Aber jede Beobachtung gilt zunächst nur für die Jahreszeit, in der
sie gemacht wurde; stellt man alle zusammen, so erkennt man, daß
sowohl die Richtung wie die Stärke der Meeresströmungen stellen-
weise erheblichen jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen
sind. Auch aus diesem Grunde sind unsere Stromkarten nur sehr
schematisch.
Nordatlantischer Ozean. Am besten kennt man begreiflicher-
weise die Strömungen im Atlantischen Ozean. In der Zone
zwischen ca. 20° N. und 10° S. Hießen die beiden Aquatorial-
strömungen nach Westen, die nördliche in ihren Grenzen etwas
schwankend, die südliche stets über den Äquator auf unsere He-
misphäre übersetzend. Ihre Geschwindigkeit ist am größten, wenn
die Sonne in den Wendekreisen steht, nimmt aber stets vom Äquator
gegen die Ränder ab. Im Mittel beträgt sie in der nördlichen Strö-
mung 24, in der südlichen 30 km pro Tag. Zwischen beiden bewegt
sich die Guineaströmung mit einer durchschnittlichen Geschwin-
digkeit von 28 km in entgegengesetzter Richtung. Stets breitet sie
sich fächerartig gegen Osten aus; ihr Anfang liegt nach Khümmkl
im Jahresmittel in 35'/2° W., schwankt aber zwischen 25 und 50° W.,
und ebenso schwankend ist ihre Breite im Osten.
Über den weiteren Verlauf der Äquatorialströmungen und ihren
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Die Meereströmungen.
243
Zusammenhang mit dem Golf- oder Floridastrome x haben die syste-
matischen Untersuchungen der amerikanischen Marine seit 1883, die
an verschiedenen Punkten von einem verankerten Schiffe aus vor-
genommen wurden, helles Licht verbreitet. * Am südamerikanischen
Kap S. Roque teilt sich der südliche Aquatorialstrom. Der Nordarm
vereinigt sich mit der nördlichen Aquatorialströmung, und beide fließen
nun teils als Antillenstrom an der Außenseite der westindischen
Inseln nach NW., teils dringen sie durch die vielen Passagen zwischen
den Inseln St. Vincent und Antigua in das Karibische Meer ein, kehren
aber zum Teil als Unterstrom wieder in den Ozean zurück. Am
kräftigsten ist der Strom zwischen St. Vincent und St. Lucia; süd-
lich von Grenada herrschen wechselnde Strömungen, westlich von
Antigua, im Umkreise der Großen Antillen, nur Gezeitenströme. Aber
nicht die ganze Wassermenge, die durch die Floridastraße in den
Ozean sich ergießt (89872 Mill. Tons pro Stunde), stammt von jenen
Zuflüssen der Aquatorialströmung her; auch nordhemisphärisches
Wasser, das der Passat durch die Antillenpassagen in das Karibische
Meer hineintreibt, mag einen erheblichen Beitrag leisten. In diesem
Meere ist der Strom im Anfänge an der Oberfläche kaum erkennbar,
wächst aber nach W. zu rasch an Geschwindigkeit und tritt endlich
durch die Yucatan -Straße in den Golf von Mexico ein. Auch hier
verliert sich wieder der oberflächliche Zusammenhang, die Strö-
mungen sind schwach und wechselnd; erst am Eingänge in die Flo-
ridastraße, etwa in 85° L., ist die östliche Richtung deutlich aus-
geprägt. Diese Straße durcheilt der herrliche, 55 km breite und 800 m
mächtige Floridastrom mit einer mittleren täglichen Geschwindig-
keit von 134 km, die sich zeitweise bis zu 220 km steigert, also die
des Oberrheins bei mittlerem Wasserstande sogar noch übertrifl't
Auch darin bleibt die Analogie mit den festländischen Flüssen ge-
wahrt, daß die Geschwindigkeit in oder nahe der Mitte am größten
ist und gegen die Ränder abnimmt. In den periodischen Schwan-
kungen der Richtung, Breite, Geschwindigkeit und Temperatur zeigt
sich aber ein deutlicher Zusammenhang mit dem Gezeitenphänomen.
Mit steigender Deklination des Mondes breitet sich der Strom aus,
wird aber flacher; die Geschwindigkeit nimmt an den Rändern zu,
in der Mitte aber ab, wodurch sich auch die Temperaturgegeusätze
zwischen diesen Stromteüen abschwächen.
ln den Ozean hinaustretend, bewegt sich der Floridastrom,
x Der Name Floridastrom war bis Franklin (1772) allein üblich, und
KrCmmel hat in neuester Zeit versucht, ihn wieder einzubürgern, weil man
unter dem Namen Golfstrom vieles zusammenfaßt, was nicht strenge zusammen-
gehört.
16*
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244
Das Meer.
durch bedeutenden Salzgehalt, tiefblaue Färbung und hohe Tempe-
ratur von der Umgebung, besonders im W., scharf sich abhebend,
entlang der 200 m -Linie und parallel mit der nordamerikanischen
Küste, nach NW. bis zum Kap Hatteras. Von da entfernt er sich,
seine frühere Richtung beibehaltend, immer weiter vom Festlande und
endet ungefähr in 40° oder 45° W. Dabei wird er immer breiter,
flacher, langsamer, kälter; x am Ende zerfasert er sich in kalte und
warme Bänder. Ein solches Vorkommen deutet aber nicht not-
wendiger Weise darauf hin, daß hier Strömungen von verschiedener
Temperatur auf einander stoßen und sich gegenseitig durchdringen;
ein solcher Schluß ist vielmehr erst dann völlig gerechtfertigt, wenn
sich zu den Gegensätzen der Temperatur auch solche des Salzgehaltes,
vielleicht auch der Färbung gesellen.
Die Antillenströmung bewegt sich parallel mit dem Floridastrome
nach Nordwest und dann nach Nordost. Als eine Fortsetzung beider
kann jener Arm betrachtet werden, der in östlicher Richtung den
Ozean durchquert, an der afrikanischen Küste nach Süden umbiegt,
und endlich in die nordatlantische Äquatorialströmung einläuft. Da
der meridionale nordafrikanische Strom von höheren in niedere
Breiten fließt, wirkt er abkühlend auf die Meeresoberfläche.
Innerhalb des großen nordatlantischen Stromwirbels breitet sich
eine verhältnismäßig ruhige See aus. Hier sammeln sich die von
den westindischen und karibischen Felsenküsten losgerissenen und
von Flüssen herbeigeführten Tange vom Sargassumgeschlechte an, die
sich vermöge ihres Reichtums an Luftblasen in ihren oberen Teilen
im Wasser aufrecht erhalten.
Jene beiden Krautbänke, die nach Humboldts Ansicht seit
Jahrhunderten an ihrer Stelle verharren, sucht der Seefahrer freilich
vergebens, aber ebensowenig entspricht es den Thatsachen, wenn
Kdntze die Existenz eines Sargassomeeres kurzweg leugnet.
Kbümmel3 wendet diesen Namen auf jenes Gebiet an, wo treibende
Tangmassen in 10 und mehr Prozent aller untersuchten Fälle ange-
troffen wurden; es erstreckt sich von 39 bis 75° W. und von 21 bis
34° N., umfaßt also eine Fläche von nahezu 4'/2 MilL qkm.
* Temperaturen nach v. Booüslawski:
N. B.
Floridastraß©
25°
Kap Hatteras
35°
Södl. v. Neuschottland
43°
Winter
25,o°
22.s°
16, T°
Frühling
25,6
22,8
19,4
Sommer
28,3
26, J
25,6
Herbst
27,s
24,4
20,o
Jahre
26,t
24,o
20,4
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Die Meeresströmungen.
245
Unmittelbar au den Floridastrom und die Ausläufer der Antillen-
strömung schließt sich jene berühmte nordöstliche * Strömung an,
die für das Klima unseres Kontinentes so außerordentlich wichtig
ist, und auf die wir nach Peter manns Vorgänge den Namen Golf-
strom beschränken. Ihr Zusammenhang mit den tropischen Ge-
wässern ist durch Treibprodukte aus Westindien, ja sogar aus dem
Meerbusen von Guinea außer allem Zweifel gestellt Auch Hießt nicht
bloß eine oberflächliche Schicht warmen Wassers dem arktischen
Meere zu; liegt doch noch beim Felseneilande Rokall (57,6° B.) die
Tiefenisotherme von 5° um 650 m tiefer als im atlantischen Äqua-
torialgürtel. Im Sommer erreicht der Golfstrom seine größte Aus-
dehnung. Ein Ausläufer dringt vielleicht in die Baffinbai ein, aber
höchstens bis zum 75. Parallel; ein zweiter bespült die West- und
Nordküste Spitzbergens und gelangt dann nach Kükenthal4 von N.
her in die Hinlopenstraße ; ein dritter erreicht NowajaSemlja, hat aber
(nach einer Messung im Jahre 1881) am Eingänge in die Matotsclikin-
straße nur mehr eine Mächtigkeit von höchstens 2 m. Dieß ist wohl
der östlichste Punkt des Golfstromes, denn wenn auch im Spätsommer,
wenigstens im September, eine eisfreie Rinne die Schifffahrt vom
Jenissei bis zum Kap Tscheljuskin ermöglicht, so verdankt man dies
den großen sibirischen Flüssen, deren Gewässer nach dem Austritte
in das Meer durch die Erdrotation nach Osten abgelenkt werden.
Im Winter erlischt der Golfstrom schon in geringerer Polhöhe,
aber noch immer umgiebt er Island und Norwegen mit einem warmen
Mantel.
An drei Stellen trifft er mit Polarströmen zusammen, die im
Sommer Eisberge und Meereis nach Süden entführen. Der Labra-
dorstrom, der aus der Baffinbai kommt und durch zahlreiche Zu-
flüsse aus dem arktischen Archipel von Nordamerika verstärkt wird,
begegnet dem Floridastrome bei Neufundland, und weicht ihm, durch
die Erdrotation abgelenkt, nach links aus. Er bildet den sogenannten
„kalten Wall“ an der Ostküste der Vereinigten Staaten und dringt
auch — wie der Verlauf der Tiefenisothermen in Fig. 54 (S. 262)
lehrt — unter die warme Strömung ein. Daß übrigens ein Teil des
kalten Wassers schon bei Neufundland unter den Floridastrom unter-
taucht und direkt nach Süden fließt, ergiebt sich daraus, daß ge-
legentlich Eisberge den letzteren durchqueren. Ähnlich verhält sich
die ostgrönländische Strömung, ehe sie an der Südspitze Grönlands
nach Norden umbiegt, zum Golfstrome bei Island, nur daß hier im
x Im Gegensätze zur Richtung der Winde bezeichnet inan die der Meeres-
strömungen nach der Himmelsgegend, nach welcher sie Hießen.
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246
Das Meer.
Sommer das kalte Wasser nicht bloß unterseeisch unter das wanne
eindringt, sondern auch oberflächlich dasselbe überflutet, weil sein
spezifisches Gewicht durch das Schmelzwasser des Eises verringert
wird. Eine dritte arktische Strömung begegnet dem Go'lfstrome im
Sommer bei der Bäreninsel und teilt ihn in zwei Arme. Über das
Verhalten dieses, sowie des vorhergenannten Polarstromes im Winter
wissen wir nichts Sicheres.
Die übrigen Ozeane. Der südliche Arm der atlantischen Aqua-
torialströmung Hießt nach den Untersuchungen von Krümmei. als
Brasilstrom der Küste von Südamerika entlang bis 48° S. und
biegt dann nach Osten um, um im Vereine mit einem Ausläufer
der großen antarktischen Ostströmung als Benguelastrom in die
Äquatorialströmung wieder einzumünden. Zwischen dem Brasilstrome
und der Küste zieht der Falklandstrom, ein Ausläufer der ant-
arktischen Strömung und somit ein Gegenstück des Labradorstromes,
bis Rio Janeiro.
Demselben Kreisläufe begegnen wir auch in den übrigen Ozeanen
zwischen 50° N. und 8.: zwei äquatoriale Strömungen, die durch
eine Gegenströmung getrennt werden; warme Ströme, die als Aus-
läufer der äquatorialen an den Ostküsten der Kontinente höheren
Breiten zueilen (der Kuro Sch io entspricht dem Florida-, die
ostaustralische und Agulhasströmung dem Brasilstrome); Um-
biegung dieser Ausläufer nach 0. und Stauung an den östlichen
Festländern, an deren Westseiten kühle Ströme gegen den Äquator
Vordringen, um sich mit der äquatorialen Strömung zu vereinigen
(californiscli-mexicanische Strömung, Perustrom und west-
australische Strömung, letztere aber ausnahmsweise durch einen
warmen Stromarm von der Küste getrennt). In der Mitte der Strom-
ringe dehnen sich verhältnismäßig ruhige Gebiete aus.
Ist aber auch diese Anordnung allen Ozeanen gemeinsam, so
hat doch jeder wieder seine Eigentümlichkeiten. Im Indischen
Ozean und in der Chinasee ist die nördliche Äquatorialströmung
und die Gegenströmung nur zur Zeit des Nordost- Monsuns ausge-
bildet, im Sommer bleibt aber von dem regelmäßigen System nur
noch der südliche Äquatorialstrom übrig, der, sobald er in nördliche
Breiten Übertritt, dem Südwest-Mönsun folgt und nach Nordost um-
hiegt. Im Pazifischen Ozean fällt namentlich die streifenartige Ent-
wicklung des Gegenstromes gegenüber der keilartigen im Atlantischen
Ozean auf, aber wir dürfen nicht vergessen, daß die Beobachtungen
dort mangelhaft sind. Im Osten finden wir manche Anklänge an
atlantische Verhältnisse. Der Kuro-Schio ist wie der Florida-
strom eine kräftige, warme, salzreiche, blaue Strömung. Wie aus
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Die Meeresströmungen.
247
den Arbeiten von Schott hervorgeht, tritt die Äquatorialströmung
bei Formosa in die nördliche Chinasee ein und Hießt westlich von den
Riu-Kiu-Inseln bis zur Van Diemenstraße, wo sie sich teilt. Ein
Nebenarm begleitet die Westküste Japans, der Hauptarm aber, der
eigentliche Kuro-Schio, ergießt sich in den Ozean, verfolgt zunächst
die Ostküste Japans und wendet sich dann nach Osten. Wie der
Florida- mit dem Labradorstrome an der Neufundland-Bank, so stößt
der Kuro-Schio mit der kalten Kurilen-Strömung zusammen;
nur verschiebt sich hier die Berührungsstelle mit den Jahreszeiten,
von 38° B. im Februar bis 50° B. im August. Auch ein Gegenstück
der Antillenströmung fehlt nicht; wir erblicken es im Boninstrome
östlich von der Riu-Kiu-Kette. Was dem Großen Ozean aber fehlt,
ist ein Golfstrom; ein solcher kann sich hier nicht entwickeln, denn
in der Breite, in welcher jener im Atlantischen Ozean erst beginnt,
hegen die Aleuten und jenseits derselben steigt der Meeresboden
rasch zur seichten Beringenge an. Kein Ausläufer des Kuro-Schio
dringt über den Aleutengürtel vor, wie Dali, nachgewiesen hat, und
ebenso wenig dringt ein Strom aus dem arktischen Meere durch die
Beringstraße in den Stillen Ozean ein. Wohl kommen aber kalte
Strömungen aus dem Bering- wie aus dem Ochotskischen Meere, die
im Winter weit nach Süden ausgreifen: der schon genannte k uri-
lisch e längs den Küsten von Kamtschatka bis nach Nipon, der
sachalinische an der Ostseite Sachalins und die Amur-Liman-
Strömung, die an der Festlandsküste wahrscheinlich bis nach Korea
gelangt Seihst das Gelbe Meer sendet einen kühlen Strom bis in
die südliche Chinasee.
Theorie der ozeanischen Strömungen5. Man hat als erzeugende
Kraft der Meeresströmungen bald die Erdrotation, bald die Winde
angenommen.
Denken wir uns, eine von Meer bedeckte Erde ohne atmosphä-
rische Hülle und ohne Temperaturunterschiede beginne sich um
ihre Achse zu drehen. In diesem Moment werden unzweifelhaft
Strömungen beginnen, aber nur solange dauern, bis überall das
Gleichgewicht zwischen Schwer- und Fliehkraft hergestellt ist. Das
Endergebnis ist die sphäroldale Gestalt; es ist aber nicht einzusehen,
wie die heutigen Strömungen mit der Erdrotation als primäre
Ursache Zusammenhängen sollen. Ihr Einfluß beginnt erst wieder,
sobald aus irgend einer anderen Ursache das Gleichgewicht gestört
wird, wie wir bei der Erörterung der modernen Windtheorie ge-
sehen haben.
Solche Störungsmoinente finden sich auch im Ozean, nämlich Un-
gleichheiten der Erwärmung und des Salzgehaltes, mit einem Worte,
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248
Das Meer.
Dickteunterschiede. Daß diese eine Deformation der Meeres-
oberfläche und damit auch Strömungen erzeugen, haben wir im An-
schlüsse an Mohns Monographie des europäischen Nordmeeres schon
auf S. 209 dargethan. Es unterliegt keinem Zweifel, daß — abgesehen
von den Gezeiten — der Ozean auch dann keine bewegungslose
Masse wäre, wenn die Lufthülle in ewiger Ruhe verharrte; aber
ebenso unzweifelhaft geht aus Mohns Rechnungen hervor, daß diese
Ausgleichsströmungen in ihrer Kraft und Bedeutung weit zurück-
treten hinter die W indströmungen. In diesem Sinne darf man sagen,
der Wind ist der Hauptmotor der ozeanischen Ströme. Daß
zwischen beiden Phänomenen ein innerer Zusammenhang bestehen
müsse, drängt sich schon bei der vorurteilslosen Betrachtung einer
Karte der Meeresströmungen auf und war schon längst die Über-
zeugung der Seefahrer und seekundigen Männer.
Es ist dabei freilich noch nicht ganz klar, wie zwei so ver-
schiedenartige Bewegungen, wie die wellenförmige und strömende,
durch eine und dieselbe Kraft in einem und demselben Medium
hervorgerufen werden können, lins erscheint die Strömung als eine
Steigerung der Wellenbewegung, etwa in dieser Reihenfolge: kapil-
lare Wellen, ausgebildete Wellen, oberflächliche Trift, tiefer greifender
Meeresstrom; über die Art und Weise, wie die eine Bewegungsform
sich in die andere umsetzt, liegen aber unseres Wissens noch keine
Beobachtungen vor. Zunächst müssen wir uns mit der Thatsaclie
begnügen, daß Winde Strömungen erzeugen. Sehr lehrreich sind in
dieser Beziehung die Beobachtungen auf dem deutschen Feuerschiffe
„Adlergrund“ zwischen Rügen und Bomholm, die ersten Beobach-
tungen dieser Art von einem festen Punkte aus und in genügender
Entfernung vom Lande 8. In 86 Prozent aller Fälle lief die Strömung
mit dem Winde des betreffenden Tages, und der Einfluß des Windes
erstreckte sich schon in kurzer Zeit bis 5 m Tiefe. Die Strom-
richtung fiel aber nicht genau mit der Windrichtung zusammen,
sondern wich im Durchschnitte um 30° nach rechts ab. Waren die
Winde veränderlich, so war die Strömung für das ganze Etmal die
Resultante aller Winde; und nur dann, wenn die Luftbewegung
schwach war, konnte es Vorkommen, daß der Strom nicht mit dem
Winde oder sogar gegen denselben lief.
Was der allgemeinen Anwendung der Trifttheorie auf die
Meeresströmungen hindernd im Wege stand, war die Ansicht, daß
der Wind nur die Oberflächenschicht des Wassers in Bewegung
setzen könne, aber nicht in die Tiefe dringe. Diesen Irrtum be-
seitigt zu haben, ist das unsterbliche Verdienst von Zöppbitz. In
seiner, 1878 erschienenen Abhandlung7 gelangte er — allerdings
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Die Meeresströmungen.
249
unter der Voraussetzung eines unbegrenzten und gleichmäßig tiefen
Ozeans — zu folgendem Ergebnisse. Wenn sich die oberste Wasser-
schicht aus irgend einem Grunde mit gegebener Geschwindigkeit in
ihrer eigenen Ebene fortbewegt, so erhält die zweite Schicht infolge
ihres molekularen Zusammenhanges mit der obersten einen Antrieb
zur Bewegung in gleicher Richtung, und ihre Geschwindigkeit muß
sich der der ersten Schicht immer mehr nähern, wenn die gleich-
förmige Bewegung fortdauert In gleicher Weise pflanzt sich die
Bewegung bei genügend langer Dauer auf die dritte, dann auf die
vierte Schicht fort, und endlich bis zum Boden. In einem 4000 m
tiefen Ozean wird unter der Voraussetzung, daß der Wind an der
Oberfläche mit konstanter Richtung und Geschwindigkeit weht, die
Schicht in 100 m Tiefe in 41 Jahren 1/l0 und in 239 Jahren die
halbe Obertiächengeschwindigkeit erreichen. In ca. 200000 Jahren
wird der stationäre Zustand hergestellt sein, in welchem die Ge-
schwindigkeit von der Oberfläche bis zum Boden proportional der
Tiefe abnimmt
In Wirklichkeit bleibt sich allerdings weder die Richtung noch
die Geschwindigkeit des Windes immer gleich. Aber auch die Ver-
änderungen pflanzen sich nur mit großer Langsamkeit nach der Tiefe
fort, sodaß rasch vorübergehende nur die obersten Schichten beein-
flussen. Die tieferen Schichten werden dagegen im Laufe
der Zeit eine Bewegung in der Richtung der vorherrschen-
den Winde annehmen, und ihre Geschwindigkeit wird durch
die mittlere Geschwindigkeit an der Oberfläche bestimmt.
Mit anderen Worten: Die großen Meeresströmungen der Gegenwart
sind ein Produkt aller Winde, die seit ungezählten Jahrtausenden
über die betreffenden Gegenden des Ozeans hinweggestrichen sind.
Diese durch den Wind an Ort und Stelle erzeugten Strömungen
nennt Kbümmel gezwungene. * Infolge der ihm eigenen Bewe-
gungsenergie setzt aber jedes Wasserteilchen seinen einmal einge-
schlagenen Weg fort, solange die Reibung mit den ruhigen Wasser-
teilchen, die es ebenfalls in Bewegung setzen muß, seine Geschwindigkeit
nicht aufgezehrt hat. Die durch einen bestimmten Wind, z. B.
den Passat, erzeugte Bewegung kann sich also auch außer-
halb seines Bereiches fortsetzen. Dieser Fall tritt ein, wenn
der Strom auf ein festes Ufer stößt. Nehmen wir mit Zöpphitz der
Einfachheit wegen eine Vertikalwand an, so muß sich der Strom in
zwei teilen, die dieselbe Geschwindigkeit, wie die Mntterströmung,
aber nur mehr ihre halbe Breite besitzen. Diese Ströme nennt
x Vgl. dazu S. 235 Anm.
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250
Das Meer.
Krümmel freie. Umgekehrt vereinigen sieh zwei gleiche Ströme,
die entlang einer Wand einander zufließen, zu einem einzigen, der
mit der Geschwindigkeit und doppelten Breite der Stammströmungen
im rechten Winkel von der Wand abtließt.
So weittragend aber auch die Schlußfolgerungen der Trifttheorie
sind, so erschöpfen sie doch nicht die Fülle des natürlich Gegebenen.
Sie bedürfen einer Ergänzung, und diese gab Krümmel.8
Das Wasser ist nämlich eine zusammenhängende, unelastische
Flüssigkeit, die jeden Mangel an einer Stelle durch Zufluß von allen
Seiten auszugleichen strebt. Der Satz des alten Vahenius: Wenn
ein Teil des Ozeans sich bewegt, so bewegt sich der ganze Ozean,
gilt in seinem vollen Umfange. Hier knüpfte Krümmel mit seinen
ebenso einfachen wie sinnreichen Experimenten an. In dem vier-
eckigen Wassergefäße in Fig. 52a rufen die. beiden Triftströme, die
durch kräftige Pfeile dargestellt sind, ein ganzes System anderer
Ströme hervor, die alle nach der Stelle hineilen, wo Wasser weg-
geblasen wurde. Der Gegenstrom in der Mitte und die Stromringe
zu beiden Seiten der Triftströme sind deutlich zu erkennen. Durch
eingesetzte Blechwände lassen sich ähnliche unregelmäßige Ufer-
gestaltungen erzielen, wie sie in der Natur Vorkommen; Fig. 52b
giebt z. B. den Äquatorialansschnitt aus dem Atlantischen Ozean,
und die Strömungen zeigen in der That auch eine überraschende
Ähnlichkeit mit unserem Kartenbilde auf Taf. XV.
Das System der Windströmungen besteht also stets aus
2 Teilen:
1. Ströme der direkten Wirkung, primäre oder Triftströmungen,
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Die Meeresströmungen.
251
a) gezwungene Ströme,
b) freie Ströme;
2. Ströme der indirekten Wirkung, sekundäre oder Kompen-
sationsströme.
Auf jeden Strom wirkt die Erdrotation ablenkend; über das
Maß dieser Ablenkung gehen aber die Ansichten auseinander. Jeden-
falls ist zu beachten, daß die Geschwindigkeit der Strömungen um
sehr vieles geringer ist, als die der Winde; so berechnete Mohn,
daß im Durchschnitte ein Wind von 10 m pro Sekunde nur eine
Strömung von O.os m erzeugen könne! Eine so langsame Bewegung
ist, so sollte man meinen, dem Einflüsse der Erdrotation nicht in hohem
Grade unterworfen. Andererseits ist aber doch ein starkes West-
drängen der polaren und ein starkes Ostdrängeu der äquatorialen
Strömungen unverkennbar; wir werden indeß sogleich sehen, daß
hierbei zum Teil auch andere Umstände mitwirken.
Anwendung der Trifttheorie auf die beobachteten Strömungen.
Etwa zwischen 40° N. und ebensoviel S.B. vollzieht sich die strö-
mende Bewegung des Meeres in einer Weise, die allen Anforderungen
der Trifttheorie entspricht. Die Äquatorialströmungen stehen ganz
unter dem Einflüsse der Passate; der südliche ist kräftiger entwickelt
und tritt im Atlantischen Ozean über den Äquator hinüber, genau
so wie der Passat; im nordindischen Ozean wechseln die Ströme
mit den Monsunen. Wie die Äquatorialströmungen typische Bei-
spiele gezwungener Triften sind, sind die Gegenströmungen reine
Kompensationsströme. An den Westküsten der Ozeane entwickeln
sich aus den Äquatorialströmungen durch Teilung freie Ströme, aber
diese nehmen bald einen gemischten Charakter an. Einerseits ge-
langen sie in die Gebiete des rückläufigen Passates — wie man
besonders deutlich im südatlantischen Ozean sieht — und werden
dadurch zu gezwungenen Strömen, andererseits wirkt das Kompen-
sationsbedürfnis an der Ursprungsstätte der Passate anziehend auf
die nach Osten sich umbiegenden Ströme. Aus diesem Ineinander-
greifen verschiedener Kräfte erklärt es sich, daß die Kerne der
Stromringe nicht mit den subtropischen Anticvklonen zusammenfallen.
In den mittleren und höheren Breiten herrschen äquatoriale
Südwest-, bezwr. Nordwestwinde vor. Von dem nordpaziüschen Ozean
sehen wir aus schon erörterten Gründen hier ab; im nordatlantischen
Ozean folgt aber der Golfstrom in der That der vorwaltenden Wind-
richtung; seine Herkunft aus den Tropen ist, wie wir wissen, außer
Zweifel gestellt Auch liier haben wir also allem Anscheine nach
eine wirkliche Trift.
Die Nordwestwinde der mittleren südlichen Breiten sind noch
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252
Das Meer.
stärker, noch regelmäßiger als die nordischen Südwestwinde. Hier
sollten wir also auch Golfströme erwarten, die Wärme in die ant-
arktische Zone hinein tragen; und doch werden wir enttäuscht. Aller-
dings umspannt eine gewaltige, zusammenhängende Ostströmung
den ganzen circumterranen Ozean jenseits des 40. Parallels, aber
sie stammt nicht aus dem warmen Erdgürtel. Wenn auch die Ost-
richtung im großen und ganzen den Winden entspricht, so ist doch
von den beiden anderen Komponenten die nördliche entschieden die
kräftigere, nicht die südliche, wie die Trifttheorie es erfordert. Auf
weite Strecken hin sind nordöstliche Versetzungen durchaus die
herrschenden. Noch überzeugender spricht für die Beimischung
eines polaren Stromelementes die Wassertemperatur x und das ant-
arktische Treibeis, das bis 40° B., ja stellenweise sogar darüber
hinaus gelangt. Nichts ähnlichem begegnen wir in den nordischen
Meeren, mit einziger Ausnahme der Neufundlandbank, wo Golf- und
Labradorstrom sich begegnen. Aber ungleich großartiger, wahrschein-
lich einzig in seiner Art ist das Schauspiel des fingerförmigen In-
einandergreifens warmer und kalter Strömungen, das uns der west-
liche Indische Ozean in 40° S. bietet. Verschiedener Salzgehalt und
abwechselnd blaue und grüne Färbung beweisen, daß liier wirklich
Tropen- und Polarwasser um die Herrschaft ringen. Als Schott
im Sommer 1891 diese Gegend durchfuhr, beobachtete er zwischen
10 und 70° O. nicht weniger als 16 wrarme und kalte Bänder von
170 bis 850 km Breite, in denen Temperatursprünge bis zu 6° vor-
karnen. An ein paar Stellen scheinen warme Ströme wirklich in
höhere Breiten durchzubrechen, wie man es vom Kerguelenstrome
sicher annimmt, aber wie ärmlich ist auch dieser gegenüber dem
Golfstrome !
* Die nachstehende Tabelle, aus KbChmels Karten der Meeresisothermen9
abgeleitet, liefert dafür das Beweismaterial in übersichtlicher Form. Es sind
die arktischen Augusttemperaturen mit den antarktischen Februartemperaturen
und umgekehrt in Vergleich gesetzt.
Sommertemperatur
Wintertemperatur
Breite
30°
40° 50°
Pazifischer Ozean
30 9
40°
50°
N. B. (+)
24,7°
19,7° 11,4°
18,o°
10,4 9
4,2°
S. B. (-)
22,8
17,a 9,o
17,8
12.»
7,5
Diff. "hlj9 *1*2,4 "bl,5 "hl,1 — 1,4 — 3,s
Atlantischer Ozean
N. 15. (+) 25,8 22,7 15,o 20,i 15,8 7,»
K 15. (-) 22,» 17> 17,» ll,o 8^
Diff. +2,o +5,7 +8,» +2,o +3,o +4,8
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Die Meeresströmungen.
253
Ein Erklärungsversuch dieser anscheinend abnormen Verhält-
nisse auf der südlichen Halbkugel wäre verfrüht, solange unser Wissen
von dieser Erdzone noch in seiner gegenwärtigen Dürftigkeit ver-
harrt. Namentlich muß zunächst festgestellt werden, ob polares.
Wasser sich gleichmäßig dem Oststrome beimengt, oder, wie es den
Anschein hat, nur in einzelnen Strömen in die mittleren Breiten
gelangt. Da wir auch von den Winden der südpolaren Zone so gut
wie nichts wissen, so ist es immerhin möglich, daß jene hypothe-
tischen Ströme mit der Trifttheorie ebenso in Übereinstimmung
stehen, wie der ostgrönländische und Labradorstrom, deren Richtung
übrigens wohl auch durch das Kompensationsbedürfnis und die Erd-
rotation mitbestimmt wird.
Daß polares Wasser aus dem antarktischen Ozean entlang den
Westküsten der Festländer bis in die äquatoriale Zone gelangt, ist
eine traditionelle Vorstellung, die auf allen Strömungskarten zum
Ausdrucke gelangt. Allerdings sind, wie die Isothermen der Meeres-
oberfläche zeigen (vgl. z. B. Fig. 55 auf S. 262) innerhalb des tro-
pischen Stromwirbels die Ostseiten kälter, als die Westseiten, aber
dieß gilt auch für die nördliche Hemisphäre, obwohl wir doch be-
stimmt wissen, daß weder der nordafrikanische noch der californische
Strom vom Pole kommen. Sie sind die Fortsetzungen der relativ
warmen östlichen Verbindungsströme, verändern aber ihren ther-
mischen Charakter, sobald sie sich aus höheren in niedere Breiten
bewegen, indem sie dann im Vergleiche zu ihrer Umgehung als kühl
erscheinen. Groß kann aber dieser Unterschied nicht sein, weil die
Ströme sich langsam bewegen und dadurch Zeit gewinnen, sich den
neuen Wärmeverhältnissen anzupassen. Als die bedeutendsten Ströme
gelten der Peru- und Benguelastrom. In Bezug auf den ersteren
hat schon Hettneb10 nachgewiesen, daß er an der westpatagonischen
Küste keine Temperaturemiedrigung bewirkt, was doch der Fall sein
müßte, wenn er aus dem Eismeere käme. Gegen die polare Ab-
stammung des Benguelastromes spricht sein hoher Salzgehalt (35 bis
36 Promille); man vergleiche ihn nur mit dem Falklandstrome, dessen
Salzgehalt 34 Promille nicht übersteigt.
Es giebt aber für die Westküsten zwischen 40° N. und S. eine
viel wirksamere Kältequelle: das aufsteigende Tiefenwasser.
Es ist ein allgemeines Gesetz, daß an den Luvküsten Wasser aus
der Tiefe aufsteigt, um das vom Winde weggetriebene Wasser zu
ersetzen. In der Passatzone liegen die kontinentalen Westküsten
an der Luvseite; eine Kompensation findet nicht nur oberflächlich
von den Seiten her statt, sondern auch von unten. So leicht ver-
ständlich auch dieser Vorgang ist, so wenig wurde er beachtet,
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254
Das Meer.
obwohl Dinklage schon 1875 darauf aufmerksam gemacht hatte.
Vollgiltige Beweise brachten erst die Beobachtungen an Uferstellen
mit zeitweise ablandigen Winden, wie wir solche in den letzten
Jahren an der afrikanischen Ostküste kennen gelernt haben. 11 Zur
Zeit der Südwestmonsune haben liier weite Küstenstrecken auffallend
kaltes Wasser, wie zwischen Warschekh und dem Kap Guardafui,
im N. und 0. der Insel Sokotra, und an ein paar Stellen der ara-
bischen Südküste. Bei Nordostmonsun verschwinden diese kalten
Zonen, aber im Golf von Aden, wo die Strömung nach W. und NW.
geht, erscheint eine neue zwischen Kap Guardafui und Bäs- Allula.
An polares Wasser ist in allen diesen Fällen natürlich nicht zu
denken. Noch überzeugender sind die Beobachtungen Mckkays in
den Fjorden und Süßwasserseen Schottlands. 18 Wir greifen nur ein
Beispiel heraus: den Loch Locliy, der, von NO. nach SW. sich
erstreckend, den südwestlichen Teil des caledonischen Grabens erfüllt
Die nachfolgenden Zahlen sprechen von selbst: das warme Wasser
zieht mit dem Winde; es sammelte sich am 7. September 1887 mit
Nordostwinde (Stärke 1) am Südwestende und zwei Tage später bei
Westsüdwestwind (Stärke 5 — 6) am Nordostende an.
7. September
9. September
Tiefe
Nähe des
Nähe des
Nähe des
Nähe des
Faden
SW.-Endes
Mitte
1
NO.-Endes
i
! SW.-Endes
NO.-Endes
1 ^
"
«HC« -w
0
13,7°
13,:«“
12,«°
! 12,1°
12,.»
5
13,*
13, i
12,4
12,6
10
13,4
12,.
12,i
11*
12,8
20
8,.
8,.
9,o
—
30
7,»
7,8
7,8
-
Daß es sich bei dieser Wärmeschichtung wirklich um Aufsteigen
von Tiefenwasser handelt, zeigte am deutlichsten das Verhalten im
Fjord (Loch) Striven im Dezember, wo die Temperatur in abnormer
Weise mit der Tiefe zunimmt, denn hier war die Luvseite warm
und die Leeseite kalt.
Auch in anderer Richtung sind diese Beobachtungen sehr lehr-
reich. Man stellt sich die Vertikalzirkulation häufig so vor, daß
das Tiefenwasser nur unmittelbar an der Luvküste aufquelle, wäh-
rend man niedere Temperaturen etwas abseits davon immer noch
geneigt ist, kalten OberHächenströmen zuzuschreiben. Die Isothermen
im Loch Loehy am 7. September, wo auch in der Mitte gemessen
wurde, biegen aber nicht am Nordostende plötzlich in die Höhe,
sondern steigen bis gegen 20 Faden Tiefe allmählich von SW.
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Die Meeresströmungen.
255
nach NO. an. Genau denselben Verlauf linden wir im Nordatlan-
tischen Ozean zwischen 20 und 40° B., bis zu ca. 1000 m Tiefe:
Faden:
100
200
300
400
500
600
West
32° 54 N.
63° 22' W.
23, »8
18,.°
17,.»
16,»°
12,3»
7,3»
Ost
33 46 „
19 17 „
15,»
14,3
12,.
10, <
10,«
9,6
Eine kalte Küstenzone zeichnet die Ostseiten aller Passatmeere
aus, mit einziger Ausnahme von Westaustralien. Krümmel erklärt
dies durch die geringe meridionale Entwicklung dieses Erdteiles,
die ihm gestattet, das fortgeführte Meerwasser durch eine Strömung
von N. her zu ersetzen. Wahrscheinlich sind auch die rätselhaften
Stromkabelungen, heftige und geräuschvolle, kurzwellige Wasser-
bewegungen, auf solches Aufsteigen von Tiefenwasser zurück/ ufüliren.
In seinen klimatischen und sonstigen Eigenschaften unterscheidet
sich das kalte Auftriebwasser durchaus nicht von kalten Oberflächen-
strömungen. Es erzeugt ebenfalls ein rauhes, wenn auch ziemlich
gleichmäßiges Küstenklima, indem es besonders die Sommertempe-
raturstark herabsetzt; es hüllt sich in dichte Nebel, während es gleich-
zeitig die Regenbildung hindert x Wie alles kühlere Meerwasser,
beherbergt es auch eine ungeheure Planktonfülle, die eine reiche
Fischfauna ernährt Das „Dunkelmeer" an der afrikanischen Nord-
westküste ist wahrscheinlich ein nicht minder ergiebiger Fischerei-
grund, wie die Neufuudlandbank oder das Gebiet der Falkland-
strömung.
Litteraturnachweise. 'Schott cit. S. 219. — * Pillbbukv, The Gulf
Stream, im Report der N. S. Coast and Geodetic Survey für 1889—90. Washing-
ton 1892. — 8 Kbümmel, Die nordatlantische Sargassosee, in Petermanns Mit-
teilungen 1891. — * KOkenthal, Bericht über die Reise nach Ostspitzbergen
1889, in Petermanns Mitteilungen 1890. — 6 Eine gute Übersicht gibt Pahde,
Die theoretischen Ansichten über die Entstehung der Meeresströmungen, im
Jahresberichte des Realgymnasiums zu Krefeld 1888. — 8 Dinklage, Die Ober-
flächenströmungen im südwestlichen Teil der Ostsee, in den Annalen der
Hydrographie und maritimen Meteorologie 1888. — 7 Zöppritz, Zur Theorie
der Meeresströmungen, in den Annalen der Physik 1878, Bd. III. — 8 Krümmel,
cit S. 206. — * Krümmel, Die Temperaturverteilung in den Ozeanen, in der
Zeitschrift für wissenschaftliche Geographie, Bd. VI, 1887. — 18 Hettnbr, Das
Klima von Chile und Westpatagonien, Bonn 1881. — " Pupp, Das kalte Auf-
triebwasser, Marburg 1890. — ,s Murrav, im Scottisch Geographical Magazine
1888, S. 345.
Die Wärme Verteilung im Wasser.
Die Oberflächentemperatur des Meeres. 1 Die Oberfiächentempe-
ratur des Meerwassers ist im allgemeinen etwas höher als die der
untersten Luftschichten, namentlich stets über warmen Strömungen
X Vgl. S. 66 u. 127.
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256
Das Meer.
und im Winter auch meist über kalten. *x In einzelnen Tages- und
Jahreszeiten kann dieser Unterschied ziemlich beträchtlich werden,
weil die Wassertemperatur viel geringeren Schwankungen unterworfen
ist, als die Lufttemperatur; im Jahresdurchschnitte ist er aber doch
gering, wie bei der innigen Berührung von Luft und Wasser und bei
der großen Wärmekapazität des letzteren nicht anders zu erwarten
ist Genügt doch die Temperaturerniedrigung eines cbm Wasser
um 1°, um die Temperatur von 3000 cbm Luft um 1° zu erhöhen.
Die Luftisothermen haben daher überall das Bestreben, sich mög-
lichst enge den Wasserisothermen anzuschließen; die letzteren sind
aber, außer von der geographischen Breite auch von der hori-
zontalen und vertikalen Wasserzirkulation abhängig (vgl. Fig. 53).
Daher ist zwischen ca. 40° N. und 40° S. das Meer im Osten kälter
und jenseit dieser Parallelen wärmer als im Westen. Die Mächtig-
keit des Golfstromes verrät sich durch die weit nach Norden ge-
schwungenen Isothermenkurven, und das Zusammenrücken der
Wärmelinien bei Neufundland ist ein Werk der Labradorströmung.
Für den Atlantischen, wie für den Großen und Indischen Ozean
gilt das gemeinsame Gesetz, daß die nördlichen Partien wärmer sind
als die entsprechenden südlichen. xx Dieser Gegensatz ist in letzter
x Als Mittel der Differenz Luft minus Wasser aus je vier Beispielen
können angeführt werden:
Winter Fühling Sommer Herbst Jahr
Warme Strömungen — 2,i° —0,9° —0,3° — 1,7» — l,s°
Kalte ,, — 0,4 +0,3 + 0,6 +0,i + 0,05
xx Die nachfolgenden Durchschnittstemperaturen der Meeresober-
fläche zwischen 50° N. u. S. sind aus dem Isothermenkarten von Krümmei. ab-
geleitet. Als jährliche Temperatur wurde annähernd das Mittel aus den
extremen Monaten angenommen.
Breite
Februar
August
Jahr
Atlaut.
Ozean
Pazif.
Ozean
Ind.
Ozean
Atlant.
Ozean
Pazif.
Ozean
Ind.
Ozean
Atlant.
Ozean
Pazif.
Ozean
Ind.
Ozeau
50° N.
7,9»
4,3»
—
15,o»
11,4°
—
11,4»
7,8»
—
40
15,3
10,4
—
22,7
19,7
—
19,0
15,0
—
30
20,1
18,9
—
25,a
24,7
—
23,o
21,8
—
20
24,6
23,5
24,s»
27,3
26,8
27,o«
26,o
25,3
25,7»
10
25,3
26,7
26,5
27,5
28,5
27,i
26,5
27,6
26,8
0
27,3
27,o
28,i
24,9
26,7
27,6
26,o
26,9
27,9
10 S.
26,4
26,9
28,7
22,7
25,8
26,.
24,6
26,i
27,.
20
23,s
25,9
26,3
20,o
22,e
22,7
21,9
24,3
24,5
30
22,9
22,8
22,9
17,3
17,8
18,3
20,0
20,s
20,6
40
17,o
17,3
16,i
11,6
12,3
12,7
14,3
14,7
14,4
50
6,8
9,9
5,8
3,i
7,5
4,0
5,0
8,7
4,8
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Die Wärme Verteilung im Wasser.
257
Linie eine Folge der stärkeren Entwicklung des Südostpassates. Die
südliche Äquatorialströmung, die im Atlantischen Ozean beständig,
im Indischen aber nur zur Zeit des Südwestmonsuns den Äquator
überschreitet, führt unserer Hemisphäre eine Menge erwärmten Wassers
zu, und dieses ernährt wieder die mächtigen warmen Ströme der
nördlicheren Breiten. Die Ozeane der südlichen gemäßigten Zone
erhalten dagegen nicht nur weniger Tropenwasser, sondern stehen
überdies noch mit dem Eis-
meere in offener Verbindung.
Dies ist wahrscheinlich auch
der Grund der ziemlich gleich-
mäßigen Temperatunertei-
lung jenseits des 30. Süd-
parallels. Diesseits desselben
sind die Gegensätze bedeutend
größer. Innerhalb des Tropen-
gürtels (20° N. bis 30° S.) ist
der Indische Ozean am wärm-
sten, der Atlantische am
kältesten. Dagegen ist nörd-
lich von 20° N. der Atlan-
tische Ozean beträchtlich
wärmer als der Pazifische, ob-
wohl dieser vom Eismeere
abgesperrt ist: wieder ein
Beweis für den hohen Vor-
rang des Golfstromes vor dem
Kuro Schio.
Tiefentemperatur in Süß-
wasserseen. Wie in der Luft-
hülle unseres Planeten die
Temperatur mit der Höhe abnimmt, so in der Wasserhülle mit der
Tiefe. In derselben Sichtung vermindert sich auch die Wärme-
schwankung, die in den Schweizer Seen in 150 m Tiefe völlig er-
lischt,3 sodaß in den tieferen Schichten das ganze Jahr hindurch
eine gleichmäßige Temperatur herrscht.
Während aber die Atmosphäre hauptsächlich von unten erwärmt
wird, empfängt das Wasser seine Wärme von oben, und die Tempe-
raturverteilung in einer Wassersäule gestaltet sich daher wesentlich
anders, als in einer Luftsäule von gleicher Höhe. Die Süßwasser-
seen erwärmen sich am Tage und im Sommer durch Durchstrahlung
und Leitung und kühlen sich nachts und im Winter durch Leitung
Süpas, Physische Erdkunde. 2. Aull.
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258
Das Meer.
und vertikale Wasserzirkulation ab. Die direkte Sonnenwirkung be-
einflußt nur eine dünne Obertlächenschicht ; nach Grissingers Mes-
sungen im kärtniscken Weißensee * reichte sie anfangs September
nur bis 12 in Tiefe. Die vertikale Zirkulation wird dadurch hervor-
gerufen, daß das Obertlächenwasser sich abkühlt, dadurch schwerer
wird und untersinkt, bis es eine Schicht von gleicher Temperatur
und Dichte erreicht hat. Wärmere Tiefenschichten steigen auf,
kühlen sich wieder ab, sinken wieder unter, und dieses Spiel dauert
solange, bis das gestörte Gleichgewicht wieder hergestellt ist. Wäre
die Dichte des Süßwassers nur von der Temperatur abhängig, so
müßte in jenen Tiefen unserer Seen, in welche die Sommerwärme
durch Leitung nicht mehr einzudringen vermag, das Wasser eine
Temperatur besitzen gleich der mittleren Januartemperatur der be-
treffenden Gegend. Bekanntlich erreicht aber das Süßwasser seine
größte Dichte schon bei 4° Uber Null, und in der That finden wir
diese Temperatur auch in allen unseren tieferen Alpenseen, voraus-
gesetzt daß sie nicht durch warme Quellen auf dem Grunde gespeist
werden. In der Regel steht aber die Tiefentemperatur einige Zehntel
Grad über 4; es ist dieß dem Einflüsse der Erdwärme und dem
wärmeerzeugenden Fäulnisprozesse der auf dem Boden lagernden
Organismen zuzuschreiben.
In den Sommermonaten nimmt die Temperatur beständig von
oben nach unten ab; beständig, aber nicht gleichmäßig. Wir haben
vielmehr 5 scharf getrennte Schichten zu unterscheiden, die aller-
dings nur hei sehr detaillierten Messungen erkennbar sind. Als Bei-
spiel mögen die beiden Temperaturreihen Grissingers im Weissensee
am 7. September 1 80 1 dienen:
85 a.
m.
4h p. m.
Oberflächentemperatur
18,8
0
19,8°
Schicht
Tiefe
Abnahme
Tiefe
Abnahme
m
ganze
pro m
m
ganze
pro m
I.
0— 8
i,,»
0,2°
0— 8
1,9°
0,2°
II.
8—10
5,t
2,9
8—11
V
2,8
III.
10—15
4,9
1,#
11—14
3,6
1,»
IV.
15—10
2,i
0,i
14—34
2,5
0,2
V.
40 — Grund
0,o
0,o
34— Grund
0,o
0,o
Das größte Interesse nimmt die Schicht II oder die Sprungschicht,
wie sie ihr Entdecker, En. Richter nannte,® in Anspruch. Daß sie
täglichen Verschiebungen unterliegt, zeigt schon das obige Beispiel,
noch größer sind natürlich die jahreszeitlichen, wie aus den Messungen,
im elsässischen Weissensee6 hervorgebt, ja zeitweise verschwindet sie
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Die Wärmeverteilung im Wasser.
259
ganz. Jedenfalls ist sie im Sommer am schärfsten ausgebildet und
nimmt das höchste Niveau ein. Ihre obere Grenze bezeichnet den
Endpunkt der vertikalen Zirkulation, die durch die nächtliche Ab-
kühlung der Oberflächenschicht erzeugt wird und bis zu jener Tiefe
sich erstreckt, in der die Temperatur gleich ist der nächtlichen
Oberflächentemperatur. Die auf- und absteigenden Schichten ver-
mischen sich nun so innig, daß sie am darauffolgenden Morgen eine
gleichmäßige Temperatur annehmen. Diese ist natürlich an der
oberen Grenze der Zirkulationsschicht tiefer als die Temperatur des
vorhergehenden Tages, an der unteren aber höher, und statt der
früheren gleichmäßigen Abnahme findet nun ein Sprung statt. So
trägt, so paradox es auch klingen mag, die nächtliche Abkühlung
die Wärme in die Tiefe, und zwar um so tiefer, je größer die täg-
liche Wärmeschwankung ist
Den sommerlichen Zustand nennen wir mit Forel7 die regel-
mäßige Wärmeschichtung; im Winter dagegen herrscht in den
tieferen Seen unserer Alpen die umgekehrte Schichtung. Im
Momente des Überganges hat die ganze Wassersäule ca. 4°. Werden
die oberflächlichen Schichten kälter, so sinken sie nicht mehr ein.
Die Temperatur der tieferen Schichten erniedrigt sich nur durch
Ausstrahlung ; sie nimmt nach der Tiefe zu, bis die konstante Schicht
von 4° erreicht ist. * Die Eisbildung beginnt daher stets an der
Oberfläche und schreitet langsam nach unten fort. Aber niemals
können unsere tieferen Landseen bis auf den Grund gefrieren, und
so kann ihr organisches Leben auch den Winter überdauern.
Auf diese Verhältnisse hat Forel seine thermische Ein-
teilung der Süßwasserseen gegründet. Im tropischen Typus
herrscht das ganze Jahr hindurch die regelmäßige, im polaren
die umgekehrte Schichtung. Der gemäßigte Typus hat im Sommer
die erstere, im Winter die letztere Schichtungsart. Jede Haupt-
kategorie zerfällt in tiefe und seichte Seen, je nachdem sie über die
Tiefengrenze der jährlichen Wärmeschwankung hinabragen oder nicht.
Tiefentemperaturen im Salzwasser. In zw'ei Punkten unter-
scheiden sich hinsichtlich ihres thermischens Verhaltens die salzigen
von den Süßwrasserbecken. Mit steigendem Salzgehalte verschiebt sich
nämlich auch der Gefrierpunkt und das Dichtigkeitsmaximum nach
x Die Temperaturverteilung im Züricher See war am 25. Januar 1SS0
nach Forel folgende:
Tiefe m 0 20 40 60 80 100 120 138
Temp. 0,2° 2,9° 3,5° 3,i° 3,8» 3,s° 4,o» 4,o°
17*
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260
Das Meer.
abwärts, x und damit ändert sich das Minimalmaß der Tiefentempe-
ratur. Sie kann im Süßwasser nur bis + 4°, in 1 prozentigem Salz-
wasser aber schon auf + 2°, im 2prozentigen auf — 0,5° sinken,
natürlich immer vorausgesetzt, daß die klimatischen Verhältnisse die
Erzeugung so niedriger Wärmegrade gestatten. Sobald aber —
und dieser Fall tritt schon bei einem Salzgehalte von 30 Promille
ein — das Dichtigkeitsmaximum tiefer liegt, als der Gefrierpunkt,
wird die untere Temperaturgrenze der Tiefenschichten nur mehr
von dem letzteren bestimmt. Die Eisdecke, mit der sich der Wasser-
spiegel überzieht, schützt als schlechter Wärmeleiter jene Schichten
vor intensiverer Erkaltung, und daher kann selbst das Bodenwasser
polarer Meere nicht kälter sein als —2 bis —3°.
Der zweite Unterscheidungspunkt ist folgender. Die tieferen
Süßwasserschichten erwärmen sich hauptsächlich durch Leitung, da
die vertikale Zirkulation nicht weit hinabreicht. Um Wasser von
der Oberfläche in die Tiefe zu führen, giebt es hier nur ein Mittel:
die Abkühlung; im Salzwasser dagegen noch ein zweites: die Er-
wärmung. Indem das erhitzte Oberttächenwasser verdunstet, wird
es relativ salzreicher, schwerer, und sinkt unter. Um die ungeheuere
Bedeutung dieses Faktors zu würdigen, vergleiche man nur die
Temperaturen im Mittelmeere und in den oberitalienischen Seen. Hier
unter 150 m Tiefe schon überall Temperaturen von 4,o bis 6°, dort
selbst an den tiefsten Stellen noch eine Temperatur von 13°!xx
Dieser Wärmegrad entspricht ungefähr der mittleren Januartempera-
tur der Luft in diesen Gegenden und herrscht mit geringen Schwan-
kungen in der ganzen, mehrere 1000 m mächtigen Wasserschicht
jenseits der 500 in-Isobathe. Die vertikale Temperaturabnahme be-
trägt hier nur ein paar Zehntel Grad.
Das Mittelmeer ist ein nahezu abgeschlossenes Becken. Aller-
dings empfängt es einen atlantischen Unterstrom, aber die Gibraltar-
schwelle ist zu seicht, als
daß
das kalte ozeanische Tiefenwasser
x Karsten (Gazellewerk,
n,
S. 53) gibt als
wahrscheinlichste Werte
folgende an:
Salzgehalt (Promille)
0
10
20 30
Gefrierpunkt
0°
-0,9°
-1,5° -2,9°
Dichtigkeitsmaximum
+ 4°
+ 2°
-0,5 -4°
x x Zwischen Korfu und
Ben Ghäsi (Tripolis)
war die durchschnittliche
vertikale Wärmeverteilung nach den Messungen der
„Pola“ im September 1891
folgende:
Tiefe 0 10
50
100 500
Boden (bis 3700 m)
Temperatur 24, s“ 23,9°
18,»°
15,5° 14,1°
13,9—13,7 °.
An der tiefsten bekannten Stelle des Mitlelmeeres (4400 m) fand die
„Pola“ 13,5°. 8
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Die Wärmeverteilung im Wasser.
261
eintreten könnte. Maßgebend für die Tiefentemperatur der
Nebenmeere ist also die Tiefe und auch die Breite der
Kanäle, die sie mit dem Hauptmeere verbinden. Daß wir
auch die Breite als einen Faktor für den Grad der Vermischung
zweier Gewässer anführen, bedarf keiner weiteren Erörterung.
Im Gebiete des Schwarzen Meeres ist das Klima, besonders
das winterliche, beträchtlich kälter als im Mittelmeere, und dement-
sprechend müssen wir hier Tiefentemperaturen von etwa 6° erwarten.
Das ist in der That auch der Fall. Die russische Forschungsexpe-
dition im Sommer 1890 fand nordöstlich von der Donaumündung
6° in 38 m Tiefe, an der Südküste der Krim 6,?° in 60 m Tiefe, in
der Nähe des Bosporus 6,r° in 57 m Tiefe und in dem tiefsten
Becken des Pontus 7,3° in 55 m Tiefe. Von da ab nimmt aber die
Temperatur bis zum Boden wieder um 2° zu,x offenbar erwärmt
durch das Mittelmeerwasser, das als Unterstrom durch den Bosporus
in das Schwarze Meer fließt. Aber auch die auffallend rasche
Wärmeabnahme in den obersten Schichten ist lehrreich; je geringer
che Verdunstung ist-, desto matter ist die vertikale Zirkulation. Sie
erlischt hier schon in 55 m Tiefe, d. h. in der Schicht der niedrigsten
Temperatur.
Auch im Ozean10 verlangsamt sich die Wärmeabnahme gegen
den Boden zu. Selbst die Messungen in Abständen von 100 bis
200 m lassen eine Dreiteilung fast überall erkennen: rasche Abnahme
in der Oberflächenschicht, die bis 200 oder auch bis 400 m hinab-
reicht; langsamere zwischen 200 bezw. 400 und ca 1000 m Tiefe,
aber immerhin noch im Betrage von V, bis 1° pro 100m; endlich sehr
langsame, fast unmerkliche Abnahme jenseits der 1000 m-Tiefe, kaum
Ü,i° pro 100 m. Soweit reicht die Analogie mit den Nebenmeeren.
Aber zum Unterschiede von diesen erstreckt sich der Ozean über
alle Klimagürtel, und seine einzelnen Teile stehen in mehr oder
minder freier Verbindung mit einander. Diese beiden Momente
wirken sich entgegen; an der Oberfläche herrscht noch der Unter-
schied der Breite, und die Temperatur bewegt sich noch in Diffe-
renzen von 33°, zwischen 30° in einigen wenigen Teilen des tro-
pischen Ozeans und — 3° im Polarmeere. Das Bodenwasser der tieferen
Becken ist dagegen überall nahezu gleich kalt und schwankt nur
zwischen + 2 und — 2,s°.
x Nach Woeikows Bericht“ ist die Wärmeschichtung über dem Tiefbecken
folgende:
Tiefe m 0 10 55 100 500 1000 2158
28,3° 21,3° 7,3° 8,o° 8,»° 9,»» 9,3°
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262
Das Meer.
Vertikale Temperaturverteilung im Atlantischen Ozean.
(Nach den Beobachtungen des „Challenger“, 1872—73 u. 1876.)
Fig. 55. Tiefenisothennen des Atlantischen Ozeans zwischen 30 und 40° S.
Atlantischer Ozean. Berücksichtigt man die Durchschnittstempe-
ratur der ganzen Wassermasse, so ist der Atlantische Ozean x
x Vergleichende Übersicht der Temperatur der Ozeane.
Atlantischer Ozean.
Tiefe: Faden
0
50
100
200
300
500
1000
1500
Meter
0
91
183
366
549
914
1829
2743
40—20° N.
21,2°
17,8°
16,9°
14,5°
12,7°
7,7°
3,6°
2,5°
20-0 „
25,4
16,4
14,i
10,3
7,*
4,9
3,8
2,6
0-20 S.
24,8
18,3
13,2
9,2
6,5
4,3
3,4
2,8
20-40 „
19,i
16,3
14,.
10,8
6,8
3,6
2,o
2,2
Stiller Ozean
40-20° N.
20,8°
16,8°
13,9°
9,8°
6,2°
3,8«
1,9°
1,4°
20-0 „
26,7
24,3
17,3
9,8
7,4
4,8
2,3
1,‘
0—20 S.
26,8
25,8
21,2
11,5
7,*
4,*
2,<
1,5
20-40 „
20,2
18,3
16,5
12,4
8,4
5,8
2,o
d,3)
Indischer Ozean.
10—20° S.
25,4°
—
18,2°
12,2°
8,2°
5,2°
—
—
20-40 „
20,4
—
15,0
10,8
9,4
5,8
—
—
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Die Wärmeverteilung im Wasser.
263
(s. Fig. 54 — 56) zwischen 30 und 40° N. der wärmste Teil des ganzen
Weltmeeres. Über einer Fläche von ca. 4 Mill. qkm lagert eine 500 m
mächtige Schicht von mehr als lö'/g0 mittlerer Temperatur. Hier
ist die Gehurtsstätte jener allgemeinen nordöstlichen Wasserbewegung
zu suchen, die wir als Golfstrom bezeichnen. Selbst im Tropen-
gürtel ist das Wasser schon in 200 m Tiefe beträchtlich kälter, ja
in den mittleren Schichten der südlichen Hälfte (0 — 20° S.) sogar
kälter, als zwischen 20 und 40° S. Auf die Gegensätze zwischen West
und Ost haben wir schon aufmerksam gemacht. Bis zu einer Tiefe
von rund 500 m ist der nordatlantische Ozean im Gebiete des Aus-
läufers der Äquatorialströmung wärmer, als im Osten; in den unteren
Schichten aber kälter, weil durch die untergesunkenen Polarströme
abgekühlt. Auch im südatlantischen Ozean sind die oberen Partien
der Westhälfte durch höhere Wärme ausgezeichnet. Anderer Art
sind die merkwürdigen Gegensätze, die die Bodentemperaturen der
westlichen und östlichen Becken zeigen:
NW.-Becken Nordhälfte des Ost-Beckens
1,3° bis 1,8° 1,6° bis 2,t°
SW.-Becken
Norden 0,2° bis 0,»°
Mitte 0,« „ 0,8
Süden 0,4 „ —0,6
Südhälfte des Ost-Beckens
2,i° bis 2,«°
Kap-Becken
0,5° bis l,o°
Es ist klar, daß diese niederen Temperaturen nicht an Ort und
Stelle entstanden sein können. Ein anderes Beispiel wird dies noch
besser zeigen. Nur neun Bogenminaten nördlich vom Äquator (unter
30,s° W.) beobachtete der „Challenger“ folgende Temperaturen:
Oberfläche
25,3°
Tiefe
500 Faden 914 m
4,3'
Tiefe 50
Faden
91 m
19,4
1000
77
1829
3,6
„ 100
77
183
13,4
1500
7»
2743
2,t
„ 200
»7
366
8,2
»7
2275
77
4160
1,»
„ 300
77
549
5,6
(Boden)
Wir haben hier eine Wassermasse von fast 4000 m Mächtigkeit,
deren Temperatur niedriger ist, als die tiefste hier mögliche Luft-
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264
Das Meer.
temperatnr. Wir schließen daraus, daß das Tiefenwasser vom
Polarmeere stammt und daß es durch eine dauernde unter-
seeische Strömung beständig erneuert wird, da es ja sonst
bereits eine höhere Temperatur hätte annehmen müssen
Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, daß das äquatoriale
Tiefenwasser antarktischen Ursprungs ist, denn nur nach Süden
sinkt die Bodentemperatur, während sie nach Norden hin steigt.
Wir werden hier aufmerksam auf die hohe Bedeutung des unter-
seeischen Reliefs. Am ungehindertsten ergießt sich das polare Wasser
in das südwestliche Becken, wobei noch zu beachten ist, daß diese
Strömung infolge der Ablenkung durch die Rotation der Erde über-
haupt die Tendenz hat, sich nach Westen zu wenden. Auch in das
Kap-Becken gelangt noch Wasser von weniger als 1°, in die anderen
Becken, die durch zusammenhängende Bodenanschwellungen von dem
südwestlichen geschieden sind, aber nur das wärmere Wasser jener
Schicht, die mit dem submarinen Rücken in gleicher Höhe liegt.
Aus demselben Grunde bleiben die nordatlantischen Tiefen vor dem
Eindringen des arktischen Wassers geschützt, wie die von Kbümmkl11
berechneten Zugangsdimensionen beweisen:
Zugangsbreite Zugangstiefe Zugangsquerschnitt *
Arktische 1521 km 585 m 890 qkm
Antarktische 9186 2740 25170
Nördliches Eismeer. In der Fortsetzung des atlantischen Thaies
liegt das nördliche Eismeerbecken. Die Temperatur nimmt in
den Polarmeeren — wenigstens im Sommer — nicht überall regel-
mäßig mit der Tiefe ab ; häufig ist eine kalte Schicht zwischen zwei
wärmeren x x oder auch eine warme Schicht zwischen zwei kälteren
eingeschlossen. x x x Nachstehende Durchschnitte werden uns über die
vertikale Wärmeverteilung Aufschluß geben. Im Süden des Grenz-
plateaus, das hier bis 649 m aufsteigt, breitet sich das warme atlan-
tische Wasser aus, während im Eismeerbecken und in dessen süd-
licher Fortsetzung, der Färöer-Shetlands-Rinne, die warme Schicht,
die offenbar aus dem Atlantischen Ozean stammt, verhältnismäßig
dünn ist (Fig. 57). Unter ihr hat das Meer Minus -Temperaturen,
aber ohne den Gefrierpunkt des Salzwassers zu erreichen; die
s Die Breite multipliziert mit der Tiefe.
xx Z. B. 68, a° N., 15, t 0. (19. Juni 1878, nach Mohn)
Tiefe m 0 18 37 73 110 146 183 366 624 (Boden;
Temp. 0 10,7 8,o 5,t 4,4* 5,i 5,9 5,« 6,4 6,0
xxx Z. B. 76,4 0 N., 45,i°0. (31. Juli 1878, Beob. „W. Babents“)
Tiefe m 17 34 51 68 85 102 119 136 153 170 187 204 221
Temp. 0 2,o 1,5 0,5 -0,i -0,5 -0,6* -0,4 0,o 0,9 0,5 0,2 0,o -0,s*
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Die Wärmeverteilung im Wasser.
265
Bodentemperaturen schwanken zwischen — l,t° und — 1,7°. Eine
Vermischung beider verschieden warmen Wassermassen verhindert
das Plateau. Im folgenden Durchschnitt (Fig. 58), der senkrecht
zum ersten gezogen ist, selten wir, wie die warme Golfstromschicht
von Westen nach Osten an Mächtigkeit zunimmt. Die 0°-lsotherme
liegt in der östlichen Hälfte zwischen 500 und 1200 m und im Mittel
in 860 m Tiefe. Dieser Gegensatz erklärt sich dadurch, daß der
Golfstrom sowohl durch die westlichen Winde wie durch die Erd-
rotation nach Osten gedrängt wird.
Der norwegischen Küste sind mehr oder weniger breite Bänke
vorgelagert, in die der beckenartige Boden der Fjorde eingesenkt
VM Olt
Fig. 58. Vertikale Teinperaturverteilung im europäischen Nordmeer nach Mohn.
ist. Niemals gefriert das Wasser der letzteren, selbst nicht unter
den höchsten Breiten. Ihre Bodentemperatur ist durchschnittlich
um 8,7° höher als die mittlere Januartemperatur der Luft, ja nörd-
lich vom 62. Parallel sogar um 2,2° höher, als die mittlere Jahres-
temperatur. Es ist dies wieder ein augenscheinlicher Beweis dafür,
daß das norwegische Küstenwasser seinen Wärmevorrat aus niederen
Breiten bezieht; die Bänke schützen aber die Fjorde vor dem Eiu-
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266
Das Meer.
dringen des kalten Wassers des Eismeerbeckens. Auf so mannig-
fachen Bedingungen beruht also die abnorme klimatische Begünstigung
des nordwestlichen Europa.
Die warme Oberflächenschicht wurde an der Westküste von
Spitzbergen bis über den 60. Parallel und östlich von der Bären-
insel bis ca. 75° B. verfolgt, ln der Barentsee sinkt die 0°-lsotherme
nur noch an einer Stelle bis 200 m Tiefe herab, nähert sich aber
im Norden schon bis auf 12 m dem Meeresspiegel. Nördlich und
nordöstlich von Nowaja Semlja ist das ganze Meer unter 0° abgekühlt.
Nur an einigen Stellen wird bei Windstille die Oberfläche durch die
Sommersonne vorübergehend stärker erwärmt, aber schon von 50 m
an findet man eine nahezu konstante Temperatur von — 2,o bis — 2,s°,
und merkwürdigerweise im Winterhalbjahr um ca. 0,7° höher als im
Sommer. Im sibirischen Eismeere beobachtete man schon in 30 — 50 m
Tiefe — 1 bis — 2,4°.
Es liegt also der Schluß nahe, daß das kalte Wasser des Eis-
meerbeckens und der Färöer-Binne arktischen Ursprungs ist. Dem
widerspricht aber der für polares Wasser erfahrungsgemäß zu hohe
Salzgehalt und andererseits der geringe Stickstöflgehalt x desselben;
denn wir wissen, daß die Luftmenge, welche das Seewasser von der
Atmosphäre aulnimmt, im umgekehrten Verhältnisse zu seiner Tempe-
ratur steht. In der That finden wir auch im Gebiete der unzweifel-
haft polaren ostgrönlöndischen Strömung geringeren Salz- und höheren
Stickstoffgehalt, als am Boden des Eismeerbeckens. Wir müssen
daher annehmen, daß das kalte Wasser des letzteren wenigstens zum
Teil aus dem Atlantischen Ozean stammt, oder mit anderen Worten,
daß hier der Golfstrom in einer absteigenden Bewegung begriffen ist.
Übrige Ozeane. Im Großen Ozean ist die vertikale Tempe-
raturverteilung im allgemeinen zwar ähnlich der im Atlantischen
Ozean, doch bestehen auch einige wichtige Unterschiede. Der kälteste
Teil ist der außertropische nördliche Ozean. Am wärmsten -ist in
den oberen Schichten die äquatoriale Zone und in den mittleren der
südliche Teil jenseits von 20° südl. B. In größeren Tiefen herrscht
weitaus mehr thermische Übereinstimmung als im Atlantischen Ozean.
Ebenso fehlen auch die verhältnismäßig bedeutenden Extreme der
atlantischen Bodentemperaturen, denn im nördlichen Teil schwanken
sie im allgemeinen nur zwischen 0,5 und l,e° und in der Südsee
zwischen 0,« und 1°.
Wie sehr die Mächtigkeit der nordatlantischen w’armen Strö-
X Die Stickstoftmenge des Wassers nimmt man als Maß der gesamten
Luftmenge, da der Sauerstoffgehalt zum Teil von Zufälligkeiten abhängig ist
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Die Wärmeverteilung im Wasser.
267
niung die der nordpazifischen übertrifft, zeigen die Beobachtungen
des „Challenger“ in beiden Meeren zwischen 32 und 38° N.
Mittlere Tiefe der Isothermen
20" 15° 10°
Atlantischer Ozean 20 — 70 “W. 40 m 430 m 790 m
Stiller Ozean 170° W. — 140" O. 20 120 350
Dagegen ist bis ca. 1000 m Tiefe der tropische und südliche
Stille Ozean wärmer als der Atlantische in gleicher Breite, in größeren
Tiefen aber entschieden kälter, wenn auch nirgends so tiefe Boden-
temperaturen gefunden wurden, wie zwischen Südamerika und Tristan
d’Acunha.
Eigentümlich ist die Wärmeverteilung in den isolierten Boden-
senkungen der westlichen Südsee und des austral-asiatischen Mittel-
meeres. In der Celebessee (zwischen dem Sulu-Archipel und
Celebes) beträgt z. B. die Temperatur von 1460 m bis zum Boden
(in 4755 m Tiefe) gleichmäßig 3,8°. Eine Barriere von 1190 m Tiefe
sperrt nämlich das kältere Tiefenwasser des offenen Ozeans von
dieser Bodensenkung ab. In der benachbarten, allseitig abgeschlosse-
nen Sulusee, die nur indirekt durch die China- und Celebessee mit
dem Ozean in Verbindung steht, hat die Wassersäule von 730 bis
4664 m Tiefe (Boden) sogar eine konstante Temperatur von 10,3°.
Das sind weitere Beweise für die Annahme, daß die ozeanische
Tiefenkälte vom Südpol stammt.
Auch im Indischen Ozean erreicht kaltes Bodenwasser den
Aquatorialgürtel. Weiter als irgendwo anders drang hier der
„Challenger“ gegen die antarktische See vor. Zwischen 52 und
54° B. beträgt die Temperatur an der Oberfläche selbst im Sommer
nur 3°, in 200 m Tiefe nie mehr als 1°, und am Grunde in 3566 m
Tiefe — 0,a°. Welcher Gegensatz zwischen dem südlichen und nörd-
lichen Ozean! Selbst in, dem verhältnismäßig kalten nordpazifischen
Ozean fand man unter gleichen Breiten an der Oberfläche um 5,7°
und in 200 m Tiefe um 2,i° wärmeres Wasser, und auch die Boden-
temperatur ist dort höher. Es müssen also die warmen Strömungen
in den höheren südlichen Breiten — wenigstens im Süden des
Indischen Ozeans — viel unbedeutender sein, als in den nördlichen
Meeren. Gerade dieser Umstand regt eine Reihe hochwichtiger
Fragen an, die noch ihrer Lösung harren. Es ist Thatsache, daß
eine Wasserzirkulation zwischen dem Nordpol und dem Äquator
durch das atlantische Thor mittels Oberflächenströmungen, die
allerdings auch in beträchtliche Tiefen hinabreichen, stattfindet. Ob
außer dem Falklandstrom noch andere echte südpolare Oberfläclien-
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268
Das Meer.
Strömungen bis in die Tropenzone hinaufgehen, ist zweifelhaft; aber
sicher ist, daß eine submarine antarktische Strömung den Äquator
erreicht und auch auf die nördliche Hemisphäre hinübertritt. Sie
ist zwar außerordentlich langsam und verrät sich nur dem Thermo-
meter, aber jedenfalls verdient sie den Namen einer Strömung, denn
sie bewirkt eine Wasserversetzung. In welcher Beziehung steht sie
nun zu den Oberflächenströmen? Und auf welche Weise erhält das
südliche Polarmeer Ersatz? Denn nur dann, wenn ebensoviel Wasser
zufließt, als abfließt, kann sieb eine konstante Strömung entwickeln.
Ist es endlich wahrscheinlich, daß die schwachen warmen Oberflächen-
strömungen der Südhemisphäre diesen Ersatz leisten?
Wyville Thomson, der Leiter der „Challenger“-Expedition,
stellte die Hypothese auf daß auf der Wasserhalbkugel die Nieder-
schläge größer seien als die Verdunstung, während auf den Meeren
der Landhalbkugel, auf dem Atlantischen, nordindischen und nord-
pazifischen Ozean die Verdunstung den Niederschlag überwiege. Die
antarktische Strömung gleiche nun dieses Mißverhältnis aus. So
bestechend auch diese Erklärung auf den ersten Blick erscheint, so
erweist sie sich doch bei näherer Betrachtung als ziemlich haltlos, da
sie auf ganz willkürlichen Annahmen beruht. Nach dem „Challenger“-
Hauptwerke 12 stammt das tropische Tiefenwasser von der Oberfläche
zwischen 40 und 55° S., und die aus den warmen Gegenden kom-
mende Ersatzströmung glaubt man in jener warmen Schicht, die sich
unter 65° S. in 550 m Tiefe fand, entdeckt zu haben.
Das Meereis. Während die übrigen Meere die Kontinente mehr
verbinden als trennen, sind die Polarmeere, als der Schauplatz einer
ausgedehnten und regelmäßigen Eisbildung, auch für das tauglichste
Schiff ein ernstliches Verkehrshindernis, das jeder Berechnung spottet.
Wie viele Opfer hat es gekostet, ehe man den Gedanken aufgab,
durch die Nordwestpassage in den Stillen Ozean zu gelangen; und
wenn auch die Nordostpassage von Noedenskiöld glücklich über-
wunden wurde, so ist doch auch diese ruhmreiche That ohne prak-
tische Folgen für den atlantisch -pazifischen Verkehr. Die marine
Eisbildung ist überdies auch von hoher klimatischer Bedeutung,
denn das Eis verhält sich gegen die Wärme wie Land, erkaltet also
im Winter durch Ausstrahlung rasch und intensiv, und ruft Baro-
metermaxima und polare Winde hervor, während es in der sommer-
lichen Tauperiode Wärme verbraucht und dadurch ebenfalls abküh-
lend auf die Umgebung wirkt.
Eisbildung von polarem Charakter findet auch im Bering- und
Oehotskisclien Meere statt. Auch das Asowsche Meer und die
Ostsee nördlich von der Linie Stockholm-Osel gefrieren jeden Winter
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Die Wärmeverteilung im Wasser.
269
teilweise oder ganz, was offenbar durch den geringen Salzgehalt
begünstigt wird.
Das Eis der Polarmeere besteht aus Eisbergen, Flußeis,
das aber nur in den sibirischen Küstengegenden einige Bedeutung
gewinnt, und Eisfeldern. Die erstereu stammen fast ausschließlich
von Gletschern her (s. S. 171), doch können auch Teile der auf-
gebrochenen Eisdecke eines Flusses durch Aufeinanderpressung wahre
Berge bilden und wie das Gletschereis Gesteinsmaterial mit sich
führen. Das Eisfeld ist marinen Ursprungs; Stücke desselben nennt
man je nach ihrer Größe Flarden, Schollen oder Brocken. Die
Torposten gegen das offene Meer bilden lose Eismassen, das sog.
Treibeis, während das innere Polarmeer mit schwerem Packeis
besetzt ist, das aber freilich auch nicht eine ununterbrochene Eis-
masse bildet. Vielmehr werden die einzelnen größeren und kleineren
Felder durch Stellen offenen Wassers, sog. Wacken, von einander
getrennt.
Verfolgen wir nun die Bildung und Umformung des Polareises
an der Hand der klassischen Schilderung von Wkyprecht. 13 Beim
Beginne der kalten Jahreszeit ist noch altes Eis vorhanden, dazu
kommt nun neue Eisbildung. Vom Sommer her hat das Polarmeer
ein gewisses Wärmequantum, das ihm durch warme Strömungen,
durch das Schmelzwasser des Eises, und (auf unserer Hemisphäre)
durch die Flüsse zugeführt wurde. Die erkalteten Oberflächen-
schichten sinken unter, die warmen steigen in die Höhe. Eigentlich
könnte die Eisbildung erst beginnen, wenn die ganze Wassermasse
unter — 2,/2° abgekühlt ist, aber in der Tliat gefriert das Wasser
an der Oberfläche schon, ehe die warmen Schichten heraufkommen.
Bei rascher Eisbildung au der Oberfläche wird nur ein Teil des
Salzgehaltes ausgeschieden, bei langsamer, nach unten fortschreitender
aber der ganze ; dadurch werden die nächsten Schichten salzreicher,
ihr Gefrierpunkt wird herabgesetzt und die vertikale Zirkulation geht
rascher vor sich. Erfahrungsgemäß beträgt die größte Dicke des in
einem arktischen Winter gebildeten Eises nur 1 — 2l/3 m. Ursprüng-
lich hat es eine glatte Oberfläche, aber bald entstehen infolge der
Bewegung der Felder durch Wind und Strömungen, infolge von
Gleichgewichtsstörungen und Temperaturdifferenzen zwischen Luft
und Wasser Risse und Sprünge. Sofort schießt in den Öffnungen
Wasser empor und treibt die Stücke des Feldes auseinander, wird
aber bald selbst von jungem Eise bedeckt. Die bin und her ge-
triebenen Felder schieben sich über und unter einander (Eis-
pressung, Fig. 59), und verwachsen endlich durch Regelation und
Ausfrieren der Zwischenräume zu einer kompakten Masse. Aber
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270
Das Meer.
auch jetzt sind dem Wachstum Grenzen gesteckt : nach unten, wenn
das Eis den Taupunkt erreicht, und auch nach oben, denn je
massenhafter es wird, desto seltener werden Brüche und Über-
schiebungen. Nach Weypbecht kann Salzwassereis nur eine Mächtig-
keit von 10 m erreichen, und wenn höheres beobachtet wurde (z. B.
25 m hohes im Smithsund), so war es nur durch unterschobene lose
Massen gehoben worden.
Von dieser Art ist also das winterliche Packeis: ein beständig
sich bewegender und umformender Trümmerhaufen aus altem und
jungem Eis, dessen Oberfläche noch dazu durch Schneestürme fort-
während verändert wird. Ihre Unebenheit macht auch weite Schlitten-
reisen unmöglich.
Fig. 59. Eispressung nach Payek.
Ende Mai beginnt es in den arktischen Gegenden zu tauen.
Die steigende Temperatur, vor allem aber Nebel und Regen be-
schleunigen diesen Prozeß. Es entstehen Seen und Flüsse, die dem
Meere Süßwasser zuführen. Die Wacken erweitern sich, und Schollen
und Brocken schwimmen darin herum. Die Polarströmungen führen
die losen Massen in wärmere Gegenden. Die äquatoriale Treib-
eisgrenze (s. Karte XIII) schwankt auf der südlichen Halbkugel
zwischen 56° B. im Süden von Amerika und 35° B. am Kap der
guten Hoffnung, selbst das Packeis überschreitet unter dem Green-
wicher Meridian den 50. Parallel, d. h. die Breite von Prag!14 Echtes
arktisches Treibeis betritt nur den westlichen Atlantischen Ozean,
während den Golfstrom bis über den 70. Breitengrad hinauf kein
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Die Wärme vertciluug im Wasser. 271
Eisstück zu passieren vermag. Nach einer allerdings nicht ganz
sicheren Berechnung von Borgen ist am Ende der warmen Jahres-
zeit 1/3 der Gesamtoberfläche des Eisgebietes eisfrei. Aber der
kurze Sommer vermag nicht alles zu zerstören, was der lange Winter
geschaffen hat. Es müßte sich daher in den Polarmeeren immer
mehr Eis anhäufen, wenn es nicht thatsäehlich nur so lange wachsen
würde, bis die winterliche Zunahme genau gleich ist dem sommer-
lichen Verluste.
Die Geschichte der Polarfahrten lehrt, daß die Eisgrenzen von
Jahr zu Jahr großen Schwankungen unterworfen sind. Sie sind
weniger von der Sommerwärme, als von den Wind- und Strömungs-
verhältnissen innerhalb des ganzen Polarbeckens abhängig; daher
sind im arktischen Meer die Ostküsten stärker belagert als die west-
lichen, die Nordküsten stärker als die südlichen. Traurige Erfah-
rungen haben den Glauben an ein offenes Polarmeer zerstört. Doch
hält Nordenskiöed noch daran fest, daß es kaum jemals bis in be-
deutendere Tiefen und abseits vom Lande dauernd gefriert. Jenseit
des sibirischen Küsteneises wurden auch im Winter breite eisfreie
Stellen (sog. Polynia) beobachtet. Aber von praktischem Werte
sind idle diese Öffnungen nicht, denn launenhaft verschließen sie
sich dem einen Schifte, während sie sich dem anderen öffnen. Viel-
leicht ist es dem Luftballon noch Vorbehalten, in diesen Gegenden
eine große Rolle zu spielen.
Literaturnachweise. ' Krümmel, cit. S. 255, n. 9. — * Kuppen, Das
Verhältnis der Temperatur des Wassers u. der Luft an der Oberfläche des Ozeans,
in den Annalen der Hydrographie n. Maritimen Meteorologie 1890. — 9 Fokei,,
La faune profonde des lacs Suisses, Basel 1885. — 4 Grissinger in Petermanns
Mitteilungen, 1892, S. 153. — 6 Richter, Die Temperaturverhältnisse der Alpen-
seen, in den Verhandlungen des IX. Deutschen Geographentages in Wien
1891. — 9 Hergesell, Laxgenbeck u. Rudolph, Die Seen der Siidvogesen, in
den Geographischen Abhandlungen aus Elsaß-Lothringen, 1892, Bd. I. —
7 Forkl, Classification thermique des lacs d'eau douce, in den Comptes rendns
de l'academie des Sciences de Paris, 18. März 1889. — 8 Berichte der Com-
mission für Erforschung des östlichen Mittelmeeres, in den Denkschriften der
Wiener Akademie der Wissenschaften, Mathem.-naturwiss. Classe, Bd. LIX — LXI,
1892 — 94. — 9 Woeikow in Petermanns Mitteilungen 1891, S. 33. — 10 Buchan,
Report on Oeeanic Circulation, Appendix zum Challenger- Report, 1895.
Temperaturkarteu von 0—1000 Faden Tiefe für je 100 Faden, dann für 1500
und 2200 Faden und größere Tiefen. — 11 Krümmel, cit. S. 40. — 18 Narrative,
Bd. I. — 19 Weyprecht, Die Metamorphosen des Polareises, Wien 1881. —
14 Fricker, Die Entstehung und Verbreitung des antarkischen Treibeises,
Leipzig 1893.
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Dritter Abschnitt.
Die Dynamik des Landes.1
Die Hauptformen der Dislokationen.2
Als endogene Wirkungen, d. h. als Wirkungen von Kräften,
die ihren Sitz im Erdinnem haben, wurden auf S. 14
Niveauveränderungen und vulkanische Ausbrüche genannt
Die Niveauveränderungen, oder um genauer zu sprechen,
die endogenen Niveauveränderungen können wir nach verschiedenen
Gesichtspunkten einteilen:
1. der Zeit nach in instantane, die plötzlich eintreten, und
in säkulare, deren Wirkungen erst nach längeren Zeiträumen zur
Wahrnehmung gelangen ;
2. der Ausdehnung nach in regionale oder ausgedehnte und
in lokale oder örtlich beschränkte. Eine scharfe Grenze ist zwischen
beiden in der Theorie nicht zu ziehen, in der Praxis aber wird man
selten im Zweifel sein, welcher Kategorie man die beobachtete
Niveauveränderung zuzählen soll;
3. die Niveauveränderungen können sich mit oder ohne sicht-
bare Schichtenstörung (Dislokation) vollziehen; die ersteren nennen
wir kurzweg Dislokationen, und mit diesen haben wir uns hier
zu beschäftigen.
Die Dislokationen lassen sich auf horizontal oder vertikal wirkende
Kräfte zurückftihren. Über die beiden Formen der Horizontal-
dislokationen, E’altung und Blatt, können wir rasch hinwegeilen.
Zwar ist es hauptsächlich die Faltung der Oberflächenschichten,
die die meisten und wichtigsten Kettengebirge der Erde geschaffen
hat, aber bei der Besprechung der letzteren wird sich uns bequemere
Gelegenheit bieten, auf die verschiedenen Arten der Falten näher
einzugehen. Von geringem Einflüsse auf die Beschaffenheit des Ge-
ländes scheint dagegen das Blatt zu sein. Man versteht darunter
eine Horizontalverschiebung der Schichten entlang einer Bruchspalte;
ein Vorgang, der besonders deutlich bei dem großen zentral-
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Die Hauptformen der Dislokationen.
japanischen Erdbeben vom 28. Oktober 1891 beobachtet wurde. 3 Bei
Midori z. B. schnitt die Spalte eine Chaussee entzwei, und die Ost-
hälfte wurde um 4 m nach N. verschoben ; damit verband sich auch eine
Senkung oder Verwerfung des West-
Hügels um 6m (Fig. 61). Besonders
auffällig tritt das Blatt dann her-
vor, wenn sich entlang der Spalte
ein Thal entwickelt hat, und die
Gehänge nun nicht mehr zusammenpassen,
diese Dislokationsform an gefaltete Gegenden
Die Hauptform der Vertikal dislokation ist die Verwerfung,
worunter man jede Vertikalverschiebung ursprünglich zusammen-
hängender Schichtenteile entlang einer Bruchspalte versteht (Fig. 62).
Sie kann in liori- , _
wie das" Maß der-
selben — die sog.
Sprunghöhe —
kann ebenfalls sehr verschieden sein. Häutig treten Verwerfungsspalten
in beträchlicher Ausdehnung und in großer Zahl auf und zerlegen
einen Schichtenkomplex in einzelne Schollen. Sie können dabei
mehr oder weniger parallell verlaufen, als sog. Tafelbrüche (Fig. 63),
oder sie bilden Bruchnetze, die aus
einem System sich durchkreuzender peri- £ g-jggL
pherischer Brüche und Radialsprünge C ~ ~~ y~ \
bestehen (Fig. 64). Auch die einzelnen
Schollen können sich verschieden ver-
halten. In Fig. 62 fallen sie z. B. gleich-
sinnig nach einer Richtung ab, und wir
sprechen dann von einem Staffelbruche;
häufig ragt aber eine Scholle als sog. Horst über die Umgebung hervor
(Fig. 65), oder senkt sich als Graben unter die Nachbarschollen
hinab (Fig. 66). Diese Erscheinungen gehören hauptsächlich den Ge-
bieten der Tafelbrüche an, während die Einstürze von rundlichem
Supam, Physische Erdkunde. 2. Aufl. 18
Fig. 60. Falten,
Fig. 61. Verschiebung (Blatt) und Verwerfung bei Midori,
nach Koto.
Fig. 62. Verwerfung.
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274
Die Dynamik des Landes.
oder polygonalem Umrisse, die man, wenn sie klein sind, als Kessel-
brüche, und, wenn sie größeren Umfang besitzen, als Senkungs-
becken bezeichnet, durch Bruchnetze erzeugt werden.
Manchmal kommt es nicht zum Bruche, obwohl die Teile eines
Schichtenkomplexes ebensolche oder ähnliche Niveau Veränderungen
^ Pfjiphfrlüöv JJrOc/lr
I JtiUttalapaUen
Fig. 64.
Bruchnetze nach Heim.
erleiden, wie bei der Verwerfung. Statt des Bruches entsteht dann eine
Schichtenbiegung, weshalb man diese Form der Vertikaldislokation
als Flexur bezeichnet (Fig. 67). Sie tritt mit Verwerfungen vergesell-
schaftet auf, und zwischen beiden Arten bestehen mannigfache Über-
Fig. 67. Fig. 68.
Flexnr nach Heim. Zerrissene Flexur nach Heim.
gange, von denen Fig. 68 die häufig vorkommende zerrissene Flexur
mit „geschleppten“ Schichtenenden an der Biegungsstelle yorführt.
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Die Hauptformen der Dislokationen.
275
Wir haben also, wenn wir noch einmal rückwärts blicken, im
Ganzen vier Hauptformen der Dislokation:
Durch vorwiegend horizontal ^ 1. Falte,
wirkende Kräfte entstanden: j 2. Blatt,
Durch vorwiegend vertikal 1 3. Verwerfung,
wirkende Kräfte entstanden: / 4. Flexur.
In der Regel treten diese Dislokationsformen regional auf. Es
giebt weite Gebiete, wo die Schichten ihre ursprüngliche horizontale
Lagerung beibehalten haben, und Störungen nur eine untergeordnete,
örtlich beschränkte Rolle spielen. Es giebt weite Gebiete, wo die
Schichten in Falten gelegt, und wieder andere, wo sie in Schollen
aufgelöst sind. Wohl kommen neben Falten auch Verwerfungen,
neben Verwerfungen auch Falten vor, aber immer ist es Eine von
diesen beiden Hauptformen, welche einer bestimmten Gegend ihr
Gepräge verleiht, so daß wir mit Recht von Falten- und Schollen-
ländern sprechen dürfen. Dieser regionalen Anordnung der Schichten-
störungen ist es zu danken, daß Berge und Ebenen nicht wirr
durcheinander, sondern in geschlossener Weise auftreten, und daß
geographische Provinzen entstehen, die durch ihren einheitlichen
Bau auch die Entwicklung ihrer menschlichen Bewohner beeinflussen.
Theorieen. Dem Geographen genügt es, wenn es ihm gelingt, eine
bestimmte Oberflächenforni aus ihrer Bauart zu erklären ; den letzten
Grund der endogenen Erscheinungen aufzusuchen, überläßt er neidlos
den Geschichtsschreibern der Erde. Aber ganz können auch wir nicht
den theoretischen Erörterungen nicht aus dem Wege gehen; wir
können nun einmal nicht des geistigen Bandes entbehren, das die
beobachteten Thatsachen zusammenhält. Doch beschränken wir uns
hier nur auf einige allgemeine Gesichtspunkte, die uns später das
Verständnis der Einzelphänomene erleichtern sollen.
Daß Bodenbewegungen und vulkanische Ausbrüche in irgend
einem ursächlichen Zusammenhänge mit dem heißen Erdkern stehen,
ist jetzt die vorherrschende Ansicht der Geologen. Nur vereinzelt
taucht noch die Meinung auf, daß Veränderungen innerhalb der
Kruste selbst, außergewöhnlicher Wärmeverlust oder außer-
gewöhnliche Wärmeerhöhung durch mechanische oder chemische
Vorgänge, genügen, um Hebungen und Senkungen, Gebirgsbildung
und Eruptionen zu erklären.4 Aber diese Stimmen verhallen fast
ungehört. Jahrzehnte hindurch herrschte die plutonistische
Theorie, die dem heißflüssigen Erdinnem eine aktive Wirksamkeit
zuschrieb und alle tektonischen und vulkanischen Phänomene als Re-
aktion des exjdosiven Erdkerns gegen die erstarrte Kruste auffaßte.
18*
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276 Die Dynamik des Landes.
Das genauere Studium der Faltengebirge hat diese Anschauung er-
schüttert und der Kontraktionstheorie den Weg gebahnt. Diese
beruht auf der Voraussetzung, daß das Erdinnere rascher erkaltet
lind sich zusammenzieht, als die Kruste, so daß zwischen beiden
ein Hohlraum entsteht. Wie ein Gewölbe an seiner schwächsten
Stelle sich senkt und endlich zusammenbricht, so auch die Kruste ; aber
da ihr Umfang zu groß ist für den zusammengeschrumpften Erdkern,
so muß durch die Zusammenpressung oder Faltung schwacher Par-
tien erst Kaum geschaffen worden für die starreren Schollen, die
nun ebenfalls dem Zuge der Schwerkraft folgen können. Süss, der
diese Theorie bis in ihre äußersten Konsequenzen ausgebildet hat,
kennt nur Einen Fundamentalakt: die Senkung. Ungleichmäßige
Senkung der Krustenstücke schuf Festländer und Meere. Es giebt
nur Eine Art der Hebung, die durch Faltung, aber auch diese ist
nur eine Wirkung der Schwerkraft, die sich örtlich in eine tangen-
tial wirkende Kraft umsetzt Die vulkanischen Ausbrüche sinken
zu untergeordneten Begleiterscheinungen des großen Zusammen-
bruches der Erdrinde herab, denn dieser Vorgang öffnet die Spalten,
durch die die Dämpfe und die Lava ihren Weg nach der Ober-
fläche finden.
Im Gegensätze zu Süss hält de Lappakknt die Faltungf ür die
ursprüngliche Folge der Erdkontraktion und den Bruch und die
Schollensenkung für den sekundären Vorgang.® Auch die Verein-
barkeit faltungsloser Hebung mit der Schrumpfungstheorie wird neuer-
dings behauptet.“
Immer mehr häufen sich die Beweise dafür, daß unter den
Hochgebirgen ein Massendefekt vorhanden ist, der entweder durch
Hohlräume oder durch eine geringere Dichtigkeit der Tiefengesteine
bewirkt sein kann. Diese Thatsache bereitet der Kontraktionstheorie
allerdings einige Schwierigkeiten, denn man erwartet, daß die Faltung
eine größere Dichtigkeit in der Tiefe erzeugt. Dies ist hauptsächlich
der Grund, weshalb Rothpletz die Kontraktionstheorie durch ihr
Gegenteil, die Expansionstheorie, ersetzt wissen will.7 Seltsam
klingt es freilich, daß die Erde sich durch Wärmeverlust ausdehne,
wie Wasser und Wismut; man will es damit begründen, daß feste
Massen weniger zusammpreßbar sind als flüssige. Die Aktion geht
von der mittleren Zone zwischen Kruste und Kern aus; indem
diese erstarrt, dehnt sie sich aus und ist bestrebt, die Kruste zu
heben. Die Vorgänge, die nun folgen, spielen sich in derselben
Weise ab, wie bei der Kontraktion, nur daß wir statt „Senkung“
„Hebung“ zu setzen haben. Schwächere Teile der Mittelzone dehnen
sich stärker aus und bewirken Hebung der aufgelagerten Krustenscholle
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Die Hrtuptformen der Dislokationen. 277
und Streckung und Zerreißung derselben. In die Spalten dringen
eruptive Gesteinsmassen ein. Durch die Ausdehnung spezifisch
leichter geworden, erleiden jene Partieen der Mittelzone nun aber
auch einen seitlichen Druck durch die sich fortgesetzt ausdehnenden
stärkeren Partieen und dadurch soll auch Faltung in den gehobenen
Krustenschollen eintreteu können.
Ein anderer Gegner der Kontraktionslehre, 0. Fisher,8 hat in
letzter Zeit eine eigenartige Theorie entwickelt, die freilich fast nur
auf Hypothesen aufgebaut ist, aber doch nicht mit völligem Still-
schweigen übergangen werden darf.
Wie schon auf S. 12 dargethan wurde, denkt sich Fisher die
Erdkruste als eine verhältnismäßig dünne Schicht auf einer leicht-
flüssigen Unterlage. Ozeanische Becken und kontinentale Massen sind
von Anfang an gescliieden, wenn auch mancherlei Grenzverschiebungen
im Laufe geologischer Zeiträume stattgefunden haben. Die ozeanische
Kruste sinkt tiefer in das Magma (die leichtflüssige Unterlage) ein
und ist dichter als die kontinentale, wobei die Dichte mit der Tiefe
zunimint. Dagegen ist das Magma unter den Ozeanen weniger dicht
als unter den Festländern. Diese Unterschiede geben Veranlassung
zu Ausgleichsströmungen, die fortwährend Wärme von unten nach
oben führen, und eine Umlagerung der Massen bewirken. Unter
den Ozeanen, gegen deren kalte Tiefen eine starke Wärmeabgabe
.stattfindet, steigen im Magma fortwährend Ströme auf, um jenen
Wärmeverlust zu ersetzen; unter den Kontinenten befinden sich ab-
steigende Ströme. Dieses Spiel auf- und absteigender Ströme erfordert
einen Ausgleich durch horizontale Ströme; in den oberen Schichten
der Magmas geht eine solche Strömung von den Ozeanen gegen die
Ränder der Kontinente, in den unteren Schichten von den Kontinenten
zu den Ozeanen. Die ersteren können nun vermöge der Reibung
an der Unterseite, der Kruste, besonders dort, wo die unteren Aus-
bauchungen des Festlandes Widerstand leisten, die Kruste zusammen-
pressen, falten — so entstehen Gebirge an der Grenze von Land
und Meer (die amerikanischen Cordilleren!). Stellenweise muß die
ozeanische Kruste dein Anpralle des aufsteigenden Magmas nach-
geben; es bilden sich Spalten und Vulkane mitten im Weltmeere.
Die Ungleichmäßigkeit jener Ströme giebt auch zu vulkanischen Er-
scheinungen Veranlassung. Unter gewissen Erdstellen werden sie
energischer und schmelzen die Unterseite der Kruste ab; diese wird
dünner, es entstehen Spalten, und die betreffende Gegend wird von
vulkanischen Ausbrüchen heimgesucht.
Neben den Strömungen des Magmas wirkt aber noch seine
ungleiche Belastung als formbildendes Element. Zwischen
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278'
Die Dynamik des Landes.
den kontinentalen und ozeanischen Krustenteilen muß Gleichgewicht
herrschen (vgl. S. 1 3), und dieses wird durch die verschiedene Dichte
hergestellt. Aber das Gleichgewicht wird sofort gestört, wenn die
Oberfläche des Festlandes durch die zerstörenden Kräfte abgetragen
und Teile desselben durch das fließende Wasser in das Meer ge-
führt werden. Die belastete ozeanische Kruste muß tiefer in das
Magma einsinken, das entlastete Festland muß steigen.
Diesen Gedanken hat Dutton" zu seiner isostatischen Theorie
ausgebaut, die er aber nur auf die Faltengebirge angewendet wissen
will. Wir werden daher bei einer späteren Gelegenheit darauf zu-
rückzukommen haben.
Litteraturnachweise. 1 Hauptwerke: Süss, Das Antlitz der Erde, cit.
S. 23; v. Richthofen, Führer für Forschungsreisende, Berlin 1886; Penck, Morpho-
logie der Erdoberfläche, Stuttgart 1891; Pkschei., Neue Probleme der vergleichen-
den Erdkunde, 3. Aufl., Leipzig 1878; zwar inhaltlich z.T. veraltet, aber in der Dar-
stellung noch immer unerreichtes Muster. Zu den auf S. 22 genannten Lehrbüchern
der Geologie sind hier noch hinzuzufügen Reyer, Theoretische Geologie, Stuttgart
1888, u. Walther, Lithogenesis der Gegenwart, Jena 1894. Berghaus, Atlas
der Geologie, Gotha 1892, z.T. auch Atlas der Hydrographie, 1891, in Berguaus’
Physikalischem Atlas. — ’ De Maroerie u. Heim, Die Dislokationen der Erd-
rinde (französicher u. deutscher Text; Synonyma in französischer, deutscher u.
englischer Sprache; unentbehrliches Hilfsbuch), Zürich 1888. — 4 Koto, The
Cause of the Great Earthquake in Central Japan , 1891, im Journal of College
of Science, Univcrsity of Japan 1893. — 4 Vgl. z. B. v. Fritsch, Allgemeine
Geologie, Stuttgart 1888. — 4 De Lafpahest, Le sens des mouvements de
l’ecorce terrestre, im Bulletin de la Socicte gdologique de France 1887, Bd. XV.
— 4 Vgl. Kavser, Lehrbuch d. Geologie I, S. 458. — Rothpletz, Ein geo-
logischer Querschnitt durch die Ostalpen, Stuttgart 1894. — 8 Fisher, cit..
S. 13. — • Dotton, Some of the greater problems of physical Geology, im
Bulletin of the Philosophieal Society, Washington 1892, Bd. XI.
Moderne Niveauveränderungen.
(Siehe Karte XVI.)
Litorale Niveauveränderungen. Es ist eine alte Erfahrung, daß
die Grenze zwischen Land und Meer Verschiebungen erleidet, nicht
bloß periodische durch Ebbe und Flut, sondern auch dauernde. Hier
ist anscheinend die günstigste Stelle, um endogenen Niveauveränder-
ungen nachzuspüren ; im Meeresspiegel glaubt man eine sichere Marke
zu haben, an der sich auch kleine, langsame Höhenveränderungen
des Festen messen lassen. Aber es bedarf nur einer kurzen Er-
wägung, um zu erkennen, daß wir auch hier mannigfachen Täuschungen
ausgesetzt sind, und daß die Verschiebung der Strandlinie ein recht
kompliziertes Phänomen ist.
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Moderne NiveauverSnderungen.
279
Das Land kann nicht nur durch Hebung in das Meer hinaus-
wachsen, sondern auch durch Anschwemmung; Inseln können dadurch
landfest werden, Häfen versanden, einstige Seestädte, wie Ravenna,
vom Meere, ihrem Lebenselemente, abgeschnitten werden. Wenn das
Meer gegen das Land vorrückt, so ist man noch immer nicht ohne
weiteres zu dem Schlüsse berechtigt, daß das Land sinke. Die
sturmbewegte See hat genug Küstenstriche und Hache Inseln ver-
schlungen, ohne daß eine Niveau Veränderung stattgefunden hätte.
Lange Zeit hindurch galten unterseeische Wälder und Torfmoore
als untrügliche Zeichen der Landsenkung; heute wissen wir, daß sie
auch durch einfache Abrutschung, durch Einbrüche der Sturmfluten
und Zerstörung natürlicher Deiche in ihre gegenwärtige Lage ver-
setzt werden können. An Schwemmlandküsten, besonders in Deltas,
wird häufig wirkliche Senkung beobachtet, aber diese kann nur
eine Folge der Zusammensackung der lockeren Massen sein und mit
eigentlichen Krustenbewegungen nichts zu tliun haben.
Wo wir aber Spuren der Zerstörung durch das brandende
Meer oder Ablagerungen mit marinen Organismen außerhalb der
Grenze der Sturmfluten finden, werden wir auf eine Niveauver-
änderung schließen , dürfen. Freilich auch da ist Vorsicht nötig,
denn manche Muschelhaufen sind nichts anderes als Reste mensch-
licher Mahlzeiten aus vorgeschichtlicher Zeit. Und am Ende werden
wir noch immer vor die Frage gestellt sein, welches Element sein
Niveau verändert habe, die Oberfläche des Landes oder der Spiegel
des Meeres.
Auch das Mittelwasser des Meeres ist, wie wir erfahren
haben, eine veränderliche Größe. Lassen wir selbst die Geoid-
veränderungen durch die Anziehungskraft des Festlandes, auf die
man einige Zeit so großes Gewicht gelegt hatte, als einen noch nicht
abschätzbaren Faktor bei Seite, so müssen wir doch jene Niveau-
veränderungen berücksichtigen, die im Gefolge der Klimaschwank-
ungen nicht nur in Binnenmeeren, sondern auch an ozeanischen Küsten
auftreten. Das sind Ursachen, die den Meeresspiegel lokal be-
einflussen; Verminderung der Wassennenge und räumliche Ver-
änderungen der Meeresbecken sind dagegen Ursachen, die im ganzen
Weltmeere gleichzeitig sich geltend machen. Verminderung der
Wassermenge muß überall eine Senkung des Spiegels bewirken. Es
kann nicht geleugnet werden, daß durch die Hydratisierung der
Eruptivgesteine, durch das Eindringen von Wasser in die Haar-
spalten der Felsen und durch dauernde Eisbildung viel Wasser
teils für immer, teils auf lange Zeit dem Meere entzogen wird; aber
es unterliegt ebensowenig einem Zweifel, daß Tkautschold1 diese
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280
Die Dynamik des Landes.
Faktoren in ihrer Bedeutung ganz außerordentlich überschätzt hat.
Kommt der vulkanische Dampf, wie es wahrscheinlich ist, nicht aus
dem Meere, so führen überdies die Ausbrüche der Feuerberge auch
wieder Wasser dem Meere zu. Die räumlichen Veränderungen der
Meeresbecken hat Süss als eustatische Bewegungen bezeichnet.
Senkt sich der Meeresboden oder verschwindet Festland unter dem
Meere, so sinkt überall der Meeresspiegel, während ihn die Aufhäufung
von Sedimenten am Meeresgründe überall hebt.
Wir haben eine Reihe von möglichen Ursachen kennen gelernt,
die hei der Verschiebung der Strandlinie mitwirken, und jede der-
selben kann entgegengesetzte Wirkungen, sowohl Landgewinn wie
Landverlust, erzeugen. Wir haben zunächst diejenigen Verschiebungen
auszuscheiden, die nur auf mechanische Ursachen, auf die Thätig-
keit des Meeres und der Flüsse zurückzuführen und mit keiner
eigentlichen Niveauveränderung verbunden sind. Wir haben ferner
auszuscheiden die oberflächlichen Niveau Veränderungen
durch Gleitung von Küstenschollen und Zusammensackung ange-
schwemmter Massen, und erst das, was übrig bleibt, können wir
als wirkliche litorale Niveauveränderung betrachten. Und
nun haben wir zu untersuchen, ob die Niveauveränderung auf senk-
rechten Verschiebungen des Meeresspiegels oder des Landes beruht
Diese Unterscheidung ist aber in vielen Fällen so schwierig,
dafs man überhaupt darauf verzichtet mufs. Man wird dann eine
Entscheidung nur auf Grund seiner theoretischen Ansichten treffen
können, und diese Ansichten sind verschieden und haben im Laufe
der letzten 150 Jahre schon mehrfach gewechselt. Sükss schlug
daher vor, für die beiden Arten der litoralen Niveauveränderung
neutrale Bezeichnungen zu gebrauchen: negativ für Senkung des
Meeresspiegels oder Hebung des Landes, positiv für Steigung der
Meeresniveaus oder Senkung des Landes. Diese Namen haben seit-
dem in der wissenschaftlichen Litteratur fast überall Eingang ge-
funden, obwohl sie nicht ganz so neutral sind, wie sie aussehen,
und auch keine sinnlichen Vorstellungen erwecken. Tn beiderlei
Hinsicht wären nach unserer Meinung die Ausdrücke kontinentale
Strandverschiebung, wenn diese zu Gunsten des Landes erfolgt, und
marine Strandverschiebung, wenn das Meer dabei gewinnt, vor-
zuziehen.
Theorieen. Als man im vorigen Jahrhundert zuerst dem Prob-
leme der schwedischen Niveauveränderung näher trat, nahm man an,
der Wasserspiegel sinke und das Land bleibe fest. Diese Theorie
vertrat besonders Celsius. Zu Beginn unseres Jahrhunderts, als
die plutonistische Schule ihre Siegeslaufbahn begann, wurde die
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Moderne Niveauveränderungen. 281
entgegengesetzte Theorie, hauptsächlich gestützt durch die gewaltige
Autorität Leopold v. Büchs, die herrschende; nun wurde der
Meeresspiegel konstant und das Land beweglich. Die dritte Phase
knüpft sich hauptsächlich an den Namen Süss. Die Veränderlich-
keit des Meeresniveaus wird wieder anerkannt, aber auch das Land
ist beweglich. Nur Hebung ohne Faltung sei undenkbar, und was
wir bisher als Küstenhebung gedeutet haben, müsse in Wirklichkeit
auf eine Senkung des Meeresspiegels zurückgeführt werden.
Für uns Geographen ist die Frage insofern wichtig, als Ver-
schiebungen der Strandlinie durch Niveauveränderungen noch immer
fortdauern; für den Geologen hat sie aber eine noch viel umfassen-
dere Bedeutung, denn sie ist auf das innigste verknüpft mit dem
Problem der Transgressionen. Süss vermuthete eine Oszillation
des Ozeans zwischen den Polen und dem Äquator, und fügte
schüchtern hinzu, daß dies vielleicht mit periodischen Schwankungen
der Fliehkraft Zusammenhänge. 2 Auch Blytt vertritt diese An-
sicht.3 Es sei daran erinnert, daß die Gestalt der Erde das Pro-
dukt von Schwerkraft und Fliehkraft ist. Je größer die Drehungs-
geschwindigkeit, desto größer die Fliehkraft, desto abgeplatteter die
Erde. Die Drehung von W. nach 0. wird aber verzögert durch die
Fluthwelle, die sich von O. nach W. bewegt. Tn den Perioden hoch-
gradiger Exzentrizität der Erdbahn soll die Flutwelle verstärkt
werden, dadurch wird die Drehung verlangsamt, die Fliehkraft ver-
mindert, und die Gestalt der Erde nähert sich wieder der Kugel.
Der deformirenden Kraft folgt zunächst das Meer, sein Spiegel sinkt
in der Äquatorialzone und lieht sich gegen die Pole hin. ln den
Perioden intensiv entwickelter Fliehkraft wächst dagegen die Abplat-
tung. dann erniedrigt sich das Meeresniveau in den Polargegenden und
steigt im Äquatorialgürtel. Blytt hält es sogar für möglich, daß mit
der Zeit auch die feste Erdkruste der Deformation unterliegt.
Zugegeben, daß die Flutwelle die oben geschilderte Wirkung
austtht, so weiß man doch nichts über das Maß dieser Wirkung.
Thatsache ist, daß sich seit den Zeiten des Hipparch, also seit zwei
Jahrtausenden, die Dauer des Sterntages sich nicht um mehr als 0,4 8
verändert haben kann. Die Hauptfrage lautet aber: bestellt wirklich
zwischen dem Äquator und den Polen ein Gegensatz der Niveau-
veränderuugen, eine Schaukelbewegung im großen Stile? Der Be-
weis dafür kann natürlich nur für die Gegenwart erbracht werden,
aber wir werden sehen, daß man ihn schuldig geblieben ist.
Eustatische Bewegungen betrachtet Süss nur als von neben-
sächlicher Bedeutung, während Löwl sie zum Mittelpunkte seiner
Theorie machte.1 Die ozeanischen Becken seien durch Einbruch
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282
Die Dynamik des Landes.
entstanden, und ihre Sohle sinke fortwährend tiefer ein. Wenn
trotzdem der Meeresspiegel nicht an allen Küsten gleichmäßig sinke,
an manchen in Kühe verharre, an andern sogar zu steigen scheine,
so sei dies dadurch zu erklären, daß nicht bloß jene Scholle, welche
den Meeresgrund bildet, sondern auch die benachbarte Küsten-
scholle sich senke, und daß beide Bewegungen nicht im gleichen
Tempo sich vollziehen. Es ist klar, daß das Vorhandensein solcher
Küstenschollen und ihr eigenartiges Verhalten in jedem einzelnen
Falle festzustellen ist, ehe man zu Löwls Theorie seine Zuflucht
nehmen darf.
Fig. 69. Doppelte Strandlinie bei Grötnes mit entsprechenden Terrassen an
dem Thalausgang in der Mitte nach Mohk.
Fig. 70. Strandlinie zwischen Vang und Skaarliodden nach Mohn.
Skandinavien. Skandinavien ist das klassische Land der Strand-
verschiebungen; hier wurden die ersten und bis auf den heutigen
Tag sorgfältigsten Beobachtungen angestellt, hier wurden alle Theorien
zuerst erprobt.
An der steilfelsigen ozeanischen Westküste6 finden wir Muschel-
bänke, Terrassen und „Seter“, was man im Deutschen mit der
sonst im allgemeinem Sinne gebrauchten Bezeichnung „Strand-
linien“ übersetzt hat. Man versteht darunter horizontale wege-
artige Einschnitte im festen Gestein, die an den Steilwänden der
Fjorde und Sunde und an freiliegenden Inseln sich hinziehen.
Ihre Länge schwankt zwischen 4/6 und 22 km., ihre Seehöhe reicht
bis 180 m. Häutig treten mehrere über einander auf. Richabd
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Moderne Niveauveränderungen. 283
Lehmann zählte deren bei Kverve (nördlich von Aalesund, 62l/2°N)
nicht weniger als fünf, die er genau gemessen hat.8 Von der Ge-
Seehöhe des
Ungefähre
AbfaHswinkel
unteren Randes
oberen Randes
Mittlere Seehöhe
Rroite
zur
der Stufe
der Stufe
der Stufe
nächsten Stufe
I.
28,i m
31,i m
29,« m
66 m
30°
II.
19,7
21,7
20,7
40
2 1
III.
—
14,5
12,«
26
IV.
—
9,*
13
40
V.
5,j
4,7
35
ziemlich steil zur
4,2
See hin.
steinsbeschaffonheit und Schichtenstellung zeigen sie sich völlig un-
abhängig, im Norden sind sie aber im Allgemeinen häufiger und besser
ausgebildet, als im Süden. Wählend die Gehänge, an denen sie auf-
treten, mit Gletscherstreifen und -Schrammen bis zum Meeresspiegel
bedeckt sind, tragen sie selbst keine Spuren eiszeitlicher Abschleifung,
sind also jedenfalls nachglazialen oder wenigstens spätglazialen Alters.
In inniger Gesellschaft mit den Seter erheben sich stufenförmig
an den Flußmündungen die Terrassen, ebene, sanft gegen das
Meer sich neigende Flächen, aus Sand- und Thouschichten aufgebaut.
Fig. 71. Norwegische Terrassen nach Kjerulf.
Die schematische Darstellung iu Fig. 71 macht die Beziehung der
Terrassen des Hauptthaies 1 und 2 mit der des Nebenthaies und
den weißen Strandlinien klar. Kjeeülf deutet sie als submariue
Deltas, deren Bildung sich noch unter dem gegenwärtigen Meeres-
spiegel als Stufe 5 fortsetzt. Die Erosion des Flusslaufes (die ge-
strichelte Linie in Fig. 71) hat die Terrassen entzweigeschnitten, so
daß wir sie vom heutigen Thale aus hoch oben an den Gehängen
erblicken.
Strandlinien und Terrassen sind alte Wasserstandsmarken. Bis
in das letzte Jahrzehnt war auch ihr mariner Ursprung unangefochten,
sie galten als sichere Beweise einer nachglazialen Landhebung. Aber
schwierig war zu erklären, warum diese Marken selbst in benach-
barten Fjorden in verschiedenen Seehöhen auftreten, und warum
das Meer nur in den verhältnismäßig ruhigen Fjorden und Sunden
die Kraft hatte Strandliuien in den Fels zu schneiden, und nicht
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284
Die Dynamik des Landes.
auch an der freien Küste, inmitten heftigster Brandung. Einen ent-
scheidenden Einfluß gewann die Entdeckung echter Seter im süd-
norwegischen Binnenlande durch Hansen i. J. 1885. 7 Sie liegen
zwischen 657 und 1090 m Seehöhe, also außerhalb des höchsten
Meeresstandes. Hansen erklärte sie für Uferlinien eines Sees, der
durch Eis abgedämmt war, und diese Hypothese wandte nun Si’ESs
auch auf die Seter an der Küste an. Die Fjorde und Sunde bil-
deten darnach in der zweiten Eiszeit Seen, eingeschlossen im W.
durch die Gletscher, die von den hohen Inseln und Küsteugebirgen
ausgingen, im 0. durch das Inlandeis, dessen Ausläufer die innern
Ende der Fjorde berührten. Ähnliche Verhältnisse zeigt noch jetzt
die Westküste Grönlands, doch finden sich hier nur an einer
einzigen Stelle Terrassen. Für den Romsdulsfjord hält überdies
Sandlek8 die SuEsssche Hypothese nicht für zutreffend und ersetzt
den Eisdamm durch eine gewaltige Endmoräne, die jetzt zu Schären
zerbrochen ist.
Wie immer es sich mit der Entstehung der Strandlinien auch
verhalten möge, so scheint in ihrer Anordnung doch eine bestimmte
Regelmäßigkeit zu bestehen. Nach Hansen9 lassen sie sich nämlich
in zwei Linien einreihen, die gegen das Innere des Landes an-
steigen, und zwar die obere Linie mehr als die untere *. Das ist
genau dasselbe, was Bravais schon vor einem halben Jahrhundert
von Hammerfest durch den Varö-Sund bis zum Hintergründe des
Altenfjords beobachtet hatte, und dessen Richtigkeit später so viel-
fach angezweifelt wurde. Wir werden später noch darauf zurück-
kommen.
Als drittes Phänomen der norwegischen Küste wurden oben die
Muschelbänke bezeichnet. Sie sind die unantastbaren Zeugen
s Aus den Diagrammen ergäbt sich folgendes:
Fjorde
Seehöhe m
Westliche Neigung in Sek.
Obere Linie
Untere Linie
Obere Linie
Untere Linie
Altenfjord-Hammerfest
25— 68
13-28
122"
50"
Trornsöfjord ....
23- G6
1-5-25
150
51
Romsdalstjord . . .
36—146
28—54
281
74
Söndmöre
30—102
1 7—32
211
40
Nordfjord
28—100
—
230
—
Söndfjord
28— 52
21—29
102
39
Sognefjord ....
49—155
30—55
147
36
Eg muß übrigens betont werden, daß doch recht viele Seter sieb dem
Liniensysteme nicht fügen.
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Moderne Niveauveräuderungen.
285
einer doppelten Strandverschiebung. Die oberen (in 170 — 140 —
125 m Seehöhe) sind die altern, denn sie enthalten nur Organismen
kälterer Meere, während in den untern (in 50 — 40 — 15 m Seehöhe)
nur Arten der jetzigen Küstenfauna Vorkommen. Es fand also in
der Eiszeit oder bald darauf eine positive Niveauveränderung statt,
dann eine negative, dann unter den gegenwärtigen klimatischen Ver-
hältnissen eine positive, aber von größerem Betrage als die erste,
und endlich wieder eine negative. Denselben Anzeichen begegnen
wir auch in Schweden.
Hier hat de Geer10 eine neue Methode angewendet, die zu
überraschenden Resultaten führte. Er stellte nicht nur — womit man
sich bisher begnügt hatte — die Verbreitung der Meeresablageningen
mit quartären Fossilien fest, sondern auch die Höhe des Meeres-
spiegels an den, den betreffenden Fossilfunden benachbarten Hügeln,
deren Moränendecke noch unverkennbare Spuren der einstigen Meeres-
wirkung trägt. Die auf diese Weise ermittelte spätglaziale
Strandlinie steigt gegen das Innere des Landes an, aber — und
dies ist der entscheidende Punkt — ohne Rücksicht auf die
heutigen Isohypsen. An der baltischen Küste von Schweden
liegt sie z. B. bei:
Burträsk .
. 64'
30'
N.
in
103 m
Seehöhe
Hudiksvall
. 61
50
»
»
213 „
Norrköping
. 58
44
»»
130 „
Broms . .
. 56
20
>»
65 „
»♦
Stenshufud
. 55
40
32 „
Das stimmt mit dem Ergebnisse von Bravais an der Küste
von Finnmarken völlig überein. Die höhere Linie, die hier in Be-
tracht kommt, liegt hei Hammerfest in 28,6 m und im Innern des
Altenfjords in 67, v m Seehöhe. Auch die neuesten Untersuchungen
Hansens,9 von denen ebenfalls schon die Rede war, fügen sich völlig
ein in den Rahmen des neuen Bildes.
Nach dem Beispiele Gilberts wurden die Punkte gleicher
Strandhöhe mit Linien verbunden, die de Geer Isohasen oder
Linien gleicher Deformation nannte. Die Maximalzone, von der
Isobase von 180 m umschlossen, fällt mit dem Gebiete größter
Eisanhäufung zusammen, die Isobase von 0 in schließt sich ziem-
lich enge den Grenzen der skandinavisch - finnischen Urgebirgs-
masse an.
Es entsteht nun die Frage: ist die ungleiche Höhe der Strand-
linie ursprünglich oder war die Strandlinie ursprünglich horizontal
und erlitt erst später Veränderungen? Im ersteren Falle muß sich
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286
Die Dynamik des Landes.
der Meeresspiegel ungleichmäßig gesenkt, im letzteren das Land
ungleichmäßig gehoben haben.
Den erstem Fall hatte Penck11 schon 1882 ins Auge gefaßt,
indem er behauptete, daß die Attraktion der skandinavischen Eis-
massen eine ungleichmäßige Anschwellung des Meeresspiegels an
den Küsten bis zu 2U0 m be-
wirkt habe. Wir brauchen
uns hei dieser Hypothese
nicht länger aufzuhalten,
weil ihre Unhaltharkeit fast
gleichzeitig von Herge-
skli. 12 und von Drygal-
ski 13 auf Grund der neuen
HELMEB'rschen Untersuch-
ungen dargethan wurde.
Beide gelangten zu dem
Schlüsse, daß auf dem
Höhepunkte der Eiszeit
das Meeresniveau durch
Bindung beträchtlicher
Wassermengen eine Sen-
kung (nach Hebgesell
um 70 m) erfuhr, und daß
es an den Küsten der
InlandeisHächen sich zwar
hob, aber nur um einen
nicht nennenswerten Be-
trag (bei einer Mächtig-
keit des Eises von 1 000 m an der skandinavischen Küste nach
Hekgesell um 4 m, nach v. Dbygalski um 6 m und an der nord-
amerikanischen Küste um etwa 12 m). Damit stimmen auch die
Ergebnisse der Arbeiten Woodwards 14 überein.
Es bleibt also nichts übrig, als die spätglaziale Strandverschiebung
Skandinaviens und Finnlands als wirkliche und zwar ungleich-
mäßige Landhebung anzuerkennen. Vielleicht war es dieser
Vorgang, der die Ostsee völlig absperrte und in einen Süßwassersee
verwandelte, worauf Ablagerungen mit der gemeinen Flußnapf-
schnecke (Anoylus Huviatilis) hinweisen. In nachglazialer Zeit,
nach Blytt in der Epoche der Atlantischen Torfbildung (vergl.
S. 182), trat wieder eine Senkung ein, der eine Hebung folgte;
für die südlichen baltischen Gegenden hat de Geer auch die Iso-
basen dieser Niveauschwankung gezeichnet. Sie nehmen denselben
K is&chetdr. .
Isobaren
Fig. 72. Spätglaziale Isobasen von Skandinavien
in Abstanden von 60 zu 60 m nach DE Geer.
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Moderne Niveauveränderungen.
287
Verlauf, wie die spätglazialen, aber das Maximum der Hebung er-
reicht hier nur mehr 60 m.
So gelangen wir in die Gegenwart. An den finnischen und
schwedischen Gestaden dauert die kontinentale Strandverschiebung
noch fort. Schon im vorigen Jahrhundert war man darauf aufmerk-
sam geworden und hat durch Anbringung von Wassermarken an
geeigneten felsigen Küstenstellen ein ziffermäßiges Maß für diese
Bewegung zu erlangen gesucht. 15 Mehr Gewicht legt Sieger16
mit Recht auf die Pegelaufzeichnungen x , mit denen die Höhe der
langjährigen, meist aus dem vorigen Jahrhundert stammenden Wasser-
marken über dem jetzigen Seespiegel eine leidliche Übereinstimmung
zeigen. Sieger verarbeitete das ganze kritisch gesichtete Beobachtungs-
material zu einer lehrreichen Isobasenkarte, aus der wenigstens
für Schweden und Finnland südlich von 62° B. mit großer Wahr-
scheinlichkeit hervorgeht, daß die negative Niveauveränderung
von der Mitte der Ostsee und des Kattegats nach der Küste
zunimmt Die Isobasen schmiegen sich allen Biegungen der Küste
an und wenden sich im Finnischen Meerbusen nach 0, ähnlich den
Isobasen de Geers. Diese Bewegung scheint erst in der geschicht-
lichen Zeit begonnen zu haben und seit dem Anfänge des vorigen
Jahrhunderts an Intensität abzunehmen. Der Hauptsitz der Be-
wegung scheint, wie in den älteren Zeiten, im Innern der Halb-
insel zu liegen.
Dem gegenüber steht die ältere, von Süss wieder aufgenommene
Hypothese von der Entleerung der Ostsee. Eine solche könnte
nur durch eine Klimaänderung bewirkt werden, aber keine An-
zeichen deuten darauf hin. Die schwedischen Seen zeigen entweder
gar keine Strandverschiebung, oder wo eine solche vorhanden ist,
eine beträchtlich geringere, als an der Meeresküste. Ferner, wenn
der baltische Spiegel sinkt, warum nur an der schwedischen und
finnischen, und nicht auch an der deutschen Küste?
Brückner17 hat die Pegelbeobachtungen zu Stockholm, an zwei
x Streng vergleichbar sind nachfolgende aus der Periode 1852 — 75 (wir
beginnen mit der schwedischen Westküste und gehen dann, von S. nach N.
fortschreitend, auf die Ostküste über. Die beigesetzten Zahlen geben das Sinken
des Seespiegels in cm in der ganzen Periode).
Koster . . .
. 59° B.
11 cm
Grönskär . .
59 */t0 B. 34 cm
Hällö ....
• 58'/,
81 „
Svartklubben .
60 7,
22 „
Vinga ....
. 57 >/,
*2 „
Djursten . . .
60 */,
13 „
Utklippan . .
. 56
67 „
Storjungfrun
61 >/4
54 „
Öland ....
Stockholm . .
. 57*/,
• 59 >/,
28 „
30 „
Maliin» . . .
65 */,
13 „
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288
Die Dynamik des Landes.
finnischen und acht deutschen Stationen, zu Lustrenmitteln ver-
einigt, graphisch dargestellt. In Übereinstimmung mit der von ihm
entdeckten Periode schwankt der Wasserstand an der deutschen
Küste entsprechend dem Kegenfnlle in Deutschland und der Zufuhr
von Flußwasser. Ganz anders geartet sind die schwedischen und
finnischen Kurven, sie senken sich, wenn auch nicht gleichmäßig,
so doch fast kontinuirlich. Damit ist der Beweis erbracht, daß die
Wasserschwankungen hier nicht allein vom klimatischen Elemente
abhängig sind, wie an der deutschen Küste,
sondern daß noch ein anderes, fremdartiges
hinzutritt. Man könnte ja zunächst an eine
Zunahme des Salzgehaltes an der schwedischen
und finnischen Küste denken, aber um jenen
Effekt zu erzielen, müßte hier die Ostsee seit
dem Ende der 50er Jahre mehr Salz aufge-
nommen haben, als sie im Ganzen besitzt Es
bleibt also nichts übrig, als eine selbständige
Hebung des Landes anzunehmen. In
trockenen Perioden wird dieses Element durch
das klimatische verstärkt, in nassen wird es
abgeschwächt, ja stellenweise sogar völlig
verschleiert.
An dieser Hebung muß natürlich auch
Norwegen teilnehmen. Die Pegelbeobachtungen
lassen hier allerdings eine solche Bewegung
nicht erkennen, aber das erklärt sieb leicht
aus den starken Gezeiten. Sobald wir im
N. in die ruhige Bucht des Weissen Meeres
gelangen, stellen sich sofort wieder die Spuren einer kontinentalen
Strandverschiebung an den Solowezky-Inseln ein.
Die skandinavische Frage kann vorläufig als abgesddossen be-
trachtet werden, ln ein neues Stadium wird sie erst treten, wenn
das neue, durch Nivellement verknüpfte und mit selbstregistrierenden
Instrumenten ausgerüstete Pegelnetz eine genügende Reihe von
Jahren funktioniert haben wird.
Höhere arktische Breiten. Erhöhte Bedeutung gewinnt das
skandinavische Phänomen durch seine weite Verbreitung in den
höheren Breiten unserer Halbkugel. Die britischen Inseln tragen
vom Kanal bis nach Schottland die deutlichsten Spuren negativer
Niveauveränderungen in vorgeschichtlicher Zeit. In Schottland reichen
die Muschelbänke mit arktischer Fauna bis 160, auf Island bis
40 m Seehöhe. Spitzbergen, Franz- Joseph-Land uud Nowaja-Semlja
Fig. 73. Wasserstandkurven
von Stockholm, Hango und
Lokö und an der deutschen
Ostseeküste nach Brückner.
(Ein Ansteigen der Kurve
um einen Teilstrich entspricht
einem Steigen des Wassers
um 25 mm u. einer Zunahme
des Kegen falles um 5 Prozent.
Die oberen Zahlen bedeuten
die Jahre 1813—1887).
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Moderne Niveauveränderungen.
289
haben prächtig ausgebildete Küstenterrassen. In Grönland finden sich
Reste noch jetzt hier lebender Muscheln in um so größeren Höhen,
je weiter wir nach Norden fortschreiten: unter (il°H in 3 — 5 m, unter
04° B. in 18 m, unter 72° B. in 60 m Höhe. In Grinnellland rücken
sie bis 300 m, an der Polarisbai unter 8 1 0 40 N. sogar bis gegen 600 m
Höhe empor. Im östlichen Teile Nordamerikas fand de Geer die
ihm aus der schwedischen Heimat bekannten Erscheinungen genau
wieder; er konnte seine Methode auch hier anwenden und wenigstens
Bruchstücke von Isobasen in die Karte einzeichnen. 18 Die Boden-
bewegung begann fast genau an der Südgrenze des diluvialen In-
landeises und nahm sowohl nach Norden wie auch vom At-
lantischen Ozean gegen das Innere des Landes rasch an Intensität
zu. Nördlich vom Ottawa erreicht die Hebung bereits einen Wert
von 218 m.
Auch die nordrussische Ebene war in nachglazialer Zeit bis in das
Quellgebiet der Dwina und bis an den Fuß des Ural mit Meer bedeckt;
wie weit diese boreale Transgression nach Westen reichte, ist noch
nicht untersucht. Die thonigen und sandigen Ablagerungen ent-
halten gekritzte Geschiebe und eine Fauna ähnlich derjenigen, wie
sie noch jetzt an der murmanischen Küste lebt, und entsprechen der
spätglazialen skandinavischen Schicht mit Yoldia arctica. Die Strand-
linie hatte eine Verschiebung um ungefähr 150 m erlitten.1* In
Sibirien sind arktische Konchylien am untern Ob und Jenissei ge-
funden worden; die sog. Holzberge, die die höchste Erhebung an
der Südküste Neusibiriens bilden und von Mibdendokff einst für
diluviales Treibholz gehalten wurden, haben sich dagegen als
ältere Ablagerungen erwiesen und dadurch ihre Beweiskraft für eine
Hebung eingebüßt. an Am pazifischen Gestade Nordamerikas sind
spätglaziale Meeresablagerungen bis nach Vancouver herab bekannt;
auf dieser Insel erreichen sie noch 20 m Seehöhe.
Diese weite Verbreitung quartärer negativer Niveauveränderungen
um den Pol herum war es hauptsächlich, die zu dem Glauben einer
großartigen Wasseroszillation zwischen dem Äquator und den Polen
verleitete. Andere Theorien bringen sie in direkte Beziehungen zum
Inlandeise. Ausgehend von der Vorstellung einer hochgradigen
Elastizität der Erdkruste, haben eine Reihe englischer und skandi-
navischer Forscher — auch de Gees und Hansen zählen zu diesen
— die Ansicht verfochten, daß das diluviale Inlandeis die Land-
massen, die es bedeckte, herabgedrückt habe; als es schwand,
seien diese, von einer schweren Last befreit, wieder in die Höhe
gestiegen. E. v. Dryoalski21 schreibt dagegen die Hebung einer
Änderung der Wärmeverhältnisse der obersten Erdschichten seit dem
Supan, Physische Erdkunde. 2. Aufl. 19
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290
Die Dynamik des Landes.
Rückzuge des Inlandeises zu. Die Oberfläche eines vereisten Landes
nimmt nämlich die konstante Temperatur von 0° au, die Geoiso-
thermen senken sich, die Erkaltung bewirkt Zusammenziehung, der
Boden senkt sich. Nach dem Verschwinden des Eises tritt der
umgekehrte Vorgang ein: die Ausstrahlung der Erdkugel ist an
dieser Stelle nun nicht mehr gehemmt, die Geoisothermen steigen
an, und die allgemeine Erwärmung bewirkt Ausdehnung und
Hebung.
Auf die für uns wichtigere Frage, ob an den arktiseben Küsten
auch jetzt noch, wie in Schweden, Bewegung stattfinde, können wir
leider keine Antwort geben. Für Südengland ist es z. B. entschieden
verneint, für das südwestliche Grönland dagegen bejaht worden.
Hier soll sich eine positive Niveauveränderung bemerkbar machen;
ber solange ein so gründlicher Kenner der grönländischen Geologie,
wie Stkenstkui', sich gegen diese Annahme skeptisch verhält, haben
wir keinen Grund, für dieselbe einzutreten.
Mittlere und niedere Breiten. Wenn wir die zahlreichen An-
gaben über Niveauveränderungen, wie wir sie in den Sammlungen
von Hahn2* und Issel23 angehäuft finden, in eine Karte eintragen,
so erhalten wir zwischen ca. 50° N. und 30° S. ein Bild, in dem
positive und negative Verschiebungen in buntester Regellosigkeit mit-
einander abwechseln. An der atlantischen Küste Frankreichs ver-
zeichnet Gibaed nicht weniger als 3 Hebungs- und 3 Senkungsfelder!
Wenn es sich in Wirklichkeit um Bewegungen so eng begrenzter
Schollen handeln würde, dann müßte doch in irgend einer Weise
auch das Hinterland merkbar davon beeinflußt werden. Davon ist
aber keine Rede.
Zunächst müssen wir alle jene Fälle ausscheiden, wo mecha-
nische Ursachen zur Erklärung der Strandveränderungen ausreichen.
Es ist das freilich nicht immer leicht, es werden manche zweifel-
hafte Fälle übrig bleiben, aber besser ist es, sie als solche zu be-
zeichnen, als sie mit Bestimmtheit der einen oder anderen Kategorie
zuzuweisen.
Ist diese Arbeit gethan, so wird das Bild ebenso einförmig, wie
es früher bunt war. Wir sehen dann in der ganzen Zone fast nur
vereinzelte oder mehr oder minder zusammenhängende Spuren einer
negativen Bewegung in der Form von Terrassen und marinen Ab-
lagerungen, unter denen die trocken gelegten Korallenriffe des
warmen Erdgürtels eine besonders wichtige Rolle spielen. Selbst
Ostaustralien, das noch Süss von der allgemeinen Regel ausnehmen
zu sollen glaubte, ist von solchen Anzeichen nicht frei. 21 Ob das
Land sich gehoben, ob das Meer sich gesenkt hat, ist in keinem
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Moderne Niveauveränderungen. 291
Falle mit Sicherheit erwiesen, etwa in der Weise, wie für Skandi-
navien und das nordöstliche Amerika. Wo die Meeresablagerungen nur
in geringer Seehöhe auftreten und die Beobachtungen nicht in langen
Zeiträumen wiederholt wurden, ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen,
daß wir es nur mit einer vorübergehenden Erniedrigung des Meeres-
spiegels zu thun haben. Ebenso schwierig ist die Frage nach dem
Alter der Bewegung. Wir können die tertiären Vorkommnisse aus-
scheiden, aber wir können nicht sagen, daß das, was wir als quartär
bezeichnen, auch wirklich gleichzeitig ist. Vom streng morphologi-
schen Standpunkte betrachtet, mag dies gleichgültig erscheinen, aber
um so schwerer empfindet es der Theoretiker. In den niederen
Breiten fehlt eine so feste Marke, wie sie die Eiszeit uns für die
arktischen Küsten bietet. Das gilt bis zu einem gewissen Grade
selbst für die Gegenden jenseits des 30. südlichen Parallels, ja selbst
für diejenigen, die auch eine diluviale Eiszeit erlebt haben. Merk-
würdig bleibt es allerdings, daß überall an den Südenden der
Kontinente die Strandlinien mit ebensolcher Regelmäßig-
keit auftreten, wie im hohen Norden. So auf Neuseeland, in der
Victoria-Kolonie Australiens, im Kaplande, in Patagonien und Chile.
Südlich vom la Plata bis zur Südspitze Amerikas ist der Stufenbau
fast nicht minder scharf entwickelt, wie in Grönland; oft folgen
5 bis 9 Terrassen landeinwärts aufeinander. Die nachglazialen
Muschelbänke — Doerings querandinische Stufe — liegen am la
Plata 20 bis 30 m über dem Meere und steigen nach Süden immer
höher an bis 100 m. An der pazifischen Küste reichen die Terrassen
von Chile bis nach Peru hinein; manche haben hier eine moderne
Hebung von ein paar tausend Meter angenommen. Soweit es sich um
einen so enormen Betrag handelt, sind die Beweise jedenfalls un-
zureichend, aber am Cerro Gordo unter dem Wendekreise steigen
quartäre Muschelbänke doch bis nahezu 500 m empor. Sie müssen
ebenso wie die übrigen, in weit entlegener Zeit entstanden sein, aber,
weil sie neben Vertretern der heutigen Fauna auch Arten enthalten,
die hier nicht mehr Vorkommen. Genauere Altersbeziehungen zur
nordischen Eiszeit lassen sich jedenfalls nicht feststellen.
Wir kennen nicht den Zeitpunkt, wo die Küstenfaunen ihr
heutiges Gepräge erhielten, und jedenfalls vollzog sich diese letzte
Wandlung in verschiedenen Meeren zu verschiedenen Zeiten. Eine
sicherere Basis gewinnen wir aber, wenn uns geschichtliche Zeug-
nisse zu Hilfe kommen. Junge Meeresablagerungen wurden z. B.
an verschiedenen Punkten des pontisehen und propontischen Ge-
stades gefunden; am Hellespont enthielten sie ein Feuersteinmesser:
ein Beweis, daß zu jener Zeit schon Menschen hier wohnten. An-
19*
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292
Die Dynamik des Landes.
dererseits haben sorgfältige Untersuchungen dargethan, daß die
Niederungen der Krim und am Asowschen Meere seit der Zeit, da
Polybiub und Strabo sie beschrieben, keine nennenswerten Verän-
derungen erlitten haben. Damit ist das Alter jener marinen Niveau-
Veränderung mit genügender Schärfe festgestellt. Aber trotzdem
daß die historische Kunde im Mittelmeergehiete weiter in das Alter-
tum zurückreicht, als irgendwo sonst, konnte Suess nur zwei Stellen
bezeichnen, wo in geschichtlicher Zeit unzweifelhafte nega-
tive Niveauveränderungen stattgefunden haben: an der Küste
von Pozztioli und an der Ostküste Kretas. Von der erstem
werden wir später sprechen; an der letzteren entdeckte Sprayt neben
zahlreichen Strandlinien und Löchern der Bohrmuschel die Reste
des künstlichen Hafens von Phalasarna, den der Periplus von Skylax
im 4. Jahrhundert v. Ch. erwähnte, 90 m von der Küste entfernt und
7 m über dem Meeresspiegel (Kig. 74). Als dritte Stelle können wir
die westlichste Insel der italienischen Ponzagruppe, Palmarola, hin-
zufügen. Vergleicht man die Kartenbilder und Beschreibungen von
Scrope i. J. 1822 und von Dölter i. J. 1875 miteinander, so
wird man von dem außerordentlichen Wachstume dieses nur gelegent-
lich bewohnten, steilen Felseneilandes überrascht sein. Ehmons,
der es 1892 besuchte,
HhemaJiyer Meeresspiegel
.KOS**
Aller* llaftn
-prriic-
Fig. 74. Ruinen von Phalasarna, nach SPKATT.
konstatierte eine negative
Niveauveränderung von
64 m, d. h. von ca 1 m
pro Jahr.20 Daß man hier
nur von Landhebung sprechen kann, versteht sich von selbst; aber
fast nehmen wir Anstand, sie als „säkulare“ zu bezeichnen. Hier
scheinen wohl vulkanische Kräfte mit im Spiele zu sein.
Positive Niveau Veränderungen sind anscheinend viel seltener
als negative, aber jedenfalls nur scheinbar. Wir dürfen nämlich
nicht vergessen, daß negativ verschobene Strandlinien vor .aller
Augen liegen, soweit sie nicht durch Wind und Wetter zerstört
worden sind, während die positiv verschobene Küstenlinie sich unter
dem Meere verbirgt. Nur dort, wo ein Gestade unter scharfer Kon-
trolle steht, wird sich ein langsames Uutertauchen erkennen lassen.
Es ist hier auch besonders schwierig, die tektonischen Verschiebungen
von den mechanischen zu trennen. Versunkene Wälder und Torf-
moore mit Kulturresten aus der jüngeren Stein- und Bronzezeit,
z. T. sogar aus der römischen Periode, begleiten die Küste der
Nordsee und des Kanals von Jütland bis zur Normandie. Suess hat
alle diese Vorkommnisse auf Rutschungen und Sturmfluten zurück-
geführt, und zum Beweise dafür sich auf die Thatsache berufen.
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Moderne Niveauverändcrungen.
293
daß außerhalb der Dünen römische Bauwerke in Gegenden ver-
kommen, wo Torfmoore, die mit Meeressand bedeckt sind, römische
Münzen bis 270 n. Cb. bergen. Mit Recht macht er auch geltend,
daß bei langsamem Vorrücken des Meeres die Brandung den Torf
zerstört und die Bäume entwurzelt hätte. Ein zweites Gebiet, wo
unterseeische Moore und Wälder häufig Vorkommen, ist die atlan-
tische Flachküste der Vereinigten Staaten. Wie au der Nordsee-
und Kanalküste hat auch hier das Meer stellenweise weite Bezirke
erobert, aber trotzdem muß man billig bezweifeln, daß hier wirk-
lich eine positive Niveauveränderung im Spiele ist. Denn neben
diesen Senkungsspuren begegnet man auch, wie schon Cook2“ zugiebt,
trocken gelegten Austernbänken ; und Chestek,87 der sonst der Senkungs-
hypothese zustimmt, macht für die Delaware -Halbinsel eine ent-
schiedene Ausnahme, da hier die Strandlinie noch jetzt landeinwärts
wandere. Eine zweifelhafte Stelle ist ferner das Mündungsgebiet
des Amazonenstroms; sollte der enorme Landverlust liier wirklich
nur der zerstörenden Kraft des Meeres zuzuschreiben sein? Wir
können darauf keine bestimmte Antwort geben, selbst dann nicht,
wenn wir berücksichtigen, das westlich*® und östlich davon negative
Niveauveränderungen bemerkbar sind, denn es ist nicht bekannt, ob
diese nicht einer schon längst abgeschlossenen Periode angehören.
Von der Zusammensackung der Schwemmstoffe wurde schon
gesprochen. Aus dem Podelta werden zahlreiche Beispiele solcher
örtlichen Senkungen gemeldet.
Auf der anderen Seite der Adria, an der istrischen und dalma-
tinischen Küste hört man Sagen von versunkenen römischen Städten
und Bauwerken. Hilber89 hat die Strecke zwischen Grado und
Pola sorgfältig untersucht und kam zu dem Schlüsse, daß eine allge-
meine Senkung dieses Küstenstriches nicht erw'eisbar sei. Allerdings
hat das Meer seine Grenzen erweitert, aber durch eigene Kraft.
Die so häufig zitierten „versunkenen“ Molen sind nichts anderes,
als die unterseeischen Fundamente von Molen, deren obere Teile
die Brandung zerstört hat. Örtliche Senkungen sind dagegen aller-
dings vorgekommen und können in einem so jungen Einsturzgebiete,
wie es die nördliche Adria ist, und auf einem von Höhlen so sehr
unterminierten Boden nicht auffallen. 1890 wurden 2 — 300 m süd-
lich vom Felseneilande St. Giovanni in Pelago bei Rovigno, 26 m
unter dem Meere, durch einen Taucher die Reste einer Stadt ent-
deckt, die man mit der seit 679 verschollenen Inselstadt Cissa iden-
tifiziert30 hat. Von ähnlichen Ereignissen meldet auch die griechische
Geschichte; Städte, die auf Schwemmland erbaut wraren, rutschten
mit diesem in die Tiefe der See, wenn es sich infolge von Erd-
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294
Die Dynamik des Landes.
erschiitterungen von seiner festen Unterlage losgelöst hatte. Das
sind aber alles instantane, örtlich beschränkte Niveauveränderungen;
in vulkanischen Gegenden, wie am Golfe von Neapel, sind indes seit
dem Altertum auch säkulare Senkungen vorgekommen und setzen sich
bis in unsere Tage hinein fort. Aber auch sie sind an enge Grenzen
gebunden; nirgends ist eine moderne positive Niveauverände-
rung auf weite Strecken hin mit Sicherheit nachgewiesen
worden. Damit soll aber die Möglichkeit einer solchen nicht geleug-
net werden. Wer sich zur ÜARWiN’schen Rifftheorie bekennt, findet in
den Korallenmeeren der Südsee und des Indischen Ozeans Senkungs-
felder von solcher Ausdehnung, daß sie den Hebungszonen wohl
das Gleichgewicht halten. Indes sind, wie wir später sehen werden,
über diesen Punkt die Meinungen sehr geteilt. Eine andere Streit-
frage betrifft die sogenannten unterseeischen Thäler, mehr oder
minder scharf eingeschnittene Rinnen im Meeresboden, die genau in
der Fortsetzung überseeischer Thäler liegen.81 Man kennt sie z. B.
am Hudson, am Kongo, an der ligurischen Küste, aber auch in Siiß-
wasserseen, wie im Genfer- und Bodensee. Die einen fassen sie als
untergetauchte Thalstücke auf, die anderen führen sie auf Strömungen
zurück, die das Flußwasser nach seinem Eintritte in das Meer oder
in den See verhindern, gerade in seinem Stromstriche die Sedimente
abzulagern. Allgemeinere Zustimmung finden als indirekte Beweise
positiver Niveauveränderungen die Fjorde und die ihnen verwandten
Erscheinungen, ferner die abgegliederten Halbinseln und endlich
diejenigen Inseln, die vermöge ihres geologischen Baues und ihrer
Lehewelt als einstige Zugehörige des Festlandes zu betrachten sind.
Ebenso werden wir später die angegliederten Halbinseln und die
echten Reliktenseen als Anzeichen negativer Bewegungen kennen lernen.
Schlußfolgerungen. Es ist das unbestreitbare Verdienst von
Süss, die Nachrichten von Verschiebungen der Strandlinie zum ersten
Male einer scharfen, wissenschaftlichen Kritik unterzogen zu haben;
und es muß auf das nachdrücklichste jeder Versuch bekämpft
werden, in den alten Schlendrian wieder hineinzugeraten. Die Schluß-
folgerungen, zu denen Süss gelangte, sind aber nicht haltbar. An
vielen Orten mag der Meeresspiegel sich auf- und abwärts bewegt
haben, wir haben aber auch unzweifelhafte endogene Niveauverände-
rungen des Landes kennen gelernt und zwar von verschiedener Art:
instantane und säkulare, regionale und lokale. Was vor der Kritik
nicht Stand hält, sind nur die Schaukelbewegungen, die einst
eine so hervorragende Rolle in den Lehrbüchern spielten. Man
glaubte vielfache Beweise gefunden zu haben, daß Länder an der
einen Seite sich erheben und gleichzeitig an der anderen sich senken;
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Moderne N i vean veränd ernngen .
295
Schweden, Grönland, Kreta, Neuseeland waren besonders beliebte
Beispiele. Aber teils beruhte diese Annahme auf falschen oder un-
richtig gedeuteten Beobachtungen, teils ging sie insofern zu weit,
als die Gleichzeitigkeit der entgegengesetzten Bewegungen nicht zu
erweisen ist.
Viele, vielleicht die Mehrzahl der quartären Niveauveränderungen
haben sich in der vorgeschichtlichen Zeit vollzogen und sind zur
Ruhe gelangt, andere mögen in die historische Epoche hineinreichen,
wieder andere gehören ganz der geschichtlichen Gegenwart an. Ja
eine und dieselbe Erdstelle hat verschiedene Phasen durchgemacht.
Skandinavien erlebte seit der Eiszeit eine Reihe von Oszillationen,
die vielleicht durch Ruhepausen getrennt waren. Sombrero, ein
kleines Felseneiland Westindiens, besteht aus sechs Kalkbänken mit
rezenten Konchvlien; die Spalten sind mit Phosphaten ausgefüllt,
die offenbar von alten Guanolagern herrühren. Mindestens dreimal
müssen solche Guanobildungen entstanden sein und mindestens ebenso
.oft muß das Inselchen vor seiner letzten negativen Bewegung über
den Meeresspiegel emporgetaucht und wieder unter demselben ver-
schwunden sein. Gerade solche drastische Thatsachen waren es, die
der Hebungstheorie Gegner erweckten, denn derartige Oszillationen
traut man leichter dem beweglichen Element des Meeres zu, als dem
Boden, mit dem man unwillkürlich den Begriff der Festigkeit verbindet.
Indes giebt es eine Erdstelle, wo selbst Süss zur Annahme endogener
Bodenbewegungen sich gezwungen sieht. Es ist der vielbesprochene
Serapistempel von Pozzuoli am Golf von Neapel. Die drei auf-
rechtstehenden Säulen sind in einer Höhe von 3 oder 3'/3 bis 6 m
über dem Boden des Gebäudes ringsum von Bohrmuscheln angenagt.
Nach Süess folgte hier auf eine langsame Senkung eine plötzliche
Hebung bei dem Ausbruche des Monte Nuovo i. J. 1538; in beiden
Fällen aber war die Bewegung eine lokale. Jetzt soll die Küste
wieder in langsamer Senkung begriffen sein. x
Auf die Frage, ob die endogenen Niveauveränderungen der Küste
von wahrnehmbaren Schichtenstörungen begleitet sind, können wir
eine auf Beobachtung gegründete Antwort nicht geben. Indes ist
die Bewegung eines Teiles der Erdkruste geradezu un-
denkbar ohne Schichtenbiegung oder ohne Randspalten,
es kann aber in dem ersteren Falle die Spannweite der Falte solche
x Nach Brauns' Ansicht (Leopoldina 1888) war das Serapeum ein Profan-
bau zur Zucht von Meerestieren und daher mit Seewasser gefüllt. Diese, durch
keine äußeren Gründe unterstützte Hypothese würde allerdings die negative
Bodenbewegung überflüssig machen; die positiven sind aber anderweitig be-
glaubigt.
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Die Dynamik .des Landes.
296
Dimensionen annehmen und in dem letzteren die Scholle so groß sein,
daß die Dislokation selbst unserer Beobachtung entgeht. Dieser Art
scheinen die regionalen Hebungen Skandinaviens und Nordamerikas
zu sein. Dagegen dürften die Spalten, an denen eng begrenzte Küsten-
schollen in die Tiefe fahren, von aufmerksamen Beobachtern wohl
vielfach noch festgestellt werden können.
Binnenländische Niveauveränderungen. Daß im Verlaufe der
Quartärzeit auch die Oberfläche des Festlandes mancherlei Verände-
rungen durch endogene Kräfte erlitten hat, ist schon au vielen Orten
durch Beobachtung festgestellt oder wenigstens wahrscheinlich ge-
macht. So sind beispielsweise nach den Ausführungen v. Körnens3*
mehrere Spalten westlich und südwestlich vom Harz, die zur Bildung
von Einbruchsthälern und Seebecken Veranlassung gegeben haben, erst
nach der Eiszeit entstanden; ja sogar der Abstand zwischen dem Harz
und rheinischen Schiefergebirge und die Längsachse des Harzes selbst
sollen durch einen Schub von Osten nach Westen verkürzt worden sein.
An den einstigen Ufern des erloschenen Bonneville-Sees, von dem schon
auf S. 184 die Rede war, lernen wir dieselben Deformationen der
alten Strandlinien kennen, die uns okGekb an der schwedischen Küste
gezeigt hat. Auch dort haben die Strandlinien ihre horizontale Lage
verlassen und steigen um so höher an, je weiter wir uns vom Rande
dem Zentrum des alten Sees nähern; der Seeboden hat hier an-
scheinend eine beulenartige Auftreibung von etwa 40 m erfahren,
und man hat auch dieselben Theorien, wie bei Skandinavien, — Ent-
fernung der Wasserlast oder Ansteigen der Geoisothermen — zur Er-
klärung herangezogen. 33
Daß ähnliche Vorgänge auch in unseren Tagen sich abspielen,
darf man voraussetzen, seitdem sieb die Ansichten über das skan-
dinavische Hebungsphänomen geklärt haben. Würde nur die Küste
emporsteigen, das Innere des Landes aber stabil bleiben, so müßten
die Flußläufe schon Verschiebungen erlitten haben. Der direkten
Beobachtung sind aber nur örtlich begrenzte, instantane Bewegungen,
z. B. bei Erdbeben, zugänglich; in Bezug auf säkulare Veränderungen
ist man im Binnenlande aber noch mehr Täuschungen ausgesetzt,
wie an der Küste. Namentlich sind alle Nachrichten Uber Ver-
änderungen der Aussichtsweite — z. B. in der Umgebung von
Jena34 und im Ainthale im französischen Jura34 — mit großer Vor-
sicht aufzunehmen. Einen gleichen Fall in der piemontesischen
Provinz Cuneo konnte Sacco lediglich auf Gleitung und Rutschung
zurückführen. 36 In den letzten Jahren machte eine scheinbar exakte
Beobachtung von Bewegungen des französischen Bodens Aufsehen.
Aus dem Vergleiche der älteren BourdalouEscIicu Nivellierung, dem
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Moderne NiveauvcHinderungen.
297
sog. Nivellement götiöral de la France, und dem neuen Präzisions-
nivellement glaubte man schließen zu dürfen, daß der Boden in der
Richtung von Marseille nach Calais bis zu 78 mm sich gesenkt
habe; jetzt sind aber alle beteiligten Kreise darüber einig, daß diese
Differenz systematischen Fehlern zuzuschreiben ist. Auch in der
Schweiz glaubte man aus den bisherigen Aufnahmen kleine Ver-
schiebungen innerhalb des Gebirgsdreiecks Rigi-Lägem-Napf zu er-
kennen, aber auch diese sind in den Messungen nicht begründet37
Allerdings sind geodätische Arbeiten zu diesem besonderen Zwecke
noch nirgends unternommen worden. Erfolg würden sie namentlich
in denjenigen Ländern versprechen, wo man fortdauernde Gebirgs-
bildung aus anderen Gründen vermuten kann ; vielleicht wäre keine
Gegend dazu geeigneter, als die turanische Ebene, gegen die nach
Griesbachs Ansicht die Faltung vom nördlichen Afghanistan her
noch jetzt fortschreitet 38
Litteraturnach weise. 1 Trautschold, Ober säkulare Hebungen und
Senkungen, im Bulletin de la Snciete des Naturalistes de Moscou, 1869. —
‘ Vgl. Süss’ erste Schrift über „die vermeintlichen säkularen Schwankungen“ etc.,
in den Verhandlungen der Wiener Geologischen Itcichsanstalt 1H80. —
3 Blytt eit. S. 190 (u. 14). — 4 Löwl, Die Ursache der säkularen Verschiebungen der
Strandlinic, Prag 1886. — Kjerulf, Die Geologie des südlichen und mittleren
Norwegen, Bonn 1880. — 6 R. Lehmann, Über ehemalige Strandlinien in Nor-
wegen, Halle a. S. 1879. -- ’ Hansen, On Seter in Central Norway, in Nature,
London 1886, Bd. XXXHI. — 8 Sandler, Strandlinien und Terrassen, in Peter-
manns Mitteilungen 1890. — * Hansen, Strandlinje-Studier, im Archiv for
Mathematik og Naturvidenskab, Bd. XIV (1890) und XV (1892). — 10 De
Geer, Om Skandinaviens niv&forändringar under q vartärperioden , in den Ver-
handlungen der Stockholmer Geologischen Gesellschaft, Bd. X und XII, 1888 und
1 890. Quatcmary Changes of Level in Scandinavia, im Bulletin der Gcological
Society of America Bd. III, 1891. — 11 Pence, Die Schwankungen des Meeres-
spiegels, im Jahresbericht der Geographischen Gesellschaft in München,
Bd. VII. — 11 Heroksell, Die Änderung der Gleiehgewichtsfläehen der Erde
durch die Bildung polarer Eismassen, in Gkri.ands Beiträgeu zur Geophysik,
Bd. I. 1887. — 18 v. Dryualski, Die Geoiddeformationen der Eiszeit, in der Zeit-
schrift der Berliner Gesellschaft für Erdkunde 1887. — 14 Woodwaru, On the
form and position of the Sea Level, im Bulletin of the U. S. Geological Survey,
Nr. 48, 1888. — 15 Holmström, Om Strandliniens forskjutning a Sverigcs Küster,
in d. Abhandlungen d. schwedischen Akademie der Wissenschaften, Bd. XXII,
1888. — 16 Sieoeh, Seeachwankungeu und Strandverschiebungen in Skandinavien,
in der Zeitschrift der Berliner Gesellschaft für Erdkunde, 1893. 11 Brückner,
Über Schwankungen der Seen und Meere, in den Verhandlungen des Deutschen
Geograph entages zu Wien, 1891. — 19 De Geer, Plcistoccne Changes of Level
in Eastern North Ameriea, in the Proeeedings of the Boston Society of Natural
History, 1892. — 19 Tschernyschbw, Apercu sur les depots posttcrtiaircs au nord
et ä Test de la Russie d’Europe; in d. Schriften d. kais. Gesellschaft für Natur-
wissenschaften in Moskau 1892. — *" Schmalhausen u. v. Toll, Tertiäre Pflanzen
der Insel Neusibirien, in den Memoiren der Russischen Akademie der Wissen-
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298
Die Dynamik des Landes.
schäften 1890. — 11 v. Dryoalski, Über Bewegungen der Kontinente znr Eiszeit
in den Verhandlungen des VIII. deutschen Geographentages zu Berlin, 1889. —
*’ Hahn, Untersuchungen über das Aufsteigen und Sinken der Küsten. Leipzig
1879. — 83 Issel, Le oscillazioni lente del suolo, Genua 1883. — 14 Vgl. Jack
und ETitEBinuB, Gcology of Queensland, Brisbane 1892. — 85 Emmons im Neuen
Jahrbuch für Mineralogie etc. 1892, Bd. II, S. 83. — 88 Cook, Subsidence along
the Sea coast of New Jersey, im Americal Journal of Science 1857, Bd. II. —
" Cbester, The Gravels of the Southern Delaware Peninsula; ebendas. 1885,
Bd. I. — 88 Für Surinam s. Martin, Reise nach den niederländ.-westindischen
Besitzungen in der Revue coloniale internationale, 1885. — ” Hilber, Geolo-
gische Küstenforschungen zwischen Grado und Pola, in den Sitzungsberichten
der Wiener Akademie der Wissenschaften, Mathem.-Naturwiss. Classe, 1889. —
80 Bericht in den Mitteilungen der Wiener Geographischen Gesellschaft 1890,
S. 333. — 81 Eine Zusammenstellung des Beobachteten findet man in Linhardt,
Unterseeische Flußrinnen, im Jahresbericht der Geographischen Gesellschaft in
München, 1892. — 88 v.Koenen, Über Dislokationen westlich und südwestlich vom
Harz, im Jahrbuch der Preußischen Geologischen Landesanstalt für 1884. —
83 Gilbert, cit. S. 190. — 34 Berichto von Kahle, Pfeiffer u. Gf.bkk in den
Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Jena, 1886, 1887 u. 1888 —
85 Berichte von Girardot und Romieüx im Bulletin geographique historique
et descriptive, 1890. — 88 Sacco, Des phenomfines altimetriqnes dans l'interienr
des continents, im Bulletin der französischen geologischen Gesellschaft 1885 86,
Bd. XIV. — 87 Mepsersciimidt, Die wichtigsten Beziehungen zwischen Geologie
n. Geodüsie, im Jahresbericht der physikalischen Gesellschaft in Zürich 1892.
Brückner, Über die angebliche Änderung der Entfernung zwischen Jura und
Alpen, im Jahresberichte der Geographischen Gesellschaft in Bern 1893. —
38 Griesbach, Field-Notes from Afghanistan, in den Records of the Geological
Survey of India, 1886.
Die vulkanischen Ausbrüche.1
Kein Phänomen führt uns deutlicher vor Augen, daß die Kräfte
des Erdinnern noch immer thätig sind, als der Ausbruch eines Vul-
kans. Aber so großartig dieses Schauspiel auch ist, so steht es
doch in seinen Wirkungen weit zurück hinter den langsam, unmerkbar
sich vollziehenden Veränderungen, denen die Erdoberfläche unaus-
gesetzt unterworfen ist Für die geologische Gegenwart wenigstens
gilt der Satz, daß der Vulkanismus nur eine Erscheinung von ört-
licher Bedeutung ist. Aber in einem Punkte unterscheidet er sich
von allen andern Phänomenen: er schafft, wo er zu voller Entfaltung
gelangt, wirkliche Neubildungen, während sonst überall eine Um-
formung oder Umlagerung schon vorhandener Oberflächenmassen statt-
flndet Aus unbekannten Tiefen wird neues Material, im Schmelz-
flüsse befindliches Silikatgestein oder Magma, wie man es jetzt all-
gemein benennt, zu Tage gefördert Den Ort, wo dieses Magma
bereitet wird, bezeichnet man als Lavaheerd. Wo zwischen einem
Lavaheerde und der Erdoberfläche durch einen Kanal eine Verbindung
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Die vulkanischen Ausbrüche.
299
hergestellt ist, entsteht ein Vulkan. Zahlreiche solcher Kanäle
aus frühem geologischen Perioden, mit Eruptivgesteinen ausgefüllt
und durch die Denudation bloßgelegt, sehen wir die geschichteten
Gesteine durchbrechen. Nicht immer erreichten sie die Oberfläche,
und die Eruption spielte sich dann in der Tiefe ab; ein Vorgang,
den wir am besten als Krypto Vulkanismus bezeichnen können.
Seine Bildungen gewinnen erst dann geographische Bedeutung, wenn
ihre Decke zerstört, ist und sie nun unverhüllt zu Tage treten. Aber
auch oberirdische Ausbrüche führen nicht immer zu Neubildungen.
Gelangen sie über das embryonale Stadium nicht hinaus, so werden
nur die Trümmer der durchbrochenen Kruste ausgeworfen; an der
Oberfläche bildet sich ein kreisartiges oder ovales Loch, die Trümmer-
gesteine verstopfen den Kanal, und nach diesem einmaligen Ver-
suche stellt der Vulkan seine Thätigkeit ein. So entstehen die
Maare, über deren Bau erst jüngst die Untersuchungen Brancos2
im Schwäbischen Jura helles Licht verbreitet haben, obwohl man
solche Gebilde aus der Eifel, der Auvergne, Zentralamerika, Ost-
indien und Japan schon lange kannte. Nur heftigere oder wieder-
holte Eruptionen erzeugen oberirdische Anhäufungen von magmati-
schem Material.
Eruptivprodukte. Das Magma ist eine Mischung verschiedener
Verbindungen, unter denen die Kieselsäure stets die erste Rolle
spielt. Aber in verschiedenen Mischuugen doch in verschiedenem
Grade, so daß man danach saure und basische Eruptivgesteine unter-
scheiden kann.- Die tertiären und der Gegenwart angehörigen ordnen
sich in folgende Reihe:
Rhyolith, Kieselsäuregehalt mindestens 75 Proz.,
Trachyt, „ 65 Proz. und darüber,
Andesit, „ über 50 Proz.,
Basalt, „ 40 — 50 Proz.
Diese Reihenfolge gilt auch für den Grad der Schmelzbarkeit.
Basalt schmilzt unter gewöhnlichem Luftdrucke schon bei einer Tem-
peratur von 1100 — 1370° C.
An der Erdoberfläche erscheint das Magma entweder in zu-
sammenhängenden, heißflüssigen Massen als Lava — oder in locke-
ren Auswürflingen, die auf ihrem Wege durch die Luft einen großen
Teil ihrer Wärme einbüßen und meist erkaltet zu Boden sinken. Je
nach der Größe unterscheidet man Blöcke, die bis zu 1 m Durch-
messer erreichen; Bomben, die durch Drehung in der Luft eine
kugelige, keulen- oder fladentormige Gestalt annehmen; Lapilli von
Hasel- oder Wallnußgröße, vulkanischen Sand und endlich Asche.
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300
Die Dynamik des Landes.
Die letztere, ein feines Pulver, vermischt sich mit Wasser zu Schlamm,
der in erhärtetem Zustande die sogenannten Tuffschichten bildet;
besser ist es indes, diese Bezeichnung nur für die unterseeischen
Schlammablagerungen zu gebrauchen, für die Schlammströme des
Landes aber — wie Löwl rät — den in der Eifel gebräuchlichen
Namen Trass anzuwenden.
Das Magma ist kein trockener Schmelzfluß, sondern imprägniert
mit zahlreichen (rasen, von denen mindestens 99 Proz. Wasser-
dampf sind. Unter den übrigen Cfasen nimmt schweflige Säure die
erste Stelle ein, nicht bloß wegen ihrer Menge, sondern auch des-
halb, weil sie keinem Vulkane fehlt.
Fig. 75. Der Vesuv während des Ausbruches im Jahre 1822.
Die vulkanischen Ausbrüche. Es darf als Regel gelten, daß
die Vulkane intermittierend thätig sind, sei es, daß der Kanal
zeitweise sich verstopft, sei es, daß das Eruptions-Material sich er-
schöpft oder auch, daß nicht immer diejenigen Kräfte wirksam sind,
die das Magma zum Aufsteigen nötigen. Nur wenigen Vulkanen
.ist eine gleichmäßige Thätigkeit eigen, und auch diese bildet eigent-
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Die vulkanischen Ausbrüche.
301
lieh nur eine vorübergehende Phase. Stromboli, eine der Liparischen
Inseln, ist das bekannteste Beispiel dieser Art. Seit den frühesten
Zeiten des Altertumes ist er ununterbrochen thätig. Ähnlich wie hei
Geysiren, wiederholen sich die Eruptionen in regelmäßigen Pausen
von 5 — 15 Minuten; die eine Öffnung des Gipfelkraters stößt in
Intervallen von wenigen Minuten Dampf aus, was etwa eine Minute
dauert, während in der anderen Lava in Perioden von 10 — 15 Mi-
unten steigt, und fällt und beim Steigen eine Schlackengarbe empor-
schleudert. Erst 1889 machte sich eine lebhaftere Erregung be-
merkbar und trat Lava aus. Auch der Mt. Yasowa auf Tana (Neue
Hebriden) und der Izalco in Zentralamerika zeigen ein ähnliches
Verhalten, und seit dem vorigen Jahrhunderte ist auch der Sang-
uav in Quito in die Phase der Strombolithätigkeit eingetreten.
Der Charakter der Eruption hängt im wesentlichen einerseits
von der chemischen Zusammensetzung und dem Dampfgehalte des
Magmas , andererseits von der Beschaffenheit des vulkanischen
Kanals ab. Wir können verschiedene Typen unterscheiden, aber
wir können noch nicht sagen, welcher der normale ist. Indes darf
man doch den Vesuvtypus als denjenigen bezeichnen, wo die
einzelnen Akte des Eruptionsdramas am vollständigsten und gleich-
mäßigsten entwickelt sind.
Fig. 7G. Idealer Durchschnitt dt« Vesuvs mich von Hocifstktter.
a die Soniniu, b gemischter Kegel, c Aschenkegel, d kleine parasitische Schuttkegel,
e hypothetischer innerer Lavnratim.
Der Vesuv ist ein doppelgipfeliger Vulkanberg. Auf der rechten
Seite unseres Bildes (Fig. 75) sehen wir den jetzt thätigen, aus Asche
und Lava bestehenden Vulkankegel, gekrönt von einer trichterförmigen
Einsenkung oder einem Krater, der das obere Ende des Haupt-
eruptionskanals darstellt. Der Gipfel oder richtiger die wallartige Er-
hebung zur linken Hand, die Somma, ist der Rost eines vorgeschicht-
lichen Tuffkegels, in dessen ausgeweitetem Krater sich der neue Kegel,
der moderne Vesuv seit d. J. 79 aufgebaut hat. Einen idealen Durch-
schnitt zeigt obiges Bild (Fig. 76), nur muß bemerkt werden, daß das
Innere des Vulkans lediglich hypothetisch als ein weiter, von Lava
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302
Die Dynamik des Landes.
erfüllter Kaum eingezeichnet ist. Man kann sich an dessen Stelle auch
einen schlotförmigen Eruptionskanal vorstellen.
Bis zur furchtbaren Katastrophe im Jahre 79, der die Städte
Pompeji, Herculanum und Stabiae zum Opfer fielen, galt der Ve-
suv für erloschen. Bis 1631 meldet die Geschichte nur 17 Aus-
brüche, wiederholt blieb der Berg mehr als 1 Jahrhundert, zweimal
sogar mehr als 2 Jahrhunderte ruhig; seit dem 12. Jahrhundert be-
deckte er sich wieder mit reicher Wald Vegetation. Der Ausbruch
von 1631 übertraf an Schrecklichkeit noch jenen zur Zeit des Kaisers
Titus, und seitdem hat der Vulkan seinen Charakter verändert. Die
Ruhepausen wurden kürzer, aber die Thütigkeit verlor an Intensität,
wenn auch heftige Eruptionen — Paroxysmen, wie Scrope sie nennt
— zeitweise noch immer sich ereignen (1760, 1794, 1822, 1872).
Auch bei anderen Vulkanen hat man diese Erfahrung gemacht; es
kann als Regel gelten, daß je länger die Ruhe, desto heftiger die
darauf folgende Eruption ist. Es muß, wie man vermuten darf, eine
gewaltige Dampfmenge im Lavaherde sich ansammeln, um durch den
in der Ruhezeit verstopften Kanal oder an anderer Stelle einen neuen
Weg sich zu bahnen. Erdbeben leiten meist als äußere Zeichen dieses
Kampfes die bevorstehende Katastrophe ein, ja manchmal hebt sich der
Boden, um dann wieder zu sinken, wie durch Beobachtungen bei dem
Vesuvausbruche im Dezember 1861 festgestellt wurde. Immer mächtigere
Dampfmassen entsteigen dem Krater, bis dieser berstet, und eine hohe
Aschensäule, die sich oben pinienartig ausbreitet, emporsteigt (Fig. 75).
Ein feiner Aschenregen beginnt, der durch den Wind oft weithin ge-
führt wird; so bei dem Ausbruche des Coseguina (in Nicaragua) am
20. Januar 1835, einem der schrecklichsten Phänomene dieser Art in
den letzten Jahrhunderten, 2000 km in die See hinaus und bis zu dem
350 km entfernten Guatemala Nachts erscheint an der Stelle der
Rauchpinie eine imposante Feuersäule von wechselnder Helle. Da sie
auch im heftigsten Sturme unbeweglich bleibt und selbst Sterne von
schwacher Leuchtkraft durchscheinen läßt, so ist sie nur als der
Wiederschein der glutflüssigen Lava im Kanal zu betrachten. Aber
auch wirkliche Flammen, erzeugt von brennbaren Gasen, wurden
manchmal beobachtet; doch sie sind schwach und von geringer Höhe.
Gewaltige Schlackenraketen verkünden das Aufsteigen der Lava. Der
Cotopaxi schleuderte i. J. 1533 Felsstücke von 3 m Dicke 900 m hoch
und über 22 km weit. Heftige Eruptionen werden von Gewittern
begleitet. Die Wasserdämpfe erhalten nämlich — wie Palmieri
nachwies — durch schnelle Verdichtung positive, die Asche aber
beim Fallen in diesem Medium negative Elektrizität: wahrscheinlich
ist auch der ganze Berg elektrisch geladen. Gewöhnliche meteoro-
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Die vulkanischen Ausbrüche.
303
logische Begleiterscheinungen sind Sturm und Regengüsse; diese
oder der geschmolzene Schnee erzeugen, mit Asche vermischt, die
Schlamm ströme, die oft verheerender wirken als die Lavaströme.
Den Schluss des Eruptionsaktes bildet meist der Austritt von
Lava, seltener aus dem Gipfelkrater als an den Abhängen, wo sich
eine radial auf die Achse des Kegels stellende Spalte öffnet; ja, oft
spielt sich die ganze Eruption am Abhange ah, wie 1861 am Vesuv,
während der Hauptkrater nur durch eine intensivere Gasentwick-
lung daran teilnimmt. Meist Hießt die Lava in ruhigen Strömen,
die auch bei starker Neigung noch zusammenhängende Gesteins-
schichten zu bilden vermögen. Das hängt wesentlich von ihrer
chemischen Beschaffenheit und dem Grade ihrer Durchtränkung
mit Wasserdampf ah; sie kann bei 35° noch erstarren und bis 10°
Neigung noch Hießen. Die Masse der ausgeworfenen Lava ist eine
sehr bedeutende; sie betrug z. B. bei der Eruption des Vesuvs
i. J. 1872 20 und bei der des Bourbon-Vulkans i. J. 1787 900
Mill. chm. Der Skaptar Jökull auf Island sandte im Jahre 1783
zwei Ströme aus, von denen der westliche 80, der östliche 45 km
lang wTar. Sie bedeckten 900 qkm, eine Fläche, so groß wie eines
der Fürstenthümer Schwarzburg, erfüllten die Skaptaschluclit bis
einer Höhe von 100 — 200 m und erreichten eine mittlere Mächtigkeit
von 30 m. Das ergiebt die erstaunlich große Masse von 27000
Mill. cbm. Geht der Eruptionsprozeß rasch und unter bedeutender
Dampfentwickelung vor sich, so zerfällt der Lavastrom in einen
Trümmerhaufen (Block- oder Schollenlava); im anderen Falle
geht er durch das Zwischenstadium der Zähflüssigkeit aus dem
flüssigen in den festen Zustand über und bildet dann die zusammen-
hängende Fladen- oder Gekröslava.
Aus manchen Vulkanen, wie aus einigen javanischen oder aus
dem Demawend in vorgeschichtlicher Zeit, tritt die Lava nicht in
flüssigem Zustande, sondern halb erkaltet als ein Gewirr von Blöcken
aus. Dagegen scheint nach Th. Wolf die Nachricht von den süd-
amerikanischen „Kotlaven“ nur auf ungenauer Beobachtung zu ba-
sieren. Es sind einfache Schlammströme, die am Cotopaxi neben
echten Lavaströmen Vorkommen.
Erdbeben, Aschenauswurf, Lavaerguß sind die drei Akte, in
die gewöhnlich das Eruptionsschauspiel beim Vesuvtypus vom
Beginne bis zu seinem Höhepunkte zerfällt. Sie können sich in
verhältnismäßig kurzer Zeit abspielen, aber auch wochen- und
monatelang mit kurzen Ruhepausen wiederholen und wir sprechen
im letzteren Falle von einer Eruptionsperiode, wie z. B. der
Vesuv eine solche vom Januar 1871 bis zum April 1872 durchlebte.
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304
Die Dynamik des Landes.
Das veränderlichste Moment sind die Erdbeben. Sie fehlen oft
ganz, wie bei den meisten Ausbrüchen des Cotopaxi oder stehen
wenigstens in keinem Verhältnisse zur nachfolgenden Katastrophe,
wie bei der Krakatau-Eruption i. J. 1883. Der Atnaausbruch i. .1.
1865 wurde durch gelinde Erschütterungen eingeleitet, aber —
gegen alle Regel — durch eine sehr heftige abgeschlossen.
Von viel größerer Wichtigkeit ist es aber, ob das Magma über-
haupt und in welcher Form es an die Oberfläche gelangt. Bei dem
Vesuvtypus geschieht dies, wie wir gesehen haben, sowohl in der
Form lockerer Auswürflinge, wie in der von Lavaströmen. Aber
gerade die Geschichte der letzten Jahrzehnte hat uns eine Reihe
anderer Typen kennen gelehrt.
Der Bandaisan in Japan, seit Menschengedenken erloschen,
hatte am 15. Juli 1888 eine furchtbare Dampfexplosion, die die
ganze Nordseite des Gipfels wegsprengte und an deren .Stelle einen
Fig. 77. Profil des Bandaisan vor und nach
der Eruption nach Sekiya.
gewaltigen Krater von 383 ha Flächeninhalt schuf. Beistehendes
Profil (Fig. 77), in dem die alte Gestalt durch eine punktierte Linie an-
gedeutet ist, veranschaulicht diese Veränderung. Magma trat nicht
zu Tage; das ausgeworfene Material, das man auf 1213 Mill. cbm
schätzt, entstammte nicht der Tiefe, sondern dem abgesprengten Teile
des Berges, dessen Gesteine schon vorher durch Gasausströmungen
zersetzt worden waren. 3
Wasserdampf spielte offenbar auch die Hauptrolle bei zwei
anderen Katastrophen der letzten Jahre, bei den Ausbrüchen des
Krakatau4, eines Inselvulkans der Sundastraße, am 27. August 1883
und des Tarawera® auf der Nordinsel Neuseelands am 10. Juni
1886. Der erstere hatte seit 1680 geruht, der letztere war, soweit
die Tradition reicht, nicht mehr thätig gewesen. In beiden Fällen
hatte die Eruption einen explosiven Charakter, zum Unterschiede
vom Bandaisan wurden gewaltige Mengen von Asche und Bims-
stein (schaumig aufgeblähte Lavafetzen) ausgeworfen, aber kein
Lavastrom ergoß sich aus den Spalten.
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Die vulkanischen Ausbrüche.
305
Viel seltener sind dagegen mehr oder weniger reine Lava-
eruptionen. Hawaii stellt den basaltischen, Santorin den andesi-
tischen Typus vor.
Die Inselgruppe Santorin6 in den ägäischen Gewässern besteht
aus vulkanischen Bildungen verschiedenen Alters. Die Hauptinseln
Thera und Therasia mit dem Eilande Aspronisi sind die Trümmer
eines zerbrochenen Kraterwalles aus vorgeschichtlicher Zeit. Inner-
halb desselben entstanden durch neue Ausbrüche die kleinen Kameni-
lnseln: 198 v. Cb. die Palaea-Kameni, 1573 die Mikra-Kameni,
1707 — 12 die Xea-
Kameni, 1866 die
Inseln Georgios und
Aphroessa, die rasch
anwachsend mit der
Xea - Kameni ver-
schmolzen. Diese
letzte Eruption bot
nun zum ersten Male
die erwünschte Ge-
legenheit, die Ent-
stehung von Andesit-
bergen zu beobachten .
Am Beginne vollzog
sich das Schauspiel in
größter Ruhe, ohne
Erdbeben, ohne Ex-
plosionen, ohne
unterirdisches Ge-
räusch. Erst päter
nahm die Eruption
einen heftigeren
Charakter an. Steine
wurden emporgeschleudert und mächtige, mit Asche geschwängerte
Dampfsäulen erhoben sich, aber dies alles bildete nur nebensäch-
liche Momente; der eigentliche Charakter/ug des Santorin- Ausbruches
besteht darin, daß sich über der unterseeischen Öffnung des Kanals
der zähe Lavabrei wulstartig anhäufte, indem immer neue Massen
aus der Spalte sich hervordrängten und die alten in die Höhe
und zur Seite schoben. Sehr passend wurden die neugebildeten
Inseln mit „riesigen Schwämmen“ verglichen. „Mit eigenen Augen“,
schreiben Reiss und Stübel, 7 „haben wir eine, an manchen Stellen
bis zu 200 m mächtige, von steilen Böschungen begrenzte Lava-
Süpaw, Physische Erdkunde. 2. Auf!. 20
Fig. 78. Santorin im Jahre 1866 nach v. Sekbach.
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306
Die Dynamik des Landes.
masse entstellen sehen, deren Oberfläche kaum irgend welche
Schlackenbildung zeigte, und der jeder Aschen- oder Schlacken-
kegel fehlte.“ „Diese Lava“, heißt es an einer, anderen Stelle,
„war so zähflüssig und von eiuer so mächtigen, in große glasige
Blöcke zerteilten Erstarrungskruste bedeckt, daß die flüssige
Lava selbst niemals an der Oberfläche sichtbar wurde.“ Während
lockere Massen sich wallartig um die Ausbruchsöflhung anhäuften,
wurde diese verdeckt, daher war auch anfangs ein Krater nicht
bemerkbar; erst nach der Explosion am 18. Juli, die den mitt-
leren Teil der Georgsinsel zerstörte, enstand an dieser Stelle eine
kraterähnliche Vertiefung, wo sich Lava ansammelte und Ausbrüche
stattfanden. „Die anfangs flach gewölbte Gestalt der Insel formte
sich allmählich zu einem regelmäßigen stumpfen Kegel.“
Hawaii8 ist eine aus vier oder fünf Basaltkegeln zusammen-
geschweißte Insel. Das nordwestliche Horn bildet die Kohala-Kette
(1678 m h.), der Überrest des ältesten Vulkans; im Westen erhebt sich
der Hualalai (2522 m h.), seit 1801 ruhig; die Mitte nehmen die
beiden Bergriesen, der seit langem erloschene Kea (4208 m) und
der noch thätige Loa (4168 m), ein. Am Ostabhange des letzteren
öffnet sich, in 1231 m Seehöhe, der ungeheuere Krater Kilauea.
der ebenso, wie der Krater Mokuaweoweo auf dem Loagipfel, von
den senkrecht abstürzenden Bruchrändern nahezu horizontal ge-
schichteter Lavaströme eingeschlossen wird. Dutton® erklärt diese
großen Vertiefungen nicht für echte Krater, sondern für Einsturz-
becken, und will dafür den Namen Caldera angewendet wissen, inner-
halb derselben liegen die berühmten, mit flüssiger Lava erfüllten
Seen, ein einzig dastehendes Phänomen. Es muß eine gewaltige und
vor allem eine kontinuierlich wirkende Kraft sein, die die Magma-
säule beständig in dieser Höhe zu erhalten vermag. Allerdings
wirkt sie nicht gleichmäßig; auch die hawaiischen Vulkane sind inter-
mittierend thätig. Aber da ihre basaltische Lava sehr dünnflüssig
ist, so staut sie sich nicht, wie die andesitische Santorins, über der
Ausbrucbsötfnung an, sondern fließt ruhig über. Der See entleert
sich und der Bodeu des Kraters stürzt über dem Hohlraume ein.
Der Dampf kann ohne viel Widerstand entweichen, er vermag daher
die Projektile nur wenige Meter in die Höhe zu werfen, und diese
fallen, ohne sich abzukühlen, an der gleichen Stelle wieder nieder
und bauen Miniaturkegel von 4 — 18 m Höhe auf) „Dribblet-cones“,
wie Dana sie bezeichnend nennt. Manchmal finden allerdings hef-
tigere Eruptionen statt und dann werden glühende Lavafontänen
60 — 200 m hoch emporgeschleudert. Asche, Lapilli, Bomben spielen
auch hier nur eine untergeordnete Rolle.
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Die vulkanischen Ausbrüche.
307
Ein Vulkan ist aber durchaus nickt immer an einen be-
stimmten Eruptionstypus gebunden. Die Kilauea hatte i. J. 1789
einen gewaltigen Aschen- und Steinausbruch; der Krakatau ist aus
wechselnden Lagen von Aschen- und Lavaschichten aufgebaut —
ein Beweis, daß er früher genau nach dem Vesuvtypus sich verhielt.
Richtig ist es aber, daß, wenn auch ein Vulkan zeitweise seinen
Eruptionscharakter ändert, er doch in der Regel einen bestimmten
Typus bevorzugt.
Ferner haben wir zu beachten, daß alle diese verschiedenen
Eruptionsarten ein Moment gemeinsam haben, indem sie nämlich
alle von einem Zentrum ausgehen, um das sie die Auswurfsmassen
mehr oder minder kreisförmig anhäufen. Das Endprodukt ist in
diesem Falle immer ein Berg. Daneben kennen wir aus früheren
Erdepochen aber auch Lavaergüsse aus langgestreckten, lippen-
förmigen Spalten, die teils Gebirgszüge, teils — wenn die Lava
dünnflüssig war und in großen Mengen ausfloß — ausgedehnte
Tafeln schufen. Die Hargita in Ungarn ist ein Beispiel eines
solchen Gebirgszuges, die Basaltdecke im nordwestlichen Dekan, die
das Königreich Preußen an Flächeninhalt übertrifft, ein Beispiel
einer vulkanischen Tafel.
Um nun den Beweis zu führen, daß zwischen den Zentral-
und Labialeruptionen kein fundamentaler Unterschied besteht,
müssen wir zunächst an die Thatsache erinnern, daß auch die
Zentralvulkane in der Regel eine reihenweise Anordnung zeigen und
daß man diese mit Recht auf langgestreckte Spalten zurückgeführt
hat. Allerdings sind diese Spalten nicht sichtbar, aber wir über-
tragen hier nur ins große, was uns die Erfahrung im kleinen wiederholt
kennen gelehrt hat, wie bei den Atna-Ausbrüchen i. J. 1609 und 1865
oder bei der Tarawera-Eruption i. J. 1886. In dem letzteren Falle
entstand eine von Nordosten nach Südwesten ziehende Spalte von
14 km Länge und innerhalb derselben eine Reihe von Kratern, die
ebensovielen Eruptionszentren entsprachen. Auch die dazwischenliegen-
den unzerstörten Brücken wurden von engen Vertikalspalten durchsetzt.
Wir dürfen also mit Thomas5 annehmen, daß zuerst entlang einer
Linie der Boden sich spaltete und daß dann die unterirdischen
Kräfte an denjenigen Punkten einsetzten, wo entweder die Gesteins-
beschaffenheit den Ausweg erleichterte, oder größere Dampfzufuhr
die Explosionskraft vermehrte. Würde sich aus den eng benach-
barten Kratern Lava ergossen haben, so hätten sich die Ströme leicht
zu einer Gesamtmasse vereinigen können, die die einzelnen Ausbruchs
stellen verdeckt hätte, oder es hätten auch die einzelnen Zentren
selbst, wenn sie noch näher aneinander gerückt wären, miteinander
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308
Die Dynamik des Landes.
verschmelzen können. Man sieht also, zwischen Zentral- und
Labialeruptionen sind Übergänge vorhanden, beide beruhen
im wesentlichen auf demselben Vorgänge.
Besonders lehrreich ist in dieser Beziehung Island, dessen
Erforschung wir in neuester Zeit hauptsächlich Thoeoddsen ver-
danken 10. Hier finden wir verschiedene Typen vertreten : echte ge-
schichtete Vulkane, aus wechselnden Tuffen und Lavaströmen be-
stehend, wie der Vesuv; Lavavulkane, ganz nach hawaiischem Muster,
nur kleiner, flache schildförmige Erhebungen mit einer tellerartigen
Vertiefung am Gipfel; endlich Labialbildungen in verschiedenen
Stadien ihrer Entwicklung. Am häufigsten ist die Anfangsform:
entlang einer Spalte treten eine Reihe noch wohl individualisierter
länglicher Krater auf; seltener sehen wir der Spalte entlang
lange, aber doch noch an vielen Stellen durchbrochene Wälle von
Schlacken und Lavastücken; am seltensten ist die ausgebildete Form
einer völligen Vereinigung der Zentren, die nach beiden Seiten dünn-
flüssige Lava ergossen haben.
Überblick der Vulkanformen. Jeder Vulkan ist das Produkt seiner
eigenen Thätigkeit, und da diese Thätigkeit sich in so mannigfacher
Art äußert, so müssen natürlich auch die Produkte mannigfach sein.
Lediglich von diesem Gesichtspunkte aus einmal die Vulkanformen
zusammenzufassen, empfiehlt sich deshalb, weil die spätere morpho-
logische Betrachtungsweise noch andere Momente zu berücksichtigen
haben und damit auch zu einem anderen Systeme gelangen wird.
Wo der Ausbruch lediglich in einer Daiupfexplosion besteht, wie
hei dem Bandaisan, kann natürlich von Neubildungen keine Rede
sein, sondern findet nur Zerstörung statt. Wo die Eruption zwar
einen explosiven Charakter zeigt, zugleich aber auch neues Material
zu Tage fordert, wird sowohl zerstört wie geschaffen, und es hängt
ganz von den näheren Umständen ah, welche Wirkung die Oberhand
gewinnt. Bei dem Ausbruche des Tarawera wurden zwar 1500 Mill.
chm Asche ausgeworfen, aber etwa 230 Mill. wurden in das Meer
getragen und 1270 Mill. verteilten sich auf eine Fläche von der
Größe Badens. Die Heftigkeit der Explosion war so groß und es
fand eine so vollständige Zerstäubung statt, daß es nicht zur Bildung
eines Aschenkegels kommen konnte. Indes ist nicht bloß die Ex-
plosion an sich für die Zerstörung verantwortlich zu machen. Indem
Material aus der Tiefe entfernt wird, entstehen hier Hohlräume und
der darüber befindliche Boden stürzt ein. Die vier Inseln der
Krakataugruppe hatten vor der Katastrophe von 1883 ein Areal von
4020 ha; durch Einsturz verloren sie 2291 ha, durch Neubildung
gewannen sie 1305 ha; das ergiebt ein Defizit von 986 ha. Ein kleines
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Die vulkanischen Ausbrüche.
30!)
Eiland, das den sonderbaren Namen „Der polnische Hut“ trug, ver-
schwand ganz, die Hauptinsel wurde um die Hälfte kleiner, Verlaten
Eiland wuchs dagegen um das dreifache.
Die Eruptionen können wir einteilen in einfache und ge-
mischte. Die einfachen produzieren entweder nur oder doch vor-
herrschend nur lockeres oder festes Material. Wir unterscheiden
demnach Locker- und Lavaeruptionen.
1. Bei zentralen Lockereruptionen ist der Grad der Fein-
heit des Auswurfsmaterials von Wichtigkeit. Asche kann, wie beim
Tarawera, lediglich zur Erhöhung des Bodens beitragen, während
die Ausbruchsstelle selbst nur durch eine Vertiefung im Boden ge-
kennzeichnet wird. Dasselbe ist auch der Fall, wenn nur eine ein-
zige Eruption an der betreffenden Stelle stattfindet und dabei nicht
beträchtliche Mengen von Lockermaterial ausgeworfen werden. Das
Resultat ist also eine negative Bodenform. Dazu gehören auch
die Maare.
Als positive Bodenformen gehen aus diesen Eruptionen auf
dem festen Lande Aschen- oder Schlackenkegel, auf dem Boden
des Meeres Tuffkegel hervor.
2. Als Erzeugnisse labialer Lockereruptionen sind die
langen Schlackenwälle in Island zu betrachten.
3. Gemischte Zentraleruptionen schaffen ebenfalls ter-
restrische oder submarine geschichtete Kegel, die sich von den
Aschenkegelu nur dadurch unterscheiden, daß die Beteiligung von
Lavaströmen ihnen größere Festigkeit verleiht. Beiden ist ferner
gemein, daß sie einen Krater auf ihrem Gipfel besitzen. — Ge-
mischte Labialeruptionen sind nicht bekannt.
4. Zentrale Lavaeruptionen erzeugen Berge ohne Krater
oder nur mit kraterförmigen Vertiefungen am Gipfel. Ihre
Böschungsverhältnisse hängen wesentlich von dem Flüssigkeitsgrade
der Lava ab.
5. Labiale Lavaeruptionen führen zur Bildung langgestreck-
ter Gebirgszüge, wenn die Lava zähe, und zu der von Tafeln
oder Plateaus, wenn die Lava dünnflüssig ist.
Erlöschen der Vulkane. Nach einer Eruptionsperiode versinken
die intermittierenden Vulkane wieder einige Zeit in einen Zustand
der Erschöpfung, der durch die sogenannte Solfatarenthätigkeit
charakterisiert wird. Man versteht darunter das Ausströmen von
Wasserdampf in der Gestalt kleiner Säulen (Fumarolen) und von
Gasen sowohl aus dem Krater, wie aus den Rissen der Abhänge.
Manche Vulkane, wie die Solfatara von Pozzuoli, der Demawend in
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310
Die Dynamik des Landes.
Persien u. a., verharren immer in diesem Zustande. Fluor und
Chlor, die das intensivste Eruptionsstadium charakterisieren, sind
aus den Gasexlialatiouen verschwunden; endlich verschwinden auch
die schwefligen Gase, die Temperatur nimmt ab, die Fumarolen
hören auf; und nur die Kohlensäure, die entweder als Gas ausströmt
(Mofetten) oder mit Wasser vermischt erscheint (Sauerquellen),
und manchmal auch Thermen erinnern an die einstige vulkanische
Thätigkeit der betreffenden Erdstelleu.
Da aber — wie die Geschichte lehrt — selbst jahrhunderte-
lange Ruhe keine Gewähr für die Zukunft bietet, so ist es ganz
willkürlich, wenn z. B. Kahl Fuchs alle jene Vulkane, die seit 300
Jahren nicht mehr thätig waren, als erloschen bezeichnet. Das
gilt wenigstens für Gegenden, wo neben ruhenden auch thätige Vul-
kane Vorkommen. Hier ist die Ruhe vielleicht nur Schlaf, nicht
Tod. Dagegen können wir den Puy de Cöme in der Auvergne oder
den Förmerich der Eifel mit einigem Rechte erloschene Vulkane
nennen, weil die vulkanischen Gebiete, in denen sie liegen, seit
Menschengedenken keinen Ausbruch mehr erlebt haben. Statt thäti-
gen und erloschenen Vulkanen unterscheiden wir also beser thä-
tige und erloschene Vulkangebiete; die ersteren enthalten zu-
weilen nur thätige, in der Regel aber thätige und schlafende Vul-
kane, die letzteren dagegen nur erloschene Vulkane.
Geographische Verbreitung der Vulkane (s. Karte XVII). Die
Statistik von Kahl Fuchs zählt 325 Vulkane, die in den letzten
drei Jahrhunderten thätig waren: eine Zahl, die jedenfalls zu niedrig
gegriffen ist. Von diesen kommen 102 auf die asiatische und 113
auf die amerikanische Seite des Stillen Ozeans, und 25 sind in dem-
selben zerstreut. Das ergiebt eine Summe von 240 (74 Proz.); die
pazifische Welt ist somit in der Gegenwart der Hauptsitz
der vulkanischen Thätigkeit. Dagegen kommen auf den Atlan-
tischen Ozean nur 30, auf den Indischen 5, auf das südliche Eis-
meer 2, auf Europa mit dem Mittelmeere 7, auf Afrika 27 und auf
das asiatische Festland 12.
Die älteren Theorien legten besonders darauf Gewicht, daß die
meisten Vulkane im Meere oder in der Nähe desselben sich befinden,
und brachten dies mit der Erfahrung, daß Wasserdampf eines der
Hauptprodukte der Ausbrüche ist, in ursächliche Verbindung. Meer-
wasser, so folgerte man, müsse zu den unterirdischen Feuerherden
dringen, um das Magma eruptionsfähig zu machen. Diese Theorie
läßt aber zweierlei unerklärt Erstens die Thatsache, daß Vulkane
auch fern vom Meere Vorkommen. Leider wissen wir zu wenig von
jenen zentralasiatischen Vulkanen, die Bonvalot und Prinz Hf.inhich
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Die vulkanischen Ausbrüche.
311
von Orleans in 87° ö. L. und 35 bis 3672° n. ß. entdeckten, um
uns auf sie hier berufen zu können; dagegen können wir anfiihren
die mandschurischen Feuerberge südöstlich von Mergen, also über
800 km von der Küste gelegen, die nach der Angabe v. Richt-
hofens noch am Anfänge des 18. Jahrhunderts in Thätigkeit waren,
ferner die in jüngster Zeit von L. v. JIöhnel und Stuhlmann ent-
deckten, noch thätigen Vulkane Zentralafrikas: den Virungo, südlich
vom Albert Edward -See und den Teleki -Vulkan am Südende des
Rudolfsees, die 1100, hezw. 750 km vom Meere entfernt sind. Die
zweite Thatsache, welche die ältere Theorie ignoriert, ist die, daß
ausgedehnte Küstenstrecken vulkanlos sind. Von Grönland bis zum
Feuerlande fehlen die Vulkane mit einziger Ausnahme von West-
indien, und das gegenüberliegende Gestade des Atlantischen Ozeans
hat nur einige wenige Vulkanbezirke in Afrika. Gehen wir um das
Kap der guten Hoffnung herum, so finden wir dieselbe Armut bis
nach Hinterindien. Hier ändern sich die Verhältnisse mit einem
Male. Der große vulkanische Sundabogen leitet uns in den Stillen
Ozean hinüber. Nirgends drängen sich die Feuerberge enger an
einander, als an seiner Westseite. Von der Nordinsel Neuseelands
über die Neuen Hebriden, den Bismarck -Archipel, die Philippinen,
Formosa, die Riu-Kiu, Japan, die Kurilen, Kamtschatka reiht sich
fast ununterbrochen Bogen an Bogen. Den Norden schließt die Aleuten-
reihe ab, dann folgen im Osten die amerikanischen Vulkane innerhalb
des Hochlandsgürtels. Die thätigen Hauptgebiete der Gegenwart sind
das mexicanische, zentralamerikanische, äquatoriale, peruanische und
chilenische. Daß aber Nordamerika einst nicht zurückstand, beweist
das Kaskadengebirge, das zum großen Teil aus übereinandergelagerten
Lavaströmen von stellenweise mehr als 1000 m Mächtigkeit besteht,
deren Ausbruch in die nachtertiäre, zum Teil sogar in die nach-
glaziale Zeit fallt; und nicht minder deutlich spricht das große
Lavafeld des Columbia und Snake-River, das sich über fünf Längen-
und drei Breitengrade ausdehnt. In der geschichtlichen Gegenwart
beschränkt sich die — wie es scheint, durchaus gemäßigte — Thätig-
keit auf die Vulkane der Alaska- Halbinsel, auf den Elias- und
Wrangell-Berg und auf einige Gruppen am Nordende des Kaskaden-
gebirges und der Sierra Nevada. Der jüngste Aschenkegel des
Lassen Peak-Gebietes dürfte erst im 17. Jahrhundert entstanden sein.11
Diese Verteilung der Vulkane an den Festlandsrändern wurde
uns erst verständlich, seit Suess den inneren Zusammenhang der
vulkanischen Erscheinungen mit den großen Dislokationen aufge-
deckt hat. Die pazifischen Ränder werden von jungen Faltengebirgen
gebildet, die atlantischen und indischen von abgebrochenen Schollen.
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312
Die Dynamik des Landes.
Nur Westindien und Hinterindien mit den Sundainseln machen eine
Ausnahme im pazifischen Sinne, und wir haben gesehen, daß diese
Gebiete aucli durch lange Vulkanreihen ausgezeichnet sind. Wir
können somit den Satz aussprechen, daß der pazifische Rand-
typus den Vulkanismus fördert, der atlantische ihn hemmt.
Thätige und erloschene Vulkane — letztere allerdings in der
Mehrzahl — begleiten auch jene jugendlichen Faltengebirge, die die
alte Welt in westlicher Richtung durchsetzen, aber gerade die höch-
sten asiatischen Ketten, vor allem der Himalaja sind frei davon. In»
Osten beginnen diese Reihen mit dem Demawend des Eibursgebirges,
dann folgen die kaukasischen, armenischen, kleinasiatischen und
griechischen Vulkane, endlich die der einzelnen Zweige des Alpen-
systems.
Die Beziehungen zwischen den Vulkanen und den Faltenzügen
sind sehr mannigfaltige. Die meisten Cordillerenvulkane sind
dem Gebirgskamme aufgesetzt. In Quito, südlich von 2°S., liegen
sie zwischen beiden Cordilleren, überlagern aber sowohl das krystal-
linische Schiefer- wie das Porphyrgebirge, und Th. Wolf spricht die
Ansicht aus, daß sie erst nach dem älteren Diluvium auf den-
selben Spalten entstanden , aus welchen der alteruptive Porphyr
aufgestiegen war. In Mexico durchziehen die Vulkane quer das
Plateau, und in Zentralamerika schneidet die Vulkanreihe zwischen
8° 48' und 16° 10' die Hauptachse der Cordilleren, indem sie im
Süden auf der atlantischen Abdachung, dann auf dem Scheitel des
Gebirges und endlich auf der pazifischen Seite auftreten. Die vul-
kanische Linie ist also gegen Nordwest bis Westnordwest gerichtet,
aber die Feuerberge erheben sich in Guatemala auf Querlinien, die
nahezu senkrecht die Hauptlinie schneiden; und auf jeder Querlinie ist
der thätige Vulkan in der Regel der dem Ozean nächste. Es findet
also hier eine Verschiebung der Ausbruchsstellen gegen den pazi-
fischen Rand statt. In Nordamerika liegen Lassen Peak und Mount
Shasta zwar im Streichen der Sierra Nevada, aber nicht auf dem
Kamme, sondern an jenen Stellen, wo das ganze Gebirge einen Ein-
bruch erlitten hat.
Ähnliche Beispiele liefert auch die alte Welt. Die kaukasi-
schen Vulkane sind ebenso dem Gebirge aufgesetzt, wie die Deina-
wend-Solfatara dem Elburs; letzteres Gebirge wird aber nach Tietzf.
auch an seinem südlichen Bruchrande von trachytischen Hügel-
reihen begleitet. Das vulkanische Gebiet des Hegaus liegt in einem
Einsturzfelde des Jura zwischen Thayngen und Arftingen. Auch die
Canarischen Inseln liegen im Streichen des Atlas.
In Europa waren die inneren Senkungsfelder jener Kettenge-
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Die vulkanische» Ausbrüche.
313
birge, deren krystallinische Zone nur mehr in Bruchstücken vor-
handen ist, ein Hauptschauplatz der vulkanischen Thätigkeit. Am
inneren Rande der Apenninen ziehen Vulkane von Toskana bis
Sicilien. Solche sind die Trachytberge Monte Amiata und Monte
Cimino, die Kraterseen von Bolsena, Vico und Bracciano, das Albaner-
gebirge bei Rom, das vielleicht noch in geschichtlicher Zeit thätig
war; die acht Vulkane des Hernikerlandes bei Frosinone, deren
Entstehung nach Bkanco in die vor- oder altalluviale Periode fallt;
die Rocca montina, die tertiären Vulkane der Pontinischen Inseln,
die phlegräische Gruppe mit der Solfatara und dem Monte nuovo,
die Inseln Procida, Vivara und Ischia mit dem Epomeo, der 1302
den letzten Ausbruch erlebte; der Vesuv und endlich die Liparischen
Inseln, von denen Stromboli, Vulcano und Lipari noch thätig sind.
Nur der Ätna und der erloschene Vultur liegen an der Außenseite
der Apenninen und bilden nach Suess die Endpunkte radialer Erd-
bebenlinien. Am mediterranen Bruchrande des Atlas finden sich
ebenfalls insulare und kontinentale Vulkane, und in gleicher Weise
ist die Innenseite des bätischen Gebirgssystems von Cabo de Gata
bis Cabo de Palos mit jungen Eruptivbilduugen besetzt Den inneren
Rand der Karpaten begleiten die vorwiegend trachytischen Ge-
birge von Schemnitz und Kremnitz, von Gran, der Matrastock, die
weinberühmte Hegyalja, der Vihorlat- Gutin -Zug und die ketten-
förmige Hargita. Auf der östlichen Bruchseite der Alpen mangeln
trachytische und basaltische Ausbruchstellen nicht gänzlich, und die
Wiener Thermenlinie ist ein anderer Zeuge des gewaltigen Einsturzes
dieser Gebirgskette. An der Südseite des böhmischen Erzgebirges
fanden mächtige Basaltergüsse in der Neogenzeit statt (böhmisches
Mittelgebirge, Duppauer Gebirge), und hier liegen auch die welt-
berühmten Thermen von Teplitz und Karlsbad. Der Balkan hat
ebenfalls an seiner Bruchseite junge Eruptivgesteine und warme
Quellen. In ähnlichen Beziehungen steht wohl die erloschene
Vulkanreihe vom Argäus bis zum Kara-Dagh zum Taurus und
stehen vielleicht die armenischen Feuerberge zum Kaukasus.
Genauere Beziehungen zwischen dem Auftreten von Vulkan-
reihen und den orographisch-geologischen Verhältnissen lassen sich
auch im griechischen und westindischen Archipel nachweisen. Die
15 Cykladen-Vulkane, die sämtlich trachytische Laven zu Tage
forderten, ziehen von Nisyros über Santoriu und Milo nach Methana
und Ägina, also am Außenrande des zu Inseln zerstückelten Gebirges
und entlang einer Verwerfungsspalte, wo das seichte Agäische Meer
zu bedeutenden Tiefen absinkt. Wir verdanken diese Deutung dem
österreichischen Geologen Necmaye; dagegen hat die Lage der
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Die Dynamik des Landes.
A ntillenvulkane schon L. v. Bich richtig aufgefaßt, ohne zu
seiner Zeit viel Beachtung zu finden, obwohl seine Auflassung die
moderne Theorie schon im Keime enthält. Die Vulkanreihe zieht
in einem Bogen von Grenada über Martinique nach St. Christoph;
an der konvexen Außenseite liegen von Tabago im Süden bis St.
Martin im Norden nur Inseln, die aus Kalkstein bestehen. Sie sind
die Beste eines Gebirges, an dessen
Innenrande, wie bei den Apenninen oder
Karpaten, die vulkanische Thätigkeit
sich mächtig entfaltete. Schon diese
Beispiele zeigen uns, wie neben Faltungs-
zonen auch Bruchfelder von vulkanischen
Kanälen durchzogen werden. Aber auch
jugendliche Senkungen allein, ohne Fal-
tung, erweisen sich als günstig.
Eines der interessantesten Ergebnisse
der jüngsten Afrikaforschung ist die Ent-
deckung der großen ostafrikanischen
Grabeneinstürze. dieSuESS in genialer
Weise mit den ervthräischen und
Syrischen Brüchen verknüpft hat. u
Diese Bruchzone, die größte, die wir
kennen, erstreckt sich über 60° Breiten-
grade, vom Nordende Syriens bis zum
Sambesi. Das syrische Glied beginnt
mit der Bekaä zwischen dem Libanon
und Antilibanon, setzt sich daun fort in
der typischen Grabensenke des Ghor,
die unter dem Spiegel des Meeres liegt,
und endet mit dem Golfe von Akaba. Hier
stößt der Nordnordost streichende syrische
Graben auf den Nordwest streichenden
Fig. 79. Schematische Dar- erythräischen, der durch den Golf von
Stellung .1er syrischen, erythrä- Sites uütl ,las Rote Meer ausgefüllt wird.
ischen u. ostufrikanischen Brüche. i , n i
f.; Gräben, ■ mit Wasser be- i)azu rechnet büESs auch noch die
deckte Grabenteiie, o Vulkane), niedrige Landschaft Afar, die neben er-
loschenen auch noch mehrere thätige
Vulkankegel besitzt. Auch die Inseln sind hier vulkanische
Schöpfungen, und die gegenüber liegende Küste Jemens, sowie die
Hadramauts an dem Grabeneinbruche des Golfes von Aden sind
ebenfalls umfangreiche, wenn auch zum größten Teil erloschene
Vulkangebiete. Mit steilem Bruchrande stürzt das abessinisehe
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Die vulkanischen Ausbrüche.
315
Hochland nach Afar ab: vom Vulkan Dofaue bei Ankober führt
Scess die Bruchzone hypothetisch weiter bis zum Rudolfsee, wo die
Entdeckungen v. Höhnels beginnen, die weiter im Süden durch
die Baumanns ergänzt werden. Der große ostafrikanische Graben
reicht mindestens von 5° N. bis 5° S., vielleicht noch darüber hinaus
bis zum Njassasee. Er ist durch eine Reihe abflußloser Seebecken
ausgezeichnet, hat aber den orographischen Charakter einer Graben-
senke z. T. dadurch eingebüßt, daß er mit jungeruptiven Gesteinen
ausgefüllt wurde. Der thätige Teleki-Vulkan ist schon früher ge-
nannt worden; erloschene Vnlkaudome, wie der Ngai, lleru und die
beiden Bergriesen Kenia und Kilimandscharo erheben sich hier
oder auf Seitenzweigen des Einsturzgrabens. Noch deutlicher prägt
sich der zentralafrikanische Graben in der Bodengestaltung
aus; er enthält die Seen Tanganika, Albert Edward- und Albert-See,
und zwischen den beiden erstgenannten liegt die schöne Gruppe der
Mfumbiro-Vulkane, von denen wir den Virungo ebenfalls schon kennen
gelernt haben.
Diese eigenthümliche Verteilung der Vulkane auf den Fest-
ländern und an deren Rändern und ihr Auftreten in Reihen legen
die Vermutung nahe, daß in den weitaus meisten Fällen die Erup-
tionen praeexistirende Spalten benutzten. Wir dürfen zwar an-
gesichts der Experimente DaubrEes i3) nicht schlechtweg läugnen,
daß hoher Gasdruck von unten allein Kanäle öffnen könne, aber
in der Regel wird das Magma dort aufsteigen, wo- durch Dislo-
kationen das Gefüge der Erdkruste zerüttet ist. Wo
Schichten auf weite Strecken niemals eine Störung erlitten haben, wie
in der russichen Ebene, oder wo junge Tiefländer allmählich in das
Meer verlaufen, wie an den arktischen Küsten, da fehlen auch Vulkane.
Selten sind sie auch in älteren Dislokationsgebieten, wo die meisten
W unden bereits vernarbt sind, wie uns die atlantischen und indischen
Küsten zeigen. Beispiele, wie die Vulkane der Eifel und des fran-
zösischen Zeutralplateaus, deren Ansbrüche bis in die geologische
Gegenwart hineinreichen, z. T. vielleicht noch vom Menschen mit-
erlebt wurden, dürfen nicht als Ausnahmen betrachtet werden, denn
wir wissen, daß diese Massive, obwohl Bruchstücke alter Gebirge, noch
in der Tertiärperiode vielfachen Bewegungen unterworfen waren.
Wir haben bisher die ozeanischen Vulkane außer Acht ge-
laßen, weil uns ihre Beziehungen zu der Tektonik des Untergrundes
natürlich verborgen bleiben. Aber so wenig wir auch von ihnen
wissen, so dürfen sie in einem Gemälde der vulkanischen Erscheinungen
doch nicht fehlen, denn schon der gewaltige Anteil, den lockere
Eruptivmassen an der Zusammensetzung der Tiefsee-Ablagerungen
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Die Dynamik des Landes.
nehmen, spricht für ihre Häufigkeit. Wenn sie trotzdem auf unsern
Karten sehr in den Hintergrund treten, so erklärt sich dieß einfach
daraus, daß wir von unterseeischen Ausbrüchen nur zufällig durch
ein vorüberfahrendes Schiff Kenntnis erhalten. Die spärlichen Be-
obachtungen in dieser Beziehung hat Rudolph gesammelt.14 Wir
ersehen daraus, daß sich diese- Ereignisse unter dem Meere in gleicher
Weise abspielen wie auf dem Lande; die eigentümlichste Erscheinung,
die mehr oder weniger hohen Wassersäulen, die sich über der Aus-
bruchsstelle erheben, ist durch die Besonderheit des Schauplatzes
bedingt. Auch Bodenerschütterungen fehlen nicht, die sich dem Schiff
als Stösse fühlbar machen; dumpfes Brüllen macht sich vernehmbar,
Rauch und Flammen erheben sich über das Wasser, Asche und
Fig. 80. Submarine Eruption bei Pantellaria in der Straße von Sicilien
im Oktober 1891, nach Ricco.
Bimssteinmassen werden herausgeschleudert, manchmal sieht man
auch große Stücke Lava umhertreiben (Fig. 80). Es ist schon an
früherer Stelle dargethan worden, daß die sog. Erdbebenffutwellen
von unterseeischen Eruptionen herrühren.
Auch auf dem Boden des Meeres bauen die zentralen Aus-
brüche Kegel auf, die — wenn die Auswurfsmassen in einem gün-
stigen Verhältnisse zur Wassertiefe stehen — endlich als Inseln
über den Meeresspiegel emporsteigen. Aschen- und Schlackenhaufen
fällen freilich bald wieder der Brandung zum Opfer, wie beispiels-
weise die Insel Ferdinandea i. J. 1881, und nur eine Untiefe erinnert
dann noch au ihren einstigen Bestand. Lavaergüße verleihen ihnen
aber grössere Festigkeit und sichern ihre Existenz. Von den Inseln
Diq
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Die vulkanischen Ausbrüche.
317
der liparischen Gruppe (bei Sicilien) entstanden wahrscheinlich
mehrere in der geschichtlichen Zeit; mit Bestimmtheit weiß man dies
freilich nur von der Insel Vulcanello (ca. 200 v. dir.), die im Mittel-
alter mit Vulcano verwuchs. Andere Beispiele sind die Inseln Joanna
Bogoslowa bei den Aleuten (1796) und Didica nördlich von den Phi-
lippinen (1856). Die jüngste Inselbildung, von der wir Kenntnis
haben, die 1885 entstandene Falkeninsel in der Südsee (20u 19' S.,
175° 21 1/2' W.), dürfte wohl schon wieder verschwunden sein.
Gekland hat in seinen „Vulkanischen Studien“15 nachzuwTeisen
versucht, daß sich die vulkanischen Kräfte auf dem Meeresboden in
anderer Weise äußern, als auf dem Festlande. Seine Ausführungen
beruhen aber hauptsächlich nur auf der Annahme, daß alle Korallen-
inseln auf unterseeischen Vulkanbergen ruhen. Zwingende Gründe
für eine solche Annahme sind aber, wie wir au späterer Stelle sehen
werden, nicht vorhanden, und damit entfällt auch die Folgerung,
daß die Vulkane des Meeresbodens in einer anderen Beziehung ziyn
Erdinnern stehen, als die kontinentalen. Auch die Frage, ob der
Grund des offenen Ozeans oder die Ränder der Festlandsmassen mit
ihren insularen Vorposten in der Gegenwart der Hauptschauplatz
der vulkanischen Thätigkeit seien, muß noch als völlig unentschieden
dahingestellt bleiben.
Theorie des Vulkanismus. Über zwei Punkte hat die Theorie
Auskunft zu geben: über die Herkunft des Magmas und über die
Kraft, die es zum Aufsteigen in der Spalte nötigt.
Die ältere Theorie betrachtet das Magma einfach als den
Ausffuß des heißflüssigen Erdkerns. Dieser Ansicht kann auch der-
jenige beipflichten, der einen festen Zustand des Erdinnern annimmt,
denn dieser aktuelle Zustand ist nur eine Folge des Druckes der
darüberliegenden Gesteinsmassen und muß in den flüssigen über-
gehen, sobald Entlastung durch Spaltenbildung eintritt16 Diese Er-
klärung wird unterstützt durch die geographische Verteilung der
Vulkane, nötigt aber dem Magma eine ganz passive Rolle auf und
betrachtet die Vulkane lediglich als sekundäre Begleiterscheinungen
der Dislokationen. Viel schwieriger ist es, das Magma von einem
gasförmigen Erdkern abzuleiten. Die Hypothese führt, wie wir an
früherer Stelle (S. 11) auseinandergesetzt haben, zur Annahme eines
allmählichen Überganges vom festen Zustande an der Erdoberfläche
durch die Zwischenstufen des plastischen und flüssigen zum gas-
förmigen Zustande im Innern; und die plastische Zwischenstufe, die
keine Spaltenbildung gestattet, schließt den Erdkern von jedweder
Verbindung mit der Oberfläche ab. Günther17 verlegt daher ganz
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Die Dynamik des Landes
folgerichtig die Lavaherde in die Erdkruste seihst. Auch aus zwei
anderen Gründen glaubte man abgesonderte Lavaherde an-
nehraen zu müssen. Zunächst lehrt die Erfahrung, daß seihst benach-
barte Vulkane sich in ihrer Thätigkeit gegenseitig nicht beeintlussen.
Ein drastisches Beispiel bieten der Loa und Kilauea, die, wie wir
gesehen, doch völlig zu einem einzigen Berge verschmolzen sind.
Seit 1832 hatte jeder Vulkan neun Eruptionen, von diesen waren
aber nur drei, der i. J. 1868 streng und die i. d. J. 1832 und 1855
nahezu, gleichzeitig. Sind auch diese seltenen Fälle nur Zufall oder
treten beide Lavaherde zeitweilig mit einander in Verbindung? Die
letztere Annahme ist bei zwei Kamtschatka -Vulkanen, der Klju-
tschewskaja Sopka und dem Schiweljutsch, trotz ihrer beträchtlichen
Entfernung von einander, unabweisbar. Ihre Eruptionen i. J. 1854
wechselten so exakt mit einander ab, daß man keinen Zweifel hegen
kann, daß die Lava bald durch den einen, bald durch den anderen
Schlot einen Auswreg fand.
Wurzeln sämtliche Vulkane im Erdkern, so liegt der Schluß
nahe, daß Laven der gleichen Periode die gleiche, Laven verschie-
dener Perioden aber verschiedene mineralogische Beschaffenheit be-
sitzen müssen. In Wirklichkeit findet aber das gerade Gegenteil
statt. „Erinnern wir uns“, sagt v. Fritsch, „daß in den Jahren
1865 — 67 auf dem . engbegrenzten Gebiete des Mittelmeeres viererlei
Lava floß, jede von der anderen wesentlich abweichend, jede aber
im allgemeinen dem Charakter der letzten Ausbrüche desselben
vulkanischen Gebietes entsprechend, nämlich die Atnalava von 1865,
die Santorinlava von 1866, die Vesuvlava vom März 1866 und von
1867 — 68, und gleichzeitig mit allen diesen die fortdauernden kleinen
Ergüsse des Stromboli.“ Der Vesuv hat basaltische, die Phlegräi-
sclien Felder haben trachy tische Lava; von den beiden eng benach-
barten Eruptionspunkten des Monte Cimino förderte der eine augit-
andesitische, der andere nephelin- und leucithaltige Gesteine zutage.
Die Beweiskraft solcher Thatsachen für die Annahme gesonderter
Lavaherde wird indes etwas vermindert durch die andere Thatsache,
daß auch der Lavacharakter eines und desselben Vulkans in man-
chen Fällen dem Wechsel unterworfen ist. Der Vesuv z. B. hatte
früher eine trachytische Periode, ja Hekla und Krafla auf Island
werfen abwechselnd saure und basische Laven aus, und es ist
Bunsen gelungen, nachzu weisen, daß die auf Island neben normal-
trachytischen und normalbasaltischen Gesteinen vorkommenden Über-
gänge sich in der That auf Mischung der beiden Normallaven zu-
rückführen lassen. In den älteren Eruptionen entdeckte v. Richt-
hofkn das seitdem mehrfach bestätigte Gesetz, daß Propylitgesteine
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Die vulkanischen Ausbrüche.
319
die Ausbruchsthätigkeit eröffneten, darauf Andesit folgte, endlich bei.
abnehmender vulkanischer Thätigkeit Trachyt, Rhyolitli und Basalt.
Die Annahme abgeschlossener Lavaherde beseitigt zwar manche
Schwierigkeiten, giebt uns aber dafür neue Rätsel auf. Wir müssen
uns große Hohlräume in verhältnismäßig geringer Tiefe, gefüllt mit
Magma, denken. Ist das Magma ein Überrest aus der Zeit der
Erstarrung, und aus welchem Grunde konnte es sich flüssig erhalten?
Oder wird es an Ort und Stelle neu gebildet, und durch welche
Vorgänge? Sind chemische Prozesse, an die man besonders gedacht
hat. oder tektonische Veränderungen wirklich ausreichend, um ört-
lich solche Wärmegrade zu erzeugen, wie sie die Lava erfordert?
Wir müssen leider mit diesen Fragezeichen schließen.
ln Bezug auf die zweite theoretische Grundfrage herrscht mehr
Übereinstimmung. Von den meisten wird wenigstens die große Rolle
anerkannt, die der Wasserdampf bei den explosiven Ausbrüchen
spielt, und nur vereinzelt erheben sich noch Stimmen, die auch dies
in Abrede stellen.18 Die Spannkraft des Wasserdampfes ist es, die
die ursprünglichen Spalten erweitert oder neue öffnet und Teile der
Lava mit sich fortreißt, um sie als Bomben, Lapilli, Saud oder Asche
fallen zu lassen. Zum Teil dürfte das Wasser wohl von außen stam-
men, vom Grundwasser, vielleicht auch, aber nur bei denjenigen
Vulkanen, die sich sehr nahe der Küste befinden, vom Meere. Dazu
bedarf es nicht großer Spalten, es genügen auch die feinsten Poren,
wie sie jedes Gestein durchziehen. Selbst dann, wenn das Wasser
in Tiefen gelangt, wo es vermöge der Hitze sich in Dampf verwan-
deln muß, kann es noch durch Diffusion das Magma durchdringen,
wie uns Versuche mit glühenden Metallen lehren. Es wird dann
vom Magma absorbiert, während kaltes Wasser, das während eines
Ausbruches mit der Lava in Berührung kommt, sich sofort von ihr
sondert und dann explodiert. Ein Teil des Wassers mag vielleicht
schon ursprünglich im Magma vorhanden sein, und als noch wahr-
scheinlicher gilt dies von den übrigen Gasen. Schon der Umstand,
daß sie bei dem Erstarren der Lava in einer bestimmten Reihen-
folge entweichen, belehrt uns, daß sie sich nicht indifferent gegen
das Magma verhalten, sondern von diesem absorbiert sind.
Aber weiter dürfen wir wohl nicht gehen und dem Dampfe die
Fähigkeit zuschreiben, eine Lavasäule aus unergründlichen Tiefen
oft mehrere tausend Meter über den Meeresspiegel emporzutreiben.
Sind doch gerade die Lavaeruptionen dadurch ausgezeichnet, daß
dabei verhältnismäßig wenig Dampf mitwirkt! Auch hier stehen wir
wieder vor einem ungelösten Rätsel. Es ist die Vermutung aus-
gesprochen worden, daß die Kontraktion der Erdrinde das Magma
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Die Dynamik des Landes.
gewissermaßen ausquetsche, und damit wäre eine weitere Erklärung
dafür gewonnen, daß Vulkane besonders häufig an den Rändern der
Senkungsfelder auftreten.
Schlammsprudel. Neben den echten Vulkanen nennt der Sprach-
gebrauch auch „Schlammvulkane“, fiir die Gümbel19 die passendere
Bezeichnung Schlammsprudel (Eig. 81) vorgeschlagen hat.
Man versteht darunter Hügel, die, wie die echten Vulkane, das Pro-
dukt ihrer eigenen Thätigkeit sind, aber nur aus thonigem Schlamm
bestehen, der bei starkem Regen oft so völlig erweicht wird, daß der
ganze Hügel zerfließt. Auf dem Gipfel befindet sich der, zur Zeit
der Ruhe meist mit schlammigem Wasser gefüllte Krater mit den
Eraptionsötfnungen. Die Höhe ist in der Regel außerordentlich ge-
ring im Vergleiche zum Umfange, auf Trinidad z. B. nur 1,3 m. Zu
den höchsten gehören der Macaluba auf Sizilien (49 nx) und vor allem
die Schlammvulkane der kaspischen Region, wo dieses Phänomen
am großartigsten entwickelt ist. Neben hunderten von kleinen Erup-
tionspunkten zählt man zwischen Baku und der Kurmündung etwa
30 große Schlammberge und 6 vulkanische Inseln. Der Kegel des
Osinan Dagh mißt sicher 300 m Höhe, und der Krater des 150 m
hohen Agh-Sibyr hat einen Durchmesser von 900 in.20 Perioden der
Ruhe, in denen nur Gas ausströmt, wechseln mit solchen heftiger
Thätigkeit. Dann steigen in dem breiartigen Schlamme des Kraters
große Blasen auf, und zerspringen unter donnerartigem Getöse,
wobei Schlamm, manchmal auch Steine ausgeworfen werden. Der
Ausbruch des Lok-Botan im Bakugebiete am 5. Januar 1887 war von
einer prächtigen Lichterscheinung begleitet, indem sich die entzün-
deten Gase zu einer Fenersäule von 600 m Höhe erhoben. Der
Schlammstrom, der sich aus dem Krater ergoß, war 300 m lang,
200 m breit und durchschnittlich 2 m mächtig. Erdbeben sind als
Begleiterscheinungen nicht selten, auch spaltet sich manchmal der
Boden, und es tritt sogar Senkung ein.
Unter dem Begriff „Schlammsprudel“ hat man zwei, in ihrer
orographischen Erscheinung zwar gleiche, genetisch aber verschiedene
Phänome zusammengefaßt. Die eine Art, die man als warme
Schlammsprudel bezeichnen kann, wird durch eine beständig hohe
Temperatur und durch das Ausströmen großer Mengen von Wasser-
dumpf charakterisiert. Sie sind nur vulkanische Begleiterscheinungen :
Solfataren in der thonreichon Umgebung von Feuerbergen, nament-
lich im Gebiete der Tuffschichten, und als solche nur auf vul-
kanische Gegenden (Island, Zentralamerika, Celebes, Luzon, Neusee-
land) beschränkt.
Die kalten Sehlannnspnidel oder Salsen stehen dagegen mit
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Die vulkanischen Ausbrüche.
321
dem Vulkanismus in keinem direkten Zusammenhänge. Ihre Tem-
peratur erhöht sich nur zur Zeit heftiger Eruptionen, und auch
nur dann wird Wasserdampf in größerer Menge ausgestoßen. Sonst
aber bildet Kohlenwasserstoff 90 bis 95°/0 aller exbalierten Gase.
Solche Schlammsprudel sind die unter dem Namen „Mudlumps“ be-
kannten Inselchen an den Mündungen des Mississippi, die der Zersetzung
der, in den Deltaablagerungen aufgehäuften organischen Substanzen
und der damit Hand in Hand “gehenden Gasentwicklung ihre Exi-
stenz verdanken. Andere Schlammsprudel sind in ihrem Vorkommen
an das Vorhandensein von Naptha und Thonschichten gebunden;
ihr Hauptgebiet finden wir am Südabhange des Kaukasus, auf den
Halbinseln Taman und Kertsch und in der Umgebung von Baku.
Das Naphta, ein verschiedenartiges Gemisch flüssiger Kohlen-
wasserstoffe, entsteht nach der herrschenden Anschauung dnreh die
Fig. 81. Die Schlammsprudel von Turbaco bei Carthagena (Columbien)
nach A. von Humboldt.
Verwesung organischer, zumeist thierischer Reste. Die Erfahrungen
in den Petroleumdistrikten der alten und neuen Welt haben aber
gelehrt, daß im gefalteten Gelände die Aussichten für die Erbohrung
von Naphtaquellen auf den Schichtensätteln viel günstiger sind, als
in den Schichtenmulden, und damit steht die Thatsache in Ver-
bindung, daß die kaspischen Schlammvulkane mit Ausnahme eines
einzigen alle reihenweise auf Sattellinien liegen. So stehen also
auch die Salsen, wie die echten Vulkane und die solfatarischen
Schlammsprudel in innigen Beziehungen zu den Dislokationen.
Süpan, Physische Erdkunde. 2. Anfl. 21
S22
Die Dynamik des Landes.
Litteraturnach weise. 1 Scrope, Über Vulkane, Berlin 1872 (noch
immer ein klassisches Werk); C. W. Fuchs, Vulkane und Erdbeben, Leipzig
1875; Dana, Characteristics of Voleanoes, New York 1890. — * Bkanco,
Schwabens 125 Vulkan-Embryonen, Stuttgart 1894. — * Sekiya u. Kikuchi, The
Eruption of Bandai-san, im Journal of the College of Science, Tokio 1889. —
4 Verbeek, Krakatau, Batavia 1884 (vgl. auch Petermanns Mitteil. 1886, S. 10). —
* Smith, The Eruption of Tarawera, Wellington 1887; Thomas, Report of the
Eruption of Tarawera and Rotomahana, Wellington 1888. — * Foudüt, Santorin
et ses eruptions, Paris 1879. — 7 Reiss u, Stübel, Geschichte u. Beschreibung
der vulkanischen Ausbrüche bei Santorin, Heidelberg 1868. — 8 Dana, s. o.
Anm. *. — * Dutton, Hawaian Voleanoes, im 4. Jahresberichte des U. S. Geo-
logical Survey, Washington 1884. — 10 Thoroddsen , Die Vulkane im nord-
östlichen Island, in den Mitteilungen der Wiener Geographischen Gesellschaft,
1891. — 11 Dili.ek, A late Volcanic Eruption in Northern California. Bulletin
of the U. S. Geological Survey 1891, Nr. 79. — ” v. Höhnel, Rosiwae, Toula
und Süss, Beiträge zur geologischen Kenntnis des östl. Afrika, in den Denk-
schriften d. Wiener Akad. d. Wiss. 1891. Baumann, Durch Massailand zur
Nilquelle, Berlin 1894. — 19 Daubr£e, in Nature, London 1893, Bd. XLV1II,
S. 226. — 14 Rubolph, cit. S. 207. — 14 Gerland, Vulkanische Studieu, in den
Beiträgen zur Geophysik 1894. — 18 Reteu, Physik der Eruptionen u. Eruptiv-
gesteine, Wien 1877. — 17 Günther, Gedanken über das Wesen des Vulkanis-
mus, im „Ausland“ 1892. — 18 Vgl. Bornemann (Über Schlackenkegel u. Laven, im
Jahrbuch der preußischen geologischen Landesanstalt 1887), der sich auf analoge
Vorgänge beim Schmelzprozesse der Schlacken in Hochöfen beruft. — 19 Gümbel,
Das Eruptiousmaterial der Schlammvulkane von Patemo, in den Sitzungs-
berichten der bayerischen Akademie der Wissenschaften, Mathcm.-physik. Klasse,
1879. — 20 Sjöoren, Die Thätigkeit der Schlammvulkane in der kaspischen
Region 1885 — 87, in den Verhandlungen der russischen mineralogischen Gesell-
schaft, St. Petersburg 1887.
Erdbeben.1
Erschütterungen der Erdoberfläche können auch durch plötz-
liches Niederfallen großer Massen auf dieselbe, z. B. durch Berg-
stürze, erzeugt werden; aber man pflegt nur solche Erschütterungen
als Erdbeben zu bezeichnen, deren Ursache unter der Oberfläche
gelegen ist. Halten wir daran fest, so müssen wir auch, vorläufig
wenigstens, jene Zitterbewegungen ausschließen, die sich nur an
sehr feinen Instrumenten bemerkbar machen und die man daher auch
als mikroseismische Bewegungen bezeichnet hat Man kennt sie
noch nicht seit langer Zeit, und hat ihnen bisher nur in Italien und
Japan eiu systematisches Studium gewidmet. Die Zahl dieser Er-
zitterungen ist außerordentlich groß — 1887 zählte mau z. B. in
Tokio 222 mikroseismische Tage — ; es scheint, als ob die Erd-
oberfläche fast fortwährend in Bewegung ist, während die landläufige
Vorstellung das feste auch für das unbewegliche hält. Über das
Wesen dieser Oszillationen sind die Ansichten noch geteilt; während
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Erdbeben.
323
italienische Forscher den Ausgangspunkt unter die Oberfläche ver-
legen und zwischen Erzitterungen und Beben x nur einen graduellen
Unterschied zulassen, dabei aber auch den großen Einfluß der Luft-
druckschwankungen be-
tonen, ist man in Japan
zur Überzeugung ge-
langt, daß der Wind
den Erdboden und damit
auch das Instrument
(Tremometer) inSchwin-
gungen versetzt. Ist Fig. 82. Erdbebenwellen,
diese Theorie richtig,
so gehören die mikroseismischen Bewegungen ausschließlich in die
Kategorie der exogenen Wirkungen.
Wir wenden uns nun jenen Erschütterungen zu, die unzweifel-
haft von einer Stelle unter der Erdoberfläche ausgehen. Wir nennen
diese Stelle das Zentrum des Erdbebens oder den Erdbeben-
herd. Die Bewegung, die hier plötzlich eintritt, pflanzt sich wellen-
förmig nach allen Seiten fort, wie Fig. 82 schematisch, unter der
Voraussetzung, daß die Erdkruste eine homogene Masse sei, im
Querschnitte darstellt Die erste Welle, die an die Oberfläche (00)
gelangt, trifft diese genau in dem Punkte senkrecht über dem Zen-
trum, im sog. Epizentrum (E). Indem dann die Wellen fortschreiten,
werden die Oberflächenpunkte I, II, III u. s. w. berührt. Die Stoß-
richtung wird durch die Radien der Wellenkreise repräsentiert; der
Winkel, den sie mit der Erdoberfläche einschließen, heißt der
Emergenzwinkel («', t" u. s. w.). Dieser erreicht im Epizentrum
den Wert von 90° und wird nach Außen hin immer kleiner. Nur
im Epizentrum ist der Stoß vertikal, in jedem andern Punkte des
erschütterten Gebietes aber läßt sich die Stoßrichtung in zwei hori-
zontale (N.S. und O.W.) und eine vertikale Komponente zerlegen, und
je weiter der betreffende Punkt vom Epizentrum entfernt, oder mit
anderen Worten, je kleiner der Emergenzwinkel ist, desto mehr über-
wiegen die horizontalen Komponenten die vertikale, und damit ändert
sich der Charakter der Bodenbewegung, wie er an der Oberfläche zur
Wahrnehmung gelangt. Wo die vertikale Komponente noch bedeutend
ist, ist die Bewegung eine stoßförmige oder sukkussorische,
hei spitzem Emergenzwinkel erscheint sie uns wellenförmig oder
undulatorisch. Die erstere macht sich als Stoß fühlbar, wodurch
* Tremors und Earthquakcs nacli dem wissenschaftlichen Sprachgebrauche
der Engländer.
21*
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Die Dynamik des Landes.
oft Häuser und Menschen emporgeschnellt und Leichen aus den Gräbern
herausgeworfen werden. Die wellenförmige Bewegung schreitet nach
einer bestimmten Richtung fort, manchmal dem Auge direkt sicht-
bar, meist aber nur erkennbar aus der Richtung der Risse und
Spalten in Gebäuden, aus der Lage umgeworfener Gegenstände u. dgL
Aus der drehenden Verschiebung der Steine an Pfeilern, Obelisken
u. s. w. glaubte man früher auch auf eine rotatorische Bewegung
schließen zu müssen: es hat sich aber herausgestellt, daß in all
diesen Fällen der Schwerpunkt und der Haftpunkt der Steine nicht
in einer senkrechten Linie lagen, und unter solchen Umständen muß
auch ein rein seitlicher Stoß eine Drehung der Steine bewirken.
Bisher haben wir nur die seismische Hauptwelle, die vom
Zentrum ausgeht, berücksichtigt; jeder Punkt der Oberfläche, der
von einem Stoße getroffen wird, wird aber dadurch selber wieder
der Ausgangspunkt einer neuen Bewegung, einer Nebenwelle, die
sich in einer homogenen Masse ebenfalls kreisförmig nach allen
Seiten fortptianzt. Sie ist in Fig. 82 durch Pfeile gekennzeichnet,
und man ersieht daraus, daß das Epizentrum nicht blos Wellen
aussendet, sondern auch solche empfängt.
Instrumente. Wir sind bisher, um einige Hauptbegrifle zu er-
örtern, unter gewissen vereinfachenden Voraussetzungen von der
Tiefe ausgegangen und haben daraus die Erscheinungen an der
Erdoberfläche konstruiert Die Erdbebenforschung geht aber den
umgekehrten Weg, denn zur Beobachtung gelangen nur die Ober-
flächenphänomene, und daraus muß man auf die Vorgänge in der
Tiefe schließen. Erst in neuester Zeit hat man angefangen, in dieser
Beziehung systematisch vorzugehen. Italien, Japan, die Schweiz
waren die ersten Länder, die sich mit einem Netze seismischer Be-
obachtungsstationen überzogen, und immer weiter breitet sich der Ge-
brauch von Instrumenten aus, die allein exakte Daten zu liefern
vermögen. Die älteren Instrumente beruhen auf der Bewegung von
Flüssigkeiten. Viel empfindlicher ist aber das Pendel, das jetzt den
Hauptbestandteil der feineren Instrumente bildet. Am einfachsten
sind die Seismoskope, die lediglich die Thatsache, daß ein Erd-
beben stattgefunden hat und die Richtung desselben anzeigen. Das
Seismometer giebt die wichtigsten Bewegungsmomente nach den
drei Komponenten an und ist in der Regel mit einem Seismo-
graphen verbunden, der die aufeinanderfolgenden Bewegungen
selbstthätig aufzeichnet. Automatische Vorrichtungen an Uhren
dienen dazu, die Eintrittszeit der Beben genau zu fixieren.
Das wichtigste Ergebnis der Instrumentalbeobachtung ist der
Nachweis, daß die seismische Bewegung eine äußerst komplizierte
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Erdbeben.
325
ist Bei dem Beben in Tokio am 15. Januar 1887, das wir als
Beispiel anführeu wollen, waren alle drei Komponenten deutlich
entwickelt, aber die vertikale und die horizontalen erreichten nicht
gleichzeitig ihren Höhenpunkt, ja die vertikale Bewegung hörte nach
72 Sekunden beinahe ganz auf, während die horizontalen noch fort-
dauerten; von diesen erlosch zuerst die ostwestliche und erst nach
längerer Zeit auch die nordsüdliche. Auch ihre Maxima fielen nicht
immer in die gleiche Zeit, und die östliche bezw. westliche Bewegung
war bald mit der nördlichen, bald mit der südlichen verbunden.
Sekiya hat nach den Aufzeichnungen dieses Seismographen die Bahn
eines Erdteilchens während der ersten 72 Sekunden des Bebens durch
ein Modell in großem Maßstabe dargestellt; es bildet einen höchst
seltsam verschlungenen Knoten, zu dessen Erklärung das Zusammen-
und Gegenwirken von Haupt- und Nebenwellen kaum ausreicht.
Vor allem geht daraus hervor, daß die Angaben der Stoßrichtung,
auf die man früher so großes Gewicht gelegt hat, in der Kegel nur
von problematischem Werte sind.
Dauer. Die Dauer eines Stoßes beträgt meist nur wenige
Sekunden, aber es vergehen oft mehrere Minuten, bis das Zittern
des Bodens aufhört und die Ruhe völlig wiederhergestellt ist Selten
besteht das Erdbeben aus einem einzigen Stoße, wie das rheinische
im Jahre 1846; auch das berühmte Beben von Caracas am 26. März
1812, wo nur drei Stöße unmittelbar auf einander folgten, gehört
zu den seltensten Ausnahmen. In der Regel treten zahlreiche
sekundäre Erschütterungen ein, die dem Hauptstöße teils vorangehen,
teils folgen. Erstrecken sie sich auf eine größere Zeitdauer, so
spricht man von einer Erdbebenperiode. Eine solche war das
Jahr 1783 für Calabrien; ja, die schwachen Erschütterungen dauerten
noch über ein Jahrzehnt fort. Das Großgerauer Beben am Mittel-
rhein dauerte von 1869 — 1873; vom Oktober bis Ende 1869 zählte
man über 600 Stöße. In Yokohama traten vom 1. bis 6. Mai 1870
123 Stöße ein, und in Hawaii betrug im März 1868 allein die Zahl
der stärkeren Stöße über 2000.
Über die Abgrenzung einer Erdbebenperiode können Zweifel
entstehen. In Agram erwachte z. B. die seismische Thätigkeit nach
fünfjähriger Ruhe am 12. November 1877. Das darauffolgende Jahr
verfloß ohne Erschütterung, 1879 brachte aber schon drei Beben.
Am 9. November 1880 trat der Hauptstoß ein; darauf folgten in
demselben Monat noch zehn Erdbebentage. Der Dezember hatte
deren acht, der Januar 1881 sieben, der Februar zwei, der März drei,
der April einen. Vom 9. November bis zum 12. April dauerte die
längste Pause nur 23 Tage, nachher traten solche von mehreren
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Die Dynamik des Landes.
Monaten ein, aber zeitweise schwoll die unterirdische Erregung wieder
an, wie im August, September und Oktober 1883. Man kann in
diesem Falle die Periode mit dem 12. April 1881 abschließen oder
sie auch auf die nächsten Jahre ausdehnen; beide Auffassungen
lassen' sich verteidigen, aber die erstere ist unzweifelhaft die stren-
gere und darf daher auf allgemeinere Zustimmung rechnen. Das
Agramer Beispiel lehrt uns auch, daß innerhalb einer Periode die
Intensität mehrfach wechseln kann.
Intensität und Wirkungen. Meßbar ist die Intensität nur an
den Kurven, die der Seismograph zeichnet; für gewöhnlich muß
man sich auf eine rohe Schätzung nach dem Gefühl und nach den
Wirkungen auf bewegliche und unbewegliche Gegenstände beschrän-
ken. Diesem Zwecke dient die FoBELSclie Skala, die zehn Inten-
sitäten unterscheidet. Der erste Grad kommt den mikroseismischen
Bewegungen zu, auch der zweite macht sich nur an Instrumenten
bemerkbar. Grad 3 wird von dem Menschen nur unter besonders
günstigen Verhältnissen, Grad 4 aber auch mitten in der Thätigkeit
beobachtet. Beben von der Intensität 5 sind schon im stände, be-
wegliche Gegenstände zu verschieben; der sechste Grad äußert sich
im Umwerfen solcher Gegenstände und in der Erzeugung von Rissen
an den Wänden und Decken der Häuser. Steigert sich die Inten-
sität bis zum siebenten Grade, so werden Gebäude schon in ernst-
licherer Weise beschädigt und Kamine stürzen ein. Bei Erschüt-
terungen vom achten Grade werden Hütten und Stadeln umgeworfen,
bei solchen vom neunten Grade auch fest gebaute Häuser demoliert.
Hier liegt der wunde Punkt der F< mm, sehen Skala. Die Zerstörung
von Gebäuden — ein Merkmal, das überdies nur auf bewohnte
Gegenden Anwendung findet — ist nicht allein von der ursprüng-
lichen Intensität des Stoßes, sondern auch von dem Material und
der Orientierung der Gebäude, sowie von der Beschaffenheit des
Untergrundes abhängig. Es ist ein durch zahlreiche Erfahrungen
gestütztes Gesetz, daß Erdbeben in lockerem Boden viel zerstörender
wirken, als in festem, vorausgesetzt, daß die Aufschüttungsmassen
nicht eine bedeutende Mächtigkeit besitzen. Ist letzteres der Fall, so
wird der Stoß gleichsam gedämpft und dringt nur abgeschwächt an
die Oberfläche. Das zeigte sich z. B. ganz klar bei dem Charlestoner
Erdbeben vom 31. August 1886, dem größten, das die Vereinigten
Staaten seit ihrem Bestehen erlebt haben. Sobald die seismischen
Wellen das Alluvialland des Mississippi erreicht hatten, nahm die
Intensität rasch ab. Ist die Erschütterung schwach, so genügt auch
eine leichte Decke lockeren Materials, um den Stoß aufzuhalten, so
daß man sagen kann: Unter sonst gleichen Verhältnissen hat Fels-
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Erdbeben.
327
boden mehr, aber schwächere Beben, als seichter Aufschüttungs-
boden; Aufschüttungsboden von großer Mächtigkeit dagegen wenig
und schwache Beben. 2
Erdbeben vom höchsten Intensitätsgrade (10) lassen auch dauernde
Spuren im Boden zurück. Spaltenbildung ist eine gewöhnliche Er-
scheinung. Grundwasser und Schlamm bricht häufig aus den Spalten
hervor und baut Schlammkegel auf, die bei Laien die Meinung er-
wecken, es handle sich hier um vulkanische Eruptionen. Längs-
spalten, oft von beträchtlichen Dimensionen, sind am häufigsten; bei
Einstürzen unterirdischer Hohlräume bilden sich auch Radialspalten.
Wind und Wasser füllen diese Öffnungen zum Teil wieder aus;
manchmal schließen sich diese selbst, wobei eine Horizontalverschie-
bung der Bänder bemerkbar wird. Infolge von Spaltenbildungen
versiegen Quellen oder neue brechen hervor, und Thermen verändern
ihre Temperatur. Auch zu Bergstürzen geben Erderschütterungen
häufig die letzte Veranlassung. Das Beben von Wemoje im Jahre
1887 entkleidete die Thalgehänge ihrer Verwitterungsdecke, die bei
den heftigen Regengüssen in mächtigen Schlammströmen sich über
den Thalboden ausbreitete, so daß nicht bloß die Vegetation ver-
nichtet, sondern auch die Physiognomie der Thäler völlig verändert
wurde. Beim Erdbeben von Katsch, 1819, sank eine Fläche von
ca. 520 qkm und wurde in einen See verwandelt, teilweise Ufer-
senkungen traten 1865 am Züricher See und 1867 am Lago Mag-
giore ein. und 1865 verschwand bei einem Beben plötzlich eine
Insel der Maledivenreihe. Dies sind nur einige zufällig herausge-
griffene Beispiele von Bodensenkungen, während die Nachrichten von
Hebungen bei Erdbeben einer schärferen Kritik nicht Stand halten.
Höchstens die tropischen Cyklonen und plötzliche Überflutungen
der Küsten bewirken ähnliche Verheerungen, wie die Erdbeben.
Nach einer amtlichen Zusammenstellung wurden in Italien selbst im
verhältnismäßig ruhigen Jahre 1870 durch Erdbeben 2225 Häuser
zerstört, 98 Menschen getötet und 223 verwundet. In Südamerika
verloren 1868 ca. 70 000 Menschen bei Erderschiitterungen das
Leben. Noch frisch ist die Erinnerung an jene furchtbare Kata-
strophe, die am 28. Oktober 1891 die gartenähnliche Ebene von
Owari-Mino in Zentral- Japan betraf. 7279 Menschen wurden ge-
tötet, 17 393 verwundet, 197 350 Gebäude ganz, 78296 halb zerstört,
und 6379 gingen dabei durch Feuer zu gründe. Der Gesamtschaden
beziffert sich auf mehr als 90 Mill. Mark.3 Das alles war das Werk
weniger Sekunden!
Manche Beobachtungen sprechen dafür, daß die Intensität mit
der Tiefe abnimmt In den Bergwerken von Essen spürte man
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Die Dynamik des Landes.
328
das rheinische Beben vom Jahre 1828 nicht, und das große Agramer
Beben im Jahre 1880 machte sich in den Gruben von Wies in
Steiermark nur bis zu einer Tiefe von 28 — 30 m, aber nicht mehr
in Tiefen von 60—120 m fühlbar. Um diese Frage zur Entscheidung
zu bringen, wurden 1887 — 1890 an der Station Tokio und in einer
unmittelbar daneben befindlichen Grube von 5*/j m Tiefe systema-
tische Beobachtungen, die sich aber nur auf die Horizontalkompo-
nenten beziehen, angestellt. Bei schwachen Erschütterungen ver-
hielten sich die Instrumente an der Oberfläche und in der Tiefe
ganz gleich, und auch die Hauptwellen bei stärkeren Beben machten
sich an beiden Stellen in gleicher Weise bemerkbar. Ein Unter-
schied bestand nur in Bezug auf die kleinen und raschen Vibrationen,
die den Hauptstößen vorangehen, indem sie die Tiefe viel weniger
berührten, als die Oberfläche.4
Areal. Das Gebiet größter Intensität an der Oberfläche nennt
man das pleistoseiste; von da nimmt die Intensität mehr oder
minder regelmäßig nach allen Seiten ab. Bei dem oben erwähnten
zentral-japanischen Beben von 1891 gelang es, die Areale der ein-
zelnen Intensitätsgrade genauer von einander zu scheiden:
Intensität 10 11111 qkm
„ 7—9 44 907 „
„ 6 52 315 „
„ 4—5 134 722
Grceamtarual 243 055 qkm
Man sieht, die Areale wachsen mit abnehmender Intensität Da
aber die zerstörende Wirkung, wie wir gesehen haben, von verschie-
denen Umständen abhängt, so kann es uns nicht Wunder nehmen,
daß selbst nahe benachbarte Orte in verschiedener Weise betroffen
werden, und auch im pleistoseisten Gebiete verhältnismäßig ruhige
Stellen Vorkommen können. Man nennt solche Örtlichkeiten, wo
sich die Gewalt der seismischen Wellen infolge felsiger Bodenbe-
schafl'enheit, vielleicht auch infolge von Interferenzerscheinungen
gleichsam bricht, Erdbebeninseln oder -brücken.
Die wirklichen Grenzen eines Erdbebenareals lassen sich nicht
mit Sicherheit ziehen, denn außerhalb der deutlich erschütterten
Fläche giebt es immer vereinzelte Orte, wo das Beben noch wahr-
genommen wurde, und die äußersten Spuren lassen sich nur am
empfindlichsten aller Instrumente, am Horizontalpendel, wahrnehmen.6
Erreichten die Ausläufer der japanischen Beben von 1891 und 1894
doch sogar die Observatorien von Wilhelmshaven und Potsdam! Diese
Unsicherheit der äußeren Grenzen macht es erklärlich, daß man sich
früher in Bezug auf die Ausdehnung mancher Beben übertriebenen
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Erdbeben.
329
Vorstellungen hingab. So soll das berühmte Lissaboner Beben von
1755 ein Gebiet von B8l/S Mill. qkm betroffen haben; hier sind
offenbar auch jene Küstengegenden mitgerechnet, wo nur große Flut-
wellen beobachtet wurden, und Hörnbs reduziert jene enorme Zahl
mit Recht auf ca. 16'/2 Mill. qkm. Aus denselben Gründen ver-
dient auch die Angabe von ca. 20 Mill. qkm für das Neuseeländer
Beben von 1855 kein Vertrauen. Das ausgedehnteste Erdbeben der
letzten Jahre war das Charlestoner von 1886, das eine Fläche von
2,s Mill. qkm, viermal so groß als das Deutsche Reich, in Bewegung
versetzte.
Areal und Intensität einer Erschütterung stehen nicht immer,
wie man vermuten könnte, in geradem Verhältnisse zu einander. Oft
sind schwache Beben viel ausgedehnter, als starke. Jenes von Ischia
am 28. Juli 1883 z. B., das Casamicciola vollständig zerstörte, reichte
nicht über die kleine Insel hinaus, während das mitteldeutsche Erd-
beben von 1872, das kaum irgendwo den 6. Intensitätsgrad über-
schritt, eine Fläche von 1 70 000 qkm in Mitleidenschaft zog.
Zeichnet man die Verbreitungsgrenzen eines Erdbebens auf eine
Karte ein, so erhält man verschiedene Gestalten, je nach der Ober-
tlächenbeschaffenheit der betreffenden Gegend und der Gestalt des
Epizentrums. Ist das letztere ein Punkt, so erhält das seismische
Gebiet eine mehr oder weniger kreisförmige Gestalt, und wir sprechen
dann von einem zentralen Beben. Ist das Epizentrum eine Linie,
so entsteht ein lineares Beben mit mehr oder weniger eliptisclien
Verbreitungsbezirken. Kreisförmige, bezw. elliptische Gestalt müssen
unter der Voraussetzung gleichmäßiger Fortpflanzungsgeschwindigkeit
der seismischen Wellen auch die Homo- oder Isoseisten haben,
jene geschlossenen Kurven, welche die Orte gleichzeitiger Erschütterung
miteinander verbinden. Freilich nur unter der Voraussetzung völlig
exakter Zeitangaben, eine Voraussetzung, die solange frommer Wunsch
bleibt, als nicht einmal die Eisenbahnen- und Telegraphenuhren
einen gleichmäßigen Gang besitzen. Viel wichtiger ist aber, daß
auch die Voraussetzung betreffs der Fortpflanzungsgeschwin-
digkeit nur in einer vollständig homogenen Erde zutrifft. Eine
solche giebt es aber nicht Sobald die Welle aus einem Gestein
in ein anderes Übertritt, verändert sich — wie zahlreiche Versuche
lehrten — ihre Geschwindigkeit. Aber einem bestimmten Gestein
kommt nicht etwa eine bestimmte Fortpflanzungsgeschwindigkeit zu,
denn diese ist wieder abhängig von der Intensität des Stoßes und
wächst mit derselben; und außerdem erzeugt, wie aus den Experi-
menten von FouquI: und Lfcvv hervorgeht, ein einziger Stoß mehrere
Wellen von verschiedener Geschwindigkeit. In Gebieten mit ge-
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330 Die Dynamik des Landes.
neigten Schichten pflanzt sich die Welle in der Streichrichtung der
Schichten schneller fort, als senkrecht zu derselben, und hier können
die Homoseisten eine elliptische Gestalt annehmen, selbst wenn das
Beben ein zentrales ist Namentlich hohe Gebirge stellen sich der
seismischen Bewegung häufig als fester Wall entgegen; so bewähren
sich die Andes von Südamerika stets als Schutz gegenüber den
häufigen Erschütterungen an der pazifischen Küste.
Für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit hat uns das bisherige
Studium der Erdbeben, wie nicht anders zu erwarten ist, nur rohe
Näherungs werte geliefert. Sie schwanken zwischen 260 und 5200 m
in der Sekunde; der letztere (Charlestoner Beben, 1886) bildet aber
eine Ausnahme, und sieht man davon ab, so dürfte die mittlere
Fortpflanzungsgeschwindigkeit zwischen 600 und 700 m liegen. Das
gilt aber nur für das unmittelbare Erdbebengebiet; in größeren
Entfernungen pflanzen sich die Stöße rascher fort. Bei
dem japanischen Beben am 22. März 1894 wurde die Lage des Epi-
zentrums in 43° N., 146° 0. ermittelt; von da erreichte die Welle
Tokio mit einer mittleren Geschwindigkeit von 2770 m, Südrußland
mit einer solchen von 10020 m, Mittelitalien mit einer solchen von
10 390 m. Rebeür-Paschwitz schließt daraus, daß sich die seis-
mischen Wellen nicht gleichmäßig vom Zentrum nach allen Seiten
fortpflanzen, sondern nach der Tiefe schneller, als nach der Ober-
fläche zu.8
Wir müssen hier nochmals auf die schon angedeutete Einteilung
der Beben zurückgreifen. Wir haben zu unterscheiden
1. zentrale Beben: die Bewegung geht von einem Punkte aus
und pflanzt sich wellenförmig nach allen Seiten fort;
2. lineare Beben: entlang einer Linie tritt die Erschütterung
gleichzeitig ein, wie z. B. am 26. März 1872 an der Ostseite der cali-
fomischen Sierra Nevada vom 34. bis zum 38. Parallel. Gerade
dieses Beben griff aber auch zu beiden Seiten der Hauptlinie auf
die benachbarten Gegenden über, und nur innerhalb dieser seit-
lichen Gebiete kann von einer Fortpflanzungsgeschwindigkeit ge-
sprochen werden. In dieser zweiten Kategorie unterscheidet mau
wieder
a) Längsbeben, parallel mit dem Streichen der Schichten
und Gebirge;
b) Querbeben, die die Streichrichtung in einem spitzen bis
rechten Winkel durchschneiden.
3. Flächenbeben: die ganze seismische Fläche wird gleich-
zeitig oder nahezu gleichzeitig erschüttert Hier kann weder von
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Erdbeben.
331
einem Epizentrum, noch von einer oberflächlichen Fortpflanzungs-
geschwindigkeit mehr die Rede sein. Die schweizerischen Beben
der letzten Jahre scheinen alle dieser Kategorie anzugehören, denn
noch niemals ist es gelungen, ein Epizentrum in ungezwungener
Weise zu finden.
Ursachen. Die Erkenntnis der soeben erwähnten Verschieden-
heiten ist die wichtigste Errungenschaft der modernen Erdbeben-
forschung. Denn nur die oberflächliche Betrachtungsweise früherer
Zeiten, die allein an den gleichartigen Wirkungen haftete, konnte
annehmen, daß alle Erdbeben einander gleich seien, und daß sie da-
her auch alle eine gleiche Ursache haben müßten; und es lag nichts
näher, als sie ebenso wie die vulkanischen Eruptionen, die sie in
der Regel begleiten, auf das heißflüssige Erdinnere zurückzuführen.
Volger war der erste, der den modernen Grundsatz aussprach,
daß Erdbeben durch verschiedene Vorgänge im Innern der Erde
erzeugt werden können. Als solche Ursachen hat man jetzt drei
erkannt: den Vulkanismus, den Einsturz unterirdischer Hohlräume,
die durch die anslaugende Thätigkeit des Wassers in Kalk, Salz
und Gips entstanden sind, und Dislokationen.
Damit sind wir aber erst einen Schritt weitergekommen. Eine
volle praktische Bedeutung erhält die genetische Einteilung in
vulkanische, Einsturz- und Dislokationsbeben erst dann,
wenn man in jedem einzelnen Falle mit Bestimmtheit die Ursache
angeben kann. Von diesem Ziele sind wir einstweilen noch ziemlich
weit entfernt
Wenn ein Vulkan und seine nächste Umgebung vor seinem
Ausbruche erschüttert wird, so können wir diesen Vorgang allerdings
mit Sicherheit als vulkanisches Beben bezeichnen. Aber schwan-
kender wird unser Urteil, wenn ein Erdbeben von gleichen Eigen-
schaften, d. h. ein zentrales und örtlich beschränktes, zwar auch in
einer vulkanischen Gegend auftritt, aber ohne gleichzeitigen Aus-
bruch, oder gar in einer Gegend, wo die vulkanische Thätigkeit
schon als erloschen gelten darf. Jene beiden Eigenschaften, mit
verschiedenen Intensitätsgraden verbunden, kommen auch den Ein-
sturzbeben zu, und in der That sind die Ischiaer Erdbeben in der
ersten Hälfte der 80er Jahre von Lasaulx und Palmieri als Ein-
sturz-, von Mercalli u. a. als vulkanische Beben gedeutet worden.
Ja, es ist nicht einmal ausgemacht, ob nicht auch Dislokationen
zentrale und lokale Beben hervorrufen können, und es wird uns
daher nicht wunder nehmen, wenn z. B. Neumayr das Kaiserstuhl-
Erdbeben v. .J. 1882 für ein vulkanisches, Kkop dagegen für ein Dis-
lokationsbeben hält, oder wenn Lasaulx das Großgerauer Beben
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332
Die Dynamik des Landes.
(1869) auf Einsturz und andere Forscher es auf Schichtenstörung zu-
rückfiiliren. Seitdem wir wissen, daß vulkanische Eruptionen manch-
mal gar nicht bis zur Oberfläche gelangen, sondern in der Tiefe
stecken bleiben, und da wir vermuten dürfen, daß auch diese Vor-
gänge Erdbeben erzeugen, müssen wir mit R. Hohnes den vulkanischen
Beben noch kryptovulkanische anreihen, aber in der Praxis fehlt
uns dafür jedes Erkennungszeichen.
Die linearen und Flächenbeben sind so eigenartig, so gänzlich
verschieden von den nachweisbar vulkanischen und Einsturzbeben,
daß man sie einer anderen Ursache zuschreiben muß. Die heutige
Wissenschaft sieht in diesen Erscheinungen einen Beweis dafür, daß
Verschiebungen in der Erdkruste noch immer ihren Fortgang nehmen.
Begründet wird diese Annahme 1. durch thatsächliche Dislokationen
bei Erdbeben, 2. durch die Existenz von Stoß- oder Schütterlinien,
die wiederholt den Ausgangspunkt von Erdbeben bilden, 3. durch die
geographische Verbreitung der Erdbeben.
Von Spaltenbildungen und Senkungen ist schon auf S. 327 ge-
sprochen worden. Man kann allerdings einwenden, daß man hier
Ursache und Folge miteinander verwechselt, und in vielen Fällen
ist es in der That schwer zu entscheiden, ob das Beben durch die
Dislokation oder die Dislokation durch das Beben erzeugt wurde.
Einige Fälle aus der jüngsten Vergangenheit sind aber in dieser
Beziehung so lehrreich, daß wir sie nicht mit Stillschweigen über-
gehen können.
Bei dem Belutschistaner Erdbeben am 20. Dezember 1892 ent-
stand parallel mit dem Khadschakgebirge, an dessen Westfuße, eine
über 20 km lange Spalte, die gleichzeitig mit Verschiebung und Ver-
werfung verbunden war. Man konnte dies um so genauer konsta-
tieren , als die Spalte die Eisenbahn kreuzte. Diese neue Dis-
lokationslinie fällt nahezu zusammen mit einer alten, die durch
eine Bodensenkung und das Hervortreten zahlreicher Quellen mar-
kiert ist.®
Noch deutlicher spricht die 112 km lange Spalte, welche sich
bei dem großen, schon mehrfach erwähnten japanischen Erdbeben
am 28. Oktober 1891 öffnete. Sie durchschneidet quer das Gebirge
und war ebenfalls mit Verwerfung und Verschiebung verbunden (s.
Fig. 61 auf S. 273). Für die Annahme, daß sie Ursache, nicht Folge
des Bebens war, spricht die bandartige Gestalt des pleistoseisten
Gebietes zu beiden Seiten dieser Spalte und seine geringe Breite im
Gebirge (nur ca. 10 km).
Bei dem lokrischen Erdbeben im April 1894 entstand eine etwa
60 km lange Spalte, welcher entlang eine ausgedehnte Scholle des
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Erdbeben.
333
mittelgriechischen Festlandes gegen den Kanal von Atlanti absank.
Die Sprunghöhe der Verwerfung schwankt zwischen einigen Zenti-
metern und 2 m.7 Es war also dieses schwere Erdbeben nur eine
kleine Phase in dem großen Zerstücklungsprozesse, der im südöst-
lichen Europa schon seit vorgeschichtlicher Zeit im Gange ist
Noch verdient eine Beobachtung in Sumatra Erwähnung, wo
bei dem Erdbeben am 1 7. Mai 1 892 Triangulationspfeiler bis zu 1 m
verschoben wurden.8 Auch hier zeigt sich wieder, wie geringfügige
Dislokationen heftige Erschütterungen erzeugen können.
Viele solcher seismischen Linien sind habituelle Stoß- oder
Schütterlinien. In den Ostalpen und in Unteritalien sind zwei
Arten solcher Stoßlinien erkannt worden. Eine peripherische
Linie zieht an
der Südseite der
Alpen vom
Gardasee über
Udine und Görz
bis Fiume; Er-
schütterungen
sind in diesen
Gebieten sehr
häutig und
hängen offenbar
mit der, auch
im Gebirgsbaue
klar zu Tage
tretenden, all-
mählichen Ab-
senkung der Süd-
alpen zusammen.
Noch schärfer tritt der tektonische Charakter der peripherischen
Erdbebenlinie in Calabrien und Sicilien ( AB in Fig. 83) hervor.
Wir werden später ausführlicher auseinandersetzen, wie die ganze
krystallinische Innenzone der Apenninen bis auf wenige Reststücke
zerbrochen und versunken ist. Das größte dieser Reststücke ist das
calabrisch-peloritanische Gebirge, und hier liegt die Schütterlinie
zwischen dem Monte Cocuzzo, den vatikanischen Bergen und dem
Scyllafelsen im Westen und dem Silawalde und Aspromonte im Osten;
in Sicilien umzieht sie das Peloritanische Gebirge. Innerhalb des
kreisförmigen Senkungsfeldes, dessen Peripherie jene Stoßlinie bildet,
liegen die liparischen Vulkane, von denen transversale (radiale)
Schütterlinien ausgehen ( a — / in Fig. 83); an dem Endpunkte einer
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334
Die Dynamik des Landes.
derselben belindet sich der Ätna. Charakteristisch für die periphe-
rische Linie ist es, daß die Stoßpunkte wandern. Während des
calabrischen Erdbebens im Jahre 1783 befand sich das Zentrum am
5. Februar in Oppido, am 7. in Soriano, am 28. in Polia und am
28. März in Girifalco, war also langsam nach Norden vorgerückt
Dann sprang es nach Süden zurück und befand sich am 5. Juni
wieder in der Nähe von Oppido, bei Eadicena.
Eine Reihe von Transversal- oder Querlinien sind auch in
den Alpen nachgewiesen, z. B. die Garda- und Etschlinie, die Linie
von Venedig bis Villach, die in ihrer Verlängerung die Mürzlinie
trifft, die Linie Triest-Littai u. s. w. Mau ist vielfach der Ansicht,
daß diese Linien horizontalen Verschiebungen entsprechen.
Der kräftigste Beweis für die tektonische Natur der meisten
Erdbeben liefert deren geographische Verbreitung (s. Karte XVU).
Allerdings sind unsere Kenntnisse in dieser Beziehung äußerst lücken-
haft und die meisten bisherigen Versuche einer kartograpliischen Dar-
stellung roh und unbeholfen:® allerdings können wir von keiner
Gegend der Erde mit absoluter Sicherheit behaupten, daß sie voll-
kommen bebenfrei sei; aber soviel steht fest, daß die Häufigkeit und
Intensität der Erdbeben in verschiedenen Gegenden sehr verschieden
ist, und daß die Hauptgebiete der seismischen Tliätigkeit gerade die-
jenigen sind, welche in verhältnismäßig junger Vergangenheit großen
tektonischen Umwälzungen unterworfen waren. Wohl sind auch die
Vulkane vorzugsweise an diese Gebiete gebunden, aber die Erd-
bebenzonen umfassen viel größere Flächen, ja manche der intensivsten
Erschütterungsgchiete sind gänzlich frei von vulkanischer Tliätigkeit.
In Europa liegen die seismischen Hauptgebiete innerhalb der
alpinen Zone : die Alpen und Karpaten, besonders das innerkarpatische
Senkungsfeld, Griechenland, sowohl die ägäische wie die jonische
Seite; Italien, besonders Calabrien, die Umgebung des Vesuv und
Ätna und der mittlere Apennin ; das Atlasgebirge, die Sierra Nevada
und die Pyrenäen. Ausserhalb liegen das Lissaboner Gebiet und
der junge oberrheinische Graben.
Auch in Asien fällt eine seismische Hauptzone mit dem Hocli-
landgürtel vom Kaukasus bis zum Himalaja zusammen; häufige Er-
schütterungen suchen auch die Umgebung des syrischen Grabens
heim, und es ist beachtenswert, daß die einzigen namhaften Erdbeben,
die uns aus Afrika südlich vom Atlas gemeldet wurden, im zentral-
afrikanischen Graben, am Tanganika, vorkamen.
Anderseits ist es ebenso beachtenswert, daß auf der ungestörten
russischen Tafel, besonders in der jungen arktischen Tiefebene und
in Westsibirien Erschütterungen sehr selten und schwach sind.
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Erdbeben.
335
Der indisch-pazifische Faltenrand, der — wie wir sahen — der
Hauptträger der vulkanischen Thätigkeit in der Gegenwart ist, ist
wohl zugleich auch der Hauptschauplatz seismischer Erschütterungen.
Japan, wo man im Durchschnitte jährlich auf 600 Erdbeben rechnen
kann; Zentralamerika, wo das Thal von San Salvador bezeichnender
Weise die Hängematte heißt; der pazifische Küstenstrich im tro-
pischen Südamerika haben ihresgleichen nicht. Aber gerade hier
tritt die Unabhängigkeit der Erdbeben von den thätigen Vulkanen
vielfach in prägnanter Weise zu Tage. In Japan ist diese Thatsache
schon lange bekannt, die vornehmsten Schüttergebiete, unter denen
die Gegenden westlich und nördlich von Tokio den ersten Platz
behaupten, liegen -an der Ostseite, dort, wo das Land steil zur
größten bekannten Meerestiefe abstürzt. Im vulkanreichen Zentral-
amerika sind nach Montessus die Städte in der Nähe thätiger
Feuerberge minder bedroht, als die in der Nachbarschaft erloschener;
und für Chile hat Domeyko nachgewiesen, daß gerade der nörd-
liche Teil, wo es keine thätigen Vulkane giebt, am schwersten unter
dem seismischen Ungemach zu leiden hat.
Die atlantischen Seiten der beiden Landfesten sind zwar durch-
aus nicht bebenfrei, stehen aber in dieser Beziehung doch weit
hinter den pazifischen zurück.
Noch viel weniger, wie von der Verbreitung der Erdbeben, sind
wir von den Seebeben, d. h. den seismischen Erschütterungen des
Meeresbodens unterrichtet. Das wenige, was wir darüber wissen, hat
Rudolph10 in übersichtlicher Weise — auch kartographisch — zu-
sammengestellt und einige wichtige Schlüsse daraus gezogen. Ihrer
Wirkung nach sind zwei Kategorien zu unterscheiden: Seebeben mit
und ohne Flutbewegung. Die ersteren treten nur in Gesellschaft von
unterseeischen Explosionen auf, sind also vulkanischer Natur; die
letzteren erzeugen keine sichtbare Bewegung, aber der Stoß pflanzt
sich durch das Wasser fort und wird von einem zufällig daselbst
befindlichen Schifte auch als solcher empfunden. Nur wenn er senk-
recht zur Meeresftäche gerichtet ist, vermag er Wasserstrahlen empor-
zuschleudern. Daß viele Seeheben dieser zweiten Kategorie durch
Dislokationen verursacht werden, scheint daraus hervorzugehen, daß
es auch Seebeben mit ausgesprochen linearer Verbreitung giebt; Ru-
dolph hat einen dieser Fälle, das Seebeben zwischen den Azoren
und Madeira am 22. Dezember 1884 eingehender erörtert. Manchmal
greift das Seebeben auf das Land über, das Epizentrum liegt dann
im Meere, wie so häufig bei den japanischen Beben.
Ebenso wie die Seebeben fügen sich auch die Simultan beben
der genetischen Dreigliederung ein. Diese von Reyer glücklich
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336
Die Dynamik des Landes.
gewählte Bezeichung besagt nichts anderes, als daß in zwei oder
mehreren entlegenen Gegenden gleichzeitig Erdbeben eintraten, ohne
daß in den dazwischenliegenden Gegenden Erschütterungen wahrge-
nommen wurden. Drei Fälle sind hier denkbar: 1. die Simultan-
beben sind völlig unabhängig voneinander, und die Gleichzeitigkeit ist
lediglich Zufall, 2. das eine Erdbeben wird durch das andere erzeugt,
3. beide werden durch eine gemeinsame Ursache hervorgerufen. Der
häufig gebrauchte Ausdruck Relaisbeben paßt ausschließlich für
den zweiten Fall; aber auch zugegeben, daß manche Simultanbeben
Relaisbeben sind, so dürfen die letzteren doch keineswegs als eine
vierte Kategorie in die genetische Einteilung eingefügt werden. An
dem Orte des sekundären oder Relaisbebens war die Disposition zu
einem vulkanischen Ausbruche, einem Einsturze oder einer Dislokation
jedenfalls schon vorhanden, und das primäre Beben gab nur den letzten
Anstoß zur Lösung einer Spannung, die ohne denselben noch längere
Zeit sich erhalten hätte.
Einteilung der Beben. Wir wiederholen nochmals die Einteilung
der Beben nach den verschiedenen Einteilungsprinzipien:
1. Nach dem Orte: Erd- uud Seebeben;
2. Nach der Form der Erdbebenfläche, bezw. des Epizentrums:
Zentrale, lineare und Flächenbeben.
3. Nach der Ursache: vulkanische, Einsturz- und Dislokations-
beben.
4. Nach der Intensität: schwache (Grad 2 — 4 der FoRELschen
Skala), mittelstarke (Grad 5) und starke Beben (Grad 6 — 10).
Kombinieren wir die ersten drei Einteilungen, wobei wir von
deu beiden ersten, als den am leichtesten erkennbaren, ausgehen, so
erhalten wir als bisher beobachtete Formen:
1. Zentrale Beben:
a) Zentrale vulkanische Erdbeben, n) Zentrale vulkanische Seebeben
b) Zentrale Einsturz-Erdbeben, ?
c) Zentrale Dislokations-Erdbeben, ?
2. Lineare Beben:
d) Lineare Dislokations-Erdbeben, ß) Lineare Dislokations-Seebeben
3. Fliiclieubeben :
e) Flächen- Dislokation»- Erdbeben, ?
Jede Kategorie kann man dann wieder weiter in schwache, mittel-
starke und starke Beben einteilen, wobei man aber, wenn es sich
um die Charakteristik eines Erdbebens in seiner Gesamtheit han-
delt, stets nur die Intensität im pleistoseisten Gebiete zu berück-
sichtigen hat.
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Erdbeben.
337
Tiefe des Herdes. Als einen weiteren Beweis für die tekto-
nische Natur der meisten Erdbeben wird noch häutig angeführt,
daß nach allen bisherigen Berechnungen der Herd oder das Zen-
trum der Bewegung in sehr mäßiger Tiefe liegt, jedenfalls noch
innerhalb der Kruste und daß der Erdkern daher in keinerlei
Weise an diesem Phänomen beteiligt sei. x
Aber alle bisher angewendeten Methoden zur Ermittlung dieser
Tiefe haben sich als unzulänglich erwiesen.
Mallet geht von der Voraussetzung aus, daß die Spalten in
den Mauern auf der Stoßrichtung senkrecht stehen. Eine Anzahl
auf diese Weise ermittelter Stoßlinien müssen sich im Zentrum
schneiden. Aber abgesehen davon, daß die Spaltenrichtung auch
durch die Bauart und das Baumaterial beeinflußt wird und daß man
daher stets eine mehr oder minder ■willkürliche Wahl unter den be-
schädigten Gebäuden treffen muß, ist auch, wie Wahner dargethan hat,
die Grundvoraussetzung Mallets nicht zutreffend. Durch jede Erd-
bebenwelle wird der Boden deformiert und mit ihm neigen und heben,
neigen und senken sich auch alle mit ihm festverbundenen Gegenstände,
wie ein ruhendes Schiff auf dem wellig bewegten Wasser. Diese Be-
wegung der festen Gegenstände, sagen wir z. B. eines Turmes, unter-
scheidet sich von der pendelformigen dadurch, daß die Geschwindigkeit
mit der Entfernung von der Gleichgewichtslage wächst In dem Augen-
x Übersicht der bisherigen Berechnungen:
Lokalität und Jahr (Autor) Tiefe in m (abgerundet)
Rheinland 1846 (Schmidt) 38 800
Calabrien 1857 (Mallet) 9 300
Sillein 1858 (Schmidt) 26 300
Mitteldeutschland 1872 (v. Seebach) 18 000
Herzogenrath 1873 (v. Lasadli) 11 100
Herzogenrath 1877 (v. Lasadli) 27 100
Westdeutschland 1878 (v. Lasadli u. Schdmacheb) . 8 900
Jokoliama 1880 (Milne) 5 250
Ischia 1881 (John-Lavis) 520
Ischia 1883 (John-Lavis) 530
Ischia 1883 (Palmiehi) 3 000
Andalusien 1884 (Taramelli) 12 000 — 13 000
Andalusien 1884 (FouquIs) 11000
Kaschmir 1885 (Jones) 12 100
Bengalen 1885 (Middlemis) 72 400
Charleston 1886 (Dütton) ' 19 300
Ligurien 1887 (Taramelli) 17 500
Wemoje 1887 (Mdschketow) 5 000 — 8 000
Amuri 1888 (Hutton) 32 000
Rauhe Alb 1890 (A. Schmidt) ca. 100
Konstantinopel 1894 (Eoinitis) 34 000
Stpan, Physische Erdkunde. 2. Aufl. 22
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Die Dynamik des Landes.
338
blicke, wo der nach rechts geneigte Turm nach links in seine Gleich-
gewichtslage wieder zurückkehren soll, hat er das größte Bestreben,
sich weiter nach rechts zu bewegen und dieser Widerstreit kommt in
der Lockerung des Baumaterials, in Spaltenbildung, oder wenn die
Bewegung intensiv genug ist, im Einsturze des Gebäudes zum Aus-
drucke.
v. Skebachs Methode gründet sich auf Zeitbestimmungen, also
schon an und für sich auf sehr mangelhafte Daten. Ferner ist sie
nur auf zentrale Beben anwendbar, und endlich macht sie die in
der Natur durchaus unerfüllte Voraussetzung, daß sich die Erdbeben-
welle mit gleichmäßiger Geschwindigkeit nach allen Seiten fort-
ptlanze.
Falb benutzt das mehr oder weniger starke, oft donnerartige
Geräusch, das die Erderschütterungen begleitet und bestimmt die
Tiefe des Zentrums aus dem Zeitunterschiede zwischen dem Ge-
räusche und dem Stoße. Man kennt aber weder die Fortpflanzungs-
geschwindigkeit der Erdbebenwellen, noch die des Schalles im Boden.
Auch Duttons11 Methode findet nur auf zentrale Beben Anwen-
dung. Die Intensität bietet auch hier die Handhabe zur Berechnung,
aber in anderer Weise wie bei Mallet. Sie wird nur von zwei Faktoren
abhängig gedacht: von der Gesamtenergie der Bewegung und von der
Tiefe des Ausgangspunktes. Eine einfache mathematische Überlegung
führt dann zu dem Satze, daß die Intensität in der unmittelbarsten
Nähe des Epizentrum langsam, dann gegen die Peripherie zu immer
schneller, endlich wieder langsam abnimmt Die Schlußformel ist
sehr einfach. Setzen wir den Abstand desjenigen Oberflächenpunktes,
wo die Abnahme der Intensität ihr Maximum erreicht, vom Epi-
zentrum = x, so ist die Tiefe des Zentrums = x ]/g. Auch in dieser
Methode sind Voraussetzungen gemacht, die in Wirklichkeit nicht
zutreffen; die sekundären Faktoren, die die Intensität an einem Orte
modifizieren, bleiben unberücksichtigt und damit ist bei der Be-
stimmung von x nicht nur dem Irrtum, sondern auch der Willkür
Thür und Thor geöffnet
Erdbebenstatistik. Lange Zeitglaubte man, wie z.T. auch heute noch,
der Statistik der Erdbeben die Gesetze dieses Phänomens entnehmen
zu können. Unglücklicherweise leidet auch diese Methode an einigen
erheblichen Mängeln. Nur aus den dichter bevölkerten Kultur-
ländern, die ja nur einen kleinen Prozentsatz der ganzen Landfläche
ausmachen, erhalten wir auch von schwächeren Beben Kunde, aus
den übrigen Ländern aber nur von den heftigsten Erscheinungen
dieser Art, und die Seebeben entziehen sich fast ganz unserer Be-
obachtung. Die Nachrichten aus den früheren Jahrhunderten sind
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Erdbeben.
339
nicht nur außerordentlich mangelhaft, sondern in manchen Fällen
geradezu gefälscht, wie Th. Wolf in Bezug auf alle sogenannten
vulkanischen Ereignisse in Südamerika nachwies.
Man hat in der zeitlichen Verteilung der Beben kosmische und
meteorologische Einflüsse zu erblicken geglaubt. Pekrey suchte nach-
zuweisen, daß sie bei den Syzigien häufiger seien, als bei den Quadra-
turen des Mondes, und gründete darauf die Theorie, daß die Beben
nichts anderes seien, als Fluterscheinungen des heißflüssigen Erd-
kerns. J. Schmidt kam aber zu einem wesentlich anderen Schlüsse.
Das Maximum tritt allerdings bei Neumond ein, aber ein zweites
Maximum auch zwei Tage nach dem ersten Viertel; zur Zeit des
Vollmondes (also ganz im Gegensätze zu dem Flutphänomen)
nehmen die Beben ab und sind am Tage des letzten Viertels am
seltensten. Zwar ist im Hinblicke auf die Gezeitenbewegung der
festen Erde (s. S. 17), die bei besonderer Stärke der fluterregenden
Kräfte Spannungen in den oberen Teilen der Erdkruste zur plötz-
lichen und gewaltsamen Auflösung bringen kann, die Fluttheorie
nicht kurzweg von der Hand zu weisen, aber ein alle Zweifel aus-
schließender Beweis ist dafür noch nicht erbracht worden.
Eine jahreszeitliche Periode tritt zwar überall hervor, ist aber
nur in gewissen Gegenden schärfer ausgeprägt. Streng vergleichbar
sind allerdings nur die Länder, wo ein regelmäßiger Beobachtungs-
dienst die Vollständigkeit der Aufzeichnungen verbürgt, wie die
Schweiz und Japan:
Winter Frühling Sommer Herbst
Schweiz, 1880—91 37, s 22,3 15, s* 26, o Proz.
Japan, 1885 — 90 24,9 25,8 24, o* 25, s „
Betrachtet man diese Zahlen, so erhält man den Eindruck, daß
es sich mit den seismischen Erscheinungen ebenso verhält, wie mit
den Niederschlägen in den Gebieten gleichmäßiger Verteilung: die
Ursachen sind immer vorhanden, aber in manchen Zeiten kommt
ein gewisses Plus hinzu, das die Häufigkeit steigert. Woher kommt
dieses Plus? Zur Entscheidung wäre eine ganz zuverlässige Beben-
statistik südhemisphärischer Länder notwendig. Ist nämlich dort
auch der nördliche Sommer die bebenärmste Jahreszeit, so kann
man an eine Flutwirkung der erdnahen Sonne denken; fällt aber —
worauf die Statistik einiger chilenischen Städte hindeutet — das
südhemisphärische Minimum in den südlichen Sommer, so liegt
der Schluß nahe, daß die Verteilung des Luftdruckes mit im Spiele
ist. Man könnte dann sagen: Ungleichmäßig verteilter Luftdruck,
d. h. starke Gradienten, wie sie in mittleren und höheren Breiten
den kälteren Jahreszeiten eigentümlich sind, begünstigen die Aus-
22*
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340
Die Dynamik des Landes.
lösung vorhandener Spannungen innerhalb der Erdkruste. Wir haben
oben gesehen, daß diese Hypothese auch auf die mikroseismischen
Bewegungen Anwendung fand.
Literaturnachweise. 1 Hürnes, Erdbebenkunde, Leipzig 1893. —
7 Vgl. die Beobachtungen in Tokio in den Transactions of the Seismological Society
of Japan, 1890, Bd. XIII, S. 41. — * Koto, cit. S. 278. — 4 Transaktion»
of the Seismological Society of Japan, 1892, S. 19. — 1 v. Rebeur-Paschwitz,
Über die Aufzeichnungen der Fernwirkungen von Erdbeben, in Pkt ermann»
Mitteilungen 1893. Europäische Beobachtungen des japanischen u. venezolani-
schen Erdbebens 1894, ebendas. 1895. — 8 Vgl. den Bericht Geiesbachs in d.
Records of the Geological Survey of India, 1893, S. 57. — 7 Sküphos, Die zwei
griechischen Erdbeben in Ixtkris 1894, in der Zeitschrift der Gesellschaft für
Erdkunde in Berlin, 1894. — 8 Seismische Boden Verschiebung, in Petermanns
Mitteilungen 1895, S. 97. — * Den ausführlichsten Erdbebenkatalog lieferte
Mallet (Earthquake Catalogue, London 1850), für die Periode 1865 — 85 Fuchs
(in den Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. d. Wiss., Math.-nat. Kl., 1886, Bd. 92, Ab-
teil. I); eine wichtige Ergänzung bildet der Erbebenkatalog des russischen
Reiches von Muschketow u. Orlow (St. Petersburg 1893). Genauere Erdbeben-
karten existieren nur für Italien (von Taramelli in den Annali dell' Ufficio
centrale meteorologico italiano, 1886, Bd. 8, 4. Teil) und Japan (von Sur an in
Petermanns Mitteil. 1893). In der seismischen Kartographie fehlt es noch an
einem einheitlichen, wissenschaftlichen Prinzipe, das allerdings eine genaue Erd-
bebenstatistik zur Voraussetzung hat. Ein darauf bezüglicher Versuch von
F. be Montessüs de Ballore (in den Archive» des Sciences physiques et naturelles,
Genf 1892 u. 94) dürfte kaum auf allgemeine Zustimmung rechnen können. —
10 Rudolph, cit S. 207. — 11 Dutton, The Charleston Earthquake of August 31,
1886, im IX. Jahresbericht des U. S. Geological Survey, Washington 1889.
Übersicht der exogenen Wirkungen.
Die endogenen Erscheinungen, die wir bisher kennen gelernt
haben, sind zwar auch vielfach mit Zerstörung verbunden, aber
hauptsächlich wirken sie doch aufbauend und halten damit jenen
Agentien das Gleichgewicht, die, von außen auf die Oberfläche
w irkend, die Erhöhungen abzutragen, die Unebenheiten auszugleichen
trachten.
Dieser Prozess zerfällt in drei Akte: Zerstörung, Abfuhr, Ab-
lagerung. Zerstörung und Abfuhr sind aber zum Teil notwendig
mit einander verbunden , und wir fassen sie in dem Begriffe
Destruktion zusammen. Die destruktiven Kräfte sind die Wärme,
die Luft, das Wasser und die organische Welt
1. Die Destruktion.
a) Ausschließlich zerstörend wirkt nur die Verwitterung; ihr
verfällt alles, wenn auch in verschiedenem Grade, am langsamsten
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Übersicht der exogenen Wirkungen. 341
wohl der mit Wasser bedeckte Boden. Die Verwitteruugsprodukte
bleiben entweder an Ort und Stelle liegen oder werden fortgefiihrt.
Auf diese Abfuhr der Verwitterungsprodukte beschränken wir den
Ausdruck Denudation, wie es auch seiner Etymologie entspricht.*
Denudierend wirken die Schwerkraft, das bewegte Wasser und Eis
und die bewegte Luft.
b) Erosion im weitesten Sinne des Wortes xx nennen wir die
Arbeitsleistung des bewegten Wassers in flüssiger und fester Form
und der bewegten Luft. Auch sie ist, wie die Verwitterung, teils
ein chemischer, teils ein mechanischer Prozeß. Die chemische
Auflösung wird ausschließlich durch Wasser bewirkt, und steht an
Bedeutung weit zurück hinter der mechanischen Erosion, d. h. der
gewaltsamen Loslösung von Gesteinsteilchen durch die Stoßkraft der
denudierenden Agentieu. Eine genauere Betrachtung dieses Pro-
zesses führt zur Unterscheidung von Ablation und Corrasion. Zu-
nächst werden nur lockere Bestandteile des Bodens, die dem Wasser,
Eise oder Winde im Wege liegen, mitfortgerissen (Ablation), aber
diese dieuen dem betreffenden Agens nun gleichsam als Feile, um
durch Reibung auch das feste Gestein innerhalb seiner Bahn abzu-
schleifen und zu zerstören (Corrasion). Von der Verwitterung
unterscheidet sich die Erosion schon dadurch wesentlich, daß ihre
Zerstörungsprodukte niemals an Ort und Stelle liegen
bleiben; auf die Loslösuug folgt unmittelbar die Abfuhr, und be-
stünde diese auch nur in einer Verschiebung um einige Millimeter.
Von den drei Destruktionsprozessen bewirkt die Verwitterung
an und für sich keine Veränderung der Oberflächenform; morpho-
logische Vorgänge sind nur die Denudation und die Erosion. Alle
erosiven Kräfte sind zugleich denudierend, denn die Denudation
bildet ja nur einen Teil jenes Prozesses, den wir oben als Ablation
bezeichnet haben; andererseits wirken aber nicht alle Denudations-
x Wenige Begriffe sind so schwankend, wie der der Denudation, und das
führt zu schweren Mißverständnissen. Anfangs glaubten wir diesen Ausdruck
im allgemeinsten Sinne gebrauchen zu können; was uns aber schließlich doch
bewog, dafür die neue Bezeichnung Destruktion eiuzuführen, war der Umstand,
daß die meisten unter Denudation nur das subaerische Zerstörungswerk zu-
sammenfassen und die Abrasion durch die Brandung dazu in Gegensatz stellen.
Unsere späteren Erörterungen über die „Destruktionsflächen** werden unser
Vorgehen rechtfertigen.
xx Im engern Sinne spricht mau nur von einer Erosion des fließenden
Wassere. Für die Arbeit der Brandung ist der Ausdruck Abrasion schon
vielfach im Gebrauche. Die Winderosion nennt Waltheb Deflation, die
Gletschererosion Exaration; wir würden Detrition (von deterere = abreiben)
vorziehen.
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342 Die Dynamik des Landes.
kräfte zugleich erosiv, so die Schwerkraft und der spülende
Regen.
2. Die Ablagerung
ist die Kehrseite der Zerstörung; beide bedingen sich gegenseitig.
Wir unterscheiden:
a) Eluvium, Venvitterungsschutt auf ursprünglicher Lager-
stätte ;
b) Alluvium, Ver witterungs- und Erosionsprodukte, die durch
die denudierenden Kräfte an anderer Stelle abgelagert werden.
Die Denudation ist periodischen und unperiodischen Ver-
änderungen unterworfen, wie die Elemente selbst, die dabei im
Spiele sind. Anders vollzieht sie sich nachts, als am Tage; anders
im Winter, als im Sommer; anders in den feucht-kühlen Perioden,
als in den trocken-warmen. Tiefgreifender als diese zeitlichen sind
die räumlichen Unterschiede, in denen sich die großen klimatischen
Gegensätze der Länder widerspiegeln. Tropen- und Polargürtel,
Regengebiete und Wüsten werden in verschiedener Weise denudiert,
und verschieden gestaltet sich darnach ihre Oberfläche. Penck
schließt aus der Thatsache, daß die höchsten Gebirge den Tropen
angehören, auf das Vorhandensein eines absoluten oberen Denu-
dationsniveaus, über das kein Gebirge hinauswachsen könne, weil
es dann sofort der Abtragung unterliege, und verlegt dieses Niveau
in eine Höhe von 2 — 3000 m über der Schneelinie. Klimaperioden
von langer Dauer oder völlige Veränderung des Klimas eines Landes
sind daher von größter morphologischer Bedeutung. Aber wenn
auch die Art der Denudationsarbeit rasch sich ändert, so braucht
es doch lange, bis der ihr entsprechende Relieftypus den alten ver-
drängt. Noch begegnen wir allenthalben in höheren Gebirgen und
unter größeren Polhöhen den Spuren der Eiszeit, in Wüsten den
Spuren einstiger Regenfülle, in niederschlagsreichen Gegenden den
Spuren ehemaliger Trockenheit.
Als absolutes unteres Denudationsniveau bezeichnet Penck
das Meeresniveau, und in der That kann kein Fluß, kein Gletscher
eine Erhebung unter den Meeresspiegel erniedrigen, nur dem Winde
kann man unter besonders günstigen Umständen eine solche Fähig-
keit zuerkennen. Auch jede Veränderung der Meereshöhe muß daher
die Denudationsarbeit beeinflussen. Von den absoluten Denudations-
niveaus sind die wirklichen zu unterscheiden, die durch den höch-
sten und tiefsten Punkt einer bestimmten Landerhebung repräsentiert
werden; aber stets bleiben die wirklichen Denudationsniveaus inner-
halb der absoluten.
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Die Verwitterung.
343
Die Verwitterung.
Der VerwitterungBprozeß. Die Verwitterungskräfte dringen nicht
nur allmählich von der Oberfläche in das Innere einer Gesteins-
rnasse vor, sondern finden ihren Weg auch durch zahlreiche
Spalten und Risse, die in verschiedenster Ausdehnung jedes Gestein
durchsetzen. Bei Felsmassen, die durch Ablagerang im Wasser
entstanden sind, werden die einzelnen Schichten durch mehr
oder minder weite Klüfte voneinander getrennt; besonders zahlreich
sind aber die Spältchen zwischen den dünnen Lagen der geschieferten
Gesteine, und namentlich dann eröffnen sich den zersetzenden Agen-
tien viele Eingangsthore, wenn die Schieferung die Schichtung
schneidet. Eruptivgesteine werden von Absonderangsklüften durch-
zogen, und ebenso werden sie, wie die Sedimentgesteine, häufig von
Dislokationsspalten durchsetzt. Infolge von Temperaturschwan-
k ungen dehnen sich die Massenteilchen aus und ziehen sich dann
wieder zusammen, und zwar um so intensiver, je dunkler die Farbe
und je rauher die Oberfläche ist. Risse und Sprünge sind das Re-
sultat dieser Volumveränderungen; ja in tropischen Wüstengebieten
erweist sich die große tägliche Wärmeschwankung als kräftig genug,
große Gesteinsmassen völlig zu zertrümmern. In den höheren Breiten
und in den Hochgebirgen der warmen Zone spielt der Frost eine
ähnliche Rolle. Das gefrierende Wasser in den Spältchen und
Klüften des Gesteins dehnt sich aus und löst dieses in scharfkantige,
unzersetzte Fragmente, oft von kolossalen Dimensionen auf. Von
geringem Einflüsse ist der Blitz, der nur Löcher und Schrammen-
sterne erzeugt, ohne sich weiter an der Zertrümmerung der Felsen
zu beteiligen.1
Hand in Hand mit dieser mechanischen Auflösung geht die
chemische Zersetzung, d. h. die Veränderung der Substanz des Ge-
steins durch die Einwirkung von Sauerstoff, Kohlensäure und Wasser.
Wir nennen diesen Vorgang mit Roth2 die einfache Verwitterung.
Keine Kalksteine und Dolomite, Anhydrit und Gips, Salz (Chlor-
natrium) und andere Mineralien, die aber beim Baue der Erdrinde
sich nicht in so hervorragender Weise beteiligen, werden durch
kohlensäurehaltiges Wasser vollständig gelöst und fortgeführt. Von
den anderen Minerahen werden nur einige Bestandteile entweder
direkt aufgelöst oder in lösliche Verbindungen umgewandelt, während
ein unlöslicher Rest als Verwitterungserde zurückbleibt, und nun
unter Umständen der mechanischen Abtragung unterliegt. Diesem
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344
Die Dynamik des Landes.
Prozesse unterliegen vor allem die thonerdehaltigen Silikatgesteine, die
neben den kalkigen Gesteinen einen Hauptbestandteil der Erdkruste
bilden. Der Rückstand ist mehr oder weniger reine Thonerde,
die allein der Vegetation eine dauernde Wohnstätte bieten kann.
Es muß übrigens betont werden, daß auch der Kalkstein in zahl-
reichen Fällen Beimengungen von Thonerde enthält, die bei der Ver-
witterung ebenfalls zurückbleibt.
Die durch die einfache Verwitterung erzeugten Lösungen wirken
ebenfalls zersetzend auf die Gesteine ein. Roth nennt diesen Vor-
gang die komplizierte Verwitterung. Auch die Ptianzen betei-
ligen sich in hervorragendem Maße an dem Zerstörungsprozesse. Im
lebenden Zustande sind ihre Wurzeln imstande, vermöge ihrer orga-
nischen Säuren durch Endosmose mineralische Bestandteile zur
Nahrung in sich aufzunehmen. Beim Absterben entwickeln sich die
sog. Humussäuren, die sich mit den im Pfianzenkörper vorhande-
nen Alkalien zu humussauren Alkalien verbinden und ebenfalls
lösend und zersetzend auf das Gestein einwirken. Auch scheinbar
nackte Felsen unterliegen ihrem Einflüsse. In den Alpen und Pyre-
näen, in den Vogesen und in der Auvergne fand Müntz3 nicht
bloß die Felsflächen, sondern sogar die feinsten Gesteinsporen
mit mikroskopischen Organismen bedeckt, die ihren Kohlen- und
Stickstoffbedarf unmittelbar der Luft entnehmen und bei ihrem Ab-
sterben diese Stoffe dem Gestein überlassen. Das Faulhom in der
Schweiz ist von solchen nitrifizierenden Organismen bis in den Kern
hinein durchfressen. Auf diese Pioniere der Humusbildung folgen
nun niedere Pflanzen, die ihren Stickstoff bedarf aus dem Boden
beziehen. Winde führen die Keime von Schorfflechten herbei, die
an der befeuchteten Felsfläche kleben bleiben und ohne eigentliche
Wurzeln festen Fuß fassen. Bald bedecken diese den Felsen mit
farbigen, staubartigen Überzügen und zerstören allmählich durch ihre
Verwesungsprodukte ihren mütterlichen Boden. So arbeiten viele Gene-
rationen mikroskopischer Organismen an der Herstellung einer Erd-
krume, die endlich auch weniger genügsame Pflanzengeschlechter
ernähren kann, während die ursprüngliche Vegetation immer mehr
an Boden verliert. Je mächtiger die Erdkrume wird, desto dichter
und mannigfaltiger wird die Pflanzendecke, bis endlich auch Bäume
sich ansiedeln, die durch ihre tieftreibenden Wurzeln teils mecha-
nisch, teils chemisch das Zerstörungswerk vollenden.
So arbeiten Luft, Wasser und Pflanzen seit ungezählten Jahr-
tausenden gemeinsam an der Umgestaltung der Erdoberfläche. Modi-
fiziert wird aber dieser Prozeß durch die verschiedenen klimatischen
Bedingungen und durch die Lagerungsverhältnisse des Gesteins. Je
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Die Verwitterung.
845
geneigter die Schichten, je reicher die Eruptivgesteine an Absonde-
rungsklüften sind, desto rascher geht die Verwitterung vor sich. Die
Gebirge sind daher vor allem der Sitz der zerstörenden Kräfte, auch
deshalb, weil sie unter allen Umständen regenreicher sind als die
Ebenen. In den Eisregionen der Hochgebirge und in der Polar-
zone schützt die Gletscherdecke vor den Angriffen der Atmosphä-
rilien, aber in um so höherem Grade unterliegen die nackten Felsen
der zertrümmernden Gewalt des Frostes. In der warmen Zone fehlt
dieses Agens , aber um so kräftiger wirken hier die tropischen
Regengüsse und die dichte Vegetation. Wo die Niederschläge ge-
ring sind, ist der mechanische Einfluß des Temperaturwechsels um
so größer, während anderseits die geringe chemische Zersetzung
stellenweise auch die Erhaltung der feinsten Oberflächen formen
möglich macht. Th. Fuchs fand z. B. auf dem Isthmus von Sues
noch Wellenschlagspureu in der Umgebung der Bitterseen, und
Räderspuren im Sande des Kabretplateaus waren noch nach zwölf
Jahren unverwischt. So hat jedes Klimagebiet seine eigentümliche
Verwitterungsform, die dem Relief ein charakteristisches Gepräge
verleiht.
Bodenarten.4 Unter allen Umständen ist es aber das Ziel der
Verwitterungskräfte, den festen Felsen in Steinschutt (Blöcke, Ge-
rolle, Grus und Sand) aufzulösen. Dieser bildet den sog. Geröll-
oder Schüttboden. Schreitet die chemische Zersetzung weiter fort,
so entsteht die pulverartige Erdkrume, das letzte Verwitterungs-
produkt aller thonerdehaltigen Mineralien. Steinschutt in Verbin-
dung mit Erdkrume giebt den sog. Mineral- oder Rohboden, der
nach seiner Zusammensetzung und daher auch nach seiner landwirt-
schaftlichen Brauchbarkeit in mehrere Arten eingeteilt wird. Be-
steht die ganze Bodenmasse aus mindestens SO Prozent Sand, so
nennt man ihn Sandboden. Thonboden enthält wenigstens
65 Prozent Thonsubstanz, Lehmboden ist ein Gemenge von Thon
und sehr feinem Sand, und Mergelboden ein Gemisch von höchstens
75 Prozent Thon und wenigstens 15 Prozent Kalk nebst verschie-
denen anderen Beimengungen. Mit dem Rohboden vermischen sich
mehr oder weniger Pflanzenreste; besteht wenigstens die Hälfte des
Bodens aus festen Humussubstanzen und der Rest aus anderen Erd-
arten, so wird er als Humusboden bezeichnet. Bei der Bildung
desselben sind — wie Dabwin® nachgewiesen hat — die Regen-
würmer in hervorragender Weise beteiligt. Indem sie unglaubliche
Massen Erde, mit Vegetabilien gemischt, verschlingen und wieder
ausscheiden, wrerden immer neue Oberflächen der Einwirkung der
Kohlen- und Humussäuren preisgegeben und die Zersetzung wird
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846 Die Dynamik des Landes.
dadurch außerordentlich gefordert. x ln den Tropen geht dieser Pro-
zeß mindestens dreimal so schnell vor sich, als in England. Ameisen
sind die eifrigsten Helfershelfer der Regenwürmer, namentlich in
trockenen Gegenden, und auf den Koralleninseln üben verschiedene
Krebse dieselbe geologische Thätigkeit aus.6 Nicht kulturfähig ist
der allerdings selten vorkommende, reine Kalkboden, ebenso wie
der nur aus Quarzsand zusammengesetzte Boden, denn unter allen
Umständen ist der Pflanzenwuchs an das Vorhandensein von Thon-
erde gebunden. Die Mächtigkeit des Gesamtbodens (Humus- und
Rohbodens) ist sehr verschieden; für die meisten Kulturgewächse
sind nur die obersten 30 — 60 cm maßgebend, nur die Waldbäume
treiben ihre Wurzeln beträchtlich tiefer.
Gebiete vorherrschender Denudation. Auf völlig horizontalem
Felsboden häufen sich die Verwitterungsprodukte an; nur die feinsten
können vom Winde fortgeführt werden. Ist der Boden aber —
wie dies in der Regel der Fall ist — geneigt, so bemächtigt
sich das fließende Wasser (und das Eis) des Schuttes, und bei
stärkerer Neigung auch die Schwerkraft. Dayison beobachtete
auch ein langsames Abwärtskriechen des Gehängeschuttes, das er
auf Ausdehnung und Zusammenziehung infolge wechselnder Tempe-
ratur zurückführt7 Man unterscheidet daher eine trockene und
eine nasse Abfuhr, wenn auch in der Natur gewöhnlich beide Zu-
sammenwirken. Das Endziel des Denudationsprozesses ist die Bloß-
legung des verwitterten Felsbodens, wodurch den Atmosphärilien
wieder neue Angriffspunkte geboten werden.
Es giebt Gebiete, in denen die Abtragung der Verwitterung
das Gleichgewicht hält und es daher niemals zur Bildung eines Ver-
witterungsbodens kommen kann. Reichliche Niederschläge und starke
Neigung des Bodens sind notwendige Vorbedingungen dieses Vorganges,
der daher hauptsächlich nur auf die steilen Abhänge der Gebirge be-
schränkt ist. ln den gebirgigen Teilen des Festlandes finden die zer-
störenden Kräfte den freiesten Spielraum.8 Schafft die Erosion die
Gegensätze von Berg und Thal, so arbeitet die Verwitterung vorwiegend
au der Form der Gipfel und Gehänge. Je steiler die Schichten aufge-
richtet sind, je zahlreicher die Spalten, je verwitterbarer die Gesteine,
desto ruinenhafter erscheinen die Kämme und Gipfel. Bei der unend-
lichen Mannigfaltigkeit ihrer Formen muß man freilich auf einfache
morphologische Gesetze verzichten, nur von einigen besonders auf-
x So wurde z. B. iu der Nähe von Macr-Hall innerhalb zehn Jahren ein
sandiges Grasfeld mit einer 50 mm dicken Humusschicht Uberkleidet.
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Die Verwitterung.
347
fallenden Typen kann hier die Rede sein. Wirkt die Verwitterung
gleichförmig in allen Richtungen, und setzt ihr das Gestein keinen
großen Widerstand entgegen, so entstehen die schönen, regelmäßig
gebildeten Kuppenformen, wie sie manche Massengesteine (Porphyre.
Granite, Gabbros u. s. w.) zeigen. Sind die Klüfte aber zahlreich,
so lösen sich die Gipfel häufig in unförmige Blockhaufen auf (Fig. 84).
Felsenmeere nennt man sie, wenn sie eine größere Ausdehnung er-
reichen. Die große
Mehrheit der Pyre-
näengipfel sind nach
Leymehie solche
Trümmerhaufen; nicht
bloß die Granit-, son-
dern auch die Kalk-
berge. Werden im
Laufe der Zeit Blöcke
weggeführt, SO bildet Fig R4 Schwarehorn im Wallis (3207 m) nach Heim.
der Rest oft Säulen-
ruinen, wie z. B. der Plöckensteingranit im Böhmer Wald (s. Fig. 85)
oder der Sandstein in den Vogesen und der Sächsischen Schweiz.
Manche Bergspitzen sind so verwittert, daß man — um mit
Fig. 85. Königstein.
Heim zu reden — „mittels Hebeeisen den ganzen Gipfel schleifen
könnte, ohne einen zusammenhängenden festen Block von einem
Meter Durchmesser zu finden“. Mit Recht tragen viele derselben
Namen, wie „Fauler“, „Faulberg“, „Faulhorn“ und dergleichen, ln
den Zonen der oft senkrecht stehenden kristallinischen Schiefer
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348
Die Dynamik des Landes.
sind wild zerrissene Kämme und kühn geformte Gipfel sehr häutig
(Fig. 86), aber es fehlt auch nicht an Beispielen vom entgegen-
Fig. 80. Aclettagrat nach Heim.
gesetzten Extrem. So bildet der leicht verwitterbare Thonschiefer
Fig. 87. Mythen nach Heim, (a fester Kalkstein, b Schiefer oder Flyach.)
in der spanischen Sierra Nevada langgezogene Rücken, über die sich
die beiden höchsten Punkte
(Veleta und Mulhacen) kaum
merklich erheben. Wechseln
Gesteine von verschiedener
Widerstandskraft mit einan-
der ab, so werden die här-
teren durch die Verwitterung
gleichsam herausmodelliert,
wie zwei drastische Beispiele
aus der Natur in Fig. 87 und
88 zeigen. Fig. 89 belehrt
uns endlich, welche Kamm-
form gebogene Sedimeut-
schichten annehmen können.
InBezugaufdieGehänge-
form unterscheiden sich die
Sedimentgesteine wesentlich
von den krystallinischen
Schiefem. Der Böschungswinkel ist unter sonst gleichen Umständen —
wie Lagerung, Zerklüftung, Verwitterungsgrad und klimatische Ver-
Fig. 88. Aus dem Colorado-Gebiet (zwei Trachyt-
gange im horizontalen Sandstein w) nach HaYI>EN.
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Die Verwitterung.
349
hältnisse — bei verschiedenen Felsarten verschieden. Seine Steilheit
kann nur bis zu einer gewissen Grenze, die Heim die Maximal-
böschung nennt, zunehmen; wird diese überschritten, so brechen
die oberen Massen schneller oder
langsamer nach, stürzen herab und
Kamm und Gipfel werden erniedrigt.
So haben die nach oben fortschrei-
tenden Schluchten den ursprünglich
gerade verlaufenden Grat der C'hur-
firsten in 9—11 Zacken zerschnitten
(Fig. 90).
Im allgemeinen ist die .Maximal-
böschung am größten bei Kalksteinen Flgi 89- Sicheikamm nach Heim.
und Dolomiten, kleiner bei Sand-
steinen und Quarziten, am kleinsten bei Schiefern. Da nun bei
einem aus verschiedenen Sedimentgesteinen bestehenden Berge die
Maximalböschung von Schicht zu Schicht wechselt, so entstehen
ungleichmäßig geneigte Abhänge mit sog. Bandstruktur, d. h.
mit Hach geneigten Verwitteruugsterrassen, die den weicheren
Fig. 90. Die Churfirsten nach Heim.
Schichten entsprechen (Fig. 91). Bei den krystallinischen Schiefern
bleibt dagegen in der Regel die Maximalböschung den ganzen Ab-
hang entlang die gleiche. Als eines der schönsten Beispiele nennt
Heim den Bristenstock (in der Schweiz), wo mit Ausnahme einer
ganz unbedeutenden Einbiegung der ganze Abhang unter einem
Winkel von 36° geneigt ist Die krystallinischen Schiefer nehmen
übrigens eine ähnliche Verwitterungsform an wie die Sedimentge-
steine, wenn sie flach gelagert sind ; anderseits tritt auch bei den Sedi-
mentgesteinen die Bandstruktur zurück, wenn sie steil aufgerichtet,
dünnschichtig oder schieferig sind.
Es muß übrigens bemerkt werden, daß die wirkliche Böschung
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350
Die Dynamik des Landes.
nicht immer der Maximalböschung entspricht. Sie ist größer, wenn
das fließende Wasser durch Abtragung und Unterwaschung so rasch
arbeitet, daß die Verwitterung nicht gleichen Schritt halten kann;
sie ist kleiner im umgekehrten Falle. Senkrechte oder überhängende
Fig. 91. Verwitterungsterrassen im Glämisch-Qebirge nach Bai.tzkr.
Wände sind verhältnismäßig selten und stets örtlich beschränkt;
wenn trotzdem häufig solcher Erwähnung geschieht, so kommt dies
daher, daß das unge-
übte Auge nichts so
sehr überschätzt, als
Böschungswinkel. Oft
wird die Böschung
am Fuße eines Ab-
hangs plötzlich
sanfter: das sind ent-
weder Schutt-
halden, die meist
auf trockenem Wege
sich bildeten und
Fig. 92 n. Erdpyramiden bei Bozen in Südtirol (8 — 30 m H.). gewöhnlich nur unter
3 — 10° geneigt sind,
oder vom Wasser abgelagerte Schuttkegel, die meist einen Winkel
von 30° erreichen.
Die ausserordentliche Gewalt des spülenden Kegens in lockeren
Massen illustrieren am besten die Erdpyramiden, die aus dem
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Die Verwitterung
351
Gebirgsschutt ausgewaschen werden (Fig. 92a). Die an der Ober-
fläche oder im Schutt befindlichen Steinblöcke dienten dabei als
Schutz gegen die fortschreitende Erosion, wie Fig. 92b erläutert.
Solche Bildungen
findet man bei Bozen, '
im Visp- und Bergun-
thale im Kanton Wal-
lis, in den Pyrenäen bei
Luchon, am Ufer von
Bournemouth und im Fig. 92 b. Durchschnitt zur Erklärung der Bildung der
frro Bärtigsten Mftßstab ■Er^py,rail,i^€n nach Lyell, abc die Wände und die Sohle
. TT- • t j des *m P°rphyr ursprünglich ausgewaschenen Thaies, df e
im Himalaja. In der die Ausfüllung des Thaies durch den Moränenschutt eines
Umgebung von Mel- a^ten Gletschers. gbh jetziger Thaleinschnitt mit Erd
bourne wird der
Pyramiden zu beiden Seiten.
lehmige Sandstein in
ähnlicher Weise ausgewaschen, so daß nur noch vertikale Säuleu
unter vorspringenden Teilen der Kalkdecke stehen bleiben.
Neben der regelmäßigen Denudationsarbeit, die den Verwitterungs-
schutt zu Thale führt, um ihn allmählich mit Hilfe des fließenden
Wassers in die Ebene hinauszuschaften, giebt es auch katastrophen-
artige Ereignisse, welche große Massen auf einmal von den Anhöhen
in das Thal befördern. Nach lange andauernden Regengüssen ver-
wandeln sich die Wildbäche nur allzuhäutig in gewaltige Schlamm-
und Schuttströme (sog. Muren), die weite Thalstrecken überschütten.
Durch solche Muren wurden z. B. in den Jahren 1874 und 1875
bei Ried im Oberinnthal 320000 kbm Schutt angehäuft. Seltener,
aber noch verheerender sind die Berg- und Felsstürze,8 wodurch
das oft Jahrhunderte lang angehäufte Verwitterungsmaterial, manch-
mal auch kolossale, durch den Frost losgelöste Felsblöcke, oft durch
unbekannte Ursachen aus dem Gleichgewichte gebracht, in eine stür-
zende Bewegung geraten. Erdbeben geben häutig Veranlassung
dazu; dies war der Fall beim Absturze der Schlaggendorfer Spitze
in der Tatra (1(562), wodurch dieselbe ca. 300 m an Höhe verlor,
und beim Einstürze der Südseite der Villacher Alpe (25. Januar 1348),
wodurch 13 Dörfer begraben wurden. Entlang von Schicht- oder
Kluftflächen, die gegen das Thal einfallen, können nicht nur lose,
sondern auch Felsmassen abrutschen, wenn ihre Kohäsion durch
Spaltenbildungen gelockert und ihre Unterlage durch starke Regen-
güsse oder abgelenkte Quellen durchweicht ist. Der Sturz des Roß-
berges am 2. September 180(5, wodurch vier Dörfer verschüttet
wurden, ist eine der bekanntesten Katastrophen dieser Art. Leider
treten sie in nassen Jahren im Gebirge sehr häutig ein. Nach Arktik
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352
Die Dynamik des Landes.
schweben in Tirol 300000 Menschen in steter Lebensgefahr, und
Simony veranschlagt den jährlichen Schaden auf durchschnittlich
eine Million Mark. Der Unverstand der Menschen unterstützt oft
noch die zerstörenden Kräfte, indem natürliche Widerlager, die die
zum Rutschen geneigten Massen stauen, leichtsinnigerweise weg-
geräumt werden. So veranlaßte z. B. die Anlage von Steinbrüchen
bei Elm jenen furchtbaren Bergschlipf am 11. September 1881,
der nicht bloß den Thalboden, sondern auch den unteren Teil
der gegenüberstehenden Lehne mit einer Schuttmasse von zehn
Millionen Kubikmetern bedeckte. In manchen Gegenden setzen sich
kleinere Rutschungen durch Jahrhunderte hindurch fort. In Thälem,
die das Wasser im lockeren Material ausgegraben hat, sind Be-
wegungen der Massen infolge ihrer eigenen Schwere eine regelmäßige
Erscheinung.
Gebiete säkularer Verwitterung. Gegenüber diesen Gebieten
einer kräftigen Denudation, wo die Verwitterung stets neue Angriö's-
punkte findet, giebt es auch weite Erdräume mit warmfeuchtem
Klima, wo unter dem Schutze einer dichten, tiefgreifenden Wald-
vegetation, die die Abfuhr der Verwitterungsprodukte hindert, der
Zersetzungsprozeß von den Klüften und Fugen konzentrisch gegen
das Innere des Felsbodens fortschreitet und diesen im Laufe
langer Zeiträume bis zu einer bedeutenden Tiefe in ein Haufenwerk
von eckigen Gesteinsfragmenten, Gruß und sandigen und tlionigen
Massen verwandelt, während der Denudationsprozeß sich hauptsäch-
lich auf die Fortführung der Karbonate beschränkt Pumpelly, der
auf diesen Vorgang besonders aufmerksam gemacht hat, bezeichnet©
ihn als säkulare Verwitterung. Die Gebiete derselben teilt
von Richthofen in Regionen der Lateritbildung und in solche
der lehmigen Zersetzung. Der Laterit, der nur im Tropen-
gtirtel vorkommt, unterscheidet sich von den lehmigen Verwitterungs-
produkten der gemäßigten Zone oder der ihr entsprechenden Gebirgs-
regionen der warmen Zone hauptsächlich durch den hohen Gehalt
an Eisenoxyd und die dadurch hervorgerufene ziegelrote Farbe des
Zerreibungsmehles. Seine Beschränkung auf die Tropen führte
J. Waltheb darauf zurück, daß bei den zahlreichen Gewittern
dieses Erdgürtels in der Luft genügend viel Salpetersäure entstehe,
um in hohem Grade oxydierend auf die Gesteine einzuwirken, und
in der That hat die Analyse des Regenwassers von Caracas den
hohen Salpetersäuregehalt tropischer Gewitterregen bestätigt10 In
Vorder- und Hinterindien, im brasilianischen Gebirge und in Afrika
von Senegambien bis zum Kapland ist diese Bodenart außerordent-
lich häufig und erreicht stellenweise eine Mächtigkeit bis zu 60 m.
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Das unterirdische Wasser.
353
In der gemäßigten Zone sind hauptsächlich die östlichen Staaten
der Union im Süden der diluvialen Gletschergrenze von einer
mächtigen Verwitterungsrinde, dem Produkte des einstigen Urwaldes,
bedeckt
In einigen Gebieten säkularer Verwitterung wurde das Felsen-
gerüst infolge von Klimaschwankungen in vorgeschichtlicher Zeit oder
von Niveauveränderungen, die eine erhöhte Erosionsthätigkeit hervor-
riefen, wieder bloßgelegt und zeigt nun eigentümliche unregelmäßige
Oberflächenformen, einen Wechsel von Erhöhungen und Vertiefungen,
die der Verbreitung widerstandsfähiger und leicht zerstörbarer Ge-
steine entsprechen. In der Mongolei gab wahrscheinlich eine starke
Verminderung der Niederschläge die Veranlassung dazu. Die Vege-
tation starb infolgedessen ab, und der Wind bemächtigte sich der
feineren Verwitterungsprodukte, während der gröbere Schutt zurück-
blieb. Auch die Grundmoränen diluvialer Gletscher wurden von
Pumpellt für umgearbeiteten Verwitterungsschutt gehalten.11 Hier
betreten wir aber bereits das Gebiet der reinen Hypothese, wie ja
überhaupt in Bezug auf die Eluvialbildungen die Ansichten noch
sehr der Klärung bedürfen.
Litteraturnachweise. 1 Heim, im Jahrbuch des Schweizer Alpenklub, 1886,
Bd.XXI, S.342. — 1 Roth, Lehrbuch der chemischen Geologie, Bd.I, Berlinl879. —
8 Müntz, in den Comptes rendus de l’Acadt'imie des Sciences, Paris 1890, Bd. CX,
S. 1370. — 4 Senkt, Fels u. Erdboden, München 1876. — ‘ Darwin, Die Bildung
der Ackererde durch die Thätigkeit der Würmer, Stuttgart 1882. — 6 Keller,
Reisebilder aus Ostafrika und Madagaskar, Leipzig 1887. Haacke, Über die
geologische Thätigkeit der Ameisen, in „Zoologischer Garten“, Frankfurt a. M.
1886. Lenz, Die Bedeutung der Termiten für Erdbewegung, in den Mit-
teilungen der Wiener Geographischen Gesellschaft 1894. — 7 Davison, im Geo-
logical Magazine 1889, 8. 255. — 8 Heim, Über die Verwitterung im Gebirge,
Basel 1879. — 8 Heim, Über Bergstürze, Zürich 1882. Necmayr, Über Berg-
stürze, in der Zeitschrift des D. u. O. Alpenvereines, 1889. — 10 Müntz und
Marcano, Über den Salpetersäuregehalt tropischer Regen, in der Meteoro-
logischen Zeitschrift 1889. — 11 Pumpelly, im American Journal of Scienee
1879, Bd. I, S. 133.
Das unterirdische Wasser.1
Von den Niederschlägen fließt ein Teil oberflächlich ab, ein
Teil verdunstet, ein Teil wird von den Organismen aufgenommen
und kehrt erst nach deren Tode wieder in den Kreislauf des Wassers
zurück; etwa ein Drittel versinkt in den Erdboden und kommt
stellenweise als Quelle wieder zu Tage; und nur ein kleiner Bruch-
teil wird für längere Zeit, vielleicht dauernd, der großen Wasser-
Supak, Physische Erdkunde. 2. Aull. 23
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354
Die Dynamik des Landes.
Zirkulation (von der Erdoberfläche in die Atmosphäre und von der
Atmosphäre auf die Erdoberfläche zurück) entzogen, indem er bei
der Umwandlung wasserfreier in wasserhaltige Mineralien aufge-
braucht wird.
Verhalten des Bodens. Nicht alle Bodenarten verhalten sich
gleichmäßig gegenüber dem Wasser. Undurchlässig sind Thon,
Mergel, Lehm und die meisten krvstallinischen Gesteine, freilich
auch nicht absolut undurchlässig, denn selbst die mikroskopischen
Poren fester Gesteine sind noch häufig mit Feuchtigkeit (sog. Berg-
feuchtigkeit) durchtränkt. Aber immerhin spielen sie eine wesent-
lich andere Rolle im Haushalte der Natur, als lockerer, poröser oder
zerklüfteter Boden, dem die Eigenschaft der Durchlässigkeit in
hohem Grade zukommt
Besteht die Oberfläche aus undurchlässigem Boden, so kommt
es zu keiner Quellenbildung. Ist sie eben, so versumpft sie; ist sie
geneigt, so fließt das Wasser rasch ab; bei Dürre versiegen die
Bäche und Flüsse, bei heftigen Niederschlägen schwellen sie zu Wild-
strömen an.
In durchlässigem Boden versinkt das Wasser, nachdem es die
Kapillarräume der obersten Schicht gefüllt hat, in die Tiefe, bis es
auf eine undurchlässige Schicht stößt, und es kann als Regel gelten,
daß heftige Niederschläge ihm weniger Nahrung zuführen, als schwacher
Regen oder schmelzender Schnee. Wesentlich verschieden verhält
sich aber lockerer und poröser Boden einerseits, zerklüfteter anderer-
seits. Der erstere saugt das Wasser auf, wie ein Schwamm, und
wird in seinen untersten Teilen, über der undurchlässigen Schicht,
mehr oder weniger durchtränkt. Das ist das Grundwasser, für
das flächenhafte
Ausbreitung
charakteristisch ist.
Liegen die Schichten
Fig. 93. Becken mit zwei Grundwaaserschichten (1 u. 3) horizontal, SO bildet
und zwei undurchlässigen Schichten ( 2 u. 4). a artesiecher es gleichsam einen
Brunnen, b gewöhnlicher Brunnen. St‘e' sind sie geneigt
so bewegt es sich
langsam in der Richtung der Abdachung. Im letzteren Falle finden
wir meist mehrere Grundwasserniveaus übereinander, durch un-
durchlässige Schichten voneinander getrennt. In Fig. 93, die uns die
Lagerungsverhältnisse eines Beckens schematisch vor Augen führt,
führen z. B. die Schichten 1 und 5 Grundwasser, denn die letztere,
die unter a und b tief im Boden begraben liegt, streicht an anderem
Orten zutage und erhält hier direkt atmosphärische Niederschläge.
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Das unterirdische Wasser.
355
Die oberste Grandwasseretage (1) ernährt unsere gewöhnlichen
Brunnen, DaubkRe nennt sie daher die phreatische Schicht (von
rf Qiufj = Brunnen). Manche Schriftsteller wenden auf sie allein die
Bezeichnung Grundwasser an; wie überhaupt der Begriff Grund-
wasser zu denjenigen gehört, über die in der Litteratur die größte
Verwirrung herrscht.
In den Brunnen erscheint das Grundwasser als Wasserspiegel,
dessen Höhe sich von einer Jahreszeit zur anderen, von einem Jahre
zum anderen ändert. Diese Schwankungen sind vor allem von zwei
Faktoren abhängig, die sich einander ent-
gegenarbeiten: von dem Niederschlage und
der Verdunstung; und seine jährliche Periode
richtet sich nach demjenigen Faktor, der
größeren jahreszeitlichen Schwankungen unter-
worfen ist *. Die Niederschläge sind aber nicht der Küste. ^(Zbwsnivean
ausschließlich die Ernährer des Grundwassers, bei Ebbe, t bei Flut; gg'
denn in den Klüften und Poren des Gesteins ^""d^Lige^Zcht:
zirkuliert auch Luft und kondensiert hier
im Sommerhalbjahr, wo die Bodentemperatur bis 30 m Tiefe niedriger
ist wie die Luftwärme, seinen Inhalt an Wasserdampf.3 Außer der
atmosphärischen Feuchtigkeit dringt auch Fluß- und Seewasser in
die durchlässigen Uferwandungen ein und durchnäßt ein größeres
oder kleineres Gebiet. In manchen Küstengegenden fällt und steigt
x Ale Repräsentanten der beiden Typen führt Sovka* München und Berlin
an. In nachstehender Tabelle ist die Verdunstung durch das Sättigungsdefizit
ausgedrückt, die Grundwasserhohe ist die Höhe des Wasserspiegels über dem
Meere. Die jahreszeitlichen Werte sind als Abweichungen vom durchschnitt-
lichen Monatsmittel gegeben, um den Parallelismus klarer hervortreten zu
lassen. Man beachte besonders das gegenteilige Verhalten der Stationen im
Winter und Sommer; in München steigt und fällt das Grundwasser mit dem
Regen, in Berlin ist es dagegen von der Verdunstung abhängig. Im Frühling
schwillt es durch die Schneeschmelze an.
München 1856—85
Berlin 1870 — 85
Nieder-
schlag
Ver-
dunstung
Grund-
wasser-
höhe
Nieder-
schlag
Ver-
dunstung
Grund-
wasser-
höhe
Monatsmittel .
66,i mm
1,50 mm
515,.6 m
47,» mm
2,n mm
32,6. m
Winter . . .
— 29,5
-1,38
— 0,07
- 7.»
-1,01
+ 0,03
Frühling . .
- 5,5
+ 0,n
+ 0,04
- 8,i
+ 0,03
+ 0,81
Sommer . .
+ 42,.
+ 1,6»
+ 0,18
+ 15,3
+ 2,40
— 0,08
Herbst . . .
- b*
-0,»»
— 0,08
- 0,o
— 0,54
— 0,22
23"
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356
Die Dynamik des Landes.
das Brunnenniveau mit Ebbe und Flut; Fig. 94 zeigt uns, wie das
Grnndwasser, das bei Ebbe einen Ausfluß zum Meere hat, bei Flut
gestaut wird.
So geartet sind die Verhältnisse in den breiten Alluvialthälem
der Gebirge und auf den weiten Ebenen, die mit lockeren Massen
bedeckt sind. Das sind aber gerade die am dichtesten besiedelten
Gebiete der Erde, und daraus erhellt, welche Bedeutung dem Grund-
wasser zukommt.
Wesentlich anders gestaltet sich die unterirdische Wasserzirku-
lation im zerklüfteten Boden. Auch hier wandert es in die Tiefe,
bis es durch eine zusammenhängende undurchläßige Schicht gehemmt
wird, aber es breitet sich nicht flächenartig aus, sondern bewegt
sich durch die Spalten und Schichtungsfugen wie in Kanälen.
Darin besteht die Eigentümlichkeit des Kluftwassers gegenüber
dem Grundwasser.
Das Karstphänomen.4 Es ist vorauszusetzen, daß auch das Kluft-
wasser seine erodierende Kraft bethätigt, indem es seine Kanäle
allmählich erweitert; aber größere Veränderungen ruft es doch nur
dort hervor, wo sich zu der mechanischen Wirkung eine ausgiebige
chemische gesellt. Das ist vor allem der Fall in Salz, Gips und
Kalkgestein, die durch kohlensaures Wasser aufgelöst und fortgeführt
werden. Dadurch werden die ursprünglichen Klüfte zu mehr oder
minder großen Gängen und Hohlräumen erweitert. Am weitesten
fortgeschritten ist dieser Prozeß im Karste, jenem Kalkgebirge, das
sieb von der Laibacher Ebene über Istrien, Dalmatien, Bosnien, die
Herzegowina und Albanien bis nach Griechenland erstreckt, weshalb
man jetzt alle hierher gehörigen Erscheinungen unter dem Namen
Karstphänomen zusammenzufassen pflegt. Das Charakteristische
desselben besteht darin, daß (he Erosion hauptsächlich unter die
Oberfläche verlegt ist, wodurch eine starke Zerklüftung und Durch-
löcherung des ganzen Geländes erzeugt wird. Die weitverzweigten
Höhlen kann man füglich als unterirdische Thäler bezeichnen.
Wie in oberirdischen Thälern wechseln auch hier oft Engen und
Weitungen, findet man auch hier Seen und Wasserfälle. Wenn
viele Grotten keine Flüsse beherbergen, so erklärt sich dies daraus,
daß die Eröffnung neuer Klüfte (z. B. infolge von Erdbeben) das
Wasser von seiner ursprünglichen Bahn abgelenkt hat. Häufig münden
Seitenhöhlen in die Haupthöhle, wie Nebenthäler in das Haupt-
thal, oder die Zweiggänge eines Grottensystems sind nur verlassene
Wege des Hauptflusses. Manche Grotten bestehen aus mehreren,
etagenartig übereinander liegenden Höhlen, deren unterste in der
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Das unterirdische Wasser.
357
Regel von einem Bache durchflossen wird. Ein berühmtes Beispiel
dieser Art ist die Lueger Grotte in Krain.
Sind die Höhlen einerseits ein Produkt der zerstörenden Kraft
des Wassers, so sind sie andererseits auch ein Schauplatz von Neu-
bildungen. Kies und Lehm werden vom fließenden Wasser abge-
lagert, während die Tropfsteine von dem durch die Decke sickernden
Regen wasser gebildet werden. Dieses scheidet den Kalk, mit dem
es sich auf seinem Wege beladen hat, bei der Verdunstung zum Teil
an der Decke, zum Teil an dem gerade darunter liegenden Punkte
des Bodens aus. Die herabhängenden Tropfsteine oder Stalaktiten
und die vom Boden aufsteigenden Stalagmiten vereinigen sich end-
lich bei ungestörtem Wachstum zu Säulen (Fig. 95). Neben den
Fig. 05. Aus der Adelsberger Grotte in Krain.
Zapfen und Kegeln, die dem tropfenden Wasser ihre Entstehung
verdanken, giebt es auch schwammartige Kalkbildungen, die aus
größeren Wassermengen abgelagert sind, und oft einen zauberhaften
Anblick gewähren, wie z. B. die Draperien an den Wänden, die
durch Niederschläge aus den Überrieselungen der Wandflächen ent-
stehen. Ist der Kalk rein, so sind alle diese Bildungen wasserhell;
häufig werden sie aber durch Beimengung von Metalloxyden, beson-
ders von Eisen, gefärbt.
In den sog. Eishöhlen vertritt Eis die Stelle des Tropfsteins.
Es sind diess stets Sackhöhlen, d. h. ihr Eingang liegt höher, als
der übrige Höhlenraum, ln diesem sammelt sich die schwere kalte
Winterluft, wie in einem Gefäße, und wird, da sie nicht abfliessen
kann, von der wärmem Luft im Frühjahr und Sommer nicht ver-
drängt. Eishöhlen können daher nur in Gegenden Vorkommen, wo
die winterliche Temperatur dauernd unter den Gefrierpunkt sinkt.6
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358
Die Dynamik des Landes.
Manche unterirdischen Flüsse des Karstes treten niemals zu
Tage und münden unterirdisch in das Meer. An solchen Stellen hat
das Seewasser geringen Salzgehalt. Wir begegnen diesem Phänomen
an allen Kalkküsten. In den dalmatinischen Gewässern hat z. B.
die Hertha-Expedition das Vorhandensein zahlreicher Grundquellen
festgestellt. Die Quelle von Cannes mündet 162, die von S. Remo 190,
die am Kap St. Martin sogar 700 m unter dem Meeresniveau. Anderer-
seits tritt auch das Meerwasser in die Klüfte des Kalksteines ein
und bricht nach unterirdischem Laufe als Quelle hervor. Bekannt
Fig. 96. Flußsystem der Laibach in Krain, noch Urbas u. a.
Oberirdische, unterirdische Flußläufe.
sind die beiden Quellen bei Argostoli auf Kephalonia, die stark genug
sind, um Mühlen zu treiben; und einen ähnlichen Fall hat vonLobenz
in Istrien beobachtet
Die Mehrzahl der KarstHüsse Hießt aber teils in unterirdischen,
teils in oberirdischen Tliälern. Ein bekanntes Beispiel bietet der
Laibachtiuß (Fig. 96), der als Poik seinen Anfang nimmt, dann bei
Adelsberg in die berühmte Grotte eintritt, als Unz wieder zu Tage
kommt, abermals verschwindet und endlich unter dem Namen Lai-
bach das oberkrainische Thalbecken betritt. Von den 85 km seiner
Gesamtlänge kommen 20 auf den unterirdischen Lauf, und in gleicher
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Das unterirdische Wasser.
359
Weise verhalten sich auch viele seiner Nebenflüsse. Das Verschwinden
geschieht entweder plötzlich in eine Spalte oder in eine im Niveau
der Thalsole sich befindende Höhle.
Soweit die oberirdischen Thalstücke eng und gewunden sind,
dürften sie nichts anderes sein, als eingestürzte Höhlen. In vielen
Fällen läßt sich dieser Ursprung noch direkt nachweisen, wenn Reste
der alten Decke in der Form von Tunnels oder natürlicher
Brücken noch erhalten sind. Doch werden Brücken dieser Art
auch durch herabgestürzte, große Felsblöcke gebildet, die sich
zwischen den unteren Thalwänden einklemmen; und eine dritte Ent-
stehungsart. durch Überwucheruug mit Travertinablagerungen, hat
Keller an einem Beispiele aus der Provinz Umbria erläutert.6
Eine andere Bewandtnis dürfte es aber mit jenen breiten ober-
irdischen Thalstücken, wie denen von Planiua und Zirknitz, haben,
für die sich am besten der in Bosnien übliche Namen Polje (Feld)
eignet Auch sie sind von allen Seiten geschlossene, langgestreckte
Becken oder Wannen, wie sie Penck genannt hat, oft von bedeutender
Ausdehnung; das von Livno mißt z. B. 379 qkm. Der Mehrzahl nach
streichen sie parallel mit dem Gebirge und den Schichtenfalten nach
Nordwest, und damit hängt auch ihre reihenweise Anordnung zu-
sammen. Soweit unsere Kenntnisse reichen, kommen sie nur in dis-
lozierten Gebieten vor, und Märtel betrachtet sie mit Recht als alte
Seebecken und führt ihre Entstehung auf dieselben Bodenbewegungen
zurück, die auch in anderen Gebirgen die Bildung von Seebecken
veranlaßten; nur daß bei den letzteren der oberirdische Abfluß au
einer Seite eine Öffnung geschaffen hat Manche Poljen beherbergen
noch abflußlose Seen, wie das von Janina in Epirus oder das Vrana-
becken auf der Insel Cherso; andere werden nur noch periodisch
mit Wasser gefüllt Der Zirknitzer See ist das am besten studierte
Beispiel dieser Artx. Das seebildende Wasser kommt in allen Fällen
hauptsächlich von unten, aus den mit Geröll bedeckten Spalten und
Löchern am Fuße des Gebirges oder am Boden der zeitweilig wasser-
bedeckten Thalebene, und verschwindet dann auch wieder in den-
selben. -Alle diese Sauglöcher führen nach Tietze zu einem verti-
kalen Spalteusysteme , das einerseits mit unterirdischen Wasser-
behältern, andererseits mit der Oberfläche in Verbindung steht. Bei
anhaltendem Regen oder bei Schneeschmelze werden diese Adern
mit Wasser gefüllt, und aus den in tieferem Niveau mündenden
muß dann das Wasser nach dem Gesetze der kommunizierenden
s Ein Seitenstück dazu ist der Bauerugraben oder Hungersee am Süd-
abliange des Harzes (vgl. Petermanns Mitteilungen 1864, S. 43 u. 1911.
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360
Die Dynamik de» Landes.
Fig. Ö7. Doppeldoline bei I-esetsche im Kurs!
nach Rf.yf.b.
Gefäße hervortreten und das Thal erfüllen. Wird durch irgend ein
Ereignis dem Wasser ein anderer unterirdischer Weg angewiesen,
so hört die Seebildung ganz auf, wie in der Ebene von Verdoletsch
in Kroatien oder wie auch
in manchen Poljen inner-
krains. Nun ist das Polje
trocken, und es hängt
ganz von der Beschaffen-
heit des ehemaligen See-
bodens, von der Verteilung
der Sauglöcher und von
den Beziehungen zu benachbarten Höhlen ab, ob es von einem oder
mehreren verschwindenden Flüssen bewässert wird oder ganz des
Wassers entbehrt. Die Poljen von Zirknitz und Planina (s. Fig. 96)
z. B. sind in das Abfiußsystem der Laibach einbezogen.
Noch einer anderen Eigentümlichkeit des Karstes muß gedacht
werden. Nicht bloß die Oberfläche des Karstplateaus, sondern auch
die Abhänge der Berge sind mit schüssel- oder trichterförmigen Ver-
tiefungen bedeckt, für die die deutsche Wissenschaft die slovenische Be-
zeichnung Doli neu angenommen hat. Sie treten vereinzelt oder gesellig
auf, und sind häutig so dicht neben einander (oft 40—50 auf 1 qkm!),
daß die Karstoberfläche in der That einem blatternarbigen Gesichte,
womit man sie so oft verglichen hat. ähnlich sieh t. Die Form dieser
Löcher ist bald kreisrund, bald unregelmäßig, ihre Tiefe variiert
zwischen 2 und 20 m, ihr Durchmesser von 10 bis 120 m. Selten
besteht der Boden aus nacktem Fels, meist ist er mit Zersetzungs-
lehm bedeckt, hier und da auch mit Wasser und in den höheren
Regionen auch mit dauerndem Schnee gefüllt Von diesen geschlos-
senen Felsendolinen siud die Naturschachte und Scbwemm-
landdolinen zu unterscheiden. Die ersteren sind Felsendolinen,
die entweder mittels einer verbreiterten Spalte zu einer blindeu Höhle
oder mittels eines breiten Schlotes zu einem unterirdischen Fluß-
thale führen (Fig. 100). Die Schwemmlanddolinen treten im lockeren
Boden auf, sei es auf dem Lehmboden großer Felsendolinen. sei es
auf Thalböden. Nur von ihnen gilt, was Pilar vom kroatischen
Grenzbezirke berichtet, nämlich daß die Neubildung von Dolinen so
rasch vor sich gebe, daß mancher Bewohner, der nach einigen
Jahrzehnten in seine Heimat kam, dieselbe kaum mehr zu erkennen
vermochte, denn Häuser waren infolge von Einstürzen verlegt, neue
Wege waren gebahnt, Obstgärten waren verschwunden. Hier finden,
das liegt auf der Hand, Einstürze über breiten Spalten im Unter-
gründe statt. Dieselbe Entstehungsweise schrieb man auch den
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Das unterirdische Wasser.
361
Felsendolinen und Naturscliaehten zu, und in manchen Fällen
dürfte diese Erklärung zutreffend sein. Zwischen dem Tartarusarm
der Adelsberger Grotte und der Höhle von Ottok breitet sich ein
großes Trümmerfeld aus und gerade über ihm befindet sich die
Doline Stara Apnenca. Hier ist offenbar, wie aus Fig. 98 erhellt,
die Decke des ehemaligen Hohlraumes, der den Tartarus mit der
Ottokgrotte verband, eingestürzt Dagegen können wir in anderen
Fig. 98. Die Einsturzdoline Stara Apnenca in Krain, nach Märtel.
Fällen direkt nachweiseu, daß ein derartiger Vorgang nicht statt-
gefunden hat. Der Bau einer 3 m tiefen Doline bei Unterloitsch
ist durch einen Eisenbahneinschnitt völlig aufgedeckt (Fig. 99). Hier
ist die Doline in festen Fels eingesenkt, der Boden ist — wie die
Zeichnung durch Punktierung andeutet — bis zu einer gewissen
Tiefe durch Verwitterung mürbe gemacht oder aufgelöst, am tiefsten
unter dem Boden der Doline, von wo sich enge Spalten nach der
Tiefe ziehen. Hier kann von Einsturz keine Bede sein ; die einzige
Erklärung, die uns übrigbleibt, ist die durch chemische Erosion
des Kalksteins, die das Wasser entlang
vorhandener Spalten bewirkte. Wir
dürfen annehmen, daß dieser Prozeß
sich auf diejenigen Stellen konzentrierte,
wo besonders viele Vertikalspalten der
Zersetzung vorgearbeitet hatten und die
Abfuhr der Zersetzungsprodukte nach
der Tiefe begünstigten. Mit der Zeit
wurden diese Spalten verstopft und die ,*itech in Krain> nach CvlJl6
Verwitterungserde konnte sich nun auf
dem Boden der Doline ansammeln. Auch viele Naturschachte sind
nichts anderes, als durch chemische Erosion erweiterte Vertikal-
spalten; ein nicht mißzuverstehendes Beispiel dieser Art aus dem
französischen Karstgebiete bietet uns Fig. 100.
Den Dolinen nahe verwandt sind die geologischen
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362
Die Dynamik des Landes.
Orgeln, kleine, kaminartige Löcher im thonigen Kalksteine, die
aber stets mit lockeren Massen bedeckt und ausgefüllt sind und
daher nur in Einschnitten zu Tage treten. Ein Oberflächengebilde
anderer Art wie die Dolinen, aber ebenfalls durch chemische
Erosion entstanden, sind die in den Kalkalpen wohlbekannten
Karren oder Schratten (Fig. 101).
Sie treten bald allein, bald mit Dolinen
vergesellschaftet auf, und zwar nur auf
vegetationslosen Kalkflächen, wo das Regen-
und Schmelzwasser oberflächlich abfließen
kann. Statt Löcher bilden sich dann zahl-
reiche lauge und parallele Furchen, die
der Abdachung folgen, und zwischen welchen
Rippen von verschiedener Breite, oft mit
messerscharfer Kante und dann sehr gefähr-
lich für den Wanderer, sich erheben. Be-
sitzt die Oberfläche eine geringe Neigung,
so herrschen unregelmäßige tiefe Löcher und
kurze Furchen vor. Stets entsprechen die
Vertiefungen den leichter, die Erhebungen
den schwerer löslichen Partien; ist der
Kalkstein unrein, so bilden sich zwar rauhe
Oberflächenformen, aber keine Karren. x
Überblicken wir noch einmal alle die
verschiedenen Elemente des Karstphänomens :
1. Gebilde der Tiefenerosion:
a) primäre: Höhlen.
b) Sekundäre, durch Einsturz ent-
standen :
Fig. 10U. Naturschacht Font-
longue bei dem Dorfe Bidon,
Dep. ArdOche, nach M ARTEL.
u) alle Schwemmlanddolinen,
ß) Felsendolinen, zum Teil,
y) Naturschachte, zum Teil,
Ö) Oft'ene Thalstücke.
x Iii neuerer Zeit wurde vielfach die Ansicht laut, daß die Karren durch
die Schmelzwässer eiszeitlicher Gletscher geschaffen wurden, allein sie sind
keineswegs auf alte Glazialgebiete beschränkt, sondern kommen in allen Klimaten
und in den verschiedensten Höhenlagen vor. Gletsehererzeugnisse mögen aber
wohl jene breiten gewundenen Furchen sein, die durch gerundete Rücken von-
einander getrennt werden, und auf die man leider auch die Bezeichnung Karren
anwendet.
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Dag unterirdische Wasser.
3li3
2. Gebilde der Oberflächenerosion:
a) Im reinen Kalkstein.
a) Auf ebenem oder sauft geneigtem Kalkboden:
au) Felseudolinen, /um Teil,
ßß) Xaturschachte, zum Teil.
ß) Auf stark geneigtem Kalkboden: Karren.
b) In unreinem Kalkstein: geologische Orgeln.
3. Tektonische Formen, durch die Tiefenerosion modifiziert:
Poljen.
Nicht alle Elemente des Karstphänomens sind überall in gleicher
Weise ausgebildet, am seltensten, wie es scheint, die Poljen. Die
Fig. 101. Ein Karrenfeld nach Heim.
Causses in Frankreich sind z. B. verhältnismäßig wenig höhleu-
aber sehr dolinenreich, während umgekehrt der Wüstenkalk des
Antilibanon zahlreiche Grotten birgt, der Dolinen aber gänzlich ent-
behrt. Sieht man von der Vollständigkeit ab, so kann man sagen, daß
das Karstphänomen eine allgemeine Verbreitung besitzt. Weder
das geologische Alter noch die Lageruugsverhältnisse der Kalksteine
sind darauf von Einfluß. Es kommt ebenso in Faltengebirgen wie
in horizontal geschichteten Plateaus (z. B. in Livland oder in den
Causses) vor. Maßgebend ist nur die größere oder geringere Rein-
heit des Kalksteines, und nur diesem Umstände ist es zuzuschreiben,
daß die Caprotinen- und Rudistenkalke der Kreideformation die
Hauptträger des Karstphänomeus zu sein scheinen.
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364
Die Dynamik des Landes.
In Europa sind neben dem Karstgebirge (im weitesten Sinne
des Wortes) die Kalkplateaus der Causses im französischen Zentral-
massiv das ausgedehnteste und — Dank den jahrelangen Forschungen
Martels — bestbekannte Karstland. Von den zahlreichen außereuro-
päischen Vorkommnissen wollen wir nur zwei nennen: Jamaica, ein
echtes Karstland, dem auch die Poljen nicht fehlen, und das umfang-
reiche Höhlengebiet der Vereinigten Staaten zwischen dem Alleghauy-
Gebirge und dem Missisippi. Die Mammuthöhle in Kentucky besteht
aus nicht weniger als 203 Gängen mit einer Gesamtlänge von 240 km,
gleich der Entfernung Berlin-Hamburg! Das läßt alles, was sonst
von solchen Bildungen bekannt ist, weit hinter sich zurück, denn die
nächst grösste Höhle der Welt, die Wyandotthöhle in Indiana, mißt nur
37,6 km und die längsten Grotten des Karstes haben nur 5 — 6 km.
Ob die Höhlen der gehobenen Koralleninseln auch in die Kate-
gorie des Karstphänomens gehören, mag noch dahingestellt bleiben,
da schon die lebenden Riffe nicht massive Bauten sind. Kraus
zählt sie gerade so wie die Blasenräume in Eruptivgesteinen zu den
ursprünglichen Höhlen.
ftuellbildung.7 Wir haben das Wasser auf seinen unterirdischen
Wegen begleitet, und haben nun die Bedingungen zu untersuchen, unter
welchen es — oft weit von seinemürsprungsorte — als Quelle wieder
zutage tritt. Freilich nicht immer als scharf markierter Wasser-
faden. Häufig bezeichnen nur ein intensiveres Grün der Vegetation,
Binsen, sumpfiger Boden oder dunkle Flecken inmitten ausgetrock-
neter Felder die Stelle, wo Wasser aus dem Boden hervordringt;
in diesen Falle versinkt es auch zum Teil wieder in die Erde, um
seinen Kreislauf von neuem zu beginnen.
Zwei Fälle sind zu unterscheiden: 1) die undurchlässige Schicht
wird von einer Vertiefung an der Erdoberfläche durchschnitten und
das Bodenwasser tritt in der Schnittlinie zutage. Das sind ab-
steigende Quellen, die lediglich dem Gesetz der Schwere folgen.
2) Die undurchlässige Schicht liegt unter der Oberfläche und das
Bodenwasser wird entweder durch hydrostatischen Druck oder durch
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Das unterirdische Wasser.
365
komprimierte Gase (Kohlensäure oder Kohlenwasserstoff*) oder durch
Wasserdampf in Spalten in die Höhe getrieben. Das sind auf-
steigende Quellen.
An dem schematischen Durchschnitte in Fig. 102 sollen einige
Arten der Quellbildung erläutert werden. AB ist die undurch-
lässige Schicht mit Hach welliger Lagerung. Das Thal I schneidet
in dieselbe ein. Ihr entlang bewegt sich das Bodenwasser — sei
es Grund- oder Kluftwasser — auf der rechten Seite dem Thale
zu und tritt in S als Schichtquelle hervor. Daß dies nicht gleich-
mäßig am ganzen Gehänge geschieht, hat seinen Grund in den Un-
ebenheiten der Unterlage oder in Spaltengängen, die dem Wasser
bestimmte Bahnen anweisen. Dies ist ein Beispiel einer absteigen-
den Quelle.
Im Thale II bleibt die linke Böschung aus schon erörterten
Gründen trocken. Die rechte kann aber Quellen besitzen, denn
zwischen II und IV bildet die undurchlässige Schicht eine Mulde,
und sobald sie angeschnitten wird, preßt der hydrostatische Druck
das Bodenwasser an beiden Schnittlinien als sogenannte Uberfalls-
quellen heraus. Solche finden sich in den Thälem II und IV (u).
Im Thale III kann das Bodenwasser ebenfalls durch seinen eigenen
Druck in einer Spalte aufsteigen, wenn der Thalboden tiefer liegt
als die Muldenränder der undurchlässigen Schicht Solche Quellen
nennt man Spaltquellen (Sp) Dazu gehören auch die arte-
sischen Brunnen, bei denen die Spalte künstlich durch Bohrung
erzeugt wird, wenn sie auch meist tiefere Etagen des Bodenwassers
anzapfen (s. a. in Fig. 93). Verwandt sind ihnen auch die Quell-
tümpel (in manchen Gegenden Seeaugen genannt), die dadurch
entstehen, daß das Grundwasser bei hohem Stande eine Vertiefung
der wasserführenden Schicht oder deren Decke, wenn eine solche
vorhanden ist, völlig erfüllt. Ein solcher Quelltümpel im großartigen
Maßstabe ist der Neusiedler See, der infolge trockener Jahre 1865
ganz verschwand, aber seit 1867 sich wieder zu füllen begann.
Im Thale IV lernen wir noch eine andere Art der Quell-
bildung, die Verwerfungsquelle (v) kennen. Die undurchlässige
Schicht ist hier längs einer Spalte derart verschoben, daß ihr linker
Flügel vor die durchlässige Schicht des rechten Flügels gebracht
wird. Das Bodenwasser, das auf der rechten Thalseite abwärts
fließt, wird dadurch plötzlich gehemmt und gezwungen, entlang der
Verwerfungsspalte in die Höhe zu steigen. Spalten- und Verwerfungs-
x Die Kohlenwasserstoffquellen haben wir als Schlammsprudel schon
kennen gelernt (s. S. 321).
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306
Die Dynamik des Landes.
quellen sind die einfachsten Beispiele aufsteigender Quellen. Viel
komplizierter liegen die Verhältnisse in stark disloziertem Boden, wo
ein weitverzweigtes Netzwerk von Spalten die Quellen zutage fördert.
Einteilung der Quellen. Die wichtigsten Eigenschaften der
Quellen sind ihre Wassermenge, ihr Gehalt an festen Bestandteilen
und ihre Temperatur.
Wie das Grundwasser, so sind auch die Quellen von den Nieder-
schlägen abhängig. Spalten, die unter normalen Verhältnissen trocken
sind, ergießen in sehr nassen Jahren die sog. Hungerbrunnen,
die diese Bezeichnung deshalb führen, weil sie als Anzeichen einer
schlechten Ernte betrachtet werden. In Gegenden mit periodischem
Regen fließt auch die Mehrzahl der Quellen periodisch, überhaupt
besitzen nur solche Quellen, die mit großen unterirdischen Wasser-
reservoirs (z. B. in der Nähe von Seen) in Verbindung stehen, eine
gleichmäßigere Wassermenge. Je ausgedehnter das Quellgebiet eines
Ortes ist, desto unabhängiger wird es in den Wasserverhältnissen
von seinem eigenen Klima. In regenlosen Gegenden treten die
Quellen in weiter Entfernung von ihrem Ursprünge hervor, ln den
Oasen der libyschen Wüste, deren eine Kette parallel mit dem Nil
zieht, wrährend die andere den Südabhang des cyrenäischen Plateaus
umsäumt, stammen sie nach Zittel aus dem tropischen Regengebiete
von Afrika. Auf den wasserdichten Schichten der nubischen Sand-
steinformation fließt das Sickerwasser nach Nordosten, wo es sich
in einer seichten Mulde westlich vom Nil ansammelt, da eine schwache
Aufbiegung der Kreideschichten unter der nördlichen Oasenreihe
den Abfluß zum Mittelmeere verhindert. Die ältere Hypothese, daß
das Seihwasser des Nils die östlichen Oasen speise, erweist sich schon
deshalb als unhaltbar, weil die Schichten gegen den Nil einfallen.
Die Franzosen haben in der algerischen Sahara von dem erstaun-
lichen unterirdischen Wasserreichtume der Wüste durch artesische
Brunnenbohrungen den ergiebigsten Gebrauch gemacht.
Je weitere unterirdische Bahnen eine Quelle durchwandert,
desto mehr belädt sie sich mit festen Bestandteilen, unter denen
Karbonate, Sulfate und Chloride die wichtigsten sind. Denn überall,
nicht bloß in direkt löslichen Gesteinen, wirkt die chemische Erosion
des kohlensäurehaltigen Wassers. Der Mineralgehalt der Quelle
hängt zunächst von der Beschaffenheit des Muttergesteins ab. In
England sind jene Quellen am reinsten, die aus dem Granit und
Gneiß kommen; ihnen zunächst kommen die aus dem Silur und
Kohlensandstein stammenden; am meisten verunreinigt sind jene,
die ihren Weg durch den Dyaskalk und durch das Diluvium und
Alluvium nehmen. Unter sonst gleichen Umständen sind Thermen
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Das unterirdische Wasser.
367
reicher an festen Bestandteilen, als kalte Quellen, weil warmes
Wasser eine größere Lösungskraft besitzt; doch giebt es auch ver-
hältnismäßig reine Thermen, wie die von Pfäffers, Gastein. Plom-
bieres und Bormio.
Je nach dem vorherrschenden Mineralgehalte unterscheidet man
Kalk-, Kiesel-, Stahl-. Natron-, Schwefel-, Soolquellen u. s. w.; sind
die Quellen sehr kolilensäurereicb, so nennt man sie Sauerquellen.
Viele von ihnen haben wegen ihrer Heilkraft große Bedeutung,
einige wirken sogar auf die Oberflächengestaltung ein. Das gilt
hauptsächlich von den kalk- und kieselsäurereicheil Quellen;
letzterer, die stets heiße Quellen sind, werden wir sogleich gedenken.
Die ersteren lagern Travertin, oft in großer Mächtigkeit, ab. Aus
Italien sind viele Beispiele davon bekannt; am berühmtesten sind
die Ablagerungen des Anio bei Tivoli. Das an den Ufern wachsende
Rohr wird inkrustiert, der Schaum des Wasserfalles bildet Stalaktiten,
und die tiefe Schlucht, in die er sich stürzt, besteht aus horizon-
talen Schichten von Tuffen und Travertin von 120 — 150 m Mächtig-
keit, ist also zum großen Teil selbst ein Ablagerungsprodukt des
Flusses. Noch weit großartiger sind die Travertinbildungen der
Quellen auf dem kleinasiatischen Plateau Pambuk-Kalassi in der
Nähe der alten Stadt Hierapolis.
Quellen, die dem Grundwasser entstammen, also aus mäßiger
Tiefe kommen, haben eine Temperatur, die im allgemeinen der mitt-
leren Jahreswärme des betreffenden Ortes entspricht, aber doch eine
jährliche Schwankung zeigt. Kälter sind die absteigenden Quellen
im Gebirge, die durch Schnee- und Gletscherwasser gespeist werden, x
und die unterirdischen Abflüsse tieferer Seen, deren Bodenschicht
bekanntlich nur eine Temperatur von 4° besitzt. Als warme Quellen
oder Thermen bezeichnet man jene, deren Temperatur die mittlere
Jahreswärme der Luft an dei Ausflußstelle übersteigt. Man kann
daher relativ und absolut warme Quellen unterscheiden, und als
Grenzwert das höchste thermische Jahresmittel im Meeresniveau (30°)
annehmen. xx Ihre höhere Temperatur ist aber nach DaubbEes
x Die höchsten, bisher bekannt gewordenen kalten Quellen liegen nach
einer Zusammenstellung von Scblagintweit in Tibet 5379, im Himalaja 4852,
in den Andes 4732 und in den Alpen 3182 m hoch (Petermanns Mitteilungen
1865, S. 367).
xx Dampfquellen (100°l hat Europa nur eine: die Soffioni in Toskana.
Über 80° haben die Bäder auf den Liparen ( 97—100°), Gurgitello auf lschia(90°),
die Nerobäder (86°) und Pisciarelli (84°) bei Pozzuoli, Albano in den Euganecn
tS4,s°), Chaudesaigues in Frankreich (Cantal, 88°| und die Petersquelle im Terek-
thale (89°). Berühmte Thermen in Mitteleuropa sind Burtscheid (78°), Karlsbad
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368
Die Dynamik des Landes.
Ansicht nicht immer ein Beweis dafür, daß sie aus großen Tiefen
stammen; sie können auch durch vulkanisches Gestein, das seine
Wärme noch großenteils bewahrt hat, erhitzt worden sein. In der
Regel sind sie aber wohl an ein tief hinabreichendes, vertikales
Spaltensystem gebunden, also ebenso, wie die Vulkane eine Begleit-
erscheinung beträchtlicher Schichtenstörungen. Daher entspringen
heiße Quellen auch dort, wo es nicht zu vulkanischen Ausbrüchen
kam. Daraus erklärt es sich auch, daß die in stark dislozierten
Gegenden häufigen Erdbeben oft dauernd die Temperatur der Ther-
men verändern, indem sie tiefere Spalten entweder öffnen oder
schließen. Durch das Lissaboner Erdbeben (1755) wurde z. B. die
Temperatur der Königinquelle zu Bagneres de Luchon in den Pyre-
näen von . ca. 8 auf 50° erhöht, und andererseits verwandelte das
Erdbeben von 1660 die Thermen zu Bagneres di Bigorre in kalte
Quellen. Auch ihr ziemlich gleichmäßiger Wasserreichtum weist
darauf hin, daß ihr Sammelgebiet dem Einflüsse der meteorologischen
Schwankungen fast ganz entrückt ist.
Geysir.9 Kochend heiße Quellen kommen nur in vulkanischen
Gegenden vor. Steigt ihre Temperatur über den Siedepunkt, so
verwandeln sie sich zum Teil oder ganz in Dampf, wie die Karapiti
auf Neuseeland. Die interessantesten Erscheinungen dieser Art sind
die Geysire, intermittierende Springquellen, die in der Regel große
Quantitäten Kieselsinter um ihre Mündungsstelle absetzen. Dadurch
entstehen meist allmählich ansteigende Kegel mit einem flachen
Becken in der Mitte, auf dessen Boden ein
zylindrischer Kanal mündet. So gebaut ist
der Große Geysir auf Island (Fig. 1 03 u. 1 04),
der dem Phänomen den Namen gab und
bisher auch am eingehendsten studiert wor-
den ist. Vor der Eruption ist sein Becken
mit kry stallhellem, bläulichgrünem Wasser
gefüllt, dessen Temperatur von oben nach
unten zunimmt und gleichzeitig auch in
jeder Schicht bis zum Zeitpunkte der Erup-
tion sich steigert, ohne irgendwo den Siede-
punkt zu erreichen. Heftiger unterirdischer
Donner kündigt den Ausbruch an, das
Wasser beginnt zu wallen, kleinere Erup-
tionen erfolgen, endlich schießt ein Strahl heißen Wassers, ca. 3 m
stark und über 30 m (einmal sogar 70 m) hoch, von Dampfwrolken
(74°), Gastein (71,5°), Wiesbaden (69°), Baden-Baden (67°), Ofen (61°), Mehadia (55°),
Aachen (55°), Leuckerbad (51°), Teplitz (49°), Ems (47,5°) etc.
Fig. 103. Durchschnitt des
Großen Geysirs auf Island in
1:1000 nach den Messungen
von Coles(1881). Die Zahlen
links sind beobachtete Tempe-
raturen, die rechts die der
Tiefe entsprechenden Siede-
punkte. KS. = Kieselsinter.
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I)aa unterirdische Wasser.
369
umgeben und manchmal auch von Steinen begleitet, hervor. Von
Zeit zu Zeit scheint der Strahl einzusinken, aber immer wieder
erhebt er sich. Nach ca. 10 Minuten fallt er endlich in sich zu-
sammen, das Becken ist leer und nur die Steigrohre ist noch bis
2 m unter der Oberfläche gefällt. Nach einer Pause von mehreren
Stunden wiederholt sich dieses imposante Schauspiel in der eben ge-
schilderten Reihenfolge.
Es ist klar, daß Dampf die Wassermasse im Kanal empor-
schleudert, und die verschiedenen Erklärungsversuche weichen nur
in der Angabe der Örtlichkeit, wo die erste Dampfentwicklung
stattfindet, von einander ab. Altere und neuere Theorien verlegen
sie in Hohlräume, die mit der Steigrohre in Verbindung stehen,
Bunsen dagegen in die Mitte der Steigrohre selbst. Für den Großen
Geysir ist diese Annahme auch durch Beobachtung erhärtet,
denn Steine und ein Ther-
mometer, die auf den
Boden der Röhre versenkt
wurden, wurden nicht aus-
geschleudert, ja letzteres
blieb sogar bei einer hef-
tigen Eruption völlig un-
versehrt. In der That
ersehen wir auch aus den
Zahlen in Fig. 103, daß
sich gerade in der Mitte
des Kanales die Tempera-
tur des Wassers am meisten
dem Siedepunkte nähert;
hier muß ein besonderer
Wärmeherd liegen, und
damit stimmt auch der
Bau der Röhre, die nach
Brysons Entdeckung in
1 3 */2 m Tiefe eine ein-
springende Leiste besitzt
Die Wasserschicht cl mit
121,8° braucht nur um
2 m, bis zum Niveau c,
wo der Siedepunkt schon bei 120,s° liegt, gehoben zu werden, um
sich sofort in Dampf zu verwandeln. Diese Hebung wird durch die
Erhitzung des ganzen Röhreninhaltes von unten her bewirkt; die
Abkühlung von oben und die Zufuhr kalten meteorischen Wassers
Süpan, Physische Erdkunde. 2. Aull. 24
Fig. 104. Der Grojje Geysir nach Fuchs.
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370
Die Dynamik des Landes.
wirken entgegen, und darauf beruht die Periodizität der Ausbrüche
und ihre allmähliche Steigerung zu einer Haupteruption.
Es ist keineswegs ausgemacht, ob diese Erklärung für alle
Geysire ausreicht, da sie, und zwar selbst benachbarte, in vielen
wichtigen Merkmalen voneinander abweichen. Jedenfalls ist Bunsens
Annahme, daß ein Sinterbecken notwendig sei, nicht zutreffend,
denn der Steamboot-Geysir im Yellowstonegebiete zeigt erst die
ersten Ansätze zu einer solchen Umrandung. Beachtenswert ist auch,
daß es Malfboy in Neuseeland gelang, durch Ableitung einer
Wasserschicht von 60 cm Mächtigkeit die Puia-Therme in eine
Springquelle von 9 — 12 m Höhe zu verwandeln. 8
In Island ist neben dem schon genannten Großen Geysir der
Strokr, der erst 1784 während eines Erdbebens entstand, am be-
kanntesten, auch dadurch, daß man ihn durch hineingeworfene
Steine und Erde zur Eruption zwingen kann. Noch großartiger
ist dieses Phänomen im Nationalpark im Felsengebirge (am oberen
Yellowstone und Madison) entwickelt. Zahlreich sind hier die Dampf-
quellen, Geysire und heißen Quellen; im oberen Geysirgebiete am
Feuerlochflusse werden Wasserstrahlen von 70 — 80 m und Dampf-
säulen von 300 m Höhe emporgeschleudert Diesen beiden Be-
zirken kann sich nur noch die Nordinsel von Neuseeland an die
Seite stellen. Einen wunderbaren Anblick boten einst die terrassen-
förmig aufgebauten, marmorweißen Kieseltuffablagerungen des Teta-
rata, bis sie durch den Tarawera - Ausbruch im Jahre 1886 völlig
zerstört wurden. Sonst finden sich Geysire nur noch vereinzelt, wie
in Californien, nördlich von San Francisco, oder in Japan, wo Kuntze
ein Vorkommen beschrieben hat.
Litteraturnaeh weise. 1 Hauptwerk: Dagbr£e, Les eaux souterraines
i\ l’epoque actuelle, Paris 1887. — 1 Soyka, Die Schwankungen des Grund-
wassers, Wien 1888. — 5 Hann, Über eine neue Quellentheorie, in der Zeit-
schrift der österreichischen Gesellschaft für Meteorologie 1880. — * Cvuiö, Das
Karstphänomen, Wien 1893. Mabtel, Les abiines, Paris 1894. Khaus, Höhlen-
kunde, Wien 1894. — 5 Richter, Über Eishöhlen in Petebmanns Mitteilungen
1889. — 9 Keller, in Petermanns Mitteilungen 1881, S. 329. — 7 Haas,
Quellenkunde, Leipzig 1895. — * Hauptwerk: Holmes und Peale, Yellowstone
National Park, Washington 1883 (im 12. Annual Report of the U. S. Survey of
the Territories). — 9 Malfuoy in den Transactions of the New' Zealand In-
stitute 1891, Ud. XXIV, S. 579.
Das fliefsende Wasser.1
Wassermenge. Die Quellen, das oberflächlich abHießende Regen-
wasser uud das Schmelzwasser des Schnees und Eises vereinigen
sich schließlich zu Wasserfäden, die wir je nach ihrer Größe als
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Das fließende Wasser.
3'< 1
Bäche, Flüsse oder Ströme zu bezeichnen gewohnt sind. Dem
Gesetze der Schwere folgend, streben sie insgesamt dem tiefsten
Niveau der Erdoberfläche, dem Meeresniveau zu, wenn auch nicht
alle das Ziel erreichen. In regenarmen Gegenden ist ihre Wasser-
menge zu gering, als daß sie der Verdunstung Widerstand leisten
könnten, und so finden
sie ein vorzeitiges Ende,
indem sie entweder in einen
See münden, oder in den
Boden einsickern, oder von
der Sonne aufgezehrt, spur-
los verschwinden. Nur
größere Ströme, wie der
ägyptische Nil oder der
Euphrat und Tigris, deren
Quellgebiete in einer
niederschlagsreichen Zone
liegen, oder die durch die
Schmelzwässer schneereicher Hochgebirge ernährt werden, dringen
sieghaft durch Wüstendistrikte bis zum Meere durch.
Die Wassermenge, die den Ozean erreicht, schätzt Woeikow
auf 600 000 cbm in der Sekunde.
Die jährliche Periode (Fig. 105) und die Schwankungen
des Wasserstandes der Flüsse werden in unseren Gegenden, wo kein
Monat ohne Regen vergeht, mehr durch lokale Verhältnisse als
durch die Niederschläge bedingt. So verhält sich nach Hagen beim
Rhein an der holländischen Grenze die geringste Wassermenge zur
größten wie l:6,e, bei der Mosel oberhalb Metz wie 1:98 und bei
der Loire bei Briare wie 1:312,4. Diese Zahlen sind freilich nicht
ganz sicher, aber immerhin lehrreich. Die Ursache der starken
Schwankungen des Wasserstandes der Loire haben wir unzweifelhaft
in der fortschreitenden Entwaldung ihres Gebietes zu suchen.
Die Beobachtungen an den forstlich -meteorologischen Stationen in
Bayern ergaben zwar keine Beweise für die weit verbreitete An-
sicht, daß der Wald die Regenmenge erhöhe; aber jedenfalls ist es
sichergestellt, daß im Waldboden mehr Wasser einsickert als im
freien Felde, daß also mit der Entwaldung die Menge des ober-
flächlich abfließenden Wassers zu- und die Zahl der Quellen ab-
nimmt. Zur Zeit heftiger Regengüsse müssen daher die Flüsse
mächtig anschwellen, während in der Periode des Niedrigwassers die
Ernährung durch die Quellen gering ist Am Niederrhein ist die
jahreszeitliche Verteilung der Niederschläge eine sehr gleichmäßige
24*
Fig. 105. Wasserstand der Memel bei Tilsit im
Mittel der Jahre 1842 — 71.
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372
Üie Dynamik des Landes.
denn im Sommer, wenn der Spiegel anderer Flüsse beträchlich sinkt,
erhält er reichlichen Zuschuß von dem schmelzenden Schnee der
Alpen. Außerdem wirken auch Seen und Ufersümpfe als Regula-
toren, indem sie zur Zeit großer Wasserfülle einen Teil des Wassers
zurückbehalten, um ihn in der Trockenzeit langsam wieder abzugeben.
Daher ist das Verhältnis des tiefsten Wasserstandes des Rheines zum
höchsten oberhalb des Bodensees in Graubünden = 1:70, bei Basel
aber nur =1:14.
Hoch- und Niedrigwasser treten bei großen Strömen nicht an
allen Orten gleichzeitig ein.2 Vom Bodensee bis Ketsch erreicht der
Rhein seinen höchsten Stand im Juli, wenn der Schnee in den
Alpen schmilzt, von Bacharach abwärts aber (wie die Weser) im
Februar, weil hier die Nebenflüsse durch die Schneeschmelze am
Beginne des Frühlings anschwellen. Das Frühlings-Hochwasser ist
besonders den großen Strömen der russischen und sibirischen Ebenen
eigen, deren Schneedecke weit rascher schmilzt, als die im Gebirge
(vergl. Fig. 105); hier tritt die jährliche Periode der Flußhöhe fast
ebenso scharf hervor, wie in den subtropischen und tropischen Län-
Fig. 106. Mittlere Nil wasserstände bei den Barrages unterhalb
Kairo 1849—78.
dern mit ihren ungleichmäßig verteilten Niederschlägen. Die spa-
nischen Plateauflüsse, die im Frühjahr zu brausenden Fluten an-
schwellen, ziehen sich im Sommer zu unscheinbaren Wasserfäden
zusammen; und in den Gebieten regenloser Sommer verschwinden
in dieser Jahreszeit viele von den kleineren Flüssen (intermit-
tierende Flüsse oder Fiumaren) ganz. Weniger schwankt der
Wasserstand nur bei jenen subtropischen Flüssen, die aus dem
Hochgebirge kommen, wie beispielsweise bei dem Guadalquivir.
Noch größer sind die Schwankungen in der Tropenzone, wo die
Regenzeit mit der alpinen Schneeschmelze zusammentrifft, wenn
nicht andere Verhältnisse mildernd einwirken, wie beim Nil
(Fig. 106) oder Ganges. Das Quellgebiet des ersteren liegt im
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Das fließende Wasser.
373
Äquatorialgürtel, wo der Gegensatz von Regen und Trockenheit
nicht so schroff ist, und überdies wirken hier auch die großen Seen
als Regulatoren. Das Quellgebiet des Ganges und seiner nördlichen
Nebenflüsse, der Himalaja, erhält bekanntlich auch im Winter durch
den Antipassat Niederschläge. Eine Ausnahmestellung nehmen die
beiden Aquatorialströme ein. Im Gebiete des Amazonas selbst ver-
geht kein Monat ohne Regen, während seine Nebenflüsse in den
entgegengesetzten Jahreszeiten, die nördlichen im nordhemisphärischen
und die südlichen im südhemisphärischen Sommer anschwellen ; und
die Gleichmäßigkeit der Wassermenge des Hauptflusses wird nur
dadurch etwas gestört, daß die südlichen Zuflüsse größer sind, als
die nördlichen. Ähnliche Bedingungen finden beim Kongo statt, so
Fig. 107. Wasserstände des Rheins bei Düsseldorf, 1800 — 1879.
daß man, schon lange vor Stanleys Entdeckung, die Existenz des
nördlichen Kongobogens aus den Wasserständen im Unterlaufe des
Stroms erschlossen hatte.
Die Wassermenge der Flüsse wechselt von Jahr zu Jahr mit
den Niederschlägen (Fig. 107), am meisten in den Gegenden der
unregelmäßigen Regen, wie besonders im Innern Australiens. Die
sogen. Creeks bestehen gewöhnlich nur aus einer Reihe unzusammen-
hängender Teiche, die sich nur nach andauerndem Regen zu Flüssen
aneinanderschließen. In den Jahren 1817 und 1870 breiteten sich
Murray und Darling seeartig aus und das Hochwasser brauchte
Monate, um abzufließen, während in trockenen Jahren zahlreiche
Nebenflüsse nur ausnahmsweise den Hauptstrom erreichen. Für
unsere Gegenden glaubte man aus Pegelbeobachtungen den Schluß
ziehen zu dürfen, daß die Wassermenge der Flüsse abnehme; andere
behaupteten, daß wenigstens der mittlere uud niedere Wasserstand
sinke, während die Hochwässer steigen; wir wissen aber jetzt, daß
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374 Die Dynamik des Landes.
sich in diesen Schwankungen nur die 35jährigen Klimaperioden3
wiederspiegeln, ebenso wie in der Dauer der Eisbedeckung, die
die Flüsse höherer Breiten oft monatelang in Fesseln schlägt und
dem Verkehre entzieht. *
Außergewöhnliche Hochwässer, die Überschwemmungen ver-
ursachen, werden nicht nur durch heftige Regengüsse, plötzliche Schnee-
schmelze und durch den Eisgang — wenn die treibenden Schollen
zu Barrieren sich aufstauen — , sondern auch durch orographische
Hindernisse im Flußlaufe hervorgerufen. Im letzteren Falle gehören
sie zum geographischen Charakter größerer oder kleinerer Gebiete.
Ungarn bietet uns ein lehrreiches Beispiel davon. Der Untergang
Szegedins im März 1879 ist nur ein Glied einer langen Reihe ähn-
licher Katastrophen, die, wie Stefanoviö nachwies, insgesamt durch
Stauungen des Donauwassers in den Felsengen zwischen Bazias und
Orsowa bewirkt wurden.
Bewegung des Wassers. Zunächst gilt für die Bewegung
des fließenden Wassers dasselbe Gesetz, wie für jede Bewegung
auf der schiefen Ebene, d. h. sie ist abhängig von dem Gefälle-
Ist der Höhenunterschied zwischen der Quelle und einem Punkte a
des Flußlaufes, bezogen auf die Längeneinheit = h, so ist in a die
Endgeschwindigkeit des Flusses v — y 2 gh (g der bekannte Wert
für die Beschleunigung der Schwere). Daß aber diese Geschwindig-
x Für folgende Flüsse beträgt die mittlere Dauer der Eisbedeckung
in Tagen:
Donau bei Galatz (1836 — 75) 87,5
Elbe bei Hamburg (1816 — 73) 39
Weichsel bei Warschau 60
Düna bei Riga .125
Newa bei St. Petersburg 147
Oka-Moskwa bei Moskau 147
Wolga bei Kasan 147
Wolga bei Astrachan 101
Dwina bei Archangelsk 178
Ob bei Barnaul 168
Ob bei Tomsk 179
Jenissei bei Jenisseisk 170
Angara bei Irkutsk 87
Lena bei Kirensk 203
Amur bei Nikolajewsk 91
St. Lorenzostrom bei Quebeck (1815—68) . . 141
Erie-Kanal (1828 — 57) 136
Hudson bei Albany (1817 — 67) 92
Zu bemerken ist, daß diese Mittelwerte, weil auf verschiedene Zeiträume sich
beziehend, nicht unmittelbar miteinander vergleichbar sind.
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I)an fließende Wasser.
375
keit niemals erreicht wird, ist eine Folge der Reibungswider-
stände. Und zwar ist eine äußere und eine innere Reibung zu über-
winden: die äußere vollzieht sich an der festen Begrenzung des
Flusses, die innere entsteht durch das Vorübergleiten der einzelnen
Flüssigkeitsfäden aneinander, oder — wie Boüssinesq4 für alle Fälle
nachwies, wo die Geschwindigkeit groß oder das Bett etwas unregel-
mäßig ist — dadurch, daß der molekulare Zusammenhang zwischen
den einzelnen Wasserschichten besonders in der Nähe der unebenen
Wände zerrissen wird, und abgelöste Wasserteilchen sich fortwährend
wirbelartig durch die übrige Flüssigkeit hinbewegeu. Nun ist aber
klar, daß in einem Bette von gegebenem Gefälle und Querschnitte
eine größere Wassermenge den Reibungswiderstand leichter besiegen
wird als eine kleinere; ferner daß unter sonst gleichen Umständen die
Reibung in einem breiten Bette größer ist, als in einem schmalen.
Die wirkliche Geschwindigkeit eines Flusses steht also in einem geraden
Verhältnisse zum Gefälle und zur Wassermenge und in einem um-
gekehrten zur Breite des Bettes.
Je weiter ein Wasserfaden von der reibenden Außenfläche ent-
fernt ist, desto freier kann er der Wirkung der Schwerkraft folgen.
Daher nimmt die Geschwindigkeit von der Mitte gegen die Ufer und
von oben nach unten ab, erreicht aber, wegen des Widerstandes der
Luft, den höchsten Wert nicht an der Oberfläche selbst, sondern etwas
unterhalb derselben, und zwar in der Regel um so tiefer, je tiefer
der Fluß ist (Fig. 108). Die Linie, welche die Punkte größter Ober-
flächengeschwindigkeit verbindet, der Stromstrich genannt, bewegt
sich im allgemeinen über der tiefsten Furche des Bettes, dem Thal-
weg. Aus dieser Verteilung der Geschwindigkeiten erklärt es sich,
daß die Oberfläche der Flüsse nicht eben ist. Bei Hochwasser wird
der Mitte mehr Wasser
zugeführt als den Rändern,
und der Flußspiegel nimmt
eine konvexe Gestalt an.
Sinkt der Wasserstand,
SO fließt in der Mitte die Fi«- 108' _,Lini“ «leic^er Geschwindigkeit innerhalb
des Querprofils eines rlußes.
größte Wassermenge ab,
und die Oberfläche wird
konkav, bis wieder normale Verhältnisse ein treten und der Spiegel
sich ein wenig über der Horizontalebene emporwölbt. Beim Mississippi
betragen diese Oszillationen bis zu 2 m.
Die Reibung durch die innere Bewegung des Wassers steigert
sich, wenn bedeutendere Hindernisse, wie Ufervorsprünge, große
Sand- und Kiesablagerungen oder Felsriffe vorhanden sind. Sie
876
Die Dynamik des Landes.
erzeugen Seiten- und Gegenströme, die unter Umständen zur Wirbel-
bildung führen und erst allmählich wieder in die normale Richtung
einlenken.
Würden die Flüsse vom Ursprünge bis zur Mündung auf glatten
schiefen Ebenen sich bewegen, so wäre ihr Lauf ein völlig gerad-
liniger. Aber diese Bedingung wird in der Natur nicht erfüllt.
Mannigfache Hindernisse oft unscheinbarer Art sind vorhanden, und
da das fließende Wasser stets den tiefsten Punkt aufsucht, so wird
es häutig von seinem geraden Laufe abgelenkt und gezwungen, in
sclilangenartigen Windungen (Serpentinen) sich zu bewegen. Diese
werden um so zahlreicher, je geringer das Gefälle ist. In jeder
Biegung werden die am schnellsten sich bewegenden Wasserfade;-
gegen das konkave Ufer (a in Fig. 109) hingetrieben, tauchen an
ihm in die Tiefe hinab, wobei sie durch Reibung einen Teil ihrer
Bewegungsenergie einbüßen, und steigen am konvexen Ufer ( b in
Fig. 109) wieder in die Höhe. Der Stromstrich (ss in Fig. 109)
befindet sich daher nicht mehr in der Mitte, sondern schwankt von
einem Hohlufer zum anderen. Die unmittelbare Folge dieser Bewegungs-
art ist die Vertiefung des Flußbettes in der Nähe des konkaven Ufers
und die Unterhöhlung und Abnagung des letzteren, während in dem
verhältnismäßig ruhigen Raume an der entgegengesetzten Seite (bei b)
Sinkstoffe abgelagert werden. Diese Doppelthätigkeit vergrößert die
Fig. 109. Serpentinen.
Krümmung immer mehr, besonders wenn der
herrschende Wind das Wasser gegen das Hohl-
ufer treibt und die Versandung des Konvexufers
durch Treibmassen unterstützt Ist der Isthmus
zwischen den Bogenenden sehr enge geworden,
so wird er häutig vom Hochwasser durchbrochen;
auf diese Weise entstand z. B. die Insel Budsak
bei Zenta (Fig. 110). In der Mehrzahl der
Fälle muß aber der Mensch dieses Regulierungs-
werk ausführen. Die Kurve, welche dann anfangs
noch als Nebenkanal dient, versandet wegen
des schwachen Gefälles und der geringen Wasser-
zufuhr immer mehr, besonders an der Aus- und
Eingangsstelle, und wird endlich völlig vom
Flusse abgeschnitten. Solche sichelförmige Seen
(Altwasser), die nur noch bei Hochwasser vor-
übergehend mit dem Flusse in Verbindung
treten, sind in Tiefebenen sehr hänfig (s. Fig. 111).
Die Arbeit der Flüsse. Die Betrachtungen über die Serpentinen
haben uns schon mitten in die geologische Arbeit der Flüsse hinein-
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Das fließende Wasser.
377
geführt. Wie alle in Bewegung befindlichen Körper, besitzt auch
das fließende Wasser lebendige Kraft, gleich dem halben Produkte
aus der Masse ( M ) und dem Quadrate der Geschwindigkeit (u).
Setzen wir in diese Formel j den Wert von v (s. S. 374) ein, so
erhalten wir für die kinetische Energie des Wassers den Ausdruck
= Mhg. Maßgebend für die Arbeits-
leistung eines Flusses an einem
bestimmten Punkte ist also seine
Wassermenge und die Fallhöhe.
Diese Energie verwendet
der Fluß zur Überwindung des
Widerstandes, den ihm die
Kohäsion des Gesteins entgegen-
setzt. Dieser Prozeß ist nichts
anderes, als die mechanische
Erosion, von der wir auf S. 341
gesprochen haben. Daß lockere
Massen leichter erodiert werden,
als festes Gestein, ist bekannt;
ebenso bekannt ist, daß verschiedene Gesteine verschiedene Kohäsion
besitzen, aber wir sind noch nicht im stände, dieselbe ziffernmäßig
abzuschätzen. Die Erosion geht entweder in die Breite, oder
in die Tiefe oder nach
beiden Richtungen zu-
gleich. Es ist aber
noch wenig erforscht,
in welchem Verhält-
nisse die Seiten- und
Tiefenerosion zu ein-
ander stehen, denn die
Erfahrung lehrt, daß
manchmal das Bettnoch
verbreitert wird, wenn
zur Tieferlegung keine
Kraft mehr vorhanden
ist, ja selbst dann,
wenn das Bett durch
Ablagerung erhöhtwird.
Der Fluß ist aber
nicht bloß selbständiger Arbeiter, er ist auch Diener fremder Kräfte.
Er hat nicht bloß seine eigenen Erosionsprodukte weiterzuschaflen,
Fig. 111. Altwasser der Theiß bei Kis-Körös.
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378 Die Dynamik des Landes.
sondern auch das, was ihm die Schwerkraft, der spülende Regen,
der schmelzende Schnee an Verwitterungsschutt außerhalb des Be-
reiches seiner Erosionssphäre zuführt. Das Verhältnis der Last (L)
zur Wasserkraft (K) an einer bestimmten Stelle des Flußlaufes kann
nun ein dreifaches sein:
1. L < K: die Last wird fortgeführt und der Überschuß an
Kraft wird zur Erosion verwendet;
2. L = K: die Last wird fortgeführt, es findet aber keine Tiefen-
erosion statt;
3. L > K: ein Teil der Last wird transportiert, der Überschuß
wird abgelagert.
Beide Momente, die die geologische Arbeit des Flusses be-
dingen, Last und Kraft, sind nach Ort und Zeit veränderlich. Wo
Hochwasser eben noch erodieren kann, kann das folgende Nieder-
wasser nur ablagern. Manchmal wird durch Bergstürze eine solche
Menge Schutt auf einmal in das Flußbett geworfen, daß jahrelang
an seiner Beseitigung gearbeitet werden muß und die Erosion auf
ebenso lange Zeit brach gelegt wird. Bei Flüssen, die im Gebirge
entspringen und dann durch Hügelland und Tiefebene ihren Lauf
nehmen, hängt die Energie mehr von der nach unten abnehmenden
Geschwindigkeit, als von der in gleicher Richtung zunehmenden
Wassermenge ab, und in diesem Falle wird im großen und ganzen
der Oberlauf durch Erosion, der Unterlauf durch Ablagerung
charakterisiert Im Zwischenstücke oder im Mittelläufe ist die
Geschwindigkeit im allgemeinen wenigstens bei Hochwasser eben
noch groß genug, um die Sinkstoffe fortzuschaffen, reicht aber nicht
mehr hin, um das Bett zu vertiefen. Dagegen bewirkt hier die
seitliche Erosion durch Serpentinenbildung eine Verbreitung des
Bettes. Einschneiden, Verbreitern und Erhöhen folgen sich also
thalabwärts aufeinander, doch ist, wie gesagt, keine dieser Thätig-
keiten ausschließlich auf eine der drei Abteilungen des Flußlaufes
beschränkt.
FluUablagerungen. Der Fluß führt Sedimente, teils in ge-
löstem Zustande, teils mechanisch mit sich fort Die chemisch
gelösten Mineralstoffe (kohlensaurer und schwefelsaurer Kalk, etwas
kohlensaure Magnesia und untergeordnet Kochsalz) bilden zwar nur
ca. Vsooo der Wassermenge, können aber im Laufe geologischer Zeit-
räume einen hohen Betrag erreichen. Ein Teil dieser Stoffe wird
bei Hochwasser im Inundationsgebiete abgelagert, ein anderer durch
das Sickerwasser dem Boden zugeführt, der größte Teil aber ge-
langt in das Meer. Warum das Meer trotzdem keine konzentrierte
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Das fließende Wasser.
379
Lösung von kohlensaurem Kalk und Gips ist, erklärt sich aus dem
Verbrauch dieser Stoße durch die marine Tierwelt Das mechanisch mit-
geführte Material wird einem Schlemmprozesse unterworfen. Größere
FelsstUcke können höchstens durch angeschwollene Wassermassen
fortgeschleppt werden; so vermag z. B. die Linth bei Hochwasser
50 kg schwere Blöcke weiterzubewegen. Aber in die Ebene gelangen
sie nicht, sondern bleiben ebenso wie grobes Gerölle im Gebirge
zurück. Weiter hinab werden Kies, Sand und am weitesten Schlamm
geführt Der letztere wird schwebend erhalten, der Sand aber nur
solange, als die innere Bewegung des Wassers eine bedeutende ist.
Im entgegengesetzten Falle sinkt er zu Boden und wird hier strom-
abwärts geschleppt. In geradlinigen Flußstrecken bilden sich wan-
dernde Sandbänke (Untiefen), so daß das Flußprofil beständig sich
verändert (vgl. Fig. 1 1 2), während die Ablagerungen an den konvexen
Ufern der Serpentine verhältnismäßig stabil sind. Auch wenn die Ge-
schwindigkeitdes Wassere sich nicht verändert, entsteht eine Sandab-
lagerung an den Stellen, wo das Bett sich verbreitet. Ist das Gefälle
beträchtlich, so können sich die Sedimente nur dort am Boden an-
häufen, wo Rückstau eintritt — also hinter einem festen Gegenstände
im Flußbette und an den toten Stellen in den Biegungswinkeln
eines plötzlich sich verengenden Bettes — oder infolge von Scha-
rung, d. h. beim Zusammentreffen zweier konvergierender Strömungen.
So kann eine Insel durch Ablagerungen nach oben infolge von Rück-
stau und nach unten infolge von Scharung vergrößert werden. Sand-
inseln bilden sich nach den Erfahrungen der Hydrotechniker in den
meisten Fällen aus stromabwärts gerichteten Landzungen , deren
Verbindung mit dem Ufer durchrissen wurde, oder bei der Durch-
brechung einer Serpentine (S. 376). Diese aus losem Material auf-
gehäuften Gebilde können natürlich wieder vom Wasser verschlungen
werden, wenn nicht der Pflanzenwuchs, namentlich tiefer wurzelnde
Bäume, Halt gewähren. Die
Pflanzendecke hält auch das
immer neu herbeigeschaß’te
Material fest, so daß sich die
Insel endlich auch über den Hoch- Fig. 112. Profil des Donaubettes unterhalb
wasserstand erhebt. In tro- ller Reichsbrücke bei Wien, nach Pekck.
pischen Flüssen veranlaßt 1877, 1884-
häufig auch Treibholz die Entr
stehung von Inseln oder gar geschlossenen Wehren, da wegen des
größeren spezifischen Gewichtes des Wurzelendes die Bäume eine
schiefe Stellung im Wasser entnehmen und leicht im Grunde sich
festsetzen können.
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380
Die Dynamik des Landes.
In den beschriebenen Fällen wird entweder das Flußbett erhöht,
oder eine Insel gebildet oder das Ufer vergrößert. Ähnlicher Art ist die
Ablagerung im sog. lnundationsbette wenig tief eingeschnittener
Ströme, das sie nur bei Hochwasser überschwemmen. Setzt der
Mensch — wie z. B. im unteren Polande — der Ausbreitung des
Hochwassers durch Dammbauten Schranken, so wird alles Material
im Flußbette zurückbehalten und erhöht dasselbe stetig, so daß das
Flußniveau oft mehrere Meter hoch über der umgebenden Niederung
liegt. Natürlich müssen auch die Dämme immer höher wachsen,
aber leider können sie das Kulturland zu ihren Füßen nicht immer
vor dem Einbrüche des Wassers schützen.
Gebirgsbäche, die aus steilen Seitenthälem kommen, lagern fast
ihr gesamtes Material beim Eintritte in das sanfter geneigte Haupt-
thal in der Form von Schuttkegeln ab. Nebenflüsse, die ihre
Sinkstoffe bis zur Mündung mitführen, werden hier gestaut und ge-
zwungen, das Material im inneren Winkel der Mündungsstelle fallen
zu lassen. Je mehr die Ablagerung wächst, desto weiter wird
die Mündungsstelle nach abwärts verschoben. Die Nebenflüsse des
Po zeigen diesen Vorgang in besonders prägnanter Weise; ja die
Landzunge zwischen der Etsch und dem Po ist so rasch gewachsen,
daß der tirolische Fluß aus dem Klientel seines einstigen Haupt-
stromes entlassen wurde und nun parallel mit diesem in das Meer
fließt6
Die Sedimente, die am Lande keine Ruhestätte finden, werden
endlich in einem See oder im Meere abgelagert Daß selbst die
langsam fließenden Ströme der Tiefebenen noch im stände sind Ma-
terial fortzuschaffen, hat seinen Grund darin, daß sie in der Regel
bis zu ihrem Ende Zuflüsse empfangen, und daß zwei Flüsse nach
ihrer Vereinigung niemals ein Bett von doppelter Breite einnehmen.
Das Bett des Hauptflusses behält entweder seine frühere Breite
bei oder verengt sich sogar, wie z. B. das des Mississippi von 1400 m
in der Nähe der Ohiomündung bis 750 m zwischen Carrollton und
der Deltagabelung. Tritt aber auch keine Verschmälerung ein, so
muß sich doch die größere Wassermenge jetzt rascher bewegen, als
vor Aufnahme des Nebenflusses, um so mehr als jetzt nur mehr die
Reibung von zwei, statt von vier Ufern zu überwinden ist. Mit der Ge-
schwindigkeit wird aber auch die Transportkraft des Wassers ge-
steigert
Die Menge der Sedimente, die die Flüsse teils in gelöstem
Zustande, teils mechanisch mitführen, giebt uns eine Vorstellung
von der allmählichen Zerstörung des Festlandes. Die Elbe bei
Lobositz enthält nach Breitenlohner in 1 cbm Wasser 91, s g ge-
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Thalbildung durch Erosion.
381
löste und 103, s g suspendierte Stoße. Für das Jahr 1866 wurde
das Gewicht der bei Lobositz vorbeigeführten Stoffe auf ca. 1170
Mill. kg berechnet. Die Reuß setzt nach Heim an ihrer Mündung
im Vierwaldstätter See jährlich durchschnittlich 150000 cbm Ge-
schiebe ab; jeder Quadratkilometer ihres Flußgebietes verliert also
jährlich 242 cbm Material, wodurch die GebirgsoberHäche in 4 Jahren
und 1 Monat um 1 mm erniedrigt wird. Für ganz England be-
rechnete Reade einen Höhenverlust von 1 mm in 42l/a Jahren.
Der Vergleich dieser Zahlen lehrt uns, wie rasch die Zerstörung
im Hochgebirge vor sich geht Nach Guppy beträgt die Anzahl
der Jahre, die zur Abtragung von 1 mm im ganzen Flußgebiet
notwendig ist, beim Po 2,4, Hoangho 4,s, Rhone 5,i, Ganges 7,»,
Jangtsekiang 12,6, Mississippi 20, l, bei der Donau 23, der Themse
32,2, beim Peiho 84,7, und heim Laplata 98,4. Wohl mit Recht
sagt Heim: „Schließlich bleiben wir nach solchen Messungen und
Betrachtungen unentschieden, ob wir sagen sollen: Die Verwitterung
und Erosion ist ein Vorgang, der mit staunenerregender Schnellig-
keit und Gewalt an der Umformung der Gebirge arbeitet, oder
sollen wir sagen: Sie ist ein Vorgang, der fast unmerklich langsam
arbeitet. Beides ist wahr — den ersteren Eindruck erlangen wir bei
Betrachtung des Schutttransportes durch die Ströme, den letzteren
im Anblick der viel gewaltigeren Masse des Gebirges.“
Litteraturnach weise. 1 Am ausführlichsten werden die Flüsse in
hydrotechnischen Werken behandelt. Besonders zu empfehlen sind Hagen,
Handbuch der Wasscrhaukunst, Berlin 1871, und Franzius und Sonne, Wasser-
bau, Leipzig 1884. Ausführlich auch in Pencks, Morphologie cit. S. 278. —
* Woeikow, Klimate, cit. S. 42. — * Brückner, Klimaschwaukuugeu cit. S. 190. —
4 Bocssineso, Essai sur la thooric des eaux courants in den Memoirs der fran-
zösischen Akademie der Wissenschaften 1877. — 6 Von einem Ausnahmefalle
handelt Henkel in Petermanns Mitteilungen 1889, S. 176.
Thalbildung durch Erosion.1
Gesetze der Erosion. Die ersten Anfänge der Thalbildung durch
Erosion können wir nach jedem Regengüsse im Gebirge beobachten.
Das abfließende Wasser hat sich Rinnsale im lockeren Boden aus-
gegraben, die, wenn die Böschung nicht allzu steil ist, nicht direkt
von der Höhe ins Thal hinunterziehen, sondern diagonal einander
zulaufen, um sich endlich zu einer einzigen Rinne zu vereinigen. Die
Produkte seiner Zerstörung lagert es als Schuttkegel am Fuße des
Gehänges ab und hießt in weit verzweigten Wasserfäden über den-
selben hin. Der Schuttkegel bildet den Unterlauf, alles übrige den
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382
Die Dynamik des Landes.
Oberlauf des Wildbaches, während der Mittellauf nur auf einen
Punkt zusammengedrängt ist. Nach den nächsten Regengüssen finden
wir das Bett im Oberlauf vertieft, den Schuttkegel erhöht, und gleich-
zeitig hat sich das Quellgebiet nach rückwärts erweitert. Die Ero-
sion bewirkt also nicht nur eine Vertiefung des einmal entstandenen
Bettes, sondern auch eine Verlängerung desselben nach rückwärts.
Die Erfalirung lehrt ferner, daß Thäler unter einfachen Verhält-
nissen im Längsprofile die Form einer nach unten verflachen-
den Kurve annehmen, und es ist auch leicht einzusehen, warum
dies geschehen muß. Selbst wenn ein Fluß ursprünglich in einem
Kanäle mit gleichmäßigem Gefälle sich bewegen würde, könnte dieses
nicht erhalten bleiben, denn die Wassermenge nimmt nach unten zu
3000
2000
lOOC
o
Fig. 113. Längsprofil des Litzerbachthales bei Laas (Tirol).
Länge und Höhe im gleichen Maßstabe (Meter).
und damit auch die Arbeitsfälligkeit. Im untersten Teile beginnt
der Fluß einzuschneiden, und die Erosion schreitet stetig nach
oben fort, aber nach Maßgabe der Wasserkraft. Danach
richtet sich das neue Gefälle; es wird zwischen den einzelnen Teilen
des Thaies das Gleichgewicht hergestellt sein, wenn sich oben mit
geringster Wassermenge ein stärkstes Gefälle, unten mit größter
Wassermenge ein schwächstes Gefälle paart.
Wenn aber auch allgemein anerkannt wird, daß die Thalkurve
ein Erzeugnis der Flußerosion ist, so sind doch in ein paar Haupt-
punkten die Meinungen noch geteilt. Nach unserer Ansicht hat die
Kurve zwei Fixpunkte, den Flußursprung und die Flußmündung —
vorausgesetzt natürlich, daß die Höhenlage dieser Punkte keinen
anderweitigen Veränderungen unterliegt — oder mit anderen Worten:
die Ausgestaltung der Kurve hängt unter sonst gleichen Verhältnissen
von dem Höhenunterschiede der beiden Fixpunkte ab. Nach Phi-
ijppson ist dieser Unterschied aber gleichgültig und wird die Kurve
lediglich durch die Wassermenge bestimmt, so daß ihr oberer End-
punkt nicht immer mit der Wasserscheide zusammenfallt, sondern
bald über, bald unter derselben zu liegen kommt; ferner hat Philippson
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Thalbildung durch Erosion. 383
diejenige Kurve, bei der in allen Punkten die Wasserkraft die gleiche
ist, als Erosionsterminante bezeichnet, indem er voraussetzt, daß
nach Erreichung derselben die Erosion so gut wie erlösche. Dem
gegenüber hat Penck 2 darauf hingewiesen, daß erfahrungsgemäß noch
Ströme mit einem Gefälle von weniger als l/8 Proz. „erstaunliche
Sandmassen transportieren und oft große Löcher auskolken“. „Die
Erosion,“ sagt er, „hört erst dann aut, wenn die Gewässer so träge
dahinschleichen, daß sie nicht mehr die feinsten Partikel zu ver-
schleppen vermögen, welche sich im Laufe der Zeiten durch das
Zusammenwirken der verschiedensten Kräfte aus ihrem Boden los-
ösen.“ Man kann dies zugeben, aber doch die Frage aufwerfen,
ob in einem so weit fortgeschrittenen Stadium auch die Tiefen-
erosion oder nur mehr die Seitenerosion infolge wechselnder Serpen-
tinenbildung wirksam sei.
Mit der Gestaltung des Längsprofils hängt offenbar auch die
des Grundrisses zusammen. Gehen wir ein Erosionsthal hinauf, so
durchschneiden wir zunächst einen kanalartigen Einschnitt, die
Klamm, x und gelangen endlich in eine muldenförmige Erweiterung,
das Kar,x wo sich die einzelnen Quellarme zu dem Bache ver-
einigen. Die Steilheit des Gehänges bringt die spülende Kraft des
Regenwassers zur vollen Entfaltung, die Erhebungen zwischen den
einzelnen Wasserrillen werden einfach abgeschwemmt. Derselbe
Vorgang gestaltet auch die ursprünglich senkrechten Wände der
Klamm uin: sie nehmen eine Neigung an, die der Maximalböschung
des betreffenden Materials entspricht.
Dreifach ist also der Charakter des Erosionsthaies: im Grund-
riß die Trichterform, im Längsprofil eine nach oben konkave
Kurve, im Querprofil die V-Form.
Die letztere erhält sich freilich nur solange, als die Seitenerosion
nicht zur Geltung kommt Diese schiebt die Wände zurück und
schafft einen Thalboden, das Profil \/ wird in das Profil \ /
übergeführt, die Klamm hat sich in ein wirkliches Thal ver-
wandelt. Auch dieser Prozeß schreitet von unten nach oben fort
Zeitliche und räumliche Variationen des Erosionstypus. Von
den beiden Kräften, die miteinander ringen, der Kohäsion und der
Wasserkraft, ist die erstere für jedes Thal ein für allemal gegeben, die
letztere aber periodischen Änderungen unterworfen. Sie ist bekanntlich
ein Produkt von Wassermenge und Geschwindigkeit, und nach beiden .
Richtungen können Veränderungen eintreten. Die Wassermenge
wechselt mit den Jahreszeiten; nur das regelmäßige Hochwasser
x Beide Ausdrücke stammen aus den Alpen.
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384
Die Dynamik des Landes.
ist für die Gestaltung der Endkurve maßgebend, außergewöhnliche
Hochwässer bringen nur vorübergehende Störungen, die Perioden
des Niedrigwassers sind Perioden des Stillstandes; ja stellenweise
kann sogar Ablagerung eintreten, die das nachfolgende Hochwasser
erst beiseite schaffen muß, ehe es an die Fortführung seiner Ero-
sionsarbeit gehen kann. Von größerer Bedeutung sind aber lang-
dauernde Klimaperioden, wie wir später sehen werden.
Auch die Geschwindigkeit, d. h. das Gefälle, kann sich ändern.
Für jedes Thal ist der Mündungspunkt zunächst ein Fixpunkt, die
Erosionsbasis, unter die auch der kräftigste Fluß nicht herunter-
gehen kann. Wird aber — nehmen wir an, nach Vollendung der
Gleichgewichtskurve — der Mündungspunkt durch äußere Kräfte
erniedrigt oder gehoben, so treten sofort andere Bedingungen ein.
In dem ersten Falle wird die Wasserkraft am Ende des Thaies ge-
steigert, von neuem beginnt hier die Erosion und schreitet thalauf-
wärts fort, bis die neue Kurve fertiggestellt ist. Im zweiten
Falle wird die Wasserkraft vermindert und kann die Schuttzufuhr
nicht mehr bewältigen; der Thalboden wird ausgefüllt und auch
dieser Vorgang macht sich im Längsprofil des oberen Thalabschnittes
geltend. Die letzte Erosionsbasis sämtlicher Flüsse ist der Meeres-
spiegel; jede Niveauveränderung weckt mit der Zeit auch ein Echo
in den entferntesten Gegenden an der Hauptwasserscheide des Fest-
landes oder der Insel. Erst paßt sich ihr der Hauptfluß an, dann
dessen Nebenflüsse, dann deren Zuflüsse u. s. w. Geht die Niveau-
veränderung allmählich vor sich, so kommt die Thalbildung niemals
zur Ruhe, denn jeder Tag schafft neue Bedingungen, die freilich
nur in ihrer Summierung große Wirkungen erzeugen können.
Unzählig sind die räumlichen Variationen. Selten ist in
einem größeren Thale die Widerstandskraft des Gesteins überall
die gleiche, und anders vollzieht sich die Erosionsarbeit im hori-
zontal geschichteten Boden als in aufgerichteten Schichten, anders,
wenn der Fluß die letzteren durchquert, als wenn er in ihrer Streich-
richtung sich bewegt. Eine der merkwürdigsten Erscheinungen ist
die diagonale Stromzerlegung, die nach Gilberts und v. Richt-
hofens Ansicht dadurch entsteht, daß der Fluß ein aus aufgerich-
teten härteren und weicheren Schichten bestehendes System diagonal
durchschneidet, wobei er das Bestreben hat, in den weicheren
Schichten möglichst lange zu verharren und die harten Schichten
auf möglichst kurzem Wege zu durchqueren, so daß der Grundriß
einen zickzackformigen, aus vielen kurzen Längs- und Querstrecken
bestehenden Thallauf zeigt (Fig. 114). Im allgemeinen ist aber der
Einfluß des Gesteins auf die Thalbildung noch wenig erforscht, nur
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Thalbildung durch Erosion. 385
da^s eine läßt sich behaupten, daß der Härtegrad des Gesteins
die Thalbildung verzögern, aber nicht aufhalten kann. Ist
nur genügend Zeit gegeben, so siegt die Erosion unter allen Um-
ständen, aber die Ubergangsformen
bis zur Erreichung des Endgefälles
werden durch die Verschiedenheit des
Gesteins außerordentlich mannigfaltige.
Wir haben bisher die Wasser-
scheide als den oberen Fixpunkt des
Thaies angesehen, aber dies ist nur
insofern richtig, als man sie als
Linie betrachtet. In der Regel ist aber Fig. U4. Diagonale Strom-
die Wasserscheide ein mehr oder minder Zerlegung nach v. Richthofkn.
breiter Rücken oder bei einem Einzel- (A = harte, \V= weiche Schichten.)
berge ein Kegel oder eine Platte. Inner-
halb einer solchen Fläche ist die wasserscheidende Linie durch
die rückwärtsschreitende Erosion sehr wohl verrückbar. Es kommt
dabei vor allem auf die Verteilung der Thäler an. Sind sie an
beiden Seiten einer Erhebung
wechselständig ange-
ordnet, wie in Fig. 115, so
sucht jeder Fluß sie zu er-
obern, jeder drängt die ur-
sprünglich gerade Scheide-
linie (ab) zurück, so daß sie
die zickzackförmige Gestalt
ABC annimmt. Sind die Ver-
hältnisse auf beiden Seiten die
gleichen, so wird die Endge-
stalt eine mehr oder minder
regelmäßige sein, im umgekehrten Falle werden den stärkeren
Flüssen größere Ausbuchtungen der Scheidelinie entsprechen. Ist
die eine Seite sehr regenreich im Vergleiche zur anderen, so kann
eine allgemeine Verschiebung der wasserscheidenden Linie nach
der Trockenseite erfolgen. Bei gegenständiger Thalanorduung,
d. h. wenn zwei entgegengesetzt verlaufende Thäler mit ihren Sammel-
becken an der Wasserscheide Zusammenstößen, kann das kräftigere
Thal in das Quellgebiet des anderen übergreifen und sich dasselbe
dienstbar machen. Mau muß sich dabei vor Augen halten, daß
in diesem Falle der wasserscheidende Rücken durch die beider-
seitige Erosion immer mehr zugespitzt wird und dadurch der
Verwitterung und der Erniedrigung durch die Schwerkraft, da*
Sufah, Physische Erdkunde. 2. Aufl. 25
Fig. 115. Zickzackformige Wasserscheide.
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spülende Wasser, den schmelzenden Schnee u. s. w. rascher zum
Opfer fallt
Auf ungleiche Erosion führt Hilher 3 auch die so häufige
Asymmetrie der Thalgehänge zurück, vorausgesetzt, daß sie
nicht in der Schichtenstellung begründet ist (wie in den Isoklinal-
thälern, wovon später die Rede sein soll). Fig. 116 stellt das Quer-
profil durch eine Reihe von Parallelthälern dar, von denen jedes
folgende tiefer eingeschnitten ist, als das vorhergehende. Thal Tt
hat einen sanften Abhang
A /rx auf der linken, einen stei-
/ ! x. / j \ leren auf der rechten Seite
j N. / ( CE > ED); der Rücken A
I senkt sich steil zu T1( all-
-t — i. — e ' j> mählicher zu 71 ah. Dort
Fig. 116. Asymmetrische Thäler. liegt die Erosionsbasis höher
als hier (7\ F > T2E), auf
dem Abhange ATt wird daher kräftigere Denudation herrschen und
die Wasserscheide A gegen Tx verrückt werden. Das ist ganz
der gleiche Vorgang, wie wir ihn oben bei den gegenständigen
und wechselständigen Thälern kennen gelernt haben; man wird
daher im allgemeinen sagen können: die Wasserscheide rückt
stets nach der Seite der schwächeren Erosion.
Moderne Thalbildungen. Das Entstehen von Thälern durch
Erosion wurde in geschichtlicher Zeit mehrfach beobachtet. Im
Vispthale wurde am rechtseitigen Gehänge zwischen Visp und Salden
1855 eine eisenhaltige Quelle eröffnet, die sich zwei Jahre darauf
bereits eiue Schlucht ausgegraben hatte. 1865 war diese nach Lyells
Bericht schon beträchtlich erweitert und hatte sich gleichzeitig nach rück-
wärts bis in einen Weingarten verlängert, den sie nun entzweischnitt.
Ihre Breite betrug hier 37 m und ihre Tiefe ca. 4'/a m. Derselbe Geo-
loge erzählt auch von einer Thalbildung bei Milledgeville im Staate
Georgia, wozu allerdings Klüfte von ca. 1 m Tiefe im abgeholzteu
Thonboden Veranlassung gegeben haben. Innerhalb eines Zeitraumes
von 20 Jahren waren sie zu einer Schlucht von 17 m Tiefe, 274 m
Länge und 6 — 55 m Breite ausgearbeitet worden. Häufig wurden
auch Auswaschungen in losen vulkanischen Massen beobachtet; auf
diese Weise entstand 1824 am Vesuv ein Thal von 7 1/3 m Tiefe in
drei Tagen. In Südrußland sind viele Fälle bekannt, wo Karren-
geleise zu Schluchten von 30 — 50 m Tiefe und mehreren Kilometer
Länge erweitert wurden. Das sind Thalbildungen in lockerem Bo-
den; seltener sind natürlich historische Nachrichten von solchen
Erscheinungen im festen Gestein. Ca. 5 km oberhalb Aderno am
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Thalbildung durch Erosion.
387
Westabhange des Ätna versperrte ein Lavastroni 1003 dem Simeto
den Weg. Bis zu Lyells Besuche im .Jahre 1828 hatte der Fluß
im verfestigten Gestein ein neues Thal von 15 bis ca. 1 00 m Breite
und 12 — 15 m Tiefe ausgehöhlt. Nach Hoff hat auch das Flüß-
chen Caltabiauco in einem 390 v. dir. ergossenen Lavastrom ein
4.3 m tiefes Thal sich eingegraben, und ähnliche Fälle werden von
den vorgeschichtlichen Lavaergüsseu in Zentralfrankreich erzählt.
Klammen und Canons. Die Anfänge der meisten Thäler Riegen
aber weit jenseit der Grenzen historischer Erinnerung, und nur im
Laufe geologischer Zeiträume konnten so tiefe Einschnitte in Gebirgen
und Plateaus, wie wir
sie jetzt beobachten,
entstehen. Aber viel-
fach treten uns noch
sichtbare Spuren der
Erosion entgegen, und
wir können das
fließende Wasser bei
seiner Zerstörungs-
arbeit belauschen. Von
den zahlreichen Rinnen
mit spiegelglatt polier-
ten Wänden und von
verschiedenerTiefe,die
unscheinbare Wasser-
laden in der harten
Xageltluh des Rigi bei
Vitznau ausgemeißelt,
und die Rütqie yek4 so
anschaulich beschrie-
ben hat, bis zu den
tiefen Klammen unserer Alpen, Montenegros, des Thüringer Waldes
bei Eisenach etc., giebt es alle möglichen Übergänge. Eine der lehr-
reichsten Bildungen dieser Art ist die Liechtensteinklamm, die der
Groß-Arlbach vor seinem Eintritte in das Salzachthal durchströmt
(Fig. 117). Die Thalsohle ist zugleich das Flußbett, und wir können
bequem beobachten, wie das Wasser die Felswände bearbeitet. Es
glättet sie und meißelt durch rückläufige Strömung Nischen aus
(Fig. 118). Bis über 300 m steigen die nur 2 — 4 m voneinander
entfernten Wände über den Flußspiegel empor, und ihre Polie-
rung, sowie die Nischen, die stellenweise noch Geröll enthalten
und weit über dem Hochwasserstande sich befinden , geben uns die
25*
Fig. 117. Liechtensteinklumm.
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Die Dynamik des Landes.
388
Gewißheit, daß der Bach einst iu einem höheren Niveau geriossen
ist und die Thalsohle allmählich vertieft hat Nicht immer erhalten
sich solche Spuren; früher oder später, je nach der Gesteinsart
fallen sie der Verwitterung anheim, und endlich faßt auch die Vege-
tation auf den einst spiegelglatten Wänden Fuß, die letzten Spuren
verwischend und verhüllend. Die Böschung
der Abhänge nähert sich immer mehr ihrem
natürlichen Maximalwerte, und kein direktes
Zeichen verrät uns mehr den Ursprung des Thaies.
Glücklicherweise hat uns die Natur alle mög-
lichen Übergangsformen zwischen der Klamm
und dem fertigen Thale erhalten. Die Kitz-
lochklamm befindet sich bereits im ersten Ver-
witterungsstadium und die Steilwände der
Gasteiuerklamm (zwischen jener und der
Liechtensteinklamm) tragen bereits eine
Fig. 118. Entstehung der . , , + i t • j j
Nischen. >- Richtung Pflanzendecke, aus der aber hier und da,
der Strömung. freilich nur dem aufmerksamen Beobachter
sichtbar, eine Erosionsspur hervorlugt. In
der Kranabetter Klamm bei Innsbruck sieht man alle drei Stadien
nebeneinander.
Gleiche Gebilde, wie hier in aufgerichteten Schichten, schafft
die Erosion auch in ungestörten. Der große Canon des westlichen
Colorado ist in leicht nach Süden geneigten festen Gesteinsschichten
eingeschnitten. Nach Dcttons5 Untersuchungen begann die Erosion am
Ende der Kreide- oder um Anfänge der Tertiärzeit. Die tertiären,
Kreide-, Jura- und Triasschichten wurden durch Denudation entfernt,
und am Ende derMiocäuperiode begann der Colorado sein Bett in Carbon
einzuschneiden und ist bereits bis zur granitischen Unterlage fort-
geschritten. Das 1800 m tiefe Thal ist im Querschnitte trichterförmig,
d. h. es besteht aus einem breiten oberen und schmalen unteren
Teile, wie auch manche Klammen der Alpen. Die steilen, oft senk-
rechten Wände zeigen Glättung und Nischenbildung, die Sohle ist
oft so schmal, daß sie vom Flusse ganz überschwemmt wird, und
wie bei den Klammen hat die ' Thallinie die Serpentinenform mit
aus- und einspringenden Winkeln (Fig. 119). Die Canons sind aber
nicht bloß dem Colorado eigentümlich. Auch der obere Missouri,
der Rio grande del Norte, der Red River und Arkansas fließen teil-
weise durch solche gigantische Klammen, und endlich finden wir
solche (von 1500 — -1800 m Tiefe) auch im Scottgebirge nordwestlich
der Sierra Nevada. Dütton betrachtete die Canons ursprünglich als
die Thalform regenarmer Gebiete: als er aber später dieselben Bil-
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Thalbilduug durch Erosion.
389
düngen auf den hawaiischen Inseln kenneu lernte, mußte er selbst seine
Einschränkung fallen lassen. Überall, wo die Tiefenerosion viel inten-
siver arbeitet, als die
Seitenerosiou , ent-
stehen Schluchten,
Klammen, Canons;
aber die Steilheit der
Thalwände erhält
sich nur dort, wo
diese vor Abspülung
bewahrt bleiben.
Das ist der Fall
in trockenen Erd-
strichen, wie im west-
lichen Nordamerika,
aber — wiePENCKmit
Recht betonte — auch
im durchlässigen
Gestein, besonders
in klüftigen Sand-
und Kalksteinen, die
den Regen ver-
schlucken. Das
schöne Elbthal im
Quadersandsteinge-
biete der Sächsischen
Schweiz unter-
scheidet sich von den
amerikanischen Ca-
nons in nichts, als
in den Dimensionen und in der Gesteinsbeschaft’enheit der Wände.
Vereinzelten Erosionsspuren in verschiedenen Höhen über
dem heutigen Flußspiegel begegnen wir häufig, sowohl im gefalteten
wie im fiachgeschichteten Gelände. Im Himalaja kann man sie
bei kleineren Flüssen bis 400 m, selbst bis Uber 600 m und im
oberen Lauf des Ganges, Sutlej und Indus bis zu 900 m über dem
jetzigen Wassemiveau verfolgen. An den Gehängen des Elbthales
oberhalb Dresden liegen Schotterbänke in verschiedenen Höhen, und
im Nilthale kommt die Cyrena fiuvialis, die noch jetzt den Strom
bewohnt, 37 m über der Fluthöhe vor. Das sind unmittelbare Be-
weise dafür, daß die Flüsse sich allmählich ihre Thäler ausgehöhlt
haben, und man muß dies besonders betonen, weil bis in die jüngste
Fig. 119. Marble Cafion.
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390
Die Dynamik des Landes.
Zeit die Meinung herrschte, die Gebirgsthäler seien ursprüngliche
Spalten, und DaubrEe seihst im nicht dislozierten Gelände in den
Flußläufen nur ein Netz sich kreuzender Spalten zu erkennen glaubte.
Terrassenbildung. Die Mehrzahl der Thäler kann aber direkte
Zeichen ihres Erosionsursprungs nicht mehr aufweisen. Verwitterungs-
erde bedeckt die mehr oder minder sanft ansteigenden Gehänge,
und Flußsedimente, Schutthalden, Ablagerungen von Bergstürzen
u. s. w. verhüllen die felsige Unterlage der Thalsohle, die der Fluß
höchstens bei außerordentlichem Hochwasser noch in der ganzen
Breite überschwemmt. Glücklicherweise hat uns aber die Erosions-
arbeit ungezählter Jahrtausende in den Terrassen und Thal-
stufen ein untrügliches Merkmal hinterlassen, dessen theoretische
Erkenntnis sich allerdings erst in unseren Tagen vorurteilslosen
Forschern erschlossen hat.
Den Ausdruck „Terrasse“ beschränken wir auf die mehr oder
weniger horizontalen Stufen der Thalgehänge. Sie treten in zwei,
genetisch verschiedenen Formen auf: als Ausfüllungs- und Fels-
terrassen. Die einfachste Art der erstgenannten Kategorie sind
die Inundationsterrassen, wie sie Fig. 120 in einem Querschnitte
darstellt. Das Felsbett wurde einst mit Sedimenten ausgefüllt, in
welchen der zu neuer Erosionsarbeit angeregte Fluß ein Bett sich
grub. Bei gewöhnlichem Wasserstande benutzt er die Kinne A, bei
Hochwasser aber füllt er das Thal bis J und f aus. Nur auf einer
oder auf beiden Seiten blieben Terrassen als Denudationsreste zurück,
bald durch neue Absätze erweitert, bald durch seitliche Erosion
verkleinert. In vielen Thälern sind
in den ehemaligen Flußabsätzen
mehrere Terrassen übereinander
ausgegraben, und die höheren
reichen weit über die höchsten.
Fig. 120. Inundationsterrassen. , , ,Ir
jetzt vorkommendeu Wasserstände
des Flusses hinaus. Das Ausfüllungsmaterial dieser Diluvial-
terrassen stammt aus der Eiszeit, und sie sind auch nur auf ehe-
mals vergletscherte oder ihnen benachbarte Gebiete beschränkt. In
einem großen Teile von Nordamerika innerhalb der Driftgreuze und
etwas südlich davon wurden in der Champlainperiode, die die zweite
Eiszeit abschließt, die Thäler (mit Ausnahme derjenigen im Hoch-
gebirge) mit großen Massen von Sand und Schotter, die die Schmelz-
wässer des Inlandeises herbeiführten, ungefüllt. Die darauffolgende*
negative Niveauveränderung (vgl. S. 289) verlegte die Mündungs-
stellen der Flüsse ruckweise in immer tiefere Niveaus, und zwang
dadurch die Flüsse ihr Bett immer tiefer einzuschneiden, während
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Tlialbilduug durch Erosion.
391
sie in ruhigen Zwischenpausen Zeit fanden, es zu erweitern.
Solche Terrassen, wie sie Fig. 121 zeigt, erstrecken sich viele Kilo-
meter weit an den Ufern der nordamerikanischen Flüsse, freilich
nicht immer mit gleicher Regelmäßigkeit, sei es, daß die Ausfüllungs-
masse schon ursprünglich ungleichmäßig verteilt war, sei es, daß die
Fig. 121. Terrassen des Connecticut, südl. von Hannover (New-Hampshire),
nach Dana.
Erosion an einigen Stellen mehr zerstörte als au anderen. Auch in
Mitteleuropa sind diluviale Schotterterrassen eine weitverbreitete
Erscheinung. Sie sind nach Penck in den wasserreichen Perioden
des Gletschervorstoßes abgelagert und in Perioden schwächerer Strom-
Fig. 122. Längenprofil des Reußthales.
Höhenmaßstab fünfmal größer als der Längenmaßstal).
thätigkeit wieder erodiert worden, ln allen diesen Fällen erzählen
uns die Terrassen nichts von der ursprünglichen Geschichte des
Thaies, sondern nur von einer Episode in der Entwicklung desselben.
Durch die neubelebte Erosion wurde das frühere Niveau der Sohle
nur zurückgewonnen, oder dieses Ziel wenigstens angestrebt.
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392
Die Dynamik des Landes.
Etwas anderes lehren uns die Felsterrassen und die ihnen
entsprechenden Thalstufen, über deren Vorkommen in der Schweiz
Heim und Bodmeb eingehende Untersuchungen angestellt haben.9
Die Betrachtung der einzelen Profile wird uns zunächst über die
thatsächlichen Verhältnisse aufklären. Wie zahlreiche Alpenthäler
hat auch das Reußthal ein gebrochenes Längsprofil (Fig. 122),
in dem sich das normale gleichsam mehrmals wiederholt Auf das
breite sanft geneigte Urserenthal folgt die wilde Schellenenschlucht,
dann folgen rasch Thalstücke mit wechselndem Charakter, und end-
lich das ausgedehnte Auflagerungsgebiet von Amsteg bis zur Mün-
dung der Reuß in deu Ürner See. In anderen Alpenthälem ist der
Fig. 123. Querprofile des Reußthales nach Heim, a nahe bei Altdorf, b nahe
(»öschenen, c im Urserenthal. (Die römischen Zahlen bedeuten Thalstufen, wie in
Fig. 122, und die arabischen die ihnen entsprechenden Terrassen.)
Stufenbau noch ausgeprägter, so z. B. im Gasteinerthal, wo drei
Stufen x mit sanftem Gefälle und beckenartiger Erweiterung mit ein-
ander und mit der Mündungsstufe durch steile Klammen oder durch
Gefällsbrtiche und Wasserfälle verbunden sind. Dagegen zeigt uns
das Reußthal an mehreren Stellen, wie oberhalb Amsteg oder in der
Schellenenschlucht (s. Profil b in Fig. 123), die Entstehung der
Terrassen aus Thalstufen. Indem das Wasser, durch irgend einen
Umstand zu erneuter Thätigkeit gezwungen, eine tiefe Schlucht in
dem alten Thalboden ausarbeitet, bleiben Reste des letzteren als
Terrassen an einem oder an beiden Gehängen zurück. Erlahmt die
Erosionskraft, so hört die Tieferlegung der neuen Thalsohle auf, und
es beginnt die Verbreiterung derselben, wodurch natürlich die Ter-
rassen immer mehr beschränkt werden. Außerdem arbeiten auch
Verwitterung, Seitenbäche, Muren, Bergstürze, Lawinen u. s. w. an
ihrer Zerstörung; und wir dürfen uns daher nicht wundern, wenn
Mündung bei Lend
1. Stufe, Becken von Gastein .
2. „ „ „ Bückstein
3. „ Naßfeld
Höhe der Stufe
637 m hoch
—
840
203 m
1080 „
240
1640
560
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Thalbildung durch Erosion.
393
wir diese Reste alter Thalböden nur noch stellenweise an den Ge-
hängen finden. Ebenso ist es erklärlich, daß die oberen und daher
älteren Terrassen weniger gut erhalten sind, als die unteren und
jüngeren.
Vereinigen wir die Terrassen und die etwa noch vorhandenen
Thalstufen, die annähernd im gleichen Niveau liegen, miteinander,
so erhalten wir verschiedene Thalböden, die unter sanften Winkeln
thalabwärts sich neigen (die punktierten Linien in Fig. 122). Im Reuß-
thale unterscheidet man vier solche, in 2200 — 1900, 1000 — 1400,
1200 — 900 und 900 — 600 m Höhe; der unterste Thalboden, von
Amsteg bis Flüelen (in 536 — 437 m Höbe) hat natürlich noch keine
Terrassen gebildet. Es würde das aber sofort geschehen, wenn die
Mündungsstelle in ein tieferes Niveau verlegt würde. Wir können
diesen Prozeß in den Seitenthälern des unteren Reußthales verfolgen.
Die kleineren und daher wasserarmeren Nebenbäche konnten in ihrer
Erosionsarbeit mit dem Hauptflusse nicht gleichen Schritt halten;
ihre Mündungsstellen liegen daher in beträchtlicher Höhe über der
Sohle des Hauptthaies, und zwar in um so größerer, je näher sie
dem Ausgang des letzteren liegen. In Kaskaden und Wasserfällen
stürzen sie in das Reußthal hinab. Aber indem die Erosion immer
weiter nach rückwärts einschneidet, nähert sich das Niveau der
Sohle im unteren Teile des Nebenthaies immer mehr dem der Mün-
dungsstelle im Hauptthale.
Auf den Thalstufen herrscht jetzt Ruhe, in den Absätzen der-
selben aber ununterbrochene Bewegung. Das Niveau V schreitet
gegen IV, IV gegen 111 , 111 gegen II fort. Das Endprodukt wäre
eine normale Kurve. Gestört würde dieser Prozeß nur, wenn die
Mündungsstelle schneller, als ihr die Erosion zu folgen vermöchte,
durch Bodenbewegungen tiefer gelegt oder das Thal gehoben oder
die Wassermenge des Flusses durch eine Klimaänderung vermehrt
würde. Derartige Ereignisse müssen einst stattgefunden haben;
höchst wahrscheinlich waren es absolute oder relative Niveauver-
änderungen der Mündung, die (Fig. 122) von 1 nach 2 und so fort
bis zur heutigen Stelle herabrückte. Die Stufen- und Terrassenober-
flächen entsprechen Ruhepausen, die Absätze Bewegungsperioden.
Die Nebenthäler nehmen selbstverständlich an den Veränderungen
des Hauptthaies Teil, daher ihre Terrassen und Stufen denen
des letzteren entsprechen, während verschiedene Flußgebiete in der
Höhenlage und Zahl ihrer Stufen und Terrassen voneinander ab-
weichen. Hier haben wir also, wenn die Deutung der Schweizer
Geologen richtig ist, einen sicheren Beweis für die allmähliche Aus-
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394
Die Dynamik des Landes.
höhlung des Thaies.* Untersuchungen über die Verbreitung der
Felsterrassenbild uug werden eine der Hauptaufgaben der nächsten
Zeit sein, da sie für die Thalbildungstheorie die wichtigsten Auf-
schlüsse versprechen; leider scheinen manche Thäler, wie z. B. die
Bosniens und Griechenlands, auch dieses Beweismittels gänzlich zu
entbehren.
Manchmal vereinigen sich Fels- und Diluvialterrassen, wie z. B-
im Unterinnthale in Tirol.7 Am Südabhange erblicken wir eine
breite Felsterrasse, die Dörfer (Laas) und Felder trägt; an den
Nordabhang lehnen sich Diluvialterrassen und Reste eiszeitlicher
Moränen. Die älteste Moräne (2) liegt hier in geringer Höhe über
dem heutigen Innthale, an einer anderen Stelle im Thale selbst,
Fig. 124. Innthal bei Innsbruck nach Bla AS. 1 Grundgebirge, 2 Untere Moräne.
3 Breccien und Konglomerate (untere Flußablagerungen und deren Äquivalente), -/ mitt-
lere Flußablagerungen, 5 oberste Moräne, 6* obere Flußablagerungen, 7 moderne Fluß-
ablagerungen.
woraus mit unzweifelhafter Gewißheit hervorgeht, daß die Felster-
rasse von Laas einer sehr alten Zeit angehört und daß bei dem Ein-
tritte der diluvialen Vergletscherung das Thal bereits seine jetzige
Tiefe erreicht hatte. Ein mächtig angeschwollener Strom, der Vor-
bote des heranrückenden Gletschers, verschüttete es mit seinen Sanden
und Gerollen, über die dann der Gletscher seine Grundmoräne hin-
wegschob, bis endlich nach seinem Schwinden ein geschiebearmer
Fluß die alten Ausfüllungsmassen bis auf wenige Reste an den
Rändern wieder wegräumte. Dieser Prozeß hat sich seit Beginn
der Eiszeit dreimal wiederholt.
Tektonische und Abdämmungsstufen. Im Gegensätze zu den
Verwitterungsterrassen nimmt die Bildung der Erosionsterrassen auf
die Härte des Gesteins keine Rücksicht. Nur dort, wo die Erosion
langsamer arbeitet, linden die härteren Gesteinspartien Zeit, ihre
Widerstandskraft zur Geltung zu bringen. In diesem Falle ent-
sprechen die steilen Thalengen den härteren und die Thalstufen den
x In neuester Zeit hat allerdings Löwl (in den Verhandlungen der Wiener
Geologischen Keichsanstalt, 1894, S. 470 f.) Bedenken gegen die Auffassung
der Schweizer Geologen ausgesprochen. Es muß aber wohl noch die Antwort
der letzteren abgewartet werden.
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Thalbildung durch Erosion.
395
weicheren Schichten. Diese tektonischen Stufen, wie Lüwl sie
nennt, sind zwar auch Zeugen der Erosion, aber sie vermögen Ter-
rassen durch das ganze Thal hindurch nur dann hervorzubringen,
wenn der Riegel an der Mündung sich befindet. Wesentlich ver-
schieden von den Stufen, die in der ursprünglichen Thalunterlage
ausgearbeitet wurden, sind die sehr häufig vorkommenden Abdäm-
mungsstufen. Bergstürze, alte Endmoränen, oder rasch wachsende
Schuttkegel der Nebenbäche stauen den Hauptfluß zu einem See
auf: ein Ereignis, von dem uns die Geschichte der Hocligebirgs-
länder wiederholt erzählt. Ist der Damm solid genug, um dem
Wasserdrücke «lauernd Widerstand zu leisten, so wird der See all-
mählich ausgefüllt und bildet dann eine Thalebene, die durch eine
steile, in den Damm eingerissene Schlucht mit der nächsten Stufe
in Verbindung steht. Im Vintschgau wiederholte sich dieser Prozeß
nachweisbar viermal und erzeugte dadurch einen scharf ausgeprägten
Stufenbau. x Werden diese Thalebenen später durchschnitten, so
entstehen Terrassen, die mit den Ausfüllungsterrassen in allen wesent-
lichen Punkten Ubereinstimmen.
Wasserfälle. Eines der landschaftlich bedeutsamsten Phänomene
unfertiger Thäler, nämlich der Wasserfälle, wurde bereits vorüber-
gehend gedacht. Man kann Mündungs- und Thalfälle unter-
scheiden; der untere Gasteiner Fall gehört beispielsweise zur ersten,
der obere zur zweiten Kategorie. Jeder Mündungsfall schreitet zu-
rück, wird in ein hinteres Thalstück verlegt und dadurch zu einem
Thalfalle. An dem unteren Gasteiner Falle kann man die Anfänge
dieses Prozesses gut beobachten. Nicht alle Thalfälle aber waren
einst Mündungsfälle, sondern sie können auch mit der Bildung
tektonischer oder Ausfüllungsstufen Zusammenhängen.
Der Wasserfall ist der Ausdruck des denkbar größten Gefälles.
Stets ist aber fließendes Wasser bestrebt, das Gefälle zu mäßigen,
Mittleres
Gefälle
Seellöhe
höchsten vom
tiefsten Thal-
in m
punkt in in
1.
Stufe, Seen
1472
61
0° 23'
Malser Heide
—
584
2 36
2.
Stufe, Glurnser Ebene
884
58
0 12
Sehlandcrser Kegel
—
174
1 20
3.
Stufe, Ebene zwischen Göflan und Latsch . .
668
37
0 21
Tarseher Kegel
—
54
1 18
4.
Stufe, Ebene zwischen Marein und Staben . .
577
36
0 21
Tablander Kegel
—
45
1 3
5.
Stufe, Ebene zwischen Naturns und Rabland .
504
13
0 20
Töll-Kegel
—
173
4 5
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396
Die Dynamik des Landes.
die Gleicbgewiclitslinie der Thalsohle herzustellen. Stark geneigte
Schichten setzen ihm in der Regel kein Hindernis entgegen. Indem
es einerseits in den Boden einschneidet, anderseits den Rand ab-
schleift und abbröckelt, wird der Neigungswinkel der Sohle immer
kleiner. Das Wasser, das früher in einem einzigen Strahle über die
senkrechte Felswand sich herabstürzte, löst sich in eine stufenförmige
Reihe von Fällen — Kaskaden — auf, und da bei jedem einzelnen
Fall dieselbe Arbeit sich wiederholt, so entstehen aus Kaskaden
Katarakte. Haben sich endlich die Böschungen soweit gemildert,
daß das Wasser nicht mehr fällt, wohl aber noch pfeilschnell dahin-
schießt, so ist der einstige Wasserfall hei dem letzten Akte seiner Ent-
wicklungsgeschichte angelangt: bei dem Stadium der Stromschnellen.
Solche können übrigens auch selbständig entstehen durch Fels-
stürze, deren gewaltige Trümmer im Flußbette sich verbreiten.
In horizontalen oder schwach geneigten Schichten findet der
geschilderte Umwandlungsprozeß nur dann statt, wrenn das Material
gleichmäßig ist oder die Härte der Gesteine von oben nach unten
zunimmt. Der Geneseefall hei Rochester in Nordamerika (Fig. 125)
ist bereits in das Stadium der Kaskaden eingetreten. Dagegen be-
steht die 49 m hohe Felswand, über die der Niagara sich stürzt, in
den oberen Partien aus hartem Kalkstein und in den unteren aus
weichen Schiefern (Fig. 126). Diese werden durch die wirbelnden
Wassermassen am Fuße des Falles
ausgewaschen, der Kalkstein bricht
stückweise herunter, und der Wasser-
fall schreitet langsam thalaufwärts fort.
Bis jetzt hat er einen Weg von 12 km
Fig. 125. Profil des Genesee-Falles zurückgelegt und sich dadurch aus
nach Dana, k = Kalk, sch = Schiefer- einem Mündungsfalle (bei Queenstown)
,h0"’ a' SST Bami’ in einen Thalfall verwandelt* Ana-
loge Erscheinungen weist das esth-
ländische Kalkplateau auf; die Fälle der Narowa, des .lagowal u. a.
sind seit einem Menschenalter schon beträchtlich thalaufwärts gerückt.
Einige Wasseriälle zeichnen sich durch ihre Höhe aus (als
höchster gilt der Yosemitefall in der californischen Sierra Nevada
680 m hoch), andere, wie der Rheinfall bei Schaffhausen, der Niagara-
fäll, der Yictoriafall des Sambesi u. a., durch ihre Wassermasse.
* Genauere Ermittelungen sind erst seit 1842 möglich, wo die Fälle zum
erstenmal sorgfältig aufgenommen wurden. Bis 1890 war der canadische Fall
um 31, »s, der amerikanische um 9,sj m zurückgegangen.8 Eine Berechnung des
Alters des Niagarafalles läßt sich aber darauf nicht gründen, weil sich nicht
voraussetzen läßt, daß der BUckgang gleichmäßig erfolgte.
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Tlialbilduug durch Erosion.
397
Häutig greift die Erosion nicht gleichmäßig die Gesteinsunterlage
an; es bleiben dann Felsreste iin Bette zurück, und der Fall teilt
sich in Arme (z. B. der Rheinfall). Unzählig sind solche Felsklippen
in den Katarakten des Nil oder in den Stromschnellen des Orinoco
bei Maypures.
Gletschererosion. Neben dem fließenden Wasser schreiben viele
Forscher auch den Gletschern thalbildende Kraft zu. Die Beob-
achtung in verlassenen Gletschergebieten lehrt uns, daß die Eis-
ströme die Tendenz haben, die Unebenheiten zu beseitigen und die
Ecken abzuruuden , und daß sie daher ihre Unterlage wie ihre
Seitenwände glätten. Es leugnet auch niemand, daß sie auf die
Form der Gehänge einen bestimmenden Einfluß ausüben; oberhalb
der diluvialen Gletschergrenze sind die Formen eckig, unterhalb
derselben gerundet. Es muß aber auch jeder zugestehen, daß Po-
lierung der Felsen mit Fortführung von Material, also mit Erosion
verbunden ist. Aus den Experimenten von Blümckk und Finster -
Süd.
Erie-Set»
L
r
Fig. 126. Der NiagaratiuÜ und seine Fälle.
s Weiche Oneida- und Medina-Sandsteine und Clinton-Gruppe, t Weiche Niagara-
Schiefer. k Harter Niagara-Kalkstein.
walder9 geht ferner hervor, daß in Eis gebettete Gesteine unter
wechselndem Drucke, der bald Gefribren, bald Verflüssigung des Eises
bewirkt, sich genau so verhalten, wie Gesteine an der Oberfläche, d. h.
es erfolgt nicht nur eine Zersprengung der Gesteine unter der Ein-
wirkung des Gefrierens und Wiederauftauens des Spaltenwassers, son-
dern es werden auch, wie bei der gewöhnlichen Verwitterung, feine
Partikelchen losgelöst. Nimmt man an, daß ein und derselbe Punkt
des Gletscherbodens bei dem Vorüberschreiten des Eisstromes unter
wechselnden Druck gelangt, so muß man zugestehen, daß die Verwitte-
rung auch unter dem Gletscher noch fortarbeitet. Man ersieht daraus,
wases mit dem oft wiederholten Satze, daß der Gletscher konserviere,
auf sich hat. Die Verwitterungs- und Erosionsprodukte in Verbin-
dung mit dem von den Oberflächenmoränen stammenden Schutte
liefern die enormen Schlammmassen, die der milchigtrübe Gletscher-
bach abwärts schafft, und Penck hat daraus berechnet, daß das
Gebiet des Unteraargletschers in ca. 1 1/2 Jahren um 1 mm erniedrigt
wird. Kann also die erodierende Kraft der Gletscher nicht geleugnet
werden, so muß man sich doch stets vor Augen halten, daß Gletscher
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398
Die Dynamik des Landes.
anders arbeiten als fließendes Wasser. Jene bewegen sich ungleich
langsamer, aber sie entfalten über einem Punkte eine größere Masse,
wenn auch au eine Zerquetschung und Zertrümmerung der Gesteins-
unterlage selbst durch den mächtigsten Eisstrom nicht gedacht
werden darf. , Der Fluß wirkt ferner nur entlang einer Linie ver-
tiefend, der Gletscher aber auf Flächen. Niemals wird eine Eis-
masse nach Art des grönländischen Inlandeises, die sich Uber eine
schiefe Ebene bewegt, ein Thal aushöhlen können, vorausgesetzt,
daß der Boden überall gleichen Widerstand bietet. Doch ist der
Fall denkbar, daß entlang einer Spalte die Verwitterung bis in
ziemliche Tiefen vorgearbeitet hat, und damit würde dem Eise die
Möglichkeit geboten sein, seine erodierende Kraft auf eine Linie zu
konzentrieren.10 Vielleicht sind manche polare Thalbildungen auf diese
Weise zu erklären, aber jedenfalls nicht die Thäler unserer einst
vergletscherten Hochgebirge. Diese sind mit Bestimmtheit älter, als
die diluvialen Gletscher. x Aber überall, wo ein Gletscher ein Thal
vortindet, wirkt er unzweifelhaft umgestaltend. Er erodiert zu-
gleich nach der Tiefe und nach den Seiten, er ist gleichsam be-
strebt, die Thalwände auseinanderzuschieben. Beide Medien stimmen
aber darin überein, daß sie, je nach dem Gefälle, bald erodieren,
bald ablagern. Das Vorhandensein loser Massen in verlassenen
Gletscherbetten beweist also nichts gegen die Erosion.
Genetische Einteilung der Thäler. Die Allgewalt der Erosion
findet ihren prägnantesten Ausdruck darin, daß an den Regenseiten
der Kettengebirge die Thalbildung entwickelter ist und tiefer in das
Gebirge eindringt, als auf der Leeseite.11 Je schärfer der klima-
tische Gegensatz, desto ausgeprägter der Gegensatz der Gliederung.
Während der Nordabhang des Eibursgebirges von tiefen Thälern
durchfurcht ist, ist der südliche ein einziger schroffer Abhang ohne
eigentlichen Fluß. Selbst in unseren niederschlagsreicheu Gegenden
läßt sich der klimatische Einfluß auf den Erosionsprozeß manchmal
naehweisen; so berichtet z. B. de Lamm, arme, daß alle Thäler der
hohen Normandie, die mehr oder minder senkrecht vom Regenwiml
getroffen werden, steiler und tiefer eingeschnitten sind, als die
anderen.
Die Frage nach dem Ursprung der Thäler ist aber häufig
mit der Frage nach der Ausbildung derselben verwechselt worden.
Ursprüngliche Thäler, d. h. Hohlformen, die lediglich durch den
Bau des Bodens bedingt sind und an deren Ausgestaltung die
Erosion nur einen geringfügigen Anteil hat, sind verhältnismäßig
x Man vergleiche, was auf S. 394 über das Innthal gesagt wurde.
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Thalbildung durch Erosion.
399
selten. Wir kennen nur drei Arten: Mulden-, Senkung»- und
interkolline Thäler. Die ersteren, in den Mulden der Schichten-
falten gelegen, sind verhältnismäßig selten und wohl kaum je in
ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten, so daß man im Zweifel sein
kann, ob man sie zu den ursprünglichen Thälern rechnen darf.
Die Senkuugsthäler nehmen, wie beispielsweise das Oberrheinthal,
eine Mittelstellung zwischen Thal und Ebene ein und werden besser
der letzteren morphologischen Kategorie zugezählt. Interkolline
Thäler liegen zwischen zwei selbständigen Gebirgen, die niemals
oder wenigstens nie vollständig zusammenhingen. Sie sind also
im Gegensätze zu allen anderen Thälern primäre Gebilde, wie die
Gebirge selbst, die sie einschließen. So ist in der Wetterau ein
Teil der hessischen Senke als Thal übriggeblieben, als im Osten
des Taunus vulkanische Ausbrüche das Vogelsgebirge schufen. Auch
in diesen Fällen ist es manchmal schwierig, zwischen Thal und
Ebene zu unterscheiden.
Alle übrigen Thäler können wir als Erosionsthäler bezeich-
nen, insofern wir darunter Thäler verstehen, die ihre heutige Aus-
bildung der Erosion verdanken. Als solche verraten sie sich
namentlich durch drei Merkmale: 1). durch ein Längsprofil, das
mehr oder weniger der Gleichgewichtskurve ähnlich ist Gebrochene
Kurven sind, wie wir gesehen haben, nur Ubergangsstadien; das
Fehlen der Rückwand im Quellgebiet deutet, wie wir bei einer
anderen Gelegenheit ausführen werden, auf gewisse Vorgänge in der
Entwicklungsgeschichte des Thaies hin. 2). Durch den mehr oder
weniger gewundenen Lauf des Thaies, so daß in der Regel das
kulissenartige Ineinanderschieben der Seitengehänge uns hindert,
das ganze Thal zu überblicken. Solch ein Verlauf entspricht ganz
der Tendenz der Flüsse zu Umwegen, ja manche Thäler, wie be-
sonders das der Mosel, zeigen ausgesprochene Serpentinen, und es
fehlen dann auch nicht tote Thalstrecken, die im Gebirge das Alt-
wasser der Ebene vertreten. 3). Durch die Verästelung im obersten
Thalgebiete. Ein Thal löst sich am oberen Ende in zwei unter
einem spitzen Winkel zusammeustoßende Quellthäler auf, diese
wieder in zwei, diese abermals u. s. w. Ein solches Thal endigt
also nicht mit einem, sondern mit mehreren Karen, aber die Ver-
zweigung ist genau derselbe Vorgang, der zur Bildung eines Kars
führt. Keines dieser Merkmale läßt sich durch die Annahme er-
klären, daß die Thäler tiefe Spaltenaufrisse seien.
Anders gestaltet sich aber das Problem, wenn wir die Frage stellen,
warum ein Erosionsthal gerade an dieser Stelle sich entwickelt hat
Es unterliegt keinem Zweifel, daß die ursprüngliche Anlage zahl-
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400
Die Dynamik des Landes.
reicher Thäler im Bodenbaue begründet war, der den erodierenden
Kräften eine bestimmte Richtung anwies. Neben diesen tek-
tonischen Thälern giebt es aber viele andere, bei denen sich
kein Zusammenhang mit geologischen Verhältnissen nachweisen
läßt, wohl aber mit hypsometrischen, insofern sie der Hauptabdachung
eines Gebirges oder einer schiefen Ebene folgen. Wir nennen sie
Abdachungs- oder orographische Thäler. Es bleibt jedem
unbenommen sich vorzustellen, daß gelegentliche Risse und Klüfte
die ersten atmosphärischen Niederschläge da oder dort zu Wasser-
fäden gesammelt haben, aber es muß betont werden, daß bei dem
gänzlichen Mangel an oberflächlichen Klüften das fließende Wasser
die gleiche Richtung nehmen und in derselben Thäler aushöhleu
mußte. Es giebt aber endlich auch unzweifelhafte Erosionsthäler,
die sowohl mit den tektonischen, als mit den hypsometrischen Be-
dingungen im Widerspruche stehen. Zur Erklärung dieser rätsel-
haften Gebilde nimmt v. Richt-
hofen an, daß sie zu einer Zeit
entstanden, als das heutige Gebirge
noch mit einer flachen Sediment-
decke verhüllt war. Die Flüsse folgten
der Abdachung der alten Oberfläche
Fig. 127. Epigenetische Thalbildung. un(j konnten sich in der ursprüng-
a b alte Oberfläche, cd jetzige Oberfläche. .
Das epigenetische Thal tf stammt aus liehen Richtung erhalten, wenn sie
der Zeit von ab und folgte der Ab- 8}cü zu (}er Zeit, da die Sediment-
dachung von a nach b, entspricht aber . , , ... r\j-
nicht der Oberfläche 0 Wd, die zwei Thäler decke der Denudation zum Opfer
von w nach c und d erfordern würde, flel, schon genügend tief in den alten
Untergrund, d. h. in die jetzige Ober-
fläche eingefressen hatten (s. Fig. 127). v. Richthofen nannte
diese Thalbildung eine epigenetische.
Das System der Thäler ist also folgendes:
1. Ursprüngliche Thäler.
a) Muldenthäler,
b) Senkungsthäler,
c) Interkolline Thäler;
2. Erosionsthäler,
a) Orographische Thäler,
b) Tektonische Thäler,
c) Epigenetische Thäler.
Die Kategorie der Verwitterungsthäler, von denen wir bei der
Gletschererosion sprachen, lassen wir vorläufig als problematisch
außer Betracht.
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Deltabildungen.
401
Litteraturnach weise. 1 Rütimeyer, Über Thal- u. Seebildung, Basel
1869. Supan, Thalbilduugen des östlichen Graubündens u. d. Tiroler Zentral-
alpen, in d. Mitteilungen d. Wiener Geographischen Gesellschaft 1877. Löwl,
Über Thalbildung, l‘rag 1884. Piiilippson, Ein Beitrag zur Erosionstheorie,
in Petermannb Mitteilungen 1886; Studien über Wasserscheiden in den Mit-
teilungen des Vereins für Erdkunde in Leipzig 1886. De la N’ok und De
Maroerie, Lcs formes du terrain, Paris 1888 (handelt hauptsächlich von der
Erosion und enthält sehr lehrreiche Abbildungen). — ’ Pence, Das Endziel der
Erosion u. Denudation, in den Verhandlungen d. VIII. deutschen Geographen-
tages, Berlin 1889. — * Hilber, Asymmetrische Thäler, in Petermannb Mit-
teilungen 1886. — 4 Rötimeyer, Der Rigiberg, Basel 1877. — 5 Dütton, Tertiary
History of the Grand Canon District, Washington 1882. — 6 Heim, Die Erosion
im Gebiete der Reuß, im Jahrbuch des Schweizer Alpenklub 1878 — 79. Bodmer,
Terrassen und Thalstufen der Schweiz, Zürich 1880. — 7 Blaas, Die Glazial-
formation im Inntliale, Innsbruck 1885. — 8 Über den Niagarafall s. Journal
of the American Geogrnphical Society, 1891, S. 212. — * Bi.ühcke u. Finster-
walder, Zur Frage der Gletschererosion, in d. Sitzungsberichten d. bayerischen
Akademie d. Wissenschaften, Mathem.-physik. Klasse 1890. — 10 v. Dryoai.ski,
Ein typisches Fjordthal, in der RiciiTiioFEN-Festschrift 1893. — 11 KrI'mmei., Ein-
seitige Erosion, im „Ausland“ 1882.
Deltabildungen. 1
Mündungsformen der Flüsse. Wie sich in der Thalbildung die
zerstörende Kraft des fließenden Wassers geographisch am wirk-
samsten äußert, so in der Deltabildung seine aufbaueude Kraft.
Wenn ein Fluß in ein ruhendes Wasser mündet, so tritt nicht so-
Supan, Physische Erdkunde. 2. Aufl. 26
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402
Die Dynamik des Landes.
gleich eine Vermischung ein, sondern er behält vermöge seiner
Stoßkraft noch einige Zeit den Charakter einer selbständigen Masse
bei. Im Meere und in Salzseen kommt noch der Umstand hinzu,
Fig. 129. Mississippidelta nacli R. Credner.
daß das süße Flußwasser wie Öl auf dem schweren Salzwasser
schwimmt. Allmählich vermengen sich beide Flüssigkeiten zu so-
Fig. 130. Petschoruüelta nach R. Ceeoxeb. Fig. 131. Ebrodelta naeli R. Cbednek.
genanntem Brackwasser, bis endlich unter fortdauerndem Einflüsse
der Wasserbewegung das Flußwasser völlig absorbiert wird. Vor
der Kongomündung ist das Oberflächenwasser noch bis zu einer Ent-
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Peltabildungen.
403
fernuug vou 23 km süß, und die Zone des brackischen Wassers reicht
noch 4G — 50 km weiter.
Mit der Geschwindigkeit des Flusses erlischt auch dessen Trag-
kraft, und die Sedimente lagern sich am Boden des Meeres oder
Binnensees ab, und bilden entweder Sandbänke, Untiefen und Barren,
oder wachsen unter günstigen Verhältnissen über den Seespiegel
empor. Es giebt also nach den eingehenden Untersuchungen von
R. Cbedner nur zwei Mündungsformen: offene Mündungen
mit unterseeischen Ablagerungen und Deltamündungen, wo-
bei sich das Land auf Kosten des Meeres oder eines Sees ver-
größert. Man kann daher ozeanische und Binnendeltas unter-
scheiden.
Die Bezeichnung Delta wurde ursprünglich nur auf den Unter-
lauf des Nils angewendet (Fig. 128). Das Hauptgewicht legte man,
dem Namen entsprechend, auf die Gabelung des Flusses in zwei
oder mehrere Arme, und in diesem Sinne sprach man auch von
einem Delta des Cooper Creek oder des Amazonas, obwohl in keinem
dieser Fälle eine Schöpfung von Neuland durch Flußabsätze, die
von rezenten Bildungen stehender Gewässer unterlagert werden, statt-
tindet. Gerade das betrachtet aber der moderne Deltabegriff als
das wesentliche. Die Gabelung ist dagegen ein nebensächlicher
Vorgang, die keineswegs immer mit dem Beginn des Deltalaudes zu-
sammenfällt, ja bei einigen echten deltabildenden Strömen, wie z. B.
beim Ebro (Fig. 131), gänzlich fehlt.
Bau, Gestalt und Oberflächenform der Deltas. Das Baumaterial
liefern hauptsächlich die Flußsedimente, bei größeren Flüssen feiner
Sand und Schlamm, bei kurzen Küstentlüssen (besonders an Steil-
ufern) auch Gerülle. Das gröbste Material fällt schon zunächst der
Mündung, das feinere aber erst in größerer Entfernung zu Boden.
Da aber das Hochwasser vermöge seiner größeren Transportfähigkeit
die schwereren Sedimente weiter hiuausführt, als das Mittelwasser,
und dieses wieder weiter als das Niedrigwasser, so entsteht zugleich
eine Wechsellagerung von gröberem und feinerem Material. Die
Lagerung ist im Meere gewöhnlich eine flach geneigte bis nahezu
horizontale; nur in Binnenseen kann die Böschung des Schuttkegels,
an dessen Zusammensetzung sich auch Gerölle in größerer Menge
beteiligt, 35° erreichen. Neben den Flußsedimenten liefern auch
Treibholz, das später in Torf oder Lignit umgewandelt wird, und
in sehr untergeordneter Weise animalische Bestandteile Baustoffe
zur Deltabildung. Die von Sand- und Schlammmassen bedeckten
organischen Substanzen entwickeln bei ihrer Zersetzung Gase, die
26*
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404 Die Dynamik des Landes.
in manchen Deltas (besonders in dem des Mississippi) genug Spann-
kraft besitzen, um die Decke zu sprengen und kleine Sehlamm-
und Gasvulkane (sogenannte Mudlumps) zu erzeugen.
Die Mächtigkeit der Deltabildungen, über die uns Bohrungen
Aufschluß geben, ist sehr verschieden. Beim Nil beträgt sie
höchstens 15, beim Rhein über GO, bei der Rhone über 100, beim
Po 173 m. Nicht in allen Fällen läßt sich die Grenze zwischen
den Fluß- und Meeressedimenten mit Sicherheit ziehen, daher
die Angaben z. B. in Bezug auf das Mississippidelta beträchtlich
differieren.
Häufig entstanden Deltas in tief eingeschnittenen Meeresbuchten.
Wenn es richtig ist, daß der blaue Thon, auf dem die modernen
Alluvionen des Mississippi ruhen, nicht rein fluviatilen Ursprungs
ist, so beginnt das Delta des amerikanischen Riesenstroms schon
bei der Ohiomündung. In der Gegenwart können wir die Ausfül-
lung von Meeresbuchten z. B. am Laplata oder am Dnjestr be-
obachten. In manchen Fällen sind die Buchten durch Uferwälle
(Nehrungen) abgeschlossen, wie an der Memelmündung, beim Nil
dagegen durch eine Inselreihe, die nach Jankö aus jungmarinem
Kalke besteht.2 Die Bucht ist hier bis auf einige Lagunen schon
ausgefüllt. Die Poanschwemmung ist sogar über die Uferwälle
hinausgewachsen, und hat sich damit aus einem Ausfüllungs-
delta in ein vorgeschobenes Delta verwandelt. Besonders
drastische Beispiele der letzteren Art sind die Deltas des Ebro
(Fig. 131), der Lena und des Mississippi (Fig. 129).
Die Deltaländer sind völlig horizontale Ebenen, die sich bei
Hochwasser stetig erhöhen und gegen das Meer hin in ein sumpfiges
Litorale übergehen. Nur wo das Delta nicht allseitig wächst, wie
das der Rhone, werden am Strande Dünenreihen aufgeworfen, die
aber mit den schon erwähnten präexistierenden Uferwällen nicht
verwechselt werden dürfen. Da das Gefälle sehr gering ist, so ist
der Flußlauf fortwährenden Veränderungen unterworfen, indem alte
Kanäle versanden und neue sich bilden. Wenn die Gabelung unter
einem spitzen Winkel erfolgt, wie am Nil, so erleidet die Spitze
des dreieckförmigen Landes beständigen Abbruch und rückt thal-
abwärts vor.
Wachstum der Deltas. Am raschesten scheint das Delta des
Terek zu wachsen, denn es rückt jährlich durchschnittlich 495 m in
den Kaspisee vor. Unter den großen Stromdeltas dürfte sich
das des Mississippi am schnellsten vergrößern, aber — wie dies
auch bei anderen Flüssen der Fall ist — nicht gleichmäßig an
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Deltabildungen.
405
allen Mündungsstellen, ohne daß die Wassermenge der einzelnen
Arme (hier Pässe genannt) dafür verantwortlich gemacht werden
könnte. x
Am Podelta läßt sich der Einfluß des Menschen auf das Wachs-
tum des Landes erkennen. Dieses betrug von 1600 bis 1804 pro
Jahr 70 m, von 1200 bis 1600 aber nur 23 m, weil damals noch
nicht ein umfassendes Deichsystem den Fluß zwang, den größeren
Teil seiner Sinkstoffe in das Meer zu führen. Aus demselben Grunde
rückt das Nildelta jährlich nur um 4 m vor, denn die regelmäßigen
Überschwemmungen entziehen ihm eine Menge Sedimente, die im
Binnenlande liegen bleiben. Wo eine positive Niveauveränderung
statttindet oder das stürmische Meer besonders heftig die Neuland-
bildungen bekämpft, können sogar Deltas wieder zerstört werden.
Das Narentadelta an der dalmatischen Küste verliert immer mehr
an Umfang, und das Rheindelta, das schon zum großen Teil unter
dem Seespiegel liegt, würde demselben Schicksal verfallen, wenn es
nicht durch Dämme geschützt wäre. Das Emsdelta, das noch zur
Römerzeit bestand, ist ganz verschwunden, und wir haben Ursache
anzunehmen, daß auch die Weser, Elbe und Eider, wie der Hudson
und Connecticut an der Ostküste der Vereinigten Staaten einst Deltas
besessen haben.
Infolge des Wachstums können Deltas benachbarter Flüsse mit-
einander verschmelzen, wie das des Rhein, der Maas und Schelde und
das des Ganges und Brahmaputra; oder zwei Flüsse können sich zu
einem Hauptkanal vereinigen wie Euphrat und Tigris; oder urspriin-
lich selbständige Flüsse sinken zu Nebenflüssen herab. So wurde
z. B. der Pruth der Donau und der Red River dem Mississippi
tributär. Das Lartdfestwerden von Inseln, die Zweiteilung langge-
streckter Seen durch seitlich einmündende Flüsse, die endliche Aus-
füllung der Seen sind alles Folgeerscheinungen des Wachstums der
Deltas.
Geographische Verbreitung der Deltas. Die unterseeischen Ab-
lagerungen an offenen Flußmündungen zeigen häufig eine so ausge-
sprochene Deltaform, daß wir sie geradezu als submarine Deltas
bezeichnen können (vgl. Fig. 132 mit Fig. 130). Jedes Oberflächen-
delta muß als submarines begonnen haben und kann wieder unter
besonderen Umständen in ein solches verwandelt werden; zwischen
x SW. -Paß S.-Paß NO.-Paß Paß iV l’Outre
Wassermenge in Prozenten ... 84 8 22 23
Jährliches Wachstum in m . . . 103 85 40 —
Die übrigen 13 Proz. der Wassermenge werden durch Nebenkanäle abgeführt
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40(5
I)ie Dynamik des Landes.
beiden Formen besteht also kein genetischer Gegensatz. Es ent-
steht nun die Frage, unter welchen Bedingungen die Flußablage-
rungen unterseeisch bleiben, unter welchen sie über den Meeresspiegel
emporwachsen. Daß allgemein wirkende Ursachen dabei im Spiele
sind, ergiebt sich schon aus dem geselligen Auftreten beider Mün-
dungsformen. Deltaküsten sind z. B. die russische und ostsibirische
Eismeerküste, die
südostasiatische
Küste vom Gelben
Meere bis zum Golfe
von Bengalen, der
nördliche Teil der
Ostküste von Süd-
afrika, das Gestade
des Golfes von
Guinea, die Küsten
des Schwarzen und
Mittelländischen
Meeres, die Südost-
küsten der Bal-
tischen See, die Küsten des amerikanischen Mittelmeeres u. s. w.
Dagegen haben der Juba, die Kerka, der Bug u. a. offene Mün-
dungen, obwohl sie sich an Deltaküsten in das Meer ergießen, und
anderseits geben uns die Mündungen des Indus, Schat el Arab,
Laplata, Rhein u. s. w. Beispiele von Deltabildungen an sonst
deltafreien Küstenstrecken.
Es ist bisher kein einziger Faktor gefunden worden, der allein
die eine oder die andere Mündungsform bedingt. Die Gironde, die
66 mal mehr Sedimente in das Meer führt, als die deltabildende
Weichsel, hat trotzdem eine offene Mündung. Elbe und Weser
haben ein stärkeres Gefälle, wie zahlreiche Deltaflüsse, und können
daher auch mehr Material an der Mündung ablagern, aber trotzdem
ohne sichtbaren Erfolg. Träge schleichen Nil und Donau dahin,
einen großen Teil ihrer festen Bestandteile lassen sie im Binnen-
lande zurück, und doch bauen sie Deltas. Im tiefen Meere schaffen
die Küstenflüsse zwischen Toulon und Genua neues Land, während
die Themse in einer Flachsee nur Sandbänke abzulagern vermag.
Daß Uferwälle keine notwendige Bedingung der Deltabildung sind,
beweist schon der Umstand, daß viele Deltas über dieselben hinaus-
wachsen. Andererseits giebt es, wie an der Ostküste der Vereinigten
Staaten, Lagunen mit Nehrungen, in die bedeutende Flüsse münden,
ohne sie auszufüllen. Viele waren der Meinung, eine kräftige Ge-
Fig. 132. Submarines Delta des Mersev, 1847.
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Deltabildungeii,
407
Zeitenbewegung verhindere die Deltabildung, aber sie konnten durch
den Hinweis auf die großen Deltas des Ganges, Indus, Niger u. a.
leicht widerlegt werden. Im Gegensätze zu den genannten Flüssen
haben Murray und Columbia offene Mündungen, obwohl diese von
Ebbe und Flut nur schwach bewegt werden. Wohl aber beeinflussen
die Gezeiten die Form der Astuarien, d. h. der Mündungsarme,
in die sie eindringen. Indem das Flußwasser, durch die keilartig
eindringende, spezifisch schwerere Flut nach oben gedrängt, an
Breite zu gewinnen sucht, was es an Tiefe verliert, wird das
Astuarium trichterförmig erweitert, gleichgültig, ob die Mündung
eine offene oder eine Deltamündung ist Nur darf man nicht
alle trichterförmigen Buchten (wie beispielsweise die Laplata-
Bai) als Flußschöpfungen betrachten und als Ästuarien be-
zeichnen.
Auch Küstenströmungen verhindern weder Deltabildungen, noch
rufen sie sie hervor. Im Bereiche des Mozambiquestromes mündet der
Sambesi mit und der Limpopo ohne Delta und ebenso verhalten sich
Orinoeo und Amazonas an der von der südäquatorialen Strömung
bespülten Küste. Der Einfluß der Strömungen beschränkt sich
darauf, daß unter Umstäuden die Flußablagerungen durch Sedimente,
die von fernher stammen, vergrößert werden. Winde verstärken die
Strömung des Flusses und damit auch dessen Transportkraft, wenn
sie thalabwärts wehen, während sie im umgekehrten Falle auf das
Wachstum des Deltas verzögernd einwirken, aber ohne es verhindern
zu können. Auch die Richtung der Mündungsarme ist oft eine
Folge der vorherrschenden Windrichtung; die östliche Ablenkung
der Rhönearme durch den Mistral (s. S. 119) mag als Beispiel an-
geführt werden.
R. Cbedneb glaubte in den Niveauveränderungen den Schlüssel
zur Erklärung der geographischen Verbreitung der Deltas gefunden
zu haben. Es ist auch einleuchtend, daß positive Niveauverän-
derungen die Entstehung offener Mündungen und negative die
Deltabildung im hohen Grade begünstigen müssen. Aber nicht
immer gehen beide Phänomene Hand in Hand. Im Po-, Memel-,
Rhein-, Ganges- und Mississippidelta fand man bei Bohrungen in
mehr oder minder beträchtlichen Tiefen und wiederholt Torflager
und Baumstämme in ungestörter Stellung. Es lassen sich diese
Thatsachen kaum anders als durch die Annahme einer positiven
Niveauveränderung erklären. Zwar ist es wahrscheinlich, daß wir
es hier nur mit örtlich beschränkten Sackungsvorgängen zu thun
haben, aber immerhin sind negative Niveauschwankungen hier aus-
geschlossen. Andererseits sind unzweifelhafte Hebungsgebiete frei
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408
Die Dynamik des Landes.
von Deltas, wie die pazifische Küste der neuen Welt oder das Mün-
dungsgebit des Amurs.
Das Zusammenwirken verschiedener Faktoren, unter deneu die
Niveauveriiuderungen jedenfalls auch eine Rolle spielen, bedingt also
die geographische Verbreitung der Deltas, ohne daß wir jetzt schon
in jedem einzelnen Falle die Haupt- und Nebenursachen, die för-
dernden und hemmenden Momente zu sondern vermöchten. Vielleicht
werden uns eingehende Detailstudien der Lösung des Rätsels näher
bringen, aber derzeit läßt sich noch nicht einmal die Vermutung
aussprechen, ob es jemals gelingen werde, die Anordnung der
offenen und Deltamündungen auf eine einfache Formel zurückzu-
führen.
Litteraturnach weise. 1 E. Ceedxer, Die Deltas, Gotha 1878 (Er-
gänzungsheft Nr. 56 zu Petermanns Mitteilungen). — * Jankö, Das Delta des
Nil, im Jahrbuch der Ungarischen Geologischen Anstalt 1890.
Die Arbeit des Windes.1
Winderosion. Die geologische Bedeutung des Windes erkannt
zu haben, ist das epochemachende Verdienst v. Richthofens. Daß
diese Entdeckung erst so spät reifte, hat seinen Grund darin, daß
der Wind in Kulturländern eine verhältnismäßig untergeordnete Rolle
spielt, ungeordnet jedenfalls mit Vergleiche zum fließenden WTasser.
Wo der lockere Boden durch eine Vegetationsdecke geschützt ist,
ist er der Ablation des Windes ebenso entrückt, wie wenn er mit
Schnee oder Eis bedeckt ist, oder wie wenn seine Teilchen durch
Feuchtigkeit fester mit einander verbunden sind. Die Wüste, wo
nackter, trockener Lockerboden weite Flächen einnimmt, ist das
eigentliche Reich des Windes, hier herrscht er beinahe unum-
schränkt. Es kommt noch hinzu, daß über baumlosen Ebenen die
untersten Schichten der bewegten Luft eine verhältnismäßig geringe
Reibung erleiden, und die Windstärke somit schon unmittelbar am
Boden einen hohen Grad erreicht. Welche Mengen Materials von
der Luft transportiert werden, kann jeder ermessen, der eine Schil-
derung jener gewaltigen Staub- und Sandstürme in Wüsten und
Steppeu, die die Sonne verfinstern, gelesen hat; ja in manchen
Gegenden Zentralasiens ist die Luft so mit Staub erfüllt, daß sie
sogar bei völliger Windstille den Sonnenstrahlen den Durchgang
verwehrt.
Anders als die Ablationskraft des Wassers wirkt die des Windes.
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Die Arbeit des Windes.
409
Das Wasser transportiert abwärts und nur ausnahmsweise auch auf-
wärts; der Wind wellt auf- und abwärts, er ist bis zu einem ge-
wissen Grade unabhängig von der Schwerkraft, wie von der Be-
schaffenheit des Geländes. Das Wasser ist an gewisse Seehöhen
gebunden und muß oberhalb derselben dem Eise weichen, das Reich
des Windes erstreckt sich über die ganze Erde, Uber alle Breiten,
über alle Höhen. Das fließende Wasser wirkt linear und schafft
Rinnen, der Wind denudiert Flächen und erzeugt nur ausnahms-
weise Rinnen, indem er Straßen mit gelockertem Boden in Hohlwege
verwandelt.
Im Vergleiche zur Ablation durch den Wind oder zur Deflation,
wie Walther sie nannte *, ist die Corrasion ziemlich geringfügig.
Eine corradierende Thätigkeit übt der Wind nur dann aus, wenn er
Sand gegen Felsen schleudert. Thoulet hat auf experimentellem
Wege die Bedingungen der Zerstörung durch Sandgebläse unter-
sucht; sie hängt von der Sandmenge, der Windstärke, der Härte
des angegriffenen Gesteins im Vergleiche zu derjenigen der Angrifts-
waffe, von der Beschaffenheit des ersteren — homogene Gesteine sind
widerstandsfähiger als zusammengesetzte — , von dem Winkel ab, unter
dem der Luftstrom auffällt und der G0U übersteigen muß, wenn
bedeutendere Wirkungen erzielt werden sollen, etc. etc.
An der Zerstörung der Felswüste arbeiten unausgesetzt Insolation
und chemische Verwitterung, namentlich die erstere. Sie zersprengt
den Fels in scharfkantige Stücke von verschiedener Größe; die
kleineren trägt der Wind fort, die größeren läßt er liegen. Ist das
Gestein spröde oder mangelt es an Sand, so entsteht aus der reinen
Felswüste die Hamm a da, d. h. ein Felsboden, der mit zahllosen
kantigen Absplitterungsstücken übersät ist. Die Hammada kann
aber auch nur ein Ubergaugsstadium zur Serir — wie man die Kies-
wüste in der Sahara nennt — darstellen. Ist genügend viel
Sand vorhanden, so wird auch der Hammadaschutt von dem Winde
corradiert, die weicheren Bestandteile werden entfernt und nur der
härteste unter den Hauptbestandteilen der Gesteine, der Quarz, bleibt
zurück. Aber auch dieser geht nicht ganz siegreich aus dem Kampfe
mit den zerstörenden Kräften hervor; er wird durch Sandgebläse ab-
geschliften und erhält jenen Firnisglanz, der ihn merklich vom Fluß-
gerölle unterscheidet. Die Kieswüste, bedeckt mit gerundeten Quarz-
stücken und dazwischen mit Quarzsand, ist das Endprodukt der
Denudation der Felswüste. Ein drastisches Beispiel davon ist die
* Neuerdings hat er diesen Begriff erweitert, indem er auch die Corrasion
einbezieht, was aber nicht mehr dem Wortsinne entspricht.
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410 Die Dynamik des Landes.
Kalanscho-Serir zwischen Audschila und Dschibbena, wo man nach
Rohlfs stundenlang Uber linsen- und erbsengroße, dann wieder
stundenlang über nußgroße Kiesel wandern muß.
Äolische Sandablagerungen. Die Transportkraft des Windes
ist demselben Gesetze unterworfen, wie die des Wassers. Je leichter
das Material, desto weiter der Transport Schreiten wir von der
Serir in der Richtung des herrschenden Windes fort, so betreten
wir zuerst Gebiete, wo Sand, dann erst solche, wo die feinsten
Partikelchen verschiedener Gesteinsarten, die wir unter dem Namen
Staub zusammenfassen, zur Ablagerung gelangen. Wechselt der
Wind häufig, so kommt es auch zu keiner so strengen Sonderung
der Denudations- und Ablagerungsgebiete; aber gerade in den Wüsten
scheint — nach den spärlichen Beobachtungen, die uns vorliegen,
zu schließen — die Windrichtung ziemlich beständig zu sein.
Der Sand wird entweder flächenartig ausgebreitet — das ist die
Flugsaudwüste — , oder zu Hügeln und Hügelketten aufgeworfen —
das ist die Dünenwüste. Wenn wir von Wüste sprechen, so soll
damit aber nicht gesagt sein, daß äolische Sandablagerungen nur
auf die eigentlichen Wüstengebiete beschränkt sind. Sie kommen auch
bei uns in Mitteleuropa in trockeneren Gegenden nicht selten vor,
aber sie werden hier bald durch die Vegetation befestigt, während
sie in der Wüste, zum Teil wenigstens, beständiger llmlagerung unter-
liegen.
Wir unterscheiden Strand- und Binnenland-Dlinen. Die
Entstehungsweise ist in beiden Fällen dieselbe, aber die Herkunft
des Baumaterials ist verschieden. Am Strande liefert es das Meer,
woher aber stammen die ungeheuren Sandmassen der Wüste? Auch
da dachte man an das Meer; und wo in jüngster geologischer Ver-
gangenheit die Wüste von Meer bedeckt oder bespült war, wie z. B.
die indischen Geologen von der Wüste Thurr behaupten, mag diese
Ansicht auch richtig sein. Aber gerade für die größten Sandwüsten
der Erde muß man nach anderen Sandquellen suchen, und man
glaubte sie in der Zersetzung von Sandsteinen gefunden zu haben.
Der nubische Sandstein in Nordafrika und die mürben Sandsteine der
Kreideformation in Zentralasien wurden längere Zeit für die haupt-
sächlichsten Sandlieferanten gehalten. In Bezug auf den ersteren
hat aber Walther geltend gemacht, daß er schwer verwittere und
auch nicht so weit verbreitet sei, als daß aller Sand der Sahara
davon herstammen könnte. Seiner Meinung nach sind die kristalli-
nischen Gesteine, die durch die Insolation am meisten angegriffen
werden, die vornehmsten Ursprungsstätten des saharischen und ara-
bischen Flugsandes.
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Die Arbeit des Windes.
411
Dünen.2 Um die Dünenbilduug zu beobachten, begeben wir uns
an den Strand. Der von der Brandung zurückgelassene Sand wird,
sobald er trocken geworden, von dem Seewinde landeinwärts getragen.
Da oder dort staut er sich vor einem Hindernisse auf, beispielsweise,
wie in Fig. 133, vor einem Pflocke, den man absichtlich in den
Boden gesteckt hat, um daran die Art der Dünenbildung experi-
mentell zu erweisen. Der Sandhügel wächst immer höher an, bis
seine Böschung in eine Linie mit dem oberen Pflockende kommt,
worauf der Sand sich
auch an der Leeseite
des Hindernisses an-
häuft. Endlich wird
auch der leere Raum,
den die kleine Wirbel-
bewegungdesWindes
vor dem Pflocke offen
hielt, ausgefüllt; das
Hindernis ist völlig
mit Sand bedeckt,
und die Düne kann
nun weiter wachsen,
soweit es das zuge-
führte Material, also
indirekt die Stärke
der Gezeiten und der Wind gestatten. Stets ist die Böschung auf
der Windseite sanfter als auf der Leeseite, wo der Sand nur
der Schwerkraft folgt. In den Landes steigen die Dünen unter
einem Winkel von 5 — 12° von der Seeseite an und fallen unter
einem Winkel von 28 — 32°, stellenweise sogar unter einem solchen
von 35° gegen das Land ab. An der Westküste der Sahara, wo
der Passat Dünenhügel aufwirft, ist natürlich die Seeseite die steilere.
Da die Feinheit des Baumaterials mit der Windstärke wechselt, so
tritt auch Schichtung ein, wie wir in Fig. 133 (111. Stadium) ange-
deutet haben.
ln der Natur veranlassen die verschiedenartigsten Hindernisse,
wie Baumstümpfe, Haufen ausgeworfener Muscheln und dergleichen,
Sandansammlungen, vor allem aber Sträucher, die als Sandfänge
dienen. Kein Hindernis ist zu klein, denn der Sand macht es selbst
von Tag zu Tag größer. Sind sie dicht gedrängt, so entstehen statt
einzelner Hügel ganze Dünenwälle, die manchmal, halbmondförmig
gebogen, ihre konkave Seite dem Lande zukehren. Menge und
Korngröße des Sandes einerseits, die mittlere Windstärke anderseits
I. Stadium.
II. Stadium.
III. Stadium.
Fig. 133. Dünenbildung.
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412
Die Dynamik des Landes.
bestimmen das Wachstum der Dünen. In Europa sind die der
Landes die höchsten; sie erreichen 60 — 70 m, Lascour sogar 90 m,
während sie an der Nord- und Ostsee stets unter 30 oder 40 m
bleiben. Auch sind die Stranddünen, soweit sie vegetationslos sind,
beständigen Umbildungen unterworfen, der Sand der Luvseite wird
auf die Leeseite getragen, und so wandert die Düne landein-
wärts. Weite Strecken werden dadurch versandet, die menschlichen
Wohnsitze zurückgedrängt und Wälder verschüttet, die, wenn sie
auch ein günstiges Geschick wieder von ihren Fesseln befreit, ihre
Lebenskraft doch unwiederbringlich eingebüßt haben. In den Landes
rücken die Dünen im Durchschnitte jährlich 1 — 2 m landeinwärts,
an manchen Stellen aber — wie die Dünen von Teste und Löge —
20 bis 25 m: ferner in Schleswig 7, auf der Frischen Nehrung 33/4
bis 5'/2 und auf der Kurischen Nehrung ca. 5 1/2 m. So entstehen
mehrere Httgelreihen hintereinander, landeinwärts stetig an Höhe
zunehmend. In der Tropenzone, wo sogleich Pflanzen, besonders
Mangrovebäume, von den Dünen Besitz nehmen, ist deren Beweglich-
keit gering, und auch in Europa scheinen sie ehemals natürliche
Wälder getragen zu haben, denn Montaigne berichtet im 16. Jahr-
hundert, sie hätten erst seit kurzer Zeit zu wandern angefangen.
In unseren Tagen sucht man sie durch Anpflanzung von Gewächsen
mit langen Wurzeln, wie Strandhalm, Strandhafer, Strandroggen und
Strandweide, zu befestigen; hat sich dann aus den Abfällen der-
selben eine dünne Humusschicht gebildet, so siedeln sich auch andere
Pflanzen an, die die Seeluft vertragen.
ln Binnenländern mit trockenem, warmem Sommer, wie im
südlichen Bußland, finden wir in offenen, sandigen Flachthälern die
niedrigen Flußdünen. Gewaltiger tritt aber das Dünenphänomeu
in der Wüste auf. Höhen von 100 m und darüber sind keine
Seltenheit, der Sandberg am Natronsee von Fessan soll 160 m er-
reichen. Die gewöhnliche Form sind die langgestreckten Dünen
mit konvexer Böschung au der Windseite und scharfem Grate, der
nach der Leeseite zuerst steil abstilrzt und dann mit konkaver
Böschung sich allmählich verflacht. Daneben kommen in der Sahara,
im Nefud, in der uralkaspischen Wüste und in Südamerika, aber
nur auf völlig ebenen , vegetationslosen Strecken , auch niedere
Bogendüneu (Barchane) vor mit halbmondförmiger Krümmung
nach der Leeseite, wie wir solche manchmal auch am Strande be-
obachten können. Die Wüstendünen scheinen aber beständiger zu
sein, als die Stranddünen, sonst würden sie nicht besondere Namen
tragen und könnten sich uralte Karawanenwege, Brunnen und ganze
Oasenarchipele nicht erhalten. Die Beobachtungen in der algerischen
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Die Arbeit des Windes.
413
Sahara lehrten, daß die Dünen im Innern feucht sind; diese
Feuchtigkeit kommt nach Couebis von unten und giebt die erste
Veranlassung zur Anhäufung von Sand an einer bestimmten Stelle,
während Holland die erste Ursache der Düuenbilduug in der Un-
ebenheit des Geländes erblickt, die den Flugsand an der Fort-
bewegung hindert, und die Feuchtigkeit von den atmosphärischen
Niederschlägen ableitet. Möge die eine oder die andere Ansicht
richtig sein, jedenfalls ist die innere Feuchtigkeit ein vortreffliches
Verfestigungsmittel. Aber trotzdem darf man sich auch die saha-
rischen Dünen nicht als völlig unbeweglich vorstellen; in der west-
lichen Wüste mit ihren Nord Westwinden ist eine äußerst langsame
Verschiebung der Sandmassen nach Osten und Süden aus verschie-
denen Anzeichen zu erschließen.3
Staubablagerungen. Staubniederschläge finden zwar überall statt,
aber nur auf grasbedeckten Ebenen oder in abflußlosen Becken in der
Nähe von Wüstenräumen, die besonders aus dem Zerfalle krystalli-
nischer Gesteine viel Staub liefern, erreichen sie einen nennenswerten
Betrag und wirken oberffächengestaltend. Auf stark geneigtem Boden
spült sie der Kegen wieder ab, und auf nacktem Boden erfaßt sie
wieder der nächste Windstoß und trägt sie weiter.
Da der Staub sehr verschiedenartige mineralische (besonders
thonige) und organische Bestandteile in sich vereinigt, so ist der
äolische Aufschüttuugsboden in der Kegel sehr fruchtbar, voraus-
gesetzt, daß die klimatischen Bedingungen günstig sind. Ist die
Trockenheit aber so groß, daß die Flüsse das Meer nicht erreichen,
so beschränkt sie nicht bloß direkt den Ptlanzenwuchs, sondern
auch indirekt, indem die Salze, die derselben Quelle entstammen,
wie der Staub selbst, und durch Wind und fließendes Wasser überall-
hin verbreitet werden, den Aufschüttungsboden imprägnieren. So ent-
steht die Salzsteppe nicht bloß dort, wo das Meer sich erst vor
kurzer Zeit zurückgezogen hat, oder wo Salzseen austrocknen, wenn
auch in dem letzteren Falle der Salzgehalt des Bodens in der Regel
am größten ist; oft so groß, daß Salzkrusten wie frisch gefallener
Schnee den Boden weithin bedecken.
Tritt aber eine Klimaänderuug ein, sodaß der Niederschlag
den Betrag der Verdunstung übersteigt, so bahnen sich die er-
starkten Flüsse einen Weg zum Meere oder zu den nächsten
ozeanischen Flüssen, graben tiefe Erosiousschluchten in das Becken
der Salzsteppe ein, tragen die äolischen Ablagerungen dem Meere
zu, befreien den Boden von seinem Salzgehalte und machen ihn
dadurch dem Ackerbaue zugänglich. Die Steppengebilde werden
auf diese Weise, nach v. Richthofens Theorie, in Löß verwandelt.
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414 Die Dynamik des Landes.
Man unterscheidet zwei Arten von Löß: Land- und Seelöß.
Der erstere, die weitaus verbreitetste Art, ist eine nahezu homogene
Masse aus lehmiger gelber Erde mit etwas Saud, etwas kohlensaurem
Kalk und einigen leicht löslichen alkalischen Salzen. Feine Kanäl-
chen, die Hohlräume ausgewitterter Wurzelfasem, durchziehen ihn,
saugen das Wasser begierig auf und verhindern dadurch die Bildung
von Seen und Sümpfen; wahrscheinlich bedingen sie auch den Hang
des Lößes zu vertikaler Zerklüftung, die — wie wir bei einer
anderen Gelegenheit sehen werden — landschaftlich so bedeutungs-
voll wirkt. Wirkliche Schichtung fehlt; eine scheinbare Schichtung
wird durch die lagerartig horizontale Anordnung von Mergelknollen
(den sog. Lößmännchen) hervorgerufen; doch beweist ihre vertikale
Stellung, daß sie an Ort und Stelle entstanden sind. Dieser Um-
stand, sowie die eigentümliche Verbreitung des Lößes, die sich an
kein Niveau bindet, und das fast ausschließliche Vorkommen von
Landschnecken in demselben, werden als Beweise für den äolischen
Ursprung dieser, durch außerordentliche Fruchtbarkeit ausgezeich-
neten Ackererde angeführt. Der Seelöß wurde dagegen in Salzseen
abgelagert; er ist geschichtet und ermangelt der Kapillarstruktur.
In Europa spielt der Löß eine verhältnismäßig untergeordnete
Rolle, wenigstens in morphologischer Beziehung. Am verbreitetsten
ist er im Rhönethale, im Rhein- und Donaugebiete (im letzteren
von Bayern bis Rumänien), in Thüringen, im nördlichen Böhmen,
und besonders in Galizien und der Bukowina, von wo er sieh über
das wolhynisch-podolische Plateau bis in die Ukraine fortsetzt. Seine
Mächtigkeit beträgt aber nur 30 bis 60 m. Dagegen erreicht er
im nordwestlichen China, wo er ein Areal von der Grösse des
Deutschen Reiches fast ununterbrochen bedeckt, stellenweise eine
Mächtigkeit bis zu 600 m. Kaum weniger entwickelt ist er auf
dem nordamerikanischen Prärienplateau von Missouri bis Texas, wo
noch Salzseen und weite sandige Strecken an den einstigen Zustand
erinnern; ferner auf der gebirgsumschlossenen Hochebene der west-
lichen Union, wo ihn Russell unter dem Namen Adobe beschrieben
hat;4 endlich in der südamerikanischen Pampasebene, die sich vom
mittleren Bolivia bis Patagonien erstreckt.
Die Frage, ob alle Bodenarten, die man jetzt unter dem Namen
Löß zusammenfaßt, äolischen Ursprungs sind, harrt übrigens noch der
Entscheidung. In Bezug auf den deutschen wie auf den Prärienlöß
finden sich unter deu Geologen noch immer energische Verteidiger
der Ansicht, daß er ein wässeriger Niederschlag sei. Auch Uber
die Entstehung der russischen und indischen Schwarzerden,
die sich durch reichen Humusgehalt und daher durch große
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Die Arbeit des Meeres.
415
Fruchtbarkeit auszeichnen, sind die Meinungen noch immer geteilt,
v. Richthofen betrachtet sie nur als Abarten des Löß, d. h. als
äolische Ablagerungen, die die intensive Humifizierung ihrer oberen
Schichten dem Einflüsse örtlicher Bedingungen verdanken. Die
russische Schwarzerde oder Tscliernosjom bedeckt ein weites Ge-
biet vom Pruth bis zur Wolga in einer Mächtigkeit von 1 — 21) m
und tritt auch im westlichen Sibirien wieder auf. Ihr ausgezeich-
netster Kenner, Dokutschajew, erklärt sie für eine Eluvialbildung,
entstanden durch die Verwitterung der darunter liegenden Urgesteine.5
Auch die unter dem Namen Regur oder Cottonsoil bekannte
Schwarzerde, die in Südindien nahezu ein Drittel des Bodens ein-
nimmt, halten einige indische Geologen für eluvial, andere dagegen für
eine Süßwasserablagerung; und man hat darauf hingewiesen, daß auch
jetzt noch zahllose Sümpfe und Wasserlachen die östliche Klisten-
ebene, besonders im Süden, bedecken.
Li tt er a turn ach w ei sc*. 1 Eine weitere Ausführung der auf den Wind be-
züglichen Auseinandersetzungen in v. Richthofens Führer etc. ist Job. Walther, Die
Denudation in der Wüste, in den Abhandlungen d. Sächsischen Gesellschaft
d. Wissenschaften 1891. — s Sokol6w, Die Dünen, Berlin 1894. — s Choisv,
Documenta relatifs ä la inission dirigee au sud de l’Algerie, Paris 1890. Vgl.
auch die zahlreichen Artikel über die Saharadünen von Coubbis, Rolland,
Blanc etc. in den Comptes rendus der Pariser Geographischen Gesellschaft,
1890. — 4 Russell, Subaerial Deposits of the Arid Region of North America,
im Geological Magazine 1889. — 6 Dokutschajew, Die russische Schwarzerde,
St. Petersburg 1883.
Die Arbeit des Meeres.1
Begriff der Küste. Unter Küste versteht man zunächst die
Grenzlinie zwischen Meer und Land. Aber da das Meer ein
bewegliches Element ist, so erleidet diese Linie beständig Verschie-
bungen. Nur dort, wo die Küste unter einem rechten Winkel in
die See abstürzt, erscheint sie in der Horizontalprojektion als feste
Linie, in Wirklichkeit aber schwankt sie auf und abwärts, und die
Küste ist auch hier nicht eine Linie, sondern ein mehr oder weniger
breites Baud. In allen Fällen aber, wo das Land sich unter einem
spitzen Winkel in das Meer senkt, ist die Küste eine Fläche, und
in diesem Sinne wird auch der Ausdruck Strand gebraucht, wenn
derselbe auch in der Regel nur auf breitere, sandbedeckte Küsten-
striche Anwendung findet.
Zwischen Land und Meer schiebt sich also eine Zone ein, die,
obwohl dem Festlande angehörig, doch der umgestaltenden Arbeit
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416
Die Dynamik des Landes.
durch das bewegte Meer unterliegt. Ihre Grenze gegen das Meer
liegt dort, wo dauernde Wasserbedeckung stattfindet, die Grenze
gegen das Land aber noch weiter landeinwärts, als die Küstenlinie
zur Zeit des höchsten Wasserstandes, weil die Brandung Gesteins-
material weiter, als sie selbst dringt, vorwärts zu schleudern vermag,
ln Meeren mit ausgeprägten Gezeiten wird der äußerste Saum der
Küstenzone regelmäßig bei Flut von Wasser bedeckt und zur Ebbe-
zeit wieder trockengelegt.
Neben dem Meere wirken in der Küstenzone natürlich auch die
übrigen exogenen Kräfte, besonders aber sind zwei Vorgänge wichtig:
die Deltabildungen der Flüsse und die ebenfalls schon besprochenen
Dünenbauten durch den Wind, wozu allerdings das Meer das
Material liefert. Ein kombinierter Prozeß ist es auch, wenn das
Meer als Transportmittel für Flußsedimente dient.
Charakter der Küste. Im allgemeinen wird der Charakter der
Küste durch das Hinterland bedingt. Wir werden bei einer anderen
Gelegenheit noch ausführlicher darauf zurückkommen, hier handelt
es sich nur um die Umgestaltung der Küste durch das Meer, und
dafür ist in erster Linie das Querprofil der Küste maßgebend.
Wir unterscheiden in dieser Beziehung Flach- und Steilküsten.
Wohl gilt im großen und ganzen die Regel, daß Tiefebenen mit
Flachküsten enden, und Gebirge mit Steilküsten an das Meer heran-
treten, aber im einzelnen giebt es doch viele Ausnahmen. Die
Kreideküste zwischen der Seine- und Sommemündung gehört nach
hypsometrischen Begriffen einem Tieflande an, und ist trotzdem
eine Steilküste mit ca. 100 m hohen senkrechten Wänden. Ebenso
ist das östliche Gestade von Rügen eine prächtige Steilküste, obwohl
das Vorgebirge Arcona nur 55 m Uber den Meeresspiegel ansteigt;
auch die samländische Niederung endigt mit einer 30 — 50 m hohen
«Steilküste. Andererseits schieben sich häufig mehr oder weniger
schmale Küstenebenen zwischen das Meer und den Gebirgsrand ein.
So begleitet beispielsweise der sandige Küstenstrich Germesir den
südlichen Steilabfall des iranischen Hochlandes und schafft ein
flaches Gestade. Es ist ferner auch nur im großen und ganzen
richtig, daß sich der Küstencharakter auch unter dem Meere fort-
setzt, oder mit anderen Worten, daß die unterseeische Böschung
an Flachküsten flacher ist als an Steilküsten. Wo z. B. die nor-
wegische Steilküste südlich von Stavanger durch die ausgedehnte
Ebene Jädern unterbrochen wird, ändert sich der unterseeische Steil-
abfall nicht im geringsten, und schon in einer Entfernung von
3 — 4 km lotet man eine Tiefe von 235 m. Wohl ist die Zone der
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Die Arbeit des Meeres.
417
Flachsee gewöhnlich nur an ebenen Küsten sehr breit, aber vergessen
wir nicht, daß auch die Steilufer Dalmatiens und der britischen
Inseln aus einem sehr seichten Meere sich erheben.
Die Brandung. Jede Küste befindet sich nach Pfaffs treff-
lichem Ausspruche im Belagerungszustände, aber trotzdem finden
wir überall Küstenstellen, die vorwiegend unter Zerstörung leiden,
neben anderen, deren Veränderung hauptsächlich durch Anschwem-
mung erfolgt. Unter den zerstörenden Kräften ist die Brandung
jedenfalls die mächtigste. Wie groß ihre Gewalt ist, läßt sich daraus
entnehmen, daß sie vom Damme von Biarritz einen Felsblock von
54 000 kg 10 — 12 m und einen anderen von 43 000 kg bei Barra-
Head 1 ’/2 m weit fortbewegte. Auf den Leuchtturm von Beil-Rock
übt sie einen Druck von 1 7 000 und auf den von Skerryvore einen
Druck von 30 500 kg pro Quadratmeter aus. Selbstverständlich
wächst die Kraft der Brandung mit der Windstärke, und ihren
Höhepunkt erreicht sie, wenn der Sturm senkrecht die Küste trifft,
denn die Wellenbewegung kombiniert sich dann mit dem Windstau.
Daher bieten uns die steilen Westküsten höherer Breiten ein Bild
völliger Zerrissenheit dar. Mit gleichmäßiger Stärke tobt die Bran-
dung gegen die tropischen Gestade, teils durch die regelmäßigen
Passate, teils durch die Westdünung erzeugt. x Nicht bloß durch
ihre Arbeitsleistung zeichnet sich die Brandung aus; sondern auch
durch ihre Allgegenwart. Wir finden sie nicht bloß in allen Meeren,
sondern auch in den Seen, allerdings geringer an Intensität, aber
dem Wesen nach gleich. Was daher im folgenden über die Um-
gestaltung der Meeresküsten gesagt wird, kann — wenn man sich
nur des Unterschiedes von groß und klein bewußt bleibt — auch
auf die Seeufer angewendet werden.2 Auch jene wichtige Kraft,
die inan gewöhnlich als Küstenstrom bezeichnet, wird von neueren
Forschern lediglich aus der Wellenbewegung abgeleitet. Beschränkter
ist die Thätigkeit der Gezeitenströme, und wir werden sie daher
vorläufig außer acht lassen. In den polaren Meeren wird die Dy-
namik der Küstenveränderung durch das Treibeis etwas modifi-
ziert;3 wo es in heftiger Bewegung ist, wie in der Klippenbrandung,
wirkt es wie schweres Belagerungsgeschütz und fördert die Zer-
störung; wo es sich anhäuft, schützt es die Küste und verhindert
die Abfuhr der Erosionsprodukte.
Steilküsten. Denken wir uns eine steil ins Meer abfallende
Felsenwand. Indem die Woge an dieselbe schlägt, preßt sie die in
den Spalten befindliche Luft zusammen und lockert dadurch das
X Vgl. dazu den Abschnitt über Brandung auf S. 223.
Supah, Physische Erdkunde. 2. Aull. 27
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418
Die Dynamik des Landes.
Gefüge. Zieht sie sich zurück, so wird die Luft nachgesogen und
kleine Gesteinspartikelchen werden dadurch herausgeführt. Ablation
und Korrasion wirken beständig zusammen; durch den Stoß der
Brandung wrerden kleine Teilchen vom Felsen losgelöst, die Ecken
werden abgebrochen, und größere Gesteinsstücke, in höheren Breiten
auch Treibeis werden als Geschosse gegen die Felsenfestung ge-
schleudert. Dabei ist zu beachten, daß die Brandung stets flä-
chenhaft wirkt, wie der Wind, aber doch wieder grundverschieden
von dem letzteren. Die Meereswoge ist an ein gewisses Niveau
gebunden, der Wind an keines, aber dafür arbeitet jene viel gründ-
licher. Der Wind führt nur das lockere Material fort und schafi’t
damit Unebenheiten, die im Laufe der Zeit allerdings verschwinden,
die Brandung arbeitet aber von Anfänge an auf Nivellierung hin,
und man hat daher diesen Erosionsprozeß sehr passend als Abra-
Flnt
£Obe
Fig. 134.
Umgestaltung der Steilküste.
Fig. 135.
„Der alte Hut“, Neuseeland, nach Dana.
sion bezeichnet. Zunächst entsteht an der Steilküste eine hohl-
kehlenartige Vertiefung innerhalb der Zerstörungszone, deren untere
Grenze etwas über dem Niveau des Niedrigwassers und deren obere
Grenze etwas über dem Niveau des Hochwassers liegt (s. c in Fig. 134;.
Aber auch oberhalb dieser Zone tritt die Küste immer weiter zurück,
indem die unterwaschenen Partien, ihrer Stütze beraubt, endlich
herabstürzen. Die feineren Zerstörungsprodukte werden fortgeführt,
die gröberen schichten sich am Fuße der Steilküste auf und bilden
meistens einen schmalen Schuttwall, der unter Umständen die Küste
vor weiteren Angriffen schützt. Nur solch einem natürlichen Wellen-
brecher verdankt es z. B. der waldgekröute Kreidefelsen der Stubben-
kammer auf Rügen, daß er nicht schon längst in den Fluten ver-
sunken ist. Fig. 134 führt uns die Umgestaltung einer Steilküste
schematisch vor Augen. Das ursprügliche Profil acb hat sich in
defb verwandelt. Das Endergebnis der Abrasion ist eine Strand-
terrasse, deren Plattform als sanft geneigte Ebene vom Niveau der
Ebbe gegen die Rückwand ansteigt (s. ef in Fig. 134). Die Bildung
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Die Arbeit den Meeres.
419
solcher Terrassen hat Th. Wolf an der Küste von Ecuador4, Rich.
Lehmann bei der Poststation Böigen in Norwegen8 und Th. Stdder
am basaltischen Gestade der Kergueleninsel6 beobachtet Ob das
Meer schneller oder langsamer an Terrain gewinnt, hängt von der
Stärke der Brandung und der Widerstandsfähigkeit des Gesteins ab.
An den Küsten des unruhigen Kanals wird das jährlich vom Meere
fortgeführte Material auf 10 Millionen Kubikmeter geschätzt. Rasch
brechen hier die unterwaschenen Kreidefelsen zusammen, während
der feste Kalkstein der ligurischen Küste überhängende Wände bildet
Granit, Gneiß, Syenit, Basalt u. s. w. können lange der Brandung
trotzbieten, aber auch sie sind nicht gegen die Zerstörung gefeit
Leichtes Spiel haben dagegen die Wogen, wo sie eine aus lockerem
Material aufgebaute Steilküste bespülen; so dringt z. B. bei Holder-
ness in Yorkshire, wo Geschiobelehm das schroff abstürzende Gestade
bildet, das Meer auf einer Länge von 58 km jährlich 2,8 — 3 m landein-
wärts vor. Auch die Lagerungsverhältnisse sind von Bedeutung; jeden-
falls geht die Zerstörung leichter vor sich, wenn der Küstenabbruch aus
Schichtenköpfen, als wenn er aus Schichtentlächen besteht. In leicht
löslichem Kalksteine gräbt die Woge durch chemische Erosion tiefe
Höhlen, Kammern und Gänge ein, vorausgesetzt, daß die Decke
fest genug ist, um nicht einzustürzen. Von solcher Bildung ist bei-
spielsweise die Küste der australischen Kolonie Viktoria in der Nähe
des Kaps Otway. In anderen, nicht löslichen Gesteinen scheint die
Höhlenbildung an das Vorhandensein von Spalten gebunden zu sein,
die vom Meere allmählich erweitert werden. Von solchen Erosions-
erscheinungen am norwegischen Steilufer, die jetzt freilich infolge
der Niveauveränderung dem Bereiche der Brandung entrückt sind,
berichtet Rutsch.7 Die Sjongheller-Grotte auf Valderö ist z. B.
142 m lang und am Eingänge 38 m hoch, wird aber gegen die Tiefe
zu immer niederer. Dieser Umstand, sowie die Glätte der Wände
beweist, daß sie vom Meere ausgewaschen wurde. Weltberühmt ist
die Insel Torghat (65,4° ß.), deren Felsenkappe in einer Seehöhe von
110 — 125 m von einem gewaltigen Loche durchquert wird. Die
Länge desselben beträgt 280 m, seine Höhe 20 — 75 m und seine
Breite 11 — 28 m. Die glatten Wände dieses Riesenthores weisen
mit Bestimmtheit darauf hin, daß es ein Werk der Meereserosion
ist. Auch Riesentöpfe wurden mehrfach auf ehemaligem Meeres-
boden beobachtet. Strömungen in engen Sunden erzeugen nischen-
artige Vertiefungen in den Wänden, gerade so wie die Flüsse des
Festlandes.
Der Wechsel von Schichten verschiedener Beschaffenheit bringt
es mit sich, daß die Küste nicht überall gleichmäßig zurück*
27*
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420
Die Dynamik des Landes.
weicht. Die St. Brides-Bai im südwestlichen Wales ist in Karbon-
schichten eingeschnitten, während die Eruptivgesteine zu beiden
Seiten als Vorgebirge erhalten hlieben; und dieselbe Erscheinung,
daß weicheren Schichten Buchten, härteren dagegen Vorgebirge
entsprechen, wiederholt sich an der ganzen britischen Westküste,
soweit sie aus solidem Gesteine besteht.
Ein ausgezeichnetes Beispiel einer bogenförmigen Abrasions-
küste hat Theobald Fischer8 bei Tipaza in Algier beobachtet.
Fast auf jeden Kilometer Küstenläuge kommt hier eine Bucht, in
jede mündet ein Gießbach, und die Größe der Buchten steht im
genauen Verhältnisse zu der Lauflänge und dem Wasserreichtums der
betreffenden Bäche. Hier hat offenbar die Erosion des fließenden
Wassers der Abrasion vorgearbeitet, was sich auch dadurch erweist,
daß dort, wo keine Bäche münden, die Küste geradlinig verläuft.
Die Abrasionskraft arbeitet nicht bloß im horizontalen Sinne,
sondern auch in die Tiefe. Sie korradiert die Oberfläche der Ter-
rasse; und da die Wellenbewegung noch bis 200 m Tiefe im Stande
ist, loses Steinmaterial hin und her zu schieben, so darf man an-
nehmen, dass die Korrasion erst in dieser Tiefe völlig erlischt, vor-
ausgesetzt, daß sich die Terrasse nicht mit einer Schutt- oder Sand-
decke schützt Daraus erklärt sich wahrscheinlich, daß die Tiefen-
linien bis zu 200 m die Gestalt der Küstenlinie wiederholen. Mit
der Tieferlegung wächst auch die Breite der Terrasse, bis endlich
die Welle auch zur Zeit des höchsten Wasserstandes, indem sie
die schiefe Ebene hinaufläuft, durch Reibung ihre Kraft völlig ein-
büßt. Nur eine positive Niveauveränderung kann die zerstörende
Thätigkeit wieder beleben, wie eine negative ihr vorzeitig Halt ge-
bieten kann, indem sie die Strandterrasse dauernd trocken legt
Die Lage der Endlinie der Abrasion — Abrasionsterminante,
wie Piiilipi’son sie nennt — hängt nur von der Stärke der Bran-
dung ab, und nur die Dauer des Abrasionsprozesses auch von der
Beschaffenheit der Küste. Denn Uber kurz oder lang siegt das Meer
über jedes Hindernis, ebenso wie das fließende Wasser. Allerdings
können Teile des Steilufers, die sich durch besondere Härte aus-
zeichnen oder die schon früher durch Spaltenbildungen sich von
ihrer Umgebung ganz oder teilweise losgelöst haben, als Inselpfeiler
stehen bleiben, die einstige Küstenausdehnung verratend. Nament-
lich die steilen Westküsten der höheren Breiten werden von dichten
Schwärmen solcher Felseneilande und Klippen begleitet. Aber auch
diese Vorposten werden mit der Zeit vom Meere weggeräumt, um
als blinde Klippen den Schiffen nur noch gefährlicher zu werden.
So sieht man bei Arbroatli an der schottischen Ostküste eine lange
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Die Arbeit des Meeres.
421
Ter Scheüln^^^^
VHcUm^^
Rifl'reihe aus festem Gestein bei Ebbe blobgelegt. Ein anderes aus-
gezeichnetes Beispiel ist das Sandsteinriff, das die Küste Brasiliens
durch acht Breitengrade vom Cabo Erio bis zum Cabo do Calcanhar
begleitet.
Zerstörung der Flachküsten. Auch Flachküsten fallen der
Meereserosion zum Opfer, wie die Geschichte des deutschen und
englischen Nordseestrandes beweist. Aber nicht unablässig wirkt
hier die Brandung zerstörend, wie an den Steilküsten, solidem haupt-
sächlich nur bei Windstau, wenn das Meer weite Gebiete über-
schwemmt; aber dann mit furchtbarer Gewalt. Sehr lehrreich ist
in dieser Beziehung die Geschichte der Zuidersee " (Fig. 13 Li). Etwa
3/4 derselben, von der Inselreihe Wieringen- Ameland bis ungefähr
zur Linie Edam-Kampen, war
noch zur Römerzeit Land. Der ' “TV, . Am.i.-mii 1
südliche Teil bildete den Binnen-
see Flevo; ihn durchtlob der
Rheinarm Ijssel, der wahrschein-
lich zwischen Ylieland und Ter
Schelling mündete. Vom 4. Jahr-
hunderte unserer Zeitrechnung an
beginnt das grobe Zerstörungs-
werk, das besonders durch Uber-
Hutungen bei Nordweststürmen
gefördert wurde. Am Ende des
7. Jahrhunderts waren Ter Schel-
ling und Ameland schon Inseln.
Im Jahre 1170 wurde alles Land
zwischen Texel, Medemblik und
Stavoren verschlungen, mit Aus-
nahme der insularen Reste. 1237
erweiterte sich der Flevosee
beträchtlich, indem eine große Fläche zwischen Eukhuizen, Sta-
voren und Kämpen dauernd überflutet wurde. Im Jahre 1395 fiel
endlich auch der schmale Isthmus zwischen Medemblik und Stavoren,
und die nördliche Meeresbucht verband sich mit dem südlichen
Binnensee. Den Landverlust seit der Zeit Cäsars schätzt man auf
wenigstens 5813 qkm, wovon nur 3635 qkm durch Eindeichung dem
Meere wieder abgewonnen wurden. Im Jahre 1218 schuf eine Sturm-
flut den Jadebusen, und bis Weihnachten 1277 lag an der Stelle des
heutigen Dollart das fruchtbare Reiderland. Auch den friesischen
Inseln, dem alten Küstenrande Deutschlands, ist eine vergängliche
Existenz beschieden. Borkum wurde im 9. Jahrhunderte in zwei
frr**t
o
Fig. 130. Zuiilersee.
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422
Die Dynamik des Landes.
Teile zerrissen, die nur noch bei Niedrigwasser Zusammenhängen,
und Langeoog im Laufe der Zeit in drei Stücke. Das Dorf auf der
Insel Wangeroogwurdedurch
die Sturmfluten des Dezem-
bers 1854 zerstört, und Kirch-
turm wie Leuehtturm werden
jetzt von der Flut bespült.
Auch das steile Helgoland
hat an Umfang verloren, wenn
auch nicht soviel, als man
früher, verleitet durch ten-
dentiöse Erfindungen des
15. Jahrhunderts, glaubte.10
Die Verluste der flachen
nordfriesischen Inseln sind
ebenfalls übertrieben worden,
wenn sie auch noch groß
genug sind. Man betrachte
nur die Entwicklung Nord-
strands, wie sie Fig. 137
darstellt. Für das 13. Jahr-
hundert fließen allerdings
die Geschichtsquellen zu
dürftig, als daß sich die
Umrisse der Inseln und des
Festlandes genau zeichnen
ließen. Aber noch vor der
großen Sturmflut in der
Nacht vom 11. zum 12. Ok-
tober 1634 besaß Nordstrand
eine ansehnliche Ausdeh-
nung. Diese Katastrophe,
die alle Deiche hinwegfegte
und 6408 Menschen das
Leben kostete, ließ nur drei
Eilande übrig ; allerdings
hätte — wie man nicht ver-
schweigen darf — recht-
zeitige Hilfe noch manches
Stück Landes retten kön-
Fif>. 137. Nordatrand um 1240, 1634 und 1892 nen.11 In ähnlicher Weise
nach R. Hansen. hat die englische Nordsee-
Orrxt, euigcdeirTUesland
■ un öe Ueif'hlesL ctrid.
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Die Arbeit des Meeres.
423
küste gelitten. An der Stelle, wo einst die Orte Autburn, Hartburn
und Hyde standen, dehnen sieh jetzt Sandbarren aus.
Erosion durch Gezeitenströmungen. 12 Wir haben uns bisher
hauptsächlich auf die Wirkungen der Brandung beschränkt und die
Gezeiten nur insofern in Betracht gezogen, als sie einen wechseln-
den Wasserstand bewirken. An den Küsten rufen diese aber auch
alternierende Strömungen hervor, die zwischen Inseln, in Kanälen,
trichterförmigen Küsteneinschnitten und Flußmündungen eine be-
deutende Stärke erlangen. Da die Flutwellen um viele tausend Mal
länger sind, als das Wasser tief ist, so bewegen sich die Wasser-
teilchen von der Oberfläche bis zum Boden fast gleichzeitig und mit
gleicher Stärke hin und her. Die Erosionskraft ist daher sehr be-
deutend und wirkt, entsprechend der Art ihres Auftretens, linear,
nicht Hächenhaft wie die Brandung. Die Tiefenerosion beeinflußt
den Meeresboden. Im Südarme der Fundvbai, in der Enge von
Parrsboro, findet sich ausnahmsweise Felsenboden von mehr als 200 m
Tiefe; der durch Einengung verstärkte Gezeitenstrom ist es, der —
nach Kbümmels Erklärung — hier jede Sedimeutablagerung ver-
hindert Auch die tiefen Rinnen im friesischen Wattenmeere führt
Krümmel auf die Gezeitenströmungen zurück. Um kennen zu lernen,
wie sie auch seitlich erodieren, muß man sich in die innersten Teile
tief und schmal einschneidender Meeresbuchten begeben, die die
Brandung nicht mehr erreicht Wir haben oben gesehen, daß dort,
wo weiche und harte Schichten wechseln, die Abrasion eine Bogen-
küste erzeugt. Aber diese Bogen können nicht tief eindringen, weil
die Welle durch Reibung an den Seitenwänden zu sehr geschwächt
wird. Das ist gerade ein willkommenes Arbeitsfeld für Gezeiten-
ströme. Was der Flutstrom losreißt, führt der Ebbestrom ins Meer
hinaus; und je tiefer die Bucht keilartig eindringt, desto kräftiger
entwickelt sich die Strömung. Nirgends erreicht die Flutwelle eine
größere Höhe, als in der Fundybai; zwischen Sackville und der
Grünen Bai ist der Isthmus schon auf 20 km Breite eingeschrumpft;
kein Zweifel, daß hier an der völligen Lostrennung Neu-Schottlands
gearbeitet wird. Angesichts solcher Wahrnehmungen läßt sich der
Gedanke nicht abweisen, daß auf diese Weise auch England einst
zur Insel wurde. Haben doch die Untersuchungen anläßlich der
Tunnelprojekte den ungestörten Schichtenzusammenhang zwischen
Dover und Calais ergeben.
Anschwemmung. Zerstörung und Neubildung gehen auch au
der Küste Hand in Hand. Das lehren am deutlichsten die Gezeiten-
ströme in engen Einfahrten und Flußmündungen, wo sie kräftig
genug entwickelt sind. Die tiefe Fahrrinne liegt nicht in der Mitte,
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Die Dynamik des Landes.
sondern ist nach links verschoben; rechts dehnen sich die An-
schwemmungen aus. Nach Krümmels Erklärung haben wir hierin eine
Doppelwirkung der Gezeiten unter dem Einflüsse der Erdrotation zu
erblicken. Flut- und Ebbestrom werden nach rechts abgelenkt; der
erstere erodiert, der letztere, beladen mit den Sedimenten des zurück-
gestauten Wassers, lagert ab. Wichtiger sind jene marinen Neu-
bildungen, die der Küste direkt zu gute kommen. Wir haben hier
zwei Arten zu unterscheiden: Ablagerungen auf dem Strande selbst,
und Ablagerungen auf dem Meeresboden, die durch Wachstum über-
seeisch werden. Zur ersten Kategorie gehören vor allem die Sand-
massen, die das Material zur Dünen bildung liefern. Häufig treten
die Ablagerungen beider Kategorien vergesellschaftet auf, d. h. zu-
nächst wächst das Neuland aus dem Meere empor, und dann erhöht
es sich durch Übergußsedimente. Eine wichtige Rolle bei den Neu-
landbildungen spielt die Vegetation. An der friesischen Küste
wird das nur bei Niedrigwasser trockene Watt zwischen den Inseln
und dem Festlande bei jeder neuen Flut durch hinzugeführte
Schlammteilchen etwas erhöht Zwischen den Pflanzen, die sich
darauf ansiedeln, bleibt immer mehr Schlamm zurück, bis endlich
die gewöhnliche Flut die Fläche nicht mehr zu überschwemmen ver-
mag. Neue Gräser und Kräuter erhöhen und verfestigen immer
mehr den Boden, der schon als Weide benützt wird (Kelter), bis er,
durch Eindeichung völlig vor dem Meere geschützt, als Polder ein
fruchtbares Ackerland liefert. In noch höherem Grade wirken die
Mangrovebäume mit ihrem weit ausgesponnenen Wurzelgeflechte als
Schlamm- und Sandfänger, sie sind die wahren Pioniere des Landes
im Kampfe gegen das Meer. Wir finden sie überall am tropischen
Gestade, wo der Boden thonreich und die Brandung nicht zu
heftig ist.
Von größter Wichtigkeit ist der Prozeß der Küstenversetzung,
wie ihn Philippson nennt, d. i. der Transport der Zerstörungspro-
dukte von der einen Küstenstelle nach einer andern, oft weit ent-
fernten. Die Kraft, welche diese Umsetzung bewirkt, bezeichnet mau
als Küsteuström ung; doch neigen manche Forscher zur Ansicht,
daß jener Vorgang nur eine Wirkung schräg auflaufender Wellen
ist, die Gerolle und Sande vor sich her stoßen (von a nach b in
Fig. 138), während die rücklaufende Welle sie in einer zur Küsten-
linie senkrechten Richtung wieder zurückführe (von b nach c in Fig. 1 38)-
Auf diese Weise müßten die Sedimente zickzackförmig weiter ge-
schoben werden (in Fig. 138 z. B. von o bis d), wobei sie eine stetige
Verkleinerung erleiden. Indes dürften doch wohl auch länger dauernde
auflandige Winde wirkliche Küstendriften erzeugen, ganz abgesehen
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Die Arbeit de» Meere».
425
von den Gezeitenströmen ; und jedenfalls darf man den Ausdruck
„Küstenströmung“ noch weiter gebrauchen, wenn man sich nur stets
des Gegensatzes zu den eigentlichen Meeresströmungen, in deren
Bereich wohl nur mehr die feinsten Sedimente gelangen, bewußt
bleibt. Der Flutstrom ist es z. B., der die Abrasionsprodukte der Kalk-
küste von Calvados nach der Seinebucht westlich von HonHeur führt.
Der Detritus der spanischen Nordküste wandert an den Strand der
Gironde. Eine vom Golfe von Triest
nach Westen fließende Strömung k t
fangt die Sedimente auf, die die £ N \J \J \/ \| \
Flüsse vom Isonzo bis zum Po von Me e r
den Alpen bringen, und füllt da- Fis- 138- Küstenvcrectzung.
mit die Lagunen aus. Mit den
Sinkstoffen des Dnjepr, Dnjester und der Donau vergrößert eine
Litoralströmung die Küste der Dobrudscha, und in gleicher Weise
kommt das Material, das die Rhone den Alpen entführt, der Küste
der Languedoc zu gute; Hoff giebt ihr Wachstum auf 1 — 2 m pro
Jahr an.
Die Transportkraft einer Strömung sinkt unter das der Last
entsprechende Maß, wenn die Strömung mit einer anderen entgegen-
gesetzt gerichteten zusammentrifft, oder durch Reibung auf seichtem
Grunde. Im ersteren Fall, besonders in der Nähe von Flußmündungen,
entstehen häufig Inseln, d. h. freie Anschwemmungen im Gegen-
satz zu den Ansatzanschwemmungen, zu denen der zweite Fall
Veranlassung giebt. Ist der Grund tief genug, so tritt die Strömung
bis an die Küste heran, an deren äußerstem Saume die Ablagerung
erfolgt. Dies ist der Strandsaum, wie Philippson ihn nennt, der
ihm den Strandwall gegenüberstellt. Der letztere bildet sich in
einiger Entfernung von der Küste, sei es, daß der Grund zu seicht
ist, sei es, daß die Küste ursprünglich eingebuchtet ist und die
darauf gerichtete Strömung durch Reibung an den Seitenwänden
verhindert wird, das Innerste der Bucht zu erreichen. Unter den
verschiedenen Formen der Strand wälle sind namentlich zwei be-
sonders auffallend und häufig: die Nehrung und der Haken.
Die Danziger Bucht zeigt uns beide Bildungen nebeneinander. In
sanftem Bogen schwingt sich die Frische Nehrung von der einen
Seite der Bucht zur anderen und trennt den innersten Teil
derselben als Strandsee (hier Haff genannt) von dem Meere.
Manche Nehrungen sind völlig geschlossen, andere hat eine
gelegentliche Sturmflut oder der Mensch geöffnet. Ein Haken er-
streckt sich im Westen von Rixhöft bis Heia; es sind das freie
in das Meer hinausragende schmale Landzungen, die von irgend
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426
Die Dynamik des Landes.
einem festen Punkte an der Küste oder an einer Insel aus zu
wachsen beginnen, zuerst in einer geraden Linie und am Ende haken-
förmig sich umbiegend, genau wie die Strömung, der sie ihre Ent-
stehung verdankt. Es ist wahrscheinlich, daß auch manche Neh-
rungen als Haken begonnen haben, jedenfalls giebt es zwischen
beiden Formen mancherlei Übergänge. Neben der langen schmalen
Gestalt ist ihnen auch die glatte Außen- und die zerfranste Innen-
seite gemeinsam; jene schneidet die Strömung ab, au dieser nagt
ein unregelmäßig bewegtes Meer. Gemeinsam ist ihnen auch die
allmähliche Erhöhung durch Dünenbildung. In den Strandseen linden
die Sedimente der einmündenden Flüsse eine völlig geschützte
Ablagerungsstelle; sie füllen sie allmählich aus, und Seestädten,
wie Ravenna, wird dadurch der Lebensnerv abgeschnitten. An der
Außenseite des jungen Landes können wieder neue Nehrungen ent-
stehen, und so schreitet die Landbildung siegreich gegen das Meer
fort, aber nur zu häufig unterbrochen von Perioden mariner Reaktion,
besonders wenn eine positive Niveauveränderung die letztere unter-
stützt An der Stelle des Mensalehsees im Nildelta standen einst
die Städte Tanis und Tennis, und der See von Abukir entstand erst
1784. Dagegen kann eine negative Niveau Veränderung das ange-
schwemmte Land dauernd vor Überflutungen schützen. Inseln wer-
den durch Strandwälle landfest gemacht, wie beispielsweise Portland
an der südenglischen, Giens an der südfranzösischen, S. Antioco an
der sardinischen oder der Mte. Argentario an der toskanischen Küste.
Aber die Neubildungen, so bedeutend sie auch an manchen Stellen
erscheinen mögen, ersetzen nicht den Verlust; das beweist die große
Ausdehnung der submarinen Küstenablagerungen, von denen auf
S. 200 die Rede war. Das Ringen zwischen Meer und Land endet
stets zu Ungunsten des letzteren.
Litteraturnach weise. ' Philipfson, Über Typen der Küstenformen,
in der v. RiCHTiioPKN-Fostsehrift, 189S. — * Giibf.rt, The Topographie Features
of Lake Shores, im Jahresberichte d. U. S. Geologieal Survey 1883 — 84 —
3 Härtmann, Der Einfluß des Treibeises auf die Bodengestalt der Polargebiete,
in den Beitrügen zur Geographie des festen Wassers, Leipzig 1891. — 4 Rich.
Lehmann, Zur Strandlinieufrage, in der Zeitschrift für die gesamten Natur-
wissenschaften 1880. — 5 Rich. Lehmann, Neue Beiträge zur Kenntnis der ehe-
maligen Strandlinien, ebendas. 1881. — 8 Steuer, Geologische Beobachtungen
auf Kcrguelensland, in der Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft
1878. — 1 Reusch irn Neuen Jahrbuch für Mineralogie etc. 1879, S. 244. —
“ Theob. Fischer in Prtermanns Mitteilungen 1887, S. 1. — 9 Koyper in Petkr-
manns Mitteilungen 1876, S. 284, und in der Zeitschrift für wissenschaftliche
Geographie 1883, Bd. IV, S. 105, mit lehrreicher Karte. — 10 Tittel, Die natür-
lichen Veränderungen Helgolands, Leipzig 1894. — 11 R. Hansen in Petermanns
Mitteilungen 1893, S. 177. — ** Krümmei. in Petermanns Mitteilungen 1889, S. 129.
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Die geographische Verbreitung der exogenen Wirkungen.
427
Die geographische Verbreitung der exogenen
Wirkungen.
Bodenarten. Nach dem Schema v. Richthovens hat Rohr-
bach in Bergbaus’ Physikalischem Atlas eine Bodenkarte der festen
Erdoberfläche entworfen, und v. Tillo hat darnach den prozentischen
Anteil der Bodenarten nach Kontinenten und Breitenzonen plani-
metrisch bestimmt.1
Etwas abweichend von der hier beliebten Einteilung unter-
scheiden wir vier Hauptbodenarten: Eis-, Fels-, Wechsel- und
Lockerboden. Den Korallenboden können wir nicht als einen selb-
ständigen Typus gelten lassen, da er sich ungezwungen dem Locker-
boden einreiht.
Das Eis tritt bodenbildend nur in den Regionen ewigen Schnees
auf. Die oben genannten Autoren haben es nicht berücksichtigt,
wir können aber nach einer Schätzung v. Tillos sein Areal auf
etwa 2 Prozent der Festlandsoberfläche veranschlagen, wobei wir
von dem hypothetischen Südpolarkontinente gänzlich absehen. Das
einzige bekannte Land, wo der Eisboden nach allen Dimensionen
eine große Mächtigkeit erreicht, ist Grönland.
Da das feste Gestein überall den zersetzenden Kräften der
Verwitterung, des Frostes und der Insolation unterliegt, so kann
Felsboden nur dort zu Tage treten, wo die Denudation die Zer-
setzung überflügelt Je nach der Denudationsart haben wir marinen,
tluviatilen, glazialen und äolischen Felsboden zu unterscheiden; die
beiden ersten Unterarten werden auf Rohrbachs Karte nicht aus-
geschieden, weil der Maßstab zu klein war; die beiden anderen
nehmen 11 Prozent des Festlandes eiu, und zwar 6 Prozent der
äolische, 5 Prozent der glaziale Felsboden.
Der äolische Felshoden ist der Wüste eigentümlich, sein
Hauptverbreitungsbezirk ist die Sahara, so daß er nicht weniger als
14 Prozent von Afrika einnimmt. Der glaziale Felsboden ist, wenn
man von den Gletscherregionen der Hochgebirge aller Zonen ab-
sieht, auf die gegenwärtigen und diluvialen Binneneislandschaften
beschränkt. Im weiten Umkreise umgiebt er die Hudsonbai, das-
jenige Gebiet, wo auch heute noch die kalte Zone in unserem ther-
mischen Sinne (s. S. 71) am weitesten äquatorwärts herababsteigt.
Ein volles Viertel des nordamerikanischen Festlandes ist glazialer
Felsboden. Freilich dürfen wir dabei nicht vergessen, daß der
Kartenzeichner rein schematisch verfuhr. Wenn hier die Riesen-
fläche von etwa 5 Mill. qkm (das halbe Europa!) mit der Farbe
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428
Die Dynamik des Landes.
der glazialen Denudation bedeckt wurde, so ist damit nicht gesagt,
daß jede andere Bodenart ausgeschlossen sei. Entbehren ja doch
jene Gegenden keineswegs gänzlich des Waldwuchses, und dieser
setzt eine Bodenkrume voraus. Die Farbe soll nur das Vor-
herrschen einer bestimmten Bodenart andeuten.
Übersicht der Verteilung der Bodenarten nach Erdteilen und
Breitengürteln nach v. Tillo (in Prozenten der betreffenden Erdteile
bezw. Breitenzonen).
N.-Amerika
Europa
Asien
S -Amerika
Afrika
X
s
V
1
(D
fl
<
55
O
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1
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25
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1
©
o
O
T
®
Gesamtes ]
Festland
I. Eisboden
nicht berücksichtigt
II. Felsboden
27
»j 7
1
14
2
24
16
1
4
11
1. Durch glaziale Denudation .
25
9 1 0
1
—
24
5
0
1
5
2. Durch äoliBche Denudatiou .
2
— 7
_
14
2
11
1
3
6
III. Weeliselboden
4
8 3
»
3
0
0
5
4
6
4
IV. Lockerboden:
1. Eluvialboden
26
22 54
45
50
31
52
31
63
27
43
a. Lehm
17
22 j 37
2
1
15
52
24
—
12
18
b. Laterit
9
— 16
43
49
16
—
6
63
15
25
c. Gebirgsschutt . . . .
—
~ 1
—
—
1
—
0
2. Aufschüttungshoden . .
43
61 36
45
33
67
24
48
32
63
42
a. Marine Aufschüttung x x
— 0
0
0
5
l
1
0
b. Gletsclierscliutt ....
23
36 1
4
—
—
23
9
—
5
8
c. Alluvionen
1
5 1 3
27
2
—
3
12
3
5
d. Äolische Aufschüttung:
«. Flugsand
0
0 S
1
13
19
0
7
5
20
7
(i. Feinerdige Ablagerung
13
18 j 20
1
18
41
—
23
13
20
l :
y. Löss
5
7 ! 3
10
—
0
—
6
—
12
4
e. Vulkanische Aufschüttung
1
0| 1
2
0
2
1
1
1
2
1
Es giebt aber Gegenden, wo keine Bodenarten vorherrschen,
oder wo nach v. Richthofens Ausdruck ein „Ebenmaß von Zer-
störung und Fortschaffung“ bestellt. Als solche führt uns Rourbachs
Karte die höheren Gebirge aller Zonen vor. Das geforderte „Eben-
maß“ besteht nun hier nicht in dem Sinne, daß an jedem einzelnen
Punkte die einander entgegenwirkenden Kräfte sich das Gleichgewicht
lullten; vielmehr finden wir da eine Reihe von Bodenarten vertreten,
x Mit Polynesien.
x x Mit Hinzurechnung des Korallenbodens.
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Din geographische Verbreitung der exogenen Wirkungen. 429
aber in buntem Wechsel, so daß keine auf weite Strecken hier das
Übergewicht erhält. Daher nennen wir diesen Boden den Wechsel-
boden. v. Tillo hat dafür ein Areal von 4 Prozent berechnet
Relativ am meisten vertreten finden wir ihn in Südamerika (Andes)
und in Europa (alpiner Gürtel, Mittelgebirge).
Mehr als fünf Sechstel des gesamten Festlandes ist mit Schutt,
Gerolle, Kies, Saud, Erde bedeckt. Alles das fassen wir unter dem
Namen Lockerboden zusammen.
Genetisch zerfällt er in zwei Hauptunterabteilungen. Die Decke
des Felsengerüstes ist entweder an Ort und Stelle durch kumulative
Verwitterung, Frostwirkung und Insolation entstanden und blieb
liegen, weil die denudierenden Mächte ihr nicht gewachsen waren
— das ist der Eluvialboden — , oder sie ist von anderswo herüber-
geführt — das ist der Aufschüttungsboden. In die genannten
vier Fünftel teilen sich diese beiden Böden nach der Karte ungefähr
zu gleichen Hälften; es mag aber fraglich bleiben, ob der Auf-
schüttungsboden dabei nicht zu kurz gekommen ist.
Unter den Eluvialbildungen sind L e li m und L a t e r i t die
wichtigsten; ersterer ist den mittleren und höheren Breiten, letzterer
den Tropen eigentümlich. Der größte Verbreitungsbezirk des Lehms
ist Sibirien; auch das südliche China, das ostaustralische Gebirge,
die Vereinigten Staaten östlich vom Mississippi treten als Lehm-
boden augenfälliger hervor, als uns begründet erscheint, Laterit be-
deckt Mexico und Zentralamerika, die krystallinischen Massengebirge
im östlichen Südamerika das äquatoriale Afrika, Madagaskar, Ost-
indien; mit einem Worte: ein volles Viertel des ganzen Festlandes.
Zu den Eluvialbildungen ist ferner auch der Gebirgsschutt
abflußloser Becken zu zählen. Mächtige Schutthalden umsäumen
hier die Gebirge, ja in manchen Gegenden, wie z. B. in Persien,
hüllt sie ein Schuttmantel bis an den Kamm ein. Die Karte ver-
zeichnet diesen Bodentypus nur in Zentralasien. Im strengen Sinne
des Wortes muß auch die Hammada dazu gerechnet werden.
Aufschüttung lockerer Massen kann erfolgen einerseits durch
die denudierenden Kräfte, anderseits durch vulkanische Ausbrüche.
Den letzteren wird nur eine Fläche von 1 Prozent zuerkannt. Von
den Ablagerungen der ersten Kategorie kommen die marinen auf
Rohrbachs Karte so wenig zur Geltung, daß sie auf v. Tjllos Liste
nicht einmal 1 Prozent erreichen.5* Auch die Fluß- und Seen-
anschwemmungen, auf die man gewöhnlich die Bezeichnung
x Sicher ist z. B. Nordrußland als marine Ablagerung zu betrachten,
vgl. S. 289.
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430
Die Dynamik des Landes.
Alluvium anwendet, sind nach der Karte weniger verbreitet, als
man erwarten sollte. Ihre Hauptdomäne ist Südamerika, die un-
geheuere Ebene des Amazonasgebietes. Es ist ein interessantes, aber
vielleicht anfechtbares Ergebnis der Karte, daß das Gletscher-
schuttland mehr Raum einnimmt, als die Alluvionen. Und doch
ist es nur auf wenige Gegenden beschränkt. Moderne Glazial-
ablagerungen finden sich nur dort, wo Gletscher sich zurückziehen
und das sind verschwindend kleine Flächen. Alle anderen stammen
aus der Eiszeit; wieder ein Beweis dafür, welch gewaltigen Ein-
fluß jene Kljmaepoche auf die gegenwärtige Gestaltung der Erd-
oberfläche ausübt. ln Nordamerika sind 23, in Europa sogar
36 Prozent des Areals mit Glazialablagerungen bedeckt. Zum Unter-
schiede von anderen Aufschüttungen (die Dünen ausgenommen) ver-
ebnen sie nicht immer, sondern schäften sogar Niveauunterschiede.
Die echte Moränenlandschaft besteht aus dicht aneinander ge-
häuften Endmoränen; unregelmäßig verteilte Hügelwälle, die bald
durch enge Schluchten, bald durch größere Depressionen mit Seen
oder Mooren getrennt werden, bilden hier ein außerordentlich wechsel-
volles Relief. Eine solche Moränenzone umgiebt den Nord- und
Südrand der Alpen und dringt an den Ausgängen der großen, einst
gletschererfüllten Tliäler bogenförmig weit in die Ebene vor. Nur
an ihren äußeren Rändern sind sie schon zum Teil der Denudation
zum Opfer gefallen. Die in den österreichisch-italienischen Kriegen
viel umkämpften Höhen von Custozza und Solferino sind solche
Moränen wälle. Besonders schön ist der Bogen bei Ivrea; hier steigen
die Hügel bis zu 330 m über die Ebene empor. Die Landrücken
von Preußen, Pommern und Mecklenburg sind ebenfalls seenreiche
Moränenlandschaften, und in noch größerer Ausdehnung finden wir
sie in Nordamerika, besonders in Minnesota,. Dakota u.s.w. Interessant
sind die Äsar, meist ausgedehnte, lineare Rücken, und die Karnes
oder Eskers, isolierte unregelmäßige Kuppen oder dammartig hinter-
einander liegende Anhäufungen. Diese Bodenformen, die in Schweden
und Finnland typisch ausgebildet sind, aber auch in Norddeutsch-
land nicht fehlen, führt man auf die Schmelz wässer des diluvialen
Inlandeises zurück, wenn auch in Bezug auf die Details der Ent-
stehungen die Ansichten noch schwanken.3
Überraschend ist die ungeheuere Ausdehnung der äolischen
Ablagerungen, zu denen allerdings, wie wir an anderer Stelle
bemerkt haben, manches gezählt sein mag, was nicht dazu gehört.
Das gilt weniger von den Sandwüsten (7 Prozent des Festlandes),
als von den feinerdigen Ablagerungen, die mit 17 Prozent, und vom
Löß, der mit 4 Prozent vertreten ist. Die beiden ersteren Arten
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Die geographische Verbreitung der exogenen Wirkungen. 431
charakterisieren vor allem die alte Welt, wo sie eine breite Zone
von Zentralasien bis zur Sahara einnehmen. Beweglicher Sand be-
deckt Flächen, die zusammen so groß, wie Rußland und Mittel-
europa sind, und Staub ein Areal von der anderthalben Größe
unseres Erdteiles. Australien ist mit 60 Prozent seiner Fläche ein
äolisches Ablagerungsgebiet. Dagegen übertrifft in Bezug auf Löß
Amerika die Ostfeste nicht bloß relativ, sondern auch absolut. Mit
den Pampas und dem westlichen Mississippigebiet kann sich nur das
chinesische Lößland an Ausdehnung messen.
Faziesgebiete. 3 Die endogenen Kräfte sind überall die gleichen;
oh sie in ihren Äußerungen einem zeitlichen Wandel unterworfen
sind, mag noch dahingestellt bleiben. Die exogenen Kräfte variieren
dagegen nach bestimmten, zum Teil schon klar erkannten Gesetzen
örtlich wie zeitlich. Es ergeben sich daraus für die Umgestaltung
des Bodens verschiedene Faziesgebiete, von denen nur die funda-
mentalen hier kurz skizziert werden mögen.
Als erster derselben tritt uns die Küstenzone entgegen, und
zwar die Küstenzone aller Breiten, obwohl klimatische Unterschiede
wohl auch hier zu weiterer Einteilung Veranlassung geben können;
jedenfalls steht die polare Küste unter etwas anderen Bedingungen,
als die eisloser Gewässer. Das Charakteristische ist das Vorhanden-
sein von Kräften, die dem übrigen Festlande gänzlich fehlen: der
Brandung und der Gezeiten. Abrasion und marine Anschwemmung
sind Prozesse, die nur hier sich vollziehen. Daneben sind nur noch
die Verwitterung, die Deltablagerung und die Dünenbildung durch
den Wind von besonders formgebender Bedeutung.
Das Festland außerhalb der Küstenzone steht vor allein unter
der Herrschaft des Klimas, von dem wir wissen, daß es örtlich und
zeitlich wechselt. Doch kommen hier nur die langen Klimaperioden
in Betracht, durch die beträchtliche, in ihren Wirkungen weit in
die folgende Periode hinübergreifende Verschiebungen der Fazies-
gebiete hervorgerufen werden. Wir können in dieser Beziehung
geradezu Permanenz- und Mutationsgebiete unterscheiden. Beide
haben seit dem Beginne der Quartärzeit Klimaänderungen durch-
gemacht, aber in den ersteren blieben die geologischen Oberflächen-
prozesse im wesentlichen immer die gleichen und erfuhren nur eine
zeitweise Abschwächung oder Steigerung, während sie in den
Mutationsgebieten totale Umwandlungen erlitten. Die Ursache solcher
Mutationen kann eine doppelte sein: eine rein klimatische in den
Grenzbezirken der großen Klimareiche, oder eine tektonische, wo-
durch besonders die Regenmenge eines Landes beeinflußt wird.
Als erstes Faziesgebiet haben wir die Po larländer zu nennen
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432
Die Dynamik des Landes.
und zwar im Sinne unserer Temperaturzonen (s. Karte VII). Charakte-
ristisch ist hier die geringe Bedeutung des fließenden Wassers und
der Pflanzendecke. Die Verwitterung erfolgt hauptsächlich mecha-
nisch durch Frostwirkung. Die vorherrschenden Bodentypen sind
Eisboden, glazialer Felsboden und Gletscherschutt.
Die regenreichen Gebiete der gemäßigten und warmen
Zone, soweit sie nicht einmal von Eis bedeckt waren, haben mit-
einander gemein, daß Wasser und Pflanzen überall an der Ver-
witterung des Gesteins arbeiten. Felsboden tritt daher nicht mehr
auf weite Erstreckung zu tage, und wird weit mehr von Eluvial-
bildungen, als von Aufschüttungsmassen verhüllt. In zwei Punkten
unterscheiden sich aber die beiden Zonen sehr wesentlich: 1). der
Eluvialboden ist in der gemäßigten Zone Lehm, in der w'armen
Laterit, 2). in der warmen Zone sind, entsprechend dem größeren
Regenreichtume , die fluviatilen Anschwemmungen beträchtlich aus-
gedehnter wie in der gemäßigten.
Zwischen die polare und gemäßigte Zone schieben sich die
glazialen Übergangsgebiete, die aus der Eiszeit noch glazialen
Felsboden und Gletscherschuttland in die gegenwärtige Klimaperiode
herübergerettet haben, Typen, die jetzt freilich der Verwitterung,
Verwaschung und Zuschüttung allmählich anheimfallen.
Ein scharf gezeichnetes Faziesgehiet ist die Wüste. Auch
hier fehlen fließendes Wasser und Pflanzendecke, wie im Polar-
gürtel, aber es fehlt auch das Eis, und die Temperaturverhältnisse
sind andere. Die wichtigste destruktive Kraft ist hier die In-
solation, die wichtigste denudierende Kraft der Wind. Äolischer
Felsboden, Gebirgsschutt, Flugsand sind die vorherrschenden Boden-
typen. Wir betonen: die vorherrschenden, aber nicht die aus-
schließlichen, weil Walther4 wenigstens in Bezug auf die Sahara
in neuester Zeit die Hypothese aufgestellt hat, daß die Wüste seit ihrer
Trockenlegung Wüste gewesen sei, uud daß die Bodenarten wie die
Oberflächenformen nur auf diejenigen Kräfte zurückzuführen seien,
die wir heute noch daselbst thätig sehen. Die entgegengesetzte An-
sicht erblickt in der Sahara eine junge Wüste, die sich einst eines'viel
feuchteren Klimas erfreute und noch Dokumente jener glücklicheren
Periode bewahrt hat Es sind dies zunächst die Thäler und ge-
waltigen Schottermaßen, zu deren Erklärung die heute vor-
handenen Wasserkräfte nicht ausreichen. Walther hat das kühne
Wagnis unternommen, auch die Wüstenthäler oder Wadis
durch Deflation zu erklären. Ein derartiger Versuch mußte un-
befriedigend ausfallen und hätte überhaupt nur dann eine Be-
rechtigung , wenn wir keine positiven Beweise für einen Klima-
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Die geographische Verbreitung der exogenen Wirkungen. 433
Wechsel besäßen. Solche sind aber vorhanden. Am weitesten fort-
geschritten ist die geologische Forschung in der algerischen und
tunesischen Sahara.® Seit der Kreidezeit ist dieses Wüstengebiet
Festland, die jüngeren Schichten sind Süßwasserablagerungen
untermioeänen, plioeänen und quartären Alters. Die ersteren treten
nur an wenigen Stellen im Norden zu Tage, um so ausgedehnter sind
aber die beiden anderen. Sie erstrecken sich in einer Breite von
ca. 350 km von Biskra bis El Biodh (700 km) und senden noch
Ausläufer einerseits bis in die Kleine Syrte, andererseits bis gegen
Figig. Erinnern wir uns daran, daß genau zur Eiszeit auch in dem
trockenen Landbecken der westlichen Vereinigten Staaten gewaltige
Seen existierten, so werden wir nicht fehlgreifen, wenn wir auch dem
Quartärsee der Sahara ein glaziales Alter zuweisen. Aber auch
nach seinem Verschwinden blieb das Klima noch feucht genug, um
große Flüsse zu ernähren, und diese Flüsse schufen jene großen,
in die Süßwasserbildungen eingeschnittenen Thäler: die Wadis Mia
und Igharghar, die sich im Wadi Rir vereinigen, Wadi Suf, Wadi
Djedi. Die Anordnung dieser Thäler, die gegen den tiefsten Punkt,
das Schott Melrir, konvergieren, die Verzweigung nach oben und die
häufigen Serpentinen sprechen deutlich für erosiven und gegen
äolischen Ursprung. Das Längsprofil hat freilich eine Umwandlung
erfahren; ein ununterbrochener Thalweg ist nicht mehr vorhanden,
sondern nur mehr eine stufenförmige Aufeinanderfolge länglicher
Becken, die durch Schwellen getrennt sind. Diese Umgestaltung
gehört einer Zeit an, da die Flüsse vertrockneten und der Wind
Alleinherrscher wurde.
Diese Ergebnisse, die durch Rolland in den letzten Jahren
völlig sichergestellt wurden, haben nichts überraschendes. Verwand-
lungen feuchter Landstriche in trockene sind ja schon vielfach bekannt
geworden. Zu den nordamerikauischen Beispielen, deren wir mehr-
fach gedachten, gesellt sich u. a. auch das große llral-Kaspische
Becken. In der That, war die Eiszeit ein allgemeines Phänomen,
wie hätten dann so ausgedehnte Wüsteneien bestehen können, wie
sie die Gegenwart aufweist? —
Kehren wir wieder zu den Faziesgebieten zurück. An die Wüsten
schließen sich dann als Ubergangsform zu den feuchten Gebieten
die Steppen an. Der äolische Denudationsboden tritt zurück, der
äolische Aufschüttungsboden herrscht aber noch entschieden vor.
Nur ist es nicht mehr Flugsand, sondern Thonstaub, der die felsige
Unterlage verhüllt. Wir müssen übrigens nochmals darauf auf-
merksam machen, daß über die Deutung mancher hierher gehöriger
Gebilde Zweifel bestehen, wie dasselbe ja auch von den Löß-
Supan, Physische Erdkunde. 2. Aufl. 28
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434
Die Dynamik des Landes.
gebieten gilt. Ist Richthofens Theorie allgemein gültig, so ge-
hören auch die letzteren zu den Mutationsgebieten, nur daß sich
hier die Klimaänderung im entgegengesetzten Sinne vollzog, wie in
den Wüsten.
Litteraturnach weise. 1 v.Tillo, Petebmanns Mitteilungen 1 893, S. 17. —
J Zur Orientierung s. Waiihschaffe, Grundrücken bei Lubarz, im Jahrbuch d.
preußischen geologischen Landesanstalt 1890. — J Wai.theh , Lithogenesis eit.
S. 278. — 4 Walther, cit. S. 415. — 5 Choisv, eit. S. 415.
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Vierter Abschnitt.
Morphologie des Landes.1
Übersicht.
Nachdem wir die einzelnen Kräfte kennen gelernt haben, gehen
wir zur Betrachtung der Formen über, oder richtiger gesagt,
zur Systematik der Formen, die wir als Endergebnis jener, teils
gleich-, teils widersinnig wirkenden Kräfte verstehen zu lernen haben.
Dieser genetische Gesichtspunkt in der Morphologie ist es haupt-
sächlich, der die moderne geographische Auffassung von der früher
herrschenden unterscheidet Es ist derselbe Umwaudlungsprozeß,
den auch die übrigen beschreibenden Naturwissenschaften durchge-
macht haben.
Jedwede Oberflächenform ist ein Individuum. Wie jeder Kon-
tinent und jedes Meer seine eigentümlichen Züge hat, so auch jedes
Gebirge, jede Ebene; denn sicherlich haben zwei Erdstellen, trotz
Übereinstimmung im Grundcharakter, im Verlaufe ihrer Entwicklungs-
geschichte nicht genau dieselben Schicksale erfahren. Es ist auch
leicht erklärlich, daß der Individualismus mit der Schichten-
störung zunimmt, und daß er daher am meisten in den Ketten-
gebirgen ausgebildet ist. Diese Abwesenheit von allem Schema-
tischen bedingt zum großen Teil die Mannigfaltigkeit des Völkerlebens.
In dieser Eigenschaft der Obertiächenformen ist auch die Zwei-
teilung der Geographie in eine allgemeine und spezielle begrün-
det. Die letztere hat gerade die individuellen Züge zu erfassen,
die erstere sieht von diesen ab und sucht das Gemeinsame. Die
Aufgabe der geographischen Morphologie ist die Klassifi-
zierung der Oberflächenformen auf genetischer Grundlage.
Aber dies ist ein ideales Ziel, dessen Erreichung wir einer fernen
Zukunft überlassen müssen. So groß ist noch die Lückenhaftigkeit
unserer geographischen und mehr noch unserer geologischen Kennt-
nis, daß wir uns mit der Aufstellung von Typen begnügen müssen.
Die Morphologie betrachtet 1. die Landmassen als Einzelwesen
28*
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436
Morphologie des Landes.
in ihren Beziehungen zu einander und zum Meere (Kontinente, Kon-
tinentalinseln, ursprüngliche Inseln; Küstengliederung), 2. die Land-
massen als Komplexe verschiedener Oberflächenformen. Methodisch
empfiehlt es sich, den zweiten Abschnitt zuerst zu behandeln.
Orographisches System. Die Reliefformen des Landes lassen
sich nach drei Gesichtspunkten einteilen, nach der äußeren Er-
scheinung, nach der Höhenlage und nach der Entstehungsweise.
Wenn wir auch den letzteren Gesichtspunkt jetzt obenan stellen, so muß
man doch daran festhalten, daß jedes dieser Systeme seine Berech-
tigung hat, und daß es der Übersicht dienlicher ist, sie nebenein-
ander zu stellen, als eines in das andere einzuschachteln.
Die orographischen Grundbegriffe sind Ebenheit und Uneben-
heit; sie beziehen sich auf das Maß der Niveauunterschiede benach-
barter Punkte. In ihrer räumlichen Anordnung gewahren wir eine
große Mannigfaltigkeit: bald beherrschen sie als Flach- oder Ge-
birgsland ausgedehnte Erdräume, bald durchdringen sie sich gegen-
seitig, indem hier ein Berg oder ein auch äußerlich scharf indivi-
dualisiertes Gebirge sich aus der Ebene, wenn auch nicht immer
mit einem ganz deutlichen Fuße erhebt, dort eine Ebene als Land -
senke von Gebirgen eingeschlossen erscheint
I. Der geographische Begriff der Ebenheit ist bekanntlich ein
viel weiterer als der geometrische, weil Änderungen des Gefälles
einen gewissen, aber keineswegs für alle Menschen gleichen Schwellen-
wert erreichen müssen, um von dem Auge bemerkt zu werden. Wo
die Fläche langsam ansteigt, und nach der anderen Seite sich ebenso
langsam wieder senkt, so daß eine Wasserscheide entsteht, da sprechen
wir von einer Landschwelle.
II. Einen viel großem Formenreichtum zeigen die Uneben-
heiten. Einzelerhebungen nennt man Berge, ausgedehntere Er-
hebungen Gebirge, aber der Sprachgebrauch schwankt sehr häutig
und es wäre vergebliche Mühe, wollte man ihn durch feste Maße
in ein künstliches System zwängen. Nur die Gepflogenheit, auch
hervorragende Punkte innerhalb eines Gebirges als Berge zu be-
zeichnen, wollen wir aus der Sprache des Geographen verbannen.
Man kann folgende orographische Kategorien unterscheiden:
1. Kammgebirge zeichnen sich durch deutliche Längser-
streckung und eine scharf ausgesprochene Kammlinie aus, sie ent-
behren jedoch, im Gegensätze zum Kettengebirge, einer reichlicheren
Gliederung durch Längsthäler. Unter den Einzelerhebungen ent-
sprechen ihnen die Kegelberge.
2. Linearer entwickelt ist auch das Rückengebirge, aber statt
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Übersicht.
437
eines scharfen Kammes krönt es ein breiter Rücken. Einen gleichen
Gegensatz bildet der Kuppen berg zum Kegelberge.
3. Das Plateaugebirge * hat eine breite, wenigstens in ein-
zelnen Teilen ebene Oberfläche. Unter den Einzelerhebungen kann
ihm der Tafelberg zur Seite gestellt werden, aber eine scharfe
Grenze läßt sich nicht ziehen, weil auch bei Plateaugebirgen häufig
die Ausdehnung nach der einen Horizontaldimension nicht erheblich
Ton der nach der anderen abweicht.
4. An Massengebirge oder Massive stellen wir nur die
Forderung, daß Breite und Länge nahezu gleich seien, die Gestaltung
der höchsten Teile kann aber sehr verschieden sein. Das Otzthaler
Alpenmassiv besteht z. B. aus Kämmen, in anderen ist die Ober-
fläche wellig, und nur dort, wo sie vorherrschend eben ist, werden
wir die Bezeichnung Massiv besser mit der des Plateaugebirges ver-
tauschen.
5. Kettengebirge bestehen zwar vorwiegend aus einer An-
einanderreihung mehr oder weniger paralleler Kammgebirge, die
durch Längsthäler getrennt sind, aber sie können auch, wie die
Alpen, Massive und Plateaugebirge enthalten, doch zeigen auch
diese eine deutliche Anordnung in der Längsrichtung des ganzen
Gebirges.
6. Unregelmäßige Anhäufungen von Bergen bilden ein Berg-
land, und je nach der Form derselben kann man Kuppen- und
Tafelgebirge unterscheiden.
7. Geht eine Fläche mit scharfer Biegung in eine andere, tiefer
liegende über, so entsteht eine Landstufe, die im gewöhnlichen
Sprachgebrauche häufig als Gebirge bezeichnet wird und daher hier
nicht übergangen werden darf.
Hypsometrische Systeme. Dem Systeme der absoluten Höhe
liegt der Gedanke zu Grunde, daß die Temperatur mit der Höhe
abnimmt und damit die Lebensbedingungen der Organismen, wie das
Wesen und Maß der zerstörenden Kräfte sich ändern. In der Wahl
der Grenzisohypsen ist natürlich ein weiter Spielraum offen gelassen,
denn selten bezeichnet eine bestimmte Höhenlinie auch einen Wechsel
der Oberflächenform. Ob wir die Grenze zwischen Nieder- und
Mittelgebirge bei 600 m, zwischen Mittel- und Hochgebirge bei
1300 m ansetzen, oder bei irgend einer anderen Seehöhe, ist in der
Natur nicht begründet. In letzter Linie sind diese Einteilungen
x v. Richthofen sprach sich gegen die Beibehaltung des Ausdruckes
Plateau aus. Dieser ist aber so sehr eingebürgert, daß man ihn durch einen
Machtspruch kaum wird entfernen können.
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438
Morphologie des Landes.
imr unseren europäischen Verhältnissen angepaßt, aber Seehöhen
von 1000 m oder 2000 m haben hier eine ganz andere Bedeutung
als im polaren oder im tropischen Klima. Trotzdem möchten wir
die Bezeichnungen Mittel- und Hochgebirge nicht missen; die ge-
rundeten Formen des ersteren, die zugespitzten des letzteren sind
natürliche Unterschiede, aber nicht die Seehöhe ist dafür maßgebend,
sondern der Abstand der beiden wirklichen Denudationsniveaus, der
Unterschied zwischen Gipfel - und Thalhöhe. An die Stelle des
Systems der absoluten Höhen wollen wir daher mit Penck ein
solches der relativen Höhen setzen; die Grenze von Mittel- und
Hochgebirge mag um den Höhenunterschied von etwa 1000 m
schwanken, denn auch sie variiert mit dem Klima.
Dagegen hat sich von den absoluten Werten die Seehöhe
von 200 m- als Grenze zwischen Tief- und Hochland allgemein
eingebürgert. Der Grund liegt darin, daß Uber ’/3 der gesamten
Handfläche unter 200 m liegt, und diese Höhenstufe selbst auf kleinen
Karten deutlich zur Geltung kommt. Selbstverständlich ist das Tief-
land vorwiegend Flachland; viele Flachländer steigen aber ganz un-
merkbar in beträchtliche Seehöhen empor, wie z. B. die nordameri-
kanischen Prärien im 39. Parallel von 30 bis über 2000 m, ohne
daß sich irgendwo ein Gefällsbruch bemerkbar machte oder der Ab-
stand zwischen zwei Isohypsen auf Gannetts schöner Relief Map (1892)
irgendwo einem größeren Böschungswinkel als 0° 16' entspräche. Solch
ein geographisches Individuum in eine bestimmte Kategorie des
absoluten Höhensystems einzureihen, ist natürlich unmöglich. Das-
selbe gilt übrigens auch vom relativen System Pencks, soweit es
das Flachland betrifft. Er unterscheidet 1. Ebenen mit seichten
Flußeinschnitten, 2. Platten mit Thälern unter 200 m Tiefe,
3. Tafelländer mit tieferen Thälern. Es liegt auf der Hand, daß
Tafelländer in Platten, Platten in Ebenen übergehen können. Der
Verengerung des Begriffes Ebene ist nur zuzustimmen , aber die
Grenze zwischen Platte und Tafelland ist ganz willkürlich gewählt
Außerdem drücken die Namen Platte und Tafel keineswegs eine
Zerschnittenheit des Geländes aus, sie sind im Gegenteil konzen-
trierte Namen für ebenes Land, ganz abgesehen davon, daß Tafelland
in der modernen Geologie einen ganz bestimmten Begriff bezeichnet.
Hypsometrie. Wenn auch hypsometrischen Systemen eine
gewisse Willkürlichkeit anhaftet, so ist doch die Höheumessung
eine der unentbehrlichsten Grundlagen der geographischen Erkennt-
nis, ebenso unentbehrlich, wie die Bestimmung der räumlichen Lage
durch Breite und Länge.
Es giebt drei Methoden der Höhenmessung: die nivellitische,
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Übersicht.
489
trigonometrische und barometrische. Diese Reihenfolge entspricht
auch ihrer Rangordnung in Bezug auf die Genauigkeit.2
Bei dem Nivellement wird der Höhenunterschied benachbarter
Punkte durch horizontales Zielen nach senkrechten Maßstäben (Latten)
bestimmt. Die letzteren sind 2 — 4 m lange, geteilte Stäbe (o in
Fig. 139); das Nivellierinstrument (b in Fig. 139) besteht aus einer
Libelle und einem Fernrohr, deren Achsen
unter sich parallel und beim Gebrauche hori-
zontal sind. Eine besondere Berücksichtigung
der Erdkrümmung ist unnötig, weil sich ihr
die Ziellinien an und für sich als Tangenten Fjg 13g> Nivellement_
anschmiegen. Diese genaueste hypsometrische
Methode ist, wenn sie sich über größere Räume erstrecken soll,
äußerst zeitraubend und kostspielig, daher sie auch nur in Kultur-
ländern zur Anwendung kommen kann. x
Trigonometrisch mißt man Höhen mittels des Theodoliten,
eines Instrumentes, das sich ebenso zur Bestimmung von Horizontal-
wie von Höhenwinkeln eignet, und daher in der wissenschaftlichen
Ausrüstung eines Forschungsreisenden eine wichtige Rolle spielt
Haben wir die Höhe des Berges D (in Fig. 140), die durch die
Vertikale DC repräsentiert wird, zu messen, so genügt es nach den
Gesetzen der Trigonometrie eine Basis (AB) auf ebenem Boden und
von den beiden Endpunkten derselben die Höhenwinkel a und ß zu
messen. * x Dabei macht
man allerdings die Voraus-
setzung, daß die Linien AB,
AD und BD Gerade sind,
und dies trifft ja in Wirk-
lichkeit nicht zu. AB wird
durch die Erdkrümmung,
AD Und BD werden durch Fig 140. Trigonometrische Höhenmessung,
die Strahlenbrechung ge-
bogen, und namentlich die letztere ist eine nicht zu unterschätzende
Fehlerquelle für die trigonometrische Höhenmessung. Begnügt man
sich mit Höhenzahlen, die noch in ihren Einheiten (in Meter) richtig
sind, so kann man den Einfluß von Erdkrümmung und Refraktion
vernachlässigen, solange die Entfernung von der Höhenlinie (AG
in Fig. 140) 5 km nicht übersteigt.
x Vgl. dazu S. 21 X.
x x Die Höhe C D ist dann = A B ^ •
sin (p — a)
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440
Morphologie des Landes.
Die barometrische Höhenmessung gründet sich auf das Ge-
setz, daß der Luftdruck in geometrischer Progression mit der Höhe
abnimmt. Ist in einer bestimmten Zeit der Barometerstand und
die Temperatur an der unteren Station B und T und an der oberen
b und t, so ist nach Rühlmann die Höhendifferenz (in m)
= 18400 | l,ooi57 + 0,oo367 — log-®-
Allein diese Formel hat einen Mangel. Sie setzt fälschlich voraus, daß die
mittlere Temperatur der Luftsäule zwischen beiden Stationen gleich
ist — - — . Daher liefern die Barometerablesungen zu verschiedenen
Tages- und Jahreszeiten bald zu hohe, bald zu niedere Werte,
und nur die Jahresmittel der meteorologischen Beobachtungen
geben Höhen, welche sich von den wahren Werten nur wenig ent-
fernen. Es ist klar, daß Höhenbestimmungen auf Grund von einigen
wenigen, ja oft nur von einer einzigen Ablesung sehr unsicher sein
müssen, besonders dann, wenn die Beobachtungen an beiden Stationen
nicht gleichzeitig erfolgten, oder wenn die Seehöhe der unteren
Station nicht völlig sichergestellt ist. Noch zweifelhafter wird das
Resultat, wenn das Meeresniveau als untere Station angenommen
wird, für die man nach den Isobaren- und Isothermenkarten nur
ganz vage Werte einsetzen kann. Trotzdem sind weitaus die meisten
Höhenmessungen in unzivilisierten Ländern mittels des Barometers
gemacht worden, besonders seitdem wir im Anerold, das den
Luftdruck durch die Federkraft einer metallenen luftleeren Büchse
anzeigt, ein außerordentlich bequemes Instrument besitzen. x Leider
reicht der Grad seiner Zuverlässigkeit bei weitem nicht an die des
Quecksilberbarometers heran, und eignet sich letzteres wegen seiner
Zerbrechlichkeit wenig zur Mitnahme auf Reisen. Eine gute Kon-
trolle bieten die neuen Kochthermometer aus Jenaer Glas, die
in ihren Angaben konstanter sind als die Anerolde.3 Auch dieses
Instrument dient zur barometrischen Höhenmessung und beruht
darauf, daß der Siedepunkt mit abnehmendem Luftdrucke herabrückt;
so befindet er sich z. B. bei einem Barometerstände von 760 mm bei
100°, von 700 mm bei 97,7°, von 600 mm bei 93,6°.
Im allgemeinen ist das Urteil berechtigt, daß unsere Kenntnisse
von den Höhenverhältnissen nicht bloß sehr lückenhaft, sondern auch
sehr unsicher sind. Indes ist ein kräftiger Fortschritt nach beiden
Richtungen unverkennbar.
Orometrie.4 Wir haben schon an früherer Stelle der Versuche
gedacht, die mittlere Höhe bezw. Tiefe größerer Erdräume zu be-
* Das Aneroid oder Federbarometer wurde 1847 von Viti erfunden.
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I Ibersicht.
441
rechnen, Versuche, die bis auf Laplace zurückreichen, aber erst
unter der Meisterhand Humboldts eine greifbare Gestalt annahmen.
Aus dieser Volumenberechnung entwickelte sich die Orometrie,
die es sich zur Aufgabe stellt, alle charakteristischen Formen- und
Größenverhältnisse der Gebirge durch Mittelwerte zum ziffermäßigen
Ausdrucke zu bringen. Was man bisher mit Worten schilderte, soll
nun mit Zahlen kurz, prägnant und ohne jeden subjektiven Bei-
geschmack zur Darstellung gelangen, v. Sonklar war der erste,
der dieses Programm in ein System brachte, indem er die Begriffe
der mittleren Kamm-, Gipfel- und Sattelhöhe, der mittleren Scliar-
tung, der mittleren Thal- und Sockelhöhe, der mittleren Neigungs-
winkel der Thalböden und Gehänge u. s. w. feststellte. Es bedarf
keiner weitläufigen Auseinandersetzung, daß wir für das ver-
gleichende Studium der Gebirge aus der Orometrie die größte
Belehrung schöpfen können, aber leider steckt dieser Zweig der
geographischen Forschung noch ganz in den Kinderschuhen. So-
lange sich noch jeder seine Methode selbst zurechtschneidet, können
keine streng vergleichbaren Werte geliefert werden. Dazu
kommt noch, daß der Orometer ausschließlich mit Karten arbeitet
und von der Zuverlässigkeit derselben in seinen Resultaten ab-
hängig ist.
Genetisches System. Um zu einem genetischen System zu ge-
langen, müssen wir den entwicklungsgeschichtlichen Weg betreten;
dieser Aufgabe sollen die nächsten Abschnitte gewidmet sein. Wir
gehen dabei von der Wahrnehmung aus, daß die feste Erdoberfläche
im wesentlichen aus zwei tektonischen Grundformen besteht: aus
flach gelagerten und aus gefalteten Schichten. Die erstere bedingt
Ebenheit, die letztere Unebenheit. Diese beiden Grundformen können
aber Umwandlungen erleiden, einerseits durch Brüche und Massen-
verschiebungen entlang derselben, anderseits durch die überall und
zu allen Zeiten wirkende Destruktion; und unser Hauptaugenmerk
soll darauf gerichtet sein, möglichst vollständige Umwandlungsreihen
herzustellen. Eine fremdartige Zuthat liefern die vulkanischen
Ergüsse; auch sie sind Umwandlungsprozessen unterworfen.
Litteraturnachweise. 1 Hauptwerke wie für die Dynamik a. S. 278. —
’ Jordan, Vermessungskunde, Bd. II, 1893. — s Vgl. v. Danckklman, in d. Ver-
handlungen der Berliner Gesellschaft f. Erdkunde, 1888, S. 594. — * 1’euckf.r,
Beitrüge zur orometrischen Methodenlehre, Breslau 1890, woselbst die ziemlich
ausgedehnte Litteratur übersichtlich zusammengestellt ist.
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•442
Morphologie de» Landes.
Die Oberfiächenformen der Flaehschichtung.
Den Ausdruck Flachschichtung haben wir gewählt, weil
völlig horizontale Lagerung verhältnismäßig selten ist. Selbst dort,
wo man eine solche voraussetzte, hat sich häufig bei erweiterter
Beobachtung eine leise Neigung nach einer bestimmten Himmels-
gegend herausgestellt. Solange diese Neigung aber keinen hoben
Wert erreicht, erzeugt die Flachschichtung als Urform stets
Flachland.
Das Tafelland. Wir mögen bezweifeln, daß es irgend eine
Gegend der heutigen Landoberfläche giebt, die stets flach war, aber
wir wissen bestimmt, daß ausgedehnte Räume seit langen geologischen
Perioden Flachland sind. Das sind die Tafelländer.
ln Rußland1 finden wir, wenn wir von dem Dwina- und
kaspischen Gebiete abseben, oberflächlich Ablagerungen der Eiszeit
und jenseits ihrer Grenzen eine mehrere Meter mächtige Schicht
von Schwarzerde (vgl. S. 415). Aber nicht sie sind es, denen
Rußland seinen orographischen Charakter verdankt. Vom Silur
an ruhen alle Formationen flach auf granitischer Unterlage, die
in St. Petersburg und südwestlich von Nowopawlowsk im Gouverne-
ment Woronesch erbohrt wurde und im südlichen Rußland in den
Flußthälern wieder zu Tage tritt. Zwar fehlen Störungen nicht
ganz, aber sie sind unbedeutend und örtlich beschränkt. Endlos
breitet sich die Fläche aus, nur unmerkliche Erhebungen scheiden
die Gewässer, selbst die Waldaihöhe bringt geringe Abwechselung
in das einförmige Bild; kein Punkt im Innern überschreitet die
Seehöhe von 425 m. Nur im Kohlengebiete am Donez sind die
karbonischen Schiefer, Sandsteine und Kalksteine in steilere Falten
gelegt, aber horizontale Kreide- und Tertiärschichten verhüllen dieses
unterirdische Gebirge, wenn auch nicht bis zu völliger Unkenntlich-
keit, indem die Sättel der Karbonfalten als geradlinige, niedere Vor-
sprünge oder Leisten an der Oberfläche sich bemerkbar machen und
dieser einen flach-welligen Charakter verleihen.
Zu den ausgedehntesten Tafelländern gehört die Wüstenplatte
der alten Welt. Soweit die Sahara2 nicht von modernen Ablagerungen
verdeckt ist, und abgesehen von den Durchbrüchen der altkrystallinischen
Unterlage, besteht sie zum großen Teil aus paläozoischen Schichten,
dann im Osten aus Kubischem Sandstein, in der Mitte aus Gebilden
der mittleren und oberen Kreide, und nur im Nordosten aus tertiären
Ablagerungen. Aber so verschiedene Niveauveränderungen sie auch
erlitten hat, die flache Lagerung der Sedimente wurde dadurch
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Die Oberflächenformell der Flachseliichtiinp. 448
nicht erheblich gestört. Die saharische Tafel setzt sich nach Arabien
fort, wo eine gewaltige Sandsteindecke Granit und alte Eruptiv-
gesteine verhüllt.3 Auch sonst ist in Afrika die Tafellagerung
weit verbreitet, unzählig sind die Schollen horizontaler Sandsteine,
die wahrscheinlich der jüngeren Primär- und älteren Sekundär-
periode angehören. Das Innere von Australien darf ebenfalls als
Tafelland bezeichnet werden. In Nordamerika breitet sich von
den Alleghanies bis über den Mississippi eine paläozoische Tafel aus,
und daran schließt sich im Westen bis zum Eelsengebirge die schräge
Kreidetafel der Prärien. Südamerika hat seine brasilianische Tafel,
die sich allerdings auch mit Strichen von wesentlich anderem Cha-
rakter zu einer orographisehen Einheit verbindet, wie wir an einer
späteren Stelle ausführlicher zu erörtern haben werden.
Die wesentliche Eigenschaft des Tafellandes ist seine Zusammen-
setzung aus festem Schichtgestein höheren Alters. Daß sein oro-
graphischer Charakter nur durch die Lagerungsverhältnisse bedingt ist,
zeigt sich am deutlichsten dort, wo es an ein Gebirge von gleicher geo-
gnostischer Zusammensetzung grenzt, und die bisher Hach gelagerten
Schichten sich nun in die Höhe richten. Soweit sich die Tafelländer aus
Sedimentgestein auf bauen, in denen wohl auch manchmal Eruptiv-
massen »ingelagert sind, können wir sie auch ursprüngliche Ebenen
nennen und stellen sie jenen Flachländern entgegen, die mit
lockerer Aufschüttung jugendliche Störungsgebiete verhüllen und die
wir als aufgesetzte Ebenen bezeichnen können. Nur jene aus-
gedehnten Lavadecken, wie wir sie am Columbia und Snake Kiver
im Westen der Vereinigten Staaten und im nordwestlichen Dekan
finden, machen davon eine Ausnahme. Der sog. Dekantrapp be-
deckt eine Fläche von mehr als 400000 qkm und erreicht stellen-
weise eine Mächtigkeit von 1800 m. Der Untergrund ist uneben,
alte Thäler von mehr als 300 m Tiefe sind mit Lava ausgefüllt
Die Schichtung ist horizontal, die feste Gesteinsbeschaft’enheit macht
das Trappplateau zu einem echten Tafellande, seine Oberfläche zeigt
alle charakteristischen Eigenschaften eines solchen, und trotzdem
müssen wir es zu den aufgesetzten Ebenen rechnen. Man hat diese
Flachländer Übergußtafeln im Gegensätze zu den Schichtungs-
tafeln genannt
Ausgefullte Landsenken. Sie sind ohne Ausnahme jugendliche
Oberflächenformen, die ältesten reichen in das Tertiär zurück. Ihrer
Umgebung gegenüber verhalten sie sich meist völlig fremd, wenn sie
auch hier und da durch den fortschreitenden Faltungsprozeß in die
Gebirgsbildung einbezogen und dadurch verfestigt wurden.
Man hat zwischen Anschwemmungsflächen und äolischen
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444
Morphologie des Landes.
Aufschüttungen zu unterscheiden. Die oberrheinische Tief-
ebene4 ist eine der ausgezeichnetsten Typen eines Grabenbruches.
Die große mesozoische Tafel, die einst von Schwaben bis nach Loth-
ringen reichte, sank hier am tiefsten ein, undderGraben wurde in der
mitteloligoeänen Zeit vom Meere, im Miocän und Pliocän von einem
Süßwassersee eingenommen und mit deren Ablagerungen ausgefüllt,
dann im Diluvium vom Rhein erobert, der seine Schotter und Sande
darüber ausbreitete. Die Donau ebenen bauten sich seit dem
jüngeren Tertiär über gewaltigen Kesseleinbrüchen auf. Bohrungen
in der niederungarischen Ebene haben die lehrreichsten Ergebnisse
geliefert. Westlich von Altofen erhebt sich der Dreihotterberg etwas
über -400 m über das Meeresniveau, aus dem ältesten Gestein in
dieser Gegend, dem triassiscben Hauptdolomit bestehend. Ihm lagert
sich im Osten oligocäner Mergel an, der sich von 200 bis 100 m
Seehöhe senkt und dann unter der Donau verschwindet Auf der
Magareteninsel fand man ihn unter der alluvialen Decke wieder
und verfolgte ihn bis 19 m unter den Meeresspiegel. Nur 2,8 km da-
von entfernt, im Stadtwäldchen, durchfuhr der Bohrer zunächst
jüngere Tertiärschichten, erreichte erst in ca. 450 m Meerestiefe das
Oligocän und in 700 m den Dolomit des Dreihotterberges.6 Das
ergiebt auf eine Entfernung von 7 km eine Niveaudifferenz von
1100 m! Auf den neogenen Rand folgen nach dem Innern des
Alfold zu diluviale Ablagerungen, überdeckt mit Löß- und Flugsand
und durchfurcht von alluvialen Flußniederungen. Nahezu in der
Mitte des Beckens, in Szentes an der Theiß, wurde ein 314 m tiefer
artesischer Brunnen gegraben, der bis 97 m unter dem Meeres-
spiegel diluviale Sande und Thone mit Süßwasserconchylien durch-
bohrte und dann erst das Tertiär erreichte.® Vergleichen wir diese
beiden Bohrungen, so können wir sagen, daß Niveauunterschiede
von reichlich 200 m durch junge Anschwemmungen bis auf wenige
Meter ausgeglichen wurden. Indes läßt sich vermuten, daß Senkung
und Ausfüllung nicht zwei zeitlich getrennte Akte waren, sondern
daß beide Prozesse wenigstens bis zu einem gewissen Grade Schritt
mit einander hielten. Für einige aus Flußalluvionen bestehende
Ebenen ist dies durch Bohrungen nachgewiesen: so wurde neuer-
dings bei Portovecchio in der Poebeue in 215 m,7 bei Luckuow
in der Gangesniederung in 284 in unter dem Meeresniveau der
Untergrund der modernen Anschwemmung nicht erreicht,® wenn
man ihm auch im letzteren Falle schon ziemlich nahe gekommen zu
sein scheint. Es unterliegt natürlich keinem Zweifel, daß, als jeneTief-
aUuvionen abgelagert wurden, der Boden wie heute über dem Meeres-
spiegel sich befand. Erderschütterungen in jungen Schwemmgebieten
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Die Oberflächenformen der Flachschichtung.
445
weisen übrigens darauf hin, daß die Senkung auch jetzt noch fort-
dauert.
Ausgefüllte Seebeckeu, die einen unebenen Untergrund verhüllen,
sind außerordentlich häutig und ebenso verschieden in Bezug auf Aus-
dehnung, wie auf Seehöhe. Dem rheinischen und den Donaubecken,
die dem Tieflande angehören, können wir die ca-stilianischen oder
die Hochflächen der Anden gegenüberstellen. Sie sind insgesamt
Landsenken, aber es giebt daneben auch Landsenken, die duroh
Steppengebilde ausgefüllt sind. Ihre Verbreitung ist an klima-
tische Grenzen gebunden: nur dort kommen sie vor, wo die
geologische Kraft des Windes zur unumschränkten Herrschaft ge-
langt, d. h. in trockenen Gegenden, oder in solchen, die früher
regenärmer waren, als jetzt (vgl. S. 413). Eigentümlich ist ihnen
die Beckenform. v. Richthofen9 schildert die Lößmulden des nörd-
lichen Teiles der chinesischen Provinzen Tschili und Schansi in
folgender Weise: „Fast eine jede der großen Einsenkungen, wenn
Fig. 141. Querschnitt der Lößbecken ain Südfuße des Wu-tai-schan nach v. Richt-
HOFEN. Länge zur Höhe =1:8.
a festes Gebirge, b Löß, c See- Ablagerungen.
wir sie von einer Höhe überblicken, hat die Gestalt eines Steppen-
beckens, indem eine Vertikalehene die Oberfläche in einer Kurve
von der Form eines zwischen den beiden Gehängen schlaff ge-
spannten Seiles durchschneiden würde (s. 2 und 3 in Fig. 141).
Der Höhenunterschied zwischen den Rändern und der Mitte beträgt
oft mehrere tausend Fuß; aber die Abdachung ist so allmählich,
daß das Auge sich keine Vorstellung von der Größe dieser Diffe-
renzen machen kann. Zunächst den Gehängen ist der Neigungswinkel
am größten; gegen die Mitte hin nimmt er immer langsamer ab,
bis sich der diesseitige mit dem jenseitigen Abfall in einer Ebene
begegnet. Der obere Muldenrand geht bald unmittebar durch An-
häufungen von eckigem Schutt in den aus festem Gestein bestehenden
trennenden Gebirgsrücken über, bald lehnt er sich an Felswände,
welche noch hoch darüber aufragen. . . . Neben diesen normalen
Formen treten auch einseitige Lößmulden (1, 4 und 5 in Fig. 141)
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Morphologie des Landes.
auf, bei denen die lange, geschwungene Abdachung sich nur von
einer Flanke herabzieht, und wo von dem tiefsten Teile derselben
entweder eine durch Seeausfüllung entstandene, beinahe vollkommene
Ebene bis an das jenseitige Gehänge hinanreicht, oder eine schmale
Lößaufschüttung den zweiten Muldenflügel gewissermaßen nur an-
dentet. In allen solchen Fällen, soweit ich deren beobachtet habe,
ruht der ausgebildete Muldenflügel auf einer im Durchschnitt sanft
geneigten Fläche des unterliegenden Gesteins, während der rudi-
mentäre Teil, oder der ebene Boden, an eine steile und im Ver-
hältnis sehr hohe Felswand grenzt.“ Solche Lößländer sind in China
die Provinzen Schansi, Nord-Tschili und Honan, aber noch allge-
meiner ist der Löß in Schensi und Kansu, wo er den eigentlichen
Boden bildet und ihm Form und Farbe giebt. Eine Fläche von
der Größe des Deutschen Reiches trägt hier eine fast kontinuierliche
Lößdecke. Wir müssen indes die Frage offen lassen, ob es Flächen
giebt, die ausschließlich äolischer Aufschüttung ihre Entstehung
verdanken, wenn wir auch nicht daran zweifeln, daß der windbewegte
Staub in trockenen Gegenden Mächtigkeit genug besitzt, um sich
an der Gestaltung von Geländeformen zu beteiligen. Am wenigsten
wäre solcher Zweifel in Bezug auf die ausgedehnten Hochflächen
Zentralasiens berechtigt Doch bezeichnet Griesbach10 Tibet als
ein Faltenland, dessen breite Mulden mit jung- und nachtertiären
Seenablagerungen (im Hundös-Plateau über 600 m mächtig) aus-
gefüllt sind; und vom Tarimbecken und der Wüste Gobi wissen wir,
daß hier seit dem Ende der Kreideperiode ein Meer flutete, das
durch die Dsungarei mit dem aral-kaspischen Meere in Verbindung
stand und dann, als das Klima immer trockener wurde, der Ver-
dunstung anheimfiel. Hier bilden also marine Sedimente die Unter-
lage, Uber die sich atmosphärische Ablagerungen ausbreiten. Auch in
den viele Kilometer breiten Flachmulden des westlichen Hochlandes
von Nordamerika sind Seengebilde nachweisbar.
Peripherische Plachböden jugendlichen Alters. Wir haben bis-
her nur die aufgesetzten Ebenen innerhalb der Festländer in den
Kreis unserer Betrachtung gezogen, und es entsteht nun die Frage,
ob jene jugendlichen Flachlaudsgebilde, die an das Meer grenzen,
auf gleiche Vorgänge sich zurückführen lassen. Wir antworten:
ohne Zweifel in einzelnen Fällen, wo solche Ebenen buchtenformig
in das Festland eindringen. Ein solches Senkungsfeld ist der alte
Po-Golf, den Alpen- und Apenninenflüsse mit ihren Geröllmassen
ausfüllten und noch ausfüllen. Was nördlich der Linie Pavia-Mantua-
Verona-Udine liegt, ist diluvial, was südlich davon liegt, ist alluvial.
Das chinesische Tiefland lehrte uns v. Richthofen als Teil eiues
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Die Oberfläehenformen der Flachschichtung. 447
ausgedehnten Einbruchkessels kennen, den die Anschwemmungen
des Hoangho in Land verwandelten, und die vorderindische
Ebene, die von Meer zu Meer reicht, ist wohl auch nur eine konti-
nentale Depression. Selbst das deutsche Tiefland scheint nur ein
verdecktes Schollenland zu sein. Paläozoisches und mesozoisches
Grundgebirge mit gestörtem Schichtenbau tritt noch mehrfach zu
Tage, Rügen und Helgoland sind ebenfalls solche stehengebliebene
oder gehobene Schollen. In der Tertiärzeit nahm das Meer von
diesem Senkungsfelde Besitz, seine Ablagerungen verwischten die
Höhenunterschiede, wenn auch nicht ganz, weil am Ende der Miocäu-
periode wieder neue Störungen eintraten. Daraus erklärt es sich,
daß selbst nahe bei einander liegende Bohrungen sehr beträchtliche
Niveauverschiedenheiten des tertiären Untergrundes verraten. Im
Weichbilde Berlins schwankt — wie man aus den 22 Messungen in
Wahnschaffes Zusammenstellung11 entnehmen kann — die Mächtig-
keit der Diluvialdecke zwischen 34 und 126 m, die Seehöhe der
tertiären Basis zwischen -j- 2 und — 90 m, die Niveauunterschiede
der gegenwärtigen Oberfläche betragen an den Bohrlöchern aber nur
7 m. So sehr hat die Eiszeit mit ihren Ablagerungen, die sie über
den Norden Deutschlands ausbreitete, ausgleichend gewirkt. Aber
eine völlige Ebene ist auch dadurch nicht geschaffen worden.
Zwischen einem südlichen Landrücken, der sich von der schlesischen
Platte über die Niederlausitz, den Fläming und die Lüneburger Heide
nach Nordwest erstreckt, und der großen baltischen Seenplatte, die
zuerst nach Südwest zieht und dann ebenfalls nach Nordwest um-
biegt, liegt eine breite von Längsthälern durchfurchte Mulde, und
die äußersten Höhenunterschiede betragen noch immer ein paar
hundert Meter, x wenn auch Schwellen und Mulde sich allmählich
ineinander verlieren. Uber die Ursache dieses Bodenbaues sind ver-
schiedene Ansichten geäußert worden, aber immer deutlicher scheint
hervorzutreten , daß sich darin unterirdische Gebirgszüge wider-
spiegeln.
Von den Gestaden des sibirischen Eismeeres zieht das Flach-
land über die Obniederung bis in das Herz des asiatisch-europäischen
* Höchste Punkte
Thftler der Mulden
.
Höchste Punkte der
der siidl. I.andsehwelle
mitte
nördl. Landsehwelle
in
m
m
Lüneburger Heide
110
Hamburg . . .
3
Holstein . . .
160
Fläming . . .
200
Berlin
37
Mecklenburg . .
180
Niederlausitz . .
230 '
Küstrin ....
13
Pommern (Turm-
Tamowitzer Platte
Bromberg . . .
37 1
bergt ....
380
(Mesozoisch)
400
Preußen . . .
310
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448
Morphologie des Landes.
Kontinentes. Aber der Lauf der Gewässer zeigt eine Zweiteilung
an. Tobolsk im Obgebiete liegt 109 m über See, die wasserschei-
dende Kirgisensteppe steigt über 300 m an, auf der anderen Seite
liegt der Aralsee 48 über, der Kaspisee 26 m unter dem Spiegel des
Schwarzen Meeres. Das junge aral-kaspische Tiefland ist also
ohne Zweifel eine Landsenke, und die aus altem Gestein bestehenden
Gebirgszüge, die inselartig aus den lockeren Oberflächengebilden
auftauchen, machen es wahrscheinlich, daß es eine aufgesetzte Ebene
über einem Schollenlande ist. Ganze Schwärme solcher Gebirgsinseln
durchziehen die Kirgisensteppe ; wir schließen daraus, daß die Wasser-
scheide durch eine Erhebung des Untergrundes vorgezeichnet ist.
Dagegen fehlen uns Anhaltspunkte, um die Verhältnisse im sibiri-
schen Tief lande zu beurteilen. Der nördliche Teil ist wahrscheinlich
erst in der Quartärzeit aus dem Meere aufgetaucht, gerade so wie
N ordrußland (Vgl. 289), nur können wir im letztem Falle vermuten,
daß die nachglaziale Transgression sich nicht wesentlich von den
früheren unterschied, d. h. nur eine neue Flachschicht den schon
vorhandenen hinzufügte. Wir wollen, um einen neutralen Aus-
druck zu wählen, alle diejenigen jugendlichen peripherischen Flach-
böden, die durch Anschwemmung oder marine Strandverschiebung
dem Lande zuwuchsen, und über deren Untergrund wir nicht unter-
richtet sind, als angefügte Ebenen bezeichnen. Wir finden solche
an den meisten Küsten, wenn auch oft nur auf einen schmalen
Streifen beschränkt. Die sanft zum Meere sich abdachenden Ebenen,
die die Vereinigten Staaten an der atlantischen und Golfseite um-
säumen, und von New Jersey bis Georgia von 50 auf 300 km Breite
anwachsen, sind ein ausgezeichnetes Beispiel dieser Kategorie. Seit
der Kreideperiode hat hier das Land, trotz mannigfacher Schwank-
ungen, eine stetige Vergrößerung erfahren.12 Nirgends ist die
Form der Tieffläche ausgedehnter als in Südamerika; sie erreicht
1 1 V2 Mill. qkm und nimmt */s des Kontinents ein. Aber wenn
auch das ganze Flachland zusammenhängt, so bildet es doch keine
genetische Einheit. Die Llanos des Orinoco sind tertiäre Meeres
ablagerungen , die in jeder Regenzeit durch neue Flußanschwem-
mungen erhöht werden. Die Amazonas - Ebene scheint nach
den bisherigen geologischen Untersuchungen ein fluviatiles Auf-
schüttungsgebiet zu sein, eine kolossale Deltabildung, deren Anfänge
bis in die Eocänperiode zurückreichen. In der argentinischen Ebene
lagert unter dem ca. 1 m mächtigen Alluvium die sogenannte Pam-
pasformatiou, eine Mergel- oder Lehmschicht mit Resten von Land-
säugetieren, die ihrem ganzen Charakter nach dem Löß entspricht
Nach Santiago Roth13 wechseln äolischer Löß, Flußlöß und See-
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Die Oberflächenformen der Flachschichtung.
449
rnergel wiederholt miteinander, und umfassen diese Bildungen, die
man bisher für ausschließlich quartär hielt, den ganzen Zeitraum
vom Diluvium bis in das früheste Tertiär. Marine Ablagerungen
unter dem Löß wurden nur bei Buenos Aires gefunden. An ver-
schiedenen Stellen tauchen krystallinische (iebirgsinseln aus den
jüngeren Schichten empor; möglich, daß auch hier ein altes Schollen-
land begraben liegt.
Ergebnis, Unsere bisherigen Erörterungen ergeben folgendes
genetische System der Flachländer:
I. Ursprüngliche Ebenen oder Schichtungstafelländer
(Hoch- und Tiefflächen).
H. Aufgesetzte Ebenen:
1. Übergußtafeln.
2. Locker geschichtete Flächen.
a) Landsenken (Hoch- und Tiefland).
u) Landsenken im Schollenlande,
ß) Landsenken im Faltenlande.
b) Peripherische Tiefländer.
or) Buchtenländer,
ß) Angefügte Ebenen.
Natürlich ist dieses System noch einer weiteren Gliederung
fähig — so z. B. die Kategorie der aufgesetzten Ebenen nach der
Art der Aufschüttung — , aber uns kommt es nur darauf an, einige
Haupttypen herauszugreifen und diese systematisch aneinander zu
reihen. Einteilungen, die sich zu weit in Einzelheiten verlieren,
erschweren die Übersicht, statt sie zu erleichtern.
Umformung durch Denudation. Überall, wo das fließende Wasser
größere Kraft erlangt, wird das flachgeschichtete Land von Thälern
durchschnitten. Die Wasserkraft hängt bekanntlich vom Gefälle und
von der Wassermenge ab; Siebenbürgen und die niederungarische
Ebene mögen uns den Einfluß des erstgenannten Faktors vor Augen
führen. Zwei meridionale Flüsse durchziehen Niederungam: die
Donau senkt sich von 103 m (bei Budapest) auf 83 m (bei Vukovar),
die Theiß von 113 m (bei Tokaj) auf 79 m (bei Semlin); das Gefälle
ist bei beiden ungefähr das gleiche: 1:12 000, wenn man von den
Krümmungen absieht. Zwischen Donau und Theiß erhebt sich die
diluviale Kumanierschwelle durchschnittlich 30 — 40 m über die allu-
vialen Thalflächen ; nur im Westen wird sie von einem Steilrande, oß’en-
bar dem alte Donauufer begrenzt; gegen die Theiß hin senkt sie sich un-
merklich. Ebenso unmerklich steigt das Gelände von der Theiß nach
Supan, Physische Krdkunde. 2. Au fl . 29
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450
Morphologie des Landes.
Siebenbürgen hin um 20 bis 30 m. Niveauunterschiede sind also
natürlich vorhanden, aber nur an wenigen Stellen werden sie dem
Auge wahrnehmbar, sonst empfängt der Beschauer überall den Ein-
druck einer horizontalen Ebene. Anders in Siebenbürgen. Das
Innere ist mit flachgelagerten Sanden, lockeren Sandsteinen und
Mergel der jüngeren Tertiärformation erfüllt; hier, wie im ungari-
schen Tieflande ist der Straßenbau durch den Mangel an festen
Steinen gehemmt. Szamos und Maros, die nach Ungarn entweichen,
erreichen aber ein Gefälle von etwa 1 :800, bezw. 1 : 1100, und dem
entsprechen Thaltiefen von 200 m und darüber. Die Ausfüllungs-
masse ist in eine Reihe von Höhenzügen zerschnitten, nichts erinnert
mehr an das ursprüngliche, nach Westen sich senkende Flachland,
als die nach dieser Richtung ziemlich regelmäßig abnehmende See-
höhe der Berge.
Maßgebend für den Grad der Erosionskraft ist aber nicht die
Seehöhe eines Flachlandes, sondern die Höhe über der Erosions-
basis. Die Thäler der Szamos und Maros können nicht tiefer werden,
als das Theißthal, und die Tieferlegung des letzteren hängt ab von
der Ausgestaltung des engen Durchbruchsthaies von Orsova, das bei
Hochwasser die Theiß oft genug staut und Überschwemmungen ver-
ursacht. Für Gebiete mit Abfluß ist freilich in letzter Instanz der
Meeresspiegel die Erosionsbasis, die, wenn auch nicht jetzt, doch in
Zukunft einmal zur Geltung kommen muß. Tiefländer sind daher
in der Regel weniger durchfurcht, einförmiger, ungegliederter als
Hochflächen. Aber abflußlose Hochflächen sind es nicht minder.
Es ist ganz gleichgültig, daß der Westrand des Tarimbeckens in
Kaschgar und Jarkand 1200 m über dem Meere liegt, denn seine
Erosionsbasis, der Lob-nor, hat selbst eine Seehöhe von 800 m, und
für das Gefälle kommt nur die Höhendifferenz von 400 m in Be-
tracht Freilich entscheidender ist noch, daß es an Wasser selbst
mangelt. Nur unter besonders günstigen Verhältnissen überwindet
ein Fluß die Gefahren der Wüste, wie der Nil, dessen Thal die
ganze Saharatafel entzwei schneidet. Auch stammt in der Wüste noch
manches Thal aus der früheren, feuchteren Klimaperiode, das nun
der Umformung durch den Wind unterliegt, bald weiter ausgearbeitet,
bald mit Sand verschüttet wird.
Welche Formen die Denudationskraft des Wassers schließlich
erzeugt, hängt von der Gesteinsbeschaffenheit der Hochflächen, von
dem Neigungswinkel der Schichten, von der Zahl der Thäler, von
der Dauer der Erosionsarbeit ab. Bis zu 200 m tiefe Thäler, von
denen einige jetzt trocken liegen, durchfurchen den schwäbischen
Teil der oberdeutschen Hochebene, aber die breiten Zwischenstücke
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Die Oberflächenformen der Flucheehichtung.
451
haben ihren ursprünglichen Charakter gewahrt (Fig. 142). So ge-
waltig sich auch die Denudation im Tafellande des Colorado ent-
faltet hat — so gewaltig, daß durchschnittlich 16 — 1800 m mächtige
Deckschichten bis auf wenige Reste verschwunden sind — , so ist
Fig. 142. Profil eines Teiles der schwäbischen Hochebene nach PUNCK.
1 Tertiär, 2 diluviale Nagelfiuh, 3 unterer Clazialschotter, 4 Moränen.
es doch noch immer eine geschlossene Masse. Wir haben seiner
Canons schon gedacht; es sind deren verhältnismäßig wenige, weil
das Klima an Trockenheit leidet, aber die wenigen lassen an Groß-
artigkeit alle ähnlichen Bildungen der Erde weit hinter sich zurück.
Fig. 143. Seitencafions des Colorado.
Je nach der Widerstandskraft der Schichten sind sie in U- oder
V-Forrn bis zu 2000 m Tiefe in das Tafelland eingeschnitten. Sind
die oberen Schichten härter als die unteren, so entstehen steilwan-
dige Schluchten, die im Vergleiche zur Ausdehnung des Plateaus nur
als unbedeutende Risse erscheinen (s. Fig. 1 19 S. 289), während im um-
29*
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452
Morphologie des Landes.
gekehrten Falle die Gehänge sich sanfter und meist stufenförmig
abdachen. Manchmal bestehen die Canons aus zwei Stockwerken,
im Großen Canon ist das obere 8 — 9000 m breit und 600 m tief und
endet unten mit einer rauhen Fläche, in die sich das schmale untere
Thal, nur 1000 — 1200 m breit, 900 m tief einsenkt (vgl. Fig. 151
S. 459). Ein bekanntes europäisches Canongebiet ist die Sächsische
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Fig. 144. Autuicht auf Jxißschluchten durch eine Öffnung in der Wand eines Hohl-
weges am Paß Han-sin-ling in Schansi nach v. Richthofen.
Schweiz, wo die Durchlässigkeit und vertikale Zerklüftung des Qua-
dersandsteines die Erhaltung der mauergleichen Felswände fördert.
Seihst der lockere Löß eignet sich infolge seiner Neigung zu senk-
rechter Spaltung zu dieser Thalform. Ein labyrinthartiges System
von Thälern durchschneidet die chinesischen Lößplateaus nach allen
Richtungen; die Wände sind senkrecht oder sogar überhängend,
und verlaufen dort, wo horizontale Lager von Mergelknollen eine
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Die Oberflächenformell der Flnch«chichtung.
453
scheinbare Schichtung hervorrufeu, in regelmäßig zugehackten Ter-
rassen (Fig. 144). ja einzelne Pfeiler lösen sich von den Lößmassen
völlig los. Auch der Wind schafft Hohlwege entlang den Verkehrs-
wegen, wo Karreuräder oder der Huf der Tiere den Boden ge-
lockert hat. So geht aus der monotonen Hochfläche abflußloser
Gebiete, sobald mit einer Klimaänderung das fließende Wasser seine
Thätigkeit zu entfalten beginnt, eine Landschaft hervor, in der sich
die größte Einförmigkeit, die im Baumateriale begründet ist, mit
einer „endlosen Mannigfaltigkeit der Ciselierung“ verbindet.
Sind die Thäler zahlreich im Verhältnisse zur Ausdehnung der
Fläche, so schrumpfen die Zwischenstücke zu schmalen Kippen, oder
vereinzelten Erhebungsmassen zusammen; die zerschnittene Fläche
hat sich in ein Erosionsgebirge aufgelöst.
Fig. 145. Ambas in Abessinien.
In lockeren Ausfüllungsmassen flachen sich die Böschungen
der Berge und Bergziige ab; im Neogenbecken Siebenbürgens nehmen
sie stellenweise eine kammartige Gestalt an, und gerade dadurch
ist die ursprüngliche Oberffächenform völlig verwischt worden.
Anders im Tafellande. Mit steilen, oft stufenförmig sich auf-
bauenden Abhängen erheben sich über dasselbe Tafelberge oder
umfangreichere Plateaus, oben flach abgeschnitten. In der Regel
ist die oberste Schicht widerstandsfähiger, als die darunter liegende.
Auf der Kreidetafel Südaustraliens sind sie stets mit einem gelben
Feuerstein-Jaspisgestein oder mit einem harten porzellanähnlichen
Sandstein und Quarzit gekrönt. 14 Quarzitischer Sandstein deckt in
Südafrika die Tafelberge der Kapformation , Diabas die der Karru-
formation. Gesellig treten sie hier z. B. in den bogenförmig ange-
ordneten Karree- und Prambergen südlich vom Oranje auf. Kluft-
artige Thäler scheiden diese Hunderte von Bergen, deren Gipfel
ohne Ausnahme ca. 300 m über der Hochebene liegen und deren
Abhänge mit kolossalen Trümmern herabgestürzter Gesteinsmassen
bedeckt sind. Lavadecken schützen besonders häufig die Tafelberge.
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454
Morphologie des Landes.
so in Arabien, so die Ambas Abessiniens (s. Fig. 145), die Mesas (Tiscbe)
des Coloradoplateaus (Fig. 151 S. 459). Hier ist die Auflösung durch
Denudation stellenweise außerordentlich weit fortgeschritten, beson-
ders im Gebiete der leicht zerstörbaren eocänen Sandsteine und
Mergel, wo das Seltsame jener phantastisch ruinenhaften OberHächen-
gestaltung, die unter dem Namen der „bad land erosion“ berühmt
geworden ist, noch durch die lebhaften, häufig wechselnden Gesteins-
farben erhöht wird. 18
Die Tafelberge stellen ein altes Niveau des Tafellandes dar,
und in diesem Sinne hat man sie auch „Zeugen“ genannt. Die
Steilabhänge sind entweder vertikale Kluftflächen, wie im Elbsand-
steingebirge der Sächsischen Schweiz, oder sie sind dadurch ent-
standen, daß die Zerstörung durch die Atmosphärilien oder durch
die Insolation und den Wind in der weichen Unterschicht weiter
nach innen fortschreitet, als in der harten Oberschicht, und daß
diese dann über der Hohlkehle nachbricht. Bedingung ist nur, daß
die Unterschicht allseitig entblößt wird, und dies kann durch Thal-
bildung oder Zerklüftung bewirkt werden.
Größere Schwierigkeiten bietet die Erklärung jener L an fi-
stete;!, die wir als Denudationsstufen bezeichnen wollen. Ein
lehrreiches Beispiel ist die Schwäbische Alb, und sie ist doppelt
lehrreich durch die Untersuchungen Brancos16 geworden.
Fig. 146. Die Schwäbische Alb.
Maßstab der Länge 1:1000000, der Höhe 1:100000.
Von dem Donauthale in der oberdeutschen Hochebene erhebt
sich das Plateau der Schwäbischen Alb ganz allmählich um etwa
3U0 m und stürzt im Norden steil 4 — 500 m zu den welligen Flächen
des Neckarlandes ab, wo sich über triassische Ablagerungen eine
leichte Decke von Lias ausbreitet (Fig. 1 46). Uber dem Lias folgt an
den Abhängen der All) der Braune Jura (Dogger), ebenso wie der
erstere vorwiegend aus thonigen und mergeligen Gebilden bestehend,
dann, mit einer Steilmauer endend, der massige Kalkstein des
Weißen Jura oder Malm. Die Schichten neigen sich leise nach
Süden. Gegen das Tertiär der oberdeutschen Hochebene grenzt sie
eine Verwerfung ab, im Norden ist aber nirgends ein Bruch be-
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Die Oberflächenformen der Flachachichtung. 455
merkbar. Daß hier die AU) einst weiter in das Neckarland hinein-
reichte und durch Denudation nach Süden gedrängt wurde, war
schon lange Überzeugung, aber ein positiver Beweis wurde dafür
erst von Branco gefunden. Die Tuffgänge der miocänen Maare ent-
halten, wie wir auf schon S. 299 auseinander gesetzt haben, eine
Sammlung aller durchbrochenen Gesteine; Dogger und Malm kommen
selbstverständlich in den Tuffgängen der Alb vor, aber sie fehlen
ebensowenig im Vorlande, wo sie nicht mehr anstehen; und ein
Transport von fernher erscheint nach dem ganzen Sachverhalte als
ausgeschlossen. Auch das nördlichste Tuffmaar, bei Scharnhausen
im Kerschthale gelegen (K in Fig. 1 46), macht von dieser allgemeinen
Regel keine Ausnahme; der Steilrand der Alb muß also in der Miocän-
zeit wenigstens in der Gegend von Stuttgart (J/ in Fig. 146) gelegen
haben, und hat sich seitdem um etwa 23 km zurückgezogen: eine sehr be-
scheidene Leistung der Denudation, wenn man die ungeheuere Länge der
Zeit in Betracht zieht. Daß der isolierte Jurafetzen von Langenbrücken
im Rheinthale, den eine Versenkung vor Denudation geschützt hat, einst
mit der Alb zusammenhing, ist nun keine waghalsige Vermutung mehr.
Die Steilwand der Alb ist keine Thalwand, sie steht mit der
Bildung des Neckarthaies in keinem unmittelbaren Zusammenhänge,
denn sie setzt sich nach Nordost fort, während der Neckar nach
Nordwest umbiegt. Wie alle Denudationsstufen schneidet sie
den Lauf der Flüsse senkrecht oder unter einem spitzen
Winkel. Die Entstehungsweise ist dieselbe, wie bei den Tafel-
bergen: Auswaschung der weichen Unterschicht und Abbröckelung
der harten Oberschicht Auf Karten größeren Maßstabes erscheint
der Steilrand keineswegs als eine gerade verlaufende Mauer, sondern
zerfranst. Zwischen den Thälem, die von der Alb ausgehen, springen
Gebirgssporen halbinselartig vor, manchmal breit und abgerundet,
manchmal schmal und spitz zulaufend. Nun kann die Erosion
diese gefährdeten Vorposten auch von rückwärts angreifen; Thal-
einschnitte trennen sie vom Mutterkörper ab, der Gebirgsvorsprung
wird ein Tafelberg, und schutzlos preisgegeben verfallt dieser nun
den allseitig eindringenden zerstörenden Kräften. Wie ein solcher
Steilrand immer weiter zurückweicht, läßt sich beobachten, aber
seine ersten Anfänge sind noch rätselhaft.
Das nordf'ranzösische Tiefland ist ein flaches Becken, in dessen
Mitte, bei Paris, die vom Nord-, West- und Südwest-Rande kommenden
Flüsse sich vereinigen. Vom Osten kommend, überschreiten wir im
jurassischen Argonnenwalde die Wasserscheide zwischen Maas und
Seine. Nun folgt die Kreidefläche der Champagne, die sich mit
einem halbmondförmigen Steilrande von Laroche über Vitry-le-frani;ois,
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456
Morphologie des Landes.
Ste. Menehould bis nach Rethel scharf von der Jura-Unterlage abhebt
und sanft nach Westen senkt. Noch schärfer ist die Grenze
zwischen der Kreide und dem Tertiär der Beckenmitte; diese Land-
stufe, die sich von Monterau über Epernay nach Laon erstreckt,
steigt 140 bis gegen 200 m über die sie durchbrechenden Flüsse an.
Paris liegt 26 m über dem Meere; im Westen erhebt sich die Kreide-
tafel der Normandie wieder über 200 m.
Zweierlei ist klar: 1) der Lauf der Flüsse ist durch die Becken-
form bedingt, ihre Thäler sind reine erosive Abdachungsthäler;
2) zur Zeit, als die Thalbildung begann, muß die Oberflächen-
gestaltung eine andere gewesen sein. Die Landstufen müssen jünger
sein, als die sie durchbrechenden Flüsse. Das Zurückweichen der
Tertiärstufe ist übrigens erwiesen durch ihre zahlreichen Reste, die
dem Kreideringe im Osten und besonders im Westen auflagern.
Durch ebenso reizvolle Abwechslung zeichnet sich das englische
Tiefland aus. Mit wenigen Ausnahmen sind hier die Lage rungs Ver-
hältnisse der Schichten von der Triasformation angefangen ungestört
(Fig. 147). In westöstlicher Richtung folgen aufeinander: das aus pri-
mären Gesteinen bestehende Gebirge, die aus Trias und Lias zusammen-
gesetzten Ebenen, welche vom Severn und Mersey einerseits, Trent und
Bergland 'eon Wales Tieflan d
(Silur und alter roter Sandstein)
Fig. 147. Geologisches Profil von England nach Ramsay.
Ouse andererseits bewässert werden ; dann das Juraplateau, das sich von
den Cotswold Hills über das sog. zentrale Tafelland und die Lincoln-
Höhen nach Norden erstrekt; endlich das winkelförmig nach Osten
geöffnete Kreideplateau (Marlborough- und Chilternhügel, die ostangli-
kanischen Höhen, die Lincoln und York Wolds), welches das Eocän-
becken von London einschließt. Beide Plateaus, die steil nach Westen
und sanft nach Osten abfallen, hielten nur wegen der Festigkeit ihres
Materials der Denudation Stand, wenn auch nicht ganz. Denn einst be-
deckten Jura und Kreide auch die Trias im Westen, wo sie aber bis auf
wenige Überreste verschwunden sind; ihre westlichen Steilränder
sind lediglich ein Produkt der zerstörenden Kräfte. Auf diese Weise
erklärt sich nach Ramsay 17 auch die Thalbildung der Themse, deren
Quellgebiet niedriger liegt, als das Kreideplateau, das sie durchbricht
Die Erosion begann offenbar schon damals, als die Kreide noch bis
an den Ursprung dieses Flusses hinaufreichte. Aber" gelöst ist das
Rätsel der Stufenbildung damit noch nicht Die Richtung des
Flusses war durch die Neigung der Schichten bedingt, aber hätte
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Die Obcrflächenformen der Flachschichten.
457
die ursprüngliche Oberfläche dieselbe Neigung besessen, warum kam
nicht ein einfaches tiefes Thal statt eines Stufenbaues zu stände?
Wir müssen daher mit N’ok und de Maboebie18 von der aller-
Fig. 148. Entstehung der Lnndstufen.
«• weiche Schichten. abcd ursprüng-
liche Oberfläche, abecfd jetzige
Oberfläche.
dings nicht weiter zu erklärenden Annahme ausgehen, daß die ur-
sprüngliche Oberfläche sanfter sich neigte als die Schich-
ten (Fig. 148). Nun streichen ab-
wechselnd harte und weiche Schichten
aus, die weichen Zonen werden rascher
zerstört als die harten, die Ungleich-
heit ist geschaffen und nun weicht
die Stufe, immer höher werdend, in
der Fallrichtung der Schichten zurück.
Eine weitere Bedingung ist nur, daß der Fluß sein Thal in
schnellerem Tempo vertieft als die Stufenbildung fortschreitet, da er
sonst abgelenkt würde.
Eine der großartigsten Denudationsstufen der Erde, die Nieu-
weveld-, Schnee- und Drakenberge, grenzt die große Karru von den
inneren Hochflächen Südafrikas ab. Die wenig widerstandsfähigen
Beauford -Schieferthone und Stonnberg- Sandsteine werden durch
Diabasdecken geschützt, wie die Tafelberge im Innern.19 Hier wird
besonders deutlich, daß Landstufen und Tafelberge aus demselben
Denudationsprozesse hervorgehen.
Umformung durch Bruch. Aber nicht alle Landstufen haben
den gleichen Ursprung; den Denudationsstufen müssen wir Bruch -
stufen gegenüber stellen. Eine solche ist der Ostrand der abessi-
nischen Tafel, die sich nach Auhrys20 Forschungen aus Triassand-
steinen, Jurakalken und gewaltigen vulkanischen Auswurfsmassen
über dem niederen Danakillande ein paar tausend Meter hoch auf-
baut. Wir haben dieses Bruches schon gedacht als eines Gliedes
jener Grabenversenkungen, die sich von Syrien bis zum Njassa er-
strecken (S. 314). Manchmal geht der Bruch in eine Flexur über;
das Elbsandsteingebirge bricht gegen das krystallinische Gebirge der
Lausitz mit einer Verwerfungsspalte ab, während es im Süden mit einer
Schichtenneigung von 20° unter das böhmische Mittelgebirge sich
senkt. Eine mächtige Flexurstufe ist das Nankou-Gebirge, das die
Tiefebene von Peking im Nordwesten abschließt (B’ig. 149), und solcher
Beispiele finden sich noch viele in v. Richthofens klassischem China-
werke. Manchmal löst sich die Senkung in Statfelbrüche auf; in dem
Karbonplateau von Süd-Schansi zählt man deren vom Rande des
Tieflandes bis Ping-ting-tsehou nicht weniger als neun, die ebenso
vielen Landstufen entsprechen; die Schichten neigen sich etwas gegen
das Plateau, so daß am Rande jeder Stufe der Kohlenkalk unter
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458
Morphologie des Landes.
N au kou
| j Kalksteine der Sinischen Foi'mauon.
^^^Skhie/ertAone
Fig. 149. Nankou-Gebirge in Nordchiöa
nach v. Richthofen.
der produktiven Steinkohlenformation, die sonst die Oberfläche bildet,
zu tage tritt,21 Audi unser Erdteil bietet eine Fülle von Beispielen
ähnlicher Art, wenn auch in bescheidenerem Maßstabe; man erinnere
sich nur an die Steilab-
stürze, welche die Nord-
hälfte des oberrheinischen
Grabenbruches begleiten.
Wohl kaum ist aber irgend-
wo ein frischer Bruclirand
zu beobachten, stets hat
er durch die nie rastende Denudation Veränderungen erlitten,
und oft können nur genauere geologische Untersuchungen ent-
scheiden, ob man es mit einer Denudations- oder einer Bruchstufe
zu thun hat
Allein Verwerfungen beschränken sich nicht auf die Ränder
flachgeschichteter Teile der Erdkruste, sie greifen auch in das
Innere ein und können große Partien der Flachländer in Schollen
zerlegen. Selbst aufgesetzten Ebenen bleibt dieser Umformungs-
prozeß nicht fremd. Stufenförmig bricht das Wiener Becken nach
dem Innern ab, aber der orographische Charakter erlitt dadurch
keine wesentliche Veränderung, weil die Denudation in lockeren
Massen die Niveauunterschiede leicht verwischt. Nur die Anordnung
Fig. 150. Profil des Wiener Beckens (Westhälfte) nach Karrer.
a Marine, b sarmatische, c Kongerienstufe der Neogen form ation (Tegel, Sand u. Schotter.)
der Schichten wurde insofern beeinflußt, als nun vom Rande gegen
das Innere des Beckens immer jüngere Bildungen aufeinander folgen
(Fig. 150). Anders verhält es sich aber im Tafellande. Auch in
diesem Punkte mögen uns die amerikanischen Geologen wieder als
Führer dienen (Fig. 151). Die unterste Scholle im Coloradoplateau
entlang dem Großen Canon, das uns alle Geheimnisse der 'Tiefe
aufschließt, ist die des Grand Wasli, die durch die gleichnamige
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Die Oberflächenformen der Flachschichtung.
459
Spalt« im Osten (GW in Fig. 151) begrenzt wird. Hier hat eine
Versenkung von 1800 — 2100 m Sprunghöhe stattgefunden; die
Denudation hat diese Differenz gemildert, aber noch immer muß
man 1000 m steigen, um auf das Sheavwits -Plateau zu gelangen
(1600 m ü. M.). Hier herrscht schon der mächtige, widerstands-
fähige Kohlenkalkstein. Reste der permischen Schiefer haben sich
nur erhalten, wo Lavaeinlagerungen sie schützten; ein paar aus-
gedehnte Plateaus erheben sich bis 2100 m. Nun folgt die Hurri-
cane-Spalte (H) mit leiser Flexurbeugung, und abermals steigen wir
eine Stufe empor, zum Uinkaretplateau (2100 m), das den 2700 m
hohen Tafelberg Mt. Trumbull (Tb) trägt Die Toroweap-Spalte (71)
GWash
T Meeres Fureau
Lauf das Colorado
a Steinkohlen cggi FermiscAe r7-7“"] Mesozo ische
‘ "'S Fn rm si rinn ^—^FormaOrn
__ Archaisch, FP53 Steinkohlen. Perm iscAe ryrrr^Mfisozoisc/h
- - - Silur, Devon h ’ t- ^Formation FormaUon - — J FormaOnn
Fig. 151.
Profil des Colorado-Plateaus im Parallel des Großen Canon, nach Dütton reduziert.
Maßstab der Lange 1:2000000, der Höhe 1:400000.
macht sich orographisch nicht sehr bemerkbar; das Kanabplateau,
die umfangreichste aller Schollen dieses Profils, verharrt ebenfalls
in Seehöhen von 1800 — 2100 m. Der Anstieg nach Westen ist aber
unverkennbar, besonders in der vorkarbonischen Unterlage, die der
Kanab-Canon (K. C.) bereits erreicht. Nun folgt die höchste Scholle,
das Kaibabplateau (2700 m), nach Westen durch zwei Brüche (West-
Kaibab-Spalte — W. K. — 1 u. 2) vom Kanab geschieden, nach Osten
in einer sanften Flexur (O.K.)* zur Marble Canon-Platte (1500 m)
sich senkend. Noch einmal beugen sich die Karbonschichten in die
Tiefe, und über ihnen erscheinen nun Perm und die mesozoischen
Formationen bis zur Kreide, die vom ganzen Osten bis auf die ge-
nannten Permreste abgeschwemmt sind. Die Echo Cliffs (2300 m)
sind eine Denudationsstufe.
Alle diese tektonischen Veränderungen müssen sich vollzogen
haben, als die Coloradotafel schon Land war und der Coloradofluß
sein herrliches Thal schon zu vertiefen begann, denn unbekümmert
setzt er seinen Weg fort, wenn auch die Schollenbewegung seiner
Laufrichtung widerspricht.
In diesem Teile des Tafellandes sehen wir eine sanft sich neigende
* Man beachte, daß in Fig. 151 wegen der 4 fachen Überhöhung alle
Neigungen übertrieben aind!
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460
Morphologie des Landes.
Ebene durch vertikale Niveauveränderungen der Schollen in ein
Stufenland verwandelt. Aber noch ist im großen und ganzen der
Charakter der Fläche gewahrt. Auch dieser kann verschwinden.
Um das darzulegen, folgen wir zunächst Russell,22 dem wir einen
lehrreichen Bericht über die geologischen Verhältnisse von Süd-Oregon
verdanken.
Das „Große Becken“ zwischen dem Felsengebirge und der Sierra
Nevada ist ein echtes Schollenland, aber die Südhälfte ist, wie wir
später sehen werden, doch von wesentlich anderer Beschaffenheit,
als die nördliche. Hier breiten sich die großen vulkanischen Tafeln
aus Basalten, Rhyolithen und deren Tuffen aus, und diese sind durch
Stein
Mis. K K
Fig. 152. Profile aus dem südöstlichen Oregon nach Russell.
a Mittleres Alvordthal, b nördliches Alvordthal.
1 Vulkanische Ablagerungen, 2 moderne Ausfüllungsmassen.
spätere Dislokationen vielfach zerstückelt worden. Fig. 152a stellt
uns den Bau im mittleren Alvordthale (42 */a° N., 1181/a°W.) dar.
Es ist ein einfacher Grabenbruch, ausgefüllt von Ablagerungen
eines einst viel größeren Sees; das Steingebirge, das sich zu der
ansehnlichen Höhe von 14 — 1500 m über der Thalsohle erhebt, ist
eine einfache Bruchstufe, die nur an der Ostseite als Gebirge er-
scheint, während sich nach Westen die Schichten ganz allmählich neigen.
Die entgegengesetzte Neigung herrscht an der Ostseite des Grabens. Am
nördlichen Ende des Alvordthales (Fig. 152 fe) werden die tektonischen
Verhältnisse aber verwickelter. Die Bruchstufe der Stein Mountains
ist zwar noch vorhanden, aber innerhalb des Grabens liegen noch
zwei Schollen mit steiler Schichtenneigung nach Westen (ifin Fig. 152 b),
die wir als Keilschollen bezeichnen wollen, und am Ostrande löst
sich von der Tafel des Barren Valley eine andere Scholle los (T in
Fig. 1526), die ihre Flachschichtung noch bewahrt hat, aber beider-
seits als Berg über die Umgebung sich erhebt. Das ist eine Tafel-
scholle, man könnte auch sagen Tafelhorst, wenn festgestellt wäre,
daß er allseitig von Brüchen begrenzt wird. Da aber dies häufig
schwierig ist, und manchmal schon ein späterer Forscher einfache
Auflagerung auf einer Seite beobachtete, wo ein früherer auch eine
Verwerfung annehmen zu müssen glaubte, so wollen wir den seit
Süss vielgebrauchten Namen „Horst“ in unsere Terminologie nicht
aufnehmen. Daß Tafel- und Keilschollen in typischer Ausbildung
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Die Oberflächenformen der Flachscliichtung.
461
sich orograpbiseh sehr wesentlich voneinander unterscheiden, lehrt
ein Blick auf Russells Profil. Die erstere gleicht mit ihrer Platte
völlig einem durch Denudation herausgearbeiteten Tafelberge, die
letztere erzeugt, wenn sie ausgedehnt genug ist, ungleichseitige Kamm-
gebirge, mitunter, wenn die Schichten keine große Widerstandskraft
besitzen, auch Rückengebirge; aber stets ist die Ungleichartigkeit
der Böschung ein charakteristisches Merkmal dieser Geländeform.
Daß der Zusammenhang der Schollen hier oberflächlich durch
jugendliche Ablagerungen verhüllt ist, ist ein nebensächliches
Moment. Im hessischen Berglande (Fig. 153) ist eine solche Mas-
kierung nur in untergeordneter Weise bemerkbar, aber auch hier sind
die Schollen so stark gegeneinander verschoben, daß — und dies ist
das wesentliche — die einstige Fläche sich in ein Bergland
Schiefer - Habichts
Gebirge WaLd,
Meissaer
Werra
SicKsfbld
r^TTt Tertiär r^~\Mtuper. ^BQMuschelJealB .
(■ --i Bimdsandstein. . I 1 Z ochs lein ,
111 aefaUetes Grundgebirge, WA Basalt.
Fig. 153. Westöstlicher Durchschnitt durch das hessische Bergland nach Penck.
MoSstah der länge 1:250000, der Höhe 1:25000.
verwandelt hat Indem die Gesteine in verschiedene Niveaus
gerückt sind, wird der Denudationsprozeß außerordentlich verwickelt.
Im großen und ganzen bleibt das tektonische Bild gewahrt; Schollen,
die gehoben oder stehen geblieben sind, erscheinen als Berge und
Gebirge, gesunkene Schollen als Vertiefungen. Im einzelnen kann aber
die Orographie in direkten Widerspruch zurTektonik treten. Die Werra-
senkung in Hessen ist unzweifelhaft eine gehobene Scholle, aber ent-
weder hat die Denudation hier so kräftig gewirkt, daß die Trias
gänzlich abgeschwemmt wurde, oder die Trias war hier schon ur-
sprünglich wenig entwickelt.
Übersicht der Umwandlungsformen der Flachschichtung.
I. Der ursprüngliche Charakter der Fläche wird verändert,
aber nicht aufgehoben:
1. durch Erosion: zerschnittenes Flachland.
a) Im Tafellande,
b) im aufgesetzten Flachlande (castilianischer Typus);
2. durch Bruch: Tafelschollenland (Coloradotypus).
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462
Morphologie des Landes.
II. Die Fläche kann als solche ihren Charakter wahren oder
verändern, stellt sich aber durch eine Landstufe in scharfen oro-
graphischen Gegensatz zum Vorlande:
3. Denudationsstufe (Albtypus).
4. Tektonische Stufe:
a) Bruchstufe (abessinischer Typus),
b) Flexurstufe (Nankou-Typus).
III. Die Fläche löst sich auf und wird Gebirge:
5. Durch Erosion: Erosionsgebirge.
a) Im Tafellande, Plateaugebirge (Elbsandstein-Typus),
b) in der aufgesetzten Ebene, Rücken- und Kammgebirge
(siebenbürgischer Typus).
6. Durch Bruch: Tafelschollengebirge (hessischer Typus).
IV. Einzelformen sowohl in den zerschnittenen, wie in den auf-
gelösten Hauptformen:
7. Durch Denudation: Denudationsberge, teils Tafel-
berge, teils aber auch abgerundete oder zugespitzte
Erhebungen.
8. Durch Bruch: Schollenberge.
a) Tafelschollenberge,
b) Keilschollenberge.
Die äußersten Umwandlungsformen sind jedenfalls die Flexur-
stufe und die Keilscholle, x insofern als hier die Flachschichtung
vollständig aufgehoben ist Ihre innigen Beziehungen zur Flach-
schichtung läßt es aber doch gerechtfertigt erscheinen, sie an dieser
Stelle in das genetische System einzufügen.
Litteratumach weise. 1 Kabpinsky, Übersicht der physiko- geogra-
phischen Verhältnisse des europäischen Rußlands während der verflossenen geo-
logischen Perioden; in den Beiträgen zur Kenntnis des Russ. Reiches, 1887.
v. Tijllos hypsometrische Karte von Rußland 1889 (vgl. Petermanns Mitteil.
1890, S. 156). Neue geologische Karte 1892, in Reduktion in Petekmanns Mit-
teilungen 1895. — * Rolland, Geologie du Sahara algerien in Choisy, cit. S. 415;
L’histoire geologiquc du Sahara, in den Comptes rendus de l'Academie des
Sciences 1890. — 3 Douohty, Travels in Arabia Deserts, Cambridge 1888. —
4 Lepsius, Die oberrheinische Tiefebene, Stuttgart 1885. — 6 Bericht von Zsiu-
mondy im Jahrbuch d. Wiener Geologischen Reichsaustalt, 1878, S. 659. —
6 Bericht von IIalavats im Jahrbuch d. ungarischen geologischen Anstalt, 1888,
S. 165. — 7 Pantanelli, Le acque sotterranee nella Proviucia Modenese; in d.
Atti della Societi dei naturalisti di Modena 1888. — 8 Oldiiam in d. Records
of the Geological Survey of India 1890, S. 261. — 0 v. Richthofen, China,
Bd. II. S. 337. — 18 Griesbach, Geology of Central Himalaya, in den Memoirs
* Dieser Begriff ist hier enger gefaßt, als in v. Richthofens Führer, wo
auch einseitige Rumpfschollen dazu gezählt werden.
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Faltengebirge. 463
of the Geological Survey of India 1891. — 11 Wahnschaffe, Die Ursachen der
Oberflächengestaltung des norddeutschen Flachlandes, Stuttgart 1891. — 15 Von
der Geschichte dieser Küstenebene handelt ausführlich Mc Gee, The Lafayette
formation, im 12. Annual Report of the U. S. Geological Survey, 1890—91. —
13 S. Roth in der Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft, 1888,
S. 375. — u Brown, The Mesozoic Plains of South Australia, 1888. — 18 Um
eine Vorstellung von diesen wunderbaren Formen zu gewinnen, betrachte man
die meisterhaften Zeichnungen Duttons, die er seiner „Physical Geology of
the Grand Canon District“ (im 2. Annual Report of the U. S. Geological
Survey, 1882) beigab, besonders das Panorama von Point Sublime. — 18 Bbanco,
cit. S. 322. — 17 Ramsay, Physical Geology and Geography of Great Britain,
London 1878. — 18 Noe und de Maroerie. cit. S. 401. — 18 Schrnck, Die geo-
logische Entwicklung Südafrikas; in Petermanns Mitteil. 1888. — *“ Aubry im
Bulletin de la Soci£t4 geologique de France 1885 — 86, Bd. XIV, S. 201. — 31 S.
das Profil in v. Riciitiiofen , China II. S. 442. — 83 Russell im 4. Annual
Report of the U. S. Geological Survey, 1884.
Faltengebirge.
Terminologie. Man hat streng zu unterscheiden zwischen
Faltenland und Faltengebirge; ersteres ist der weitere, letzteres
der engere Begriff. Faltung ist ein weitverbreitetes Phänomen,
aber nur dort, wo sie in ihrer Ursprünglichkeit noch soweit erhalten
ist, daß sie der Erdoberfläche die ihr eigentümliche Form lang-
gestreckter Wellen verleiht, kann man von einem Faltengebirge
sprechen. Im großen und ganzen deckt sich der Begriff Falten-
gebirge mit dem Begriff Kettengebirge. Jedenfalls sind die
a. Antiklinalkumm b. Synklinalthal c. Isoklinalkamm
d. Isoklinalthal e. Antiklinalthal f. Syoklinalkamm.
Fig. 154. Form und Orographie der Falten nach Heim.
meisten jener gewaltigen Kettengebirge . die die Hochlandszonen
beider Welten zusammensetzen, durch Faltung entstanden, und das-
selbe gilt von den beiden Kettengebirgen außerhalb jener Zonen, dem
Ural und den Alleghanies.
Die einfachste Form ist die normale stehende Falte.
Sie besteht aus zwei Teilen: dem Sattel, von dem Schichten
beiderseitig abfallen (daher Antiklinale genannt), und der
Mulde, zu der die Schichten beiderseitig sich zuneigen, und
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464
Morphologie des Landes.
liegende Falte
Fi g. 155.
schiefe Falte stehende Falte
Lage der Falten nach Heim.
die man daher auch als Synklinale bezeichnet. In seiner ein-
fachsten Form schafft der Faltungsprozeß mehr oder minder lang-
gestreckte Antiklinalkämme und Synklinalthäler ( a und b in
Fig. 154). Aber nur sehr selten ist diese ursprüngliche Form noch
erhalten, wie in vielen Teilen des Schweizer Jura. Man liebt es,
die Gebirge mit Ruinen zu vergleichen, aber man muß hinzuiugen,
daß diese gewaltigen
Bauwerke schon Ruinen
waren, ehe sie fertig
dastanden, weil die ge-
birgsbildenden Kräfte
zu langsam arbeiten,
als daß sie den zerstörenden einen großen Vorsprung abgewinnen
könnten. Die Denudation kann die natürliche Anordnung des
Faltenwurfes geradezu umkehren, so daß Synklinalkämine und
Antiklinalthäler ( f und e in Fig. 154) entstehen. Ein anderes
Produkt der Zerstörung sind
die Isoklinalkämme und
Isoklinalthäler (c und d
in Fig. 154), in welchen die
Schichten beiderseits nach
der gleichen Richtung fallen.
Die genannten Kämme
und Thäler verlaufen in der
Richtung der Falten und
des Gebirges und sind da-
her Längskämme und
Längsthäler. Dagegen
durchschneiden die Quer-
thäler und Querkämme —
wie Fig. 156 zeigt — die Schichten in ihrer Streich richtung und
bilden somit mit der Hauptrichtung des Gebirges mehr oder weniger
rechte Winkel.
Neben stehenden Falten kommen auch schiefe und liegende
Falten vor (s. Fig. 155). In letzterem Falle können — wie z. B.
am Glärnisch — die Schichten vollkommen horizontal liegen, und
nur durch eingehende Untersuchungen ist dann die Dislokation nach-
weisbar. Bei größerer Faltungsintensität entstehen die sogen. Iso-
klinalfalten (Fig. 1 54'. in welchen die zusammengedrückten Mulden
und Sättel im gleichmäßigen Schichtenfalle verschwinden. Selbstver-
ständlich ist hier auch die Längsgliederung nur auf isoklinale Kämme
und Thäler beschränkt. Wahrscheinlich der Ausdruck der größten
der Hohen Tauren.
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Faltengebirge.
465
Faltungsintensität ist die Fächerstruktur (Fig. 154), die der
krystallinischen Zone der Alpen und auch anderer Gebirge eigen-
tümlich ist Die natürliche Ordnung erscheint hier gerade umge-
kehrt, indem die Sattelkämme Synklinalen und die Muldenthäler
antiklinalen Bau besitzen.
Je plastischer eine Schicht ist, desto leichter wird sie gefaltet
Schiefer zeigen oft die merkwürdigsten Windungen, während massige
Sandsteine und Kalksteine sich spröde verhalten, wenn nicht eine
mächtige Faltungsintensität auch diesen Widerstand überwindet.
Sonst gilt aber hier der Grundsatz: lieber brechen, als biegen. Je
mehr man in das Studium unserer Alpen eindringt, um so mehr
kommt man zur Überzeugung, daß Falten und Brüche in den
meisten Fällen vergesellschaftet
-V
jg
■//',
// / ■ / / / /
/ _/ / /
a c ö
Schuppenstruktur.
auftreten. Daraus entstehen
die venvickeltsten Verhältnisse.
So die Schuppenstruktur,
die wir an Fig. 157 erläutern
wollen. Es sei durch Petre-
fakten festgestellt, daß von
der Schichtengruppe ab cd a
die älteste, d die jüngste ist Ihre wiederholte Aufeinanderfolge
sucht man dadurch zu erklären, daß in der Sattelbiegung der ur-
sprünglichen Isoklinalfalten Brüche entstanden, und die Falten an
den Bruchflächen (B) hinauf geschoben wurden, wobei der ganze
Muldensehenkel (zwischen Sattel und Mulde) durch Auswalzung ver-
loren ging oder viel-
mehr unkennbar ge- V
macht wurde. Be- Granit
denken wir, daß so Silur
komplizierte Vor- 158a. Profil durch dos Kristianiathal nach KEILHAU.
gänge nur in wenigen,
von der Denudation
Granit
Fig. 158 b. Dasselbe Profil nach Kjeri lf.
übriggelassenen
Bruchstücken zur Be-
obachtung gelangen,
und daß selbst diese
zum größten Teil durch das Pflanzenkleid oder durch Schnee-
und Eismassen unseren Blicken entzogen sind, so können wir
uns eine Vorstellung machen von der mühevollen Arbeit des
Geologen, der aus unzähligen Einzelbeobachtungen den inneren Bau-
plan der Gebirge herzustellen sucht, und es darf uns nicht Wunder
nehmen, daß manches geologische Protil mehr ein Phantasiege-
8cfa», Physische Erdkunde. 2. Aull. 30
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466 Morphologie des Landes.
mälde, als ein getreues Abbild der Wirklichkeit ist. Namentlich
muß vor unkritischer Benutzung älterer Profile gewarnt werden,
da die Erkenntnis der Faltungsphänomene als einer allgemeinen
Erscheinung erst aus den letzten Dezennien stammt, und man früher
nicht die Vorsicht gebrauchte, die Profile quer zur Längsachse
der Falten aufzunehmen (vgl. Fig. 158a und b).
Theorie.1 Zweierlei hat die Theorie der Faltengebirge zu er-
klären: 1) die vielfach beobachtete außerordentliche Mächtigkeit
und Grobkörnigkeit der Sedimente innerhalb der gefalteten Zonen
im Vergleiche zu den ungefalteten Nachbargebieten, 2) die Ursache
der Faltung selbst.
Um das erstere zu erklären, entstand in Amerika die Theorie
der Geo Synklinale. Die Geosynklinale ist eine trogförmige Ver-
tiefung des Meeresbodens in der Nähe der Küste, die unter dem Ge-
wichte der sich anhäufenden Kontinentalablagerungen in immer
größere Tiefen sinkt. Sie ist sozusagen der Mutterschoß des
Gebirges.
Daß die Faltung, welche das Gebirge als solches schuf, nur
durch eine seitlich wirkende Kraft zustande kam, wird heute all-
gemein anerkannt. Sicherlich erlitt dadurch der Umfang der Erde
eine Verminderung, nur müssen wir uns dabei stets vor Augen halten,
daß auch die gewaltigsten Hochgebirge im Vergleiche zum Erdkörper
kleinerscheinen.2 Auf einem Riesenglobus von 2 m Durchmesser würde
selbst der höchste Berggipfel der Erde, der Gaurisankar, sich als
eine kaum merkbare Erhebung von 1,3 mm Höhe darstellen. Es ist
daher erklärlich, daß der Einfluß der Faltungen auf den Erdumfang
verhältnismäßig geringfügig ist. Der Zusammenschub der Schweizer
Alpen beträgt nach Heim nur 76,2 km (Breite vor der Faltung 158,2,
jetzige Breite 82 km), der der Ostalpen nach Rothfletz sogar nur
49,6 km. Selbst im ersteren Falle wurde der Erdumfang um nicht
ganz 0,3 Prozent verkleinert, d. h. der frühere Erdradius von 6382
auf 6370 km verkürzt, wodurch eine Senkung der Erdoberfläche
gegen den Mittelpunkt im Betrage von 12 km eintrat
Diese Schrumpfungserscheinung wird, wie auf S. 276 dargethan
wurde, auf die Kontraktion der Erdrinde infolge allmählicher Er-
kaltung zurückgeführt. Von den Gegnern der Kontraktionstheorie
wurde an derselben Stelle auch bereits Fisher genannt. Andere
Theorien sind hier nur in Kürze zu erwähnen. Nach Mkllard Reade3
entstehen die Gebirge durch Ausdehnung infolge Erwärmung. In
den mächtigen Sedimentmassen der Geosynklinale und in dem
darunterliegenden Rindenstücke steigen nämlich die Geoisothermen
in die Höhe (vgl. S. 289), und da eine horizontale Ausdehnung durch
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Faltengebirge.
467
die der Temperaturerhöhung nicht unterworfenen Teile der Erd-
kruste gehindert wird, so muß ein Ausquetschen der unteren Teile
der Geosynklinale und ein Ausweichen nach oben stattfinden. Reyeb4
erweiterte diese Thermaltheorie, die ihm zur Erklärung der
Falten nicht zu genügen scheint, dadurch, daß er noch die Gleitung
der Schichten als wesentliches Moment hinzufügte. Die Gleitung
setzt eine Neigung der Schichten voraus, und diese ist schon durch
die thermische Emporwölbung der Sedimente gegeben. Dutton5
führt die Gebirgsbildung auf isostatische oder Gleichgewichtskräfte
zurück, ln einem ungleichartigen Körper, wie es die Erde ist, ist
der Gleichgewichtszustand, die Isostasie, nur dann hergestellt, wenn
die schwereren Krustenteile als Depressionen, die leichteren als Er-
hebungen auftreten. Die Denudation stört das Gleichgewicht, indem
sie die Festländer abträgt und die Ozeane ausfüllt. Ein Küsten-
gebirge erzeugt von selbst in dem anliegenden Ozean eine Geosyn-
klinale; die Geosynklinale sinkt immer tiefer, die Küste steigt immer
höher, und daraus entwickelt sich eine Kraft, welche bestrebt ist,
die Sedimente der Geosynklinale horizontal gegen die Küste zu
schieben.
Diese kurzen Andeutungen genügen zur Orientierung; die Auf-
gabe der Geographie, die äußere Erscheinung der Gebirge aus
ihrem inneren Bau zu erklären, wird durch den Streit der Theorien
kaum berührt
ftuerprofil einfacher Faltengebirge. Im Querdurchschnitte be-
stehen sämtliche Faltengebirge aus einer Aufeinanderfolge von Falten,
awa ,-v sei
Fig. 159. Profil durch den westlichen Jura nach P. Choffat.
zu denen sich allerdings auch häufig Zonen gesellen, in denen
Brüche vorherrschen. x Dieses Moment wollen wir vorläufig außer
Acht lassen.
Verlaufen die Falten nur im sedimentären Gestein, so nennen
wir das Gebirge ein einfaches. Das bekannteste Beispiel dieser
Kategorie ist der Schweizer Jura (Fig. 159). Jura-, Kreide- und
Tertiärschichten sind in stehende oder nordwärts geneigte Falten
gelegt. Nach Heim beträgt die Zahl der Falten etwa 160; keine
x Darauf gründet v. Richthofen seine Einteilung in homüomorph e
oder reine Faltengebirge und heteromorphe oder Faltengebirge mit Bruch-
zone. Wir werden die entsprechenden deutschen Ausdrücke gleich- und ungleich-
förmig in einem wesentlich anderen Sinne gebrauchen.
30*
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468
Morphologie des Landes.
derselben — und dies scheint ein allgemein gütiges Gesetz zu
sein — erreicht die Länge des ganzen Gebirges (320 km), sondern
sie streichen nur 12 — 90 km (eine sogar 1 62 km) weit uud tauchen
dann unter, um anderen Platz zu machen. Auf dem Wege quer
durch das Gebirge durchschneidet man etwa 10 — 12 Falten, die
parallel neben einander herziehen; der tektonische Gegensatz zwischen
dem südlichen Gebirgslande und dem nördlichen Plateau, die sich
geognostisch in nichts unterscheiden, kommt in Choffats Profile
trefflich zum Ausdrucke. Aber auch innerhalb der Faltenzone ent-
hüllt es uns mancherlei Ungleichförmigkeiten. Vergleichen wir die
zweite und dritte Antiklinale, von Süden an gerechnet, so finden
wir, daß bei nahezu gleicher Schichtenneigung die Triasunterlage
(weiß) sehr verschiedene Seehöhen einnimmt. Wir können die fal-
tende Kraft in eine vertikale und eine horizontale Komponente zer-
legen; von der ersteren hängt die Hebungsintensität, d. h. die
Seehöhe, bis zu der eine bestimmte Tiefenzone emporgepreßt wurde,
von der letzteren die Faltungsintensität oder der Fallwinkel der
Schichten ab. In unserem Beispiele ist es ohne weiteres klar, daß
bei nahezu gleicher Faltungsintensität die Hebungsintensität in der
zweiten Antiklinale bedeutend größer war, als in der dritten. Die
vertikale Komponente bestimmt die ursprüngliche Höhe einer
Falte, doch ist ein strenger Vergleich nur zwischen Falten der-
selben Kategorie — stehenden, schiefen, geneigten — möglich. Brüche
und Senkungen können die ursprüngliche Ordnung stören, und die
Denudation, deren Kraft sich nach oben steigert, mildert die hypso-
metrischen Unterschiede, aber im großen und ganzen ist die Hebungs-
intensität doch der maßgebende Faktor für die Höhenverhältnisse
der Faltengebirge. Sie war in den Alpen ungleich größer als im
Jura, sie nahm im Jura selbst im Allgemeinen nach Nordwesten ab und
bewirkte in derselben Richtung eine Erniedrigung der Ketten. Die
Faltungsintensität ist in anderer Beziehung wichtig. Flache Falten
geben dem Gebirge einen plateauartigen Charakter, aber anderseits
können auch stark geneigte oder unsymmetrische breite Falten die
orographischen Eigentümlichkeiten der Flachschichtung hervorrufen.
Werden die Falten stark zusammengepreßt, so unterliegen sie in
ihren oberen Teilen leichter den zerstörenden Kräften, Schichten
von verschiedener Gesteinsbeschaffenheit werden nahe an einander
gerückt und die ursprünglichen Unebenheiten werden gesteigert
durch den raschen Wechsel der Denudationswirkungen. Indes unter-
liegen solche allgemeine Regeln natürlich mannigfachen Modifica-
tionen; der Individualismus der Gebirge kann nicht stark genug
betont werden.
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Faltengebirge.
469
Wir kehren zum Schweizer Jura zurück. Wir sehen hier eine
Aufeinanderfolge von Ketten, die zwar an Höhe verschieden sind,
aber nicht so sehr, daß eine Zone sich scharf von den andern ab-
heben würde, weil alle Ketten aus denselben Formationen sich auf-
bauen. Das sind die Eigenschaften eines gleichförmigen Gebirges
in unserem Sinne.
Ungleichförmig nennen wir ein Gebirge, wenn es aus deut-
lich unterscheidbaren Streifen von verschiedener Zusammensetzung
besteht. Dieser zonale Aufbau ist das geographisch wichtigste
Moment, denn er ist, sofern das Gebirge nicht später tiefgreifende
Veränderungen erlitten hat, mit einem großen Wechsel der Szenerie
verbunden. Auch einfache Gebirge können ungleichförmig sein.
Man betrachte nur beistehendes Profil des Sulimangebirges, das sich
zwischen Indien und Afghanistan erhebt (Fig. 160). Der Gegensatz
der Hochgebirgszone (Takht-i-Suliman 8370 m) und des im Osten
vorgelagerten Berglandes, wo nur einige Höhen 1500 — 1800 m er-
reichen, ist so auffallend, daß man sich weitere Worte ersparen
kann. Aber auch die Ursache dieses Kontrastes ist ohne weiteres er-
kennbar. Die Tektonik ist ja verhältnismäßig einfach: zwei Antiklinalen
.4* und A 2 schließen eine breite Synklinale (5) ein. Und nun vergleiche
man die beiden Antiklinalen ; .4' würde selbst bei vollständiger Erhaltung
(wie die punktierte Linie anzeigt) kaum ein Drittel so hoch sein, als
das Gewölbe der Sulimanskette (.42), obwohl hier die ganze eocäne Sedi-
mentdecke durch Denudation
schon entfernt ist. Mit anderen
Worten: die Hebungsinten-
sität war im Osten viel geringer
als im Westen. Solche Unter-
schiede kommen allerdings auch
im Jura vor, und in der That
besteht zwischen gleich- und
ungleichförmigen Faltenge-
birgen in unserem Sinne nur
ein gradueller Unterschied; aber dieser ist so bedeutungsvoll, be-
herrscht so sehr die ganze geographische Erscheinungsweise, daß wir
mit vollem Hechte darauf eine Klassifikation gründen können.
duerprofll zusammengesetzter Gebirge. Die Ungleichförmigkeit
tritt noch prägnanter in zusammengesetzten Gebirge hervor,
d. h. in Gebirgen, die einerseits aus Zonen alter krystallinischer
Gesteine, andererseits aus Sedimentzouen bestehen. Auch innerhalb
der letzteren ist eine stufenartige Anordnung noch dem Alter viel-
fach bemerkbar.
Sulun anskßtLC
Fig 1G0. QuerpVofil des Suliman-Gebirges
nach La Touche.0 a Korallenkalke der Kreide-
formation, b' Belemnitenschichten der Kreide-
formation; c mittleres, d oberes Eocän; e Si-
walikschichtcn ; f Alluvium.
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470
Morphologie des Landes.
Begeben wir uns in dieSchweizer Alpen (Fig. 161). Von Norden
nach Süden treten immer ältere Gebilde zutage, und wird das Ge-
birge stufenweise höher. Die innere und höchste Zone bilden
krystallinische Schiefer und Massengesteine, und jüngere Sedimente
haben sich nur noch in den Faltenmulden vor der Denudation
gerettet. In den daran sich schließenden Partien der Sedimentzone
ist die krystallinische Unterlage noch stellenweise sichtbar, aber die
Hauptmasse der Gebirge besteht schon aus Trias-, Jura-, Kreide-
und Eocängesteinen. Dann verschwindet die krystallinische Unter-
lage gänzlich unter der Sedimentdecke, und am äußeren Rande
machen auch die älteren Schichtgesteine der miocänen Molasse Platz,
die nur noch in der Nähe des Gebirges in Falten gelegt ist. Die
Hebungsintensität nimmt also von der krystallinischen Zone nach
außen ab und darauf beruht es, daß diese noch immer die
höchste ist, obwohl sie ihre Sedimentdecke bis auf wenige Reste
verloren hat. Die Faltuugsintensität erreicht allerdings auch hier
ihr Maximum, denn Fächerstruktur ist nur dieser Zone eigen; da-
neben kommen aber auch ganz flache Antiklinalen vor, wie im Tessiner
Gebirge, und am Außenrande der Sedimentzone wirkte die horizon-
tale Komponente noch einmal sehr energisch, wie die zusammen-
gepressten, steilen, nach außen sich neigenden Falten zeigen.
Da die Alpen einen Bogen beschreiben, so können wir die
krystallinische Zone auch als die innere, die Sedimentzone als die
äußere bezeichnen; die faltende Kraft wirkte von innen nach außen,
d. h. von Süden nach Norden, bezw. von Osten nach Westen. Wir
nennen diesen Typus den asymmetrischen.
Die Ostalpen7 sind im Gegensätze zu den schweizerischen
symmetrisch gebaut, die krystallinische Zone wird hier beiderseits
von Sedimentzonen eingefasst, und in den letzteren ist ebenfalls eine
I ] 7srti(irfbrmatü?n t V/tr'rü&fömutatxl, SiU^ Jura/brmatitm ^L^^DotaarifJ JF&S'J \H\firyxfttlhn ■
Fig. 161. Profil durch die Schweizer Alpeu nach Heim.
zonenweise Altersfolge von innen nach außen bemerkbar: erst paläo-
zoische, daun mesozoische, endlich tertiäre Gesteine. Eine völlige
Symmetrie ist aber nicht vorhanden. Westlich der Etsch streichen
die Falten ganz abnorm nach Nordnordost statt nach Ost oder
Ostnordost; schon hier treten große Brüche auf, und diese gewinnen
östlich der Etsch immer mehr an Bedeutung, so daß die südlichen
Kalkalpen in manchen Profilen mehr einem Schollen- als einem Falten-
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Faltengebirge.
471
gebirge gleichen. Dazu kommt noch, daß hier wiederholt die kristalli-
nische Unterlage in schmalen Zonen an die Oberfläche tritt, eine
Erscheinung, die den nördlichen Kalkalpen ganz fremd ist Nur
wenn beide Kalkzonen sich völlig entsprächen, wäre die Annahme
berechtigt, daß die faltende Kraft von der Innenzone nach beiden
Seiten hin die Schichten zusammengeschoben habe. Süss hält
daher auch für die Ostalpen an einem einseitigen Schube von Süden
nach Norden fest, infolge dessen an der Außenseite Faltung, an
der Innenseite Zerreißung und Einbruch erfolgte.
Wieder anders gebaut sind die Alpen zwischen Frankreich und
Italien.8 Die schmalen Sedimentmulden innerhalb der schweize-
rischen krystallinischen Zone entfalten sich hier zu einem breiten
Gebirgsbande, so daß wir von dem italienischen Innenrande nach
Westen fortschreitend vier Zonen durchqueren: 1) die krystallinische
Zone der Cottischen und Grajischen Alpen, 2) die Kalkzone des
Briat;onnais, 3) die krystallinische Zone des Montblanc und Mont
Pelvoux, 4) die Kalkzone des Dauphinö und Savoyens. Diesen Typus
nennen wir den zonalen.
Die genannten Unterarten des ungleichförmigen Gebirgsbaues
sind weit verbreitet. Wir müssen uns hier nur auf je ein Beispiel
beschränken. Asymmetrisch ist der Ural; die westliche krystallinische
Zone trägt die Hauptwasserscheide, breitet sich aber nach Osten
noch weit in das Flachland aus, allmählich in niedere Vorhöhen
verlaufend; die Sedimentzone verflacht sich nach Westen. Spuren
ehemaliger Symmetrie scheinen noch vorhanden zu sein. Symme-
trischen Bau besitzen die Pyrenäen;9 die mittlere Zone besteht
aus paläozoischen Gesteinen mit durchbrechenden Granitkernen, dann
folgen nach beiden Seiten die verschiedenen mezoischen Zonen, end-
lich das Tertiär. Die äußeren Falten neigen sich nach außen, die
nördlichen nach Norden, die südlichen nach Süden, geradeso wie in
den Ostalpen. Aber weiter geht die Symmetrie auch hier nicht; es
sei nur erwähnt, daß die südliche Sedimentzone viel entwickelter
ist und zu größerer Höhe ansteigt, als die nördliche; steht doch
der ihr angehörige Montperdu nur um wenige Meter dem Kulmi-
nationspunkte des ganzen Gebirges, dem granitischen Aneto, nach.
In der Sierra de Guara am äußersten aragonischen Rande führen
sehr verwickelte Strukturverhältnisse noch einmal die mesozoische
Reihe zutage. Nach Westen laufen beide Sedimentzonen zusammen,
und die paläozoische Mittelzone schrumpft zu einem schmalen Bande
zusammen.
Das höchste Gebirge der Erde, den Himalaja,10 bezeichnet
Lydekkeb als ein System nach Südwesten geneigter Isoklinalfalten,
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472 Morphologie de« Lande«.
in dem stehende Falten und Verwerfungen nur eine untergeordnete
Rolle spielen. Nach Gbiesbach sind von Südwesten nach Nordosten
folgende Zonen zu unterscheiden : 1) der Vorhimalaja, im Pandschab
900 — 1 200 m hohe Ketten, aus tertiären und zwar meist jungtertiären x
Sandsteinen und Konglomeraten bestehend, die gegen die älteren
Gesteine mit einer nach Nordost einfallenden Verwerfung enden,
2) der Niederhimalaja, eine 80 — 100 km breite und selten über
4000 m hohe Zone aus paläozoischen Sedimenten mit Durchbrüchen
archäischer und metamorpliischer Gesteine. Diese Zone verschmilzt
orographisch stellenweise mit der 3. Zone, in anderen Gegenden ist
aber durch große Längsthäler (Kaschmir, Chandra) eine deutliche
Scheidung durchgeführt. 3) Die Zone der großen Gipfel oder
die siidkrystallinische Zone, eine fortlaufende, aber orographisch
nicht geschlossene Reihe von Schneegipfeln von 6 — 8000 m Höhe.
Hochthäler in 4600 — 4900m Seehöhe trennen sie von 4) der wasser-
scheidenden Sedimentzone, die sich aus paläozoischen, meso-
zoischen und sogar tertiären Ablagerungen aufbaut. Im Quellgebiete
des Ganges erreicht sie eine mittlere Höhe von 6000 m, Pässe in
5000 — 5800 m Höhe führen nach Tibet hinüber. Nur der Sutley
und der Zanskar durchbrechen diesen geschlossenen Gebirgszug.
Damit endet der Himalaja im gewöhnlichen Sinne des Wortes, und
beginnt das tibetanische Gebirge, das aber z. T., besonders im Nord-
westen, sich enge an den Himalaja anschmiegt. Es folgt auf die
wasserscheidende Sedimentzone die hohe krystallinische Indus-
zone, endlich die paläozoische und mesozoische Sedimentzone
des Karakorum. Diese Skizze dürfte trotz ihrer Dürftigkeit ge-
nügen, nun uns eine Vorstellung von einem mehrfach zonalen Ge-
birge zu geben.
Es war noch vor einem Jahrzehnt herrschende Überzeugung,
daß die großen Faltungen sich zwar langsam vollzogen, aber doch
auf eine bestimmte Periode sich beschränkten. Die Geschichte
der Alpen schied sich klar und sauber in zwei Hauptperioden: in
eine lange der Sedimentablagerung und in eine verhältnismäßig kurze
der Emporfaltung gegen das Ende der Tertiärzeit. Immer mehr aber
bricht sich die Überzeugung Bahn, daß diejenige Erdstelle, die wir
heute Alpen nennen, wiederholt der Schauplatz von Gebirgsbildungen
gewesen ist; und betreffs des Himalaja sprach sich Gkiesbach in
bestimmtester Weise dahin aus, daß er nicht das Erzeugnis einer
einzigen Faltungsepoche, sondern periodisch wiederkehrender Dislo-
kationen sei, die allerdings am Ende der Miocänzeit ihre höchste
x Die sog. Siwaliksehichten.
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Faltengebirge.
473
Kraft entfaltet haben, aber auch heute noch nicht abgeschlossen sind.
Natürlich gelingt es nur detaillierten Studien, solche Gebirgspalimp-
seste zu enträtseln. In den Alpen erkannte man sehr deutliche
Spuren einer jungpaläozoischen und Andeutungen einer kretacelscheu
Faltungsphase. Die Hauptlinien der heutigen Alpen stammen aber
unzweifelhaft aus der Tertiärzeit, und gegenüber dieser letzten Faltung
verhielten sich die alten Gebirgsreste anscheinend als todte ver-
festigte Massen; aber auch durch ihren passiven Widerstand mußten
sie die Neugestaltung beeinflussen. Wie die Falten stellenweise
durch Brüche ersetzt werden, wurde schon oben angedeutet; neben
0 Grauwacke; UT Untere Trias (Werfener Schiefer, Steinsalz. Virgloria-Kalk); Obere
Trias; H Hallstätter Kalk, D Dachstein- Kalk; L Lias, J Oberer Jura.
Fig. 162. Profil des Dachstein-Gebirges nach v. Hochstetter.
scharfen Kämmen erscheinen in den Kalkalpen ausgedehnte Plateaus,
wie das Dachsteingebirge (Fig. 162), bedingt durch die flache
Lagerung mächtiger Kalkschichten; in anderen Gebirgen gesellen
sich spätere vulkanische Ergüsse hinzu, zwar als ein fremdes Element,
aber doch als ein solches, das mit dem Faltenbaue zu einer oft
untrennbaren Einheit verschmilzt. Das treffende Wort, das v. Mojsi-
sovics auf die Alpen anwaudte: „ein gemeinsames Dach wölbe sich
zwar über dem großen, mit uniformen Schnörkeln ausgestatteten Bau,
aber die einzelnen Theile seien zu verschiedenen Zeiten, von ver-
schiedenen Baumeistern und nach abweichenden Baustilen ausge-
führt worden“, gilt von den meisten großen Kettengebirgen.
Längserstreckung. In Bezug auf ihre Längserstreckung kann
man die Kettengebirge in geradlinige und bogenförmige
teilen; und es muß besonders betont werden, daß die Bogenform
durchaus nicht an die Ungleichförmigkeit gebunden ist, denn es
giebt auch gleichförmige Bogengebirge, wie den Schweizer Jura, und
ungleichförmige mit geradlinigem Verlaufe, wie die Pyrenäen oder
den Kaukasus. Die Bogenform bietet ein schwieriges Problem, denn
wenn auch aus der Annahme eines Horizontalschubes sich unmittel-
bar ergiebt, daß die Falten und Bergketten senkrecht zu der Richtung
der faltenden Kraft verlaufen, so entsteht doch die Frage, was
diese Kraft zu so auffallenden Drehungen veraidaßt haben kann.
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474 Morphologie des Lande«.
Süss dachte an einen Widerstand alter Massen an der Außen-
seite der Falten. Für das Alpensystem bildeten nach seiner An-
sicht das Gneißmassiv der Serre (bei Dole, südöstlich von Besancon),
der Schwarzwald und das große böhmische Massiv stauende Hinder-
nisse; wo solche fehlen, entwickeln sich die Falten freier und regel-
mäßiger. Besonders klar tritt dies am Ostende des böhmischen
Massivs hervor, indem die Alpenketten sich rutenförmig teilen und
der Karpatenbogen weit nach Norden vorrückt. In neuester Zeit
hat Frech11 die alten Restgebirge an der Innenseite der Falten,
wie er solche in den südlichen Kalkalpen fand, für die Ablenkung
des Horizontalschubes verantwortlich gemacht.
Manchmal vollzieht sich die Umbiegung in geschlossener Ketten-
form, selbst dann, wenn sie nahezu in eine Knickung übergeht, wie
an der Südostecke von Siebenbürgen. Die hier beginnenden Transsil-
vanischen Alpen setzen sich dann mit abermaliger scharfer Um-
biegung im Balkan fort. Einem auffallend ähnlichen Baue begegnen
wir am westlichen Ausgange des Mittelmeeres: das marokkanische
Rif entspricht dem Balkan, das andalusische Gebirge den Transsil-
vanischen Alpen, die Bucht von Gibraltar der jungen Tiefebene der
Walachei; aber an der Umbiegungsstelle ist hier ein Teil des Gebirges
in die Tiefe gesunken und hat damit die Straße von Gibraltar
eröffnet.
Bisher haben wir nur den Fall betrachtet, wo Veränderung in
der Richtung des Horizontalschubes auch solche in der Streich-
richtung des Gebirges hervorrufen. Wenn aber eine Erdstelle zu
wiederholten Malen Faltung erleidet, so kann es Vorkommen, daß
sich innerhalb eines und desselben Gebirges zwei Richtungen kreuzen.
Das Taurische Gebirge hat nach Listows Untersuchungen12 einen
solchen komplizierten Bau, aber das nordöstliche System bleibt das
formgebende Element, das nordwestliche kommt nur in untergeord-
neter Weise zur Geltung. Eines anderen merkwürdigen Beispiels
möge noch gedacht werden, obwohl es kein Kettengebirge betrifft;
es ist der östliche Teil von Schantung und das Gebirge von Liau-
tung in China. Das alte krystallinische Gebirge strich nach Süd-
südosten, w'urde aber später samt den jüngeren Gebilden in ost-
nordöstlich gerichtete Falten gelegt. Nur einzelne Massen widerstanden
dem zweiten Zusammenschube, wie der gewaltige Zug des Hwang-
schau, der die ältere Richtung beibehalten hat, während unmittelbar
daneben Ketten dem zweiten System folgen. Daß ältere Falten
und jüngere Brüche verschiedene Richtungen einschlagen, ist keine
seltene Erscheinung, aber nur in umgeformten Faltengebirgen, wie
wir später sehen werden.
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Faltengebirge.
475
Beziehungen der Faltengebirge zu einander. Abgrenzung und
Einteilung derselben. Wenn sich ein Gebirge isoliert aus der Ebene
erhebt, so kann über seine geographische Selbständigkeit und seine
Grenzen kein Zweifel sich erheben. Solche Gebirge gehören aber
meist anderen Kategorien an; von den echten Faltengebirgen unseres
Festlandes nimmt nur der Ural eine solche isolierte Stellung ein;
selbst die Abgrenzung des Kaukasus, die auf orographischen Karten
kleineren Maßstabes so einfach erscheint, erfordert im Süden schon
Vertrautheit mit den Einzelheiten des Gebirgsbaues. Den geraden
Gegensatz zum Ural bildet das westliche Faltengebirge der Balkan-
halbinsel. Im Westen ist natürlich das Meer die Grenze, im Osten
tritt es aber ohne Einschaltung einer Ebene so nahe au Gebirge
von anderer Struktur heran, daß auf genaue, allseitig befriedigende
Scheidung überhaupt verzichtet werden muß. Schwierig ist auch
die Aufgabe des Geographen, wenn Faltengebirge miteinander ver-
wachsen, und dies ist innerhalb der Hochlandgürtel beider Welten
sogar die Regel. Der Sprachgebrauch bietet einige Anhaltspunkte,
aber keineswegs sichere; trotzdem läßt er sich nicht einfach
ignorieren, soll nicht eine heillose Verwirrung einreißen.
Hier nur ein paar Beispiele.
Die Alpen zeigen uns zwei verschiedene Arten der Verwachsung.
Der Schweizer Jura schmiegt sich an seinem Südwestende so enge
an die Kalkalpen an, daß er geradezu als ein Teil derselben er-
scheint, und erst in seinem' weiteren Verlaufe gewinnt er Selb-
ständigkeit Der Apennin und Karst sind dagegen orographisch
einfache Fortsetzungen der Alpen. Im ersteren Falle leitet uns
wenigstens der Richtungswechsel und die Veränderung in der geolo-
gischen Zusammensetzung bei der Grenzbestimmung, obwohl noch
bis zum heutigen Tage diirüber gestritten wird, durch welche Thäler
und über welchen Paß am besten die Grenze zu ziehen sei.13 Bei
der Scheidung zwischen Alpen und Karst lassen uns orographische
wie geologische Karten im Stiche; hier müssen wir noch tiefer in
den Gebirgsbau eindringen, um einige Anhaltspunkte zu gewinnen.
Wie auch viele andere Kettengebirge, treten die Alpen im Osten
rutenförmig auseinander; der Karst ist der Südflügel, die Kar-
paten sind der Nordfliigel; nur ist im letzteren Falle die Trennung
auch äußerlich durch aufgesetzte Ebenen vollzogen. Aber gerade
dieses Beispiel lehrt uns, daß die Natur manchmal äußerlich ge-
trennt hat, was innerlich zusammengehört; und wenn es auch nie-
mandem einfällt, den Karpaten ihre Selbständigkeit zu rauben, so
müssen sie sich es doch gefallen lassen, als ein Glied dem alpinen
System eingereiht zu werden (vgl. S. 30). Gcbirgssysteme
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476
Morphologie des Landes.
repräsentieren also eine höhere Ordnung als Gebirge, und zu einem
solchen System fassen wir nicht bloß die äußerlich verbundenen
Gebirge zusammen, sondern auch solche, welche entwicklungsgeschicht-
lich zusammengehören, auch wenn jugendliche Oberflächengebilde
diesen Zusammenhang verbergen.
Am Westende des zentralasiatischen Hochlandes verschlingen
sich Himalaja, Karakorum, Kueulun, die Pamirerhebung, der Hindu-
kusch, der Tianschan zu dem gewaltigsten Gebirgsknoten der Erde,
von dem sie fast nach allen Himmelsrichtungen ausstrahlen. Das
ist Scharung, d. h. Zusammendrängung von Faltenzügen, die daun
auseinandertreten, wie bei Alpen und Jura, aber zugleich auch
100* joar w Hi* o
Sinisches System.
Fig. 163. Das Zusammen treffen des sinischen
u. des Kuenlun-Systeras nach v. Richthofen.
Endverwachsung, wie
zwischen Alpen und Apenninen,
indem der Übergang aus dem
Himalaja in den Hindukusch
durch Beugung und Verände-
rung der Streichrichtung erfolgt.
Eine andere Art von Scha-
rung, die von der bisher
geschilderten wesentlich ver-
schieden, ist hat v. Richthofen
am Ostende des Kuenlun beob-
achtet. Starr behält dieser seine Richtung bei und zwingt die auf ihn
stoßenden Falten des offenbar jüngeren sinischen Systems sich ihm
anzuschließen (Fig. 163). Ein ganz anderes Verhalten befolgen die
beiden Richtungssysteme des Atlas, das östliche des Kleinen und das
nordöstliche des Großen Atlas; an der algerisch -tunesischen Grenze,
wo sie sich begegnen, werden die Falten des ersteren von denen des
letzteren glatt abgeschnitten.14
Wie wir einerseits Gebirge zu Systemen zusammenfassen, so
lösen wir sie andererseits in Haupt- und Untergruppen auf. Soll
eine solche Einteilung über das Niveau eines schulmäßigen Not-
behelfs hinausreichen, so muß sie die inneren Gegensätze zum Aus-
drucke bringen. Aber nicht minder wichtig ist die orographische
Gliederung durch Tiefenlinien; beide Gesichtspunkte müssen maß-
gebend bleiben, und die Entscheidung wird in vielen Fällen nur
durch ein Kompromiß erfolgen können, v. Mojsisovics war der
erste, der den tiefgreifenden Unterschied zwischen der Ost- und
Westhälfte der Alpen erkannte und sie durch die vom Bodensee zum
Lago Maggiore sich erstreckenden Thallinien schied. Geographisch
besonders wichtig ist die schon erwähnte Thatsache, daß nur die
Ostalpen eine südliche Sedimentzone besitzen. Die großen Kalk-
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Faltengebirge.
477
und Dolomitmassen, welche hauptsächlich die nördliche Sediment-
zone zusammenset/.en, sind in den Ostalpen obertriassischen Alters,
während sie in den Westalpen der Jura- und Kreideformation
angehören. Hier nehmen auch die eocänen Flyschschiefer und
Sandsteine hervorragenden Anteil an der Gebirgsbildung, indem sie
zonenartig zwischen den sekundären Gesteinen auftreten, während
sie in den Ostalpen nur auf den äußeren Rand beschränkt sind; das
unter dem Namen NagelHuh bekannte neogene Konglomerat kommt
nur in den Westalpen vor.15
Ein anderes Beispiel von der Ungleichartigkeit innerhalb eines
und desselben Gebirges bietet der Balkan.18 Westlich vom Isker-
durchbruche liegt die krystallinische Zone, nur von einem schmalen
Kreidebande am Nordfuße begleitet, im Norden, die Sedimentzone
im Süden. Im zentralen Balkan, etwa vom 24° 0. an, ist die Stel-
lung eine umgekehrte; außerdem sind die paläozoischen Gesteine
des Westhalkans verschwunden, und unmittelbar auf die krystalli-
nische Zone folgen nach Norden schmale Trias- und Jurabäuder,
endlich in reicher Entwicklung die Kalke und Sandsteine der Kreide-
formation (zum Teil auch des Eocän). Je weiter wir nach Osten
fortschreiten, desto mehr senkt sich die krystallinische Zone, schon
in der Gegend von Sliven hat die Kreide die Wasserscheide er-
reicht, und im niedrigen Ostbalkan überschreitet sie dieselbe, breitet
sich über den ganzen Südabhang aus und bedeckt alle älteren Bil-
dungen. Zwischen dem zentralen und östlichen Balkan besteht nur
ein beträchtlicher Unterschied in der Hebungsintensität, zwischen
dem zentralen und westlichen aber ein noch tiefer greifender, der
bis in frühe Erdepochen zurückreicht. Die Grenze zwischen dem
West- und Zentralbalkan wird jeder in das lskerthal verlegen, ob-
wohl es nicht genau mit der Veränderung des Baues zusammenfällt;
zwischen dem Zentral- und Ostbalkan fehlt eine solche ausgezeich-
nete geographische Linie, doch stimmen wir Theobald Fischer bei,
wenn er den Eisernen Thor-Paß nördlich von Sliven als schicklichste
Grenze bezeichnet.
Beziehungen der Kettengebirge zum ungefalteten Vorlande. Es
ist eine häufig wiederkehrende Erscheinung, daß der eine Fuß eines
Kettengebirges tiefer liegt, als der andere. Bogenförmige Gebirge
werden in der Regel an der konkaven Seite von Tiefebenen, an der
konvexen von Hochflächen begleitet, selbst dann, wenn an der Innen-
seite keine sichtbaren Spuren von Einstürzen vorhanden sind. Die
einzelnen Glieder des Alpensystemes zeigen hierin eine bemerkens-
werte Übereinstimmung, so die Alpen selbst, der Jura, die Karpaten.
Der Atlas und das andalusiscke Gebirge grenzen an der Innenseite
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Morphologie des Landes.
au das Meer und an der Außenseite an Land; der Apennin hat das
tiefere Meer an seiner konkaven, das flachere an seiner konvexen Seite.
Auch bei geradlinigen Gebirgen, wie bei dem Ural und den Alleghanies,
Anden wir tieferes Vorland an der Seite, wo die Hebungsintensität
am größten war. Aber es giebt auch Beispiele vom Gegenteile. So
begrenzen den Himalaja an seiner Innenseite Ebenen von 4000 m See-
höhe, an seiner Außenseite aber ein Tiefland, das selbst am Fuße des
Gebirges nur ein paar hundert Meter über dem Meeresspiegel liegt;
und das japanische Gebirge stürzt an seiner konvexen Seite zu
gewaltigen Ozeantiefen hinab, während es sich an der anderen zur
flach schüsselförmigeu Vertiefung des Japanischen Meeres senkt.
Sehen wir von den beiden letztgenannten Fällen vorläufig ab,
so nehmen wir wahr, daß auch die geognostischen und tektonischen
Beziehungen zum Hinterlande andere sind, als zum Vorlande (vgl.
Fig. 159 und 161). Dieselben Schichten, die den äußersten Gebirgs-
gürtel aufbauen, setzen sich mit horizontaler Lagerung in dem flachen
Hinterlande fort; allmählich erstirbt die faltende Kraft, manchmal
tauchen noch vereinzelte Antiklinalen auf, wie die Parmas im Westen
des Urals. An der Innenseite dehnt sich junges, fremdartiges Schwemm-
land aus, der eigentliche Gebirgsfuß liegt in der Tiefe verborgen.
Solche Gebirge nennen wir einseitige Randfaltungen. Möglich
ist es, daß die Faltung in dem Hinterlande einiger Gebirge noch
fortschreitet, wie dies z. B. Griesbach vom afghanisch-turkestanischen
Grenzgebirge behauptet hat.
Fig. 164. Profil des Kuruk-tag bei Kurla (41°40'N., 86°35'0.) nach Bogdano-
WIT8CH. G = Granit, D = Devon, d — Diabas. J = Jura und Kreide, q = Quartär.
Im Himalaja scheint der Fall einer doppelten Randfaltung
vorzuliegen. Auf der tibetanischen Seite sehen wir die sonst horizontal
gelagerten jungtertiären Schichten am Südrande des Hundös-Plateaus
aufgerichtet.10 Anders liegen die Verhältnisse am hindustanischen
Fuße.17 Hier brechen die jugendlichen Siwalikschichten, die den Vor-
himalaja zusammensetzen, schroff ab, aber in ihrem Gesteinscharakter
stimmen diese Schichten mit dem Alluvium der angrenzenden Ganges-
ebene so sehr überein, daß man nicht daran zweifeln kann, daß sie
in der That identische Bildungen sind. Der Siwalik war einst hori-
zontale Anschwemmung, das heutige Schwemmland wird einst viel-
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Umformung der Faltengebirge.
479
leicht Vorkett« sein. Nur der Vorgang ist ein anderer, als im Norden
oder in der Schweiz. Successive erfolgten die Dislokationen von
Norden nach Süden; ein Bruch bezeichnete den jedesmaligen Gebirgs-
fuß, der immer weiter nach Süden hinausrückte, und die heutigen
Formationsgrenzen innerhalb des Vorhimalaja waren im großen und
ganzen auch die Grenzen der Ablagerung.
Ist ein Gebirge an allen Seiten von jüngeren Schichten um-
geben, die an der Faltung keinen Anteil nehmen, so kann man es
ein durchgreifendes Gebirge nennen. Ist es nicht durch Brüche
begrenzt, so muß man annehmen, daß die Randfaltungen nur ober-
flächlich verhüllt sind. Bei dem zentralasiatischen Gebirge, dessen
Profil wir hier als Beispiel vorfuhren (Fig. 164), bedecken rezente
Steppenablagerungen den Gebirgsfuß im Norden und Süden.
Litteratumachweise. 1 Le Conte , Theories of the Origin of Moun-
tains, im Journal of Geology, Chicago 1893. Betreffe der Mechanik des
Faltungsprozesses ist Heim, Mechanismus der Gebirgsbildung, Basel 1878, noch
immer das klassische Werk, wenn auch z. T. schon überholt. Über Faltungs-
experimente s. Willis, The Mechanics of Appalachian Structure, im 18. Annual
Report of U. S. Geological Survey 1891 — 92. — * Richtige Vorstellungen ver-
mittelt das meisterhafte Erdprofil der Zone von 31 bis 65° N. B. von Linoo,
München 1886. — 5 Mellard Reade, The origine of Mountain Ranges, London
1886. — 4 Reyer. Ursachen der Deformationen und Gebirgsbildung; geologische
und geographische Experimente, Leipzig 1892. — 8 Dtrrros, eit. S. 278. —
6 La Touche in den Records of the Geological Survey of India, 1893. —
7 Rothpletz, Ein Querschnitt durch die östlichen Alpen. Stuttgart 1894. —
8 Diener, Der Gebirgsbau der Westalpen, Wien 1891. — 8 pe Marqerie und
Schräder, Apercu de la structure geologique des Pyreuees, Paris 1892. —
10 Genauer bekannt ist nur der nordwestliche, britische Teil; vgl. die Ab-
handlungen von Lydekkek u. Griesbach in d. Memoirs of the Indian Geological
Survey, Bd. 22 (1888) u. 23 (1891). — 11 Frech, Die Tribulaungruppe, in der
RicHTHOPEN-Festschriflt, Berlin 1893. — 11 Listow, in d. Iswestija d. Russischen
Geographischen Gesellschaft 1889, S. 270. — 18 Vgl. Petermanns Mitteil. 1893,
S. 93. — 14 Rothpletz, Das Atlasgebirge Algeriens, in Petermanns Mitteilungen
1890. — 18 Die Grundsätze einer wissenschaftlichen Einteilung erörtert Böhm,
Einteilung der Ostalpen, Wien 1887. — 18 Toui.a, Reisen u. geologische Unter-
suchungen in Bulgarien, Wien 1890. — 17 Midblemiss, Pbysical Geolog}' of the
Sub-Himalaya of Garhwäl and Kumaun: in d. Memoirs of the Geolog. Survey
of India, XXIV, 1890.
Umformung der Faltengebirge.
Umformung durch Bruch. Brüche haben wir schon als eine ge-
wöhnliche Begleiterscheinung der Faltung kennen gelernt, ja stellen-
weise ersetzt geradezu die eine Dislokationsform die andere, wie im
östlichen Südtirol. Hier haben wir aber nur diejenigen Fälle ins
Auge zu fassen, wo Brüche einen gefalteten Gebirgskörper er-
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480
Morphologie des Landes.
greifen, ihn seiner ursprünglichen Gestalt berauben, endlich ihn
völlig auflösen.
Die Innenseite bogenförmiger Kettengebirge unterlag häutig
einer weitgehenden Zertrümmerung und Umgestaltung. Ein erstes
Stadium führt uns das andalusische Faltensystem vor Augen.1
Eine Scholle der inneren Schieferzone finden wir bei Cartagena;
weiter südlich treffen wir aber auf einen wohlerhaltenen Schieferzug,
der sich von der Sierra de los Filabres bis in die Provinz Malaga
erstreckt und mit dem Serpentinstocke von Marbella endet. Noch
hat sie ihren ursprünglichen hypsometrischen Rang nicht eingebüßt,
denn die Sierra Nevada, deren einfachen antiklinalen Bau v. Dräsche
anschaulich geschildert hat, ist noch immer die Königin der iberischen
Gebirge. Im Norden wird die Schieferzone von einem Gürtel sekun-
därer und tertiärer Gesteine begleitet, die den Gibraltarfels und die
Gebirge bis zur Guadalquivirebene und nördlich von Lorca und
Murcia zusammensetzen.
In den Karpaten und Apenninen ist dagegen nur noch die
Außenzone vollständig erhalten. Die Trümmer der Inneuzone ziehen
in Ungarn in der Form zahlreicher kleinerer und größerer Inseln
aus krystallinischem Schiefergestein und Granit von Preßburg bis
Kaschau (die Hohe Tatra gehört dazu) und tauchen dann wieder
nach einer langen Unterbrechung als zusammenhängende Kette
im Südosten auf. Noch größer ist die Zerstückelung der apen-
ninischen Innenzone, wie Süss gezeigt hat; ihre Überreste finden
wir in den Apuanischen Alpen, auf den toskanischen Inseln,
in der Catena metallifera, im Circekap und auf der Insel Zannone;
und nur im Süden hat sich noch ein zusammenhängender Gebirgsrest
in dem steil gegen Westen abfallenden calabrischen Gebirge erhalten.
Während in den Karpaten die Granitkette der Hohen Tatra noch immer
ihren hypsometrischen Vorrang behauptet hat, ist der Kulminations-
punkt in den Apenninen bereits in die Sedimentzone gewandert.
Solche innere Bruchzonen mit ihren tiefgehenden Spalten wraren
oder sind noch ein bevorzugter Schauplatz vulkanischer Erschei-
nungen. Karpaten und Apenninen bieten dafür lehrreiche Belege,
den lehrreichsten aber wohl Japan.2 Man unterscheidet hier zwei
Gebirgsbogen, die durch tiefe Depressionen getrennt sind. Soweit die
Innenzone am Japanischen Meere noch gut erhalten ist, wie im
Berglande von Tschugoku am westlichen Vorsprunge Nippons, ist
vulkanisches Gestein nur auf den marinen Rand beschränkt; von der
Wakasabucht aber bis zur Tsugarustraße ist die Innenzone völlig
aufgelöst, und nun reiht sich Feuerberg an Feuerberg zu einem der
imposantesten Vulkangürtel der Erde.
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Umformung der Faltengebirge.
481
Im letzten Stadium vor der völligen Auflösung befindet sich
die Sierra Nevada von Californien, jenes mächtige Kettengebirge,
das das Sacramentothal von dem Großen Becken des amerikanischen
Hochlandgürtels scheidet. Eine intensive Faltung erfolgte zwischen
der Jura- und Kreidezeit; gegen Ende der Tertiärzeit setzte die
gebirgsbildende Kraft abermals ein, aber diesmal in der Form von
Brüchen und senkrechten Verschiebungen. Nur betrafen diese neuen
Veränderungen nicht das ganze Gebirge in gleicher Weise. Im
Parallel des Monosees (38 ®), wo Reyer3 ein Profil aufnahm, beginnt
die Bruchzone erst im Osten des Granites der Hochsierra; sie löste
das Gebirge von dem Hiuterlande ab und schuf den Gegensatz zur
Ebene. 2‘/4 Breitengrade nördlicher, im Parallel des Honey Lake,
haben aber die Brüche die Granitzone selbst ergriffen. Ein Profil
Dillers4 zeigt uns hier das ganze Gebirge in drei Schollen zer-
spalten, die nach Osten steil, nach Westen allmählich sich abdachen.
In jeder Scholle folgen von Westen nach Osten Karbon, goldführende
Schiefer, Granit Die jetzige Gestalt ist also nicht mehr die
P.M ru
MH
3 2 1 ZS * 2 3 3 1
Fig. 165. Profil des Gebirges bei Eureka, Nevada, nach A. HagüE in 3facher
Überhöhung.
1. Cambrium, 2. Silur, 3. Devon, 4. Karbon, 5. Eruptivgesteine.
M.H Mahogany Hills 2420 ra, S.M Spanish Mt. 2500 m, P. M Prospect Mt.
2790 m, Sp Spring Mt. 2300 m, C.P County Peak 2545 m, B. P Basalt Peak
2470 m.
ursprüngliche, aber die Kettenform ist trotzdem gewahrt geblieben.
Solche Faltengebirge nennen wir gebrochene.
Faltenzüge, wie die Sierra Nevada, erfüllten einst das ganze
Große Becken innerhalb der Staaten Nevada und Utah bis zum
Wahsatch-Gebirge. Hier ist aber der tertiäre, bis in die Gegenwart
andauernde Dislokationsprozeß bis zur völligen Auflösung ge-
diehen. Was erhallen blieb, sind eine Reihe von Kammgebirgen,
in ihren horizontalen Dimensionen etwa dem Thüringer Walde ver-
gleichbar, aber nicht in ihren vertikalen, da einige Gipfel 3000 m
Seehöhe erreichen und sogar übersteigen. Breite Thalebenen mit
jugendlichen Ausfüllungsmassen umschließen sie. Vom Lone Peak
im Wahsatch-Gebirge bis zur Westgrenze Nevadas wiederholt sich
im 40*/j. Parallel auf eine Länge von 700 km der Wechsel von
Ebene und Gebirge 19 mal; die ersteren haben, abgesehen von der
100 km breiten Großen Wüste, eine durchschnittliche Breite von 19,
SDP AS, Physische Erdkunde. 2. Auf! 31
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482
Morphologie des Landes.
die letzteren eine solche von 14 km. Fig. 165 veranschaulicht uns
den verwickelten Bau dieser Trümmergebirge nach neueren Unter-
suchungen.6 Nicht nur durch Randbrüche wurden sie isoliert, auch
der Gebirgskörper selbst ist vielfach zerspalten und ungeformt. Aber
noch sind die Züge des «alten Faltenbaues erkennbar, ja es gelingt
sogar noch manchmal, aus den heutigen Bruchstücken die einstigen
Faltenlinien herzustellen.
Solche Gebirge, wie das von Eureka, nennen wir Falten -
schollengebirge; wo sie gesellig auftreten, bilden sie ein Falten-
schollenland. Das Große Becken vereinigt diesen Typus mit dem
des Tafelschollenlandes, den wir bereits im südlichen Oregon kennen
gelernt haben.
Außerordentlich lehrreich sind die tektonischen Verhältnisse
Griechenlands, deren Verständnis uns im Laufe der letzten Jahr-
zehnte durch die Forschungen der österreichischen Geologen® und
Philitpsons7 erschlossen wurde. Der Übergang aus dem Falten-
gebirge ins Faltenschollengebirge ist hier deutlich zu verfolgen. Das
erstere beherrscht den Westen; Philippson setzt seine Entstehung in
das Oligocän oder an die Grenze von Oligocän und Miocän. Das Pliocän
ist ungefaltet, aber gebrochen und liegt in verschiedenen Höhen, die im
Peloponnes im allgemeinen von Norden nach Süden ahnehmen. Das be-
weist, daß auch innerhalb des Faltengebirges nach der horizontalen Be-
wegung eine vertikale eintrat. Schon im mittleren Griechenland bilden
die nach verschiedenen Richtungen verlaufenden Bruchlinien ein wahres
Netzwerk, in Elis ist das Faltenland in der That schon in Schollen
aufgelöst, aber im großen und ganzen wird das peloponnesische
Gebirge doch noch durch die südöstliche Streichrichtung der Falten
beherrscht. In Thessalien und Mittelgriechenland stößt mit diesem
System ein, wie es scheint, etwas älteres östlich streichendes Falten-
system zusammen, und dieses befindet sich im Stadium völliger
Auflösung. Othrys, Oeta, Helikon, Kithaeron, Parnes erwecken
gleichsam noch den Schein von Faltengebirgen, weil die Bruchlinien
mit dem Streichen der Falten parallel verlaufen — wir nennen sie
Längsschollen — , aber im Pentelikon und Hymettos, auf Euböa
und im östlichen Thessalien ist auch dieser Schein geschwunden.
Im thessalischen Küstengebirge, das sich vom Pelion bis zur Kam-
pania von Saloniki fortsetzt, ist der Typus einer Querscholle auf das
schärfste ausgeprägt; die Umrisse des Gebirges werden ausschließlich
durch Brüche bestimmt, welche die alten Falten unter senkrechtem
oder spitzem Winkel schneiden. Von den gewaltigen Veränderungen,
die sich hier seit der letzten Phase der Tertiärzeit vollzogen und
— wie die zahlreichen tektonischen Beben lehren — noch immer
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Umformung der Faltengebirge. 483
keinen Abschluß gefunden haben, können wir uns nur eine sehr
mangelhafte Vorstellung machen. Es ist, als wenn wir quer durch
die Schweizer Alpen einen Streifen von etwa 20 km Breite heraus-
schneiden würden und alles andere Gebirge im Westen und Osten in
die Tiefe versänke, um von Wasser oder lockeren Ablagerungen be-
deckt zu werden.
Umformung durch Destruktion. Die Höhe eines Faltengebirges
ist das Ergebnis verschiedener Vorgänge, der Hebungsintensität
einerseits, nachfolgender Senkungen und der Denudation anderer-
seits. Aus dem Umstande, daß benachbarte Gipfel sich annähernd
in gleicher Höhe halten, dürfen wir schließen — und es ist auch
im vorhinein nicht anders zu erwarten — , daß die positiven wie
die negativen Kräfte örtlich nahezu gleichmäßig wirken. Für die
Anordnung der Gipfelhöhen innerhalb eines und desselben Gebirges
ist der tektonische Faktor jedenfalls in erster Linie maßgebend. In
den Alpen ist die krystallinische Zone fast überall höher, als die
Kalkzone. Die Reihe der 3000 m-Gipfel beginnt im Westen mit
der Argentara, der Pelvoux eröffnet den Reigen der 4000 m-
Gipfel, der bis zum Bernina zieht. Bis zum Montblanc (4810 m) ist
Zunahme, dann wieder Abnahme bemerkbar. Jenseits des Bernina-
Meridians herrschen wieder die 3000 m-Gipfel, sie schließen mit
dem Sonnblick am Ostende der Hohen Tauern. Nun macht sich
bereits die ungarische Senkung geltend. Die nördlichen Kalkalpen
brechen steil im Wiener Becken ab und übertreffen nicht un-
beträchtlich die krystallinische Zone, die allmählich sich senkend
in die ungarische Ebene verläuft Der östlichste 2000 m-Gipfel, der
Schneeberg, gehört dem nördlichen Kalkgürtel an. In manchen Ge-
birgen, wie im Kaukasus oder in den Audes, sind die höchsten
Gipfel aufgesetzte Vulkankegel, und von diesen fremdartigen Ge-
bilden müssen wir absehen, wenn wir von den Hebungsintensitäten
verschiedener Faltengebirge eine Vorstellung gewinnen wollen.
Vergleichen wir aber verschiedene Gebirge miteinander, so
müssen wir nicht bloß die tektonischen Vorgänge, sondern auch die
Denudation als klimatischen Faktor in Rechnung ziehen. Penck
hat namentlich auf die Bedeutung der Baumgrenze aufmerksam ge-
macht, denn mit dem Schwinden der Vegetationsdecke ist den zer-
störenden Kräften Thür und Thor geöffnet. Man kann sehr wohl
annehmen, daß jedem Klima ein bestimmtes oberes Denudations-
niveau entspricht, über das kein Berg hinauswachsen kann. Des-
halb wäre es eine ganz irrige Vorstellung, wenn wir z. B. die einstige
Höhe der Zentralalpen dadurch ermitteln wollten, daß wir alle Sedi-
mente, die einst auf denselben abgelagert wurden, über sie auf-
31*
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Morphologie des Landes.
türmten. Das wäre nur dann richtig, wenn das Gebirge mit Einem
Rucke emporgehoben worden wäre, und auch dann nur für den
Moment der Erhebung. Nach Pkncks Tabelle sind in Eig. 166 drei
Kurven entworfen worden, aus denen man den Schluß ziehen darf,
daß Beziehungen zwischen Gipfelhöhe und Schnee- und Baumgrenze
thatsächlich bestehen. Alle diese Kurven senken sich in höheren
Breiten und erreichen ihre höchste Höhe zwischen dem 20. und
40. Parallel; auch die äquatoriale Depression ist überall deutlich
ausgeprägt. Trotzdem giebt uns die Gipfelkurve nur eine Vor-
stellung, wie etwa das obere Deuudationsniveau verläuft, aber keine
Auskunft über dessen absolute Höhe. Der Einfluß des tekto-
nischen Faktors ist entschieden der vorherrschende. Daraus erklärt
es sich, daß sich auf der Südhalbkugel kein Himalaja erhebt, daß
zwischen 50 und 70° S. nur niedere Berge Vorkommen, während der
polare Erebus wieder eine Seehöhe von 3780 m erreicht.
Nördliche -Ereile .. Südliche Fr eile
90° SO 70 60 JO 10 30 20 IO A 10 20 30 IO SO GO JO 80 90°
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Fig. 166. Graphische Darstellung der größten Gipfelhöhen (aa), obersten Schnee-
grenze (66) und obersten Baumgrenze (cc) in den 10°-Zonen.
Neben dem tektonischen Momente spielt aber auch noch ein
anderes eine hervorragende Rolle: das Alter der Gebirge oder
mit anderen Worten: die Dauer der Zerstörung. Man bestimmt
das Alter nach dem von Elie de Beaumont aufgestellten Grundsätze,
wonach die Dislokation einer Schicht jünger ist, als die Schicht selbst,
und älter, als die nächste ungestörte Schicht.
Die meisten Kettengebirge sind allerdings jung, es giebt aber
auch einige sehr alte. Der Ural und das Timangebirge sind meso-
zoisch, die Alleghanies und das südchinesische Gebirge sind sogar
paläozoisch ; auch die Faltung des Kuenlun und Nanschan in
Zeutralasien und des Zuges der Drakensteen-, Bokkeveld-, Zwarte-
und Zuurberge im Kaplande, die die große Karru im Süden ab-
grenzen und sich durch auffallende Regelmäßigkeit auszeichnen,
reicht weit über die Tertiärzeit zurück. Die Seehöhen der höchsten
Gipfel sind allerdings sehr verschieden: Ural 1700, Alleghanies 2000,
Kuenlun 6000 m. Aber dies ist nicht das Entscheidende, sondern
das Verschwinden aller hervorragenden Gipfel, die ermüdende Gleich-
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Umformung der' Faltengebirge. 485
förmigkeit der Kämme, so daß, wenn man sich die Thäler ausgefüllt
denkt, das Gebirge sich in ein Flachland verwandelt Auf Ketten-
.5 gebirge von solcher Gestaltung beschränken wir
den Namen Rumpfgebirge.
Wenn man nebenstehendes Profil der Alleghanies
mit dem der Alpen (Fig. 161, S. 470) vergleicht, wird
man den Unterschied zwischen alten und jungen
Kettengebirgen sofort erkennen. Auffallend ist zu-
nächst, daß im Alleghanies-Profile die höchsten Punkte
den Synklinalen, also den ursprünglichen Thälern an-
gehören; aber dies ist nicht das Hauptmerkmal der
Rumpfgebirge, da es auch in jungen Faltengebirgen
nicht selten wiederkehrt Mehr Gewicht legen wir
darauf, daß der Einfluß der Hebungsintensität nicht
durch spätere Senkungen, sondern ausschließlich durch
Abtragung völlig aufgehoben wurde. Sicher nahm
einst die Faltenhöhe nach Nordwesten zu; jetzt sind
alle Unterschiede ausgeglichen, die verschiedensten
geologischen Horizonte sind nahezu in das gleiche
Niveau gebracht, die untersilurischen Kalksteine im
Nordwesten wie Devon und Karbon im Südosten.
Aber wie groß auch die Umgestaltung ist, die Form
des Kettengebirges ist noch erhalten ; noch immer
bestimmt die Streichrichtung der Falten die der Berg-
züge, noch immer ist das Längsthal das Hauptelement
der Gliederung.
Wir müssen uns jetzt nach dem Norden begeben,
um noch weitere Fortschritte des Destruktionspro-
zesses kennen zu lernen. Die Hudsonbai wird von
einem 600 km und darüber breiten Bande stark dislo-
zierter archäischer Gesteine umschlungen.8 Eine Reihe
großer Seen: der Bären-, Sklaven-, Athabaska-, Win-
nipegsee und die canadischen Seen bezeichnen den
Rand des Tafellandes, das aus flach gelagerten paläo-
zoischen Kalken besteht und mit jüngerer Uber-
deckung bis an den Fuß des Felsengebirges sich er-
streckt. Einzelne Reste dieser Kalkdecke sind auch
auf der anderen Seite, am Westgestade der Hudsonbai
erhalten — die dazwischen liegende archäische Zone
trägt aber keine anderen jüngeren Ablagerungen, außer
hier und da glazialen Schutt oder Fluß- und Seenabsätze
der Gegenwart. Sorgfältigen Untersuchungen gelang es, die Alters-
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486
Morphologie des Landes.
folge der krystallinischen Gesteine dieser Zone festzustellen, und
damit war ein Anhaltspunkt zur Entwirrung der Lagerungsv erliält-
nisse gewonnen. Alle Forscher stimmen darin überein, daß wir es
hier mit den Fundamenten eines alten Faltengebirges zu thun haben.
Im Lake of the Woods sah Lawson den Gürtel der Keewatingesteine
in tausende von Inseln und Halbinseln zersplittert, aber noch lassen
sich hier die Antiklinalen erkennen, die in bogenförmigem Verlaufe
ihre konvexe Seite nach Norden kehren. Aber statt mächtiger Ge-
birge finden wir hier ein Flachland, das sich von allen Seiten zur
Hudsonbai neigt; Scess hat es, wie schon einmal erwähnt wurde, mit
der Hohlseite eines flachen Schildes verglichen. Wenn wir Flach-
land sagten, so sind wir uns dabei freilich bewußt, das Charakte-
ristische dieses Geländes nur sehr unvollkommen zum Ausdrucke
gebracht zu haben. Die Amerikaner haben jetzt dafür das Wort
„Peneplain“ erfunden, das wir etwa mit „Fastebene“ übersetzen
können. Für eine Ebene wechseln Erhebungen und Vertiefungen
zu rasch, für ein Berg- oder auch nur für ein Hügelland sind die
Höhenunterschiede zu gering (meist nur 10 — 30 m), für ein Wellen-
land ist die Gestaltung zu unregelmäßig. Nicht die einstige An-
ordnung der Schichtensättel und -mulden ist maßgebend für die
heutige Orographie, sondern einzig und allein der Härtegrad der
Gesteine; Granite, alte Gneiße u. s. w. haben der Zerstörung kräf-
tiger widerstanden und bilden Rücken und Bergehen, abgerundet
und gescheuert durch das Binneneis, das in der Glazialzeit darüber
hiuwegschritten war.
Kein Zweifel, wir stehen auf einem Schauplatze gewaltigster
Zerstörung, die — wie die flache Lagerung der silurischen Schichten
beweist — schon im frühesten Altertume der Erdgeschichte sich
vollzogen haben muß. Aber welcher Art waren die zerstörenden
Kräfte?
Hier stehen sich zwTei Ansichten schroff gegenüber.
Englische Geologen, in Deutschland besonders v. Richthofen,
sprachen sich auf das entschiedenste dafür aus, daß eine solche
totale Umformung von Gebirgen in Flachländer nur durch Abrasion
durch die auf sinkendem Gestade immer weiter landeinwärts schrei-
tende Brandung bewirkt werden könne. Wo Meeresablagerungen
horizontal einer abradierten Fläche aufruhen, ist für diese Hypo-
these ein positiver Anhaltspunkt gegeben; auch die Annahme, daß
die paläozoischen Schichten hüben und drüben des canadischen
Flachfaltenlandes einst zusammenhingen, hat nichts Unwahrschein-
liches. Seine Entwickelungsgeschichte hätte dann folgende Haupt-
phasen durchlaufen: 1) Faltung, Gebirgsbildung; 2) Senkung, Ab-
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Umformung der Faltengebirge. 48f
rasion, transgredierende Meeresablagerung; 3) Hebung; 4) Zerstörung
der marinen Decke, Bloßlegung der Abrasionsfläche.
Wer dagegen der Erosion im Vereine mit der Denudation die
Macht zutraut, Gebirge nahezu einzuebnen, kann der Abrasion
allerdings entbehren. Diese Ansicht, über die wir uns schon auf
S. 383 ausgesprochen haben, vertreten besonders amerikanische
Geologen. Wir halten diese Angelegenheit noch für zu wenig ge-
klärt, und wollen daher solche aus Faltengebirgen hervorgegangene
Flächen ganz allgemein als Destruktionsflächen bezeichnen.
Es entsteht aber nun die Frage, welche Stellung das Kumpf-
gebirge in der Entwicklungsreihe einnimmt. Nach der Abrasions-
theorie ist es eine durch Hebung bewirkte Wiederbelebung eines
erloschenen Gebirges. Würde der canadische Schild so hoch an-
steigen, daß das fließende Wasser wieder zu kräftiger Arbeit an-
geregt würde, so entstände ein Erosionsgebirge, in derselben Weise
wie im Tafellande, nur anders in seinen Endformen. Infolge des
Faltenbaues sind harte und weiche Schichten zonenweise neben-
einander gelagert, und indem die Erosion in den letzteren ihre
Thäler ausarbeitet, während die ersteren als Berge gleichsam heraus-
wachsen, entsteht der Schein, als wäre die Anordnung der Ketten
und Thäler unmittelbar durch den Faltenwurf bedingt. Darnach
könnte man Rumpfgebirge als Erosionsgebirge in unge-
brochenen Destruktionsflächen definieren.
Aber auch die Erosionstheoretiker kamen in letzter Zeit zu
derselben Schlußfolgerung, auch sie betrachten das Rumpfgebirge
nicht als ein Übergangsglied zwischen Faltengebirge und Destruk-
tionsfläche. Sicherlich, sagt W. M. Davis8 von den Alleghanies und
den Gebirgen Neuenglands, fügen sich ihre gleichförmigen Erhebungen
zu einem Peneplain zusammen, aber ein solches konnte durch Denu-
dation nicht in der jetzigen Seehöhe entstehen; das ist die Ober-
flächenform eines fast bis zum Meeresniveau abgetragenen Gebirges.
Diesem Schicksale waren die ostamerikanischen Gebirge in der Kreide-
zeit verfallen, nur die White Mountains in New Hampshire und die
Blue Mountains in North Carolina mit ihrer Fortsetzung im Blue
Ridge von Virginia mochten der allgemeinen Verflachung einiger-
massen entgangen sein. In der Tertiärzeit trat Hebung ein, und
aus der Ebene schuf die Erosion ein neues Gebirge. Man sieht,
die Erosionstheorie bedarf, um das Problem der Rumpfgebirge zu
lösen, eines nicht minder komplizierten Apparates von Niveauver-
änderungen, wie die Abrasionstheorie.
Umgestaltung durch Destruktion und Bruch. Die meisten Destruk-
tionsflächen sind aber nicht in der Form von Rumpf- sondern von
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488
Morphologie des’ Landes.
Eumpfschollengebirgen wieder belebt worden; sie haben auch
eine Umgestaltung durch Brüche erfahren, und diese sind es,
die ihre heutigen Umrisse ebenso bestimmen, wie die der Falten-
schollengebirge. Als Beispiel möge uns zunächst der Thüringer
Wald dienen.10
Auf der Südseite ist der Thüringer Wald fast geradlinig durch
eine nach Nordwesten verlaufende Linie abgeschnitten, der Nordrand bil-
det aber einen nach Norden geöffneten flachen Bogen von Eisenach bis
Gera. Dadurch entsteht eine Zweiteilung in ein breites südöstliches
Plateau und ein schmales nordwestliches Kammgebirge. Das erstere
hängt durch den Frankenwald und das Vogtland mit dem Fichtel-
und Erzgebirge zusammen.
Der südöstliche Teil ist ein Schiefergebirge, dessen Baumaterial
der älteren paläozoischen Periode, vom Cambrium bis ins untere
Fig. 168. Geognostische Skizze von Thüringen und Sachsen.
Karbon, entstammt. Im Nordwesten treten die archäischen Gesteine, die
unter den Schiefern des Südostens verborgen liegen: Gneiße, krystalli-
nische Schiefer und Granite zu tage und bilden Erhebungen bis circa
600m Seehöhe, dagegen fehlen die paläozoischen Formationen vom
Cambrium bis zum Karbon, und kommt das Rotliegende, das im Südost-
Teile nur an einer Stelle am Süd westrande gefunden wurde, zur
mächtigen Entwicklung. Es besteht aus Sandsteinen und Konglo-
meraten einerseits, aus gewaltigen Eruptivmassen, besonders Porphyr
und Melaphyr, anderseits. Verschiedene Bausteine setzen also den Nord-
westen und Südosten zusammen, aber darin ist der orographische Gegen-
satz nicht begründet, denn der südöstliche Gesteinstypus greift auch
noch in den schmalen Teil bis zur Linie Ilmenau-Schleusingen über.
Im südöstlichen Teile enthüllt sich uns der Rest eines alten
Gebirges. Die Schichten sind stark gefaltet und streichen nach
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Umformung der Faltengebirge.
489
Nordosten, wie im Erzgebirge; aber während im letzteren Gebirgs-
und Faltenriclitung übereinstimmen, stehen sie im Thüringerwald
senkrecht aufeinander. Solch ein Zustand läßt sich nur durch eine
tektonische Umformung erklären. Gehen wir im Streichen der Schichten
nach Nordost weiter, so stoßen wir am Rande des Gebirges auf ein
Zechsteinhand, und kommen dann in das Trias-Flachland. Glücklicher-
weise haben sich aber auch noch ein paar spärliche Reste dieser jüngern
Fonnationen auf dem Kamme des Thüringer Waldes erhalten; dieser
muß also einmal mit dem Vorlande in gleichem Niveau gelegen haben,
und die jetzige Gestaltung muß jedenfalls erst nach der Ablagerung
des Buntsandsteins erfolgt sein. Um ein genaueres Datum zu er-
langen, müssen wir die Verhältnisse im Vorlande in Betracht ziehen, wo
sich auf der herrschenden Trias noch Spuren jüngerer mesozoischer
Ablagerungen finden, die ebenfalls durch Brüche Deformationen er-
litten haben. Diese tektonischen Bewegungen haben sich in der
Tertiärperiode vollzogen. Die Geschichte des Thüringerwaldes ist
also in Kürze folgende:
1) Entstehung eines großen, Nordost streichenden Faltengebirges,
dessen krystalliuische Achsen z. T. noch im Frankenwalde, Erz-
gebirge und im nordwestlichen Thüringer Walde sichtbar sind. Die
Faltung erreichte ihren Höhepunkt in der jüngeren Steinkohlen-
periode.
2) Denudation in der Zeit des Rotliegenden. Ihre Produkte
wurden auf dem untergetauchten kristallinischen Gebirge des Nord-
westwaldes abgelagert, zu gleicher Zeit erfolgten in diesem ältesten
Bruchgürtel großartige Eruptionen.
3) Das ganze Gebirge senkt unter den Meeresspiegel und
wird abradiert Im Saalethale sieht man die steil gefalteten
Devon- und älteren Karbonschichten oben geradlinig abgeschnitten
und von nahezu horizontalem Zechstein überlagert. Diese marine
Periode dauert von der Zechsteinepoche durch die ganze Trias- und
Jurazeit, vielleicht auch noch in der Kreidezeit.
4) Wiedererstehung des Gebirges in der Tertiärperiode, aber in
ganz neuer Form durch nordwestlich verlaufende Brüche, sei es, daß
das Gebirge sich hob oder das Vorland sich senkte. Auf der Südwest-
seite trennen die Brüche das paläozoische Gebirge von der Trias,
auf der Nordostseite war die Bewegung intensiver und die Brüche
verlaufen in der Triaszone. Zechstein, Buntsandstein und Muschel-
kalk fallen flexurartig vom Gebirge ab und gehen dann in die flache
Lagerung des thüringischen Vorlandes über.
5) Denudationsperiode der Gegenwart. Zechstein und Trias sind
von den Höhen des Gebirges abgeschwemmt und das letztere dadurch
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490
Morphologie des Landes.
mindestens um 1200 m erniedrigt worden. Im Südosten wurde die
alte Abrasionsfläche entblößt, im Nordwesten hat die Denudation die
härteren Gesteine, besonders den Porphyr, aus den weicheren heraus-
präpariert und dadurch mannigfaltigere Formen geschaffen.
Ähnliche Schicksale betrafen das Erzgebirge. Zwei große, nord-
östlich streichende Antiklinalen, das eigentliche Erzgebirge im Süden
und das sächsische Granulitgebirge im Norden, schließen ein Mulden-
thal ein, in dem die produktive Steinkohlenformation — der Reich-
tum Sachsens — zur Ablagerung gelangte, und das dann in der
Periode des Rotliegenden zugeschüttet wurde. Die Tertiärzeit rief
auch dies Gebirge wieder in das Leben zurück; aber doch in anderer
Weise, als den Thüringerwald. Der Bruch, der es von der böhmi-
schen Scholle trennt, verläuft im Streichen der erloschenen Falten,
ist also ein Längsbruch; und damit war vermutlich eine Hebung im
Süden verbunden, denn im Norden taucht das Gebirge anscheinend
ohne Bruch unter die jüngere Schichtenfolge unter. So entstand
eine schiefe Fläche mit Steilabsturz nach Süden, jedenfalls ein Ge-
bilde, das der alten Faltungsoberfläche durchaus widerspricht. Wohl
ist das einstige Muldenthal wieder zum Vorscheine gekommen, aber
nur dadurch, daß das Wasser mit der Ausfüllungsmasse des Rotliegen-
den leichteres Spiel hatte, als mit den archäischen Grenzgebieten.
Vorkommen der Rumpfschollengebirge. Die nordöstliche Falten-
richtung, die wir im Erzgebirge und Thüringer Walde kennen gelernt
haben, ist noch einer Reihe anderer Rumpfschollen gemeinsam. So
dem Harz, dem niederrheinischen Schiefergebirge, dem Schwarzwalde
und den Vogesen, dem zentralfranzösischen Plateau; überall fand
die Faltung in der jüngeren Steinkohlenzeit statt Süss faßt sie als
Trümmer eines einst zusammenhängenden Faltengebirges auf, dem
er den Namen des variscischen gab, während es von anderen als
mitteldeutsche Alpen bezeichnet wurde. Schon im östlichen Erz-
gebirge vollzieht sich die Schwenkung in die Südostrichtung der
Sudeten. Nordöstliche Faltenrichtung herrscht auch im böhmischen
Massiv, mit Ausnahme des nach Nord west ziehenden Böhmerwaldes,
dessen Beziehungen zum variscischen System noch der Aufklärung
harren. In einer anderen Gruppe westeuropäischer Rumpfschollen
im südlichen Irland, südlichen Wales, Cornwallis und in der Bretagne,
biegen sich die ebenfalls jungkarbonen Falten aus Ostnordost über
Ost nach Südost um: Süss nennt sie das armorikanische Ge-
birge und stellt dieses den Pyrenäen zur Seite, wie das variscische den
Alpen. Er vermutet auch einen Zusammenhang mit den gleichalten
Falten der iberischen Scholle, die aus der Süd- in die Ostrichtung
übergeheu. Die dritte westeuropäische Rumpfschollengruppe endlich
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Umformung der Faltengebirge.
491
umfaßt das nördliche Irland und Wales, Schottland und Skandi-
navien; das ist Süss’ caledonisches Gebirge, das beträchtlich
älter ist, als die beiden anderen, denn die Faltung vollzog sich hier
schon zwischen Silur und Devon.
Von außereuropäischen Vorkommnissen sind die Massive von
Guayana und Brasilien, Dekan, die Australalpen besonders hervor-
zuheben. Vielleicht ist ganz Afrika von der Wüstentafel bis zur
kapländischen Faltenzone als eine einzige gewaltige Rumpfscholle
aufzufassen. Schon aus diesen Angaben, die nur die wichtigsten
Schollen berücksichtigen, erhellt die geographische Bedeutung dieser
Geländeform.
Als gemeinsamer Charakterzug aller Rumpfschollengebirge kann
nur ihre Zusammensetzung aus archäischen und paläozoischen Ge-
steinsbildungen bezeichnet werden. Nur diese haben an der Faltung
teilgenommen, alle jüngeren Formationen liegen flach oder nur
durch Verwerfungen gestört auf den alten Destruktionsebenen. Kommen
sie in größerer Ausdehnung und Mächtigkeit vor, so müssen wir sie
als aufgesetzte Tafelländer ausscheiden; und gerade hierin zeigt
es sich so recht, wie vorteilhaft es ist, tektonische und orographische
Begriffe auseinanderzuhalten. Das brasilianische Bergland11 ist un-
zweifelhaft eine geographische Einheit, für die die orographische
Bezeichnung Massiv wie geschaffen erscheint Tektonisch haben
wir es als eine Rumpfscholle mit aufgesetztem Tafellande zu defi-
nieren. Rumpfschollengebirge sind nur das Küstengebirge und das
wasserscheidende Gebiet zwischen dem Parana und Tocantius, die
aus Granit, Gneiß und krystallinischen Schiefern bestehen, und die
wahrscheinlich silurischen Sandsteingebirge zu beiden Seiten des
S. Francisco; nur diese haben eine Faltung erfahren. Zwei Drittel
der Rumpfscholle ist aber durch eine Decke von horizontal oder
nahezu horizontal gelagerten Sand- und Mergelgesteinen devonischen,
karbonisclien oder mesozoischen Alters verhüllt, und nur die Thäler
sind zum Teil bis auf die archäische Unterlage eingeschnitten. Solche
Vorkommnisse sind weit verbreitet, wenn sie auch häufig nur unter-
geordnet auftreten und dann den Charakter des Rumpfschollenge-
birges nur örtlich verändern. Ich erinnere z. B. an die silurischen
Tafelreste Skandinaviens, an das nordböhmische Kreidegebiet, an die
jurassischen Causses des französischen Zentralplateaus, an den Alten
Roten Sandstein Schottlands, an das mesozoische Gebirge am Ost-
raude der iberischen Scholle, in dem Duero und Tajo entspringen,
an verschiedene Vorkommnisse im Dekan, vor allein an die große
Trappplatte, endlich an die Karruformation Südafrikas.
Orographie der Rumpfschollengebirge. Man kann es als Regel
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Morphologie des Landes.
aussprechen, daß, je verwickelter der Dmwandlungsprozeß ist, desto
mannigfacher die daraus hervorgehenden Geländeformen sind. Für
die orographische Erscheinungsweise der Rumpfschollengebirge sind
die Anordnung der Verwerfungsspalten, die Unterschiede in der
Widerstandsfähigkeit der Gesteine und die Verteilung der Erosions-
linien in erster Linie bestimmend.
Wie bei den Faltenschollen, giebt es auch hier Quer- und
Längsschollen. Wird aus einer alten Destruktionslläche ein
längeres Stück quer zum Streichen der Schichten herausgeschnitten,
so entstehen häufig Kamm- oder Rückengebirge. Den Thüringer
Wald haben wir als solchen schon kennen gelernt; die Vogesen, der
Schwarzwald sind andere naheliegende Beispiele; das skandinavische
Gebirge dürfte wenigstens für seinen südlichen und mittleren Teil
hier zu nennen sein; in der australischen Kolonie Victoria streichen
die Falten meridional, während der wasserscheidende Rücken
auf eine Länge von beiläufig 500 km äquatorial verläuft. Die
Herausbildung eines fortlaufenden Kammes oder Scheitels ist hier
ausschließlich das Werk der Erosion seit der Zeit, da die Scholle
sich — relativ oder absolut — über die Umgebung zu erheben be-
gann; indem die Thalentwicklung immer tiefer in die Scholle ein-
drang, wurde die Wasserscheide immer schmäler. Für die Anord-
nung der Thiiler waren unzweifelhaft die Abdachungsverhältnisse
zunächst maßgebend, in manchen Fällen aber wohl auch das Streichen
der Schichten, wie man z. B. aus dem wechselnden Verlaufe der
norwegischen Fjorde zu erkennen glaubt.
Auch der Harz ist eine Querscholle, aber von kleinem Umfange.
Hier sind die Thäler strahlenförmig angeorduet, daher kam es
nicht zur Kamm- oder Rückenbildung, und so tritt der Harz als
plateauartiges Massiv in scharfen Gegensatz zum benachbarten
Thüringer Walde.
Als Längsscholle haben wir schon das Erzgebirge genannt.
Vergleichen wir es mit dem niederrheiuischen Schiefergebirge, so
finden wir darin einen gemeinsamen Zug, daß beide ihren Haupt-
längsbruch im Süden haben und daher auch nur hier sich deutlich
als Gebirge abheben, während sie nach Norden allmählich unter-
tauchen. Diese Einseitigkeit kommt aber nur bei dem Erzgebirge
auch orographisch zum Ausdrucke, die Kammlinie liegt am südlichen
Bruchrande, Querthäler gehen nach Norden und Süden aus, die
ersteren sind lang, die letzteren kurz. Dagegen ist das Schiefergebirge
hydrographisch unselbständig, das Rheinthal schneidet es der ganzen
Länge nach entzwei, und dadurch entstanden Abdachungen nach
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Umformung der Faltengebirge.
493
Osten und Westen, denen die Längstbäler der Mosel, Ahr, Lahn.
Sieg und Ruhr entsprechen.
Der Bau des schottischen Hochlandes erklärt sich aus einer
Kombination von Brüchen. Die Randspalten, die die Umrisse
schufen, sind teils Längs-, teils Querbrüche; im Moray Firth stoßen
sie unter einem Winkel von etwa 40° zusammen. Außerdem wird
das Gebirge seihst von zwei Senkungsgräben durchschnitten, von
dem schmalen Gien More mit dem caledonischen Kanal im Norden
und von den breiten Lowlands im Süden. Der nördliche Bruchrand
der letzteren, der geradlinig vom Stonehaven nach dem Firth of Clyde
verläuft, ist in Fig. 169 (B) deutlich erkennbar. So löst sich die
Scholle in drei selbständige Gruppen auf, von denen jede einen
eigentümlichen orographischen Charakter besitzt. Das nördliche
Hochland ist eine schmale Längsscholle, die Wasserscheide ist ganz
Fig. 169. Profil des mittelschottischen Hochlandes, nach A. Getkie.12
(Lange auf die Hälfte reduziert, Höhe wie im Originale.)
1. Altpaläozoische Schiefer, 2. Altpaläozoischer Kalkstein, 3. Granit, 4. Alter roter
Sandstein (Devon), 5. Geschichtete vulkanische Gesteine (Devon), 6. Karbon.
CK Caledonischer Kanal; BN Ben Nevis (1342 m); BL Ben Lawers (1214 m);
B Bruchlinie Stonehaven-Firth of Clyde; OH Ochill Hills.
nahe an die Westküste gerückt, an oder nahe an die Grenze zwischen
Gneiß und Schiefer, ist aber kein zusammenhängender Kamm. Im
strikten Gegensätze zum Faltenbaue, der nordöstlich ziehende Ketten
verlangen würde, herrscht ostwestliche Parallelgliederung ; die kurzen
Bergzüge sind nur durch die Erosion herausgeschnitten worden.
Überschreiten wir das caledonische Thal, so treten wir in einen Gürtel,
wo Falten- und Kettenrichtung nahezu übereinstimmen, aber Fig.
169 zeigt uns, daß auch hier Denudation und Erosion die formbil-
denden Elemente waren, indem sie Sattelbiegungen in Thäler und
Mulden in Berge umschufeu. Begeben wir uns weiter nach Osten,
so sehen wir die Denudation durch das Auftreten granitischer Ge-
steine beeinflußt. In der Nähe des Eruptivstockes Macdui teilen sich
die Bergzüge gabelförmig, der eine nach Nordosten, der andere nach
Osten, und schließen das Deethal ein. Solche mehr oder minder
umfangreiche Ernptivmassen, die die fortschreitende Abtragung aus
der Destruktionsfläche herausschält, tragen allenthalben dazu bei,
Rumpfgelände mannigfaltiger zu gestalten. Die vier Einzelberge,
die sich als weithin sichtbare Landmarken über das Harzplateau
erheben, der Brocken (1142 m), der Ramberg (575 m), Auerberg
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Morphologie des Landes.
(575 m) und Ravensberg (660 in), bestehen aus Granit, bezw. Por-
phyr. Aber auch feste Sedimentbänke treten scharf aus der Um-
gebung hervor, so die langgestreckten, quarzitischen Acker- und
Bruchberge im Harz, die Höhenrücken des Taunusquarzites im sonst
so eintönigen niederrheinischen Schiefergebirge, die phantastischen
Felsenmauern aus mitteldovonischen Konglomeratbänken, die manche
Gegenden der Ardennen schmücken, n. s. w. — die Zahl solcher
Beispiele ließe sich nach Belieben vermehren. Wo aber das Ge-
steinsmaterial ziemlich gleichmäßig ist, und die Thäler weite Zwischen-
räume lassen, hat die Destruktionsfläche ihren Charakter noch ge-
wahrt. Wer vermöchte, wenn er über die Eifel (Fig. 170) wandert,
und wenn sein Auge nicht geologisch geschult ist, zu erkennen, daß
er auf gefaltetem Laude steht? Wie im zerschnittenen Tafellande,
so enthüllt sich auch hier der Gebirgscharakter nicht auf der Höhe,
Maimagen Birgel Gerolstein
Fig. 170. Profil der Eifel.
b unterdevonische Grauwacke, c Schiefer und Sandstein, d Kalk, m Buntsandstein.
sondern tief unten im Tliale. Indes so sehr auch solche Rnmpf-
sehollenplateaus den flachgeschichteten ähneln, im Einzelnen gewahrt
man doch wesentliche Unterschiede. Denn eine völlige Gleichmäßig-
keit ist innerhalb eines Schichtenkomplexes niemals vorhanden, und
auf einem abgehobelten Faltengebirge sind die Härteunterschiede
horizontal nebeneinander, in einem Tafellande vertikal untereinander
gelagert.
Genetische Einteilung des Faltenlandes.
I. Urform: Faltengebirge:
1. Gleichförmige,
2. Ungleichförmige.
a) Einfache,
b) Zusammengesetzte.
a) Asymmetrische,
ß) Symmetrische,
}-) Zonale.
II. Umformung durch Bruch:
1. Faltengebirge mit zerbrochener Innenzone,
2. Gebrochene Faltengebirge,
3. Faltenschollengebirge.
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Umformung der Faltengebirge.
495
a) Längsschollen,
b) Querscholleu.
III. Umformung durch Destruktion:
1. Rumpfgebirge,
2. Destruktionsfläche.
IV. Umformung durch Bruch und Destruktion: Rumpf-
schollengebirge:
1. Längsschollen,
2. Querschollen.
Wir können auch von orographischen Kategorien ausgehen und
erhalten dann:
1. Kettengebirge:
1. Faltengebirge,
2. Faltengebirge mit zerbrochener Inuenzoue,
3. Gebrochene Faltengebirge,
4. Rumpfgebirge.
II. Schollengebirge: Kammgebirge, Massive:
1. Faltenschollengebirge,
2. Rumpfschollengebirge.
III. Flachland: Destruktionsflächen.
Mehr noch, als bei unseren Erörterungen über die Oberflächen-
formen flachgelagerter Schichten, fühlen wir hier die Unzulänglich-
keit der geologischen Erkenntnis. Es ist z. B. nicht möglich, die
durchgreifenden Gebirge der Sahara oder des inneren Australiens —
und manche derselben sind von ansehnlichen Dimensionen — mit
Sicherheit in unserem System unterzubringen. Gerade deshalb —
und wir wollen es nochmals betonen — muß man das orographiselie
und das genetische System auseinanderhalten, wenigstens ist die Zeit zu
einer Verschmelzung noch nicht gekommen. Wir haben zwar oben
einige orographiselie Formen mit genetischen identifiziert, aber
wir sind durchaus nicht sicher, daß wir auch nur in den Haupt-
typen Vollständigkeit erzielt haben. Der Reisende, der unbekannte
Gegenden flüchtig durcheilt, wird gut daran thun, sich nur der
orographischen Terminologie zu bedienen; die äußere Form ist dem
geübten Auge leicht erkennbar, der innere Bau erfordert intensive
Forschung. Selbst geologisch gut studierte Gebiete bieten uns noch
manche Probleme; das wichtigste derselben werden wir im nächsten
Kapitel kennen lernen.
Litteraturnacliweise. 1 Vgl. Theos. Fische«, Wissenschaftliche Oro-
graphie der Iberischen Halbinsel, in Petermanns Mitteilungen 1894. — 5 Nau-
mann, Bau und Entstehung der japanischen Inseln, Berlin 1885; Geologische
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496
Morphologie des Landes.
Karte in d. Mitteil. d. Wiener Geographischen Gesellschaft, 1887. Haraha,
Die japanischen Inseln, Berlin 1890. — 8 Rkyer, im IV. Beilage-Bande z. Neuen
Jahrbuch f. Mineralogie etc. 1886, S. 291. — 4 Diu.es im Bulletin of the U. S.
Geological Survey, Nr. 33, 1886. — 5 Haoüe, Geology of Eureka District, im
3. Annual Report of the U. S Geological Survey, 1881 — 82. — * Im 40. Bde.
der Denkschriften der Wiener Akademie der Wissenschaften, Math naturwiss.
Klasse, 1880. — 7 Fhilippson , Der Peloponnes, Berlin 1892. — 8 Neuere Ar-
beiten über dieses Gebiet von Bell, Lawsox, Low, üawson s. in den Jahres-
berichten d. Geological Survey of Canada. — ® Davis im Bulletin of the
Geological Society of America, 1891, Bd. II, S. 545. — 10 Prüsciioldt, Der
Thüringer Wald, Stuttgart 1891. Regel, Thüringen, I. Bd., Jena 1892. —
11 Derby, Physikalische Geographie und Geologie von Brasilien, in d. Mit-
teilungen der Geographischen Gesellschaft in Jena, 1886. — '* Geikie, The
Scencry of Scottland, London 1887.
Flexurgebirge.
Faltengebirge bestehen aus Antiklinalen und Synklinalen, Flexur-
gebirge sind einfache Antiklinalen, Flexurstufen (s. S. 457) sind halbe
Antiklinalen.
Geschlossene Flexurgebirge. Der Typus eines geschlossenen
Flexurgebirges, d. h. eines solchen mit erhaltener Wölbung, sind die
Uinta- Mountains, die quer durch das Tafelland des Colorado vom
Wahsatch- gegen das Felsengebirge hinüberstreichen. Ihre Länge
beträgt 240 km, die Breite 50 — 60 km, in der Mitte steigen sie bis
4200 m über den Meeresspiegel, 2300 m über das Tafelland empor.
Fig. 171. Profil des Uinta-Gebirges von Powell.
1. Archäisch, 2 . Uinta-Sandstein, 3. Karbon, 4 u. 5. Mesozoisch, 6. Tertiär,
V Verwerfung.
Es ist also nach allen Dimensionen ein bedeutendes Gebirge und
doch von wunderbar einfachem Baue. Nur an der Nordseite tritt
eine Verwerfung (V in Fig. 171) störend ein, und am Südschenkel,
östlich vom Green River, zeigt sich in dreimaliger flachwelliger
Schichtenbiegung ein schwacher Ansatz von Faltung.1 Der tekto-
nischen Einfachheit entspricht die orographisehe; Querthäler laufen
von dem Sattelkamme nach Norden und Süden aus, und nur dem
gewundenen Durchgangsthale des Green River verdankt das Gebirge
eine reichere Gliederung. Aber auch dieses Thal ist ausschließ-
lich Erosionswerk.
Verwickelter ist der Bau des Felsengebirges. Wir wählen
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Flexurgebirge.
497
zur Erläuterung ein Profil in etwa 40° B. Wir nähern uns dein
Felsengebirge von Osten und erreichen in Boulder eine Seehöhe von
1609 m. Hier sehen- wir die sonst Hachgelagerten Kreideschichten
steil emporsteigen; ihre Schichtenköpfe bilden parallele Vorketten,
von den Amerikanern plastisch Hogbacks (Schweinsrücken) genannt.
Nun folgt die breite archäische Coloradokette, deren höchster Punkt
hier, der Arapahoe Peak, 4120 m über dem Meere liegt. Im Westen
senkt sich die Kette zu den flachen Depressionen des Parks, die
mit Sedimenten ausgefüllt sind; die Thalböden haben hier 2200 bis
Whür* River Ploicau.
Colorado
Park Middle Range
Range Park
Pr arten.
Afppresn iveau
E~~H Archaisch, 223 Paläozoisch. r~1 Mesozoisch, 1 I Thrtiär
Fig. 172. Geologisches Profil des Felseilgebirges, nach Hayden (Atlas von Colorado).
2500 m Höhe. Von der zweiten archäischen Kette, der Parkkette
(Lone Peak, 3440 m), sehen wir in unserem Profile nur einen schmalen
Ausläufer. Den westlichen Abschluß macht die Riesenantiklinale des
White River Plateau (höchster Punkt 3679 m); in den Grand Hog-
backs biegt sich der paläo- und mesozoische Schichtenmantel in
die Tiefe und verschwindet unter den Hachen Tertiärschichten des
Green River Plateaus, das hier etwa 2600 m über Meer hegt
Theorie. Die amerikanischen Geologen , bisher nur an die
regelmäßige Faltenaufeinaudorfolge der Alleghanies gewöhnt, standen
hier vor einem neuen Probleme. Die einfachen Schichtenbeugungen
am Rande, die große Ausdehnung der krystalliuisehen Zonen, die
gewaltigen Gewölbe — das alles findet in den echten Faltengebirgen
kein Analogon. Die Ansichten über die Entstehungsweise dieses Gebirge
gehen daher ziemlich weit auseinander. Zunächst entsteht die Frage, ob
die beiden Ketten des Felsengebirges einst ebenso von Sedimenten
überlagert waren, wie jetzt noch das White River Plateau; und wer
dieser Ansicht huldigt, wie es die älteren Erforscher, Hayden und
Powxll, gethan haben, muß zu vertikalen Dislokationen seine Zuflucht
nehmen, sei es, daß man im Sinne der Amerikaner die Gebirge
durch einfache Hebung Uber die Umgebung emporwachsen läßt, sei
es, daß man mit Suess die Umgebung sich senkend denkt, während die
heutigen Gebirge keilförmig stehen bleiben. Im letzteren Falle wäre
das Flexurgebirge genetisch in dieselbe Kategorie zu stellen, wie
die Flexurstufe und durch Bruch aus Flachschichtung hervorge-
gangen. Daß dieser Prozeß sich thatsächlich im Coloradogebiete an
Süpax , Physische Erdkunde. 2. Aufl. 32
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498
Morphologie des Landes.
verschiedenen Stellen abspielte (vergl. S. 459), hat die Verbreitung
der SüEssschen Theorie jedenfalls begünstigt. Die neueren Unter-
suchungen sind aber zu wesentlich anderen Ergebnissen gelaugt.
Namentlich Emmons 2 vertritt die Ansicht, daß die archäischen Massen
der Colorado- und Parkkette und des Sawatcli . uralte Festländer sind,
und daß die Sedimente nur an den Rändern, also als Uferbildungen
abgelagert und dann durch seitlichen Schub in Falten gelegt wurden.
Nur waren diese Falten einseitig ausgebildet, mit sanft ansteigendem
Ost- und steil abfallendem Westschenkel; dies erzeugte Einbrüche
mit Senkung des Westflügels, wodurch eine Art Schuppenstruktur
entstand. Nach dieser Theorie, die zunächst zur Erklärung der
Lagerungsverhältnisse in der Moskitokette diente, ist also das Felsen-
gebirge vonColorado nur eine Abart von Faltengebirgen; und in derThat,
Übergänge aus der einen in die andere Form sind hier nicht selten.
Wir verweisen auf die Erfahrungen in der Moskitokette, auf den
höchst verwickelten Bau der Elk Mountains mit ihrer schönen,
liegenden Falte ; auf das plötzliche Auftreten echter Faltenzüge
nördlich vom Wahsatchgebirge bis zur Basalttafel des Snake River.
Ja das Felsengebirge selbst nimmt schon in Montana den Typus
eines Faltengebirges mit antiklinalen Kämmen und Synklinalen
Thälem an, wie Hayes schon 1871 richtig erkannt und Peale erst
jüngst wäeder bestätigte hat.3 Auf die echten Flexurgebirge nach dem
Typus der Uinta Mountains findet die EMMOxssche Theorie zwar
keine Anwendung, indes sind auch hier, wie wir bereits erwähnten,
Andeutungen von Faltung erkennbar. Noch ausgeprägter ist der
Übergang im Libanon, dessen breite und flache Antiklinale sich im
Süden in eine Doppelfalte auflöst.4 Erinnern wir uns daran, was
auf S. 408 über die beiden Komponenten der faltenden Kraft gesagt
wurde, so sind unserer Meinung nach die Beziehungen von Flexur-
und Faltengebirgen nicht schwer zu deuten. Erstere entstehen dann,
wenn die vertikale Komponente fast ausschließlich in Wirksamkeit tritt.
Das Wesen jener Kraft bleibt dabei freilich noch ganz im Dunkeln.
Aufgelöste Flexurgebirge. Natürlich gilt von dem Flexurgebirge
dasselbe, wie von allen anderen: sie sind Ruinen. Selbst von der
Uintakette ist nach Powells Schätzung eine mehr als 9000 m
mächtige Sedimentmasse entfernt worden, aber trotzdem hat dieses
Hochgebirge seinen geschlossenen Charakter noch bewahrt. Wechseln
dagegen Schichten von erheblich verschiedener Widerstandskraft, so
wird das Flexurgebirge in Landstufen aufgelöst, und nur in der
Anordnung der letzteren ist die einstige Gestalt noch wiederzuer-
kennen. In den „Swells“ des Colorado-Tafellandes, einseitigen,
flachen Antiklinalen, die aus einem Sedimentmantel und einem
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Flexurgebirge.
499
Granitkern bestehen, können wir verschiedene Stadien dieses Denu-
dationsprozesses studieren.6 Eine der merkwürdigsten Gebirgsbil-
dungen sind die Black Hills von Süd-Dakota, eine beulenförmige
Auftreibung der Erdkruste von 140 km Länge und 60 km Breite.
Im Innern sehen wir ein altes Gebirge aus Granit und krystallini-
schen Schiefern entblößt, von dem allseitig Potsdam-Sandstein,
Kohlenkalk, Trias, Jura und Kreide abfallen, um dann in die flache
Lagerung der Prärien überzugehen. Kohlenkalk und gewisse Granite,
die der Denudation den größten Widerstand entgegensetzten, bilden
jetzt, die höchsten Erhebungen (ca. 1000 m Uber der Ebene), während
die Zerstörung der triassischen Gesteine eine ringförmige Depression
d ...
Fig. 173. The Weald nach Ramsay.
schuf, der die Indianer den bezeichnenden Namen „die Rennbahn“
gegeben haben. Ein bescheidenes europäisches Gegenstück dazu liefert
der wohlbekannte Weald im Süden des Londoner Beckens. Die
Mitte nimmt der unterkretacelsche Hastingssand (o in Fig. 173), ein
niederes Hügelland, ein, dann folgen die Ebenen des wenig wider-
standsiähigen Wealdenthons (6), dann unterer Grünsand (c), schwach
hervortretende Landstufen bildend, endlich oberer Kreidekalk (cf),
der sich als North und South Downs steil über das zerstörte Ge-
wölbe erhebt Daß die Downs echte Denudationsstufen sind, unterliegt
keinem Zweifel , aber die ursprüngliche Öffnung der Antiklinale,
wodurch Schichten von wechselnden Härtegraden dem Spiele der
Atmosphärilien preisgegeben wurden, schrieb Ramsay der Abrasion
in der Eocänzeit zu. Man glaubte dieser Hypothese entbehren zu
können und mit der Denudation auszureichen, aber merkwürdig ist
es immerhin , daß die festländische Fortsetzung des Weald , die
Schwelle von Amiens, noch geschlossen ist
Litteraturnach weise. 1 White, Gcology and Physiography of a Portion
of Northwestern Colorado, im IX. Jahresber. d. U. S. Geological Survey,
1887 — 88. — ' Emmons, Geology and Mining Iudustry of Leadville, Washington
1886; Orographic Movements of the Rocky Mountains im Bulletin of the
Geological Society of America, 1890. — 3 Peale im Bulletin of the U. S. Geo-
logical Survey, Nr. 110, 1893. — 4 Bi-anckenuobn, Die Strukturlinien Syriens,
in der RicHTHOEEn-Festschrift, Berlin 1893. — 1 Duttok, Mount Taylor and the
Zufii Plateau, im 6. Annual Report of the U. S. Geological Survey, 1885.
32*
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500
Morphologie des Landes.
Vulkanische Berge.
Auf S. 309 wurden diejenigen Bodenformen genannt, die aus
vulkanischen Ausbrüchen hervorgeheu. Von den negativen sehen
wir hier ab, von den positiven Formen haben wir die Tafel schon
im Kapitel Uber die Flachschichtung besprochen; es bleibt uns also
nur noch die Aufgabe übrig, vulkanische Berge und Gebirge in
ihren morphologischen Eigenschaften kennen zu lernen.
Ihrem Baue nach unterscheidet man geschichtete oder Strato-
vulkane und homogene Vulkane. Sind sie noch thätig, so erleiden
sie schon dadurch mehr oder minder durchgreifende Veränderungen
(vgl. Fig. 77 auf S. 304) und in diesen Beziehungen unterscheiden
sie sich von allen anderen Bodenformen, die wir — wenigstens im
Vergleich zu unserer Kurzlebigkeit — als etwas gegebenes, starres
zu betrachten gewohnt sind, an denen nur die destruktiven Kräfte
arbeiten. Ja sogar von völligen Neubildungen, auch auf dem
Lande, meldet uns die Geschichte. 375 v. Chr. ist das Geburtsjahr
des Vulkans auf der griechischen Halbinsel Metliana, der aber nicht
mehr thätig ist, und in das Jahr 286 v. Chr. verlegt die Tradition
die Entstehung des japanischen Vulkans Fusijama (3769 m hoch).
Viel jünger ist der Monte Nuovo (139 m hoch) in den phlegräischen
Feldern, der seit seiner Bildung im Jahre 1538 keinen Ausbruch
mehr erlebte. In das Jahr 1759 fällt die Entstehung des Vulkans
Jorullo in Mexiko (1309 m hoch); um 1793 entstand der Vulkan
von Izalco in San Salvador, der eine relative Höhe von 292 m er-
reicht. Einer derjüngstenx vulkanischen Berge ist der von Leon in
Nicaragua (14. November 1867), der etwas über 60 m hoch, und
dessen Krater ebenso tief ist Er stellt uns also die einfachste
Form eines vulkanischen Berges, die einer wallartigen Umrahmung
der Ausbruehsstelle dar.
Stratovulkane. Alle Stratovulkane sind aufgesetzte Bodeu-
formen, und über der heutigen Erdoberfläche durch Aufschüttung
entstanden. Ihre naturgemäße Gestalt ist der Kegel, der bei manchen
Vulkanen, wie beim Cotopaxi oder heim Pic von Orizaba (Fig. 174),
noch in wunderbarer Reinheit erhalten ist. Aber die Erosion in
den Zeiten der Ruhe und heftige Eruptionen (besonders seitliche,
die einen Teil des Kegels zerstören) verändern meist die ursprüng-
liche Gestalt, wenn auch selten bis zur völligen Unkenntlichkeit,
X Berohaüs’ Geologischer Atlas (Blatt 3) führt noch ein paar Neubildungen
aus den 80er Jahren an, über die uns aber sonst nichts bekannt geworden ist
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Vulkanische Berge.
501
wie beim Pinchincha in Quito, der dem Beschauer jetzt als eine
breite Mauer mit vier Gipfeln erscheint. Da die schwereren Aus-
würflinge zunächst der Eruptionsöffnung niederfallen, die leichteren aber
weiter getragen werden, so nimmt der Böschungswinkel der Gehänge
in der Regel von oben nach unten ab. Bei dem Vulkan von Pico
(Azoren) beträgt er am Fuß 3°, weiter oben 6 — 12° und in der
Nähe des 2500 m hohen Gipfels 30 — 35°. Am flachsten sind die
reinen Tufikegel.
Fig. 174. Pik von Orizaba (aus dem Wald von Jalappa gesehen)
nach A. von Humboldt.
Den Gipfel krönt eine trichterförmige Einsenkuug von kreis-
ähnlicher oder ovaler Form: der Krater, auf dessen Boden sich
die Mündungen des Eruptionskanals befinden, die aber in der Zeit
der Ruhe verstopft sind. Bestehen die Wände des Kraters nur aus
lockerem Material, so neigen sie sich trichterförmig flach dem
Innern zu; die der Felskrater sind dagegen steil.1 Der Durchmesser
ist verschieden und steht in keinem bestimmten Verhältnisse zur Höhe
des Berges. x Auch der Krater ist fortwährenden Veränderungen unter-
worfen. Heftige Eruptionen können ihn zu einem großen Zirkus
mit steilen, immer mehr einstürzeuden Wänden erweitern, und eine
ähnliche Form kann auch die Erosion in langen Ruhepausen er-
zeugen. Mit der Erweiterung des Kraters geht aber seine Ver-
dachung stets Hand in Hand. Auf diese Weise entstanden jene
mächtigen Ringgebirge, die große Kesselthäler einschließen. Eines
x Stromboli, 670, Ätna ca. 700, Kilauea ca. 4700, Tengger auf Java, der
größte thätige Krater, gegen 4900 m.
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502
Morphologie des Landes.
der berühmtesten Beispiele eines solchen Kesselthaies ist die Caldera
auf Palma, die durch eine schmale Schlucht (Barranco) entwässert
wird.
Von größter Bedeutung für den Bau eines Vulkans ist es, ob
die Eruptionsstellen konstant bleiben oder sich verschieben. Vier
Fälle sind möglich. Benutzt die neue Eruption den vorhandenen
Kanal, so findet sie auf dem Boden des alten Kraters statt, und es
entstehen innerhalb desselben einer oder mehrere Auswurfskegel, die
ebenfalls Krater besitzen, in denen sich unter gleichen Umständen
wieder neue Kegel aufbauen können. Findet aber die neue Eruption
auf einer Seite des alten Kraters statt, so wird ein Teil desselben
zerstört, wie beispielsweise die Somma des Vesuv durch den Ausbruch
von 79. x Solche Vulkane erscheinen dann doppelgipfelig (Fig. 75 u. 7ti
auf S. 300 u. 301). Häufig suchen sich aber die vulkanischen Ge-
Fig. 1 75. Neapolitanischer Vnlkandistrikt.
walten an den Abhängen des Kegels neue Bahnen und bauen hier
seitliche Eruptionskegel auf, die mit dem alten eine vielgipfelige
Bergmasse bilden. Der Ätna hat mehrere hundert und der Ge-
lungung auf Java mehr als tausend solcher Kegel. Findet aber auf
beschränktem Terrain jede neue Eruption an einer anderen Stelle
statt, so kommt es zwar zur Bildung von vielen, aber nur von
kleinen Kegeln. Die Phlegräiscben Felder bei Neapel zählen auf
einer Fläche von ca. 220 qkm 27 (Fig. 175) und der Isthmus von
Auckland auf einer ungefähr doppelt so großen Fläche 63 selb-
ständige Ausbruchsstellen.
x Franco und Palmieri vertreten die Meinung, daß die Südseite der
Somma als die Wetterseite von jeher niedrigerer war.
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Vulkanische Berge.
503
Die Höhe der Vulkankegel hängt einerseits von ihrem Alter,
anderseits von der Art der Eruptionen ab. Maßgebend ist aber
nur die relative Höhe; und es ist dies besonders zu berücksichtigen
bei den zahlreichen Andesvulkanen, die auf einem gewaltigen Ge-
birgssockel ruhen. Als höchster Vulkan gilt die Kliutschewskaja
Sopka auf Kamtschatka, 4900 m, die also noch den Montblanc an
Höhe übertrifft.
Bei ruhiger, gleichmäßiger Thätigkeit und genügendem Lava-
ergusse wächst ein Vulkan kontinuierlich; wechseln aber Ruhepausen,
in denen die Erosion ungehindert arbeitet, mit Perioden heftiger
Ausbrüche, bei denen nicht selten der ganze obere Teil des Berges weg-
geblasen wird, so variiert die Höhe ziemlich stark. Der Vesuv war
z. B. 1832 1140 m und 1855 1286 m hoch und sank am Ende dieses
Jahres auf 1235 m herab, erreichte 1867 eine Höhe von 1387 m
und maß nach 1872 nur mehr 1297 m.
Umwandlung durch Denudation. Erloschene Vulkane sind
fertige OberHächengebilde, wie andere Berge, und nun gelangt die
Fig. 176. Durchschnitt aus dem böhmischen Mittelgebirge nach Jok£ly. n Basalt-
ströme, b Basaltgang, c Tut!- und Konglomerat, d Glanzkohle. zeigt den
einstigen Zusammenhang an.
Denudation zur Alleinherrschaft Der Krater verfällt von selbst der
Abtragung durch den Wind; Aschenkrater verschwinden völlig;
Felskrater erhalten sich lange, doch häuft sich am inneren Fuße
ein Schuttband an , das die schlotförmige Kratergestalt in eine
kesselförmige verwandelt.
Das fließende Wasser schafft regelmäßige Rinnen, die mit zu-
nehmender Breite und Tiefe vom Gipfel bis zum Fuß herabziehen
und durch ebenso regelmäßige Rippen getrennt werden. Den Gunung
Sumbing auf Java, an dem die radiale Thalanordnung besonders
regelmäßig entwickelt ist, hat man sehr passend mit einem halb-
geöffneten Regenschirm verglichen. Sehr anschaulich schildert
Dana3 die beiden hawaiischen Inseln Oahu und das später er-
loschene Maui. Jede ist das vereinigte Werk zweier Vulkane, eines
westlichen und eines östlichen. Ost-Maui hat durch Denudation
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504
Morphologie des Landes.
noch wenig eingebüßt ; an der Windseite hat es enge Schluchten,
an der Leeseite aber nur seichte Rinnen. West-Maui ist schon
tiefer eingeschnitten, aber die Kegelform ist dadurch nur wenig
alteriert worden. Dagegen existiert von dem Kegel Ost-Oahus nur
mehr ein Teil, und noch mehr reduziert ist West-Oahu, so daß man
über die Lage der Krater nur Vermutungen anstellen kann.
Auch Lavaströme werden zu Erosionsgebirgen zerschnitten; so
besteht z. B. das • sogenannte Böhmische Mittelgebirge nach JokAly
aus wechselnden Tuffschichten und Basaltlagen, die von jüngeren
Basalten durchbrochen wurden. Diese letzteren erscheinen als iso-
lierte Kegel oder als langgestreckte Rücken mit meist auffällig
scharfen und zackigen Umrissen (Fig. 176).
Homogene Vulkane. Am leichtesten wird natürlich der Aschen-
kegel zerstört, doch ist er bei einigen Vulkanen, die seit der vor-
geschichtlichen Zeit ruhen, wie bei den Puys der Auvergne oder
bei der Rocca Monfina zwischen Rom und Neapel noch erhalten.
In der Mehrzahl der Fülle bleiben aber nur die lavagefüllten
Schlote, das feste Gezimmer des einstigen Vulkans, übrig. Schon
auf S. 301 wurde die Vermutung ausgesprochen, daß wenigstens
manche geschichtete Vulkane einen Lavakern bergen. Eine direkte
Beobachtung liegt freilich nur von Tahiti vor. Der große Vulkan-
kegel im nordwestlichen Teile dieser Insel ist durch radiale Erosion
bis zu einer Tiefe von 600 — 1200 m aufgeschlossen. Während in den
unteren Thälern die Gehänge aus wenige Meter mächtigen Lava-
bänken in Wechsellagerung mit Tuffen und Konglomeraten sich auf-
bauen, nehmen die Lavabänke thalaufwärts an Mächtigkeit zu, und
besteht der ganze zentrale Teil aus einer homogenen, ungeschich-
teten Lavamasse.3 Wird die Aschen- und Schlackenhülle beseitigt,
so tritt der blanke Kern zutage und erweckt, wenn nicht zufällig
noch Reste der geschichteten Massen vorhanden sind, den Schein
eines ursprünglich homogenen Vulkanes, eines Lavakegels. Zahl-
reiche steile Basaltkegel dürften als solche aufgedeckte Formen
zu deuten sein.
Die Denudation beschränkt sich aber nicht bloß auf die Zer-
störung der oberflächlichen Vulkanbild ungen, sondern kann, indem sie
die alte Oberfläche selbst Schicht für Schicht abträgt, auch die
Wurzeln der Vulkane bloßlegen. Manche Teile des Tafellandes
von Colorado werden von „Necks“ geradezu durchschwärmt. Es
sind Lavakegel oder Kuppen ohne Lavaströme, ohne Aschenkegel,
ohne irgend welche lockere Auswürflinge, also offenbar aufgedeckte
Ausfüllungsmassen vulkanischer Schlote; und von der Richtigkeit
dieser Erklärung kann man sich nirgends besser überzeugen, als
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Vulkanische Berge.
505
gerade hier, wo alle Stadien der Ausschälung dieser einst unter-
irdischen Kerne zu beobachten sind.4
Neben solchen Denudationsbildungen giebt es aber unzweifel-
haft auch ursprünglich homogene Vulkane, die aus Lava-
eruptionen hervorgegangen sind, wenn es auch nur durch eingehende
Untersuchungen des inneren Baues gelingen kann, sie von den denu-
dierten zu scheiden. Verhältnismäßig leicht lassen sich, wie Reyeb
gezeigt hat, homogene Kuppenberge als solche erkennen. Zähflüssiges
und dampfarmes Magma zerstäubt nämlich nicht, sondern staut sich
über der Ausbruchsstelle zu einem stumpfen, aber steilen Kegel an,
über dem sich die nachdrängende glutflüssige Masse stromartig
Fig. 177. Profil eines homogenen Vulkankegels nach Reyer.
ausbreitet. Bei der Erstarrung sondert sich die Lava platten-
fijrmig ab, in der Weise, wie es Fig. 177 im Durchschnitte darstellt.
Eine, an allen Seiten des Berges deutliche Zwiebelstruktur zeigt also
wenigstens an, daß er nicht das Ende oder ein Teil eines mächtigen
Lavastromes ist, sondern an Ort und Stelle aus dem Erdinnem
hervorgequollen ist und sich zu einer Kuppe geformt hat, in derselben
Weise, wrie 1866 in Santorin die Inseln Georgios und Aphroessa ent-
standen sind (s. S. 305). Echte Krater fehlen den homogenen Vul-
kanen beider Kategorien, wenn auch kraterähnliche Vertiefungen
vorhanden sind.
In der Regel treten die homogenen Vulkane als vereinzelte
Kegel oder gesellig in der Form mehr oder minder geschlossener
Kuppengebirge, oder als umfangreichere Gebirgsstöcke (Massivs)
auf. Seltener sind die vulkanischen Kammgebirge, die wir auf
Labialeruptionen zurückgeführt haben. Eines der ausgezeichnetsten
Beispiele ist die siebenbürgische Hargita, ein 1200 km langer, 30 km
breiter und 1400 — 1800 m hoher Gebirgszug. Den Kamm bildet
Andesitlava, die Flanken begleiten aber noch vulkanische Brec-
cien, Konglomerate und Tutte. —
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506
Morphologie des Landes.
Greift die Denudation noch tiefer, so können sogar krypto-
vulkanische Bildungen zu Tage gefördert werden. Trachytische
Lakkolithen, die in der Gestalt unregelmäßiger großer Brode oder
Kuchen weite Hohlräume des Erdinnern erfüllen, kennt man bisher
allein im westlichen Hochlande von Nordamerika. Fig. 178 stellt
uns einen aus der Lakkolithengruppe
der Henry Mountains dar; eine
weitläufige Erläuterung des Protiles
erscheint uns iiberfiüssig, da die
eigentümlichen Verhältnisse, unter
denen sie Vorkommen, kein geogra-
phisches Interesse bieten. Suess hat
Fig. 178. Mount Hiliers in den Henry Vermutung ausgesprochen, daß
Mountains (schwarz Trachyt, hell Sedi- , , M . L n . .
mentgestein) ftUCll 1113.110116 6Urop31SCll6 (jrr311lt-
stocke, wie in den Vogesen und im
Erzgebirge oder der Drammengranit im Gebiete von Kristiania
ursprünglich krvptovulkanisch waren, und nannte sie Batholitlien.
Einteilung der vulkanischen Bodenformen:
I. Urformen:
1. Kegel (Kuppengebirge, Massivs),
a) Geschichtete Kegel,
b) (Ursprünglich) homogene Kegel;
2. Kammgebirge,
3. Tafeln.
n. Denudatiousformen :
1. Kernmassen geschichteter Vulkane
(sekundäre homogene Kegel),
2. Bloßgelegte Gänge.
3. Lakkolithen und Batholitlien.
Es erübrigt nur nochzu bemerken, daß im Gegensätze zu der be-
scheidenen Rolle, die der Vulkanismus in der Gegenwart spielt, die
Anteilnahme der Eruptivmassen an der Zusammensetzung des Ge-
ländes einerseits durch die großen Tafeln, anderseits durch die De-
nudationsformen eine sehr beträchtliche ist v. Tillo ermittelte das
Areal nur der jüngern Eruptivgesteine mit nahezu 4 Mill. qkm,
d. h. 4 Prozent der geologisch bekannten LandoberHäcke.
Litteraturnaclnveise. 1 Sapper, Kratertypen von Mexico u. Guatemala,
in Petermanns Mitteilungen 1894. — ' Dana eit. S. 322. — 8 Dana, A dissected
volcanic Mountain, im American Journal of Science 1886, Bd. XXXVII. —
4 Dltton cit. S. 499.
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Gliederung der Gebirge.
507
Gliederung der Gebirge.
Alter der Thäler. Die heutige Thalbildung begann in jedem Ge-
birge mit dem Zeitpunkte, da es seine gegenwärt ige Gestalt erhalten
hat. In Sehollengebirgen lebt sicherlieh keine Thallinie aus der
Periode der ursprünglichen Form noch fort, wenn sie auch hier und da
eine bruchstückweise Wiederbelebung erfahren haben mag. Außer-
ordentlich schwierig ist das Alter der Thäler in Kumpfgebirgen zu
bestimmen, solange wir über deren mannigfachen Schicksale nicht
besser aufgeklärt sind; ist doch, wie wir gesehen haben, in Amerika
die Behauptung aufgestellt worden, daß die heutigen AUeghanies-
thäler nicht Uber die Tertiärzeit zurückreichen.
Aus dem Satze, den wir an die Spitze dieses Kapitels gestellt
haben, darf aber nicht abgeleitet werden, daß erst das Gebirge fertig
dastand und dann die Thalbildung begann. Jede Oberflächenform
entwickelte sich allmählich, und die Erosion setzte sofort ein, sobald
sich das embryonale Gebirge über den Meeresspiegel erhob. Die
Faltung setzte sich in unseren Alpen jedenfalls fort, als Thäler
schon ausgegraben waren; und da uns die Geschichte dieser Gebirgs-
bildung mit ihren Störungen nur ganz fragmentarisch bekannt ist,
dürfen wir uns nicht wundern, daß so manches in der Gestalt und
Anordnung der Thäler uns unverständlich bleibt
Längs- und Querthäler. Von Längs- und Querthälern im rein
orographischen Sinne kann man zwar in allen Gebirgen sprechen,
die nach einer bestimmten Richtung sich erstrecken, aber nur in
Kettengebirgen verbinden sich mit jenen orographischen Begriffen
auch tektonische, indem die Längsthäler nicht bloß in der Streich-
richtung des Gebirges, sondern auch in der der Schichten verlaufen und
die Querthäler die letzteren durchschneiden. Ja, das Längsthal hat
auch eine genetische Bedeutung, wenn auch die ursprünglichen,
Synklinalen Thäler seltener sind, als die antiklinalen und isoklinalen,
die wir als Erosiousbildungen längs tektonischer Linien zu be-
trachten haben. Einen solchen, wenn auch nur indirekten, Zusammen-
hang mit der Faltung beweisen die großen Längslurchen vieler Gebirge,
durch die mehrere Flüsse, nur durch niedere Wasserscheiden ge-
trennt, häufig in entgegengesetzter Richtung fließen. In den
Alpen sind die bedeutendsten dieser Längsfurchen folgende: 1) die
Linie Martigny-Chur (Rhönethal, Furkapaß, Urserenthal, Oberalppaß,
Rheinthal); 2) die Linie Feldkirch- Wörgl (Thäler der 111 und Alfens,
Arlberg, Thäler der Rosanna und des Inn); 3) die Linie Zell am
Ziller-Hieflau (Gerlosthal und -paß, Salzachthal, Arlthal, Sattel von
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Morphologie des Landes.
Wagrein, Ennsthal); 4) die Mur-Mürzlinie; 5) die Linie Franzens-
feste-Marburg (Rienzthal, Toblacher Wasserscheide, Drauthal). In
den Karpaten ist neben der Waag-Hemadlinie besonders jene breite
Furche bemerkenswert, die in einem 140 km langen Bogen von
Nameszto bis Nagy-Säros hinzieht und von der Arva, dem Dunajec, dem
Poprad und der Tarcza entwässert wird. Sie fällt mit einem Kreide-
aufbruche und mit einem der bedeutendsten Juraklippenzüge zu-
sammen. Die größte Längsfurche (2200 km) bilden die oberen
Thäler des Indus und Brahmaputra.
Der Bau dieser Faltungsthäler ist verschieden. Die Gehänge
der echten Synklinalthäler werden beiderseits von Schichtenflächen
gebildet, sie steigen daher sanft an und sind quellenreich. Die Ge-
hänge der Antiklinaltliäler werden von Schichtenköpfen gebildet,
sie sind steiler, meist von Yerwitterungsterrassen unterbrochen und
quellenarm. Die Isoklinalthäler vereinigen beide Charaktere, indem
die eine Seite Schichtenköpfe, die andere Schichtentlächen dem
Thale zukehrt. Sehr oft vereinigt ein Längsthal mehrere Formen
in sich, wobei der Übergang aus der einen Form in die andere
durch kurze Querthalstrecken vermittelt wird.
Neben Faltungslinien gaben auch Brüche Veranlassung zur
Thalbildung. Schöne Beispiele bietet uns das südwestliche Tirol,
wo die sogenannte Judikarienspalte das krystallinisclie Ortler-Ada-
mellogebirge von dem östlichen Kalkgebirge trennt. Entlang der-
selben haben sich mehrere Thäler entwickelt: Valbuona, Val
Bendena, Val Meledrio und das Maraun-Ultenthal. In den wasser-
scheidenden Rücken, die Höhen von 800—2400 m erreichen, hängen
beide Gebirge zusammen — ein Beweis, daß jene Thäler nicht
primäre Spalten, sondern nur Erosionserzeugnisse entlang einer
Verwerfungsspalte sind. Grabenthäler, die im Schollenlande so häufig
sind — wir erinnern nur an die oberrheinische Ebene, an die Rhöne-
Saöne-Furche, an das californische Thal, an das syrische Ghor —
sind aus Faltengebirgen nicht bekannt, wohl aber sind manche große
Thalbecken, wie das Laibacher in den Südalpen, durch Kesselein-
stürze entstanden. Ein intercollines Thal ist das der oberen Maritza
und Aluta in Siebenbürgen, das auf der einen Seite von dem
Steilrande der Karpaten, auf der anderen von dem später entstan-
denen, vulkanischen Hargitagebirge begrenzt wird, und wahrscheinlich
auch das Kur- und Rionthal im Süden des Kaukasus.
Die Querthäler gehören vorherrschend der Gattung der Ab-
dach ungsthäler an. Man erkennt dies daraus, daß die Schichten
ohne sichtbare Störung von einer Thalseite auf die andere hinüber-
streichen, und manchmal kann man auch beobachten — wie Escheb
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Gliederung der Gebirge.
509
in der Taminaschluclit — daß der Fels einen fugenlosen Thalboden
bildet. In manchen Fällen entsprechen sich aber in den obersten
Partien der Gehänge die Schichten nicht völlig. Im Engpässe des
Guldal (südl. von Trondhjem) streichen nach Kjebulf die Schichten
an der Ostseite in N. 30° O. und an der Westseite in N. 40° 0.
bis N. 50° 0. Ob diese Anzeichen genügen, um daraus auf das Vor-
handensein einer ursprünglichen Spalte zu schließen, ist noch frag-
lich; Heim nimmt zur Erklärung ähnlicher Abnormitäten nachträg-
liche Schichtenbewegungen an, und zu einem gleichen Ergebnisse
gelangte Lydekker in Bezug auf die Himalajathäler.
Im allgemeinen sind die Querthäler steiler und enger, als die
Längsthäler und gehen nach oben in kesselartige Erweiterungen, oft
von mehreren Stunden Breite, über (Circus, cirque de növö), die
im Hochgebirge die Firnmassen aufnehmen. Mit den wechselnden
Formationen, die die Querthäler durchsclineiden, ändert sich auch
Gefälle und Physiognomie. Durchwandert man das Salzach-
thal in südlicher Richtung, so kommt man aus der engen, steil-
wandigen Schlucht zwischen den Kalkmassen des Tännengebirges
und der Palfenspitze in die Zone der Grauwackenschiefer, in der
der Fluß eine breite Thalsohle und die Verwitterung sanfte Gehänge
geschaffen hat. Dagegen haben jene Thäler, die man orographisch
zu den Quer- und geologisch zu den Läugsthälern zählt, in der
Regel den Charakter der letzteren. Eine solche Zwitterbildung ist
das Etschthal südlich von Bozen, das zur Richtung des ganzen
Gebirgssystems senkrecht steht, aber parallel mit den Schichten
streicht.
Welche Thalformen in einem Kettengebirge vorherrschen und
wie sie sich verteilen, hängt zum Teil wenigstens von der Zahl der
Abdachungen ab. Hat das Kettengebirge nur Querabdachungen, d. h.
nur ein Gefälle senkrecht zum Streichen des Gebirges — wie der Hima-
laja — , so müssen sich alle Längsthäler mit Querthälern verbinden, um
ihren Flüssen einen Ausweg zu verschaffen. Bricht aber das Gebirge an
den Enden ab, so treten zu den Querabdachungen noch solche in
der Längsrichtung. So dachen sich die Ostalpen nicht blos nach
Nord und Süd, sondern auch nach Osten ab, und die Thäler der
Drau und Save können ihren longitudinalen Charakter durchaus
beibehalten. Das Karstgebirge der Balkanhalbinsel hat nur eine
Quer- und zwei Längsabdachungen. Auch sonst herrscht große
Mannigfaltigkeit in der Gliederung der Kettengebirge. Der Tsinling-
Sclian im Süden des Hweitlußes, ein 140 km langer und ca. 3000 in
hoher Gebirgszug, besitzt nach v. Richthofens Schilderung trotz
vollkommener geologischer Parallelstruktur kein einziges größeres
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Morphologie des Landes.
Längstbai, und wird nur durch enge und wilde Querthäler gegliedert.
Die Pyrenäen haben an der Nordseite fast nur Querthäler, am Sttd-
abhange aber eine bedeutende Längs- und Quergliederung; in den
Alpen halten sich beide Thalformen so ziemlich das Gleichgewicht;
im Tianschan herrscht die Längsgliede-
rung entschieden vor. Nur die kurze
südliche Abdachung sendet einige größere
Querllüsse zum Tarim, während auf der
Nordseite die drei großen Längsthäler des
Naryn, Tscliu (mit östlicher Fortsetzung
im Tekesthal) und üi nach Westen ziehen.
Die Quergliederung ist entweder
eine fiederförmige mit gleich- oder
wechselständigen Thälera (vgl. Fig. 156,
S. 464) oder eine strahlenförmige. In
F'8 knßrm^e ^LderungjStrah" *^rer reinsten Form finden wir die strahlen-
förmige Gliederung in den Vulkanbergen,
aber auch in unregelmäßigen Schollen- ja sogar in Kettengebirgen
(s. Fig. 179).
Fig. 180.
Die Längsgliederung ist entweder eine parallele oder
rostförmige. Die erstere ist an die Längsabdachungen der Ketten-
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Gliederung der Gebirge.
511
gebirge gebunden (die Morawa-, Vardar- und Strumathäler der Bal-
kanhalbinsel); vorherrschend ist aber die rostförmige Gliederung, bei
der sich in verschiedenster Weise Längs- und Querthäler zu
einem Furchennetze verbinden, das das Gebirge nach allen Rich-
tungen aufschließt. Elin ausgezeichnetes Beispiel dieser nur in
Kettengebirgen vorkonmienden Gliederungsart bietet uns der Schweizer
Jura (Fig. 180).
Wasserscheide. Den Abdachungen eines longitudinalen Gebirges
entsprechen die Wasserscheiden. Sind nur Querabdachungen vor-
handen, so giebt es auch nur eine einfache Hauptwasserscheide; sie
teilt sich gabelförmig, wenn noch eine Längsabdachung hinzutritt.
In den Alpen liegt der hydrographische Knotenpunkt in der Drei
Herren-Spitze, der Nordarni erweist sich aber als die gerade Fort-
setzung der einfachen Hauptwasserscheide, die wir von da bis in die
Apenninen hinein verfolgen können. Liegt die Hauptwasserscheide
in oder nahezu in der Mitte des Gebirges, so verteilen sich die
Thäler symmetrisch auf beiden Seiten, doch verläuft auch in diesem
Falle die wasserscheidende Linie nur streckenweise gerade. Die
Asymmetrie der Thalordnung hängt, wie wir schon auf S. 398 be-
tonten, in vielen E’ällen mit der Regenverteilung zusammen, doch
dürfen auch die Ausnahmen nicht übersehen werden. So ist in den
Pyrenäen gerade die lange Abdachung (die Südseite) durch Trocken-
heit ausgezeichnet.
Betrachten wir die Hauptwasserscheide in ihrem Verhältnisse
zur Höhe, so können wir normale und anomale (durchgreifende
nach v. Richthofen) Wasserteiler unterscheiden. Der normale ist
an die höchste Kette gebunden, und er ändert diesen Charakter
auch nicht, wenn hier und da höhere Gipfel auf einem Nebenkamme
sich erheben. Ist letzteres aber die Regel, wie im Himalaja oder in
den Pamir, dann hat die Hauptwasserscheide eine anomale Lage.
Ja, manches Gebirge wird sogar seiner ganzen Breite nach von einem
Querthale durchbrochen; es hört dann, wenn auch nicht in
seinem ganzen Verlaufe, so doch wenigstens stellenweise
auf, eine Wasserscheide zu bilden. Damit haben wir eines
der schwierigsten Probleme der physischen Geographie, das der
Durchbruchs-, oder, wrie v. Richthofen sie zu nennen vorzog,
Durchgangsthäler berührt.
Durchgangsthäler. In den Kettengebirgen beobachten wir fol-
gende drei Kategorien :
1) Das Quellgebiet des Durchgangsfiusses liegt in der höchsten
Kette (normale Wasserscheide), und es werden niederere Ketten durch-
brochen, wie dies in den Alpen der Fall ist. Hier entsteht die
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Morphologie des Landes.
Frage, warum der Fluß seinen Weg nicht durch die Längsthäler
zwischen den Ketten genommen hat.
2) Das Quellgebiet liegt in einer niedereren Kette, als die durch-
brochenen sind. Dies ist das Problem der anomalen Wasserscheide.
3) Das ganze Gebirge wird durchbrochen; so z. B. der Balkan
vom Isker, das Banatagebirge von der Donau, die Transsilvanischen
Alpen von der Aluta, das catalonische Gebirge vom Ebro, die Alle-
ghanies vom Susquehanna u. s. w.
Die Durchgangsthäler sind aber keineswegs auf die Ketten-
gebirge beschränkt, sondern eine ganz allgemeine Erscheinung.
Weder Flexur- und Schollengebirge, noch vulkanische Bildungen
und Landstufen sind davon frei, ja wir linden sie sogar im Tieflande,
wo z. B. Oder und Weichsel die ganz ansehnliche Barriere der
baltischen Seenplatte durchschneiden.
Hilbee1 zählt nicht weniger als neun Theorien auf, die zur
Erklärung dieses merkwürdigen Phänomens ersonnen wurden. Die
einfachste Lösung bietet wohl die Spaltentheorie, die einer Zeit
entstammt, wo man überhaupt in allen Thälem nur Spalten sah, die
bei der Aufrichtung der Gebirge entstanden waren. Noch Peschel
sah in der Thatsache, daß sich manchen Flüssen in unmittelbarer
Nähe ihrer schmalen, tiefen Durchbruchsthäler viel bequemere Wege
darbieten, einen Beweis für die Präexistenz von Thalspalten. Der
Green River verläßt dreimal flaches Land, um sich ebensoviele
Durchgänge durch das Uintagebirge zu erzwingen; und sein Neben-
fluß, der Yampa, frißt sich dreimal in hartes Gestein ein, obwohl
er es sich wenigstens zweimal durch ganz kurze Umwege hätte er-
sparen können. Wenn nun auch zugegeben werden mag, daß manch-
mal Spalten die Flüsse zu abnormen Richtungsveränderungen nötigten,
so tragen doch die meisten Durchgangsthäler so sehr den Charakter
eines rein erosiven Ursprunges an sich, daß man zu anderen Er-
klärungen greifen muß.
Positive Anhaltspunkte sind dort gegeben, wo hinter einem
allseitig abschließenden Riegel Seeablagerungen sich finden, wie
im Egerthale sowohl oberhalb des Thonschieferrückens zwischen dem
Kaiserwalde und Erzgebirge, als auch oberhalb des Basaltstockes
zwischen Karlsbad und Kaaden. Hier sind alte Seebecken durch
spätere Erosion der trennenden Rücken zu einem Thale verbunden
worden. Aber diese Seentheorie findet auf die großen Durch-
gangsthäler keine Anwendung, am wenigsten auf jene schon ge-
nannten Fälle, wo ein hypothetischer See nach der heutigen Kon-
figuration des Bodens unzweifelhaft nach einer anderen Seite hätte über-
fließen müssen. Es ist nur zweierlei möglich: Entweder ist der Fluß
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Gliederung der Gebirge.
513
älter oder jünger als die durchbrochene Erhebung. Die letztere
Annahme erscheint auf den ersten Blick als allein zulässig, und ihr
trägt Löwls Regressionstheorie Rechnung. Wie der Name
verrät, beruht diese Theorie auf dem Gesetze der rückläufigen
Erosion; sie läßt die Thalbildung am niederschlagsreicheren Außen-
rande des Gebirges beginnen und allmählich bis zu der wasser-
scheidenden Kette, ja über dieselbe hinaus bis an den entgegengesetzten
Rand des Gebirges fortschreiten. Namentlich jene Vorkommnisse,
wo ein Längsthal mit mehr oder weniger scharfer Kniebiegung in
ein Querthal übergeht, sollen dadurch erklärt werden; die Längs-
thäler werden als die älteren Bildungen betrachtet, die von außen
angezapft wurden.
Wenn man auch die Möglichkeit eines solchen Vorganges zu-
geben muß, so schwebt doch ihre Anwendung in speziellen Fällen
meist in der Luft. Diesen hypothetischen Charakter teilt sie übrigens
mit der Antecedenztheorie, die zuerst von indischen und ameri-
kanischen Geologen ausgebildet wurde, in Deutschland besonders in
Teetze einen eifrigen Vorkämpfer fand und jetzt jedenfalls mehr
Anerkennung genießt, als irgend eine andere Theorie. Sie geht von
der Ansicht aus, daß das Gebirge nicht zuerst fertig dastand und
dann erst die Erosion begann, sondern daß das Wasser gleichzeitig
mit der Gebirgsfaltung seine thalbildende Thätigkeit zu entfalten
anfing. Besonders energische Flüsse, welche vom älteren Hinterlande
ausgingen, konnten das anliegende jüngere Gebirge während dessen
allmählichen Erhebung durchschneiden, so daß Faltung und Durch-
sägung gleichen Schritt hielten. Penck hat in jüngster Zeit diesen
Vorgang plausibel zu machen gesucht, indem er zwar zugestand, daß
oberhalb der sich hebenden Schwelle der Fluß eine Stauung erfährt und
dadurch zur Ablagerung seiner Geschiebe gezwungen wird, zugleich
aber scharf betonte, daß am unteren Ende der Schwelle das
Gefälle gesteigert und dadurch die Erosionskraft vermehrt wird. Es
kommt nur darauf an, daß die obere Geschiebeanhäufung nicht über den
niedrigsten Punkt in der Umrahmung des oberen Flußgebietes hinaus-
wächst, denn sonst würde der Fluß nach einer anderen Richtung ab-
gelenkt worden. Noch schärfer drückt sich Löwl* aus, der die Ante-
cedenztheorie nur in dem Falle gelten läßt, daß der Fluß schon früher
ein Thal durchzog, das ihn auch während der Bodendeformation
gefangen hält. Das sei aber nur möglich, wenn der Betrag der Schollen-
hebung oder Faltung die ursprüngliche Thaltiefe nicht übersteige.*
x Wir haben eg versucht, die Hauptstadien der Durchbruchsbildutig nach
der modifizierten Antecedenztheorie in Fig. 181 graphisch vorzuführen. L Vor-
SvpaN , Physische Erdkunde. 2. Aufl. 33
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Morphologie des Landes.
Bisher kennen wir nur einen einzigen Fall, wo die Antecedenz-
theorie erwiesen ist: es sind die südlichen Vorketten des Himalaja,
die sich aus den Ablagerungen derselben Flüsse aufbauen, von denen
sie jetzt durchbrochen werden. Welche wichtige Aufschlüsse sich
aus dem Studium der Sedimente ergeben, haben Föbstle® für den
Berner Jura und Futteber4 für die Kamischen Alpen dargethan;
und letzterer hat uns auch den Weg gezeigt, wie positive Anhalts-
punkte für die Wahl zwischen der Regressions- und Antecedenz-
theorie zu gewinnen seien. Es sei W die wasserscheidende Kette,
der sich später die Vorkette V angeschlossen hat. Ein von TF
kommender Fluß durchbricht V und gelangt dadurch in die Ebene.
Ging die Erosion von V aus und erreichte durch Regression
so müssen in der Ebene über den grobkörnigen Denudationsprodukten
von V die feineren (weil von weiterher stammenden) Denudations-
erzeugnisse von W liegen. Ging aber die Erosion von W aus und
überwand die Emporfaltung von V, so müssen in der Ebene die
feinen TF-Gesteine von den gröberen V- Gesteinen bedeckt werden.
Das letztere trifft in den Kamischen Alpen zu.
Verwandt mit der eben erörterten Theorie ist die epigene-
tische insofern, als auch sie dem Durchgangsflusse ein höheres
Alter zuschreibt, als dem heutigen Relief. Den einfachsten Fall,
daß das durchbrochene Gebirge durch Denudation bloßgelegt wird,
haben wir schon auf S. 400 durch die Fig. 127 erläutert. Auf einen
ähnlichen Vorgang läuft auch die Theorie von Jukes hinaus. Dieser
machte im südlichen Irland die Wahrnehmung, daß am Knie der
sich umbiegenden Längsthäler ein von der Hauptwasserscheide
kommender Nebenfluß einmündet, dessen Thal die obere Fortsetzung
des Durchgangsthaies ist. Die Betrachtung der Karte lehrt uns, daß
diese Anordnung außerordentlich häufig wiederkehrt. So empfängt
z. B. die Rhone die Drance, der Rhein den Oberhalbsteinerbach, die
_£ "
I
Stadium vor der Faltung, Ali CD Thalraud, ab cd Thalweg. II. Stadium der
Deformation, Bildung einer Antiklinale B'Cb'e', Geröllablagerung oberhalb
der Falte in <■' d' c f\ im unteren Falten-
sclienkel V t verstärkte Erosion, die nach
Pencks Annahme bei sehr langsamer Hebung
dieser das Gleichgewicht halten kann,
so daß keine Geröllablagerung mehr statt-
tindet, wenn auch die Hebung fortschreitet.
III. Endstadium. Der Thalrand . I" Ji" C'D"
zeigt die Deformation , während der alte
Thalweg a" b" c" d" (wenn auch natürlich
nicht genau in der früheren Lage) wieder
Fig. 181. Durchbruchsbildung. hergestellt ist.
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Gliederung der Gebirge.
515
Salzach den Groß- Arlbach (Fig. 182), die Enns den Radmer- und
Erzbach, die Mur den Tragosbach, die Adda die Mera und den Liro,
die Tiber den Anio, der Alt den Cibinfluß, die Moldau den Hain-
bach u. s. w. Man kann vom morpholo-
gischen Standpunkte aus das ganze Quer-
thal als Haupt- und das Läugsthal als
Nebenthal betrachten, ohne sich um den
Sprachgebrauch zu kümmern, der überdies
inkonsequent verfährt, indem er das Durch-
bruchsthal bald mit dem Namen des
Längsflusses (z. B. Salzach), bald mit
dem des Querflusses (z. B. Eisack unterhalb
Brixen) bezeichnet. Jükes verband mit
dieser Auffassung auch eine genetische
Vorstellung. Der von der Hauptwasser-
scheide kommende Querfluß begann bereits
zu fließen, als die Längsthäler noch ausge- tierteu Flächen sind alluviale
füllt waren, und gab erst Veranlassung zur Thalflächen.
Trainierung der letzteren, eilte ihnen aber
in seiner Erosionsarbeit immer voraus, so daß er keine Ablenkung
erfahren konnte. Es ist selbstverständlich, daß diese Theorie nur
auf die Durchgangsthäler der ersten Kategorie Anwendung findet.
Im hohen Grade lelirreich ist die Geschichte des Salzachthales.
Das Längsthal besteht aus zwei grundverschiedenen Teilen innerhalb
einer und derselben Gesteinszone. Der obere ist eine breite, schwach-
geneigte Thalebene, die sich nach Norden über eine unmerkliche,
nur 15 m hohe Bodenschwelle zum Zeller See und in das Saalach-
thal fortsetzt. Aber anstatt diesen bequemen Weg zu wählen, stürzt
sich die Salzach durch die Taxenbacher Schlucht nach Osten und
wendet sich daun bei der Mündung des Groß-Arlbaches nach Norden.
Wahner0 hat jüngst diese eigenartigen Abflußverhältnisse untersucht
und ist zu folgenden Ergebnissen gelangt. Es bestanden bis über
die Eiszeit hinaus zwei Thalsysteme, das der Pongauer Ache, deren
westlichster Quellfluss die Gasteiner Ache war, und das der Pinzgauer
Ache, deren östlichster Quellfluß die Rauriser Ache war. Die Wasser-
scheide durchschnitt den heutigen Salzachlauf bei Taxenbach, wo
340 m über dem jetzigen Flußspiegel Reste eines alten Thalbodens
sichtbar sind. Funde von krystallinischem Gerolle bei Reichenhall,
die aus dem Glazialschotter stammen, beweisen den Zusammenhang
des jetzigen Saalaehlaufes mit dem Quellgebiete der Salzach in den
Hohen Tauern; viel weiter in die geologische Vergangenheit zurück
datiert das Mönchsbergkonglomerat bei Salzburg, das sieh aus Fluß-
33*
Fig. 182. Thalsvsleine der
Salzach und Saalach.
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Morphologie des Landes.
geröllen der Pongauer Ache zusammensetzt. Den Durchbruch bei
Taxenbach, wodurch die Saalach selbständig, und die Pinzgauer und
Pongauer Achen zur Salzach verknüpft wurden, schreibt Wahner der
Verstopfung der Thalöffnung am Zeller See durch mächtige Eismassen
zu. Als sichergestellt erscheint also, daß das heutige Durchgangsthal
der Salzach ein uraltes Querthal ist, dessen Wurzeln nicht am Vene-
diger, sondern am Ankogel liegen. Das Problem der Umbiegung aus
dem Längen- ins Querthal ist damit allerdings nur an die Lücke am
Zeller See verlegt Wahner löst es ganz im Sinne von Jukes.
Daß diese Theorie auch auf die zahlreichen Durchgangsthäler
in den Landstufen Anwendung findet, erhellt schon aus unseren Er-
örterungen auf S. 456. Auch hier hat die Denudation die Gelände-
formen umgestaltet, als die Thallinien schon gezogen waren. Ähn-
lich in ihrem Endergebnisse, aber durchaus verschieden in ihrem
Entwicklungsgänge sind jene Fälle, wo nach Festlegung des Durch-
gangsthaies das Hinterland einsank. So erklärt man sich jetzt
die merkwürdige völlige Zerschneidung des niederrheinischeu Schiefer-
gebirges durch den Rhein, die Mosel und Lahn; für die allmähliche
Tieferlegung dieser Thäler hat man unzweifelhafte Belege in den
Wahrzeichen alter Flußläufe in höheren Niveaus. Auch die auf-
fallenden Durchbrüche des Green und Yampa River, von denen
schon oben die Rede war, führt Emmons auf Einsenkungen zurück;
dieselben horizontalen Tertiärschichten, die das Flachland bilden,
finden sich auch auf der Höhe des Yampa Peak, und man darf daraus
schließen, daß sie einst im gleichen Niveau lagen.
Thalwasserscheiden. Wie einerseits die höchsten Kämme ohne
Einfluß auf die Verteilung der Gewässer sein können, so können
anderseits unmerkliche Bodenanschwellungen in einer Thalfurche die
wichtigsten Wasserscheiden bilden. Wir nennen sie Thalwasser-
scheiden im Gegensätze zu den Kammwasserscheiden. Auch
sie sind eine weitverbreitete Erscheinung, die im Gebirge zwar be-
sonders auffällig hervortritt, aber auch dem Flachlande nicht fehlt
In den großen Thalzügen des ostdeutschen Tieflandes werden sie
jetzt von Kanälen überschritten.
Kammwasserscheiden sind die Regel, aber manchmal werden sie
sich den Thalwasserscheiden ähnlich. So das Pfitscher Joch (2224 m) in
den Zille rthaler Alpen, das zwischen dem Hochpfeiler (3515 m) und
der Hohen Wand (3286 m) eingesenkt ist, und das Pfitscherthal vom
Zemmthale trennt. Im Reschenscheideck (Fig. 183) erniedrigt sich
dagegen die Hauptwasserscheide der Alpen zu einer ganz flachen
Bodenschwelle (1493 m ü. M.), von der der Stillenbach nach Norden
zum Inn und die Etsch nach Süden fließt. Sie wird aber
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Gliederung der Gebirge.
517
durch einen Felsriegel gebildet, während der Thalboden zu beiden
Seiten aufgeschüttet ist; denken wir uns diese Schuttmassen entfernt,
so erhalten wir ein ähnliches Bild, wie am Pfitscherjoch. Ein noch
bekannteres Beispiel einer Thalwasserscheide in der Querrichtung
der Alpen ist der Brenner (1362 m ü. M.). In Norwegen fließt aus
dem See Lesjeskogen (625 m hoch) nach Nordwesten die ßauma,
nach Südo8ten der Lougen ; es ist dies eines der großartigsten
Doppelthäler der Erde, an beiden Seiten von mehr als 2000 m
hohen Gebirgsmassen eingerahmt.
Fig. 183. Profil des Reschenscheideck nach Piiilippson.
R = Reschenscheideck. Die obere Profillinie schneidet die östliche Thalwand in 2 km
Entfernung vom Flusse.
Häufiger sind die Thalwasserscheiden aber in den Längsthäleru.
Aus dem Drauthale gelangt man ohne merkliche Steigung über das
Toblacher Feld (1204 m) zur Rienz und damit in das Etschgebiet.
Fig. 184. Das Kaisergebirge im nordöstlichen Tirol.
Folgende Straßen fuhren über die Thal Wasserscheiden des Kaisergebirges vom Groß-
Achen- in das Innthal: 1. Kossen — Walchsee — Ebbs, 2. St. Johann — Ellmau — Soll —
WÖrgl (das Weissacht hal ist 211 enge), 3. Kitabüchel — Kirehberg — Wörgl
(Eisenbahn). — Höhen in Meter.
Das Thal der Wurzener Save setzt sich bei Ratschach (850 m) flach
und mit unverminderter Breite im Seebach-Thale fort, das zum
Draugebiete gehört; und gehen wir in derselben Richtung nach
Westen weiter, so überschreiten wir bei Seifnitz (810 m) die ebenso
unmerkbare Wasserscheide zwischen der Drau und dem Tagliamento.
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Morphologie des Landes.
Solche tiefe Furchen, die entweder durch zwei in entgegengesetzter
Richtung fließende oder sogar durch mehrere Flüsse bewässert werden,
scheiden die Alpen nicht nur in zwei, beziehungsweise drei Zonen,
die den geologischen nahezu entsprechen, sondern lösen auch im
Verein mit den Durchgangsthälem die Zonen stellenweise in mehrere,
völlig individualisierte Gruppen und Bergstöcke auf. Solche sind
z.B. die Otzthaler Gruppe in der kristallinischen Zone (s. Fig. 1 79,S.510)
und die zahlreichen größeren und kleineren Gruppen und Stöcke
in der Kalkzone zwischen dem Inn und der Salzach (Fig. 184, S. 517).
Ursprüngliche Thalwasserscheiden darf man nur in Senkungs-
thälem vermuten; eine solche ist sicher die nur 24 m hohe im cale-
donischen Graben Nordschottlands und vielleicht auch die zwischen
dem Orontes und der Lita (1158 m) im Libanon, auf der sich die
Ruinen von Heliopolis erheben. Die übrigen Vorkommnisse sind
wohl sekundäre Bildungen, wenn wir auch betreffs der Entstehungs-
weise meist nur auf Vermutungen angewiesen sind.
Wo von einer Thalwasserscheide zwei Flüsse nach gerade entgegen-
gesetzten Richtungen sich bewegen, mögen sie durch rückschreitende
Erosion den trennenden Rücken abgetragen haben, und daraus ließe
sich ihr besonders häufiges Vorkommen in tektonischen Thälem, wo
wir uns die Erosionsbedingungen als besonders günstige vorzustellen
haben, erklären. Arbeitet ein Fluß rascher als der andere, so kann
es Vorkommen, daß der erstere dem letzteren einen Teil von dessen
Gebiete entzieht. Auf diese Weise mußte der Oberengadiner Inn,
wie Heim aus der Höhe der Thalterrassen nachwies, sein Sammel-
gebiet an die rascher fließende Mera abtreten.
Eine andere Bewandtnis hat es jedenfalls mit jenen Thalwasser-
scheiden, die sich zwischen zwei mehr oder weniger senkrecht auf-
einander stehenden Flußläufe einschieben. Sie lassen sich nicht
anders deuten wie als verlassene Thalstücke. Als die Salzach
ihren neuen Weg nach Osten einschlug, blieb ein Teil ihres alten
Thaies trocken und bildet nun die Thalwasserscheide bei Zell a. See
(s. Fig. 182, S. 515). Ähnlich verhält es sich mit der Wasserscheide von
Sargans, über die einst der Rhein zum Wallen- und Züricher See
abtioß. Thalwasserscheiden stehen sicherlich mit vielen kleineren
Durchbrüchen in ursächlicher Beziehung. Wir verweisen nur auf
das Kärtchen in Fig. 184 (S. 51 7). Was konnte ein so unansehnliches Ge-
rinne, wie die Weißach, veranlaßt haben, zwischen den Stöcken des
Belvenberges und Vorderkaisers zum Inn durchzubrechen, während
sie sich ohne erhebliche Schwierigkeiten über die Ellmauer Schwelle
hätte nach Westen wenden können? Denken wir uns aber den Osten
durch längere Zeit mit Gletschermassen verstopft, so wird uns diese
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Gliederung der Gebirge.
519
mit den heutigen orographischen Verhältnissen unvereinbare Thalanord-
nung verständlich. Es ist unsere feste Überzeugung, daß die Eis-
zeit in den von ihr betroffenen Gebirgen zahlreiche Stromverlegungen
bewirkt hat, einerseits durch Gletscher anderseits durch mächtige
Geröllanhäufungen; und daß die überwiegende Mehrzahl der Thal-
wasserseheiden auf derartige Vorgänge zurüekzufiihren ist,
Aufschlieiiung der Gebirge. Am aufgeschossensten von den
großen Gebirgen der Erde sind diejenigen, die einen rostformigen
Bau besitzen, am geschlossensten die mit einfacher Quergliederung.
Für den Verkehr über das Gebirge von Ebene zu Ebene sind an-
scheinend die Durchgangsthäler der dritten Kategorie am günstigsten,
in Wirklichkeit sind sie aber wegen ihres schluchtartigen Charakters
häufig ohne Bedeutung. So blieb der Balkan trotz des Iskerdurch-
bruchs eine Völker- und Staatenscheide, und bis zur Herstellung des
Kuntersweges im 14. Jahrhundert zog man es vor, die schauerlichen
Engen des Eisackthaies auf dem östlichen Berghöhen oder über den
Jaufenpaß zu umgehen. Vorherrschende Parallelgliederung ist un-
günstig, weil mehrmals Kämme zu übersteigen sind; so muß die
Rudolfsbahn in den Ostalpen dreimal Wasserscheiden übersetzen
und ist natürlich zu Umwegen gezwungen, um bequemere Anstiege
aufzusuchen. Viel bessere Chancen bietet die rostformige Gliede-
rung, wenn die Hauptwasserscheide ein Längsthal kreuzt. Die Thal-
wasserscheide wird dadurch zum Wechselpasse. Ein solcher ist der
bei Gänsbrunnen (g in Fig. 180, S. 510) im Schweizer Jura, der das
Dünnem(Aare)-Gebiet mit dem der Birs verbindet; man ersieht aber
auch aus unserem Kärtchen, daß solche Verkehrsstraßen weite Um-
wege zu machen gezwungen sind. Am vorteilhaftesten ist es jeden-
falls, wenn von beiden Seiten des Gebirges korrespondierende Durch-
gangsthäler geradlinig und mit nicht zu starkem Gefalle bis zur
Hauptwasserscheide hinaufführen; darauf beruht z. B. die Bedeutung
der St. Gotthard -Straße. Die Brennerlinie steht dagegen zurück,
weil man hier erst das Längsthal des Inn zu passieren hat, um in die
bayerische Ebene zu gelangen; daher schlug man im Mittelalter, um
Westdeutschland rascher zu erreichen, von Innsbruck aus lieber
den Weg über den Seefelder oder den Fernpaß ein. Günstig ist
auch eine anomale Lage der Hauptwasserscheide, am unzuträg-
lichsten aber eine Gliederung, wo man zur Hauptwasserscheide durch
kurze, steile Thäler ansteigen muß, wie im Gebiete der Hohen
Tauern. Solche Verhältnisse sind in Gebirgen aller Art sehr häutig,
und wo sie die Begel bilden, ist das Gebirge in Wahrheit eine
trennende Schranke, die erst die Technik unseres Jahrhunderts —
und auch diese nicht immer — zu überwinden lernte.
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520
Morphologie des Landes.
Unter allen Umständen sucht der Verkehr die niedrigsten Punkte
der wasserscheidenden Kämme und Rücken auf, und auf diese will
v. Richthofen die Bezeichnung Pässe beschränkt wissen. Indem
wir seine Terminologie anwendeu, unterscheiden wir Wallpässe, die
über breite Scheitelflächen führen — wie z. B. im Skandinavischen
Gebirge — , und Kammpässe in Kammgebirgen, und teilen letztere
wieder ein in Sattel-, Scharten- und Lückenpässe, je nachdem
der Kammeinschnitt gerundet, schneidig oder scharf kerbenartig ist
Litteraturuach weise. 1 Halber, Die Bildung der Durchgangsthäler,
in Pf.termanns Mitteilungen 1889 (mit ausführlichen Litteraturangaben). —
* Löwl in den Verhandlungen der Wiener Geologischen Reichsanstalt 1894,
S. 472. — B Förstle, The Drainage of the Bernese Jura, in den Proceedings
of the Boston Society of Natural History, 1892. — 4 Fütterer, Durchbruchs-
thfiler in den Südalpen, in der Zeitschrift der Berliner Gesellschaft für Erd-
kunde 1895. — 5 Wahner, Geologische Bilder von der Salzach, Wien 1894.
Die Flüsse.
Einteilung. Man kann die Flüsse nach verschiedenen Gesichts-
punkten einteilen. Geläufig ist die Unterscheidung von Haupt-
und Nebenflüssen, auf die wir später noch zurückkommen werden.
Die Hauptflüsse sind entweder marin oder kontinental, je nach-
dem sie das Meer erreichen oder nicht. In Bezug auf das Ver-
hältnis der Flußrichtung zur Richtung der Wasserscheide kann man
von Quer- und Längsflüssen sprechen. Beispiele von Querflüssen,
die mehr oder weniger senkrecht zur Wasserscheide stehen, sind die
sibirischen Ströme oder die Flüsse von Norddeutschland; zur zweiten
Kategorie gehören z. B. Donau, Po und Ganges, die nahezu parallel
mit der Wasserscheide fließen.
Wichtiger ist die Einteilung der Flüsse nach der Art ihres
Baues. Wir haben auf S. 378 von einem Ober-, Mittel- und Unter-
laufe gesprochen und können diejenigen Flüsse als normale be-
zeichnen, bei denen diese Abteilungen deutlich und nur je einmal
entwickelt sind. Solche Flüsse sind aber verhältnismäßig selten, und
für die Praxis eignet sich besser jene Einteilung, die Haase vor-
schlug.1 Er unterscheidet nur Berg- und Flachlauf; der erstere
ist durch hohe Ufer ausgezeichnet und kommt daher auch im zer-
schnittenen Flachlande vor (z. B. Colorado); anderseits kann man
auch da von Flachlauf sprechen, wo nur auf einer Seite das Gelände
höher ansteigt, wie auf der Donaustrecke zwischen Bulgarien und
der Walachei.
Darnach zerfallen die Flüsse nur in zwei Hauptgruppen: gleich-
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Die Flüsse.
521
artige und ungleichartige, und jede Hauptgruppe wieder in
zwei Untergruppen. Denn gleichartig sind sowohl jene Flüsse, die
nur Flachlauf besitzen, wie die meisten der Niederuugen, wie
auch solche ausschließlich mit Berglauf. Zu den letzteren gehören
nicht bloß zahlreiche Nebenflüsse, sondern auch manche, wenn auch
nur kurze Hauptflüsse, nämlich alle diejenigen Bäche, die sich direkt
in das Meer stürzen, und deren Schuttkegel die Wasseroberfläche
noch nicht erreicht hat Ungleichartige Flüsse haben Berg- und
Flachlauf, und es sind hier zwei Fälle möglich, die auch in der
Natur reichlich vertreten sind: Doppellauf und Wechsellauf
Bei dem ersteren folgt auf den Berg- der Flachlauf — solche Flüsse
haben wir oben als normale bezeichnet — , bei dem letzteren wieder-
holen sich diese Abschnitte mehrmals, wie beim Rhein oder bei der
Fig. 185. Die Haupt Wasserscheide der Erde, nach V. TlI.LO.
Donau, vor allem aber bei den afrikanischen Strömen, die sich
durch Wasserfälle in ihrem Unterlaufe auszeichnen. Wechsellauf
deutet stets darauf hin, daß sich der betreffende Fluß aus mehreren,
ursprünglich selbständigen Gewässern zusammensetzt und eine kom-
plizierte Entwicklung durchgemacht hat.
Verteilung der Flüsse. Unter den zahlreichen wasserscheiden-
den Linien, die das Land netzartig überspannen, ist eine, die
mit alleiniger Unterbrechung in der Beringstraße das gesamte Fest-
land mit Ausnahme des abseits liegenden Australien in zwei Ab-
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522 Morphologie des Landes.
dachungen teilt : eine atlantische und eine pazifisch - indische,
v. Tillo2 nannte sie die Hauptwasserscheide der Erde ( ABC
BEFGU1K in Fig. 185). Innerhalb der beiden Abdachungen
liegen aber auch abflußlose Gebiete, die auf 23,7 Prozent der
Festlandober Hache geschätzt werden. Weitaus das größte ist das
asiatisch -europäische Zentralgebiet, das mit seinen 13 Mill. qkm
Europa fast uni die Hälfte an Ausdehnung übertrifft Afrika hat
zwei solche Hauptgebiete : in der Sahara und Kalahari, Australien ist
mehr als zur Hälfte abflußlos, dagegen ist Amerika arm an solchen
trockenen Binnenlandschaften, und darin liegt einer der gewichtig-
sten Vorzüge der neuen Welt vor der alten. x Aber auch zwischen
die marinen Flüsse schieben sich, teils klimatisch, teils durch den
Bodenbau bedingt, kleine Flächen ohne Abfluß ein; hat uns doch
Keilhack kürzlich ein solches auch in Deutschland — auf der
baltischen Seenplatte — kennen gelehrt3
Betrachten wir jeden Kontinent für sich, so gewahren wir, daß
jeder auch in der Verteilung des fließenden Wassers seine indivi-
duellen Eigentümlichkeiten besitzt. Jeden Kontinent durchziehen
ein oder mehrere Hauptwasserscheiden, die zum Teil mit der Haupt-
wasserscheide der Erde zusammenfallen, zum Teil sich von dieser
abzweigen. Europa besitzt nur eine einzige Hauptwasserscheide,
die am Ural unter 612/s° N. beginnt, den Festlandsrumpf in süd-
westlicher und die iberische Halbinsel in südlicher Richtung durch-
zieht und hier unter 3(i° endet. Die nordwestliche Abdachung ist
die ozeanische, die südöstliche die mediterran-kaspische. In Asien
finden wir, entsprechend der östlichen Ruten teilung des Hochland-
gürtels, zwei senkrecht aufeinander stehende Hauptwasserscheiden:
die äquatoriale, die die großen abflußlosen Gebiete umschließt,
scheidet den indischen und arktischen Bezirk; die meridionale
grenzt die pazifischen Systeme gegen Westen ab. Afrika hat zwei
primäre Wasserscheiden, von denen die eine meridional zwischen
dem Indischen und Atlantischen Ozean nach Süden zieht, während
die andere sich unter etwa 4° S. abzweigt und, wie die Verteilung
der Wadis erkennen läßt, über das Zentralgebirge der Sahara
nach Nordwesten zieht, um die mediterrane von der atlan-
tischen Abdachung zu trennen. In Amerika bildet das westliche
Hochland die Scheide zwischen den atlantisch - arktischen und den
pazifischen Strömen, doch wird diese anscheinend einfache Anord-
* Abflußlos sind von Australien 51,9, von Afrika 32,9, von Asien 30,«,
von Europa 17,i, von Südamerika 6,«, von Nordamerika 4,i Proz. des betreffen-
den Festlandes.
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Pie Flüsse.
523
nung durch das Auftreten grober Längsströme (Mackenzie, Missis-
sippi, Paraguay - Parana) etwas komplizierter, namentlich in Nord-
amerika, wo ein QuerHuß (Saskatchewan) sich zwischen die beiden
großen Längsströme einschiebt. Ebenso einseitig, wie in Amerika
ist die Flußverteilung in Australien, wo die Hauptwasserscheide
an das östliche Bergland sich knüpft; aber das abflußlose Gebiet
ist zentral, wie in Asien, nicht exzentrisch wie in Amerika.
Aus der nachstehenden Tabelle (nach Penck) ersieht man die
Ausdehnung der Abdachungsgebiete des Festlandes (in Millionen
Europa
c
o
%
Afrika
Australien
Nord-
Amerika j
Süd-
Amerika
Festland
Atlantischer Ozean ...
Eismeer (und Hudsonbai) . I
Mittelländisches Meer . .
Amerikanisches Mittelmcer .
3,2
1,6
3,0
10.6
0,7
10,7 ! -
3,» : —
2,.
6,3
5,«
15,3
0,6
31,8
18,4
7,.
6,3
Atlantisches Gebiet . . .
7,»
11,3
14,« | -
14, <
15,9
64,o
Großer Ozean
—
9,4
— 0,5
5,i
1,0
16,o
Indischer Ozean . . . . .[
—
7,
5,o 3,3
_
16,i
Pazifisch-indisches Gebiet .
—
17,3
5,0 j 3,7
5,i
1,0
32,i
Marine Flußgebiete . . .
7,8
28,«
19,6 3,7
19,5
16,9
96,i
Kontinentale Flußgebiete .
1,0
12,«
9,» | 4,0
0,9
1,9
29,«
Festland
9,*
41,3
29,3 7,7
20,«
18,1
126,o
Quadratkilometern). Das Übergewicht der atlantischen Abdachung
tritt mit großer Schärfe hervor; rechnet man noch die Inseln dazu,
so erhalten wir für das atlantische Gebiet 51, für das pazifisch-
indische 27, für die abtlußlosen Binnengebiete 22 Proz. Die ent-
sprechenden mittleren Regenhöhen sind nach Murray4 96, 105
und 31 cm. Nur die abflußlosen Gebiete sind also klimatisch bedingt,
die gewaltige Ausdehnung des atlantischen Flußgebietes ist aber
ein tektonisches Phänomen.
Flufsvermiachung und Wasserteilung.6 Im allgemeinen spielen
die Hochgebirge bei der Verteilung der Flüsse nur eine untergeordnete
Rolle. Der Himalaja steht ganz und die Alpen stehen zum größten
Teil außerhalb der Hauptwasserscheide, und selbst in den Andes ver-
läuft sie nicht immer auf dem höchsten Kamme. Ein großer Teil
der primären Wasserscheiden liegt in der Ebene, und stellenweise
(z. B. in Rußland) werden sie durch so sanfte Bodenanschwellungen
gebildet, daß diese ohne besondere Schwierigkeiten von Verbindungs-
kanälen überschritten werden können. Ja stellenweise werden zur
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524 Morphologie des Landes.
Zeit des Hochwassers solche Kanäle auf natürlichem Wege herge-
stellt, oder Teile verschiedener Flußsysteme treten bei völligem
Fehlen der Wasserscheide sogar in dauernde Verbindung. Man
nennt diesen Vorgang Gabelung oder Bifurcation; doch versteht
man unter diesem Namen auch eine wesentlich andere Gruppe von
Erscheinungen, nämlich die Teilung eines Flusses in zwei oder
mehrere Arme, die Inseln einschließen oder sich nicht wieder ver-
einigen, wie in den Deltas. Diese unrichtige Terminologie giebt zu
manchen Mißverständnissen Veranlassung, und wir thun daher am
besten daran, wenn wir neue Ausdrücke einführen. Treten zwei
Flußsysteme während ihres Laufes miteinander in Verbindung, so
nennen wir dies eine Flußvermischung; wird diese Verbindung
aber an den Quellen hergestellt, indem Seen oder Sümpfe nach ver-
schiedenen Seiten sich entwässern, so nennen wir dies mit Berghacs
eine Wasserteilung. Das bekannteste Beispiel von Flußver-
mischung bietet der Orinoco, der einen Arm (Casiquiare) zum Rio-
Negro, einem Nebenflüsse des Amazonas, entsendet. Im kleinen
wiederholt sich dieses Phänomen nördlich vom Teutoburger Walde,
wo die Else, ein Arm der Haase (Emsgebiet), sich östlich zur
Werre wendet; doch ist es fraglich, ob dieser Zustand nicht
künstlich hergestellt wurde. Häufiger ist die Wasserteiluug; im
Staate Maine ist sie nach Ratzel eine gewöhnliche Erscheinung.
Bei Hochwasser verbindet sich das Mississippisystem in der Seen-
region von Minnesota mit dem Red River und Oberen See, und der
Petit Lake stellt einen Wasserweg zwischen dem Michigansee und
ülinois her. Die Rokitnosümpfe haben Abfluß sowohl zur Weichsel,
wie zum Dnjepr, und die masurischen Seen im Regierungsbezirke
Gumbinnen werden zugleich nach Norden in den Pregel und nach
Süden in die Weichsel entwässert. Selbst Gebirgen ist dieses Phä-
nomen nicht fremd, aber natürlich nur an Thalwasserscheiden ge-
bunden. Den Lesjeskogen-See haben wir schon auf S. 517 erwähnt.
Der kleine See Les Dous in den Pyrenäen hat seinen Namen von
den beiden Abflüssen, von denen der eine zur Tet, der andere
zum Segre (Ebro) sich wendet Eine periodische Flußvermischung
findet auf dem Two Ocean-Passe im Felsengebirge (2463 m) statt,
indem vom Two Oceau Creek, der dem Mississippisystem angehört,
bei vollem W'asserstamle schwache Arme zum Pacifik Creek (Co-
lumbiagebiet) ausgehen. In Kalkgebirgen kommen auch unter-
irdische Flußvermischungeu vor; zwei solche Fälle in Frankreich
wurden von Reclus beschrieben, ein dritter ist die von Knop nach-
gewiesene Verbindung zwischen dem Rhein und der Donau, von der
ein Arm unterirdisch zur Aachquelle abfließt
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Die Flüsse
525
Bau der Flufsaysteme. Flußsysteme entstehen durch die Ver-
einigung mehrerer Flüsse, von denen einer durch den Sprachgebrauch
zum sogenannten Hauptflusse gemacht wurde, nach dem das ganze
System benannt wird. Diese Benennungsweise beruht zwar nicht auf
wissenschaftlichen Prinzipien, ist aber trotzdem unschädlich, wenn
man sich nur der Meinung entsclilägt, daß der Hauptfluß das pri-
märe und die Nebenflüsse das sekundäre seien; wenn man also die
üblichen Flußnamen lediglich als Verständigungsmittel benutzt, ohne
genetische Vorstellungen damit zu verbinden. x Diese Forderung
erscheint um so gerechtfertigter, als viele sogenannte Hauptflüsse in
einem Teile ihres Laufes nur Fortsetzungen von Nebenflüssen sind,
worauf wir bereits an einer anderen Stelle (S. 514) hingewiesen haben.
Solche Verhältnisse finden wir bei der Rhöne-Saöne, bei der Elbe
und Moldau, der unteren Weser und Aller, dem Amur und Sungari,
dem Hoangho-Hweiho u. s. w.
Außerordentlich mannigfaltig ist der Bau der Flußsysteme,
von denen jedes seine individuellen Züge hat, die sich nicht in ein
allgemeines Schema einzwängen lassen; ja, die meisten größeren
Systeme zeigen in verschiedenen Teilen verschiedene Anordnung.
Nur einige Grundformen sollen hier besprochen werden.
Die einfachsten Systeme bestehen aus einem Hauptstrange, an
den sich rechts und links Nebenflüsse rechtwinkelig oder mit ab-
wärts gekrümmter Mündung wie Aste ansetzen. Der Po, der Ama-
zonas, die Moldau, der Oberrhein und die untere Donau sind so
gebaut. Meist sind auch in diesem Falle die Nebenflüsse auf beiden
Seiten nicht gleichwertig, und zwischen dem symmetrischen und
einseitigen Bau lassen sich alle möglichen Übergänge beobachten.
Dem Jenissei, Tigris, der Theiß, der unteren Garonne u. a. sendet
die Gebirgsseite begreiflicherweise zahlreichere und größere Neben-
flüsse zu, als die ebene Seite. Die Rhone empfängt ihre wichtigsten
Nebenflüsse von den Alpen, wo nicht nur der Wasserreichtum größer,
sondern auch die Wasserscheide viel weiter vom Thalwege des Haupt-
stromes entfernt ist, wie auf der westlichen Seite, wo das franzö-
x Wisotzki* suchte ein Prinzip aufzustelicn, nach dem sich die Frage nach
dom Hauptthmse in jedem Falle entscheiden ließe; ich habe bereits im Litteratur-
berichte zu Petehmanns Mitteilungen (1890, Nr. 1450) die Schwierigkeiten, die
sich daraus ergeben, dargelegt. Die Frage läßt sich auch so stellen, wo ist
die Hauptquelle eines Flusses? und wir halten es noch immer für das ein-
fachste und sicherste Verfahren, diejenige Quelle dafür zu erklären, die in der
Luftlinie am weitesten von der Mündung entfernt ist. In diesem Sinne ist es zu
verstehen, wenn Haumann für sich das Verdienst in Anspruch nimmt, die
eigentliche Nilquelle (Kagera) entdeckt zu haben.
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526
Morphologie des Landes.
sische Massiv mit einem Steilabfalle abstürzt. Der Lauf der Aare
und oberen Donau bezeichnet die tiefste Rinne am Fuße des Jura,
wo sich die den Alpen entstammenden und auf der vorgelagerten
schiefen Ebene sich bewegenden Flüsse sammeln müssen, um in
veränderter Richtung einen Ausweg zu finden.
Häufig ist der Fall, daß zwei oder mehrere nahezu gleich große
Flüsse radial einander Zuströmen und erst nach ihrer Vereinigung
einen deutlich erkennbaren Hauptstrang bilden. Dieser Typus tritt
in zahlreichen Variationen auf. Am einfachsten ist der Bau der
Loire und des Allier, des Cauca- und Magdalenenstromes, des Parana-
Paraguay, Ganges-Gagra, Murray-Darling, die selbst wieder nach
demselben Gesetze gebaut sind, u. a. m. Aus der Vereinigung mehrerer
Hauptarme entstehen der Dnjepr, die untere Seine und der untere
Ob; auch im Mississippisystem läßt sich außer dem Mississippi und
Missouri auch der Ohio als Hauptarm auffassen. In kleinem Maß-
stabe, aber mit seltener Schärfe ist diese Bauart in der Thaya aus-
gebildet, besonders da jeder der drei Hauptarme dieselbe Bildungs-
weise, wie der vereinigte Fluß zeigt. Einen etwas komplizierteren
Fall bietet das Indussystem, dessen beide Hauptarme (Indus und
Sutlej) mit einem dritten, kleineren sich vereinigen. Aus zwei
LängsHiissen, die einander Zuströmen, entsteht der Querfluß Dwina,
und in ähnlicher Weise verbinden sich Trent und Ouse zum Humber.
Die großen Veränderungen der Laufrichtung lassen sich als eine
Vereinigung verschiedener Systeme auffassen. Der Kongo und die
Loire sind Beispiele der Verwandlung eines Längssystems in ein
Quersystem durch einfache Umbiegung. Die Loire zeigt anfänglich
die Tendenz, dem Pariser Becken zuzufließen, wie ja auch die
übrigen Flüsse, die dem Rande desselben entspringen. Die Ablen-
kung nach Westen, der auch die Bäche der Sologne, wie die größeren
Flüsse Cher. Indre und Creuse-Vienne folgen, ist schon miocänen
Alters; hier war der Abzugskanal der Gewässer des Seinebeckens.
Das Quersystem der Wolga setzt sich nach Norden in dem der Kama
fort. In der Petschora vereinigen sich zwei Quersysteme (obere
Petschora und Ischma mit der unteren Petschora) mit einem Längs-
systeme (Ussa und mittlere Petschora), in der Donau zwei Längs-
systeme (obere Donau bis Waitzen und Drau -Save -untere Donau)
mit einem Quersysteme. Diese Beispiele erschöpfen nicht im ent-
ferntesten die Zahl der verschiedenen Fälle, aber sie geben uns doch
eine Vorstellung von der außerordentlichen Mannigfaltigkeit in der
Anordnung der Flußläufe innerhalb eines hydrographischen Gebietes.
Gröfse der Flüsse. Starke Niederschläge und lange Abdachungen
sind die Bedingungen für die Entwicklung großer Ströme. Nicht die
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Die Flüsse.
527
Länge des Flusses ist maßgebend für seine Bedeutung, sondern die
Größe seines Gebietes. Der Amazonas ist zwar der mächtigste Strom
der Erde, aber an Länge wird er vom Missouri-Mississippi um 800,
vom Nil um 1500, ja sogar vom Jangtsekiang um 150 km über-
troffen. Die Donau ist nur doppelt so lang als der Rhein, aber sie
entwässert ein viermal größeres Areal; und die Dwina hat einen
kürzeren Lauf, als der Guadalquivir, aber trotzdem ist ihr Gebiet
sechsmal größer.
Zu einer Vorstellung von der hydrographischen Verschiedenheit
der Erdteile gelangt man, wenn man berechnet, wie viele Prozente
des Gesamtareals auf die Gebiete der großen Ströme (als Grenze
haben wir 1/ä Mill. qkm angenommen) entfallen:
Südamerika (41* .... 67
Asien (13) 44
Afrika (5) ca. 43
Nordamerika (6) . ... 36
Europa (3) 30
Australien (I) 3
Südamerika ist also vor allem das Land der großen Ströme, wie es
der Kontinent der Tiefebenen ist. Die beiden kleinsten Erdteile nehmen
in obiger Tabelle begreiflicherweise den letzten Platz ein; bei Australien
wirkt noch die Trockenheit des inneren Landes mit. Asien besitzt
zwar die größte Anzahl von Strömen, aber nur der Ob steht den
amerikanischen würdig zur Seite; hier wirkt die große Ausdehnung
und zentrale Stellung des Hochlandes der Entwicklung eines Ama-
zonas entgegen, während in Südamerika die peripherische Lage der
Andes mit der Regenverteilung zusammenwirkt, um den mächtigsten
unter den Riesenströmen der Erde zu erzeugen.
Veränderungen der Flüsse. Flüsse und Flußsysteme sind aber
veränderlich. Namentlich dort, wo ein schwach geneigtes und daher
beständig sich erhöhendes Bett in lockerem Material liegt, also haupt-
sächlich im Unterlaufe verändern die Flüsse häufig ihre Richtung:
aber wohl keiner ist so starken Oszillationen unterworfen, wie „Chinas
Kummer1, der Hoangho. Seine älteste und zugleich nördlichste
Mündungsstelle liegt unter 392/3° B., seine südlichste, die er vom
13. Jahrhundert bis 1852 benutzte, unter 34° B. In den Jahren 1851 —
53 wandte er sich wieder nach Norden, 1887 aber brach er abermals
* Die eingeklammerte Ziffer giebt die Zahl der Hauptströme mit mehr
als */, Mill. Q.-Kilometer Flußgebiet. Wir dürfen aber nicht verhehlen, daß
die Zahlen für Längen und Gebiete der Flüsse sehr ungenau sind. Die um-
fangreichste Zusammenstellung stammt von KtönEN,7 aber auch sie ist wenig
zuverlässig.
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528
Morphologie des Landes.
nach Süden durch, doch wurde er schon 1889 durch Menschenhand
gezwungen, sein früheres Bett wiederaufzusuchen. In kleinerem Maßstabe
sind Veränderungen im Unterlaufe, wo die Flüsse nicht durch feste Ufer
eingedämmt sind, außerordentlich häufig, wie z. B. Blink8 bezüglich des
Rheindeltas darthat; aber obwohl die Geschichtsquellen hier reichlich
fließen, gelang es ihm doch nicht, alle dunkeln Punkte aufzuklären. Um-
so schwieriger ist dies in Ländern, deren Geschichte sich mit Sagen
verwebt. Bis in die neueste Zeit war die Ansicht verbreitet, daß
sich der Amu noch im Mittelalter in den Kaspisee ergossen habe, und
man hoffte, diese wichtige Wasserstraße wieder herstellen zu können.
Erst die geologischen Untersuchungen und Nivellements der Russen
um die Mitte der achtziger Jahre haben dieses Märchen zerstört.9
Sicher ist nur, daß die Mündung des Amu einst im Sary-Kamysch
lag, und daß von hier aus eine Wasserverbindung mit dem Aralsee
und durch den Usboi mit dem Kaspisee stattfand; doch war der
Usboi kein eigentlicher Flußarm, sondern nur eine zusammenhängende
Seenkette mit schwacher Wasserbewegung. 1878 füllte sich das
Bett zum Sary-Kamysch wieder, aber dieser Zustand war nur ein
vorübergehender. Auch gegenüber den Nachrichten von einer Ver-
legung der Indusmündung infolge eines Erdbebens im Jahre 962
ist größte Skepsis geboten.
Sicher sind die Flüsse nicht bloß im Unterlaufe von Veränderungen
betroffen worden. Der Bodensee endigt im Westen in drei Zipfel; dem
südlichsten entströmt jetzt der Rhein, die beiden anderen sind alte Aus-
mündungstellen. Die geologische Untersuchung ergab die Existenz
eines alten Rheinlaufes von Radolfszell über Singen und Ramsen,
also im jetzigen Biberthale; und ebenso konnte nachgewiesen werden,
daß der Rhein einige Zeit von Schafihausen direkt durch den Klett-
gau nachWaldshut floß. DieseTerrainfurche benutzt jetzt dieEisenlmhn.
Als eine allgemein wirkende Ursache von Laufveränderungen
bezeiclinete der berühmte russische Akademiker v. Baek die Erd-
rotation, welche auf der nördlichen Halbkugel eine Ablenkung nach
rechts und auf der südlichen eine solche nach links zur Folge hat
(vgl. S. 17). Soviel auch schon darüber geschrieben worden ist,10
so ist doch die Frage noch immer nicht zum Abschlüsse gebracht und es
mag billig bezweifelt werden, ob eine Entscheidung überhaupt mög-
lich ist. Niemand leugnet mehr den Einfluß der Erdrotation, der
sich auch nicht, wie v. Bakr meinte, auf meridionale Flüsse be-
schränkt; aber man hält ihn vielfach für zu geringfügig im Vergleiche
zu jenen Momenten, die — wie Unebenheiten und Verschiedenheiten
in der Härte der Unterlage — die Geschwindigkeit und Richtung
der Bewegung vorzugsweise bedingen.
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Die Flüsse.
529
Die Rotation drängt die schneller bewegten Wasserfäden nach
rechts (auf unserer Hemisphäre) und erhöht hier den Wasserspiegel.
Aber diese Abweichung von der Horizontalen erreicht nur ganz
minimale Werte; selbst hei einer ansehnlichen Breite von 1000 m
und einer Geschwindigkeit von 3 m würde sie am Pole nur 44,
unter 50° Breite nur 34, im 20. Parallel sogar nur 15 mm betragen.
Auch die Länge geologischer Perioden kann die Wirkung der Rota-
tion nicht steigern, „denn ebenso lange“, sagt Zöppbxtz, „wirken alle
Unregelmäßigkeiten und, da sich das Flußbett durch Erosion und
Sedimentführung beständig ändert, fortwährend in anderer, völlig
unübersehbarer Weise.“ Als einen Faktor von regionaler Bedeutung
hat man auch den Wind erkannt, und Koppen machte be-
sonders auf die Wichtigkeit der Sturmrichtung zur Zeit des Früh-
lingshochwassers aufmerksam. 11 Während sich der Einfluß der
Rotation mit der Geschwindigkeit des sich bewegenden Körpers
steigert, macht sich der des Windes gerade bei schwach fließenden
Strömen besonders geltend, indem er eine Wasserversetzung nach
dem luvseitig gelegenen Ufer bewirkt, namentlich dann, wenn der
Flußlauf unter einem steilen Winkel von der vorherrschenden Wind-
richtung getroffen wird. So vereinigen sich also verschiedene Fak-
toren, um die Flüsse nach der einen oder anderen Seite abzulenken ;
bald wirken sie im gleichen Sinne, bald arbeiten sie einander ent-
gegen, und daraus erklärt sich zur Genüge der Widerstreit der
Meinungen.
Daß die sibirischen Flüsse nach Osten drängen, hat noch in
neuerer Zeit Poliakow bestätigt; ob dieses Verhalten den West-
winden zuzuschreiben sei, kann noch bezweifelt werden, denn auch
in Südrußland herrscht diese Windrichtung vor, ohne die Flüsse an
ihrem westlichen Fortschreiten hindern zu können. Die östliche
Ablenkung des Nils beobachtete schon Minutoli und erwähnte Hoff,
der das Vordringen des Sandes aus der libyschen Wüste dafür ver-
antwortlich macht. Auch auf andere Flüsse wurde das BAEKSche
„Gesetz“ angewendet. Dagegen zeigen die norddeutschen Flüsse ein
ganz anderes Verhalten, und der Oberrhein wurde von den An-
hängern, wie von den Gegnern Baers als Beweis für ihre Ansichten
angeführt. Die Donau drängt in ihrem meridionalen Laufe in Ungarn
stark gegen das Westufer, das steile Lößabstürze bildet, aber auch
in den östlich gerichteten Teilen ihres Laufes zeigt sie, wo sie nicht
durch felsige Ufer eingeschlossen ist, das Bestreben, nach rechts
sich zu wenden; Süss vergleicht sie daher mit einer zwischen festen
Punkten aufgehängten Kette. Besonders im Unterlaufe bilden das
walachische Flach- und bulgarische Steilufer scharfe Gegensätze,
SüPiK, Physische Erdkunde. 2. Aull. 34
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580
Morphologie des Landes.
und eine Reihe blinder Arme zeigt den früher nördlicheren Lauf
des Flusses an. Für die Strecke Galatz — Reni nimmt Peters die
Stoßkraft des Pruth als Ursache dieser Erscheinung in Anspruch,
und dieselbe Wirkung läßt sich wohl auch den von den Transsilva-
nischen Alpen kommenden Flüssen zuschreiben, da diese bedeutend
wasserreicher und kräftiger sind, als die bulgarischen. In ähnlicher
Weise, wie die Donau, schreiten auch der Ganges und dieDschamuna
nach Süden vor, und die indischen Geologen schreiben dies den
größeren Sedimentmassen der HimalajaHüsse zu, wodurch die nörd-
liche Ebene höher aufgeschüttet wurde als die südliche.
Auch die Flußsysteme erleiden Veränderungen. Der einfachste
Fall ist der, daß durch Erweiterung des Deltas mehrere selbständige
Flüsse zu einem System verschmelzen. So verbanden sich Euphrat
und Tigris zum Schat el Arab, und der Aras, der im Altertume in
die Bai Kysylagatsch mündete, vereinigte sich mit dem Kur. Der
Seihan und Dschihan, die sich in den Golf von Iskenderun ergießen,
haben sich seit Xenophons Zeiten dreimal vereinigt und dreimal
getrennt Durch das Fortschreiten des Donaudeltas sank der Pruth
zu dem Range eines Nebenflusses herab. Erst in verhältnismäßig
junger Vergangenheit vergrößerte die Rhone ihr Gebiet durch die
Aufnahme der Durance, die in der Zeit ihrer Selbständigkeit das
Geröllfeld La Crau schuf und bei Salon mündete. Eine Laufver-
änderung brachte den Sutlej in Abhängigkeit vom Indus; die Reste
seines ehemaligen Laufes sind jetzt unter dem Namen Wahand und
Narra bekannt. Umgekehrt wurde sein einstiger Nebenfluß Saraswati
selbständig, indem ihn die nach rückwärts fortschreitende Dschamuna
eines Teiles seines Quellgebietes beraubte, so daß er jetzt wegen
Wasserarmut in der Wüste sich verliert. Eine ebenso traurige Selb-
ständigkeit erlangten die einstigen Nebenflüsse des Murray: Avoea,
Avon und Wimmera. Wie die Sedimentablagerung die Gebiete des
Po und der Etsch trennte, wurde schon auf S. 380 berichtet. Das
große Medianthal der norddeutschen Ebene weist auf eine, einst
wesentlich andere hydrographische Anordnung zurück; die Weichsel
floß über das Netzethal in die Oder, und diese setzte sich über die
Spree- und Havelniederung in der unteren Elbe fort. Dieser große
Strom löste sich erst seit der Eröffnung der Durcligangsthäler der
Weichsel und Oder durch den nördlichen Landrücken in drei Flüsse
auf. Im Osten löste sich der Pregel von der Memel los, die nach
Berendt einst das Insterthal benutzte und nur bei Hochwasser auch
einen Seitenarm in das Kurische Haff sendete.
Durch solche Systemveränderungen können selbst wichtige
Wasserscheiden Verschiebungen erleiden. Der Oberrheiu und
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Die Seen.
531
Genier See gehörten einst zum Donaugebiete; erst als das Durch-
gangsthal zwischen Bingen und Bonn entstand, wurde der Rhein in
die Nordsee abgelenkt Die Breite und der Geröllreichtum des
oberen Minnesotathaies, die in keinem Verhältnisse zur gegenwärtigen
Wassermenge stehen, legen die Vermutung nahe, daß einst der Red
River dasselbe benutzte und somit der Winnipegsee zum Mississippi-
gebiete gehörte, bis die negative Niveauveränderung der Hudsonbai
den Nelson zu erhöhter Thätigkeit auregte. Das Quellgebiet des
Nelson wurde immer weiter nach rückwärts verlegt, erreichte end-
lich den Winnipegsee und zwang den Red River zur Umkehr.
Sichere Beweise für solche Veränderungen lassen sich allerdings nur
dort erbringen, wo blinde Thalstücke noch erhalten sind, wie dies
besonders häutig in einigen Kettengebirgen (s. S» 518) der Fall ist,
oder wo das Material der Flußablagerungen über deren Herkunft
bestimmten Aufschluß giebt, oder wo historische Nachrichten vor-
liegen; aber vermuten können wir wenigstens, daß besonders dort,
wo die Wasserscheiden mannigfach gekrümmte Linien bilden, die
hydrographischen Grenzen Wandlungen erlitten haben.
Litteraturnach weise. 1 Haase in 1‘etebmanns Mitteilungen 1891,
S. 49. — 1 v. Tillo in Peterhanns Mitteilungen 1887, S. 101. — * Keilhack
in Petermanns Mitteilungen 1891, S. 38. — 4 Murray im Scottish Geographical
Magazine 1887, S. 65. — 8 Haase, Über Bifurcationen, in Petermanns Mit-
teilungen 1889. — 4 Wisotzki, Hauptfluß uud Nebenfluß, Stettin 1889. —
1 Klüden in d. Zeitschrift d. Berliner Gesellschaft für Erdkunde 1885, S. 397. —
* Blink, Der Rhein in den Niederlanden, Stuttgart 1889. — * Bericht von
Konschin in Petermanns Mitteilungen 1887, S. 225 (bezw. 226). Eine Über-
sicht der russischen Forschungen giebt v. Eckert im Ausland, 1892, S. 545.
Blano (im Bulletin de la Soeicte geographique de Paris, 1892, S. 281) suchte
einen Teil der alten Sagen noch zu retten. — 10 B. Neumann, Studien über
den Bau der Strombetten' und das BAERsehe Gesetz, Königsberg in Pr. 1893
is. hier die Litteratur). — 11 Koppen in der Meteorologischen Zeitschrift 1890,
S. 34 uud 180.
Die Seen.
Beckenformen. Alle Hohlräume, die von Seen erfüllt werden,
lassen sich auf zwei Grundformen zurückführen. Entweder ist das
Becken in den Boden eingesenkt (Fig. 186); oder die Vertiefung ist
gleichsam nur eine scheinbare, d. h. sie entstand durch Aufschüttung
eines Dammes oder Walles aus fremdem Material auf unveränderter
Unterlage (Fig. 187). Die erstere Art nennen wir Eintiefungs-, die
andere Aufschüttungsbecken.
Indem wir von Damm und Wall sprachen, haben wir bereits
34*
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582
Morphologie des Landes.
die beiden Arten von Aufschüttung genannt: die einseitige, die
einen Fluß zum See aufstaut (Fig. 187) oder einen Meeresteil ab-
schnürt, und die allseitige, wobei durch ungleichmäßige An-
häufung von Gesteinsmaterial Becken entstehen. Wir erhalten also
zwei Unterkategorien: Damm- und Wallbecken.
Außerordentlich mannigfaltig sind die Vorgänge, die zu Damm-
seen Veranlassung geben können, und die jetzt so beliebte systema-
tische Richtung kann sich nicht genug daran thun, immer wieder
neue Klassen aufzustellen. Hier sollen nur einige Beispiele an-
geführt werden, die uns zugleich zeigen, daß die Seenbildung auch
in der Gegenwart noch fortschreitet Nur ephemere Bildungen sind
Fig. 186. Profil eines Eintiefungs- Fig. 187. Profil eines Aufscbüt-
beckens. tungsbeckens.
die Eisseen. Der Gurgier Eissee entstand 1717 — 18, indem der
rasch vorwärts schreitende Gurgier Gletscher den Abfluß des Lang-
thaler Gletschers abdämmte. 1846 durchbrach er die Barriere und
war 1865 ganz ausgetrocknet, sammelte sich aber später wieder.
Seine Breite betrug nach v. Sonklar 632 m, und seine Tiefe bei
vollem Wasserstand im Frühjahre am unteren Ende 95 — 126 m. Noch
kürzer ist die Existenz jener Seen, die durch Schnee- und Eis-
lawinen gestaut werden; ein solcher See von 210m Breite und ca.
60 m Tiefe bildete sich nach Lyells Bericht im Jahre 1818 im Val
Bagne (Drance). Von größerer Dauerhaftigkeit sind jene Dämme, welche
durch Berg- und Felsstürze, durch die Schuttkegel der Seitenbäche,
durch Endmoränen, oder durch gewaltige Schotterablagerungen flu-
viatilen oder glazialen Ursprungs gebildet werden. Der Absturz
von zwei Felshörnern der Diablerets im Berner Oberhände (1714 und
1749) erzeugte die drei Seen von Derborence, die noch heute be-
stehen. Einem Bergstürze verdankt auch der Dorfersee im Kalser-
thale (Tauern) seine Entstehung. Zwei mächtige Schuttkegel, die
sich in der Mitte des Antholzer Thaies (Tauern) vereinigen, dämmen
einen See ab, der ca. 1km lang und 1/2km breit ist Einseitige
Schuttkegel lagern dem unteren Ende des Heider- und Reschensees
im Etschthale vor. Irn Tauferer Thale in Tirol ergoß der Schwarzenbach
infolge heftiger Regengüsse und rascher Schneeschmelze im August
1878 gewaltige Schottermassen, die die Thalsohle bei St. Martin auf
große Strecken unter Wasser setzten. In allen diesen Fällen —
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Die Seen.
533
und dies ist in der Gegenwart der gewöhnliche Vorgang — führten
mächtige Ablagerungen von Seitenbächen, die von dem Hauptflusse
nicht sogleich fortgeschafft werden konnten, zur Seebildung im Haupt-
thale. Der umgekehrte Vorgang erzeugte den berühmten Achensee
in NordtiroL Nach Pencks eingehenden Untersuchungen gehörte
das Achenthal einst zum System des Innthales und wurde durch
die diluviale Schotterterrasse des Hauptflusses abgedämmt. Hinter
ihr bildete sich der See, der nun durch die veränderten hypso-
metrischen Verhältnisse gezwungen wurde, nach der entgegen-
gesetzten Seite, nämlich nach Norden, abzufließen. Einen analogen
Fall aus der Gegenwart, freilich nur in kleinem Maßstabe, lernte
Penck im Saalachthaie (Salzburger Alpen) kennen.
Schon die Geschichte des Achensees führte uns über die geo-
logische Gegenwart hinaus in die Diluvialperiode. Dieser gehören
auch jene zahlreichen Seen an, welche Ch. Maktins als Moränenseen
bezeichnet hat. Die Seiten- und Endmoränen der einstigen Gletscher
erweisen sich als außerordentlich dauerhafte Dämme, die schon Jahr-
tausende lang dem Drucke des Wassers, wie der Erosion Trotz bieten.
Von diesen Moränendammseen sind die Moränenwallseen zu
unterscheiden, die in unregelmäßig angehäuften Endmoränen verteilt,
also allseitig von glazialem Material umgeben sind. Von sonstigen
Wallseen nennen wir noch besonders die häufigen Kraterseen
ruhender oder erloschener Vulkane.
An den Küsten erzeugt der Aufschüttungsprozeß die Strand-
seen, Mitteldinge zwischen Meeresbuchten und Binnenseen; sie sind
je nach der Breite und Anzahl der Kanäle, die in das Meer führen,
bald den einen, bald den anderen zuzuzählen (vergl. S. 425). Doch
sind nicht alle Strandseen abgetrennte Meeresteile; sie entstehen
auch (wie zum Teil in den Landes oder nach Hehl an der brasi-
lianischen Küste zwischen 21 und 23° S.) durch Ansammlung von
Flußwasser hinter den Dünen, und ihr Salzgehalt rührt dann davon
her, daß die Düne zeitweise durchbrochen wird und die Flut in die
Seen eindringt. Ein ungleichmäßiges Fortschreiten der Deltabildung
kann ebenfalls bewirken, daß Meeresreste -als Seen Zurückbleiben,
wie beispielsweise in der Umgebung von New Orleans. Mehrfach
wurde in geschichtlicher Zeit die Umwandlung einer Meeresbucht in
einen Binnensee durch das Delta eines seitlich einmündenden Flusses
beobachtet. So entstand das Loch Ewe in Schottland, der See Akiz
an der kleinasiatischen Küste (der latmische Meerbusen der alten
Geographie); der Hafen von Smyrna scheint demselben Schicksal
entgegenzugehen.
Die Gruppe der Eintiefungsbecken, die meist im festen Fels
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584
Morphologie des Landes.
liegen, umfaßt genetisch sehr verschiedene Gebilde. Die Eintiefung
kann von oben oder unten bewirkt worden sein, aber die Schwierig-
keit einer befriedigenden Erklärung liegt darin, daß solche Vorgänge
nur selten und in unzureichender Weise zur Beobachtung gelangen.
Daß strudelndes Wasser selbst im harten Gestein tiefe Becken aus-
höhlen kann — Geinitz nannte diesen Vorgang Evorsion — ist
nicht zu bezweifeln, aber nach ihren horizontalen Dimensionen sind
sie geringfügig gegenüber den mächtigen Seen. Man schreibt den
Gletschern die Fähigkeit zu, Wannen auszuhobeln; Penck beob-
achtete auch solche auf dem verlassenen Boden des unteren Grindel-
waldgletschers, aber auch das waren zwerghafte Gebilde, die man
nicht ohne weiteres mit den Seen in Vergleich setzen darf. Pum-
peelv sah in Zentralasien, wo keine Spuren einer Eiszeit vorhanden
sind, echte mit eckigen Gesteinsfragmenten erfüllte Felsenbecken
und gründete darauf seine Verwitterungstheorie, zufolge der die
Becken durch die Zersetzung weicherer Schichten und spätere Ent-
fernung des Verwitterungsschuttes durch den Wind oder in Glazial-
gebieten durch Gletscher entstanden (vergl. S. 353). Alle diese Er-
klärungsversuche, welche die Felsbecken auf oberirdische Kräfte,
d. h. auf Ausräumung zurückführen, erheben sich nicht über das
Niveau der Möglichkeiten, aber als solche muß man sie gelten lassen.
Von unterirdischen Vorgängen, die Eintiefungsbecken zu Schäften
vermögen, sind Einstürze über Hohlräumen und vulkanische Ex-
plosionen zwar auch aus der Gegenwart vielfach bekannt, aber sie
scheinen verhältnismäßig selten zur Seebildung Veranlassung zu
geben. Auf Java soll nach Jünghühns Bericht ein See durch plötz-
lichen Einsturz entstanden sein; und daß die Maarseen aller Wahr-
scheinlichkeit nach in Explosionsbecken liegen, wurde schon auf
S. 299 (u. 309) erwähnt. Als eine besonders wichtige Ursache von Ein-
tiefungen betrachtet man die Bodenbewegungen, die wir aus
tektonischen Veränderungen herzuleiten gewohnt sind. Erdbeben
sind bekanntlich häufig von merklichen Niveauveränderungen begleitet
So sank westlich von New Madrid am Mississippi 1811/12 ein aus-
gedehntes Stück Land, das jetzt mit zahlreichen Seen und Sümpfen
bedeckt ist; an der Stelle von Gotaehi in Ecuador befindet sich seit
dem furchtbaren Beben von 1868 ebenfalls ein See. In Tennessee
entstand bei dem Beben von 1811 der Beelfoot Lake, indem durch
eine Niveauveränderung der Abfluß eines Baches gestaut wurde.
Solche Stauungserscheinungen bringt man auch mit dem Fal-
tungsprozesse in Verbindung, aber da bisher nur fertige Faltungen
der Beobachtung zugänglich sind, so lassen sich für jene Annahme
nur indirekte Beweise beibringen.
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Die Seen.
535
Viele Seen enthalten eine marine Fauna, andere sogenannte
pelagische Tierformen, über deren Zugehörigkeit zu der echten
Meeresfauna die Ansichten noch geteilt sind. Man schloß daraus,
daß alle diese Seen, die man Relikte nseen nannte, einst mit dem
Meere im Zusammenhänge gestanden haben. Die Bedeutung dieses
Beweismittels hat R. C'redneh1 gründlich zerstört, indem er zeigte,
daß häufige Einwanderungen aus dem Meere in das Süßwasser
stattfanden, und daß viele Wassertiere sehr wohl imstande sind,
sich veränderten Lebensbedingungen anzupassen. Trotzdem läßt
Okednek den Begriff der Reliktenseen nicht fallen, ja er setzt sie
in direkten Gegensatz zu den „Festlands- oder echten Binnenseen“, d. h.
solchen, die „nachträglich auf bereits festländischem Boden entstanden“,
nur verlegt er die Beweisführung von dem biologischen auf das geo-
logische Gebiet. Aber damit ist die ganze Frage verschoben. Für eine
genetische Einteilung der Seen ist es gleichgiltig, wo die Vertiefungen
entstanden; die Hauptsache ist, wie sie entstanden. In der Ge-
schichte mancher Seebecken war die Senkung unter den Meeres-
spiegel nur eine Episode, wie Penck mit Recht in Bezug auf die
südschwedischen Seen hervorhob. Selbst wenn von einer Eintiefung
dargethan würde, daß sie ursprünglich eine Senke des Meeresbodens
war und als solche bei der Hebung ihre Wasserfüllung behielt, wäh-
rend die Umgebung trockenes Land wurde, wäre damit über die
Natur jener Senke noch nichts ausgesagt. In einem genetischen
Seensystem können wir daher die Reliktenseen völlig entbehren.
Die wichtigsten Kategorien dieses Systems fassen wir nochmals
übersichtlich zusammen :
I. Aufschüttungsbecken :
1. Dammbeckeu,
2. Wallbecken;
II. Eintiefungsbecken :
1 . Ausräumungsbecken :
a) Evorsionsbecken,
b) Glaziale Erosionsbecken,
c) Becken der äolischen Ausräumung;
2. durch unterirdische Vorgänge entstanden:
a) Einsturzbecken,
b) Explosionsbecken,
c) Tektonische Becken:
«) Senkungsbecken,
ß) Faltungsbecken.
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536
Morphologie des Landes.
Dimensionen der Seebecken. Depressionen. Die Fläche sämt-
licher Seen schätzt Penck auf 2'/2 MilL qkm, also nur auf l,s Proz.
des gesamten Landareals. Eine völlig isolierte Stellung nimmt der
Kaspisee mit 438 690 qkm ein ; er würde in Europa nahezu ganz
Schweden bedecken. In weitem Abstande folgt dann der Obere See
in Nordamerika mit 81 380 qkm, dann folgen 4 Seen mit 60 000 qkm
(Victoria -Njansa, Aral-, Michigan- und Huronsee), dann nach einer
weiteren Lücke folgt der Tanganika mit 35 130 qkm und erst von
da an läßt sich eine ziemlich zusammenhängende Reihe bis hinunter
zu dem kleinsten Weiher verfolgen. Seen mit beträchtlichen Wasser-
standsschwankungen und flachen Ufern sind natürlich großen Areal-
veränderuugen unterworfen; so erklären sich z. B. die abweichenden
Angaben über den Tsadsee. Eine unendliche Mannigfaltigkeit herrscht
in Bezug auf die Umrissformen; zwischen runden und lang-
gestreckten, geschlossenen und zerlappten Seeflächen giebt es alle
möglichen Übergänge.
Viele Seen galten als unergründlich, solange man sie noch nicht
ergründet hatte. Soweit die Lotungen reichen, haben nur zwei Seen
Tiefen von 1000 m: der Baikalsee 1373 m und der Kaspisee 1098 m,
von unseren Alpenseen senkt sich der tiefste, der Comosee, nur bis
409 m in den Boden ein. Nur einige flachen Rand- und Binnen-
meere können den Seen an die Seite gestellt werden.
Trotzdem reicht der Boden zahlreicher Seen unter den Meeres-
spiegel hinab. Liegt die Oberfläche über dem Meeresniveau, so
nennen wir solche Einsenkungen Kryptodepressionen. Ihre
Zahl vermehrt sich fast von Tag zu Tag, je weiter die jetzt in er-
freulichem Aufschwünge begriffene Seenforschung fortschreitet. Der
Baikal-, Aral-, Ladoga- und Onegasee, viele skandinavische und
britische Seen, einige der italienischen Alpenseen, die canadischen
Seen, der Lake Champlain, der Große Bärensee, mehrere Seen in
Chile und Neuseeland mögen hier genannt werden, um eine Vor-
stellung von der weiten Verbreitung dieses Phänomens zu geben.
Echte Depressionen sind dagegen jene, in denen auch die
zu Tage liegende Fläche unter dem Meeresspiegel liegt. Wir haben
hier aber streng zwischen Küsten- und Binnendepressionen zu
unterscheiden. Die ersteren finden sich an vielen Flachküsten hinter
Dünen und Dämmen und sind meist vom Menschen erobertes Land.
Au der Ost- und Nordsee sind sie häufig; fast die Hälfte des König-
reiches der Niederlande (14757 qkm) würde von der See dauernd
überflutet werden, wenn es nicht durch Dämme geschützt wäre.
Teile der toskanischen Maremmen und hessarabischen Küste und die
Umgegend von Georgetown in Guayana gehören noch zu diesen
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Die Seen.
537
Depressionen, die wohl selten mehr als 2 m eingesenkt sind. Ja, manche
würden, wie Penck bemerkt, überhaupt nicht als Depressionen er-
scheinen, wenn man den Nullpunkt der Höhenmessung in das Niedrig-
wasser verlegen würde. In viel größere Tiefen reichen die Binnen-
depressionen. In Afrika liegen solche im Süden des Atlassystems und
des miocänen libyschen Plateaus. Eine Bodenschwelle von 52m Höhe
trennt das Schott el Dscherid, das noch 17m über der See liegt, von dem
Golfe vonGabes; dann folgen gegen Westen die Depressionen der Schotts
Gharsa ( — 20 m) und Melrir ( — 31 m). Soweit könnte das Meer
in die tunesisch-algerische Wüste hineingeleitet werden: ein Projekt,
das die französischen Geographen und Techniker einige Zeit leb-
haft beschäftigt hat Auch das zweite saliarisehe Depressionsgebiet
besteht nur aus vereinzelten Senkungen, von denen die Aradsch-
Oase ( — 75 m) die tiefste ist Das ägyptische Fayum hat 40, die
Salzebene von Asale 60 m Tiefe. Beträchtlich tiefer ( — 174 m) liegt
die Oberfläche des Assalsees, eines abgetrennten Golfes des Roten
Meeres. In der nordamerikanischen Mohavewüste senkt sich das Tote
Thal (Death Valley) bis 33 und das Coahuillathal sogar bis 90 m
unter den Seespiegel. Erst vor wenigen Jahren entdeckte man
mitten im zentralasiatischen Hochlande, südlich von Turfan (43° N.,
90° 0.) eine Depression von ca. 90 m. 2 Asien besitzt übrigens das
ausgedehnteste und das tiefste Senkungsfeld. Das ausgedehnteste
ist der Kaspisee und seine nördliche Umgebung bis zum 50. Parallel
(736000 qkm), das tiefste ist das Ghör, jenes lange und breite
Verwerfungsthal, das der Jordan durchfließt. Der Meromsee liegt
noch 2 m über dem Spiegel des Mittelländischen Meeres, der Tiberias-
see aber bereits 208 und das Tote Meer 394m unter demselben. Dann
steigt der Boden im Wadi el Araba wieder über das MeeresDiveau.
Zwischen den Binnen- und Kryptodepressionen besteht, wie
R. Credner treffend bemerkte, lediglich ein klimatischer Unter-
schied. Die ersteren sind an trockene Gebiete gebunden; viele der-
selben waren einst, wie man noch aus alten Wasserstandsmarken
erkennt, bis zu größeren Höhen mit Wasser gefüllt, das in manchen
fast ganz verschwunden ist. Das Birket el Kerun im Fayum hat sich
sogar in der kurzen Zeit von 1871 bis 85 aus einer versteckten in
eine echte Depression verwandelt, und dasselbe Schicksal würde
auch andere Kryptodepressionen betreffen, wenn einmal die Ver-
dunstung über den Zufluß die Oberhand gewänne.
Die tiefsten Einsenkungen des Festlandes sind der Boden des
Kaspisees 1124 m, der Boden des Baikalsees 896 m. der des Toten
Meeres 793 m, und der des Gardasees 281 m unter dem Meeres-
spiegel.
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538
Morphologie des Landes.
Die vertikalen und horizontalen Dimensionen der Seebecken
stehen in keinem genau gesetzmäßigen Verhältnisse zu einander. Wohl
sind die tiefen Seen auch groß, aber nicht alle großen sind tief.
Einen ziffermäßigen Ausdruck gewinnen wir, wenn wir berechnen,
um wie viel Mal die Quadratwurzel der Fläche größer ist als die
Maximaltiefe; und wenn wir die nachstehende Tabelle, die nur
einige Beispiele enthält, mustern, so finden wir, daß gerade viele
kleine Seen einen kleinen Quotienten aufweisen, d. h. verhältnis-
mäßig sehr tief sind.
F
t
yr-.t
Oberer See . . .
81 3S0 qkm
307
m
929
Kaspisee ....
438 690 „
1 098
n
603
Ladogasee . . .
18 129 „
256
ff
526
Müritzsee ....
133 „
22
525
Wettersee ....
1 964 „
126
ff
352
Baikalsee ....
34 932 „
1 373
ff
136
Großer Plönersee .
60
ff
113
Genfer See . . .
582 „
309
ff
78
Totes Meer . . .
914 „
394
ff
77
Ilöftsee
19
ff
30
Hallstätter See . .
8,6 „
125
ff
23
Karsee
0,oi „
21
ft
9
Wir werden
die Bedeutung dieser relat
iven
Tiefen
sogleich
kennen lernen.
Seengebiete. Das wichtigste Moment für die Beurteilung der
Entstehung der Seebecken ist derzeit unstreitig noch ihre geogra-
phische Verbreitung. Denn wenn Seen auch überall Vorkommen,
so treten sie doch gesellig nur in ganz bestimmten Gegenden auf
und stellenweise häufen sie sich so sehr, daß wir geradezu von Seen-
landschaften sprechen können. Nur flüchtig erwähnen wir gewisse
Strandgebiete, da hier die Erklärung der Seen keine Schwierig-
keiten verursacht. Im Binnenlande fällt uns zunächst der außer-
ordentliche Seenreichtum der eiszeitlichen Gletschergebiete
auf. Tm nordeuropäischen nimmt die SeenHäclie 161000 qkm oder
nahezu 4 Proz. des Landes ein, am meisten in Finland, wo sich
der Anteil des stehenden Wassers auf fast 13 Proz. des Areals
steigert. Die Zahl der Seen ist überraschend, schätzte sie doch
Geinitz nur in Mecklenburg auf 650! In Nordamerika diesseits des
Felsengebirges rückt die nordische Seenzone mit den Grenzen des alten
Inlandeises weiter nach Süden, als sonst irgendwo. Über die Seenfülle
Canadas ist noch zu wenig bekannt, von den Vereinigten Staaten scheint
Minnesota mit seinen 10000 Seen ähnliche Verhältnisse aufzuweisen
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Die Seen.
539
wie Finland. Daß die Seenbildung mit der Eisbedeckung in ursäch-
lichem Zusammenhänge stehen muß, kann niemand mehr leugnen,
aber in betreff des Wie sind die Ansichten noch nicht im entfern-
testen geklärt. Penck machte auf den Gegensatz der Zentral- und
Randbezirke der alten Gletschergebiete aufmerksam; die ersteren
sind die „Rundhöckerlandschaften“, wo die Erosion vorherrschte, wo
abgeschliffener Fels häutig zu Tage tritt, und viele echte Felsenbecken,
manchmal parallel angeordnet, wie in Finland, Vorkommen; die
letzteren sind die an Seen verhältnismäßig ärmeren Moränengebiete
mit ihren Wall- und Dammbecken. Allein gerade die Felsenbecken
sind noch immer ein Gegenstand des wissenschaftlichen Streites, be-
sonders die großen südschwedischen Seen, die in die von Gneiß
umgebenen weicheren silurischen Schichten eingetieft sind. Die Frage,
ob sie durch Gletschererosion entstanden sind, muß jedenfalls noch
als eine offene bezeichnet werden. Anderseits kam Geinitz3 bei
seinen eingehenden Untersuchungen des mecklenburgischen Randge-
bietes des alten Inlandeises zu der Überzeugung, daß hier nicht alle
Seen in Moränenbecken liegen, sondern daß ganz verschiedene Ursachen,
sogar tektonische hier mitgespielt haben, wenn er auch die Evorsion
durch die Schmelzwässer des Eises für die wichtigste erklärte. Aus
der Tabelle auf S. 538 ersehen wir, daß die größeren Seen der
Glazialgebiete verhältnismäßig flach sind; daneben giebt es aber kleine
Becken, wie den Höftsee, die sich in Bezug auf relative Tiefe mit
den Gebirgsseen messen können, und auf diese könnte die Evorsions-
theorie wohl Anwendung findeu. Einen Beweis dafür, daß die See-
becken Ostholsteins mit der Diluvialablagerung gleichzeitig entstan-
den sind, sieht Ule4 mit Recht darin, daß ihre Gestaltung immer im
Einklänge steht mit der Oberflächenbeschaffeuheit der nächsten Um-
gebung; und es wird dies noch durch die Wahrnehmung bestätigt,
daß der glaziale Geschiebelehm gleichmäßig Höhen und Tiefen
überkleidet und an den Ufern der Seen bis zum Wasserspiegel
herabsinkt.
Für den großen Anteil, den die Eiszeit an der Seenbildung
genommen- hat, sprechen übrigens auch die Gebirgsseen. Es
sind teils Moränenseen, teils echte Felsbecken, die hier in Betracht
kommen, und die wir in allen Gebirgen finden, die einst ver-
gletschert waren. Wir haben hier zwischen Hoch- und Thal-
seen zu unterscheiden; nur die ersteren, meist kleine Becken
auf den Berghängen, Pässen und in den Karen, sind ein all-
gemein verbreitetes Phänomen. An relativer Tiefe übertreffen sie,
wie uns der Karsee in unserer Tabelle auf S. 538 zeigt, viel-
fach die großen Seen. Besonders bedeutsam ist aber die Tliat-
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540
Morphologie des Landes.
sache, daß sie an gewisse Höhenzonen gebunden sind. In den Ost-
alpen zählte Böhm5 2460 solcher Hochseen; abgesehen von den 224,
deren Seehöhe nicht zu ermitteln war, hegen in
3000—2500 m Höhe 389
2500—2000 „ „ 953
2000—1500 „ „ 494
unter 1500 „ „ 400.
Die Höhenzone mit reichlicherer Entfaltung des Seenphänomens
findet sich auch in anderen Gebirgen, und es ist besonders beachtens-
wert, daß sie vom Äquator gegen die Pole, wenn auch nicht regel-
mäßig, sich senkt. Sie liegt im mittleren Norwegen in 1000 — 1600,
in der spanischen Sierra Nevada in 2900 — 3200, im Himalaja in
4 — 5000, in den peruanischen Anden in 4300 — 4600m Höhe; dagegen
in den höheren südlichen Breiten, entsprechend der Senkung der
Schneelinie, viel tiefer: in Patagonien unter 1000, auf Neuseeland
in 600 — 1200 m Seehöhe. Daß auch hier eine ursächliche Ver-
knüpfung mit der Vergletscherung vorliegt, ist schwer abzuweisen.
Die Anhänger der Lehre von der Gletschererosion führen die
Meeresspiegel
Fig. 188. Profil durch den Urner See nach HEIM (in gleichem
Verhältnisse von Lange und Höhe).
untere Grenze des häufigen Vorkommens der Hochseen auf die letzte
Phase der diluvialen Vereisung zurück, während die obere zum Teil
durch die gegenwärtige Gletscherbedeckung, zum Teil durch die Steil-
heit der Gehänge bedingt sein soll.
ln den Alpen folgt auf die Hochseenzone eine seenarme, dann
die Zone der großen Thal- und Randseen, die sich im Norden
vom Lac du Bourget bis zum Traunsee, im Süden vom Lago d’Orta
bis zum Gardasee erstreckt. Die inneren Thalseen zeichnen sich vor
den Randseen durch eine 3 — 4 mal größere relative Tiefe aus
(vgl. Hallstätter und Genfer See auf S. 538), doch ist sie auch bei
den Randseen noch immer bedeutender, als bei den Seen des Flach-
landes. Daß jene Seen diluvialen Alters sind, wird jetzt auch von den
Gegnern der Glazialtheorie zugestanden; im übrigen stehen sich
aber die Meinungen noch schroff gegenüber. Die bedeutendsten
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Die Seen.
541
Schweizer Geologen erklären sie für tektonische Becken und
Heim schreibt sie neuerdings8 einem Rücksinken des ganzen Alpen-
gebirges nach der ersten Eiszeit zu, wodurch die nach den Ebenen
sich öffnenden Thäler ein widersinniges Gefälle erhielten. Die so
entstandenen Seen wurden in ihren oberen Teilen mit Glazialschotter
ausgefüllt, überdauerten aber wenigstens in ihren unteren Teilen
die folgenden Eiszeiten, die sie durch Gletscherausfüllung vor Zu-
schlittung schützten. Man beruft sich auf die Thatsache, daß diese
Seen mit den Thälern auf das innigste verknüpft sind, und ferner,
daß ihr Grund nicht, wie man früher glaubte, in bedeutende Tiefen
hinabreicht, sondern eine fast ebene Thalsohle darstellt. Besonders
interessant sind in dieser Beziehung die Messungen Heims im oberen
Teile des Vierwaldstätter Sees (Urner See, Fig. 188), wobei sich
folgende Zahlen ergaben:
Entfernung
Mitte
Entfernung
vom westlichen Ufer
vom östlicheu Ufer
m 65
125
255
160
125 m
Tiefe: in 203
204
i 205
204
197
102 m
Zu ähnlichen Ergebnissen gelangte Simony in Bezug auf die Seen
des Salzkammergutes; auch er betont die außerordentliche Gleich-
förmigkeit des Bodens selbst kleiner Seen. Im Gmimdener See
fand er auf eine Länge von 2000 m und in 400 — 900 m Breite nur
Niveaudifferenzen von 1 — 1 */a m. Solch ein ebener Boden mit
steilen Seitenwänden wird nach unseren Erfahrungen nur von fließendem
Wasser geschaffen; er muß also geneigter Thalgrund gewesen sein,
ehe sich ruhende Wasserschichten über ihn ausbreiteten.
In Bezug auf die Seen, die an ihrem Ausgange nicht von jungen
Bodenbewegungen getroffen wurden, oder die — wie die bayrischen
Vorlandseen — in ungestörte Schichten sich einsenken, stößt die
tektonische Theorie auf Schwierigkeiten. Rämsay erblickte auch in
den großen Alpenseen Erzeugnisse der Gletschererosion, aber schwer
vereinbar ist damit ihre geographische Verteilung, sowohl in den
Alpen, wro sie manchen Betten großer Eisströme fehlen, wie in an-
deren Gebirgen. Wohl sind Schottland, Norwegen, die Alpen Neu-
seelands reich an Thalseen, aber andere Gebirge mit mächtiger dilu-
vialer Eisdecke, wie die Pyrenäen, der Kaukasus, der Himalaja, ent-
behren dieses Reizes. Die tektonische Theorie findet dagegen eine
Erklärung für dieses Verhalten darin, daß seenhildende Boden-
bewegungen und Vergletscherung räumlich und zeitlich nicht zusammen-
fielen. Sie benötigt also der diluvialen Thalgletscher lediglich zur
Konservierung der Seebecken. Indes bemerkt Penck mit Recht,
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542
Morphologie des Landes.
daß eine einzige Theorie nicht für alle Thal- und Randseen passe.
Man sieht, auch in dieser Frage ist nur ein mäßiger Fortschritt
zu verzeichnen.
Mit einem höheren Grade von Wahrscheinlichkeit können wir
im syrisch-ostafrikanischen Grabengebiete von tektonischen
Seen sprechen. Dies gilt wenigstens von den Seen des Jordanthaies,
dem Rudolfsee, Tanganika, Njassa und einigen anderen, während
der in seinen Umrissen ganz davon abweichende und, wie es scheint,
Hache Victoria-See nicht in einer Grabenversenkung liegt. Messungen
liegen nur vom Toten Meere vor, es ähnelt nach unserer Angabe
auf Seite 538 in seiner relativen Tiefe den alpinen Randseen, würde
sie aber bei weitem übertreffen, wenn wir die ehemalige Höhe des
Wasserspiegels der Berechnung zu Grunde legen würden.
Ein anderes großes Seengebiet, das mit der Eiszeit in keinerlei
Verbindung steht, ist das aral-kaspische, der letzte Überrest eines
ausgedehnten Meeres, das sich in der jüngeren Tertiärzeit bis in
das Wiener Becken erstreckte und seitdem stetig zusammenschmolz
und noch weiter zusammenschmilzt. Aber noch in der Quartärzeit hingen
Kaspisee und Schwarzes Meer zusammen, erst später trat letzteres
mit dem Mittelmeere in Verbindung. Die tiefe Südhälfte des Kaspi-
sees erklärt Andbubsow 7 für ein Senkungsbecken, die Nordhälfte
und die übrigen Becken sind ganz flache tellerförmige Vertiefungen,
wie sie in Trockengebieten, z. B. in Zentralasien oder im Innern
Australiens, so häufig sind. Viele davon nehmen keine selbstän-
digen Vertiefungen ein, sondern bilden sich einfach an der tiefsten
Stelle eines weiten Hohlraumes, wie solche aus der Ablagerung von
Steppengebilden hervorgehen, durch die Ansammlung des fließenden
Wassers. Solch ein Mündungssee ist der Lob-nor Zentralasiens,
das erweiterte Ende des Tarimlaufes.
Süll- und Salzwasserseen. Meeresteile, die sich in Binnenseen
verwandeln, haben selbstverständlich ursprünglich salziges Wasser;
Seen, die nur durch meteorisches, Grund- und Flußwasser gefüllt
wurden, haben ursprünglich süßes Wasser, vorausgesetzt, daß sie
nicht starke Soolquellen aufnehmen, wie die ehemaligen Seen bei Eis-
leben. Ob der ursprüngliche Zustand gewahrt bleibt oder sich ver-
ändert, hängt aber ganz davon ab, ob der See Abfluß hat oder
nicht. Der Abfluß kann ober- oder unterirdisch sein oder beides
zugleich, wie wahrscheinlich beim Königsee; er kann permanent sein
oder periodisch, wie beim Tanganika. Hört er auf, oder war ursprüng-
lich, wie bei den Mündungsseen, keiner vorhanden, so häufen sich
die von den Flüssen herbeigeführten Salze im See an, da die Ver-
dunstung, die den Zufluß paralysiert, nur Wasser entfernt, und der
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Die Seen.
543
Süßwassersee verwandelt sich in einen salzigen. Umgekehrt werden
Salzwasserseen ausgesüßt, wenn Abfluß vorhanden ist. Doch giebt
es einige Ausnahmen von dieser Regel. Der Tsadsee und (nach
Blanford) ein kleiner See bei Dastarjan, westlich von Schiras, ent-
halten trotz ihrer Abflußlosigkeit Süßwasser. Ersterer hatte zwar
früher und hat periodisch vielleicht jetzt noch einen Abfluß im Bahr
el Ghasal, der sich in der Wüste verliert; aber immerhin ist seine
Salzarmut auffallend, besonders, da in der Umgebung salzführende Ge-
steine anstehen.
Der Salzgehalt ist nicht nur bei verschiedenen Seen sehr ver-
schieden,x sondern wechselt auch innerhalb eines und desselben
Sees. Er beträgt im Kaspisee bei der Wolgamündung 0,ie, bei Baku
1,32, am Südende der Kaidakbai 5,63 und im flachen Golfe Karabugas,
der nur durch eine schmale Öffnung mit dem übrigen See in Ver-
bindung steht, 28,6 Proz. v. Baeb hat diese enormen Unterschiede
darauf zurückgeführt, daß der See noch jetzt ausgesüßt werde, und
daß sich alles Salz im Karabugas anhäufe, während Peschel den,
im allgemeinen geringen, Salzgehalt des Kaspi- und Aralsees aus
ihrer einstigen Verbindung mit dem Ozean zu erklären suchte und
auf die Ostsee hinwies, die unter gleichen Verhältnissen nahezu aus-
gesiißt wird.
.Nicht bloß der Reichtum an Salzen, sondern auch diese selbst
sind in verschiedenen Seen verschieden, und wechseln in ihren Ver-
hältniszahlen auch in einem und demselben See, wie Abich vom
Kaspisee nachwies. Man unterscheidet in dieser Beziehung Salz-
seen im engeren Sinne, Natron- und Boraxseen. Bei den ersteren,
die auch die zahlreichsten sind, herrscht meist Kochsalz vor; da-
neben findet man Chlormagnesium, schwefelsaure Magnesia und
schwefelsaures Natron. Im Eltonsee und im Toten Meere übertrifft
das Chlormagnesium alle anderen Salze. Zu den Natronseen ge-
hören z. B. der Wansee, der Güsgundag, der See bei Ägyptisch-
Theben und kleine Seen bei Szegedin und Debreczin. Hauptbestand-
teile sind hier Kochsalz, kohlensaures und schwefelsaures Natron,
von denen meist die erste, manchmal aber auch die zweite Verbin-
x Nach Roth beträgt der Salzgehalt in Prozenten (d. h. unter 100 Teilen
Wasser):
Natronsce Palics (zwischen Szege- Großer Salzsee, Utah (2 Mess.) 18, #o
din und Theresiopel) .... 0,ai Urmiasec (3 Messungen) . . . 2t,os
Kuku Nor 1,ot ' Totes Meer (4 Messungen) . . 23, 75
Aralsee . ■ l,o» I Eltonsee (3 Messungen) . . . 27, 0«
Wansee l,*i J Roter See bei Perekop (2 Mess.) 32, st
Bitterseen des Sueskauals (2 Mess.) 5,37 Güsgundag am kl. Ararat(2 Mess.) 36, so
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544 Morphologie des Landes.
düng vorherrscht In Ungarn kommt nach Peteks der Salzgehalt
von den trachytischen Gemengteilen der Tieflandsablagerungen. Sehr
selten sind die Boraxseen, die neben Borax stets auch Kochsalz
enthalten. Man kennt solche nur in Zentralasien, Persien, Californien
und Nevada.
Erlöschen der Seen. Die Seen gehören zu den vergänglichsten
Beizen einer Landschaft Indem sich der Abfluß immer tiefer ein-
schneidet. droht ihnen allmähliche Entleerung; und wenn dieser
Prozeß auch ein langsamer ist, so sind
ihm doch sicher schon viele Bergseen
zum Opfer gefallen. Mit unheimlicher
Schnelligkeit, die so manchen zu dem
falschen Schlüsse einer sichtlichen Ver-
schlechterung des Klimas verleitet hat,
gehen die Seen der Trockengebiete,
wo die Verdunstung beträchtlich die
Niederschlagsmenge übersteigt, x an
Abzehrung zu Grunde, ln Turkestan
und im angrenzenden Westsibirien
lassen sich diese Veränderungen in
der geschichtlichen Zeit gut ver-
folgen. Das Kärtchen in Fig. 189
überhebt uns weiterer Auseinander-
setzungen, nur darauf möge auf-
merksam gemacht werden, wie mit
der Abnahme der Seenfläche die Zahl
der Seen zunimmt. Der Balkaschsee
stand noch in geschichtlischer Zeit mit
ist seit 1813— 24, die schraffierte seit dem Alakulin Verbindung; jetztistdiese
is-so-eo ausgetrocknet; schwarz be- ße Wa88erfläche in fünf Seen aufge-
deutet die Seenreste i. J, 1880. ° °
löst, von denen einer schon ausge-
trocknet ist Nach Nikolskis Beobachtung sinkt der Spiegel des
Balkasehsees in 15 .Jahren um 1 m. was einer jährlichen Ver-
x Folgende Heobachtungen stammen aus den Jahren 1875 — 79:
Stationen
Durchschnittliche jährliche
Verdunstungs-
Regenmenge
im aral-kaspischen Tiefland
menge
mm
mm
Astrachan
744
156
Akmolinsk . .
1035
233
Nukus
1931
71
Petro-Alexandrowsk
2321
65
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Fig. 189. Veränderungen des Abysch-
kansees in Westsibirien, nach Jad-
Rinzew.8 Die punktierte Seenfläche
Die Seen.
545
dunstung von 1,3 Mi 11. cbm entspricht, die Südhälfte bildet sich
bereits in einen Salzsumpf um.® Auch die großen russischen Seen
haben an Umfang verloren; am Onegasee ist ein altes Ufer noch
20 m über dem gegenwärtigen Spiegel sichtbar. Die australischen
Binnenseen verdienen nur mehr die Bezeichnung Moräste; der Lake
Eyre hat nur mehr eine Tiefe von 0,3 bis 0,9 m. Gewaltige Ver-
änderungen hat auch Nordamerika seit der Eiszeit erlebt. Von seinen
beiden Riesenseen auf dem westlichen Hochlande, dem Lahontan-
und dem Bonneville-See (vergl. S. 1 84), sind nur noch spärliche Reste
vorhanden, unten denen der Salzsee von Utah der bedeutendste ist;
der Winnipeg- und eine Anzahl kleinerer Seen traten an die Stelle
des Agassiz-Sees, und auch die canadische Gruppe bildete einst
eine einzige Wasserfläche: den See Algonquin.
In regenreichen Gegenden wird die Existenz der Seen durch
die Zuflüsse bedroht, die ihre Geschiebelasten im stehenden Wasser
ablagern, und es ist leicht erklärlich, daß in Gebirgen dieser
Prozeß sich rascher abspielt, als im Flachlande. Breite alluviale
Thalebenen schließen sich an das obere Ende der meisten Alpen-
seeu an, deren einstige Ausdehnung verratend. So reichte der
Genfer See bis Bex, der Brienzer bis Meiringen, der Bodensee bis
Bendern, der Urnersee bis Erstfeld, der Lago maggiore bis Bellin-
zona u. s. w. Seitwärts mündende Bäche schneiden durch Deltas
die Seen entzwei; die Lütschine trennte beispielsweise den Thuner
vom Brienzer See, die Adda den Como- vom Mezzolasee, die Linth
vielleicht den Züricher vom Wallensee. Am St. Wolfgangsee bei
Ischl oder an den Eugadiner Seen läßt sich dieser Vorgang gut
beobachten.
Wenn man aber, wie dies häufig geschehen ist, alle größeren
Thalebenen für zugeschüttete Seebecken erklärt, so geht man zu
weit. Auch die seitliche Erosion schafft Thalweitungen und damit
geht Hand in Hand die Auftragung von Alluvionen. Doch ist in
zahlreichen Fällen jene Annahme richtig. Manche Gebirgsseen ver-
schwanden erst in geschichtlicher Zeit völlig, wie 1817 der Novaledo-
see und 1818 der Lago morto im Valsugana, oder der Kankersee
in Kraiu seit dem 18. Jahrhundert. Von anderen kennt man zwar
nicht das Todesjahr, aber Sagen des Volkes oder Ortsnamen haben
ihr Andenken erhalten. Ans einem Vergleiche der ANiCHsehen und
HcEBEKschen Karte von Tirol und der neiden Spezialkarte ergiebt
sich, daß in diesem Lande innerhalb eines Jahrhunderts 118 Seen
verschwunden sind. Kleine Wasseransammlungen, sumpfige und
moorige Stellen, saure Wiesen u. s. w. sind ziemlich sichere An-
zeichen eines erloschenen Sees; und nicht minder zuverlässig ist
Supan, Phj>ische Erdkunde. 2. Aull. 35
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546
Morphologie des Landes.
ein orographisches Merkmal, nämlich die rundliche Gestalt eines
Thalbeckens. Die größte Thalfläche innerhalb der Alpen, die nord-
krainische Ebene (633 qkm), war in vordiluvialer Zeit ein See, den
die Save und die übrigen alpinen Zuflüsse successive von Nordwesten
nach Südosten mit mächtigen Kiesmassen zuschütteten, während die
Karstflüsse mit einer einzigen Ausnahme nur Sand und Schlamm
herbeiführten. Der südliche Teil blieb daher noch lange See, als
der nördliche schon ausgefüllt war; Pfahlbauten wurden in dem-
selben gefunden, und noch jetzt ist er eine 144 qkm große Moor-
fläche (s. Fig. 96 S. 358).
Sumpf und Moor. Bei der Umwandlung der Seen in Land
spielen neben den Flußsedimenten und den atmosphärischen Ab-
lagerungen auch die Pflanzen eine hervorragende Rolle. Ihre
Thätigkeit beschränkt sich aber hauptsächlich auf jene Seen, bei
denen nur die oberste Wasserschicht durch Zu- und Abfluß bewegt
wird, und deren windgeschützte Lage eine starke Wellenbewegung
verhindert. Nach Senfts Beobachtungen schreitet der Ver-
moorungsprozeß entweder von oben nach unten, oder von unten
nach oben fort, je nachdem der Boden reich an im Wasser löslicher
Kieselsäure und kieselsaurem Kali, aber arm an kohlensaurem Kalk
ist; oder neben etwas Kieselsäure eine große Menge gelöster Kalk-
salze liefert. Der erste Vorgang wird also in kalkarmen Gegenden,
der zweite hauptsächlich im Kalkgebirge stattfinden.
Im ersteren Falle beginnt die Vennoorung stets am Ufer, und
zwar in feuchten Vertiefungen oder Löchern, die z. B. durch das
Ausroden von Baumwurzeln entstehen. Hier siedeln sich zunächst
gemeines Borstengras und das Sumpf- und Wassermoos (Sphagnum)
an: Gewächse, welche nicht nur die Bodenfeuchtigkeit festhalten,
sondern auch den atmosphärischen Dampfgehalt an sich ziehen, und
auf diese Weise ihre Unterlage, wie auch deren nächste Umgebung
immer mehr versumpfen und so sich selbst die Bedingungen zu
immer ausgebreiteterem Wachstum schaffen. Namentlich die Wasser-
moose, die in dichten Filzlagem beisammen wachsen und in ihren
oberen Teilen noch fortvegetieren und sich vermehren, wenn
auch die unteren schon abgestorben sind, verbreiten sich außer-
ordentlich rasch, und zwar im vorhegenden Falle nicht bloß land-
einwärts, sondern auch seewärts, indem sie den Wasserspiegel mit
einer immer dicker werdenden Decke zum Teil oder ganz über-
ziehen. Konferven und andere Algen, Ried- und Wollgräser oder
che Torfheide siedeln sich hier an und vergrößern das Gewicht der
Decke, die immer tiefer unter den Wasserspiegel sinkt; und da
immer neue Pflanzen die Oberfläche einnehmen, so kann endlich
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Die Seen.
547
die aus vielen Generationen aufgebaute Pflanzensehicht den Grund
des Sees erreichen, womit der Prozeß der Landbildung abge-
schlossen ist.
Im zweiten Fall wird zunächst die, an das Ufer grenzende
seichte und schlammige Zone des Seebodens von Algen und schwim-
menden Wasserpflanzen, dann von Schilfrohr, Binsen, Scliein-
und Wassergräsem; und zuletzt, wenn sich der Boden bereits so-
weit erhöht hat, daß er nur mehr periodisch überschwemmt wird,
von Ried- und Wollgräsern eingenommen. Da diese Ablagerungen
wegen ihrer schlammigen Beschaffenheit über ihren seewärts ge-
legenen Rand hinausgepreßt werden, so rückt die Landbildung kon-
zentrisch gegen die Mitte des Sees vor und kann ihn endlich, vor-
ausgesetzt, daß er nicht zu tief ist oder daß Schotterablagerungen
genügend vorgearbeitet haben, völlig in eine sumpfige Grasflur (Ried
oder Moos) verwandeln.
Unter dem Wasser, das den Zutritt der Luft verhindert, ver-
fällt die vegetabilische Masse einem langsamen Verkohlungsprozesse,
der den Torf liefert Da bei hoher Temperatur die Zersetzung
der abgestorbenen Organismen sehr rasch vor sich geht, so sind im
allgemeinen die Torfmoore nur auf die gemäßigte und kalte Zone
beschränkt, und kommen im tropischen Erdgürtel nur dort vor, wo
ähnliche Bedingungen, wie in unseren Gegenden, vorhanden sind.
Sümpfe und Moore sind aber nicht immer das letzte Ent-
wicklungsstadium eines Sees. Sümpfe können sich überall auf
wasserundurchlässigem Boden mit geringem Gefälle bilden; sie be-
gleiten viele Flachküsten und die Ufer großer Flüsse, besonders
dann, wenn deren Niveau höher liegt, als das umliegende Land;
oder sie verdanken ihre Entstehung dem austretenden Grund-
wasser in einer Bodendepression, wie die Moose des Münchener
Beckens. In der Regenzeit verwandeln sich viele Gebiete der tro-
pischen Ebenen in Sumpflandschaften, die aber bald wieder aus-
trocknen, während in den Gegenden mit gleichmäßigen Niederschlägen
viele Sümpfe permanent sind.
Moore bilden sich auch auf trockenem Grunde, von dem das
Wasser abfließen kann, wie beispielsweise im nordwestlichen Deutsch-
land. Man nennt sie Hochmoore im Gegensätze zum Tiefmoor,
das häufig au die Stelle der Seen tritt Haben in nassen Jahren
oder bei hohem Grund wasserstan de die Sphagnumarten allein oder
im Vereine mit anderen torfbildenden Pflanzen an irgend einer Stelle
festen Fuß gefaßt, so setzt sich der Vermoorungsprozeß in der schon
oben geschilderten Weise unaufhaltsam fort, und einem gewölbten
Riesenschwamme ähnlich überzieht das Hochmoor bald Berg und
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548
Morphologie des Landes.
Thal (Fig. 190). Manchmal zerreißt seine, durch Gase und Wasser
straff gespannte verfilzte Decke plötzlich, und gewaltige Schlamm-
ströme stürzen dann hervor, weithin das Land verwüstend. Nament-
lich in Irland ist dieses Phänomen nicht selten; der Schlammstrom
von Kinalady am 25. Juni 1821 riß Häuser und Wälder mit sich
fort und bedeckte eine Fläche von mehr als 1 3 qkm.
Q ID -0 La
Fig. 190. Profil der östlichen Linie des Hunte-Ems-Kanals (Oldenburg)
nach Schacht.10
(Die Zahlen geben die Mächtigkeit des Untergrundes und des Hochmoores.)
Das Wachstum des Torfes hört auf, wenn er infolge der Ver-
legung eines Flußlaufes, Eröffnung eines genügenden Abflusses oder
infolge anderer Veränderungen völlig austrocknet; oder wenn um-
gekehrt der Wassergehalt so sehr zunimmt, daß der Boden in einen
Morast verwandelt wird, der die Fortexistenz der torfbildenden Ge-
wächse nicht mehr gestattet
Li tteraturnach weise. 1 R. Cbedner, Die Relikteuseen, Gotha 1887 — 88
(Ergänzungshefte 86 u. 89 zu Petebmanns Mitteilungen). — 9 Petermanns Mit-
teilungen 1894, S. 200. — * Geinitz, Über die Entstehung der mecklenburgischen
Seen, im Archiv des Vereins d. Freunde d. Naturgeschichte in Mecklenburg
1885; Die Seen, Moore und Flußläufe Mecklenburgs, Güstrow 1886. — 4 Ule,
Die Tiefenverhältnisse der ostholsteinschen Seen, im Jahrbuehe d. preußischen
geologischen Landcsanstalt für 1890. — 6 Böhm, Die Hochseeu der Ostalpen,
in den Mitteilungen der AViener Geographischen Gesellschaft 1886. — 4 Heim,
Die Entstehung der alpinen Randseen, in der Vierteljahrsschrift der natur-
forschenden Gesellschaft in Zürich, 1894. — 7 Andrissow, in den Iswestija der
Russischen Geographischen Gesellschaft, 1888, S. 91. — 9 Jadrinzew in den
Iswestija der Russischen Geographischen Gesellschaft 1886, S. 53. — * Mit-
teilung Venjükows in d. Comptes rendus d. französ. Akad. d. VViss. 1886,
S. 1045. — 10 Schacht, Moore des Herzogtums Oldenburg, in Petebmanns Mit-
teilungen 1883.
Die horizontale Gliederung des Festlandes.
Die Halbinseln. Wie der vertikale Aufbau, so sind auch die Umrisse
der Festländer in ihren Hauptzügen das Produkt einer langen Ent-
wicklungsgeschichte. Strandverschiebungen spielen dabei die Haupt-
rolle. In zutreffender Weise hat man die Kontinente mit Organismen
verglichen, und Halbinseln und küstennahe Inseln als Glieder be-
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Die horizontale Gliederung des Festlandes.
549
zeichnet, die in der That auch wie Arme nach benachbarten Erd-
räumen hinübergreifen.
Die Halbinseln, zu deren Betrachtung wir nun übergehen, sind
sehr ungleichmäßig verteilt Ihr Areal beträgt in Prozenten der
Gesamtfläche des Kontinentes (ohne die Inseln):
Nordkontinente Südkontinente
Europa 29,: Australien 1 ,<
Asien 20, s Südamerika 0,t
Nord- und Zentralamerika . . 10,9 Afrika 0,o
Die Halbinselbildung ist also vorwiegend ein den nördlichen
Festländern eigentümliches Phänomen, und von diesen ist wieder
Europa am meisten gegliedert. Es besitzt überdies alle Haupt-
formen der Halbinseln. Die mit dem Festlande innig verwachsene
Bretagne, eigentlich nur ein scharf markierter Vorsprung desselben,,
stellt uns das kontinentale Extrem; die Krim dagegen, die nur durch
den 1 1 km breiten, sandigen Isthmus von Perekop mit dem Festlande
zusammenhängt, das insulare Extrem dar. Übergänge finden wir in
der Balkanhalbinsel, die sich zwar schon deutlich vom Kontinent
abgliedert, aber doch nur ganz allmählich aus demselben hervor-
wächst; in der italienischen, die nur mehr mit einem schmalen Ge-
hirgsstiicke an das Festland gekettet ist; endlich in der orographiseh
selbständigen pvrenäischen Halbinsel, die als ein fremdes Anhängsel
am europäischen Körper erscheint. Nur ist hier, im Gegensätze zur
Krim, das Verbindungsglied eine breite Ebene.
Schon aus dieser kurzen Betrachtung ergiebt sich, daß Halb-
inseln auf zweierlei Weise sich bilden können: durch Ab- und durch
Angliederung; die erstere geschieht durch eine positive, die letz-
tere durch eine negative Niveauveränderung. In den abgegliederten
Halbinseln setzt sich stets die Geländeform des benach-
barten Festlandsteiles fort. Die beiden unteren Stufen des
Karstes bilden die Halbinsel Istrien, und dasselbe Gebirgssystem
zieht durch die ganze Westhälfte der Balkanhalbinsel bis in den
Peloponnes fort. Ebenso gehören das serbische und das Banater-
gebirge geognostisch und orographiseh zusammen. Zwei Gebirgszüge
aus krystallinischem Gestein ziehen aus Armenien in die kleinasi-
atische Halbinsel hinein, endigen am Kysyl Irmak und tauchen im
Westen wieder aus der tertiären Ebene auf. Die Gebirge, die
Hinterindien in südsüdöstlicher Richtung durchziehen, beginnen nach
v. Richthofens Ansicht auf dem Kontinent schon unter 32° B.
Das granitisch- vulkanische Gebirge des nördlichen Teiles der cali-
fomischen Halbinsel endigt auf dem Festlandsrumpfe erst bei Los
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550
Morphologie des Landes.
Angeles. Zu gleichen Ergebnissen dürfte wohl auch eine genaue
geologische Untersuchung der Gebirge von Korea und Kamtschatka
führen. Auch die Apenninen Italiens sind nur ein Ausläufer des
alpinen Systems, während die Poehene erst in der Quartärzeit dem
Meere abgerungen wurde. Italien gehört also nur scheinbar zu den
abgegliederten Halbinseln mit breiter Basis. Noch schmäler als der
Apenninen-Jsthmus ist das Verbindungsglied zwischen Neuschottland
und Neubraunschweig. Es besteht aus Karbonschichten, die vom
Festlande auf die Halbinsel hinüberstreichen ; und es unterliegt
keinem Zweifel, daß die Gezeitenströmungen wesentlich zur Zer-
störung der Landenge beigetragen haben (vgl. S. 423). Wo das
Hinterland flach oder hügelig ist, finden wir dieselbe Geländeform
auch auf den abgegliederten Halbinseln, so auf der jütischen und
wahrscheinlich auch in Labrador und Arabien.
Die angegliederten Halbinseln sind dagegen geologisch
und orographisch selbständige Individuen, und dieser Cha-
rakterzug drückt sich auch meist in den geschichtlichen Schicksalen
ihrer Bewohner aus. Eine Tiefebene von jugendlichem Alter stellt
die Verbindung mit dem kontinentalen Rumpfe her. Der Anschluß der
iberischen Halbinsel an Frankreich vollzog sich zugleich mit der letzten
Aufrichtung der Pyrenäen ; die miocänen Schichten, die die südfran-
zösische Tiefebene bedecken und an der Gebirgsfaltung nicht mehr
teilgenommen haben, sind Süßwasserablagerungen. In gleicher Weise
gewann Asien das altkrystallinische Massiv von Dekan bei der Auf-
richtung des Himalaja, also ebenfalls in der Tertiärzeit, und seit-
dem wurde die Verbindung durch die Aufschüttung von Flußsedi-
menten in der hindustanischen Tiefebene eine immer festere. Erst
in der Quartärzeit schloß sich die Krim mit ihrem isolierten Jaila-
gebirge, und das aus altkrystallinischen Gesteinen bestehende finnisch-
skandinavische Plateau an das Festland an. Der Ladoga- und
Onegasee sind vielleicht noch Überreste der einst die Ostsee mit
dem Weißen Meere verbindenden Wasserstraße.
Eine Kombination beider Arten ist Florida. Soweit es aus
tertiärem Kalk besteht (d. h. der größte Teil der Halbinsel), ist es
eine kontinentale Fortsetzung. Nach allen Seiten hat es sich aber
durch Ansatz junger Muschel- und Korallenkalke vergrößert, nament-
lich im Süden, jenem eigentümlichen Mitteldinge von Sumpf und
See, das nur l'/g — 2 m über dem Meeresspiegel liegt Bei anderen
abgegliederten Halbinseln sind die angegliederten Stücke orographisch
noch viel schärfer markiert. Die Stiefelgestalt Italiens ist das Pro-
dukt einer solchen Kombination. An zwei Stellen (im Cratithal und
zwischen den Buchten von S. Eufemia und Squillace) wird das kry-
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Die horizontale Gliederung de« Festlandes. 551
stallinische Gebirge der Halbinsel Calabrien von horizontal gelagerten
Meeresbildungen tertiären Alters, die von Küste zu Küste reichen,
durchschnitten, und diesen geologischen Unterbrechungen entsprechen
auch orographische Depressionen. Hier wurden also zwei Inseln
angegliedert, die aber mit dem Apenninensystem in einem inneren
Zusammenhänge stehen (vgl. S. 480). Dagegen ist der Sporn von
Italien, der Mte. Gargano, ein den Apenninen ganz fremdes Gebirgs-
stück und von jenen auch durch eine weite Ebene getrennt Seine
Landschneckenfauna zeigt nach Kobelts Untersuchungen auch jetzt
noch nicht den italienischen Charakter. Noch schärfer ausgeprägt
sind die sekundären Halbinselbildungen der Balkanhalbinsel. Die
mittlere und östliche Landzunge von Chalkidike sind erst in
der jungtertiären Zeit angewachseu, während die westliche eine ab-
gegliederte Halbinsel ist. In die spätere tertiäre Periode fällt auch
die Angliederung des Peloponnes, denn zwischen den aus Kreide-
kalk bestehenden Bergen, der Geraneia in Megara (1370 m)
und dem Oneion in Morea (582 m), bilden horizontal gelagerte, wenn
auch von zahlreichen Verwerfungen durchsetzte Tertiärschichten,
die mit marinem Pliocän abschließen, den 5900 m breiten Isthmus
von Korinth, dessen Maximalhöhe nur 79 m beträgt. Malakka war
ebenfalls eine Insel, wie jetzt noch Sumatra, dem es auch in seiner
Gestalt sehr ähnlich ist; und seine Verwandlung in eine Halbinsel
hat noch nicht seinen faunistischen Charakter verwischen können, denn
noch jetzt gleicht seine Tierwelt der der Sundainseln, nicht der
Hinterindiens.
Inseln. Im Gegensätze zu den großen Landmassen oder Konti-
nenten nennt man die kleinen von Meer umgebenen Landstücke
Inseln. * Diese Definition scheint auf den ersten Blick allerdings
der nötigen Schärfe zu entbehren, in der Tliat reicht sie aber aus,
denn zwischen dem kleinsten Kontinent mit 7,8 Mill. qkm (Austra-
lien) und der größten unzweifelhaften Insel mit 0,s Mill. qkm (Neu-
Guinea) ist doch ein gewaltiger Unterschied. Ein Mittelglied bildet
allerdings Grönland mit ca. 2,i Mill. qkm, und manche mögen es
vorziehen, dieses Landstück einen kleinen Kontinent zu nennen, wie
man ja auch den Kaspisee, der eine ähnlich isolierte Stellung
unter den Seen einnimmt, häufig als Meer bezeichnet. Das Areal
aller bekannten Inseln (Grönland ausgenommen) beträgt ungefähr
8,s Mill. qkm, davon kommen 57 Prozent auf die 23 Inseln mit
mehr als 50000 qkm und nur 43 Prozent auf die übrigen ungezählten
x Hier werden nur die Meeresinseln berücksichtigt, da nur diese einen
Gegensatz zu den Kontinenten bilden.
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552
Morphologie des Landes.
Tausende von Eilanden, die zusammengenommen nur 2/3 des europäi-
schen Rußlands bedecken würden.
Verhältnismäßig selten sind vereinzelte Inseln, wie St. Helena
(123 qkm), Ascension (88 qkm) oder Sala y Gomez (4 qkm); meist
treten sie gesellig auf. Entweder wird eine Hauptinsel nur von
einigen Klippen umgeben, wie Island, oder von größeren Eilanden
wie Madagaskar. Zwei Hauptinseln enthalten die britische und die
Spitzbergen -Gruppe. Doppelinseln sind Neuseeland und Nowaja-
Semlja. Eine reihenweise Anordnung zeigen die Antillen, die
Aleuten u. a. Eine anscheinend unregelmäßige Anhäufung größerer
und kleinerer Inseln, die aber meist nur aus mehreren Reihen
bestehen, nennt man einen Archipel. Auch hier finden wir be-
züglich der Größe wieder dieselben Unterschiede, wie bei den
einzelnen Inseln. Der malaische Archipel hat 2,8 und der arktisch-
amerikanische 1,3 Mül. qkm; auf beide zusammen entfallen also
ca. 50 Prozent des gesamten Inselareals. Dagegen sind die
180 Bermudainseln (50 qkm) nicht einmal so groß, wie die Republik
San Marino.
Genetische Einteilung.1 Wenn wir die Erfahrungen aus der
Gegenwart zu Grunde legen, so können wir sagen, daß Inseln auf
zweierlei Weise entstehen können: durch oberflächliche Abtrennung
von der Küste oder durch Wachstum vom Meeresgründe aus. Die
weiteren Untersuchungen werden ergeben, daß diese beiden Kate-
gorien der festländischen oder Kontinentalinseln einerseits und
der ursprünglichen Inseln anderseits für die meisten bisher ge-
nauer studierten Vorkommnisse ausreichen. Daß die Kontinental-
inseln zu den Gliedern des Festlandes zu zählen sind, bedarf keiner
weitläufigen Erörterung, dagegen muß nachdrücklich betont werden,
daß ursprüngliche und ozeanische Inseln nicht identisch sind, wie
ältere Einteilungen annahmen. Es giebt ozeanische Kontinental-
inseln, wie Neuseeland oder die Fidschi-Inseln, und es giebt ur-
sprüngliche Inseln in solcher Festlandsnähe, daß man sie ebenso
gut als parasitische Zuthaten zu den Kontinenten auffassen muß,
wie z. B. Yulkankegel, die auf dem Lande selbst entstehen.
Kontinentalinseln, geologischer Beweis. Einen direkten Beweis
für die kontinentale Herkunft einer Insel haben wir nur dann, wenn
ihre Bildung in geschichtlicher Zeit sich vollzog, oder bei jenen
amphibischen Landstücken, die, wie die friesischen Inseln oder der
Mount St. Michael in der Mounts-Bai (Cornwallis), zur Flutzeit
Inseln und zur Ebbezeit Halbinseln sind. Solche direkte Beweise
können aber natürlich nur selten erbracht werden; docli haben wir
einen Ersatz dafür in indirekten Beweisen zuverlässigster Art. Die
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Die horizontale Gliederung des Festlandes. 553
zahlreichen größeren und kleineren Felseneilande, die viele Steil-
küsten umschwärmen, verraten sofort ihre kontinentale Abkunft, ehe
man sich noch davon überzeugt hat, daß auch ihre geologische Be-
schaffenheit genau mit der der Küste übereinstimmt. Ein Beispiel
dafür sind die dalmatinischen Inseln, die aus demselben Kreide-
kalk (mit untergeordneten Tertiärbildungen) bestehen, wie das dalma-
tinische Gebirge. Von Veglia bis Zuri streichen sie nach Nordwesten,
d. h. parallel mit der Küste und dem Streichen der Schichten.
Südlich von Sebenico liegt noch ein Stück vollständig erhaltenes
Küstenland, und genau in der Richtung desselben liegt weiter nach
Süden die Insel Solta. Dagegen sind die süddalmatinischen Inseln
in äquatorialer Richtung gestreckt, was durch eine Wendung im
Streichen der Schichten bedingt ist, wie man auf der Halbinsel
Sabbioucello gut beobachten kann. Die Cykladenreihen bis Sikinos,
Nios und Naxos sind geologisch die Fortsetzungen von Attika und
Euböa, die Spitzen eines untergesunkenen Gebirges. Nach den
Forschungsergebnissen der österreichischen Geologen2 haben wir es
nämlich hier mit einer bedeutenden nachplioeänen Niveau Veränderung
des Landes zu tluin, der das Agäisehe Meer seine Existenz verdankt.
Durch denselben Prozeß, durch den Abgliederungshalbinseln ent-
stehen, werden also auch an den Rändern derselben die flachen
Teile unter Wasser gesetzt oder Einseukungen durch die Erosion
des Meeres erweitert und vertieft und dadurch die Erhebungen in
Inseln verwandelt. Die jütische und die Balkan-Halbinsel, Italien,
Hinterindien und das polare Amerika mit Labrador werden von
solchen festländischen Inseln begleitet.
Senkung und Meereserosion sind die beiden Vorgänge, die
bei der Entstehung der Kontinentalinseln in Betracht kommen; die
letztere wirkt stets mit, aber mit Ausnahme der kleinen Küsteninseln
wohl meist nur als sekundärer Faktor. In Meeren mit stärkerer
Brandung muß die Senkung so rasch erfolgt sein, daß die Abrasion
nicht gleichen Schritt halten konnte, oder es müssen die ehemaligen
Bindeglieder tiefer eingebrochen sein, als die Inselschollen. Natürlich
können wir auch hier Tafel-, Rumpf- und Faltenschollen unter-
scheiden; die letzteren zeichnen sich durch ihre bogenförmige An-
ordnung aus, wie die Antillen und die großen Inselbogen an der
pazifischen Westseite. Manchmal sind von dem alten Faltengebirge
nur mehr einige spärliche Lappen übrig geblieben, aber Vulkane,
die sich darauf erheben, verraten noch die alte Gestalt, wie in den
Aleuten, Kurilen und Riukiu-Inseln. Der Unterschied zwischen
kontinentalen und ursprünglichen Vulkaninseln muß strenge aufrecht
erhalten werden.
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554
Morphologie des Landes.
Biologischer Beweis.3 Neben dem geologischen dürfen wir aber
auch den biologischen Beweis nicht außer acht lassen, wie es
leider in den letzten Jahren in Deutschland Mode geworden ist.
Läßt doch die Pflanzen- und Tierwelt einer Insel bis zu einem
gewissen Grade der Sicherheit auch auf die Zeit der Abtrennung
vom Festlande schließen. Die britischen Inseln haben z. B. die
Flora und Fauna mit Westeuropa gemein, und wir schließen daraus,
daß sie noch in der geologischen Gegenwart mit dem Kontinent
verbunden waren. Denn wenn auch die Samen mancher Pflanzen
und manche Vögel über die zwar schmale, aber unruhige Meeres-
straße von Frankreich nach Britannien gelangen konnten, so hätte
diese doch für die überwiegende Mehrzahl der Organismen, nament-
lich für die Säugetiere ein unüberschreitbares Hindernis ge-
bildet Die Annahme, daß der Mensch alle Pflanzen und Tiere ein-
geführt habe, die nützlichen wie die schädlichen, ist — ganz ab-
gesehen von ihrer Unwahrscheinlichkeit — schon deshalb nicht
stichhaltig, weil der Reichtum der britischen Fauna in der historischen
Zeit abgenommen hat; ja manche Tierformen, wie der Löwe, das
Rhinozeros, das Mammut u. s. w., die in der vorgeschichtlichen
Periode Britannien bevölkerten, sind gänzlich ausgestorben. Bestätigt
wird das — geologisch gesprochen — jugendliche Alter der Los-
trennung durch die geringe Tiefe des Meeres und durch die geo-
gnostische Identität der beiden Ufer der Doverstraße; vielleicht fielen
die letzten Reste der Landbrücke der Meereserosion zum Opfer,
wie ja auch jetzt noch die Straße immer mehr erweitert wird.
Der Landzusammenhang wurde aber früher aufgehoben, ehe
die ganze kontinentale Lebewelt in Britannien einwandern konnte,
und Irland war schon eine Insel, als die Brücke von Dover noch
bestand. x Auch deutet das Vorhandensein einiger eigentümlichen
Arten auf längere Isolierung hin. Der insulare Endemismus läßt
sich auf verschiedene Weise erklären. In den seltensten Fällen ist
er ursprünglich, d. h. die betreffenden Organismen (wohl nur Pflanzen
x Anzahl der Arten nach Wallace:
Festland
England
Irland
Säugetiere
ca. 90
(Deutschland)
40
22
Reptilien und Amphibien . .
22
(Belgien)
13
4
Landvögel
130
110
Phanerogamen und Farne . .
—
1425
970
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Die horizontale Gliederung des Festlandes. 555
und niedere Tiere) waren nur auf einen kleinen Verbreitungsbezirk
beschränkt, und dieser wurde vom Festland abgetrennt. Wahr-
scheinlich ist der Reichtum der deutschen Insel Borkum an eigen-
tümlichen Pflanzen darauf zurückzuführen. Häufiger ist der Fall,
daß organische Formen unter günstigen Bedingungen auf einer
Insel sich erhielten, während sie auf dem Festlande überhaupt oder
wenigstens in dem Mutterlande im Kampfe ums Dasein zu Grunde
gingen. In den meisten Fällen haben sich aber die eingewanderten
Tiere und Pflanzen den neuen Lebensbedingungen allmählich an-
gepaßt. Veränderte Artenmerkmale konnten sich befestigen, weil
eine Vermischung mit der Stammart nicht mehr möglich war. Wie
rasch die insulare Abgeschlossenheit unter besonders günstigen Um-
ständen solche Veränderungen erzeugen kann, lehrt uns folgende
Tliatsache. Auf den Reelingsinseln wurden durch ein gescheitertes
britisches Schiff Ratten eingefiihrt, und ihre Nachkommen unter-
scheiden sich von den englischen Verwandten bereits dadurch, daß
sie kleiner und heller gefärbt sind.
Der größere oder geringere Reichtum einer Insel an eigentüm-
lichen Arten ist also bis zu einem gewissen Grade ein Zeugnis für
ihr relatives Alter. Berücksichtigen wir nur den Endemismus in
den höheren Tierklassen, so erhalten wir beispielsweise nachstehende
Reihenfolge: Die britischen Inseln mit 3 Vogelarten, Hainan mit
einer Säugetierart und 20 Vogelarten, Formosa mit 14 Säugetier-
arten, 43 Vogelarten und sogar einem Vogelgeschlechte, endlich Ja-
pan mit 25 Landsäugetieren (von 30), aber nur 11 Vögeln (von
165 dort lebenden). Alle übrigen Arten stimmen mit denen des
benachbarten Festlandes überein, und auch die endemischen sind
mit letzteren verwandt. Auf derselben relativen Altersstufe, wie
Hainan, stehen die Falklandinseln, deren eigentümliche Arten:
der Fuchs, einige Singvögel und ca. 30 Gefäßpflanzen, mit den
patagonischen Arten sehr nahe verwandt sind. Trotzdem bezeichnet
sie Süss als „ein dem nahen Festlande völlig fremdes, gefaltetes
Bruchstück paläozoischer Sedimente“. Wir sehen, es kann zwischen
einer Insel und einem Kontinente eine zeitweise Landverbindung
bestehen, ohne daß die erstere ein Abkömmling des letzteren zu
sein braucht.
Einen Fall anderer Art lernen wir im Gebiete des ostindischen
Ozeans kennen. Ceylons Säugetierfauna ist entschieden vorder-
indisch, und weder durch eine größere Zahl endemischer Formen
noch durch den Mangel hervorragender Geschlechter ausgezeichnet,
aber für ihre lange Isolierung spricht die Erhaltung altertümlicher
Typen, deren Verwandte in Hindustan nicht gefunden werden, wohl
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556 Morphologie des Landes.
aber in den benachbarten Teilen von Dekan, das ja erst in der
Tertiärzeit an das Festland angegliedert wurde. Gegenüber Dekan
ist Ceylon also eine junge Insel, worauf schon die Küstennähe und
noch mehr die geringe Tiefe der Palkstraße hindeutet, gegenüber
dem Festlande aber eine alte Insel. Zu jenen altertümlichen Typen
gehört das Fischgeschlecht Eutroplus, dessen Verwandte nur noch
in Syrien, Afrika und Südamerika Vorkommen, und besonders die
Lemurengattung Loris. Wesentlich anders verhält sich Madagaskar
mit seinen Inseltrabanten zu Afrika, von dem es ca. 400 km ent-
fernt und durch eine Tiefsee getrennt ist. Außer sechs Lemuren-
geschlechtern und der ihnen verwandten Familie der Aye-Aye er-
hielten sich hier noch andere seltsame Tiergestalten, wie die ende-
mische Familie der Crvptoproctidae, ein Kollektivtypus von Katze
und Zibethkatze, oder die flugunfähigen Riesenvögel oder die
Riesenschildkröte auf der Insel Aldabra. Die Erhaltung dieser
interessanten Faunareste erklärt sich aus der Abwesenheit der
mächtigen Feinde, die erst nach der Abtrennung Madagaskars
Afrika bevölkerten, wie der echten Affen, der meisten Insekten-
fresser und Raubtiere, aller Huftiere mit Ausnahme des kosmo-
politischen Schweines, und aller Zahnarmen und Nager mit Aus-
nahme der ebenfalls kosmopolitischen Ratten und Mäuse. Auch die
übrigen madagassischen Tierklassen zeigen bedeutende Lücken, und
ebenso bürgt der Reichtum an endemischen PHanzen für das hohe
Alter der ganzen Inselgruppe.
Aus der Verbreitung der Lemuren, die sich außer auf Ceylon und
Madagaskar noch in einigen Teilen Südasiens und in Süd- und
Westafrika finden, schloß man einst auf die Existenz eines Fest-
landes, das von Afrika bis Indien reichte, und das man Lemuria
taufte. Mit Recht wies Wallace von seinem tiergeographischen Stand-
punkte aus diese Hypothese als überflüssig zurück, da sich die Lemuren
ja auch als Überreste einer weit verbreiteten Familie, die auch im
Eocän Europas und Nordamerikas nachgewiesen wurde, an weit
auseinander liegenden Punkten erhalten haben konnten, ohne daß
diese jemals unmittelbar zusammenhingen. Dagegen haben die
geologischen Untersuchungen der letzten Jahrzehnte den einstigen
Landzusammenhang zwischen Dekan und Südafrika, der sich erst
in der Tertiärzeit völlig löste, so wahrscheinlich als möglich gemacht.
Während diese beiden Schollen mit der alten Welt in Verbindung
traten, blieb das madagassische Zwischenstück isoliert und auf
einem veralteten faunistisehen Standpunkte stehen.
Einen weiteren Beleg dafür, daß der biologische Beweis der
steten Unterstützung und Berichtigung durch den geologischen be-
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Die horizontale Gliederung des Festlandes. 557
darf, liefert der ostindisehe Archipel. Die berühmte Wallaoe-
Linie, die zwischen Hali und Lombok, durch die Makassarstraße
und Celebessee verläuft, trennt zwei verschiedene Tierwelten; hierher
verlegte Wallace die Grenze zwischen Asien und Australien. Un-
zweifelhaft ist die Fauna der drei großen Sundainseln Sumatra,
Borneo und Java, die durch ein unterseeisches Plateau von nur
50 m mittlerer Tiefe an Hinterindien gekettet sind, ganz asiatisch;
und wenn auf Java mehrere Säugetiere fehlen, die auf den beiden
anderen Inseln vorhanden sind, so dürfen wir mit Recht schließen,
daß Java sich zuerst losgelöst hat. Noch früher wurden die Philippinen,
die auch außerhalb der 200 Meter-Linie liegen, in Inseln verwandelt.
Auch hier ist nicht etwa ein besonderer Reichtum an endemischen
Formen, sondern das Fehlen großer Affen-, Raubtier- und Huftier-
geschlechter ein Beweis dafür. Kleinere Inseln führen nach Formosa
und Celebes hinüber, und auf diesen Straßen fanden spätere Ein-
wanderungen chinesischer und australischer Vogeltypen statt.
Auf den östlichen Inseln mischen sich schon indische mit austra-
lischen Elementen, und die letzteren gewinnen immer mehr Ober-
hand, je weiter wir uns nach Osten wenden. Besonders merkwürdig
ist das abenteuerlich gestaltete Celebes, das an drei Seiten von
tiefen Meeresbecken umgeben ist, und noch Überreste einer uralten
Fauna beherbergt (eine Affenart, Cynopithecus nigrescens, den wilden
Stier Anoa depressicornis und die Scliweineart Babirusa alfurus,
nebst fünf Vogelgeschlechtern), deren Verwandte — wrie wir an-
nehmen müssen — sonst überall ausgestorben sind.
Trotzdem ist kein geologischer Grund vorhanden, alle Inseln
östlich von der WALLACE-Linie Australien zuzuweisen. Ohne Unter-
brechung setzt sich der sumatrisch-javanische Bogen über die Lom-
bok-Straße nach den kleinen Sunda-Inseln fort; von den Südwest-
Inseln läßt sich ein Vulkanbogen bis zu den Banda-Eilanden, von
den Südostinseln ein zweiter nach den südlichen Molukken, von
West-Hai mahera und Nord-Celebes ein dritter und vierter nach
Mindanao verfolgen. Dagegen zeigen Timor und Groß-Kei schon
eine andere Streichrichtung, auch ihr geognostischer Aufbau weicht
von dem der Sundainseln ab und stimmt in einigen wesentlichen
Punkten mit dem Australiens überein. Man wird daher Martin4
zustimmen dürfen, wenn er erklärt, daß „im Westen von Groß-Kei
und im Nordwesten von Timor eine natürliche, geognostisch wohl-
begründete Trennungslinie zwischen den vom asiatischen und austra-
lischen Kontinent abgegliederten Inseln“ liege.
Auch in anderer Beziehung ist bei der biologischen Beweisführung
Vorsicht geboten. Neuguinea und Tasmanien sind unzweifelhaft
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558
Morphologie des Landes.
australische Kontinentalinseln und mit diesem Festlande auch durch
eine Flachsee verbunden. Als die jüngere Insel erscheint Tasmanien,
aber auch hier fehlen einige Beuteltiergeschlechter und zwei sind
endemisch. Ähnliche Verhältnisse finden wir auf Neuguinea, wo
aber auch das australische Schnabeltier fehlt. Dagegen giebt es in
seiner Vogelwelt zahlreiche indische Elemente, ebenso wie unter
seinen Reptilien und Insekten, aber das weist noch nicht auf eine
Landverbindung mit dem westlichen Archipel hin. Die Vögel
und Insekten konnten sich in diesem inselreichen Meer, wo sich so viele
Ruhepunkte ihnen boten, leicht verbreiten; und von den Schlangen,
die auf Neuguinea hauptsächlich indischen Ursprungs sind, wissen
wir, daß sie auf schwimmenden Baumstämmen und auf Schiffen längere
Seereisen ausführen können. Dagegen sind die Amphibien, die
mit seltenen Ausnahmen allein auf den Landweg angewiesen sind,
insgesamt australisch. Im arktischen Meere läßt die Tiergeogra-
phie fast ganz im Stiche. Der Eisbär kommt mit dem Treib-
eise überall hin, die Rentiere unternehmen weite Wanderungen über
gefrorene Meeresstraßen, und auch der Polarfuchs, obwohl nicht so
kühn, kann doch gelegentlich mit Treibeis auf eine fern abliegende
Insel gelangen. Ob auch der gemeine Fuchs, der in Spitzbergen
gefunden wird, und die überall verbreiteten Lemminge ähnliche
Reisen ausführen, ist uns nicht bekannt. Dagegen ist das fossile
Vorkommen von Mammut und Rhinozeros auf den Neusibirischen
Inseln und der Fund eines großen Mammutzahnes im Innern des
Wrangellandes ein stichhaltiges Zeugnis für den einstigen Land-
zusammenhang. Um die Abstammung des nordamerikanischen
Archipels zu erkennen, bedarf es allerdings keiner weitläufigen Be-
weisführung; Nowaja-Semlja ist eine Fortsetzung des Paechoi-Gebirges; 5
dagegen bleibt die Entwicklungsgeschichte der anderen Inseln, die durch
tiefe Meere vom Festlande geschieden sind: Spitzbergens, König Karl-
Landes, Franz Josef-Landes, selbst Grönlands, noch in Dunkel gehüllt
Nur daß sie kontinentale Inseln sind, erkennen wir daraus, daß sie
alle sedimentäre Gesteine, meist von hohem Alter, besitzen. Die
silurischen Schichten sind noch gefaltet, die devonischen liegen Bach.
Süss hält diese Inseln für Reste eines alten atlantischen Festlandes.
Sie würden somit einer Kategorie angehören, auf die wir sogleich
zu sprechen kommen.
Restinseln. Ein doppelter Inselbogen begrenzt die ostaustralische
Tiefsee: Neu-Mecklenburg, die Salomon-Inseln und Neuen Hebriden
bilden den äußeren, das Hochgebirge Neuguineas, Neucaledonien
und Neuseeland den inneren Bogen, der mit dem ostaustralischen
Gebirge nahezu parallel verläuft, aber im Gegensätze zu diesem aus
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Die horizontale Gliederung des Festlandes. 559
jungen Falten bestellt. Die Lücken zwischen diesen drei Insel-
schollen sind ungewöhnlich groß (1400 km), von dem nächsten Punkte
der australisch-tasmanischen Masse ist Neucaledonien 1300, Neu-
seeland 1500 m entfernt; Meerestiefen von 4000 m liegen zwischen
ihnen und Australien. Von allen Kontinentalinseln der Erde ist
Neuseeland die einsamste, ihrer Lage nach echt ozeanisch. Die
Tier- und Pfianzengeographie lehrt uns aber auch, daß sie die älteste
Insel ist. Während australische Beuteltiere noch nach Neucale-
donien gelangten, erreichten sie Neuseeland nicht mehr. Bis zur
Ankunft der Europäer besaß diese Doppelinsel nur einige fliegende
Säugetiere und ein einziges Amphibium (die Froschart Liopelma),
das mit Arten in Südamerika und Europa verwandt ist. Die Ab-
wesenheit aller mächtigen Tiergeschlechter gestattete hier, wie auf
den madagassischen Inseln, die Erhaltung großer flügelloser Vögel,
die außerdem noch auf der Chatam-, Auckland-, Lord Howe- und
Norfolkinsel Vorkommen. Das sind die äußersten nachweisbaren Grenzen
des einstigen neuseeländischen Festlandes, ob es nach Süden bis zur
Campbellinsel reichte, bleibt nach Filhols Untersuchungen zweifel-
haft. Bestand jemals eine Verbindung mit Australien, so muß sie
sich schon in der Sekundärzeit gelöst haben. Allerdings ent-
hält die neuseeländische Vogel- und Pflanzenwelt eine beträchtliche
Anzahl australischer Elemente, aber bezüglich jener erklärt Wallace
und bezüglich dieser Engleb, daß sie nicht notwendig auf einen
ehemaligen Landzusammenhang hinweisen. Vielleicht repräsentiert
uns also Neuseeland mit seinen Trabanten eine eigene Art fest-
ländischer Inseln, die Kirchhofe8 im Gegensätze zu den Abgliede-
rungsinseln verschiedenen Alters als Re st insein bezeichnet hat. Die
Namen sind deutlich genug: Abgliederungsinseln sind selbständig ge-
wordene Randgebiete bestehender Festlandsmassen, Restinseln sind
Reste untergegangener Festländer.
Seit A. Wichmanns Untersuchung der Gesteine der Fidschi-
inseln7 ist die Frage aufgetaucht, ob nicht auch' einige von den
hohen polynesischen Inseln, denen man gewöhnlich vulkanischen Ur-
sprung zuschreibt, zu den Restinseln zu zählen seien. Sicher
ist, daß Viti-Levu neben tertiären Eruptivgesteinen und Tuffen
alte massige Gesteine und krystallinisehe Schiefer besitzt. Paläozoische
und mesozoische Schichten fehlen ganz, und dies deutet auf eine
Festlandsperiode. Auf den Palauinseln werden sowohl am Meeres-
strande wie in Höhen von 400 m Blöcke aus Granit und Diabas
angetroffen; und es ist wahrscheinlich, daß sie auch anstehend ge-
funden werden. Endlich wird von den weit im Osten liegenden
Marquesas gemeldet, daß sie aus Granit und Gneiß bestehen.
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560
Morphologie des Landes.
Diese letzteren Angaben sind allerdings noch nicht zuverlässig genug,
um als Grundlage einer neuen Theorie über den Ursprung der hohen
Inseln in der Südsee zu dienen, aber jedenfalls muß die Frage, ob
diese Inseln oder wenigstens ein Teil derselben nicht als Reststücke
eines untergetauchten Kontinents zu betrachten seien, offen gelassen
werden. Es ist jedenfalls bemerkenswert, daß die paläontologischen
Untersuchungen Zittels die Wahrscheinlichkeit einer alten Land-
verbindung zwischen Australien und Südamerika sehr nahe legen.
Litteraturnachweise. 1 Haus, Inselstudien, Leipzig 1883. Außerordent-
lich reich an Beobachtungsmaterial, die Ergebnisse in Bezug auf die Einteilung
können wir jedoch nicht annehmen. — * cit. S. 496, n. 6. — * Wallace, Island Life,
London 1880. — 4 Martin, Die Kei-Inseln, in der Tijdschrift van der Neder-
landsch Aardrijskundig Genootschap, 1890. — 5 A. Wichmann, Zur Geologie von
Nowaja-Semlja, in d. Zeitschrift d. Deutschen Geologischen Gesellschaft 1886. —
• Kirchhoff, Das genetische Inselsystem, in der Zeitschrift für wissenschaftliche
Geographie, Bd. III, 1882. — 7 A. Wichmann, Petrographie des Viti-Arehipels,
in Tsciiermaks mineralogischen Mitteilungen, Bd. V, 1883.
Ursprüngliche Inseln.
Alle ursprünglichen Inseln sind auf dem Meeresgründe ent-
standen und entweder durch eine negative Niveauveränderung oder
lediglich durch Anhäufung an die Oberfläche gelangt
Hebungsinseln. Wenn wir hören, daß in unseren Tagen an der
esthnischen Küste zwischen Dagö und Worms die Klippeninsel Harri-
laid auftauchte, oder daß man die Golfstrominseln an der Nordseite
von Nowaja-Semlja 1871 genau an der Stelle entdeckte, wo 1594
eine Sandbank von 33 m Tiefe gelotet worden war, so liegt die Annahme
nahe, daß hier eine Hebung stattgefunden hat. In anderen Fällen
muß es unentschieden bleiben, ob Hebung oder Aufschüttung der
inselbildende Vorgang war, wie bei der Insel Edmondstone zwischen
der Mündung des Hugli und dem Kanal de la Baye (Gangesdelta),
die nach einem Berichte von 1819 innerhalb von fünf Jahren aus
einer Sandbank zu einem Eilande von 3 km Länge und ca. */5 km
Breite heranwuchs und eine solche Höhe erreichte, daß sie nur noch
von den höchsten Sturmfluten überspült wurde. Im allgemeinen
scheinen reine Hebungsinseln außerhalb des Korallengürtels selten
zu sein.
Vulkaninseln. Daß vulkanische Ausbrüche auf dem Boden des
Meeres häufig sind und manchmal auch zur Bildung von Inseln
führen, ist schon auf S. 316 erwähnt worden. Aber es muß in jedem
einzelnen Falle erst entschieden werden, ob eine Vulkaninsel wirklich
als eine ursprüngliche zu betrachten ist. So besteht auf Santorin
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Ursprüngliche Inseln.
561
(s. Fig. 78 S. 305) der Kern von Thera, der große St. Eliasberg, aus
kristallinischen Schiefern und Kalkstein, und erweist sich somit als
ein echtes Glied der kontinentalen Inselgruppe der Cykladen. Ebenso
ist Z anno ne, eine der Pontinischen Inseln, nach Dölter1 nur ein
durch vulkanische Neubildung vergrößertes Reststiick der inneren
apenninischen Gebirgskette; und derselbe Forscher berichtet, daß
die Vulkangruppe der Capverden einst den Westrand von Afrika
gebildet habe, da sieh, mit Ausnahme der westlichsten Insel, auch
krystallinische Schiefer und andere Sedimentgesteine an ihrem Baue
beteiligen.2 Aber selbst dann, wenn eine küstennahe Insel nur aus
vulkanischen Massen zusammengesetzt ist, kann man sich über ihre
Vorgeschichte täuschen, wenn man nicht alle maßgebenden Momente
berücksichtigt. Die drei Inseln im Guineagolfe besteben aus Eruptiv-
gesteinen, wie das Kamerungebirge an der Küste; aber im Gegen-
sätze zu S. Thome und der Prinzeninsel beherbergt Fernando Po
zahlreiche Säugetiere, und von diesen, wie von der übrigen Fauna
ist wahrscheinlich keine Art endemisch. Fernando Po ist also eine
festländische Insel von sehr jugendlichem Alter, während die beiden
anderen ursprüngliche Inseln sind. Schwierig ist die Entscheidung
bezüglich der Comoren, wo zwei endemische und zwei madagassische
Landsäugetiere gefunden werden; aber Wallace läßt die Frage
offen, ob sie nicht auf schwimmenden Bäumen hierher gebracht
wurden. Dagegen sind die Maskarenen, die weder einheimische
Landsäuger, noch Amphibien besitzen, sicherlich Meeresgeburten.
Die größte aller ursprünglichen Inseln ist Island. Sie besteht aus-
schließlich aus Laven und Tuffen, die bis in die Mioeänzeit zurück-
reichen.3 Um so mehr überrascht ihre Fauna, die auf den ersten
Blick an die Verhältnisse von Kontinentahnsein gemahnt. Aber von den
drei Säugetieren können der Polarbär und der arktische F uchs, die eine
circumpolare Verbreitung besitzen, auf Treibeis hierher gelangt sein,
und die angeblich endemische Mausart gehört einer kosmopolitischen
Familie an und wurde vielleicht durch die ersten Kolonisten ein-
geführt. Von den Vögeln sind 3 endemisch, 20 europäisch und 2
amerikanisch; aber auch sie deuten nicht mit Notwendigkeit auf
einen einstigen Landzusammeuhang hin, denn noch jetzt besuchen
alljährlich 45 europäische und 1 grönländische Vogelart die Insel.
Auch daraus ersehen wir wieder, wie der biologische und der geo-
logische Beweis immer Zusammenwirken müssen, um uns zu einiger-
maßen sicheren Schlüssen zu führen.
Koralleninseln.4 Zu den interessantesten Erscheinungen der Erd-
oberfläche gehören die Koralleninseln. Die riffbildeuden Korallen,
diese unermüdlichen „Arbeiter des Meeres“, sind gallertartige Zellen,
SrPAN, Physische Erdkunde. 2, Auf!. 36
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562
Morphologie des Landes.
die eine kalkige Substanz ausscheiden. Die Vermehrung geschieht
durch Knospung, wobei keine vollständige Trennung der Individuen
eintritt, so daß jede Familie mit ihren lebenden, wie mit ihren
abgestorbenen Gliedern einen gemeinsamen Stock bildet. Fester
Meeresgrund, ungetrübtes Salzwasser, genügende Nahrungszufuhr
durch Wellenschlag oder Strömungen, und eine Temperatur, die
selbst im Mittel des kältesten Monats nicht unter 20° sinkt, sind
die unerläßlichen Bedingungen ihrer Existenz. Aus dem letzteren
Grunde sind sie einerseits an die Tropenmeere gebunden, und bleiben
auch hier den Gebieten der kalten Meeresströme fern (s. Karte XVII),
und sind anderseits nur auf die oberen Schichten des Meeres be-
schränkt. Leider ist ihre Tiefengrenze nicht genau festgestellt, man
hat bis zu 80 m Tiefe lebende Korallen gefunden, aber im all-
gemeinen dürfte die eigentliche Riffzone mit üppigem Wachstume
nicht tiefer reichen, als 30 — 40 m.
Meistens vereinigen sich in einer Kolonie mehrere Korallen-
arten, von denen sich die einen, entsprechend ihren besonderen
Lebensbedürfnissen, vorzugsweise auf die unteren, die anderen vor-
zugsweise 'auf die oberen Wasserschichten beschränken. In dem
Maße, in welchem die Ansiedler sich vermehren und die Individuen
an der Basis oder im Innern des Baues absterben, wächst dieser in
die Höhe und Breite. Eine Grenze bildet nur das Niveau des
Niedrig wassers; aber einige Korallen, die sich einer zeitweisen Be-
sonnung ohne ernste Folgen aussetzen können, wachsen sogar
darüber hinaus, etwa bis zu einem Drittel der Fluthöhe. Zu diesen
gehören besonders die Poriten, das widerstandsfähigste aller Polypen-
geschlechter, das sogar im getrübten Wasser noch leben kann.
Die Korallenstöcke bilden aber nur das Skelett des Riffes; auch
andere Meerestiere nisten sich in den Zwischenräumen desselben
ein, vor allem aber ist es das Meer, das dem Baue Festigkeit
verleiht. Unablässig zerbröckelt es die Außenseiten des Riffes und
zerreibt die abgerissenen Stücke zu Sand, den es einerseits in den
Fugen des Bauwerkes ablagert, anderseits bei heftigen Stürmen auf
der Oberfläche desselben aufwirft, so daß der Korallenfels allmählich
über das Niveau des Hochwassers sich erhöht. Wir haben dann
zwei Teile zu unterscheiden, den unterseeischen oder das Riff, und
den oberseeischen, aufgeschütteten, insularen Teil.*
x Die Terminologie ist übrigens schwankend. Manche verstehen unter
Korallenriffen die die Küsten der Kontinente und Inseln umsSumendeu
Korallenbildungen, und unter Koralleninseln die isolierten Korallenbildungen
auf hoher See.
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Ursprüngliche Inseln.
563
Über das Wachstum der Korallen lauten die Angaben ver-
schieden. Eine sehr interessante Thatsache hat v. Lehnebt mitge-
teilt.5 Das große Bum-Bum-Riff an der Nordostküste von Borneo, das
1875 ganz nahe der Meeresfläche lag, erscheint auf den Plänen der
Bum-Bum-lnseln, die Sir Edward Belcher
im Jahre 1843 aufnahm, nicht einmal an-
gedeutet; und da die Möglichkeit des Über-
sehens wohl ganz ausgeschlossen ist, so muß
das Riff damals mindestens 6 m tiefer ge-
wesen sein. Das ergiebt eine jährliche Höhen-
zunahme von wenigstens 20 cm, oder, wenn
man die Ausdehnung des ganzen Korallen-
feldes (193 qkm) berücksichtigt, eine jährliche
Vermehrung der Kalkmasse um ca. 39 Mill. oamb\«-'lnlhiln(PaUUmote
Kubikmeter. Gruppe). Höhen und Tiefen
In Bezug auf die geographische Ver- in Metern-
breituug unterscheiden wir Saumriffe und
selbständige Riffe. Die einfachste Form der Saumriffe —
so genannt, weil sie Festländer oder Inseln umsäumen — sind
die Küstenriffe, die sich unmittelbar an das Gestade anschließen,
mit Ausnahme jener Stellen, wo die Küste zu größeren Tiefen
abstürzt, oder wo einmündende Flüsse oder Strömungen das
Qä
I. T '«■!»»» >■ .
Fig. 192. Bolabola-lnsel (Gesellschafts-Gruppe) mit einem Teile ihres Wallriffes
nach Darwin.
Meerwasser trüben. Der Außenrand des Riffes ist meist etwas er-
höht, weil hier, wo die Nahrungszufuhr am reichlichsten ist, die
Korallen kräftiger gedeihen und rascher wachsen. Von dem Außen-
rande gegen das Land hin vertieft sich das Riff etwas und bildet
einen schmalen, seichten Kanal, der durch das von den Wogen
hineingeschleuderte Material bald ausgefüllt werden würde, wenn
nicht eine rückläufige Strömung aus dem Kanal heraus für
36*
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564
Morphologie des Landes.
seine Reinhaltung sorgte. Die Breite der Riffe schwankt zwischen
ca. 45 und 90 m; ihre bei Ebbe kaum bedeckte Oberfläche ist hart
und glatt; Inselbildungen sind selten. Sehr beträchtlich ist die Ent-
fernung zwischen der Küste und den Wallriffen, x die die zweite
Art der Saumriffe bilden. Besonders bekannt ist das Riff, das die
Nordostküste Australiens in einer Entfernung von 30 — 50, stellen-
weise von 80 — 140 km und in einer Länge von ca, 1770 km be-
gleitet; die Tiefe des Kanals zwischen Riff und Küste beträgt
20 — 80 m, und steigert sich im Süden sogar bis 110m. Meist sind
es aber einzelne Inseln oder Inselgruppen aus sedimentären oder vulka-
nischen Gesteinen, die von Wallriffen umgeben werden (Fig. 191).
Die Tiefe des Kanals variiert hier von ein paar bis über hundert
Meter. Sein Boden ist mit Korallensand und -Schlamm oder mit Riffen
bedeckt. Öffnungen in verschiedener Anzahl, oft tief genug, um
größeren Schiffen den Eingang zu gestatten, führen aus dem Meere
in die ruhige Lagune, die dann einen natürlichen Hafen bildet.
Der Durchmesser des Riffes schwankt zwischen 5 und 47 km.
Größere und kleinere Inseln bedecken es, aber nur selten ist
(wie in Fig. 192) ein beträchtlicher Teil des Korallenbaues in Land
verwandelt.
Fig. 193. Atoll Otdia (Marshall-Insel). Tiefen in Metern.
Ungefähr dasselbe gilt auch von den langgestreckten Atollen
oder den selbständigen Korallenbildungen der Tiefsee, aus der sie
sich steil erheben (Fig. 193). In der Regel umschließen sie eine Lagune,
die nur Lei wenigen kleinen Atollen fehlt, d. h. wahrscheinlich ausgefüllt
ist. Das meist von mehreren Öffnungen unterbrochene Riff trägt Inseln,
die an der Windseite am höchsten sind; nur in wenigen Fällen
(Fig. 194) finden wir es in eine vollständige Ringinsel verwandelt.
x Andere Benennungen sind: Barriere-, Damm- und Kanalriffe.
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Ursprüngliche Inseln.
565
Auch aus der bald seichten, bald bis zu 90 m tiefen Lagune steigen
Inselchen empor, die beispielsweise in den nördlichen Malediven selbst
wieder kleine Seen klaren Salzwassers enthalten. Fig. 195 stellt
einen Durchschnitt durch eine Insel dar. ab ist eine Terrasse aus
Korallenfels, ungefähr 90 m breit und nur bei Ebbe trocken. Darüber
erbebt sich 2 — 2*/g m hoch und gewöhnlich 250 — 360 m breit die
aus Korallensand aufgeschüttete Insel, die die tropische Lebensfülle
mit einer dichten Pflanzendecke bekleidet hat „Die Unendlichkeit
Fig. 194. Pfingstinsel (Paumotu-Gruppel nach Darwin.
des Ozeans,“ sagt Dabwin, „die Wut der Wellen im scharfen Gegen-
sätze zur niedrigen Erhebung des Landes und zur Glätte des hell-
grünen Wassers innerhalb der Lagune kann man sich kaum vorstelleu,
ohne dies alles gesehen zu haben.“ Aber nicht alle Koralleninseln
sind flach, manche haben durch eine negative Niveauveränderung
eine beträchtliche Höhe erlangt. Daß die Existenz der niederen
Fig. 195. Querschnitt durch ein Atoll nach Dana.
Inseln beständig gefährdet ist, und daß wohl kein Jahr vergeht,
ohne daß eine oder die andere verschwindet, ist verständlich;
und anderseits leuchtet es ein, daß Sturmfluten hierzu völlig aus-
reichen und daß die Annahme einer positiven Bewegung ganz über-
flüssig ist.
Theorie der Koralleninseln. Wenn man aber an dieser An-
nahme hartnäckig festhielt, so hat dies seinen Grund darin, daß sie
eine mächtige Stütze der DABwraschen Theorie von der Entstehung
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566
Morphologie des Landes.
der Koralleninseln bildete. Dabwin ging von der, zu seiner Zeit
auch begründeten Voraussetzung aus, daß der ozeanische Steilabfall
der Atolle und Wallriffe nur von Korallenmauern gebildet werden
könne. Man gelangte infolgedessen zu der Vorstellung von einer
bedeutenden Mächtigkeit der Wallriffe und Atolle. Für die ersteren
suchte man in einigen Fällen die Mächtigkeit zu berechnen, x und
fand Beträge bis zu 600, ja bis zu 1000 m und darüber. Bringt
man dieses Resultat in Verbindung mit der Thatsache, daß die
Polypen nur bis zu einer gewissen Tiefe leben können, so kommen
wir notwendigerweise zu dem Schlüsse, daß hier eine positive Niveau-
veränderung stattgefunden hat, daß dieselbe aber so langsam war,
daß die Fortführung des Korallenbaues bis an den Meeresspiegel
damit gleichen Schritt halten konnte. Jedes Atoll begann nach
dieser Theorie seine Laufbahn als Küstenriff um eine Insel, wie
es Fig. 197 im Durchschnitte darstellt. Steigt das Meeresniveau von
mm auf ni'rn" oder sinkt der Boden um denselben Betrag, so er-
höht sich die äußere Korallenmauer und es entsteht zwischen ihr
und dem Gestade ein breiter und tiefer Kanal. Dauern diese Vor-
gänge fort, so verschwindet endlich die zentrale Insel und wird von
Korallen überwuchert; aber das Atoll behält die ursprüngliche Form
des Wallriffes bei, und der Kanal schließt sich zu einer Lagune
zusammen. Jedes Atoll ist also der Leichensteiu einer begrabenen
Insel.
Was bei dieser Theorie zunächst besticht, ist die genetische
Verknüpfung der verschiedenen Riffbildungen, die ja in der That
alle möglichen Übergänge selbst in verhältnismäßig kleinem Raume
aufweisen. Im Fidschi- Archipel 8 repräsentiert uns Koro das erste
Stadium, das eng sich anschmiegende Küstenriff. Ngau ist im
Osten von einem Küsten-, im Westen von einem Wallriffe begleitet
* Da es wichtig ist, die Rechuungsmethode kennen zu lernen, in deren
Resultaten die DARWiNSche Theorie eigentlich ihre Begründung sucht, so möge
hier ein Beispiel von Dana folgen;
ve~~. A Fig. 196 , in der die ausge-
zogenen Linien dem der Be-
obachtungen Zugänglichen , die
punktierten Linien aber dem Hy-
pothetischen entsprechen, dient
zur Erläuterung. Bekannt ist
nur der Böschungswinkel tf, und die Entfernung (l) der Küste von dem Außen-
rand des Riffes; angenommen wird 1) daß <p — q 1 ; und 2) daß die Inselböschung
sich als eine schiefe Ebene mit gleichmäßigem Gefälle unter dem Meeres-
spiegel tbrtsetzc. m (Mächtigkeit des Riffes) ist dann = ltg qr. Ist Z = 1 engl.
Meile (1609,3 m) und </ = 8°, so ist m = 226 m.
Fig. 196. Mächtigkeit der Korallenriffe.
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Ursprüngliche Inseln.
567
Im benachbarten Nairai tritt das Riff schon allseitig von der Küste
zurück. In den Exploring Isles ist der nichtkorallinische Kern
schon stark zusammengeschmolzen, in Yangasa Cluster sehen aus
der Lagune nur noch ein paar Spitzen heraus; Bukatatanoa, die
Ringgolds Isles u. a. sind endlich reine Atolle. Auch das Neben-
einander verschiedener Entwicklungsstadien ist mit der DARwmscheu
Theorie sehr wohl verträglich, man hat nur eine ungleichmäßige
Senkung, eine Verbiegung des Meeresbodens, oder eine gleichförmige
Niveau Veränderung eines in seinen Erhebungen rasch wechselnden
Geländes anzunehmen. Indes giebt es auch ungeheuere Flächen,
wo die Atollform fast ausschließlich herrscht. Im Indischen Ozean
1. Stadium. C.Stadimn. 3. Stadium.
Küxrmnfr (OP W'allritT t in»7 Atoll uiAJ
MÜÜfl Jnsrt ans alnulktmisduni Gestein .
SUM® Korallfnbildnngm .
m nt J/fw'jrjp/ij/rf .
I Lagune .
Fig. 197. PARWlNsche Riff-Theorie.
bilden die Lakkadiveu, Malediven und Tschagos eine meridionale
Kette; abseits liegt die Saya de Malha-Bank. In der Südsee er-
streckt sich die Atollzone über 35 Breitengrade, von den Carolinen
über die Marshall-, Gilbert-, Ellice-, Phönix-, Tokelau- und Manihiki-
gruppe zur Inselwolke des Paumotu. Im Süden wie im Norden be-
grenzen sie Gebiete mit vorherrschenden Küstenriffen. Auch diese
regionale Anordnung ist der I>ARWiNSchen Theorie im hohen Grade
günstig.
Aber gerade im pazifischen Atollgürtel begegnen wir auch ge-
hobenen Korallenfelsen, also sicheren Beweisen einer negativen neben
angeblichen Zeichen einer positiven Niveauveränderung. Mit Aus-
fiüchten, wie daß diese Hebungen „lokal“ oder daß sie „vulkanisch“
seien, ist das Problem nicht aus der Welt geschafft. Gerland 7
sah sich jüngst veranlaßt, der I)ARwiNschen Hypothese eine neue
hinzuzufügen, um die erstere zu stützen, indem er den unterseeischen
Vulkanen, auf deren Gipfeln die Atolle nach seiner Ansicht auf-
ruhen, die sonst unbekannte Fähigkeit zuschreibt, einzeln auf- und
abzuschwanken.
Von den Schwierigkeiten, die die Hebungen boten, ging die
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568
Morphologie des Landes.
Opposition gegen Darwin aus, die besonders Semper, Rein, Murray
und Guppy vertreten. Die Anhänger der DARWiNschen Theorie geben
übrigens selbst zu, daß diese auf die Riffbildungen der Flachsee
keine Anwendung findet. Auf Bänken, die sich in tropischen Meeren
bis zur Riffzone erheben, siedeln sich Korallen an, überziehen krusten-
artig den Boden, wachsen in die Höhe, aber an den Rändern kräf-
tiger, als in der Mitte, und so entstehen atollartige Bildungen, ohne
jemals Wallriffe, und Wallriffe, ohne jemals Küstenriffe gewesen zu
sein. Die westindischen Gewässer, die Umgebung der Philippinen,
die Javasee, die Gegenden nördlich von Madagaskar und an der
Nordwestküste Australiens sind Heimstätten solcher Krustenriffe,
wie sie jüngst Pence: getauft hat.
Warum sollte in der Tiefsee nicht ein gleicher Prozeß sieb
vollziehen? Am 15. Oktober 1885 entstieg der Südsee unter 20°29'S..
175°211/2' W., wo 18 Jahre vorher eine Untiefe gelotet worden war.
die vulkanische Falkeninsel.8 Als das britische Kriegsschiff „Egeria"
sie 1889 untersuchte, hatte sie durch die Meereswogen schon be-
trächtlich gelitten, an der Windseite war eine Abrasionsplatte ent-
standen, und man darf vermuten, daß die Zerstörung immer weiter
fortschreitet. Die Insel verwandelt sich in eine seichte Bank, und
ist einmal die vulkanische Kraft erloschen, so ist ein Nährboden für
Korallen geschaffen. Hat doch auf Krakatau schon 6 Jahre nach
dem verheerenden Ausbruche eine Korallenkolonie wieder Fuß ge-
faßt!9 Auch nichtvulkanische Bänke, örtliche Sedimentanhäufungen,
wie man meint, hat uns die Tiefseeforschung der letzten Zeit kennen
gelehrt, und wir haben Beispiele davon schon auf S. 196 genannt.
Auch hier wäre in einer nicht zu fernen Zukunft die Möglichkeit
zur Ansiedelung von Korallen geboten.
Was hier als Möglichkeit ins Auge gefaßt wurde, hat sich in
der That schon ereignet. Die 364 m hohe Weihnachtsinsel (Christ-
mas Island) südlich von Java ist ganz mit Korallenkalk überkleidet,
der Körper der Insel besteht wahrscheinlich aus vulkanischem Ge-
stein, von dem allerdings nur ein Rollstück gefunden wurde. 10 Im
Salomons- Archipel, dessen Untersuchung wir Guppy verdanken,11
ruht Korallenkalk entweder auf Foraminiferen-Kalkstein oder direkt
auf dem vulkanischen Kern. Die westindische Insel Barbadoes
baut sich nach Jukes- Brown18 aus drei Etagen auf: die unterste
sind Sandsteine und Thone, ähnlich dem älteren Tertiär von Trinidad:
dann folgt verfestigter Radolarien- und Foraminiferenschlamm (pliocän
oder nachpliocän) und endlich Korallenriffe. Wir müssen uns daran
erinnern, daß Foraminiferenablagerungen nur in der Tiefsee ent-
stehen; die Salomonen und Barbadoes stiegen also aus der Tiefsee
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Ursprüngliche Inseln.
569
in die Höhe, gelangten endlich in die Korallenzone, schließlich an
die Oberfläche.
Daran kann kein Zweifel sein: Atolle können sich auch in Ge-
bieten ohne jede Niveauveränderung, wie in solchen mit negativer
Niveauveränderung bilden. Aber damit ist die ÜAEWiNsche Theorie
noch immer nicht aus ihrer letzten und eigentlichen Domäne ver-
drängt Es handelt sich um die Erklärung der großen Atollzonen
und der Wallriffe.
Der Beweis für die Senkung, den man aus der Mächtigkeit der
Riffe herleitet, ist indes nicht einwandfrei. Allerdings kommen an
Riffen steile Abstürze vor — an der Masämarhu-lnsel (18° 49’ N.
38 0 45’ 0) bis zu 77 013 — , aber gelegentlich finden sich solche
auch bei Vulkaneilanden. Die Mittelwerte, die Dietrich 14 berechnet
hat, zeigen zwischen vulkanischen und korallinischen Inseln keine
sehr erheblichen Unterschiede, um so größere aber zwischen diesen
beiden Kategorien und den Kontinentalinseln. x Die Behauptung, daß
alle steil abfallenden unterseeischen Partien gewachsener Korallen-
fels sind, ist bis auf weiteres nur Behauptung. Wir betonen aus-
drücklich „gewachsener“ Fels, denn wohl ist davon zu unterscheiden
der Kalkfels, der aus einem Gemische von Korallentrümmera und
den Zuthaten anderer kalkabsondernder Meeresorganismen besteht.
An überseeischen Riffen ließe sich wohl die Mächtigkeit prüfen, nur
darf man diese nicht ausschließlich nach der Seehöhe beurteilen.
Das Santa Anna- Atoll im Salomonsarchipel ist bis 1 40 m gehoben,
aber die korallinische Kruste kann nach der Schätzung Guppys
nicht viel mächtiger sein, als 45 m. Anderseits können aber, wie
Penck treffend hervorhob. die Beobachtungen an gehobenen Inseln
nicht ohne weiteres auf die angeblich sich senkenden angewendet
werden. Nur Bohrungen könnten sicheren Aufschluß über die Mäch-
tigkeit der Korallenbildungen geben, aber noch immer entbehrt die
x Tiefe
m
Kontinental-
inscln
Vulkaninseln
Koralleninseln
0— 200
2° 55'
10° 53'
17° 22'
(0—300 m)
200— 500
5 22
13 40
—
500—1000
6
11 45
11 3
(300— 1000 ra)
1000—1500
6
8 40
11 32
1500-2000
6 14
8 2"
13 21
2000—2500
5 29
7 24
10 39
2500—3000
5 20
8 9
11 36
3000—3500
5
9 7
10 22
3500—4000
2 46
9 23
8 2
4000—4500
2 19
8 24
1
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570
Morphologie des Landes.
Wissenschaft dieses Beweismittels. Nur ein paar Fälle sind uns
bekannt geworden. In der Brandweinsbai bei Padang auf Sumatra
wurde das Küstenriff an 15 Stellen durchbohrt, als man mit der
Absicht umging, über dasselbe einen Hafendamm zu legen. An der
Küste fällt Andesit unter 24° in das Meer; man erwartete, daß das
Kiff auf diesem Gestein aufruhe und die übliche Berechnungsweise
(vergl. S. 566 Anm:) beß in 340 m Entfernung eine Mächtigkeit
von etwa 150 m erwarten. Dagegen fand man, daß es selbst mit
seinem, im Schlamme versunkenen Fundamente nirgends über 15 m
Tiefe hinabreicht, und daß der Untergrund nicht durch festes Ge-
stein, sondern durch weichen vulkanischen Schlamm gebildet wird.®
Auf der Insel Oahu in der Hawaii-Gruppe hat man Korallenfels in
Tiefen (251 und 319 m im James Campbells Brunnen) gefunden. 15
wo er nach unseren Erfahrungen nicht entstanden sein konnte; hier
hat jedenfalls eine Senkung stattgefunden. Aber weiter ist dadurch
nichts dargethan, als daß Korallenbildungen auch auf Böden mit
positiver Niveauveränderung Vorkommen können.
Während Murray die Atolle sich selbständig auf unterseeischen
Erhebungen entwickeln läßt, sieht auch er in den WaUriffen Ab-
kömmlinge von Küstenriffen, die nach auswärts in dem Maße fort-
schreiten, als sich der Meeresboden durch die Anhäufung zertrümmerten
Korallenfelses bis zur Riffzone erhöht. Die so häutig beträchtliche
Tiefe der Lagune fährt er auf die chemische und mechanische Erosion
der rückläufigen Strömungen zurück — entschieden der schwächste
Punkt seiner Theorie, da die Beobachtung mehr auf allmähliche Zu-
schüttung, als auf Ausbaggerung der Lagunen schließen läßt. Aber
auch die D.\RWiNselie Theorie erklärt es nicht in befriedigender
Weise, warum die Lagunen der Wallriffe und Atolle mit wenigen
Ausnahmen nicht erheblich über die untere Grenze des Korallen-
lebens hinabreichen, während an der Außenseite das Riff oft viele
100 m sich in die Meerestiefe senken soll. Penck nimmt an, daß
zu der Zeit, als das Meeresniveau etwa 90 m tiefer stand, als heute,
eine Ruhepause eintrat, die das vertikale Wachstum der Korallen
unterbrach, aber ihnen gestattete, sich nach innen zu auszubreiten.
Auffallend ist auch der Mangel des Atlantischen Ozeans an
Korallenbauten, abgesehen von den westindischen Gewässern. Er
hat keine Wallriffe und nur ein einziges Atoll: die Bermudas. Er
ist aber überhaupt arm an ursprünglichen Inseln, im Gegensätze zum
Reichtum der Südsee zwischen Asien und dem 130. Meridian west-
lich von Greenwich. Die Kartenbilder dieses Gebietes sind freilich nicht
ganz wahrheitsgetreu. Mit Ausschluß der kontinentalen Inseln und
der beiden größten ozeanischen (Hawaii und Viti-Levu) haben alle
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Ursprüngliche Inseln.
571
die unzähligen pazifischen Inseln, sowohl hohe als niedere, zusammen
nur einen Flächeninhalt von 28000 qkm, d. h. nur soviel wie Böhmen,
I)a sie sich auf eine Meeresfläche von wenigstens 37 Millionen qkm
verteilen, so kommt durchschnittlich auf ca. 13000 qkm Meer 1 qkm
Land, oder — um dies an einem Beispiele klar zu machen — auf
ein Meer von der Größe Europas ein Land von der Ausdehnung
des Großherzogtums Hessen.
Flora und Fauna."1 Entsteigt eine Insel dem Meere, oder wird
die Lebewelt eines abgegliederten Festlandsstückes durch katastrophen-
artige Ereignisse vernichtet — wie auf den flachen Halligen an
der schleswigschen Küste durch wiederholte Sturmfluten — , so kann
eine Besiedlung nur durch Einwanderung erfolgen, und Flora und
Fauna müssen daher viel dürftiger ausgestattet sein, als dort, wo
ein Stamm ansässiger Organismen in das insulare Dasein berüber-
genommen wurde. Auf St. Paul im Atlantischen Ozean fand Dabwix
keine Vegetation, nur zwei Vögel, wenig Insekten, aber zahlreiche Spinnen.
Auf Ascension haben sich zwar schon einige Pflanzen angesiedelt,
aber die Flora ist doch noch recht ärmlich. Von den Tieren sind
die Säuger, mit Ausnahme der fliegenden und schwimmenden,
und die Lurche fast völlig von den ursprünglichen Inseln aus-
geschlossen. Ratten und Mäuse sind zwar auf den Färöer, den
Galapagosinseln und den Andamanen heimisch; aber da sie dem
Menschen überallhin folgen, dürfen sie wohl eingeführt worden
sein. Auf den letztgenannten Inseln wurde auch eine Schweine-
art gefunden, aber die Andamanen sind wahrscheinlich vom Fest-
lande abgetrennt worden, da die südlichen nach Kunz geologisch
und tioristisch ganz mit der Küste von Arakan übereinstimmen.
Aus ihrer kontinentalen Vergangenheit stammt wohl auch ihre
Amphibienfauna. Sonst bewohnen einheimische Lurche nur noch
einige westpolvnesischen Inseln, aber alle gehören der Baumfrosch-
familie der Polypedatidae an. Dagegen sind Landvögel allgemein ver-
breitet. Einige sind mit großer Flugkraft ausgestattet — so be-
suchen alljährlich 17ü nordamerikanische Vögel die 1100 km ent-
fernten Bermudas — ; andere werden durch Stürme weithin ver-
schlagen. Dasselbe widerfährt in noch höherem Grade den Insekten,
die überdies noch eine Zeitlang den Wirkungen des Salzwassers
widerstehen können, und deren Larven und Eier auch auf schwimmen-
den Pflanzen weithin transportiert werden können. Eine genaue
Analyse der Käferfauna von Madeira ergab, daß mit wenigen und
gut zu erklärenden Ausnahmen nur jene europäischen Käfer fehlen,
die flügellos sind oder eine geringe Flugkraft besitzen. Um so auf-
fallender ist hier (wie auf den Kerguelen) die ungewöhnlich große
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572
Morphologie des Landes.
Zahl flügelloser Insekten. Darwin hat dies durch das Prinzip der
natürlichen Zuchtwahl erklärt. Bei jenen Insekten, die die Flügel
nicht unbedingt brauchen, trat eine Verkümmerung dieses Organs ein,
da sie für den Aufenthalt auf einer stürmereichen Insel förderlich
war. Bei den anderen mußte aber aus demselben Grunde das Or-
gan sich stärker entwickeln, und in der That haben die geflügelten Arten
auf Madeira meist größere Flügel, als ihre europäischen Verwandten.
Im Gegensätze zu den Vögeln und Insekten werden Kriechtiere
und Landschnecken nur zufälligerweise über die See verschleppt;
aber ihre weite Verbreitung zeigt, daß diese Zufälligkeiten nicht
allzu selten eintreten. Reptilien findet man mit Ausnahme der
Azoren, Madeiras, der Canaren, Färöer und der Revillagigedo-Gruppe
fast überall. Seltener scheinen Landschnecken Seereisen zu unter-
nehmen, weshalb gerade in dieser Tierklasse der insulare Endemismus
so stark ausgebildet ist.
Pflanzen verfügen über verschiedene Transportmittel. Winde und
Vögel scheinen dabei die wichtigste Rolle zu spielen. Manche Samen,
die mit borstigen oder stacheligen Fortsätzen versehen sind, bleiben
am Gefieder, andere in Verbindung mit erdigen Teilchen an den Füßen
der Vögel haften. Noch bedeutungsvoller für die Pflanzenverbreitung
erscheint die Eigentümlichkeit dieser Tiere, manche genossenen
Früchte unverdaut wieder auszuscheiden, da die Keimkraft des
Samens dadurch nicht nur nicht zerstört, sondern sogar erhöht wird.
Sporen und kleine Samen, die oft nur Hunderttausendstel eines
Grammes wiegen, können durch die Winde, — andere Samen, die
durch besonders harte Schalen geschützt sind und daher auch im
Salzwasser ihre Lebensfähigkeit bewahren, durch Meeresströmungen
weithin geführt werden. Die Aquatorialströmung brachte die ur-
sprünglich amerikanische Kokospalme den Inseln der Südsee und
verbreitete sie von da bis nach Madagaskar und zu den Seychellen.
Im übrigen ist aber die Flora Polynesiens ostindischer Abkunft,
also wahrscheinlich durch die äquatoriale Gegenströmung und die
rückläufigen Passatströmungen der Luft und des Meeres verbreitet
Madeira, die Canaren und Azoren sind durch den Passat mit Siid-
europa verbunden, und von da stammt auch ihre Pflanzenwelt. Die
meisten Gewächse der Bermudas sind mit dem Floridastrome aus
Westindien eingewandert. Eine lokale Strömung von der Panama-
bai zur Nordostseite der Galapagosinseln brachte dorthin zentral-
amerikanische Pflanzen. Tristan d’Acunha liegt dem Kaplande um
das Doppelte näher als dem südamerikanischen Kontinent, mit dem
es aber westliche Winde und Strömungen floristisch auf das engste
verknüpfen.
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Ursprüngliche Inseln.
573
Im allgemeinen sind aber Pflanzenwanderungen über weite oze-
anische Strecken doch nur zufällige Ereignisse. Sie werden um so öfter
eintreten, je stürmischer ein Meer ist, wie der Reichtum der Azoren
oder der Bermudas im Gegensätze zu der Armut der Galapagos
(an Pflanzen wie an Vögeln) lehrt. Aber seihst die am besten aus-
gestattete Flora einer ursprünglichen Insel ist ärmlich im Vergleiche
mit den Floren der Kontinente und selbst der festländischen Bruch-
stücke. Der Umstand, daß jene Eilande nur auf spärliche Almosen ange-
wiesen sind, bewirkt einerseits, daß die Geschlechter meist nur durch
wenige Arten vertreten sind, und begünstigt anderseits den Eude-
mismus. Letzterer ist freilich auch von dem Alter der Insel ab-
hängig, wie, unter übrigens gleichen Umständen, auch die Anzahl
der Arten; vorausgesetzt natürlich, daß nicht Katastrophen ver-
nichtend eingriffen, wie der große Ausbruch von 1883 auf Krakatau.
Die Azoren und Madeira besitzen — wie schon oben erwähnt wurde
— eine mediterrane Flora. Auf jenen kommen durchschnittlich 20,
auf dieser 85 Gefäßpflanzen auf je 100 qkm; auf jenen sind 8,s, auf
dieser 15, 2 Prozent endemisch, und die eigentümlichen Gewächse
der Azoren sind viel näher mit den europäischen verwandt, als die
Madeiras, trotzdem daß die erstereu weiter von unserem Erdteile
entfernt sind als die letztgenannte Insel. Wir müssen daraus
schließen, daß Madeira älter ist als die Azoren. Die Bermudas
sind ein junges Atoll, und ihre organische Welt stimmt fast ganz
mit der nordamerikauischen überein. St. Helena, die Hawaii-
Gruppe, die Galapagos sind Beispiele alter Vulkane. Die letzteren
haben fast nur eigentümliche Tierarten; noch größer ist der
Endemismus der Hawaii-Inseln, die sogar zwei eigenthümliche
Familien (aus den Klassen der Vögel und Landschnecken) be-
sitzen; am überraschendsten ist aber der Reichtum an eigen-
tümlichen Formen auf St. Helena, obwohl diese Insel sogar
vom Fürstentum Liechtenstein an Ausdehnung übertroffen wird. Das
europäische Element seiner merkwürdigen Käferfauna weist darauf
hin, daß die Einwanderung zu einer Zeit erfolgte, als die Winde
und Meeresströmungen wesentlich anders vertheilt waren als jetzt;
und ein ähnliches Resultat liefert die Analyse der Flora in Bezug
auf die südamerikanischen Bestandteile. Man muß noch hinzu-
fügen, daß man die ursprüngliche Flora und Fauna nicht einmal
ganz kennt. Die eingeführten Ziegen haben den Urwald zerstört,
und infolgedessen sind auch seine einheimischen Bewohner, Vögel
und Insekten, zum großen Teil ausgestorben. Dasselbe Schicksal
trifft übrigens jede ozeanische Insel, sobald der Mensch von ihr
Besitz nimmt. Er führt Nutztiere und Nutzpflanzen ein, ihnen
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574
Morphologie des Landes.
folgen auch andere Tiere und Unkräuter, und beide verdrängen die
durch den langen Inselfrieden geschwächten einheimischen Organismen.
So haben auf den Maskarenen die Zuckerpflanzungen die frühere
Vegetation fast völlig vernichtet, so beschränken auf Neuseeland die
siegreichen englischen Gräser die so merkwürdige alte Flora auf
immer kleinere Flächen, so wurde sie auf Madeira durch den Wein,
das Zuckerrohr und den Pisang bis auf 650 m Höhe, und auf den
Canaren durch den Wein und die Opuntien bis auf 1000 m Höhe
zurückgedrän gt.
Litteraturnach weise. 1 Dölteh, Die Vulkangruppe der Pontinischen
Inseln, im XXXVI. Bde. d. Denkschriften der Wiener Akad. d. Wiss. fMatli.-
naturwiss. Klasse) 1875. — * Dölteb, Die Vulkane der Capverden, Graz
1888. — * Keilhack, Beiträge zur Geologie der Insel Island, in der Zeitschrift
der Deutschen geologischen Gesellschaft, 1886. — * Darwin, Structure and
Distribution of Coral Reefs, London 1842 (neueste Ausgabe in the Camelot
Series, London 1890). Dana, Corals and Coral Islands, London 1875.
Mdrbay, On the Structure and Origin of the Coral Reefs; im X. Bde. der
Proceedings of the Royal Society of Edinburgh 1879—80. Über die weitere
Litteratur s. Lanoenbeck, Die Theorien über die Entstehung der Koralleninseln,
Leipzig 1890. — 5 v. Lehnert, Über Landbildungen im Sundagebiet; Deutsche
Rundschau für Geographie, 1883, Bd. V. — 6 S. die Karte der Fidschigruppe
in Petermanns Mitteilungen 1882, Taf. 8. — 7 Gerland cit. S. 322. — * S.
Petermanns Mitteilungen 1890, S. 107. — • Sluiter in der Natuurkundig
Tijdschrift voor Nederlandsch-Indiö, 1889, Bd. XLIX, S. 360. iDas wichtige
Profil reproduzierte ich in Petermanns Mitteilungen 1891, Litteraturbericht
S. 46.) — 70 Wharton, Account of Christmas Island; in den Proceedings of
the R. Geographical Society of London, 1888. — 11 Guppy, The Salomon Islands,
London 1887. — 18 Jukes-Brown in Nature. 1889, Bd. XLI. S. 55. — 77 S.
Nature 1887, Bd. XXXVI, S. 413. — 74 Dietrich, cit. S. 207. — 75 Vgl. meinen
Bericht in Petermanns Mitteilungen 1889, S. 200. — 7S Wallace cit. S. 560.
Küstenformen.
Haupttypen. Die Küstenformen hängen in erster Linie von dem
Baue des Hinterlandes ab: erst in zweiter Linie kommen jene Vor-
gänge in Betracht, die wir in Kürze als Kampf zwischen Land und
Meer um die Herrschaft bezeichnen können. Es sind dies An-
schwemmungen der Flüsse, Anschwemmung und Zerstörung durch
das Meer, endlich Niveauveränderungen, die sich den Obertiächen-
gewalten bald hemmend, bald fördernd zur Seite stellen.
Verfolgen wir die Umrisse des Landes in ihren Hauptzügen, und
beginnen wir mit den pazifischen Gestaden.
Die Westküste Amerikas begleitet ein großes Faltengebirge, das
mit allen seinen Biegungen den Verlauf der Küstenlinie bestimmt
Solch eine Küste nennen wir eine konkordante. Auf der asiatisch-
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Küistcnformen.
575
australischen Seite haben wir zunächst zwischen einer Außen- und
einer Innen küste zu unterscheiden. Die erstere bilden die Insel-
bogen von den Alöuten bis Neuseeland. Auch sie ist konkordant,
und insofern hat Süss Recht, wenn er die Konkordanz kurzweg
als pazifischen Typus bezeichnet. Aber die kontinentale Innenküste
läßt verwinkeltere Verhältnisse erkennen. Am Ochotskischen und
Japanischen Meere ist sie vorwiegend konkordant, dann aber tritt
die chinesische Tiefebene an die See heran. Wo die Umrisse durch
fiachgelagerte Schichten gebildet werden, kann natürlich von einer
bestimmten Streichrichtung nicht die Rede sein; es entsteht eine
neutrale Küste. Südlich vom Jangtse-Kiang herrscht wieder Ge-
birgsküste, aber die Küstenlinie läuft nicht mehr parallel dem Ge-
birge, sondern schneidet es unter einem spitzen Winkel, so daß das
Meer abwechselnd die Ausläufer der Ketten und die Längsthäler
bespült. Das ist der Charakter des dritten Haupttypus: der dis-
kordanten Küste.
Im Bereiche des Indisch-Atlantischen Ozeans ist die Diskordanz
vorherrschend; Süss bezeichnete dies als atlantischen Küstentypus.
Die große Gebirgszone der alten Welt erreicht das indische Gestade
nur in Hinterindien und Iran, gegen den Atlantischen Ozean streicht
sie senkrecht aus. Senkrecht dazu gestellt sind auch die alten
Faltenzüge der europäischen Westhälfte, nur im nördlichen Skandi-
navien verläuft die Küste nahezu parallel mit dem Streichen der
Schichten, und ebenso im nördlichen Spanien, soweit das Cantabrische
Gebirge reicht. Vielleicht kann auch die Küste Niederguineas als
konkordante aufgefaßt werden. Denselben Charakter trägt auch
die Küste Brasiliens zwischen Rio Janeiro und Pernambuc.o und
die Neuschottlands. In Westindien wiederholt sich die Doppelküste
Ostasiens mit einem äußeren konkordanten Faltenrande. Im großen
und ganzen werden aber die Grenzen des Atlantischen und Indischen
Ozeans mehr durch Bruchlinien, als durch Falten bestimmt; daher
tritt die Bogenform zurück und geradlinige und geknickte Umrisse
herrschen vor. Die verschiedenen Typen lösen sich im bunten
Wechsel ab, im schroffen Gegensätze zu der Einförmigkeit der
amerikanischen Westküste. Im Mittelmeere finden wir konkordante
Küsten in größerer Ausdehnung, wie die zu beiden Seiten der Adria,
das pontische Südgestade, die Atlasküste. Die phönizische Küste
liefert uns, wie die Westküste Vorderindiens, ein anderes Beispiel
von Konkordanz; auch hier zieht sich entlang der Küste ein Ge-
birge, aber kein Falten-, sondern im ersteren Falle eine Art Flexur-,
im letzteren entschieden ein Bruchgebirge.
Im arktischen Gebiete scheint der neutrale Typus vorzuherrschen.
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Morphologie des Landes.
Detailformen. Wir haben auf S. 416 nach dem Vertikalprofile
Steil-, Flach- und Strandküsten unterschieden. Die neutrale Küste
kann in allen drei Formen auftreten, und damit kombiniert sich
eine große Mannigfaltigkeit in den horizontalen Umrissen. Sie in
ein System zu bringen, wäre jetzt, wo noch so wenige darauf be-
zügliche Vorarbeiten vorhanden sind, ein müßiges Beginnen. Wir
können allenfalls zwei Hauptkategorien aufstellen: die glatten und
die gebuchteten Küsten. Die einfachste Form der glatten Küste
ist die geradlinige, wie sie uns in der Flachküste der Landes
und in der Steil- und Strandküste der Normandie entgegentritt. In
flachen Bogen, guirlandenfbrmig, umsäumt dagegen das deutsche
Flachland die Ostsee. Glatte Formen deuten immer auf An-
schwemmung hin, gebuchtete wenigstens häufig auf eine marine
Strandverschiebung. Die unregelmäßige kleinbuchtige Gestalt, die
die französische Küste nördlich der Gironde annimmt, ist sicher
darauf zurückzuführen; dafür zeugen schon die abgegliederten Inseln
Olöron und R6. Welche Bewandtnis es dagegen mit der Entstehung
der großbuehtigen Neutralküsten Patagoniens und Sibiriens hat,
ist noch unbekannt. Einen Übergang zwischen glatten und gebuch-
teten Formen zeigt uns die Boddenküste Vorpommerns und
Mecklenburgs. Die Bodden fallen schon auf Karten kleineren Maß-
stabes durch ihre abenteuerlich zerlappten Formen auf; sie sind
ohne Zweifel Eroberungen des Meeres, aber zum Teil noch recht
unvollständige, und in diesem Falle entstehen Doppelküsten. So
bilden die Halbinsel Darß und die kaum davon getrennte Insel Zingst
die geradlinige Außenküste, hinter der, nur durch schmale Zugänge
erreichbar, die zerfetzte Boddenküste von Barth und Ribnitz liegt.
Den umgekehrten Entwicklungsgang nahm die Haffküste Preußens.
Die Haffe sind alte Buchten, die durch Nehrungen abgeschlossen
wurden. Aus der gebuchteten Küste entsteht eine geradlinige
Doppelküste, wenn, wie in Preußen, das Haff vom Meere aus noch
zu erreichen ist, oder eine geradlinig geschlossene Küste, wenn, wie
in Hinterpommern, die Haffe völlig in Strandseen vorwandelt sind.
Doppelküsten dieser Art gehören zu den häufigsten Erscheinungen.
In Oberitalien heißen die abgesperrten Buchten Lagunen, in Siid-
rußland Limane, und man hat den Vorschlag gemacht, den letzteren
Namen auf alle jene Buchten zu übertragen, die im Gegensätze zu
den langgestreckten Haffen und Lagunen senkrecht in die Küste
einschneiden.
Eine andere Form der neutralen Doppelküste, die an ein be-
wegtes Meer mit kräftigen Gezeiten gebunden ist, ist die Watten-
küste. An der Westseite der jütischen Halbinsel können wir den
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Küstenformen.
577
Übergang aus der gebuchteten Doppelküste verfolgen. Dünen be-
gleiten sie von der Nordspitze bis Blaavands Huk, einige bodden-
oder limanartige Buchten werden abgesperrt. Von Fanö an ist die
Dünenkette zu Inseln zersplittert, die dahinter liegenden Buchten
sind geöffnet; das niedrige Marschland, das einst durch die Dünen-
kette geschützt war, wird zur Flutzeit überschwemmt. Zwischen
Heverstrom und Wangeroog fehlt die insulare Außenküste, und die
geschlitzten Konturen der Festlandsküste zeugen von der Macht der
Nordseebrandung. Dann folgt die friesische Doppelküste bis Texel,
glatt bogenförmig an der Außen-, mehrfach gebuchtet an der
Innenseite.
Geradlinig oder bogenförmig ist auch die konkordante Küste,
zwar wenig gegliedert, wie die cantabrische Küste oder die
Ostküste Italiens von Pesaro bis Punta della Penna, aber doch
nicht so glatt, wie neutrale Küsten. Kleine, rundliche Buchten hat
uns Theobald Fischeb an der algerischen Küste kennen gelehrt,
kleine, zackige Einschnitte finden sich häufig an der japanischen.
Ab und zu dringt das Meer tiefer ein, wo ein Einsturzbecken den
Verlauf des Litoralgebirges unterbricht, oder schafft ein sediment-
reicher Fluß ein vorspringendes Deltaland. Die ursprüngliche Ge-
stalt kann aber erheblich verändert werden. Die Vorsprünge werden
durch die Brandung zerstört, die Buchten mit Hilfe der Küstenver-
setzung oder durch anwachsende Deltas ausgefüllt, Flach- und Steil-
küsten wechseln, die Küstenlinie wird geglättet, oder es werden
durch landfest gewordene Felseninseln neue Buchten gebildet, wie
die herrliche Bai von Kadzusa, in deren Nähe Japans Hauptstadt
liegt. Das ist die Form der Ausgleichs-, oder besser gesagt, der
ausgeglichenen Küste. An der toskanischen Küste hat sich diese
Umwandlung zum Teil erst im Laufe der geschichtlichen Zeit voll-
zogen. An die Stelle der großen Buchten von Pisa und Grosseto
trat sumpfiges Schwemmland, und der Mte. Argentario, das Gebirge
von Piombino und die Monti dell’ Uecellina führen uns die verschiede-
nen Stadien im Verlandungsprozesse von Inseln vor Augen. Dieser
Buchtenreichtum könnte an einer konkordanten Küste auffallen, aber
man muß beachten, daß die italienische Küste an der Innenseite
eines Faltengebirges liegt, wo große, kesselförmige Einbrüche nicht
selten sind. Die Golfe von Gaeta, Neapel, Salerno und Policastro
sind noch erhalten, obwohl an der Ausgleichung gearbeitet wird.
Auch die Westküste Koreas ist viel gegliederter, als die Ostküste.
Am gegliedertsten ist aber die diskordante Kiiste. Berge,
Thäler, selbst größere Ebenen treten im bunten Wechsel an das
Meer heran, und in demselben Maße wechselt auch das Spiel von
Supah, Physische Erdkunde. 2. Aud. 37
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578
Morphologie des Landes.
Zerstörung und Landbildung. Im allgemeinen entsprechen die
Buchten den Hohlformen des Geländes und die Vorsprünge den
abgeschnittenen Gebirgen; doch werden auch durch Einbrüche große
Buchten gebildet Den höchsten Grad der Gliederung erreicht die
Küste im Umkreise des jugendlichen Agäischen Meeres, wo ostwest-
lich streichende Faltenzüge stückweise in die Tiefe sanken. Aber
auch im Bereiche der diskordanten Küste kann Ausgleichung
ointreten, und dann können glatte Küsten entstehen, wie es die
portugiesische ist, oder die Ostküste Vorderindiens oder die süd-
amerikanische Küste vom Kap S. Roque bis zum Orinoco, wo die
Flußsedimente mit Hilfe der Küstenversetzung in merkwürdig gleich-
mäßiger Weise angeschwemmt werden.
Thalbuchten. Unter dieser Bezeichnung fassen wir vorläufig
alle thalartigen Buchten zusammen, die unter einem rechten oder
steilen Winkel in das Land einschneiden, sich meist auch oberseeisch
in einem Thale fortsetzen, und in der Regel gesellig auftreten. Sie
sind nicht an eine von den drei genannten Hauptkategorien ge-
bunden, aber ihre kräftigste Entwicklung finden sie an Gebirgs-
küsten.
Die bekanntesten Thalbuchten sind die Fjorde.2 In Verbindung
mit dichten Schwärmen von Felseneilanden bestimmen sie den
Küstencharakter auf weite
Strecken. Die Küstenent-
wicklung erreichthierihren
Höhepunkt, ist doch z. B.
die wirkliche Länge der
norwegischen Küste 7 mal
und die der Küste von
Maine sogar 13 mal größer
als die in gerader Linie ge-
messene. Ein mehr oder
minder scharf ausgesprochener Parallelismus in der Anordnung der
Einschnitte und Inseln verleiht zwar der Fjordküste eine gewisse
Eintönigkeit, im einzelnen aber herrscht große Mannigfaltigkeit.
Den extremsten Typus stellt der norwegische Lysefjord dar. Er
ist bei einer Länge von 41 km nur 600 — 1900 m breit, und seine
Felswände erheben sich senkrecht oder stellenweise sogar über-
hängend bis ca. 950 m Höhe. Dagegen begrenzen den größten Teil
des Kristiania- und den südlichen und östlichen Teil des Trondhjem-
fjordes sanft ansteigende Böschungen. Die Thalform zeigt in drastischer
Weise der 187 km lange Sognefjord (Fig. 198), ein aus einem Haupt-
und mehreren Nebenlj orden bestehendes System. Die Vereinigung
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Küsteuformen.
579
melirerer Fjorde zeigt auch Fig. 199. Iin Trondhjemfjord (Fig. 200)
tritt der Parallelismus der Wände schon etwas zurück, und noch
mehr im Laxefjord (Fig. 201). Aber dasselbe ist ja auch bei Thälern
der Fall, die sich bald verengen, bald erweitern. Würde das Meer
Fig. 199. Fjorde bei Kristiansund
(Norwegen).
Fig. 200. Trondhjeui- Fjord
(Norwegen).
Fig. 201. Laxe- Fjord (nördl.
Norwegen).
Fig. 202. Fiske- und Aniggok-Fjord
(West-Grönland).
bis zu einer Höhe von 500 m die Nordalpen überfluten, so würde
die keilförmige Thalhucht von Salzburg eine ähnliche Fjordgestalt
annehmen, wie der Laxefjord. Es kann kein Zweifel sein, daß die
Fjorde untergetauchte Thäler sind. Zwar scheint dagegen zu
sprechen, daß viele Fjorde sich an ihrem Ausgange in mehrere Arme
teilen (s. Fig. 199 und 202), allein schon Hartung hat diese Eigen-
tümlichkeit befriedigend erklärt. Zwischen den 1000 m und darüber
hohen Bergen Norwegens führen tiefeingesenkte flache Pässe (Eide)
aus einem Thale in das in entgegengesetzter Richtung verlaufende.
37*
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580
Morphologie (leg Landes.
Überstieg (1er Betrag der positiven Niveauveräuderung die Seehöhe
der Eide, die in manchen Fällen nicht einmal 100 m beträgt, so
mußten mehrere Thäler zu einem einzigen Fjordensystem ver-
schmelzen, dessen Arme Gebirgsinseln einschließen. Ein ähnlicher
Vorgang ist übrigens schon beobachtet worden. Auf der Insel
Caviana im Mündungsgebiete des Amazonas gab es zwei entgegen-
gesetzt laufende Flüsse. 1850 drang die Flut zum erstenmal in
den östlichen Fluß ein und überschritt die Wasserscheide. Dieser
Vorgang wiederholte sich öfter, bis endlich die Insel durch einen
Meeresarni in zwei Teile getrennt war. Auf gebirgigem Terrain
entstehen so Fjordstraßen mit parallelen Wänden, wie bei-
spielsweise der Matotschkin Scharr zwischen der Nord- und Süd-
insel von Nowaja-Semlja. Fjorde, Fjordstraßen, Fjordinseln sind zu-
sammengehörige Phänomene.
Besonders charakteristisch sind für die Fjorde ihre unterseeischen
Formen. Im Querprofil haben sie eine trogförmige, im Längsprofil
eine beckenförmige Gestalt. Der Boden des Sognefjordes senkt
sich von seinem obern Ende unter einem Winkel von 0°39' bis zu
einer Tiefe von 1242 m und hebt sich dann wieder uuter einem
Winkel 1°2' bis 158 m Tiefe. Diese Schwelle fällt bald mit dem
unteren Ende des Fjordes zusammen, bald liegt sie oberhalb im
Fjorde selbst, bald unterhalb im vorliegenden Meere. In den
meisten Fällen sind aber mehrere Becken vorhanden und in ihrem
gegenseitigen Verhältnisse zeigt sich eine große Mannigfaltigkeit. Der
Howe-Sund in Britisch Columbia zerfällt in zwei nahezu gleich große
und gleich tiefe Becken, der Hardanger Fjord in Norwegen in 5, die
ebenso wie die Schwollen nach außen zu immer seichter werden,
der Loch Hourn in Schottland beginnt mit einer Reihe kleiner
Becken und endet mit einem großen. x Die Tiefenunterschiede sind
manchmal nicht bedeutend, aber stets ist das Vormeer seichter als
die Fjorde (vgl. Fig. 58, S. 265). Wenn wir oben die Fjorde nach
ihrer überseeischen Gestalt als untergetauchte Thäler bezeichnen
konnten, so können wir sie jetzt auf Grund ihrer unterseeischen Formen
als untergetauchte Thalseen betrachten. In dieser Schluß-
folgerung werden wir unterstützt, wenn wir wahrnehmen, daß das
Thal, welches den Fjord überseeisch fortsetzt, noch Seen beherbergt,
die mit ihrer langgestreckten Gestalt und ihren steilen Gehängen
völlig den Fjorden gleichen. Manche solcher Fjordseen sind in
Schottland, Norwegen u. s. w. vorhanden, viele freilich sind auch
schon verschüttet. Auch ins offene Meer hinaus können wir manch-
x Anm. x auf S. 581.
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Küstenformen.
58 t
mal den Fjord als Kinne verfolgen und selbst diese läßt noch eine
Trennung im Becken erkennen. * x
In ihrer strengsten Form ist die Fjordküste auf höhere Breiten
beschränkt Die atlantische Seite des skandinavischen Massivs, West-
Schottland und das nordwestliche Irland, die arktischen Inseln,
Grönland, Neufundland und Labrador, endlich die Westküste Nord-
amerikas von Alaska bis zur Juan de Fucastraße sind die wichtig-
sten Fjordbezirke unserer Halbkugel. Auf der Südhemisphäre sind
die Westküsten Patagoniens und der neuseeländischen Südinsel uud
die in höheren Breiten gelegenen Inseln zu nennen. Der Zusammenhang
mit der diluvialen Eisverbreitung, den zuerst Dana erkannte, liegt auf
der Hand und bietet auch nichts auffälliges, wenn wir uns ins
Gedächtnis zurückrufen, daß gerade die alten Gletschergebiete außer-
ordentlich reich an Seen sind. Nur muß man dabei zwei Fragen
auseinandorhalten : 1) die Entstehung der Beckenform; in dieser
Beziehung haben die verschiedenen Theorien über die Genesis der
Seebecken auch auf die Fjorde Anwendung gefunden; 2) das Unter-
tauchen. Diese letztere Erscheinung steht zur Eiszeit in keiner
Beziehung, sondern ist ein Phänomen von allgemeiner Verbreitung.
Auch die Fjorde sind nicht ein völlig abgeschlossener Gestaltungs-
kreis. Man spricht von Fjorden an der Küste von Maine und Neu-
schottland und sogar an den Ufern der canadischen Seen, aber die
Beckenform ist hier nur schwach ausgeprägt. Das mag zum Teil
wohl auf spätere Zuschüttung, wofür hier auch geschichtliche Zeug-
x Howe-Sund H arda uger- Fjord Loch Hourn
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x * 7.. ft. die Fortsetzung des Stör- und Stilefjords in Norwegen 02'/** B
(h. die schöne Karte von Sasulkr in Pbtermanns Mitteilungen 1890, Taf. 16).
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582
Morphologie des Landes.
nisse vorliegen, zurückzuführen sein, denn nur jene Fjorde erhalten
sich rein, deren Zuflüsse sich ihrer Sedimente in einem oberhalb
gelegenen See entledigt haben. Aber selbst in jenen Teilen, wo das
Lot auf felsigen Grund stieß, sind die Mainefjorde meist Hach; auch
ist zum Unterschiede von anderen Fjordgebieten die Umgebung
niederes Hügelland, dagegen ist der Parallelismus deutlich entwickelt.
Die Ostseeküste der skandinavisch-finnischen Rumpfscholle zeigt eine
Art der Gliederung, die sich wieder einen Schritt weiter von den
echten Fjorden entfernt Sie erscheint wie zerschlitzt; zahllose kleine,
schmale Einschnitte, die sogenannten Fjärde, dringen mehr oder
weniger tief in das niedrig gelegene Küstenland ein, zum Teil mit
beckenartigem, zum Teil mit einfach abfallendem Thalboden. An vielen
Stellen ist der äußere Kiistenrand in hunderte von kleinen Felseninseln
(Schären) zersplittert, aber meist in regelloser Weise, nicht in paral-
leler Anordnung, wie die Fjordinseln. An den Neutralküsten Ost-
jiitlands und der dänischen Inseln begegnen wir den vielgestaltigen För-
den,x bald breiten, bald schmalen Thalbuchten, von denen die ersteren
sich dadurch auszeichnen, daß das tiefe Fahrwasser bis an die Spitze
der Bucht reicht Haas erklärt die schleswig-holsteinischen Förden
für Erosionsthäler der Interglazialzeit, die das vordringende Eis der
zweiten Glazialzeit erweitert und vertieft hat.3
Bis jetzt haben wir uns innerhalb der diluvialen Binneneisgrenzen
gehalten. Außerhalb derselben liegen die teils gewundenen, teils
keilförmigen Thalbuchten der diskordanten Küsten des südwestlichen
Irlands, Cornwallis, der Bretagne. Galiciens und Südchinas, die v.
Richthofen unter dem galizischen Namen Rias zusammenfaßte.
Ihr hauptsächlichster Unterschied von den Fjorden besteht darin,
daß ihr Boden in der Regel allmählich, ohne Unterbrechung
durch beckenartige Einsenkungen in das Meer verläuft. Auch sie
sind Fortsetzungen oberseeischer Thäler, aber ihre eigentliche Aus-
gestaltung und Vertiefung erklärte Rütimeyeb4 auf Grund seiner
Studien in der Bretagne für ein Werk der Meereserosion. Man hat
auch auf die sechs Keilbuchten im südwestlichen Irland (Kerry und
Cork) hingewiesen, die genau den Karbonkalkmulden entsprechen,
während der widerstandsfähigere devonische Sandstein die dazwischen
befindlichen Halbinseln bildet. Eine gewisse Ähnlichkeit mit Fluß-
ästuarien läßt allerdings vermuten, daß bei der keilförmigen Erwei-
terung die Flutwelle mit im Spiele ist, aber für die engen, gewun-
denen Rias, wie das Odet in der Bretagne, reicht diese Erklärung
x In Dänemark Fjorde genannt. Manche derselben sind aber unzweifel-
haft nichts anderes als Bodden, wie z. B. der Albuenfjonl auf I.aaland.
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Küstenformen.
583
sicher nicht aus, abgesehen davon, daß an der diskordanten Küste
Istriens, wie an der konkordanten Küste Dalmatiens, also in einem fast
gezeitenlosen Meere, der Riastypus in der schönsten Weise entwickelt
ist So ist z. B. der Canale di Lerne 1 2 km lang und nur 1/i km breit,
und die berühmte Bocche di Cattaro ähnelt in ihrer Gestalt dem
Eisfjorde auf Spitzbergen und ist am Eingänge auch unterseeisch
durch eine kleine Schwelle abgeschlossen.
Indem wir die Thalbuchten als untergetauchte Thalenden auf-
fassen, erblicken wir in ihnen ein ebenso wichtiges Dokument für
positive Niveauveränderungen, wie in den abgegliederten Halb-
inseln, in den Kontinentalinseln, vielleicht auch in den Wallriften
und Atollanhäufungen. Allerdings finden wir gerade in dem Bereiche
der Fjordküsten auch Anzeichen einer negativen Niveauveränderung,
aber diese hat noch nicht einen so hohen Betrag erreicht, um den
Effekt der älteren, entgegengesetzten Bewegung auszulöschen.
Natürliche Seehäfen und Meeresstrassen. Vom verkehrsgeo-
graphischen Standpunkte aus hat v. Richthofen die konkordanten
Küsten treffend als Abschließungs-, die die diskordanten als wahre
Aufschließungsküsten bezeichnet Das ist ohne weiteres ver-
ständlich, wenn man die Verbindung zwischen der Küste und dem
Binnenlande in den Vordergrund stellt Aber es gilt auch, wenigstens
im Großen und Ganzen, in betreff des natürlichen Hafenreichtums
der Küsten, wenn auch gerade konkordante Küsten manchen ausge-
zeichneten Hafen besitzen.
Von natürlichen Häfen fordert man einen guten Ankergrund
von etwa 10 bis 100 m Tiefe und Schutz vor Wellenbewegung.
Ihre Zahl ist verhältnismäßig nicht sehr groß, so daß der ausge-
dehnte Verkehr unserer Tage genötigt ist, auch offene Rheden zu be-
nutzen oder sie in künstliche Häfen umzugestalten. Diese letzteren
fallen natürlich außerhalb des Bereiches unserer Betrachtung.
Krümmel6 unterscheidet genetisch drei Hauptarten von Seehäfen,
betont aber, daß die meisten Häfen mehrere Typen in sich vereinigen.
Groß ist der Formenkreis der Aufschüttungshäfen, bei denen
die Natur dürcli Anhäufung von Sedimenten, vulkanischen Auswürf-
lingen oder durch korallinische Riffbildung einen Wellenbrecher
geschaffen hat. Haffe und verwandte Erscheinungen der Neutral-
küsten bieten gute Hafenplätze, wenn der Eingang frei gehalten wird;
an ausgeglichenen Küsten giebt das Landfestwerden vonluseln manchmal
Veranlassung zur Buchtenbildung ; durchbrochene Kraterwälle einsamer
Vulkaninseln (Fig. 203) und die Lagunen der Wallriffe und Atolle ge-
währen Schutz auch mitten im Ozean. Häutiger und vielgestaltiger sind
die Einbruchshäfen, die dadurch entstehen, daß das Meer infolge
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584
Morphologie des Landes.
einer positiven Niveauveränderung in das Land einbricht. Alle Rias-
und Fjordhäfen gehören in diese Kategorie; nur muß hinzugefügt
werden, daß viele Fjorde wegen zu großer Tiefe keinen Ankergrund
Fig. 203 a.
bieten, so daß z. B. in Norwegen manche Hafenplätze auf die vor-
gelagerten Fjordinseln verlegt sind. Küsteneilande schützten die alten
phönizischen Häfen; an konkordanten Küsten öffnen sich tief einge-
schnittene Buchten, von denen manche wohl durch Kesseleinbrüche
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Küstenformen.
585
entstanden sind. S. Francisco, Rio de Janeiro, Sydney verdanken ihren
Aufschwung solch natürlichen Öffnungen an sonst wenig zugänglichen
Küstenstrecken. Einen Einschnitt in der Küste verursacht ferner
jede Flußmündung, und jeder größere Fluß ist zugleich eine bequeme
Verbindungsstrasse nach dem Innern. An den meisten neutralen, be-
sonders an Schwemmlandküsten herrschen in der That die Mün-
dungshäfen vor. Aber trotzdem besteht oft ein seltsamer Gegensatz
zwischen der Größe eines Flusses und der Bedeutung seines Mün-
dungshafens, auch dort, wo die kulturellen Verhältnisse der Hinter-
länder nicht sehr verschieden sind. Das erklärt sich daraus, daß
die Barre, die die Flußsedimente vor der Mündung aufschütten, der
Schiffahrt oft ernstliche Hindernisse bereitet. So ist z. B. der ge-
waltige Amazonenstrom für Dampfer nur auf dem Umwege über die
gewundene Wasserstrasse des Rio Para erreichbar. Besonders tro-
pische und suptropische Flüsse, deren Wasserstand großen Schwan-
kungen unterliegt, sind in der Trockenzeit nicht fähig, ihre Barre zu
beseitigen; und solch ein Übelstand zwang dazu, den Mündungshafen
des Ganges, Calcutta, an einen Nebenarm zu verlegen, der hauptsäch-
lich nur vom Gezeitenstrome beherrscht wird. Weitaus am günstigsten
liegen die Verhältnisse bei jenen Flüssen, deren weite Trichtermün-
dungen durch Ebbe und Flut immer offen gehalten werden. Hamburg,
London, Amsterdam sind berühmte Beispiele solcher Ästuariumhäfen.
Küstenentwicklung und mittlerer Küstenabstand. Schon seit
langem beschäftigen sich die Geographen mit der Frage: auf welche
Weise sich ein einfacher mathematischer Ausdruck für die horizon-
tale Gliederung von Länderräumen finden ließe.
Die älteste Methode, die von Heinrich Berghaus (1830), geht
von dem Gedanken aus, daß bei gleicher Fläche diejenige Figur ge-
gliederter ist, die den großem Umfang (Kiistenlänge) hat, hei gleichem
Umfange aber diejenige, die die kleinere Fläche hat; und Begghaus
setzt daher die horizontale Gliederung, die er Kostenentwicklung
nennt, = ^an ^ia*' ^*eser Methode vorgeworfen, daß sie zwei
unvergleichbare Werte, Fläche und Länge, miteinander vergleiche,
aber schon Reuscbee hat das Unberechtigte dieses Vorwurfes dar-
gethan, der nur dann am Platze wäre, wenn man z. B. sagte: der Um-
fang von Europa verhalte sich zur Fläche wie 1:288, aber durchaus
nichts Unlogisches enthalte, wenn man sich so ausdrücke: auf 1 km
Küste kommen 288 qkm Fläche. Schwerer wiegt der Übelstand,
daß die Zahlen sich nach dem zugrunde gelegten Maße ändern,
aber er kann beseitigt werden, wenn man irgend eine Küsten-
entwicklung, z. B. die mittlere aller 5 Kontinente, gleich 1 setzt
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586
Morphologie des Landes.
und alle anderen Zahlen in Teilen dieser Einheit giebt.x Die
späteren Verbesserungsvorschläge fußen auf dem Grundsätze, daß
Längen nur mit Längen, Flächen nur mit Flächen verglichen werden
dürfen. Um auf diese Weise einen passenden Ausdruck für die
Küstenentwicklung zu finden, benutzte man die Erfahrung, daß
unter allen Figuren gleicher Fläche der Kreis hezw. — da wir uns
auf einer Kugel befinden — die Kugelkalotte die denkbar regel-
mäßigste ist und daher den kleinsten Umfang besitzt. Je mehr der
Umfang eines Erdteiles oder einer Insel den einer inhaltgleichen
Kalotte übertrifft, desto größer ist die Küstenentwicklung. Man
übersieht aber bei dieser Methode die für unsere Zwecke sehr
fatale Eigenschaft aller Figuren, daß ihr Umfang viel langsamer
wächst als ihre Fläche. Nicht nur, daß infolgedessen die Methode
kleinen Erdräumen günstiger ist als großen, sie fördert auch den
offenbaren Widersinn zutage, daß die Küstenentwicklung Europa-
Asiens größer ist als die Europas und Asiens für sich genommen,
die Amerikas größer als die Nord- und Südamerikas, die aller
Kontinente zusammen größer, als die jedes einzelnen! Noch ein
paar andere Methoden kranken an diesem Übelstande und werden
dadurch unfähig, wirklich vergleichbare absolute Werte für die
Küstenentwicklung oder für die Zugänglichkeit eines Landes zu
liefern.
Einen anderen Weg schlug Rohkbach8 ein. Er zeichnet in die
Erdteile Linien gleichen Küstenabstandes ein und berechnet daraus
mit Hilfe der graphischen Methode xx den mittleren Küsten-
abstand. In nachstehender Tabelle sind die wichtigsten Ergebnisse
zusammengefaßt; sie bieten uns einen bequemen, zum Teil sogar über-
raschenden Kommentar zur Karte. Namentlich der Prozentsatz der
küstennahen Zone (bis 600 km) ist ein guter Maßstab für den Um-
fang des legitimen Einflusses des Meeres auf das Klima der Erdteile
und für die Bedeutung mancher orographischen Hindernisse, die
diesen Einfluß abschwächen oder vernichten. Aber weder die Aus-
dehnung der küstennahen Zone, noch der mittlere Küstenabstand
sind ohne Karte ohne weiteres verständlich. Wenn einerseits Asien
und Afrika , anderseits Europa und Australien nahezu gleichviel
Prozent küstennahes Land haben, so wird das in dem ersteren Falle
x So ist z. B. die Küstcneutwicklung Europas (<■) im metrischen Maß 288
im Meilenmaß 39; stellen wir diese Zahlen aber in Vergleich mit der mittleren
Küstenentwicklung des gesamten Festlandes (f — 612 nach metrischem, 82 nach
Meilenmaß), so erhalten wir in beiden Füllen e : f = 0,is.
x x Die chorigraphische Kurve KniiRnAOHS entspricht die hypsographischen
Kurve Pencks (vgl. S. 86).
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Küstenformen.
587
nur durch die Differenz der horizontalen Gliederung, im zweiten
aber trotz dieser Differenz bewirkt; im ersten Falle ist die Küsten-
entwicklung, im zweiten die Fläche ausschlaggehend, ln dem größeren
mittleren Küstenabstande Asiens gegenüber dem Afrikas kommt aber
doch die beträchtlich größere Ausdehnung Asiens zur Geltung; da-
gegen haben Kuropa und Australien nahezu gleichen mittleren
Küstenabstand, obwohl es kaum zwei größere Länderräume giebt,
die in ihrer Umrißgestaltung so grundverschieden wären, wie diese.
Für die Gliederung allein gewinnt man einen exakten Ausdruck,
Kftaten&bat&nd in km
1 Mittlerer
0— 600 |
600 1200 1200 1800 1800 2100
über 2400
IVllBlUIl*
abstand
Prozente
in km
Europa . . .
»I.»
15.«
HK !
j —
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340
Asien . . .
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780
Europa- Asien .
Ö-M
23, i
14..
7,i
700
Afrika . . .
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85,3
1 15,»
—
—
670
Australien . .
82,s
17,i
—
— !
—
350
Nord-Amerika
ßS,t
26,4
! 5,«
i
470
SüG Amerika .
59,1
81, t
1 8,*
550
Alte Welt . .
52,«
27,«
14,8
4,5
1 0,1
—
Nene Welt .
64, i
2S,i
7,1 j
1 — 1
-
wenn man die Flächen der Halbinseln mit der des Rumpfes in Ver-
gleich setzt; es ist dabei nur schwierig zu bestimmen, was alles als
Halbinsel zu betrachten sei, und an welchen Stellen sie abzutrennen
seien. Die Anzahl und Größe der Glieder ist übrigens für die
Kostenentwicklung nicht allein maßgebend, Afrika und Südamerika
sind beide Rümpfe ohne Glieder; da aber Südamerika sich sehr stark
verschmälert, so kommen hier auf 1 km Küste nur 098 qkm, in
Afrika dagegen 1128. Die EhrenburgscIiü Methode führt aber zu
einem ganz entgegengesetzten Resultate. Ehrenhurg7 unterscheidet
drei sphärische Kreise: 1) den Außenkreis (A) oder den größten Kreis,
der noch alle Glieder des betreffenden Landraumes umfaßt: 2) den
lunenkreis (/) oder den kleinsten Kreis, der dem Rumpfe eingeschrieben
werden kann, und 3) den inhaltgleichen Kreis (F\ und setzt die Flächen
dieser Kreise in Beziehung zueinander. Der Quotient ~ ist unter
allen möglichen Kombinationen offenbar der reinste Ausdruck der
horizontalen Gestaltung, und doch ist er für Afrika größer (5,«) als
für Südamerika (5,i). Der Grund liegt in der großen Ausdehnung
des Golfs von Guinea, den Afrika lialbmondähnlich umzieht; dadurch
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Morphologie des Landes.
wird der Außenkreis sehr groß und der Innenkreis sehr klein. An-
gesichts solcher entgegengesetzten Ergebnisse kann mit Recht die
Frage aufgeworfen werden, ob alle diese künstlichen Methoden der
Geographie wesentliche Dienste leisten. Nur Rohkbachs Ausmessung
der Küstenentfernungszonen und bis zu einem gewissen Grade auch
der mittlere Küstenabstand bieten uns reale Werte, die aber auch
nur einseitige Verhältnisse zum Ausdrucke bringen. Das Kartenbild
in eine Formel zu pressen, ist vergebliche Mühe.
Litteraturnachweise. 1 Philippson cit. S. 42fi. Weule, Beitrag zur
Morphologie der Flachküsten, in der Zeitschrift für wissenschaftliche Geographie
1891, Bd. VIII. — * Diese, Die Fjordbildungen, in der Zeitschrift der Berliner
Gesellschaft für Erdkunde 1894. — 3 Haas, Studien über die Entstehung der
Fjorden, in den Mitteilungen aus d. mineralogischen Institut d. Universität Kiel,
1888. — 4 Rütimeyeb, Die Bretagne, Basel 1883. — 8 Krümmel, Die Haupttypen
der natürlichen Seehäfen, im Globus, 1891, Bd. LX. — 8 Rohrbach, Über mittlere
Grenzabstände, in Petermanns Mitteilungen 1890 (mit vollständiger Litteratur-
angabe über das Thema der Küstenentwicklung auf S. 92). — 7 Ehrenbbro,
Studien zur Messung der horizontalen Gliederung von Erdräumen, Würzburg
1891 (mit übersichtlicher Angabe sämtlicher bisher angewendeten Formeln).
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Fünfter Abschnitt.
Die geographische Verbreitung der Pflanzen
und Tiere.
Allgemeine Bemerkungen über die Verbreitung
der Pflanzen.1
Glücklicherweise ist der Teil des Festlandes, wo das Felsgerüste
unverhüllt zu Tage tritt oder eine Eisdecke trägt, klein im Ver-
gleiche zu jenem, der mit einem Pflanzenkleide geschmückt ist. Hier
bedingen nicht bloß die Terrainverhältnisse und Gewässer die
Physiognomie der Landschaft, sondern auch die Vegetation, die schon
aus diesem Gesichtspunkte das geographische Interesse in An-
spruch nimmt, in noch höherem Grade aber deshalb, weil nicht
nur die Existenz der Tiere, sondern auch die unsere darauf ge-
gründet ist.
Vegetation und Flora sind verschiedene Begriffe. Der Reich-
tum der Vegetation hängt von der Anzahl der Individuen, der der
Flora von der Anzahl der Arten ab. Es giebt Gegenden, wie die
Ebene des Amazonas, wo die Dichtigkeit der Pflanzendecke mit der
Fülle der Pflanzenformen weiteifert; aber es giebt auch Gegenden,
wo trotz der Ärmlichkeit der Vegetation der sammelnde Botaniker
eine reiche Ausbeute findet. So ist es in den vorderasiatischen
Steppen, wo das Doppelgeschlecht Astragalus und Oxytropis in mehr
als tausend Arten auftritt. Dagegen ist in Neuseeland die Vege-
tation üppiger als in den Mittelmeerländern, aber die Flora ist hier
ungleich reicher.
Abhängigkeit vom Boden. Die PHanze ist zunächst abhängig
vom Boden, dem sie ihre Nahrung entnimmt, und der auch ver-
möge seiner physikalischen Eigenschaften, wie Dichtigkeit, Wasser-
durchlässigkeit und Wärmekapazität, einen mächtigen, wenn auch
manchmal überschätzten Einfluß auf die Flora ausübt, die man in
dieser Beziehung in Kiesel-, Kalk- und Salzpflanzen zu scheiden
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Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
pflegt. Dieselben, durch eine matte, ins Graue spielende Färbung
ihrer Vegetationsorgane ausgezeichneten Formen, welche die Küsten
der Meere bewohnen, treten auch im Innern des Landes auf dem
salzgeschwängerten Boden der Steppen auf. Die immergrünen
Bäume und Sträuclier, welche den hervorstechendsten Charakterzug
der Mittelmeer-Flora bilden, kommen nach den Beobachtungen yon
Fuchs in Südfrankreich, Italien, Griechenland, Südrußland und im
nördlichen Kleinasien ausschließlich auf dem trockenen und warmen
Kalkboden vor, während weiter südlich die Gesteinsheschafl'enheit
der LTnterlage ohne Einfluß bleibt. Auf der pyrenäischen Halbinsel
ist die Steppe streng an die gipsführende Formation gebunden, und
die Grasfluren der argentinischen Pampas scheinen durch den mit
Sand, salzigen und kalkigen Bestandteilen gemischten Lehmboden
bedingt zu sein. Der Einfluß des Bodens zeigt sich namentlich in
Gebirgen, wo die Felsarten rasch wechseln. In der Schweiz findet
man einige Pflanzen (z. B. Androsace lactea) nur auf Kalk, andere
nur auf Sandstein, wieder andere, wie gewisse Moose und Farne
des Hochgebirges, nur auf krystallinischem Gestein. Als Beispiel
absoluter Anpassung führt Christ2 das Alpen- Windröschen (Ane-
mone alpina) an, dessen weiße Form nur auf Kalk und dessen gelbe
Form nur im Thon- und Quarzgebirge auftritt. Wo das eine Ge-
stein allmählich in das andere übergeht, da finden sich auch Farben-
übergänge in zahlreichen Abstufungen. Aber schon in den Vogesen
hört diese strenge Scheidung auf, und ein ähnliches Verhalten läßt
sich auch bei anderen Pflanzen beobachten. Die Lärche, die in der
westlichen Schweiz nur das krystallinische Gebirge bewohnt und auf
Kalk auch bei künstlicher Anpflanzung nicht gut gedeiht, zeigt sich in
Oberbayern und Salzburg, noch mehr aber in den Karpaten, völlig gleich-
gültig gegen die Gesteiusbeschaffenheit ihres Standortes. Desgleichen
kommt die Legföhre, die in den Alpen ein entschiedenes Kalk-
gewächs ist, in den Karpaten auf jeder Unterlage vor. Im großen
und ganzen tritt also die Abhängigkeit der Vegetation vom Boden
nur in klimatisch gleichförmigen Gebieten scharf hervor, und außer
den Salzpflanzen dürfte es verhältnißmäßig wenig Gewächse geben die
überall an eine bestimmte Gesteinsart gebunden sind. Ob aber die che-
mischen oder die physikalischen Eigenschaften des Bodens vor allein
maßgebend sind, ist eine Streitfrage, die, wie wir sehen werden, bei der
Behandlung des Steppenproblems eine weittragende Bedeutung gewinnt.
Abhängigkeit vom Klima. Licht, Wärme und Feuchtigkeit
bilden die Grundbedingungen des Pflanzenlebens. Wir werden bei
unsern Betrachtungen immer weder darauf zurückkommen, hier be-
schränken wir uns nur auf einige allgemeine Bemerkungen.
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Allgemeine Bemerkungen über die Verbreitung der Pflanzen.
591
Das Wärmebedürfnis verschiedener PHanzen ist verschieden,
nicht nur in Bezug auf die Mitteltemperatur, sondern auch in bezug
auf die Dauer der Zeit, in der ein gewisser, die Entwicklung
des PHanzenlebeus ermöglichender Wärmegrad erreicht werden muß.
Die Birke und Lärche können z. B. weiter gegen den Pol und in
höhere Regionen Vordringen, als die Buche und Eiche, denn bei
jenen kann die Vegetationsperiode nicht unter drei, bei diesen nicht
unter fünf Monate herabsinken. Aber trotzdem bilden die Iso-
thermen keine unübereteiglichen Schranken, insofern Pflanzen kälterer
Gegenden einen gewissen Wärmeüberschuß sehr wohl ertragen
können. Empfindlicher sind die Pflanzen in ihrem Feuchtigkeits-
hedürfnis, daher innerhalb eines Breitengrades Gebiete mit Trocken-
heit liebenden Gewächsen oft sehr scharf gegen solche abgegrenzt
sind, die von Feuchtigkeit liebenden Pflanzen bewohnt werden. Auf
die verschiedenste Weise suchen- sich die PHanzen gegen trockenes
Klima zu schützen und die Verdunstung der Blattorgane zu ver-
ringern. Entweder sind die Blätter, wie bei den Eukalyptusbäumen
Australiens, in senkrechter Stellung eingesetzt und kehren daher
nicht ihre ganze Fläche der Sonne zu, oder sie sind verkleinert,
oder mit Haaren oder Schuppen bekleidet, oder fleischig ausgebildet,
oder in Dornen verwandelt; ja bei einigen Bäumen und Sträuchern,
wie bei den Casuarinen und dem Besenstrauche (Spartium), ist die
Blattbildung völlig unterdrückt. Den gleichen Zweck verfolgt die
Ausscheidung von Harz oder ätherischen Oien. Aber wenn auch
derartig organisierte Gewächse in trockenen Gegenden ihre eigent-
liche Heimat gefunden haben, so fehlen sie doch auch in feuchten Ge-
bieten nicht ganz. Die dornigen Astragalusarten bilden allerdings den
wesentlichsten Bestandteil der Steppenflora der alten Welt, aber
eine Art findet sich sogar in der Nähe von Gletschern. Die Kakteen,
die in den regenarmen Landstrichen der neuen Welt die hervor-
ragendste Rolle spielen, kommen auch in den feuchten Urwäldern
Südamerikas vor, und ebensowenig sind die kaktusähnlichen Euphor-
bien auf die trockenen Teile von Asien und Afrika beschränkt. Der
Baumfarn und die Aloe, die beiden größten Gegensätze in Bezug
auf das Feuchtigkeitsbedürfnis, bewohnen gemeinsam den indischen
Teraiwald. Nicht immer haben also äußere, klimatische Verhältnisse
eine eigenartige Organisation hervorgerufen, sondern diese ist zu-
nächst durch innere Ursachen, die sich allerdings unserer Beobachtung
entziehen, bedingt, und klimatische Einflüsse haben nur ihre Aus-
bildung gefordert.
Hildebrand 3 stellte eingehende Untersuchungen über den Zu-
sammenhang zwischen dem Klima und der Lebensdauer der Pflanzen
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592 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
an. Er wies nach, daß ein gleichmäßiges Klima nicht nur langlebige
Gewächse, sondern auch die Andauer der Vegetationsorgane begünstigt.
Die einjährigen Pflanzen treten zurück und die Zahl der Holz-
gewächse nimmt außerordentlich zu; ja auf den Hawaiischen Inseln
und auf St. Helena sind Familien, die sonst nur Kräuter und Stauden
enthalten, durch Holzgewächse vertreten. Der Äquatorialzone fehlen
einjährige Pflanzen ganz; wenn sie aber auch in tropischen Gegen-
den mit langer Trockenheit verhältnismäßig selten sind, so er-
klärt sich dies daraus, daß hier der Boden von Gewächsen längerer
Lebensdauer zu sehr besetzt ist, um eine reichlichere Entfaltung
ephemerer Existenzen zu gestatten. In unserem Klima ist ihre Zahl
schon beträchtlich gewachsen, dagegen ist sie begreiflicherweise gering
in Gegenden mit kurzer Vegetationszeit, also in Wüsten, in den
alpinen Regionen und im polaren Gürtel, x wo aber im Gegensätze
zu den Tropen die langlebigen Pflanzen durch Dauerorgane unter
der Erde oder durch kräftig geschützte oberirdische Organe aus-
gezeichnet sind.
Überall, wo die klimatischen Elemente eine ausgesprochene jähr-
liche Periode zeigen, verändert sich auch das Pflanzenkleid mit den
Jahreszeiten. Die Winterkälte der mittleren und höheren Breiten
und die Trockenzeit in den Gegenden mit streng subtropischem und
tropischem Regen versenken die Vegetation in längeren oder kürzeren
Schlaf. Aus den Beobachtungen über ihr allmähliches Erwachen
hat sich sogar ein eigener Wissenszweig, die Phänologie, entwickelt,
die besonders H. Hoffmann große Förderung verdankt; und phäno-
logische Karten bilden eine umso erwünschtere Ergänzung unserer
Klimakarten, als sie manche Unterschiede enthüllen, die die meteoro-
logischen Mittelwerte nicht mit gleicher Schärfe erkennen lassen.1
Manches bleibt freilich noch rätselhaft, wie das Verhalten des Öl-
baums, der im Mittelmeergebiete seine Knospen schon entfaltet, wenn
der Winter die Blätter am meisten bedroht, oder die Erscheinung, daß
manche Bäume in Venezuela und Brasilien schon vor Beginn der
Regenzeit ausschlagen.
Pflanzenwanderungen und Pflanzenverbreitung. Noch ein drittes
Moment muß in Betracht gezogen werden, das historische. Die Ver-
breitung einer Art aus der Pflanzen- wie aus der Tierwelt ist
durch Wanderung von einem Entwicklungszentrum aus zu erklären;
x Die Zahl der einjährigen Pflanzen beträgt in der Dauphine in
200 — 600 m 600 — 1800 m über 1800 m Höhe
60 33 6 Proz.,
ferner in Paris (49° B.) 45, in Kristiania (59, B.) 30, in Listad (61, »° B.) 26 Proz.
der Gesamtflora.
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Allgemeine Bemerkungen über die Verbreitung der Pflanzen. 593
die Verbreitungsmittel, über die die PHanzen verfügen, wurden schon
auf S. 572 angeführt. Es muß liier aber auch darauf aufmerksam
gemacht werden, daß ebenso, wie jedes Individuum, auch jede Art
zeitlich beschränkt ist, wenn auch die Lebensdauer in dem einen
wie in dem anderen Falle innerhalb weiter Grenzen variiert. Am
Simplon bewohnt eine Glockenblume, Campanula excisa, einen wohl-
abgerundeten Bezirk, über den hinaus sie noch nicht vorgedrungen
ist; sie befindet sich gleichsam noch im Kindesalter, das an die
Wiege gebunden ist. Mit jugendlicher Vollkraft erobert dagegen das
canadische Berufkraut weite Bezirke. 1 655 wird es zuerst als Garten-
pflanze im botanischen Garten zu Blois erwähnt 1674 war es schon
in Südeuropa heimisch, aber noch 1763 giebt Linn£ als Verbrei-
tungsgebiet nur Amerika und Südeuropa an. Seitdem ist es, unter-
stützt durch die Flugfähigkeit seines mit einem Fallschirm ver-
sehenen Samens, nach Norden wie nach Osten vorgedrungen, und
hat sich von England bis zum Altai und von Sizilien bis Schweden
ansässig gemacht Unzählig sind die Beispiele von Gewächsen, die
sich auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung befinden, deren Wande-
rungen aber der grauen Vorzeit angehöreu. Einen greisenhaften
Zug besitzen jene Pflanzen, die jetzt nur an wenigen, weit vonein-
ander entfernten Standorten gefunden werden; so die Monotropa
uniflora und Phryma Leptostachya, die das östliche Nordamerika,
Japan und den Himalaja, letztere auch die Gegenden am Amur
und westlich von Peking bewohnen. Diese Verbreitungsart läßt sich
nur durch die Annahme erklären, daß die betreffenden Pflanzen an
den Zwischenstationen ausgestorben sind, und Engleb faßt sie daher
als die kümmerlichen Reste einer einst weit verbreiteten Tertiärflora
auf. Zu demselben Schlüsse gelangen wir in bezug auf das Vor-
kommen nahe verwandter, aber vikariierender Arten an weit ent-
legenen Punkten. Das Geschlecht Liquidambar ist jetzt durch je
eine Art in Kleinasien, in Japan und in den atlantischen Staaten
von Nordamerika vertreten, aber in der Miocänzeit lebte es auch
im übrigen Nordamerika, in Grönland, in Mitteleuropa und in Ita-
lien. Zwei andere Geschlechter liefern uns Beispiele eines noch fort-
geschritteneren Verfalles. Das Genus Sequoia gliedert sich in 26 Arten,
von denen aber nur noch zwei, S. gigantea (Wellingtonia oder Mam-
mutbaum, die größte Conifere der Jetztzeit) und S. sempervirens, im
pazifischen Nordamerika von Californien bis Oregon leben, während
die fossilen Arten im ganzen nördlichen Waldgürtel und in der
arktischen Zone gefunden werden. Die Blüteperiode des Gingko
fällt in den mittleren Jura; schon im Tertiär zeigen sich deutliche
Spuren des Niedergangs, wenn sich auch der Verbreitungsbezirk
Supan, Physische Erdkunde. 2. Attfi. 38
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594
Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
noch über den ganzen Norden ausdehnte, und in der Gegenwart ist
er nur auf des östliche Asien beschränkt
Die angeführten Beispiele belehren uns zugleich über die ver-
schiedenen Arten des Endemismus. Endemische Gewächse sind
sowohl die Glockenblume am Simplon, wie die Sequoia Califomiens;
aber im ersteren Falle ist die Heimat zugleich das Entwicklungs-
zentrum, in dem letzteren aber nur die Zufluchtsstätte der letzten
Vertreter einer untergehenden Form.
Schon die bisherigen Erörterungen konnten uns von der Richtig-
keit zweier wichtigen Tliatsachen überzeugen: erstens, daß die Ent-
wicklung der jetzigen Pflanzenwelt noch nicht abgeschlossen ist
und zweitens, daß diese aufs innigste mit den Floren der früheren
geologischen Perioden verknüpft ist Gerade die hervorstechendsten
Eigentümlichkeiten der Florengebiete lassen sich nicht durch das
Klima und noch weniger durch die Bodenbeschaffenheit erklären.
Wir können den gegenwärtig bestehenden Verhältnissen keinen stich-
haltigen Grund für die Thatsache entnehmen, daß die chinesischen
und japanischen Eichen und Nadelhölzer von den nordasiatischen
verschieden sind, daß in den Mittelmeerländern die Lippenblumen
und Cistrosengewächse, oder unter den alpinen Kräutern die Primeln
uud Gentianen vorherrschen, daß an der Südspitze Afrikas plötzlich
und auf einen engen Raum beschränkt eine ganz eigenartige, reiche
und trotzdem fast nur aus endemischen Arten bestehende Flora
auftritt, oder daß die Floren von Ost- und Westaustralien so sehr
differieren, und daß der Endemismus des letzteren sogar den der
festlandfernsten Inselgruppe, der Hawaiischen, übertrifft
Wie jetzt, so setzten auch in der Vorzeit klimatische Verschie-
denheiten, Gebirge und Hochländer und endlich das Meer den
Pflanzenwanderungen Schranken. Aber diese Faktoren, die bei der
Verbreitung der Gewächse die wichtigste Rolle spielen, haben sich
mehrfach geändert Namentlich erlitten in den mittleren und höheren
Breiten die klimatischen Verhältnisse bei dem Obergange aus der
Tertiär- in die Eiszeit und aus dieser in die Gegenwart tiefein-
schneidende Umgestaltungen; und nur jene Organismen, die Lebens-
kraft genug besaßen, den veränderten Verhältnissen sich anzu-
passen, konnten ihren Platz behaupten. Die Variationsfähigkeit
ist also eine Grundbedingung für die größere Verbreitung einer
Pflanzenform.
Die Aufgabe des Botanikers ist es, an der Hand systematischer
und paläontologischer Untersuchungen dem Entwicklungsgänge der
Pflanzenwelt nachzuspüren. Unser Ziel ist nicht so weit gesteckt.
Einzelne Formen haben für uns nur dann Bedeutung, wenn sie die
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Die Hauptzonen und Hauptregionen der Vegetation.
595
Physiognomie der Landschaft in charakteristischerWeise mitbestimmen,
oder wenn sie als Nutzpflanzen in nähere Beziehungen zum Menschen
treten. Unser Hauptaugenmerk richten wir vielmehr auf jene großen
Pflanzengemeinschaften, die Gbisebach Vegetationsformationen
genannt hat, und deren Ausbildung und Verbreitung zum größten
Teil durch das gegenwärtige Klima bedingt ist. Nach ihrer syste-
matischen Verwandtschaft zerlegt oder vereinigt der Botaniker diese
Gemeinschaften zu Florenprovinzen und bildet aus den Provinzen
Florenreiche, aus den Reichen Florengruppen, aus den Gruppen
Zonen. x Die Resultate dieser Arbeit, in Verbindung und verglichen
mit der zoologischen Einteilung des Festlandes, bieten aber das
höchste geographische Interesse, indem sie das Gemälde von der
Erdoberfläche als einer allmählich gewordenen und in beständiger
Umbildung begriffenen vervollständigen.
Litteraturnachweise. 1 Hauptwerke sind: Gbisebach, Die Vegetation
der Erde, Leipzig 1872 (für den Geographen noch immer unentbehrlich); Engleb,
Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Pflanzenwelt, Leipzig, 1879; Dbode,
Die Florenreiche der Erde (Gotha 1884) und Handbuch der Pflanzengeographie
(Stuttgart 1890), Atlas der Pflanzenverbreitung, Gotha 1887 (in Bebohacs’ Physi-
kalischem Atlas). — * Chbist, Pflanzenleben der Schweiz, Zürich 1879. — s Hilde-
bband, Lebensdauer u. Vegetationswcisc der Pflanzen, in Englebs Botanischen
Jahrbüchern, Bd. II. — 4 Als Beispiel diene Hoffhanns phänologische Karte
von Mitteleuropa, in Petebmanns Mitteilungen 1881.
Die Hauptzonen und Hauptregionen der Vegetation.
(Siehe Karte XVIII.)
Den drei Temperaturzonen entsprechen die drei Vegetations-
zonen, die tropische, gemäßigte und polare.
Tropische Pflanzenzone. Monokotyle Laubbäume, deren einfaches
Holzgerüst eine ausgebreitete, riesige Blattrosette krönt, und unter
diesen wieder die Palmen, sind der hervorstechendste Charaktorzug der
tropischen Vegetation. Als die äußersten Grenzen derselben können
wir daher die Polargrenzen der Palmen betrachten, umsomehr als
diese zum Teil wenigstens mit den Jahresisothermen von 20° zusammen-
fallen. Die höchsten nördlichen Breiten, die die Palmen in ihrer
natürlichen Verbreitung erreichen, sind 35° in Amerika und 43,7°
in der alten Welt (Nizza); in Südamerika liegt ihre äußerste Grenze
in 38°, in Afrika in 34°, in Australien in 36° B. Weiter vom
Äquator entfernen sie sich auf Neuseeland; östlich von Neuseeland,
auf der Pittinsel, erreichen sie ihre größte Polhöhe in fast 45° S.
X Dbude, dem wir sonst folgen, nennt die Zonen Gruppen und die Gruppen
Untergruppen.
38*
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596 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
Dagegen bleiben sie den Galapagosinseln und den Eilanden Ascen-
sion und St. Helena fern, aber wohl nicht aus klimatischen Gründen,
während die schmale und lange äquatoriale Ausbuchtung ihrer
Polargrenze in Südamerika durch die gewaltige Erhebung der
Andes bedingt ist.
Während an der antarktischen Grenze verschiedene Palmen,
zum Teil von hochstämmigem Wüchse, auftreten und der tropische
Vegetationscharakter ziemlich rasch abbricht, gehören die nördlich-
sten Palmen ausschließlich zur Gruppe der Sabaleae, und zwar in
der neuen Welt zum Sabal-, in der alten Welt zum Chamaerops-
Geschlechte. Die Giltigkeit des Hauptgesetzes, daß unter sonst
gleichen Umständen der Florenreichtum mit wachsender Breite ab-
nimmt, erwies Dkude, dem wir überhaupt die eingehendsten Unter-
suchungen über die Verbreitung der Palmen verdanken, auch in
Bezug auf diese Pflanzenfamilie. * Nur das höchste, in äquatorialer
Richtung verlaufende Kettengebirge, der Himalaja, bildet eine scbrofle
Grenze, indem südlich davon die Palmen sogleich in großer Arten-
zahl auftreten. Am üppigsten entfaltet sich die tropische Vegetation
in der Ebene des Amazonas und im malaischen Archipel, also unter
dem Äquator. Wenn Afrika nicht durch eine gleiche Palmenfülle
ausgezeichnet ist, so hat man dies zum Teil wenigstens der bedeu-
tenden Erhebung über dem Meeresspiegel zuzuschreiben, denn die
Palmen lieben vor allem warmfeuchtes Tiefland und steigen nur
ausnahmsweise iu größere Seehöhen empor (die Wachspalme in den
Andes bis 3000 m). Daraus erklärt es sich auch, daß in Afrika
die Palmen nur in der Guinea-Niederung einen hervorragenden An-
teil an der Vegetation nehmen.
Die einzige einheimische Palme von Südeuropa, Chamaerops
humilis, ist eine Zwergform. Der Stamm ist meist im Boden ver-
steckt, und nur in den günstigsten Fällen erreicht er eine Höhe von
s Die Artenzahl beträgt:
a) in Amerika:
Prärien 3. Südöstliche Vereinsstaaten 6. Mexicaniscbes Gebiet 80.
Westindien 40. Südamerika diesseit vom Äquator 90. Amazonas-
ebene 180. Tropische Andes 70. Brasilianisches Gebiet 90. Chile 2.
Nördliche Pampas 6.
bj im westlichen Teil der Ostbemisphäre:
Mittelmeerländer 1. Sahara und Vbrdcrasien 3. Tropisches At'rikaj
Westküste 17, Ostküste 11. Madagaskar 10. Südafrika 2.
e) im östlichen Teil der Osthemisphäre:
Südchina 11. Vorderindien 50, Hinterindien 70. Malaischer Archipel
2ÜÜ. Australische Nordküste bis zum Wendekreise 19. Australische
Ostküste G.
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Din Hauptzonen und liauptregionen der Vegetation. 597
4 — 6 in. Solche Zwerge finden wir aber auch gelegentlich in der
Nähe des Äquators, besonders in höheren Regionen. Die meisten
Palmen sind hier aber hochwüchsige Bäume, deren schlanker Stamm
sich bei einigen südamerikanischen Arten bis zu 60m über den Boden
erbebt, oder sie sind Schlinggewächse (Rotangs). Eine Ausnahme von
der gewöhnlichen Palmform bilden die afrikanischen Dumpalmen,
deren Stamm ein- oder mehrfach gabelförmig geteilt ist. Die
Blätter sind oft von erstaunlicher Größe; es giebt Fächer von 3 1/2 m
Durchmesser und Fieder von 15 m Länge. Das ganzrandige, steife
Blatt der Maniearia saccifera besitzt eine Länge von 9 und eine
Breite von 1 '/2 m. Noch deutlicher zeigt sich die tropische Lebens-
fülle in den Kletterpalmen, die besonders in Ostindien heimisch sind
(die Geschlechter Calamus und Daemonorops), und deren Holzstamm
eine Länge von 370 — 550 m erreicht. Wäre ihr Stamm entsprechend
dick, um aufrecht stehen zu können, so würde er viele Berge an
Höhe übertreffen.
Aber nicht bloß ein unvergleichlicher Schmuck der Landschaft
sind' die Palmen, sie sind auch von unberechenbarem Nutzen. Ganze
Länder ernähren sich von den Früchten der Dattel- und Kokos-
palme. Der Stamm der Sagopalme enthält reichliches Stärkemehl, das
unter dem Namen Sago in den Handel kommt. Die Blattknospen einiger
Arten werden als Gemüse genossen, oder man bereitet aus ihrem
Safte den Palmenwein und durch Zusatz bitterer Kräuter und Wur-
zeln, die die Gärung zurückhalten, ein bierartiges Getränk. Gekocht
und zur Verdunstung gebracht, liefert dieser Saft guten Zucker.
Den Assai, ein dem Kaffee oder der Schokolade ähnliches Getränk,
liefert die Frucht der südamerikanischen Euterpe oleracca. Die
Betelnuß, die Frucht der Arecapalme, ist im ganzen südöstlichen
Asien ein beliebtes Genußmittel. Das Palmöl, dessen Bedeutung für
den Welthandel von Jahr zu Jahr steigt, gewinnt man aus dem
Sameneiweiß einiger Palmen, besonders der westafrikanischen 01-
palmen. . Unendlich mannigfaltig ist endlich die Verwendung der
Blätter und des Holzes zu Flechtwerk, Hüten, Matten, Gefäßen,
Kästen u. s. w.; und wohl keine Pflanze ist mit den Sitten und Ge-
wohnheiten der Tropenbewohner so innig verwachsen, als die Palme;
ja in bezug auf die Vielseitigkeit des Nutzens kommt ihr keine
andere Pflanzenfamilie der Erde gleich.
Als Nahrungspflanzen sind auch die Musaceen von außer-
ordentlicher Bedeutung. Ihre saftreichen, nicht sehr hohen Stämme
tragen Blätter von außerordentlicher Grüße , schöne Blüten und
Fruchtbündel von 1 — 1 1/a m Länge. Die Früchte der Bananen
werden als frisches Obst, die des Pisangs (Paradiesfeige) meist ge-
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598 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
kocht genossen. Eine beschränktere Verbreitung besitzt der Brot-
baum, ursprünglich nur vom Sundaarchipel bis zu den fernsten
polynesischen Inseln; aber gerade für diese pffanzenarmen Eilande
ist er das wertvollste Geschenk, um so mehr, als er keiner Kultur
bedarf, und drei Bäume ausreichen, einen Menschen das ganze Jahr
hindurch zu ernähren. East unabsehbar ist die Zahl der übrigen
Bäume mit eßbaren Früchten. Hier sei nur noch der Banyanen ge-
dacht, die der Hindu als das Symbol unerschöpflicher Naturkraft ver-
ehrt. Aus den Zweigen senken sich Luftwurzeln herab, die wieder zu
neuen Stämmen heranwachsen, so (laß „Krone an Krone wie über
einer gemeinsamen Säulenhalle sich ausbreitet“, und ein einziges
Individuum einen ganzen Wald erzeugen kann. Seltsam erscheinen
auch dem an nordische Formen gewöhnten Auge die Gestalten des
Pandanus und die Mangrovebäume, die alle tropischen Flach-
küsten, welche nicht zu sehr der Brandung ausgesetzt sind, um-
säumen. Die Luftwurzeln der letzteren entspringen aus den Früchten,
und die neuen Stämme lösen sich dann von dem Mutterkörper los.
Am meisten fällt uns die Wachstumskraft der Tropen auf, wenn
wir innerhalb einer und derselben Familie tropische Vertreter mit
denen höherer Breiten vergleichen. Zur B'amilie unserer Gräser
gehört das Bambusrohr, das am Fuss etwa 15 cm dick ist und
nach oben sich zu einer Spitze verjüngt. Die glänzend - glatten
Stämme vereinigen sich zu dichten Gruppen von 20 — 30, ja sogar
40 m Höhe, und treten somit in der Physiognomie der südasiatischen
Landschaft bedeutsam hervor. Seltener ist der Bambus in Süd-
amerika, und in Afrika scheint er fast ganz zu fehlen. Unerschöpf-
lich ist seine Verwendbarkeit zu Waffen, Leitern, Masten, Kähnen,
Brücken, Matten, Schränken, Gefäßen, Möbeln; ja ganze Häuser
werden aus diesem ebenso eleganten als leicht zu verarbeitenden
Material erbaut. Die Familie der Liliengewächse hat einige baum-
artige Repräsentanten, wie Yucca, Aloe und den berühmten
Drachenbaum, einen der Riesen der Pflanzenwelt. Aus der Klasse
der Farne, die in außerordentlichem Formreichtum und enormer
Artenzahl die feuchten Urwälder bewohnen, ragt besonders der
schöne, 6 — 10, manchmal 15 — 18 m hohe Baumfarn hervor. Auch
der Ricinus erlangt baumartigen Wuchs und eine Höhe von
6 — 10 m. Die Familie der Arongewächse, die bei uns nur in
kleinen Formen vorkommt, verliert zwar auch in den Tropen ihren
krautartigen Charakter nicht, aber Stamm und Blätter erlangen
kolossale Dimensionen. Viele Schling- und Schmarotzergewächse
des Urwaldes gehören ihr an. Ein noch größeres Kontingent zu
den epiphy tischen Pllanzen stellen die Orchideen, die an Manuig-
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Die liauptzouen und Hauptregionen der Vegetation. 599
faltigkeit und Blütenschönheit alle anderen Familien übertreffen.
Aber die prachtvollsten Blumen verschwinden im Dickicht des Ur-
waldes oder bilden nur einen rasch vergänglichen Schmuck. Die
Üppigkeit der tropischen Vegetation äußert sich überhaupt nicht
in der Hervorbringung von entsprechend großen Blüten, ja gerade
bei den gewaltigsten Pflanzen sind die Blüten verhältnismäßig un-
scheinbar. Auch die größten Bäume von mehr als 120 m Höhe
(Sequoia gigantea und Eukalypten) findet man nicht in der Tropen-
zone; nur in Bezug auf den Umfang des Stammes kann sich der
afrikanische Affenbrotbaum und der westindische Wollbaum,
dessen Krone tausend Personen Schatten gewährt, und aus dessen
Stamm Kanus für 180 Personen hergestellt werden, mit den Kiesen
Californiens und Australiens messen. Dagegen entwickeln sich ein-
zelne PHanzenteile in großartigster Weise. Die Kigelia trägt 60 cm
lange, dicke Früchte, und der ebenfalls afrikanische Ensete-Pisang
6 m lange Blätter. Beiläufig ebensolang und 3 — 4 m im Durchmesser
sind die Fächer der Palme Corypha umbraculifera auf Ceylon
und in Malabar, die am Schlüsse ihres Lebens eine Blütenrispe von
10 m Höhe treibt. Das abgerundete Blatt derGunnera gigantea,
einer Steinbrechart in Columbien, hat 6 — 8 m im Umfang. Die
kreisförmigen, oben hellgrünen, unten karminroten Blätter der
Victoria regia, die im Durchmesser V/2 — 2 m groß sind, schwim-
men ausgebreitet auf dem Spiegel des Amazonas und seiner Neben-
flüsse, und rechtfertigen den königlichen Namen dieser herrlichsten
aller Wasserpflanzen. Die Kafflesia Arnoldi auf Sumatra genießt
den Kulim, die größte aller bekannten Blüten zu besitzen, denn
diese hat einen Durchmesser von nicht weniger als 1 m. Die Nüsse
der Palme Lodoicea Sec h eil a rum erreichen einen Durchmesser
von 45 — 60 cm, und es dauert ein volles Jahrzehnt, bis sie zur
völligen Keife gelangen.
Gemäfsigte Zone. Wie die Palmen stellenweise über die Grenzen
der warmen Zone hinausdringen, so auch andere Tropengewächse,
wenn auch zum Teil in verkümmerter Form. Die Bambusen kommen
in ganz China vor, aber es ist fraglich, ob sie nördlich vom Tsinling
einheimisch sind. Arundarien, die sich zum Bambus in ähnlicher
Weise verhalten, wie die Zwergpalmen zur Baumpalme, bewohnen
die Kurilen und sind in den Vereinigten Staaten bis Illinois ver-
breitet. Zwergartige Lilienbäume reichen im westlichen Nordamerika
bis 49° B. und im östlichen bis zur Chesapeakebai (27°B.). Tropisches
Gepräge tragen der Tulpenbaum und Sassafraslorber, die sich bis
Canada, der Persimanbaum und eine Magnolie, die sich bis New
York, und der Trompeteubaum, der sich angeblich bi« Illinois findet.
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600 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
In den trockenen Gebieten Nordamerikas dringen die Agaven zwar
nur bis 35° B. vor, desto weiter aber die Kakteen, die man noch
jenseits des Missouri in 49° B. antrifft. Aber auch sie nehmen nach
Norden rasch an Höhe ab, gerade so wie die Mimosensträucher der
südlichen Prärien.
Viel wichtiger, als vereinzelte Vorposten der Tropenwelt, sind
die immergrünen dikotylen Laubbäume, die den südlichsten
Gebieten unserer gemäßigten Zone, soweit milde Winter herrschen,
also mit Ausschluß der grossen Bodenerhebungen, ein charakteristisches
Gepräge verleihen. Im Westen der alten Welt erreichen sie ihre
höchste Breite bei Görz (46°), im Osten dringen die immergrünen
Eichen nur bis 36° vor, werden aber in Nippon noch bis 38° B.
augepffanzt. In Nordamerika liegt ihre Polargrenze im Westen
in ca. 47° B. (Oregon), in Kentucky in 36*/2 und au der Ostküste
in 37° B. ; hier, wie in der östlichen Hemisphäre folgt sie also
den Winterisothermen. Weiter nach Norden reichen die immer-
grünen Sträucher, am weitesten an der, vom Golfstrome bespülten
atlantischen Küste Europas, wo z. B. die Erica cinerea von Portugal
bis zu den Färöer und bis Bergen in Norwegen, also bis zum 62.
Parallel sich verbreitet hat Nur der Buchsbaum, der in West- und
Südeuropa, in China und Japan ebenso, wie in den Steppen und
auf den Gebirgen Hochasiens vorkommt, schlingt ein ununterbrochenes
immergrünes Band um die alte Welt.
Auf der Südhemisphäre umfaßt die immergrüne Zone, begünstigt
durch die große Gleichmäßigkeit des Klimas, das ganze aussertro-
pische Festland. Auf unserer Halbkugel folgt aber darauf der
Gürtel der sommergrünen Laubbäume, der im westlichen Eu-
ropa bis 60°, im östlichen bis ca. 56°, im mittleren Sibirien bis
48 — 50° und in Kamtschatka wieder bis 60° B. reicht. Für den
atlantischen Teil von Nordamerika wird 54°, für das Binnenland
ca. 47° B. als Polargrenze angegeben; darüber hinaus dehnt sich
in der alten, wie in der neuen Welt die Koniferenzone bis zur
Waldgrenze aus.
Auf ein Moment muß besonders aufmerksam gemacht werden.
Schroffe Gegensätze hat die Natur auch in der Anordnung der
Vegetation insofern vermieden, als gewisse Hauptelemente bei
dem Übergange aus der einen in die andere Zone allmählich
teils zu-, teils abnehmeu. Im Tropengürtel herrschen monokotyle
und immergrüne dikotyle Laubbäume. Periodisch belaubte Bäume,
wie die Sykomore, und Nadelhölzer, wie die brasilianische Araukarie,
kommen zwar vor, doch im allgemeinen selten, wenn wir von den
höheren Gebirgen absehen. In der daran sich schliessenden Sub-
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Diu liaiiptzouen und Hauptregionuu der Vegetation. 601
tropenzone linden wir nur noch einige Ausläufer monokotyler Bäume;
neben den immergrünen Laubbäumen aus der Klasse der Dikotyle-
donen spielen die sommergrünen eine ebenbürtige Rolle; und auch
die Koniferen, unter denen einige dem Norden fremde Formen, wie
Cypressen und Pinien, sich befinden, treten schon bedeutsam hervor.
Dann verschwinden die immergrünen dikotylen Bäume und nur
solche mit periodischer Belaubung, gemischt mit Nadelhölzern, bilden
die Wälder der mittleren nördlichen Breiten, bis endlich in den
höheren Breiten die Konifere die Oberherrschaft erlangt. Endlich
endigt auch der Nadelwald und die polare Vegetation beginnt.
Polare Waldgrenzen. Die arktische Waldgrenze folgt im
allgemeinen der 10°- Isotherme des wärmsten Monats; jenseits der-
selben ist die Vegetationszeit zu kurz, um Baumleben zu gestatten,
und nur in geschützten Flußthälern dringt der Wald noch erheblich
weiter gegen Norden vor. Im Janathale erreicht er z. B. 70° 55',
und im Thale der Chatanga im Taimyrlande seine höchste arktische
Breite: 72 V, °. In Alaska fanden Dall und Whympek am Fort
Jukon (67° 10’ N.) noch einen stattlichen Wald, und bei Nulato
64°40’-N.) noch Bäume von 00 cm Durchmesser und 30 m Höhe.
Die kalten Seewinde tüeht der Baum, daher die Küstengegenden
des Beringmeeres waldlos sind, und an der sibirischen Waldgrenze
nach den Beobachtungen Miüdendorffs die Bäume in regelmäßiger
Stufenfolge kleiner werden, um endlich in verkrüppelten Zwergformen
zu enden. Die Eisströmungen, die von Norden und Westen durch die
Davis- und Hudsonstrasse zum Atlantischen Ozean abfließen, drücken
mit der Sommerwärme auch die Waldgrenze auf Labrador bis gegen
52° B, herab; die höchste und die tiefste Grenze des Baumlebens
auf unserer Halbkugel differieren also um ca. 20 Breitengrade.
Daß die Baumgrenze, wenigstens in Sibirien, einst weiter nach
Norden reichte, bezeugen die Waldinseln und die stehenden Wurzeln
großer Bäume, die man noch in der Tundra findet. Es wäre aber
verkehrt, wollte mau daraus auf eine dauernde Verschlechterung des
Klimas schließen. Ohne daß die mittlere Jahres-Temperatur sich ändert,
können mehrere aufeinander folgende ungünstige Winter mit trockenen
Nordwinden die Waldgrenze rasch zurückdrängen, weil hier die Be-
dingungen der Existenz grösserer Holzgewächse eben noch knapp
erfüllt sind, und daher auch vorübergehende Änderungen sich
fühlbar machen. Ein noch gefährlicherer Feind ist der Mensch, der
z. B. in den Thälem Islands die einstigen Birkenwaldungen bis auf
eine einzige (bei Hallormstradur) vernichtet hat Nirgends ist,
wie Middendorf treffend bemerkt hat, der Wald so sehr sich selbst
Schutz, als an seinen äussersten Grenzen; jede Blöße, die das Beil
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602 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
oder der Sturm geschaffen hat, gefährdet hier die Umgehung. Das
Kärtchen XVIII zeigt deutlich, wie die polare Tundra zungenartig
oder in vereinzelten Flecken schon weit in das Waldland eingreift.
Die südlichen Kontinente liegen innerhalb der Waldgrenze. Auf
einigen Inseln, wie auf der Falklandgruppe, gestatten die häufigen
Stürme keinen Baumwuchs oder, wie auf Tristan da Cunha, nur das Auf-
kommen von Krummholz. Die Amsterdam-Insel besitzt einen Wald
von Phylica arborea, völlig übereinstimmend mit Tristan d’Acunha,
aber schon auf St. Paul sucht man vergebens nach einem Holzgewächse,
und ebenso auf den Kerguelen und der Marioninsel. Aber hier lassen
sich nicht die Stürme allein dafür verantwortlich machen, denn die
Flora dieser Inseln trägt einen entschieden polaren Charakter, in-
sofern die Zahl der Moose die der Phanerogamen entschieden Uber-
trifft. Es stimmt dies ganz mit der abnorm tiefen Sommertemperatur
dieser Gegend überein. Ebenso wie in Labrador, greift auch hier
die polare Flora zungenartig in die gemäßigte Zone ein, nur er-
reicht sie hier den 38. Parallel, d. h. die Breite von Calabrien! Er-
innern wir uns daran, daß in Südamerika bis zu ca. 55 0 B. immer-
grüne Lanbbäume an der Zusammensetzung der Wälder in hervor-
ragender Weise sich beteiligen, und daß im Osten von Neuseeland
hochwüchsige Palmen noch in 44 0 B. Vorkommen, so werden wir zu
unserem Erstaunen gewahr, welche Gegensätze innerhalb gleicher
Breiten die anscheinend so einförmige, fast nur von Wasser bedeckte
Südhemisphäre in sich birgt.
Polare Pflanzenzone. Außerhalb des sudamerikanischen Festlandes
fand man die letzte Staude (aus der Familie der Doldenträger) auf
Süd-Georgien (54° B.), das letzte Gras auf den Südshetland-Inseln
(60 — 63“ B.), weiter im Süden aber nur Kryptogamen, so auf der
Insel Cockburn unter 64“ B., d. li. im Parallel von Trondhjem, und
neuerdings (1895) auch in der Eiswüste des Victorialandes unter 72° B.
Wie ganz anders gestalten sich die Verhältnisse im arktischen
Gürtel! Am ärmlichsten ist die Flora auf den nahezu wagerechten
Ebenen, wo das sommerliche Schmelzwasser weder abfließen noch
eindringen kann, und die Bodentemperatur wegen der Nähe des
unterirdischen Eises sich nicht über den Gefrierpunkt erhebt Das
sind die Moostuudren, die das Festland der alten Welt jenseits der
Waldgrenze umsäumen. Wo festes Gestein der Oberfläche nahe liegt
und der Boden einigermaßen trocken ist, wie im größten Teil des polaren
Nordamerikas, entwickelt sich die Flechtentundra, die mit ihren
Flechten, Heidel- und Krähenbeeren ein reicheres Tierleben er-
nährt. Die Flußniederungen schmücken Wiesen mit Kräutern, Weide-
gestrüpp und Gruppen kleinerer Holzgewächse; und auf geneigtem
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Die Hauptzonen und Hauptregioneil der Vegetation. 603
Boden zaubert der monatelange Sommertag anmutige Matten mit
frischem Grün und prächtigen Blumen hervor, denn nur auf-
fällig gefärbte Blüten können die wenigen Insekten, die die Be-
fruchtung vermitteln, herbeilocken. Im östlichen Grönland wurden
die Mitglieder der deutschen Expedition durch große, gleich-
mäßig grüne Flächen, die bis zu einer Höhe von 300 m an-
steigen, überrascht. Herden von Renntieren und Bisamstieren be-
lebten dieselben, und an manchen Stellen labte sich das Auge an
dem schönsten Rasen mit Stauden und Erikensträuchem oder nie-
derem Birkengestrüpp. In den höheren Regionen des eisfreien
Küstenlandes, wo kein ozeanischer Nebel die Sonne verhüllt, steigt
Papaver nudicaule bis 1500 m, viele Blutenpflanzen bis 1250 m Höhe
an, und ein Vaccinium trägt noch in 660 m Höhe reife Beeren.
Selbst auf den Nunatakken des Binneneises (s. S. 170) fand Jensen
grüne, wenn auch spärlich bewachsene Stellen; in beträchtlicher
Entfernung von der Küste und in 1250 in Höhe sammelte er
27 Phanerogamen , und am Rande des Inlandeises hei Julianehaab
empfing ihn eine üppige Vegetation von Gräsern und 3 — 4 m hohen
Birken. Von den 386 Gefäßpflanzen, die Grönland besitzt, erreichen
noch 88 den 83. Parallel. Auf Grinnellland (82 u B.) liefert eine mit
Stauden gemischte Moossteppe noch genügendes Futter für die Tiere,
und unter 82° 50' wurden sogar noch fl Blutenpflanzen gesammelt.
Am ärmlichsten dürfte die Vegetation auf Franz- Josef-Land sein,
denn vergebens sucht man hier nach einer geschlossenen Rasendecke,
aber dichte Moospolster sind nicht selten und Flechten in Menge
vorhanden. Solche Kontraste schafft der kontinentale Sommer der
nördlichen und der ozeanische Sommer der südlichen Polarzone.
Pflanzenregionen. Die vertikale Temperaturabnahme bewirkt
eine ähnliche Pflanzenanordnung mit wachsender Höhe, wie mit
wachsender geographischer Breite. Es ist auf das Beiwort „ähn-
liche“ besonders Gewicht zu legen, denn nur iu bezug auf den
allgemeinen Vegetationscharakter entsprechen die einzelnen Pflau-
zenregionen den Pflauzenzonen; und wenn auch in vielen alpinen
Gebirgen arktische Formen wiederkehren, so läßt sich das — wie
später gezeigt werden soll — nicht durch die heutigen Temperatur-
verhältnisse erklären.
Im westlichen Himalaja reicht der echte Tropenwald nur bis
900 m Höhe. Daun nimmt er den Charakter der gemäßigten Zone
au, wenn auch viele tropische Pflanzen iu derselben eingesprengt
erscheinen, denn erst in 2400 m Höhe verschwindet die mit Chamae-
rops verwandte Palme Trachycarpus Martiana, also nur 1260 m
unter der Waldgrenze, ln den Andes von Columbia liegt die
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604 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
Tropengrenze in 1400 und die Grenze der gemäßigten Region in
3400 m Höhe. In den Pyrenäen steigt die immergrüne Vegetation
nur bis 400 m an, darauf folgt bis 1600 m der sommergrüne Laub-
wald und von 1600 — 2400 m Höhe der Nadelwald, in einen Knie-
holzgürtel auslaufend, endlich bis zur Schneegrenze in 2750 m Höhe
die alpine Vegetation. In den Schweizer Alpen, die in der sommer-
grünen Laubbaumzone liegen, unterscheidet Christ vier Regionen.
In der unteren, die auf der Nordseite in 550, im Süden und Westen
aber in 700 m Höhe endet, gedeihen noch Wein, Obst und einige
Gewächse von mediterranem Typus. Die zweite Region, die des
Laubwaldes, in der die Buche vorherrscht und die Kastanie auf der
Südseite bis 900 m ansteigt, reicht in der Nordschweiz bis 1350 m
Höhe. Dann folgt der Gürtel des Nadelwaldes, der in den nörd-
lichen und Tessiner Alpen in 1 800 m, in den zentralen aber erst in
2100 m Höhe der alpinen Vegetation den Platz räumt.
Breite
Tiefs! e Waldgrenze
Höchste Waldgrenze
Örtlichkeit
m
111
Örtlichkeit
74— 70»N.
Norwegen, Westseite, 70l/j° j
260 1
i — 1
—
69—85
ß7°
» 0 1
360
700
Norwegen, Ostseite, 67°
64—60
j Ural 64°
555
1140
Stanowoigebirge 60°
59—55
Schottland 57°
810
1220
Felsengebirge 56°
»•
1
cn
o
Harz 52°
1040
2200
Sajanisches Geb. 50"
49—45
Vogesen 48°
1300
2600
Alatau 45°
44—40
(Dalmatien 44”)
White Mts. 44°
(970*
1330
, 3600
Pamir 40"
39—35
Hindus 39°
1800
! 3700
Neu-Mexico 35°
34—30
Libanon, Westseite, 34°
1950
4600
Tibet ea. 30°
29-25
Himalaja-Bhutan 28°
3250
4040
Geb. am Mekong 29°
24—20
—
—
—
19—15
Guatemala, niederste Grenze
3500
3850
Pic v. Orizaba
14—10
Küstengeb. v. Venezuela 10°
1500
3800
Abessinien
9— 5
S. Nevada de S. Marta
1900
3400
Cordillere v. Bogota
4— 0
—
—
—
—
0- 4°S.
Pic v. Korintji, Sumatra
2500
3500
Ecuador, Ostseite
5— 9
—
—
—
10—14
—
—
—
15—19
—
—
2800
Pic de Sorata 16"
20—24
—
— !
—
—
25—29
—
—
1
—
30—34
—
—
!
—
35—39
Mt. Egmont, Neuseeland H91/,0
1070
—
—
40—44
Südalpen, „ 42°
1220
1 1460
Vulkan Osorno 41°
45—49
—
— !
—
50—54
| Feuerland 54°
450
—
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Die Hauptzonen und Hauptregionen der Vegetation. 605
Von besonderer Wichtigkeit ist die alpine Waldgrenze, Uber
deren Höhe in den Gebirgen der Erde wir die vorstehende Tabelle
zusammengestellt haben. Es braucht wohl nicht betont zu werden,
daß in denjenigen Zonen, wo nur eine Messung vorliegt, die Verteilung
auf eine der beiden Kolumnen im Grunde willkürlich ist
Im allgemeinen ist die Höhe der Waldgrenze von denselben
Bedingungen abhängig, wie die der Schneelinie. Sie sinkt vom
Äquator gegen die Pole in immer tieferes Niveau, aber nur unter
sonst gleichen Verhältnissen, denn im Bereiche des Seeklimas liegt
sie überall tiefer, als in Gebieten des sommerwarmen Landklimas.
Daher endigt das Baumleben auf der südlichen Halbkugel in ge-
ringerer Höhe als auf der nördlichen in gleicher Breite; daher steigt
es an der Ostseite des norwegischen Gebirges höher an als an der
Westseite; daher erhebt sich die Waldlinie in der alten Welt von
Westen nach Osten, erreicht in Zentralasien die größte Höhe, um
dann wieder an der pazifischen Seite herabzusinken, und beschreibt
in Nordamerika eine ähnliche Kurve. Über 4600 m Höhe (Tibet)
findet man nirgends Bäume, ebensowenig wie jenseits von 72’/2° B.
In den tropischen Gebirgen beschränkt nicht so sehr die Tempe-
ratur, als die abnehmende Feuchtigkeit das Baumleben; daraus
erklärt es sich, daß es in den gletscherlosen Bergen von Sumatra
und Borneo schon in einer Höhe erlischt, in der es im wasser-
reichen Himalaja noch fröhlich gedeiht. Auf Java fällt die Wald-
grenze mit der Grenze des PHanzenlebens überhaupt zusammen,
und auch in den chilenischen Andes nähert sich die erstere sehr der
Schneelinie; doch ist hier — gleichsam zum Ersätze für die Ein-
schränkung der baumlosen Pllanzenregion — die alpine Strauch-
vegetation stark entwickelt. Wenn im Feuerlande Baum- und Schnee-
linie sich wieder weiter von einander entfernen, so liegt der Grund
nur darin, daß hier der Wald in den stürmischen Höhen nicht ge-
deihen kann.
Wie die Schneelinie, ist auch die Waldgrenze zum großen Teil
von lokalen Verhältnissen, von der Besonnung und dem orographi-
schen Charakter des Gebirges abhängig. Je massenhafter dieses
gebaut ist, desto mehr wird es erwärmt, und desto höher dringt die
Baumvegetation vor, ohne jedoch immer ihre klimatische Grenze zu
erreichen. Ihre geringe Seehöhe im dalmatinischen Gebirge erzählt
uns von der unsinnigen Zerstörungswut des Menschen. Am Groß-
glockner endet sie jetzt in 1900 m Höhe, aber noch in 2152 m
Höhe entdeckte Seeland einen Holzstrunk. Im 18. Jahrhundert
waren am Südrande des Bernina in 2334 m Höhe noch Bäume zu
sehen, wo jetzt echte Alpenpflanzen wachsen; und einzelne WTurzel-
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606
Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
stocke oder alleinstehende Tannen, Lärchen und Arven von hohem
Wüchse jenseits der Waldgrenze beweisen uns, daß sich der Wald
einst bis hierher ausgedehnt hat. Auch von dem Zurückweichen der
alpinen Waldgrenze gilt, was oben (S. 601) von der polaren Baum-
linie gesagt wurde. In anderen Fällen schließt die Bodenbeschaffen-
heit den Wald aus. Am Mauna Loa auf Hawaii, dessen oberer Teil
ganz von Lavaströmen bedeckt ist, verschwindet schon in 2140 m
Höhe alle Vegetation; dagegen kommt auf dem Mauna Kea, der
aus lockeren Eruptionsprodukten besteht, der Manatibaum vereinzelt
bis 3350 m Höhe vor.
Wie an der polaren Waldgrenze häufig zwerghafte Baumformen
die äußersten Vorposten bilden, so auch in vielen Hochgebirgen. In
den Karpaten und Sudeten tritt das Krummholz als selbständige
Formation hervor. Meist vollzieht sich der Übergang zur alpinen Begion
allmählich, nur in den nordamerikanischen Hochgebirgen trennt ein
scharfer Strich, die sogenannte „Timber line“, den Hochwald vom
Knieholzgürtel. Im Colorado-Gebirge z. B. endigt der Hochwald in
3350 m Höhe, und dann folgt ein aus gleichen Arten bestellender
Zwergwald bis 3800 m Höhe.
Ausdauernde Arten mit verkürzten Stengelgebilden, vorläufigen
großen Blüten und kleinen Blättern sind für die alpine Region
charakteriseh. Kryptogamen herrschen vor, wie in der polaren
Flora; die Phanerogamen werden durch Sträuclier, Stauden und
Gräser vertreten. In vielen Punkten ist aber die alpine Region
mehr begünstigt als (Re arktische Zone; denn wenn auch hier die
Sommersonne nie untergeht, so erwärmen doch ihre schiefen Strahlen
den Boden nicht so intensiv, wie im Hochgebirge, trotzdem daß die
mittlere Lufttemperatur der höheren Regionen im Sommer geringer
ist, als in den entsprechenden höheren Breiten. Dafür ist aber im Ge-
birge die Vegetationszeit (Monate über 0°) länger; und während
derselben taut der Boden bis zur Tiefe auf und gestattet den
Wurzeln tiefer einzudringen. Der Unterschied in der Stärke der In-
solation erklärt es nach Christs Ansicht, daß die alpinen Pflanzen
in bezug auf Masse des Stoßes, Dicke des Stammes, Zahl und
Stärke der Zweige und Laubteile den arktischen so sehr über-
legen sind.
An der Schneegrenze hört zwar die zusammenhängende Vege-
tation auf, aber es erlischt nicht alles Pfianzenleben. Etwa 500 m
darüber sammelte Ball am Aletschgletscher noch 40 Arten,
und am Montblanc fand man zwischen 3200 und 3400 m noch 24
Phanerogamen. Die höchsten Blutenpflanzen fand v. Schlagint-
weit auf dem Ibi-Gamin-Paß in 6038 m Höhe. Auf schneefreien
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Die wichtigsten Vegetationsformationen innerhalb tl. Waldgrenzen. 607
Felsen siedeln sich Flechten an, und aut' dem Schnee selbst finden
noch Algen ihre bescheidenen Lebensansprüche erfüllt. Eine Art
derselben, von mikroskopischer Größe, ruft die bekannte Erscheinung
des roten Schnees hervor.
Die wichtigsten Vegetationsformationen innerhalb
der Waldgrenzen.
(Siehe Karte XVIII.)
Der Wald bedarf während der Vegetationszeit nicht nur eines
gewissen Wärmemaßes, das ihm weder die polare Zone, noch die
alpine Region gewährt, sondern auch der Feuchtigkeit. Das Baum-
leben bleibt also auch den regenarmen Gebieten innerhalb der Wald-
grenzen fern oder zieht sich hier auf die wohlbewässerten Abhänge
der Gebirge zurück.
Nicht überall ist aber das Feuchtigkeitsbedürfnis des Waldes
das gleiche, und nicht überall wird es in gleicher Weise befriedigt,
ln der warmen Zone geht der Verdunstungsprozeß der Blätter viel
rascher vor sich, als in unseren Breiten; so ist zu erklären, daß
z. B. — wie Brandts gezeigt hat — in Ostindien kräftige Wälder nur
dort gedeihen, wo der Regen eine jährliche Durchschnittshöhe von
mehr als 100 cm, und Tropenwälder nur dort, wo er eine solche
von mehr als 190 cm erreicht, während die nördliche gemäßigte
Zone ein einziges Waldgebiet ist, obwohl hier die mittlere jährliche
Niederschlagshöhe meist nur 25 — 50, ja in Ostsibirien und im nörd-
lichsten Teile von Amerika weniger als 25 cm beträgt. Noch ein
anderes Moment kommt dazu, das uns Uber den scheinbaren
Widerspruch in der Verbreitung der Wälder diesseits und jenseits
der Wendekreise aufzuklären vermag, und auf das Wueikow
schon einmal aufmerksam gemacht hat. Es ist die winterliche Schnee-
decke, welche eine bedeutende Niederschlagshöhe ersetzen kann.
Denn das Schneewasser sickert langsam in den Boden ein und er-
nährt die Vegetation gerade hei ihrem Erwachen im Frühling,
während die stärksten sommerlichen Regengüsse zum größten Teil
oberflächlich abHießen.
Waldland und waldlose Gebiete sind also die beiden Haupt-
typen der Vegetation, wobei wir jene Gegenden, wo der Mensch den
Wald ausgerodet bat, natürlich dem ersteren zurechnen. Innerhalb
dieser beiden Hauptformationen giebt es eine unerschöpfliche Mannig-
faltigkeit, und beide sind auch durch langsame Übergänge mit ein-
ander verbunden. Tropischer Urwald und Wüste sind die Endglieder
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608 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
der Formatiousreihe, die in manchen Gegenden nahe bei einander
liegen, während in den höheren Breiten der Reichtum und die
Armut der Vegetation niemals in so schroffen, räumlich benachbarten
Gegensätzen zum Ausdrucke gelangen.
Tropenwald. Der tropische Urwald unterscheidet sich von
den Wäldern der gemäßigten Zone vor allem durch den gemischten
Baumschlag. Selten gehören zwei benachbarte Bäume derselben
Art an. Dikotyle Bäume mit starrem, immergrünem, ungeteiltem
Laub oder mit einmal gefiederteu Blättern herrschen vor; dazu
gesellen sich Monokotyledonen, besonders Palmen, und in Mexico
und Zentralamerika auch Koniferen, die hier ausnahmsweise bis an
das Meer hinabsteigen. Die durchschnittliche Höhe der gemischten
Bestände beträgt nur 20 — 30 m, aber einzelne Bäme ragen darüber
hinaus, „einen Wald über dem Walde“ bildend. Dieser etagen-
förmige Aufbau ist charakteristisch für den tropischen Urwald.
Am Amazonas mischen sich stammlose Zwergpalmen, 3 — 4 m und
20 — 30 m hohe Palmen, sowie riesige Laubbäume, deren Kronen
bis 80 und 100 m sich erheben. Das Unterholz ist übrigens in ver-
schiedenen Gegenden verschieden; im ostindischen Dschungel besteht
es z. B. aus Bambusen und Dorngesträuchen. Ebenso bezeichnend
für den tropischen Urwald sind die Lianen und Epiphyten, die
schon in den subtropischen Breiten entschieden zurücktreten und
weiter gegen Norden hin ganz verschwinden. Die Lianen, die von
Baum zu Baum sich schwingen und frei von den Kronen herab-
hängen, sind zum Teil Holzgewächse, wie die Rotangpalmen (S. 579);
ihnen verdankt der Urwald hauptsächlich seine Unwegsamkeit. Die
Epiphyten setzen sich auf den Bäumen fest, ohne sie zu umranken.
Farne, Orchideen und Arongewächse, in Amerika auch die Ananas-
gewächse, gehören vorwiegend zu diesen Pflanzen, die aber nicht in
allen Fällen ein Sehmaro tzerleben fuhren, sondern häufig durch
Luftwurzeln ihre Nahrung aus dem Boden ziehen. Der unendliche
Reichtum an Schattengewächsen erklärt sich daraus, daß im tro-
pischen Urwalde, trotz der Überfülle des Laubwerkes und trotzdem
daß die Blätter vorherrschend undurchscheinend sind, doch ein mildes
gedämpftes Lipht herrscht. Auch dadurch unterscheidet er sich
wesentlich nicht nur von unseren finsteren Nadelwäldern, sondern
auch von unseren Laubwäldern. Denn im Gegensätze zu diesen,
deren Laubdach zwar durchscheinend und weniger dicht, aber wegen
der großen Anzahl kleiner Zweige zusammenhängender ist, sind die
Bestandteile des Tropenwaldes so gebaut, daß überall Zwischenräume
den Lichtwellen in den Wald einzudringen gestatten.
Sind auch gewisse Charakterzüge allen tropischen Urwäldern
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Die wichtigsten Vegetationsformationen innerhalb d. Waldgrenzen. 609
gemeinsam, so finden sich doch auch sehr bemerkbare individuelle
Eigenschaften, die sich nicht nur aus den Eigentümlichkeiten der
verschiedenen Florengehiete erklären, sondern auch innerhalb eines
solchen durch lokale Verhältnisse bedingt sind. Der Igapowald im
Überschwemmungsgebiete des Amazonas zeichnet sich z. B. durch
eine Überfülle von Palmen, durch verhältnismäßig niedrigen Wuchs
der Laubbäume und geringe Entwicklung der Lianen und Epiphyten
aus. Im Etewald, der auch auf Thonhoden steht, aber nicht
mehr überschwemmt wird, herrschen die dikotylen Bäume mit
lorbeerartigem Blatt entschieden vor, und ihnen gehören auch die
höchsten Individuen an. Im Sandsteingebiete des Rio Negro endlich
werden die Laubhölzer kleiner, Palmen und Lianen seltener, aber
die epiphy tischen Farren und Arongewächse wuchern in üppigster
Fülle. Der Teraiwald, der den Südfuß des Himalaja begleitet, ist
im Osten echter Tropen wald, aber gegen Westen, also in derselben
Richtung, in der die Regenmenge abnimmt und das Klima
kontinentaler wird, verlieren sich die tropischen Charakterzüge und
die Bestände werden einförmiger. Am reinsten ist der tropische
Typus in jenen Gegenden ausgeprägt, wo sich gleichmäßige Wärme
mit großer Feuchtigkeit paart, also besonders im Aquatorialgürtel,
wie im malaischen Archipel und in der Amazonasniederung, wo
sich der Urwald von Paranahiba bis Zamora in einer Länge von
mehr als 4000 km (gleich der Entfernung von der Westspitze der
Bretagne bis zum Aralsee!) erstreckt. In Afrika haben uns erst
die Forschungsreisen des letzten Jahrzehnts über die große Aus-
dehnung des Urwaldes durch das Kongobecken bis an das östliche
Seengebiet unterrichtet, wobei es freilich noch fraglich erscheint, ob
er eine völlig zusammenhängende Formation bildet. Nächst der
Aquatorialzone sind die Windseiten aller tropischen Gebirge von
Urwäldern bedeckt, so die Westghats, die Westseite von Hinterindien
vom Himalaja bis Malakka, die madagassische Ostseite, die brasi-
lianische Ostküste bis zur Wasserscheide gegen den St. Francisco
und Parana; die östliche Abdachung von Zentralamerika und Mexico,
jedoch hier mit Ausnahme von Tabasko nur auf die Region von
1000—2000 m beschränkt, während auf der pazifischen Seite gerade
nur der untere Küstensaum bis 650m Höhe Urwälder trägt; ferner die
Windseiten der hohen polynesischen Inseln u. s. w. Wo eine aus-
gesprochene Trockenzeit eintritt, nimmt der Tropenwald, ohne in
seinen Bestandteilen sich völlig zu ändern, einen anderen Gesamt-
charakter an; die unendliche Fülle der Formen macht einer größeren
Einförmigkeit Platz, die immergrünen Gewächse versehen sich mit
Schutzvorrichtungen gegen den Einfluß der Trockenheit, periodisch
S dp Alf, Physische Erdkunde. 2. Aull. 39
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610 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
belaubte Dikoty ledernen gewinnen die Herrschaft. Diese regen-
grtinen Wälder, wie sie Dkude im Gegensätze zu den Regen-
wäldern (Urwäldern) genannt hat, Ubertreffen die letzteren wahr-
scheinlich an Ausdehnung, vielleicht auch im Reichtum an Nutz-
hölzern. Aber auch in periodisch trockenen Gebieten vermag die
Bodenfeuchtigkeit entlang den Ufern der Flüsse echte Urwälder
hervorzuzaubern. Das sind die Galeriewälder, „ln ihrem Innern“
— schreibt Schweinfukth — „gewahrt man Säulengänge, ägyptischen
Tempelhallen ebenbürtig, in ewig tiefen Schatten gehüllt und von
aufeinander gelegten Laubdecken oft dreimal überwölbt. Von außen
betrachtet, erscheinen sie wie eine undurchdringliche Wand des
dichtesten Blattwerkes, im Innern eröffnen sich überall Laubgänge
unter den Säulenhallen, voll murmelnder Quellen und Wasseradern.“
Wir sagten eben, die Mannigfaltigkeit sei das Merkmal des
Tropen waldes, aber stellenweise findet man auch in der warmen
Zone ausgedehnte Bestände von geselligen Bäumen derselben
Art. Selbst die Palme tritt häufig waldbildend auf, wie die Dum-
und Delebpalme in Afrika, die Olpalmen in Verbindung mit Phoenix
spinosa an der westafrikanischen Küste, ein paar Mauritiaarten im
Gebiete des Orinoco und Amazonas, die Wachspalme in Gran Chaco,
die Caranda-Palme in Paraguay, die Yatay- Palme in Uruguay und
verschiedene Arten im malaischen Archipel. Andere bekanntere
Beispiele sind die schon mehrmals genannten Mangrovewälder, die
seltsamen Tjemorowälder in den Gebirgen der Sunda-Inseln, die aus
Casuariuen mit blattlosen Zweigen bestehen, die Pisangwälder an
der Gambiamündung, die Tamariskenwälder am Blauen Nil, die
schattenlosen und doch oft undurchdringlichen Akazienwälder in
Siidarabien und Afrika, die Araukarienwälder von Brasilien u. s. w.
Der Wald mittlerer und höherer Breiten. Nach Süden zu ver-
liert sich der tropische Waldcharakter allmählich. Die Küstenw-älder
vom brasilianischen Staate Sa. Catharina bis zur Grenze von Uruguay
unterscheiden sich von den tropischen nur durch niedrigeren Wuchs
und geringere Mannigfaltigkeit; und ebenso macht sich im chilenischen
Waldlande zwischen 34 und 44° B. gegen Süden zu nur eine zu-
nehmende Einförmigkeit bemerkbar, ohne daß das dichte Unterholz
aus bambusartigen Gräsern und das Gewirr von Lianen und Epi-
phyten zurücktreten und den Wald zugänglicher machen würden.
Dagegen ist die Baummischung auf Neuseeland kaum minder groß,
als zwischen den Wendekreisen, und der Nordinsel fehlen auch die
Lianen und Epiphyten nicht. In Australien tragen noch die ge-
mischten Wälder in den Creekthälern von Neu-Süd- Wales ein tropen-
ähnliches Gepräge.
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Die wichtigsten Vegetfttionsformationen innerhalb d. Waldgrenzen. 61 1
Dem echten subtropischen Walde fehlen zwar die Lianen und
Epiphyten,und an die Stelle derMoucotyledonen treten die in den Tropen
seltenen Nadelhölzer, aber immergrüne Laubbäume geben ihm doch
einen von den Wäldern höherer Breiten abweichenden Charakter. Indes
sind diese Bäume selten zu ganzen Waldungen vereinigt In den
Mittelmeerländern tritt nur die immergrüne Eiche waldbildend auf;
in Chile jenseits des 44. Parallels herrscht die periodisch belaubte
Buche vor, wird aber von der immergrünen Buche und von Koniferen
begleitet; auch in den südlichen atlantischen Staaten der Union
sind nicht die immergrünen Bäume die vorwiegenden Waldbestand-
teile, sondern überlassen die Herrschaft der laugnadeligen Kiefer.
Im chinesisch-japanischen Subtropengebiete giebt, soweit die Kultur
den Wald noch nicht verdrängt hat, der Ahornbaum der Landschaft
das eigentümliche Gepräge. Einen sonderbaren Anblick gewähren
die offenen, schattenlosen Eukalyptenwälder Australiens, deren Boden
ein zusammenhängender Wiesenteppich mit schönen Blumen bedeckt.
Zur Zeit der Dürre erhält sich freilich nur in den Creekthälern
eine üppigere Vegetation. Auf trockenem Untergründe haben sich
Akazien und Casuarinen angesiedelt; im Norden gesellen sich zu
den Eukalypten indische Holzgewächse, und hier bietet auch der
Grasboden stellenweise das Bild einer echt tropischen Savane.
Der sommergrüne Laub- und der Nadelholz wald ist nur
auf die nördliche Halbkugel beschränkt. In den Laubwäldern Ost-
asiens und der östlichen Vereinsstaaten Nordamerikas zeigt die größere
Artenmischung noch einen Anklang an tropische Verhältnisse, in
Europa herrschen dagegen reine Bestände, vorwiegend von Buchen,
Eichen und Birken. Die Buchenwähler, die einer milden Winter-
temperatur bedürfen, charakterisieren das westliche und mittlere, die
Eichenwälder das östliche Europa.
Die statistischen Untersuchungen von Asa Gray bestätigen den
großen Gegensatz der Ost- und Westseiten der Kontinente, * dessen
Verständnis sich uns später, bei der Betrachtung der geschichtlichen
Entwicklung der heutigen Pflanzenwelt, erschließen wird. Die Zahl
der Laubbaumarten ist an den Ostseiten fast um das Doppelte
größer als in Europa, und nahezu viermal größer als im westlichen
X
Anzahl
der Arten von
Wälder
Laubholz
Nadelholz
des östlichen Nord-Amerika . . .
130
25
des pazifischen „ ...
34
44
von Japan und der Mandschurei
123
45
von ganz Europa
68
17
39*
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612 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
Nordamerika. Ein anderer Gegensatz besteht zwischen der atlan-
tischen und pazifischen Seite der beiden Festländer. An der letzteren
erreichen die Nadelhölzer ihre höchste Entwicklung, und im west-
lichen Nordamerika bilden sie sogar 56,4 °/0 aller Waldbäume. Tannen
sind am häufigsten und meist von hohem Wüchse; die Douglastanne
erreicht 60 — 80 m, doch übertrifft sie noch der Rotholzbaum, die
Zuckerkiefer, und vor allem die bis 150 m hohe Sequoia gigantea.
Mit Laubhölzern gemischt, bilden die Tannen und die Oregonceder
die ausgedehntesten Urwälder, die wenigstens zum Theil noch ihre
Jungfräulichkeit bewahrt haben. Sie schließen sich unmittelbar an
den nördlichen Koniferengürtel an, an dessen Zusammensetzung
in Amerika vorzüglich die Weißtanne, in der alten Welt aber die
Fichte und Kiefer und in Ostsibirien die Lärche Anteil nehmen.
Eine untergeordnete Rolle spielen die Laubbäume (Pappeln, Erlen,
Weiden ), die meist nur die Ufer der Flüsse begleiten; nur die Birke
kann sich in der alten Welt den Nadelbäumen ziemlich ebenbürtig
an die Seite stellen, und dringt auch überall bis zur Waldgrenze
vor. Ein anderer Unterschied zwischen den Wäldern der alten und
neuen Welt, und zwar im Koniferen- wie im Laubholzgürtel, besteht
darin, daß in Amerika das Unterholz und Strauchwerk einen
höheren Wuchs und eine üppigere Entwicklung erreicht.
Savane. Unser Kärtchen zeigt innerhalb des Tropengürtels
neben dem Urwalde die Savane. Die letztere ist aber nur als ein
Kollektivbegriff wechselnder Formationen aufzufassen, und es er-
scheint fraglich, in welcher Ausdehnung sie als ein Erzeugnis frei
wirkender Naturkräfte zu betrachten oder der wüsten Raubwirtschaft,
die die Bodenkultur niedrig stehender Völker kennzeichnet, zuzu-
schreihen ist. Vielfach verbreitet ist die Sitte, die behauten Felder
nach kurzer Zeit wieder aufzugeben und durch Vemichtuug von
Waldstrecken neuen Boden zu gewinnen, während die verlassene
Pflanzung sich mit Gras und Buschwerk bedeckt Nur auf diese
Weise erklärte es sich Pechuel-Loesche, daß in Nieder-Guinea
auf einem und demselben Boden, unter gleichartigen klimatischen
Verhältnissen verschiedenartige Pflanzenformationen auftreten.
In Kürze kann man die Savane als Grasland mit eingestreuten
Holzgewächsen definieren.
Das Grasland oder die Kamp ine unterscheidet sich von unseren
Wiesen dadurch, daß die harten und steifen Halmgräser keinen ge-
schlossenen Rasen bilden. Aber trotzdem ist das Wachstum häutig
so dicht, daß man sich künstlich einen Weg bahnen muß, und auf
solche Vorkommnisse beschränken einige Forschungsreisende den
Ausdruck Savane. In diesem Falle erreichen die Gräser oft die an-
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Die wichtigsten Vegetstionsfonnationen innerhalb d. Waldgrenzen. 613
sehnliche Höhe von ein par bis zu 5 oder 6 m und gleichen dann
in der Regenzeit, von weitem gesehen, einem wogenden Getreidefelde.
Mit den hohen mischen sich aber auch niedere Formen, und gerade
dort, wo die letzteren vorherrschen, ist die Vegetation eine mannig-
faltigere, indem Gesträuche und blühende Stauden sich heimischen.
So ist in den brasilianischen Campos die Höhe des Grases keines-
wegs eine beträchtliche, aber Kakteen, Agaven und hohe und niedrige
Sträucher bringen Abwechslung in die offene Landschaft, die in
ihrem Blütenschmucke einem Garten gleicht. Tn der Trockenzeit
freilich bieten die Savanen in ihrer gelblich-braunen Färbung nirgends
ein freundliches Bild.
Neben solchen üppigeren Kampinen, die zum Teil wohl an
die Stelle von Waldland getreten sein mögen, giebt es aber auch
echte Steppen mit niedrigem, büschelförmigem Graswuchs, der
überall die nackte Erde hervortreten läßt Sie sind immer ein
Merkmal minderwertigen Bodens oder dürftiger Bewässerung, aber
mannigfache Übergänge verknüpfen sie mit den Kampinen der ersten
Kategorie, so daß eine Ausscheidung auf den Karten doch häufig
auf Schwierigkeiten stößt Geht man auf der bekannten Karawanen-
straße von Bagamojo auf die ostafrikanische Seenplatte, so kann
man alle Abstufungen tropischer Vegetation kennen lernen, von dem
Waldlande der feuchten Küste bis zur wüstenartigen Landschaft von
Ugogo, die auf weite Strecken nur mit Pori, einem dem australischen
Skruh ähnlichen Dorngebüsche bewachsen ist. Die Schilderungen
der Reisenden werden übrigens häufig durch die Unbestimmtheit
der botanischen Formationsbezeichnungen beeinträchtigt. Die erste
Bedingung wäre, sich über einige scharf umgrenzte Begriffe zu
verständigen, sollen die Vegetationsbilder an Klarheit gewinnen.
Nicht immer gesellt sich zur tropischen Kampine der Baum-
wuchs; entbehren ihn doch die Alangfluren der Sunda- Inseln, und
der Campo vero von Brasilien, ohne den Savaneneharakter einzu-
büßen. Aber das sind Ausnahmen. Bald erheben sich vereinzelte
Holzgewächse aus der Grasfläche, bald schließen sie sich zu Busch-
werk, Buschwald oder sogar regengrünem Hochwald zusammen.
Schon daß ihr Vorkommen an kein allgemeines Gesetz gebunden
ist, läßt erkennen, daß menschliche Eingriffe mitbestimmend gewirkt
haben. Während z. B. die Loangoküste größtenteils Savane ist und
die Wälder erst da beginnen, wo das Land ansteigt, ist umgekehrt
an der Kongomttndung die Niederung Wald und das hügelige Ge-
lände Savane. Die flachen Llanos von Venezuela sind auf große
Strecken baumlos oder werden nur von vereinzelten Proteaceen-
oder Malpighiaceenbäumen oder von Gruppen von Fächerpalmen
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614 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
unterbrochen; aber dieser Charakter scheint nicht ursprünglich zu
sein, denn zwei der jüngsten Reisenden, Sachs und Jonas, berichten,
daß seit der Verringerung des Viehstandes die Zahl der Bäume
beträchtlich zugenommen habe. Waldreicher sind die Savanen von
Guayana, und das hängt offenbar mit der bergigen Beschaffenheit
des Geländes, mit dem Wechsel der Bodenarten und der Be-
wässerung zusammen. Die südlichen Campos von Brasilien in 600 bis
1300 m Höhe werden durch kleine, aber gesellige Lilienbäume be-
lebt, an deren Stelle in den tiefer gelegenen nördlichen Campos
eine ähnliche Zwergform aus der Familie der Ananasgewächse tritt.
Daneben kommen auch echte Wälder vor; inselartig zerstreut sind
die Capoes, in denen die höchsten Bäume die Mitte einnehmen und
immer kleinere Bäume in regelmäßiger Abstufung nach der Peri-
pherie zu folgen; und an den Ufern der Flüsse dehnen sich die
periodisch belaubten Catingas aus.
In außertropischen Breiten sind natürlich die fforistischen Ele-
mente andere, aber rein pbysiognomisch betrachtet, findet sich die
Savanenformation wieder im califomischen Parklande, wo Waldungen
mit offenen Flächen wechseln, und in manchen Gegenden am Amur
und auf Kamtschatka, wo der Rasenteppich eine außerordentliche
Höhe erreicht und Gebüsche und Bäume die Einförmigkeit der aus-
gedehnten Grasfluren mildern.
Grassteppen. Steigen wir abwärts in der Reihenfolge der
Pflanzenformationen, so haben wir nach der Savane die Steppe und
endlich die Wüste zu nennen.
Wenn man alle baumannen Grasländer als Steppen bezeichnet,
so muß man sich stets bewußt bleiben, daß man damit sowohl
physiognomisch, wie wirtschaftlich, wahrscheinlich auch genetisch
sehr verschiedene Formationen in Einem Begriffe vereinigt. Zum
mindesten müssen stets Gras- und Wüstensteppen strenge ausein-
andergehalten werden.*
Auch in der Grassteppe bedeckt der Rasen niemals völlig
den Boden; die Zwischenräume nehmen aromatische oder stachelige
oder wollige Stauden und Kräuter ein. Die Vegetation in der
niederungarischen Pußta und in den südrussischen Steppen
ist üppig und kann im Blütenschmucke des Frühlings sogar reizend
genannt werden, aber schnell ermüdet der Anblick des eintönigen
Bildes das Auge, das nirgends einen Ruhepunkt findet. Wohl die
größte ununterbrochene Grasebene der Erde sind die Pampas von
x Wir haben dieser Forderung auch auf dem Kärtchen XVIII durch
dichtere Strichelung der Grassteppenflächen Rechnung zu tragen versucht.
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Die wichtigsten Vegetationsformationen innerhalb d. Waldgrenze. 615
Argentinien. Das harte Pfriemengras mischt sieh liier mit zarteren
und nahrhaften Gramineen; in den Vertiefungen wachsen sie ge-
drängter, auf den Erhebungen aber in zerstreuten, dichten Büscheln.
Gebüsche fehlen und Stauden sind selten. Mannigfaltiger sind die
nordamerikanischen Prärien, wo das Gramma-, Büffel- und Büschel-
gras, das eine treffliche Weide bietet, von Kakteen, Lilienbäumen
und geselligen Stauden begleitet wird.
Mit Ausnahme der Pampas entbehren oder entbehrten die
Grassteppen auch nicht des Baumwuchses. Die sogenannte Baraba-
steppe, eine große Ebene im westlichen Sibirien zwischen dem
Irtisch und Oh, besteht aus Mooren mit mannshohen Stauden, aber
steppenartigem Graswuchs und einzelnen Waldinseln. Die neue
Karte von Tanfiljew 1 zeigt uns zahllose kleine und größere Wald-
flecke in die südrussische Steppe eingesprengt. Daß die nieder-
ungarische Ebene einst reicher bewaldet war, ist eine gut beglaubigte
Thatsache. Die östlichen Prärien haben allerdings weniger als
20 Proz. Wald, aber der Übergang vom Waldlande der östlichen
Staaten zum baumlosen Lande am Fuße des Felsengebirges vollzieht
sich allmählich.3 Sicher ist es, daß hier überall die Steppengewächse
im Kampfe ums Dasein günstigere Chancen haben, als die Bäume,
aber betreffs der Ursache dieser Erscheinung sind die Ansichten
geteilt. Die einen schreiben sie dem trockenen Klima, die anderen
dem Boden zu. Die Klimahypothese, deren Hauptvertreter einst
Grisebach war, zählt in Rußland und Amerika kaum noch An-
hänger.8 Daß die siidrussische Grassteppe auf das Gebiet der Schwarzen
Erde beschränkt ist, erklärt Tanfil.iew durch den Salzgehalt des
Bodens; wo dieser durch das fließende Wasser ausgelaugt ist, wie
in den Flußniederungen und auf den Wasserscheiden, da gedeiht
auch der Wald. In den forstlichen Anpflanzungsversuchen erblickt
er einen experimentellen Beweis für die Richtigkeit dieser Ansicht,
denn wo solche Waldungen abstarben, erwies sich das Grundwasser
schon in geringer Tiefe als salzhaltig. Andere russische Forscher
führen die Baumarmut auf die Feinerdigkeit des Bodens zurück,
die das atmosphärische Wasser nicht tief genug eindringen läßt,
und dieselbe Hypothese wandte Whitney auf die uordamerikanischen
Prärien an. Die östliche Hälfte derselben ist fruchtbar, genügend
benetzt, warum sollte hier kein Wald gedeihen können? Diese
Frage beantwortet Miller Christy4 mit dem Hinweise auf die großen
Brände, die meist von Menschenhand herrühren und im Frühjahre
und Herbste oft ungeheure Flächen heimsuchen. Verbreitete sich
doch ein solcher einst von 49 — 53° B. und von 98 — 108° L., d. h.
über ein Areal, nahezu so groß, wie das Königreich Preußen! Wo
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616 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
der Baumwuchs vor solchen verheerenden Einflüssen geschützt ist,
wie auf den Farmen, findet er alle Existenzbedingungen erfüllt.
Wüstensteppen und Wüsten. In den regenärmeren, zum größten
Teil abflußlosen Gegenden kommen Grassteppen nur dort vor, wo
der Boden ohne Salzgehalt und mit etwas Humus bedeckt ist. Aber
sie sind hier ungleich dürftiger und gestatten abseits von den
Flüssen nur nomadische Lebensweise. Wo der nackte Fels zu Tage
tritt oder Sandmeere sich ausdehnen, in welchen auch die geringe
Feuchtigkeit, die ihnen zu teil wird, ungenützt einsickert, oder wo
der Boden von Salzen geschwängert ist, da entfaltet sich der Gras-
wuchs noch kümmerlicher oder fehlt ganz, und blattlose Dorn-
sträucher, Saft- und Zwiebelgewächse sind die einzigen Repräsen-
tanten der Pflanzenwelt. Diese Sand- und Salzsteppen gehen
ganz allmählich in Wüsten über, die zwar auch nicht völlig vege-
tationslos, aber doch im allgemeinen unbewohnbar sind. Die Be-
griffe Wüste und Wüstensteppe auseinander zu halten, ist schwierig,
und auch der Sprachgebrauch trifft nicht immer das Richtige. Auch
die Wüste enthält stellenweise Weidegründe, die von den Viehherden
der Nomaden besucht werden, und Oasen, in denen selbst eine seß-
hafte Bevölkerung sich ansiedeln konnte. Es sind dies Stellen, die
entweder von Flüssen oder von Grundwasser benetzt werden, und wo
eine thonige Erdkrume sich bilden konnte. In der algerischen Sahara
haben die Franzosen durch Anlage artesischer Brunnen manche
Strecken in fruchtbare Gefilde verwandelt
Auch aus der Wüstensteppe ist das Baumleben nicht völlig ver-
bannt, wenn auch meist nur an die Flußufer gebunden; ja selbst in
den Thälern des ödesten Teiles der Gobi fand man Gruppen von
Ulmen und Pfirsichgebüsch; in den Wadis der Sahara wohnen neben
Gräsern, Stauden und Sträuchern auch Bäume, und vereinzelt er-
heben sich solche auch aus der trostlosen westaustralischen Sandsteppe,
die Giles durchwand.ert hat Aber ausgedehntere Waldungen kommen
in der Steppe nicht vor, mit Ausnahme der großen Kondensatoren
der atmosphärischen Feuchtigkeit, der Gebirge; und auch diese
entbehren zum Teil des Waldschmuckes, wie z. B. die peruanischen
Andes an ihrer Westabdachung und die nordchilenischen zwischen
30 und 34° S. sogar an beiden Seiten. Am Südabhange des Eiburs
grenzt in ca. 2200 m Höhe die alpine Region unmittelbar an die
Steppe, während die feuchtere Nordseite bis 2400 m Höhe mit Wald
bekleidet ist. Einen ähnlichen Gegensatz bilden die tibetanischen
und indischen Gehänge des Himalaja. An der Nordseite des Kau-
kasus schiebt sich zwischen Steppe und Wald ein Wiesengürtel als
vermittelndes Zwischenglied ein, während auf der den Südwestwinden
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Die wichtigsten Vegetatiousforinationen innerhalb d. Waldgrenze. 617
zugekehrten Seite die Wälder bft zum Fuße hinubreichen. Der Tian-
schan trägt Wälder nur in der Region der winterlichen Schnee-
wolken zwischen 1500 und 3000 in Höhe; auf dem Inschan beginnt
die Bewaldung ebenfalls erst in 1500 m Höhe, auf dem Alaschan
sogar erst in 2400 m, und — um ein Beispiel aus der neuen Welt
hinzuzufügen — in Colorado in 2130 m Höhe.
Ein zusammenhängender Steppen- und Wilstengürtel durchzieht
die alte Welt vom atlantischen Gestade bis nahe an das pazifische
Weltmeer. Die gebirgsumschlossenen Hochebenen Asiens, die aral-
kaspische Niederung, und die von beständigen Nordwinden bestrichene
Wüstentafel sind die einzelnen Glieder dieser Zone: ungleich zwar
in bezug auf die einzelnen Bestandteile ihrer Flora, ungleich auch in
bezug auf die Bedingungen ihrer Wasserarmut, aber durch diese
und durch ihren allgemeinen Vegetationscharakter zu einer geogra-
phischen Einheit verbunden. Die Sahara gilt als das Prototyp der
Wüste, aber völlig pftanzcnleer ist nur der bewegliche Dünensand
und stellenweise die Serir, wie z. B. zwischen Tuat und Talilet.
Dagegen trägt selbst die Hammada einige Holzgewächse, und die Dünen-
thäler werden von Sträuchern und hochwüchsigen Pfriemengräsern
bewohnt. Die sogenannte Syrische Wüste ist vorwiegend Salzsteppe
mit Halophyten, kümmerlichen Tamarisken und etwas Graswuchs. Noch
mehr verdient die Arabische Wüste, vielleicht mit Ausnahme der
südöstlichen Sandwüste Dehna, die Bezeichnung Steppe, denn selbst
in Nefud trägt der Sandboden nach Blunts Bericht eine verhältnis-
mäßig reiche Vegetation, die einen großen Teil des Jahres die
Herden der Beduinen ernähren kann. Vielleicht noch trostlosere
Einöden, als manche Teile der Sahara, sind die persischen Wüsten.
Die große Salzwüste ist im strengsten Sinn des Wortes pflanzenlos,
nur in der Nähe des Nordrandes erblickte Buhse einmal einen
einsamen Halophyten; und eine ähnliche Schilderung giebt Bunge
von der Wüste von Kirman. Viel besser sind die zentralasiatischen
Hochebenen ausgestattet, obwohl hier die Geographen von aus-
gedehnten Wüsten sprechen. In Nordamerika entspricht ihnen
das ebenfalls von hohen Gebirgen umrahmte westliche Hochland,
dessen Salzwüsten gerade so, wie in der alten Welt, von zerstreuten
Gänsefuß- und geselligen Beifußgewächsen bewohnt werden, stellen-
weise aber auch völlig vegetationslos sind. Die bizarren Formen
der Kakteen und die als Nahrungsmittel wertvollen Agaven, deren
große, saftige Blattrosette auch dem dürrsten Felsboden entsprießt,
geben aber den trockenen Gebieten der neuen Welt ein eigenartiges
Gepräge.
Auf den südlichen Festländern greift im Windschatten des
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618 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
Passates die Steppen- und Wüstenvegetation weit in die Tropenzone
hinein. Am weitesten in der peruanisch-chilenischen Küsten-
landschaft, die vom 34. bis zum 4.° S. waldlos ist In der
Regenzeit bekleidet sie sich wohl mit blühenden Stauden, aber die
sommerliche Dürre überdauern nur vereinzelte Gruppen von Saft-
gewächsen und niedrigem Dorngesträuch. Das hochgelegene Ata-
camaplateau ist auf weite Strecken hin völlig vegetationslose Salz-
wüste. Aber in einem Punkte unterscheidet sich die peruanische
Steppe wesentlich von den Steppen der gemäßigten Zone: durch das
allerdings nur zerstreute Vorkommen immergrüner Bäume. Jenseits
des 30. Parallels bessert sich die Vegetation zusehends, und reich-
licher Graswuchs schafft ein gutes Weideland. Auch die Hochflächen
der Cordilleren, die sogenannte Punaregion, nehmen an der Steppen-
natur Teil. Die südwestliche Küste von Afrika ist ebenfalls bis
über den Wendekreis hinaus eine traurige Sand- und Steinwüste
mit niedrigem graugrünem Gebüsche und ärmlichem Graswuchse, und
diese Vegetationsformation erstreckt sich mit einigen von der Boden-
beschaflenheit abhängigen günstigen Variationen, die Viehzucht ge-
statten, über das hochgelegene Damara- und Namaland bis zur aus-
gedehnten Sandsteppe der Kalahari. Den im Verhältnisse zum Areal
des Festlandes größten Raum nehmen die Steppen und Wüsten
Australiens ein, denn die östliche Randstellung des Hochlandes
beraubt die inneren und westlichen Landschaften der Wohlthat
regelmäßiger Befeuchtung. Aber so öde auch diese Gegenden in der
Regel sind, so rasch belebt sich die Vegetation, wenn einmal, frei-
lich oft nach jahrelanger Dürre, ein wolkenbruchartiger Regen nieder-
füllt. Doch unausgenützt fließen die Wassermassen ab, und die
blumenreichen Gras- und Kräuter Auren verschwinden wieder, wie ein
Trugbild der Fata Morgana. Die Eigentümlichkeit Australiens be-
steht darin, daß der periodische Wechsel des Landschaftsbildes, dem
alle Steppen unterworfen sind, in völlig regellosen Sprüngen sich
vollzieht. Daher auch die scheinbaren Widersprüche in den Be-
richten der Forschungsreisenden : ein Moment, das übrigens auch
hei der Beurteilung der übrigen Steppen und Wüsten in Betracht
gezogen werden muß und die Unbestimmtheit dieser Begriffe wesent-
lich mit verschuldet hat. Streng genommen, läßt sich die Vegetation
der einzelnen waldlosen Gegenden der Erde nur während der Regen-
zeit mit einander vergleichen; aber freilich ist diese Periode nur
kurz und den größten Teil des Jahres lastet selbst auf den begünstig-
teren Steppen der Fluch der Unfruchtbarkeit.
Buschland. Auf der südlichen Hemisphäre tritt manchmal an
die Stelle der Steppe das Buschland, ohne daß sich in allen
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Die wichtigsten Vegetationsformationen innerhalb d. Waldgrenze. 619
Fällen bestimmt nacliweisen ließe, au welche Bedingungen es im
Gegensätze znm Graslande geknüpft ist. Es stehen sich übrigens
diese Yegetationsforinationen auch nicht unvermittelt gegenüber.
Schon oben wurde darauf aufmerksam gemacht, daß Domsträucher
einen vorherrschenden Bestandteil mancher Steppenfloren bilden,
und im östlichen Südamerika können wir beobachten, wie streng
die beiden Formen nach der Bodenbeschaffenheit sich scheiden. So-
weit Lehmboden ist, dehnen sich die Pampas aus; dort aber, wo
der patagonische Kiesboden beginnt, also am Bio negro, ändert
sich mit einemmal das Pflanzenkleid, das nun aus niedrigem Dorn-
gebüsch mit vereinzelten Mimosen und magerem Graswuchse besteht;
und „nur diejenigen Stellen*-, sagt Lore nt/,, „die durch ihre niedere
Lage besonders fruchtbar sind, vielfache Thäler und Vertiefungen
zeigen einen eigentlichen Basen und eine Vegetation, die an die
Pampas erinnert". Ähnlich ist die Vegetation westlich von den
Pampas, zwischen dem Meridian von Cordoba und den Andes. Dor-
nige Sträucher, besonders der Chanar und eine Akazie, bedecken
weite Flächen, aber der Graswuehs ist nicht ganz ausgescldossen,
und reiche Fluren wechseln mit ödem Buschlande. Auf der großen
Karru des Kaplandes beherrscht zwar der mattgefärbte Bhinozeros-
busch die Vegetation, aber im August kleidet sich die Hochfläche
auf einige Wochen in üppigstes, blumenreiches Grün und ist dann
ein ausgezeichneter Weideplatz. Auf der oberen Terrasse, die sich
von den Boggeveld- und Nieuweveld-Bergen bis gegen den Oranje
ausdehnt, fehlt aber aller Graswuchs, und der Boden ist nur mit
niederem Gestrüpp von Korbblütern, dem sich einige Saftgewächse
zugesellen, bedeckt. Weiter gegen Norden bilden Domsträucher aus
dem Akaziengeschlechte undurchdringliche Dickichte. Am reinsten ist
aber die Form des Buschlandes im australischen Skrub ausge-
prägt Verschlungene Sträucher mit starrem, immergrünem Laube
bedecken in dichten Gemeinschaften, nur gelegentlich von Bäumen
unterbrochen, aber mit völligem Ausschlüsse von Gräsern und Kräutern,
ausgedehnte Flächen des inneren Australiens. Kein Monat vergeht
hier ohne Blüten, aber „jeder Monat sieht“, wie Behr sich ausdrückt,
„dasselbe wüste Gedränge starrer, saftloser und untereinander größten-
teils übereinstimmender Formen“. Trotz seiner l ppigkeit ist der
Skrub die eigentliche australische Wüste, die ebenso die Fortschritte
der Forschungsreisenden, wie der Kultur hemmt, denn mit un-
besiegbarer Zähigkeit halten diese einförmigen Dickichte sogar dem
Feuer Stand.
Seltener ist die Buschformation auf unserer Halbkugel. In Texas
und im nördlichen Mexico wird sie von Mimosen, zum Teil im Ver-
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620 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
eine mit Hornsträuchern gebildet. Ein großer Teil von Vorderindien
wird von dichtem, oft undurchdringlichem Dschungelgebüsck be-
deckt, in dem Bambusen und Domsträucher vorherrschen. Aber
schon hier ist es fraglich, ob diese Vegetationsform klimatisch be-
dingt ist oder ob sie an die Stelle früherer Wälder trat. Das
letztere ist der Fall bei der Maquis, der pflanzenreichen, immer-
grünen Strauchformation des Mittelmeergebietes, die besonders auf
Corsica, im dalmatinischen Archipel und an der Nordküste des
Agäischen Meeres große Flächen einnimmt. Unter ähnlichen klima-
tischen Verhältnissen, die die Regenerierung des Waldes erschweren,
erscheint sie an der californischen Küste bei S. Diego und in den
Berg- und Hügellandschaften des südlichen Chinas wieder, während
auf Neuseeland eigentümliche Famfluren die Stelle zerstörter Wälder
einnehmen. Ebensowenig, wie die Maquis, sind die Heideland-
schaften Europas und die am Kap der guten Hoffnung durch
Trockenheit bedingt.
Ausdehnung der Formationen. Um einen Anhaltspunkt in der
Frage, wie viele Menschen auf der Erde wohnen könnten, zu ge-
winnen, hat E. G. Ravenstein5 den Flächeninhalt von drei Vege-
tationskategorien ermittelt. Obwohl sich diese Kategorien nur z. T.
mit unseren Formationen decken, können wir uns doch nicht ver-
sagen, seine Ergebnisse mitzuteilen, weil bisher noch niemals für die
ganze Erde eine derartige Arbeit unternommen worden ist. Sein
„fruchtbares“ Land umfaßt das ganze Waldland, die Savanen mit
Ausnahme der brasilianischen Campos und den größten Teil der
Grassteppen — merkwürdiger Weise die südrussische ausgenommen.
Die Polargebiete sind nicht berücksichtigt.
Fruchtbar
Steppen
Wüsten
Fruchtbar
Steppen
Wüsten
In 1000 qkm
In Prozenten
Europa . . .
7 480
1 727
—
81, j
18,8
—
Asien . . .
24 034
10 955
3 108
63,i
28,7
8,3
Afrika . . .
14 918
9 137
5 765
50, s
30,6
19,3
Australasien .
3 022
3 903
1 590
35, «
45,8
18,8
Nordamerika .
12 810
3 639
246
76,7
21,8
1,8
Südamerika .
10 950
6 640
117
61,8
37,8
0,1
Alte Welt
49 454
25 722
10 463
57,i
30,i
12,3
Neue Welt
23 760
10 279
363
69,0
30,0
1,0
Land . . .
73 214
36 001
10 826
61,o
30,o
9,0
Man entnimmt daraus, daß in der relativen Verteilung der
Steppen die Kontinente am wenigsten voneinander abweichen. Der
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Die Entwicklungsgeschichte der Florenreiche.
621
Hauptunterschied beruht auf der Wüstenverteilung, und der gewaltigen
Ausdehnung dieser Formation in Afrika und Australien ist es zu-
zuschreiben, wenn die alte Welt relativ viel unfruchtbarer erscheint,
als die neue.
Litteraturnachweise. ' Tanfiuew, Die Waldgrenzen in Südrußland
(russisch mit deutschem RcsumÄ), St Petersburg 1894. — 1 Vgl. die Karte von
Sargent in Petermanns Mitteilungen 1886, Taf. 12. — 3 Krasnow, Die Gras-
steppen der nördlichen Halbkugel (russ.), Moskau 1894. (Einen ausführlichen
Bericht von Woeikow s. Petermanns Mitteilungen 1895, Litteraturbericht Nr.36). —
4 Cheisty in den Proceediugs of the R. Geographical Society of London 1892,
S. 78. — 3 Ravenstein, ebendaselbst 1891, S. 27.
Die Entwicklungsgeschichte der Florenreiche.
(Siehe Karte XIX.)
Die tropische Florenzone. Aus Englebs Tabelle der dikotylen
Angiospermen geht hervor, daß von den 3617 Gattungen, die in der
warmen Zone Vorkommen, 93 ljt Prozent rein oder doch vorherrschend
tropisch und nur 6 1/2 Prozent in höheren Breiten heimisch sind.
Von den ersteren überschreiten nur ca. 20 Prozent die Tropenzone
und ca. 73 Prozent sind nur innerhalb derselben verbreitet. Die
Statistik bestätigt also die Eigenart und den Keichtum der tropi-
schen Flora; sie liefert aber auch den Beweis, daß die warmen
Gegenden der alten und neuen Welt, trotz der Übereinstimmung
der klimatischen Verhältnisse, in bezug auf die Flora bedeutend
von einander abweiclieu. Nur 12l/s Prozent der dikotylen Angio-
spermen haben beide Hemisphären gemeinsam, während 40 auf die
westliche und über 47 Prozent auf die östliche Halbkugel beschränkt
sind. Von den 458 gemeinsamen Gattungen sind nach Eng leb 180
überall verbreitet, 204 kommen aber nur auf den Festländern und
abgetrennten Inseln vor, und wunderten wahrscheinlich zu Lande,
als die gemäßigte Zone noch wärmer war und Europa tropische
Formen beherbergte. 17 Gattungen finden sich auch auf den
ozeanischen Inseln, und es ist wahrscheinlich, daß sie den Seeweg
benutzten, während bei 57 die Verbreitungsart sich nicht feststellen
läßt Wie in der genannten Pflanzengruppe, so tritt auch in anderen
der Gegensatz der alten und neuen Welt unverkennbar zu Tage.
So hat Amerika keine Palmengattung mit Afrika und Asien gemein,
und auch die Unterfamilien sind meist nur auf das westliche oder
das östliche Festland beschränkt.
Es bestehen also zwei getrennte tropische Florengruppen.
Innerhalb der südamerikanischen war die Entwicklung in den
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622
Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
feuchten östlichen Hoch - und Tiefländern eine andere , als im
trockenen andinen Westen. Ungleich mannigfaltiger ist aber, wie
nicht anders zu erwarten, die Gliederung der östlichen Gruppe.
Afrika, das durch ein Meer und eine Wüste von Asien getrennt ist,
wird durch eine verhältnismäßig geringe Zahl von Gattungen und
Arten charakterisiert, und alle Forscher bestätigten die Armut seiner
Flora, in der eine Reihe indischer Pflanzenfamilien fehlen. Der
Westen und Osten treten hier in einen ähnlichen Gegensatz zu-
einander, wie der Osten und Westen in Südamerika. Demselben
Kontraste begegnen wir in Asien, wo die vorderindische Flora eine
Mittelstellung zwischen der afrikanischen und der hinterindisch-
malaischen einnimmt. Die späte Angliederung Dekans an das
Festland hatte zur Folge, daß mehrere Formen, die vom Himalaja
nach Hinterindien sich verbreiteten, in Vorderindien fehlen, seihst
an der feuchten Westküste, wo doch alle natürlichen Bedingungen
ihrer Existenz erfüllt wären.
Von Vorderindien bis zum Paumotu-Archipel, Uber 170 Längen-
grade, stellt der Tropengürtel in bezug auf den allgemeinen Cha-
rakter der Flora eine Einheit dar; und wenn ihn die Pflanzengeo-
graphen trotzdem in mehrere Provinzen zerlegen, so leitet sie dabei
nur die Rücksicht auf den Endemismus der einzelnen Teile, die
durch die vorherrschende lnsularität genügend gerechtfertigt ist
Von besonderer Wichtigkeit für den Geographen ist nur die That-
saclie, daß die scharfe tiergeographische Grenze zwischen der indi-
schen und australischen Welt, die den malaischen Archipel in nahezu
gleiche Hälften teilt (S. 557), floristisch nicht existiert.* Es erinnern
daran nur einzelne australische Anklänge auf Neuguinea, Timor
und den Molukken, aber spätere Pflanzenwanderungen verwischten
nicht nur den ursprünglichen Charakter bis zur Torresstraße, sondern
verbreiteten indische Formen auch über die angrenzende australische
Küste bis nach Neuealedonien und die Fidschi-Inseln, sogar bis auf
die Nordinsel von Neuseeland.
Boreale Zone. Wenn die warme Zone vor der gemäßigten
durch einen ungleich größeren Pflanzenreichtum ausgezeichnet ist,
so läßt sich dies daraus erklären, daß dort seit der Zeit, als überall
tropisches Klima herrschte, die Entwicklung einen ungestörten Fortgang
genommen hat. „Die Araukarienwälder Sudbrasiliens“, sagt Palacky,
s Drude hat in seiner neuesten Einteilung allerdings auch hierher eine
Reichsgrenze verlegt, aber unter ausdrücklicher Anerkennung der Thatsache,
daß die Bedeutung der floristischen Grenze nicht an die der faunistischen
heranreiche. Gerade aus diesem Grunde vermögen wir aber auch ein melune-
sisches Florenreich nicht anzuerkennen.
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Die Entwicklungsgeschichte der Florenreiche. 623
„sind vielleicht seit der paläozoischen Zeit an derselben Stelle.“ In
den höheren Breiten hat sich aber nicht nur das Klima seit der Tertiär-
zeit wesentlich geändert, indem sich die Zonen allmählich in der
Richtung gegen den Äquator verschoben, sondern das große Inter-
mezzo der Eiszeit hat die tertiäre Pflanzenwelt auch stellenweise
vernichtet, so daß die davon betroffenen Länder in ihrer Entwicklung
wieder von vorn beginnen mußten.
Im scliroff'sten Gegensätze zu der tropischen Flora hat die ark-
tische einen circumpolaren Charakter. Allerdings finden wir, wenn
wir von Europa über Asien nach Amerika fortschreiten, Unterschiede,
aber diese sind nicht groß genug, um darauf eine Einteilung des
arktischen Gürtels in mehrere Provinzen zu gründen. Dazu ist vor
allem die sporadische Verbreitung vieler charakteristischer Arten
eine zu unregelmäßige. Wanderungen konnten hier entlang den
Küsten aus der alten in die neue Welt und umgekehrt ausgeführt
werden, und mit Hilfe der Meeresströmungen konnten sich die
Pflanzen auch leicht über die Inseln des Eismeeres verbreiten. In
dem nordischen Waldgürtel machen sich zwar schon provinzielle
Unterschiede geltend, aber noch umspannt Ein Reich die alte und
neue Welt. Weiter im Süden löst sich auch der Reichsverband, an
die Stelle eines Reiches treten vier.
Wir haben zu beachten, welche wechselnden Schicksale diese
Länder in junger geologischer Vergangenheit betroffen haben. So
war Mitteleuropa nach dem Schwinden der Eisdecke und nachdem
das Klima wieder ein gemäßigtes geworden war, ein pflanzenarmes
Land, das den einwandernden Gewächsen Raum genug zur Ansied-
lung bot. Seine Flora ist daher eine entlehnte, und es ist bezeich-
nend, daß das deutsche Tiefland keine endemische Form besitzt,
während die atlantischen Küstenländer, wo die Eiszeit nicht so ver-
heerend gewirkt hat, 29 eigentümliche Pflanzen aufweisen. Andere tief-
greifende Veränderungen haben die Steppengebiete Asiens erlitten.
Die ural-kaspische Niederung und das Hanhai Zentralasiens wurden
von der einstigen Wasserbedeckung befreit, und auch hier ward
Platz für neue Ansiedlungen geschaffen. Aber das trockene Klima
gewährte nur einer beschränkten Anzahl von Pflanzen die nötigen
Existenzbedingungen, und die Einwanderer mußten sich zum Teil
den veränderten Verhältnissen anpassen, um sich vor dem Unter-
gänge zu bewahren. Daher einerseits die Armut der Steppenflora,
anderseits ihr Reichtum an endemischen Formen trotz ihrer Jugend-
lichkeit.
Es giebt aber auch Gebiete, wo die floristische Entwicklung
seit der Tertiärzeit nicht so ungehemmt vor sich ging, wie in der
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624 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
Tropenzone, aber auch keine völlige Unterbrechung erlitt, wie in den
von glazialer Eisbedeckung heimgesuchten Gegenden. Solche Gebiete
sind die Mittelmeerländer, China und Japan. Hier begegnen wir
einem ausgeprägten Endemismus. Im Mittelmeergebiete zählt Gkise-
bach 2700 eigentümliche Pflanzenarten, von denen 816 auf Klein-
asien und Syrien und 782 auf die iberische Halbinsel kommen. Im
Vergleiche zum Areal sind aber Kreta, Corsica, Sicilien und Griechen-
land am reichsten ausgestattet. Japan, dessen Flora man genauer
kennt, besitzt sogar 44 endemische Gattungen, was allerdings zum
Teil auf Rechnung der Insularität kommt. Ein zweiter Charakter-
zug dieser Gebiete besteht in der Erhaltung tropischer Formen, die
aus einer Zeit stammen, als das Klima noch wärmer war. Im
mediterranen Bezirke haben nicht nur kräftige Holzgewächse, wie
die Zwergpalme, der Lorbeer, die Myrte, der 01- und Granatbaum,
der Feigen- und Storaxbaum u. a. den Klimawechsel überdauert,
sondern auch zartere Gewächse, wie der Jasmin oder der Akanthus.
Noch zahlreicher finden sich die Reste der Tropenzeit auf den
Azoren, Madeira und den Canaren (z. B. der bekannte Drachen-
baum, der einer auf Südarabien, Sokotra und Abessinien beschränkten
Species am nächsten verwandt ist), denn diese Inseln waren dem
Einflüsse der kontinentalen Klimaänderungen völlig entrückt.
In Nordamerika macht sich ein starker Gegensatz zwischen den
atlantischen und pazifischen Ländern bemerkbar. Die größere Hälfte
der californischen Arten ist endemisch; auf die ausserordentliche
Entwicklung der pazifischen Koniferen wurde schon an einer früheren
Stelle (S. 611) aufmerksam gemacht. Auch von den Laubhölzem
gehören 27 Arten nur dem Osten, 13 nur dem Westen an, und nur
30 sind beiden Teilen gemeinsam. Schon frühzeitige klimatische
Unterschiede scheinen auf den Entwicklungsgang beider Floren
eingewirkt zu haben, und dazu kommt noch, daß die einstige Wasser-
bedeckung der westlichen Steppen und später ihr trockenes Klima
einen Austausch der Pflanzen verhindert hat.
Dagegen steht die Flora der Vereinigten Staaten in innigen
Beziehungen zu der Ostasiens. Wir sehen hier ab von den iden-
tischen Arten in beiden Gegenden, die außerdem auch im arktischen
Gebiete leben und also auch unter den gegenwärtigen Verhältnissen
über die enge Beringstraße gewandert sein konnten. Anders ver-
hält es sich mit jenen 140 Species, die einerseits im östlichen Asien
oder auch auf dem Himalaja und anderseits in Nordamerika und
zum Teil sogar nur in der östlichen Hälfte dieses Kontinents gefunden
werden, und deren Wärmebedürfnis zu groß ist, als daß sie in der
Gegenwart eine Wanderung über die Beringstraße hätten unter-
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Die Entwicklungsgeschichte 4er Florenreiche. 625
nehmen können. Ihre Verbreitung mußte daher vor der Glazial-
periode erfolgt sein, und zu einem ähnlichen Schlüsse gelangen wir
in bezug auf jene (ca. 140) ostasiatischen Pflanzen, deren nächste
Verwandten Nordamerika bewohnen, und zwar ca. 110 Arten nur
das östliche und 7 nur das westliche Gebiet. Enqi<ek nimmt an,
daß ihre Urformen einst weiter im Norden lebten, daß ein Aus-
tausch über die Beringstraße stattfand, und daß sie dann in der
Urheimat ausstarben, während in den jetzigen Verbreitungsbezirken
vikariierende Arten sich ausbildeten.
Die neue und die alte Welt berühren sich an der Beringenge
und gehen nach Süden immer weiter auseinander. Diese geogra-
phische Anordnung spiegelt sich in den Floren beider Landfesten
wieder. Im äussersten Norden eine circumpolare Provinz; dann ver-
schiedene Provinzen, aber noch ein circumpolares Reich; dann ver-
schiedene Reiche, die aber doch unter einander und mit dem nor-
dischen Reiche soviele Beziehungen zeigen, daß man sie zu einer
Einheit höherer Ordnung, der borealen Gruppe, zusammenfassen darf.
Innerhalb der tropischen Zone ist der Zug gemeinsamer Ent-
wicklung schon schwächer ausgeprägt, die Gruppen der alten und
neuen Welt treten in schärferen Gegensatz zu einander, und noch
beträchtlich schärfer ist dieser Gegensatz in der nun folgenden
australen Zone entwickelt, wo ein ausgeprägter Endemismus auf
hohes Alter und lange Isolierung der einzelnen Florengebiete hin-
weist Man beachte sehr, daß die Florenzonen durchaus nicht
gleichwertige Einheiten sind; das Band, das sie umschlingt,
lockert sich nach Süden zu immer mehr. Nur in der borealen Welt
fallen die Begriffe Zone und Gruppe zusammen.
Australe Zone. Australien besitzt eine eigentümliche Flora,
zu deren bekanntesten Formen die Eukalypten, Casuarinen oder
Keulenbäume, Grasbäume u. s. w. gehören. Im allgemeinen kommen
hier 425 endemische Gattungen von Gefäßpflanzen vor; anderseits
fehlen 24 Familien, die sich Uber beide Hemisphären, und 7, die
sich nur über die südliche Hemisphäre verbreiten. Alle diese Um-
stände weisen darauf liin, daß Australien schon sehr frühzeitig von
dem übrigen Festlande getrennt war. Der Gesamtcharakter der Flora
ist auf dem ganzen Kontinent derselbe, aber in den Details weichen
die einzelnen geographischen Provinzen wesentlich von einander ab.
In Nord- und Ostaustralien beträgt die Gesamtzahl der endemischen
Arten über 40 Prozent; unter den anderen Arten herrschen die
tropischen, besonders die indischen Gewächse vor. In Victoria,
Tasmanien und Südaustralien ist der Endemismus am wenigsten
ausgebildet, und die Flora steht in inniger Beziehung zu der
Supan, Physische Erdkunde. 2. Aufl. 40
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626
Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
Neuseelands und der südlichen gemäßigten Zone überhaupt, ln West-
australien endlich sind 4/6 aller Pflanzen eigentümlich. Kein kon-
tinentales Land von gleicher Ausdehnung kann sich in Bezug auf
endemische Erzeugnisse mit diesem Gebiete messen, ja nicht einmal
eine ozeanische Insel mit Ausnahme von St. Helena. Es muß aber
hervorgehoben werden, daß in Westaustralien keine Familie vor-
kommt, die nicht auch im übrigen Australien zu finden wäre; da-
gegen fehlen zahlreiche ostaustralische Familien, besonders solche,
die auf größere Feuchtigkeit Anspruch machen, während die übrigen
z. T. reichlicher entwickelt sind. Westaustralien verhält sich also
zum übrigen Kontinent wie eine Insel, und eine solche war es auch
in der Kreide- und vielleicht auch noch in der Tertiärperiode, also
zu einer Zeit, als Australien mit den übrigen Ländern der südlichen
Halbkugel und mit der Tropenzone Pflanzen austauschte.
Am Kap der guten Hoffnung finden wir auf beschränktem
Areale eine merkwürdige Pflanzenwelt, die ebenfalls Zeichen eines
hohen Alters an sich trägt. Sträucher aus den Familien der Eri-
caceen, Proteaceen, Diosmeen, Bruniaceen u. s. w. herrschen vor,
und eine Menge von Lilien-, Orchideen- und Irisgewächsen mit
herrlichen Blüten lassen dies Ländchen fast als einen Ziergarten
erscheinen. Von 548 Gattungen kommen nur 256 auch im übrigen
tropischen Afrika vor; alle anderen sind endemisch. In Südamerika
wurde das junge Gebiet der Pampas und Patagoniens hauptsäch-
lich von Pflanzen der tropischen Andes und Brasiliens besiedelt,
dagegen zeigt das chilenische Waldgebiet neben stark entwickeltem
Endemismus auch Beziehungen zu den Floren von Australien und
Neuseeland. Nach Engler ist die Zahl der identischen Arten:
in Neuseeland und Australien 92
in Neuseeland, Australien, auf den südlichen Inseln oder
in Südamerika 84
nur in Neuseeland und auf den südlichen Inseln oder in
Südamerika . . . .• 84
Dazu kommen noch 27 verwandte Arten in Australien, Neuseeland
und Südamerika, und 14, die nur auf die beiden letzteren Gebiete
beschränkt sind. Neuseeland mit seinen kleinen Inseltrabanten
beherbergt also neben seinen eigentümlichen Formen, die 61,4 Prozent
seiner Flora bilden, noch Formen von großer Verbreitung in der
antarktischen Welt. Schon früher wurde darauf hingewiesen, daß
der Wald der Amsterdam-Insel vollständig übereinstimmt mit
dem Krummholze von Tristan da Cunha, und die Flora dieser
Insel zeigt wieder Verwandtschaft zu der australischen, neuseelän-
dischen und südchildnisehen, ebenso wie die der Kerguelen zu den
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Die Entwicklungsgeschichte der Florenreiche.
627
beiden letztgenannten. Nur im äußersten Süden kehren also Ver-
hältnisse wieder, die wenigstens einigermaßen an die arktischen er-
innern. Ob wir von einem circumpolaren antarktischen Florenreiche
sprechen dürfen, erscheint uns freilich noch fraglich; zum mindesten
sind die provinziellen Unterschiede stärker, als im nordischen Reiche.
Und es kann auch gar nicht anders sein; ein Florenreich, das aus weit
von einander entlegenen Inseln besteht, ist anderen Gesetzen unter-
worfen, als ein kontinentales.
Floristische Einteilung des Landes. Wir haben bereits ver-
schiedene Einteilungen, die in ihren wesentlichen Grundzügen zwar
übereinstimmen, in Einzelheiten aber sehr von einander abweichen.
Was der eine als Provinz bezeichnet, erhebt der andere zu dem
Range eines Reiches, und muß dann wieder eine höhere Einheit
schafl'en, um verwandtschaftliche Beziehungen zum Ausdrucke zu
bringen. Noch mehr Schwierigkeiten verursachen die Grenzen.
Scharfe Florengrenzen giebt es in der Natur nur dort, wo sie mit
einem Hochgebirge Zusammentreffen, sonst tritt überall an den
Grenzen Mischung ein, und die Linien unserer Karten tragen not-
wendiger Weise den Stempel der Willkür und Unnatur. Auf
Karte XIX sind einige solcher Mischgürtel hervorgehoben. Der
Hauptsache nach folgen wir der letzten Einteilung von Drude (1890)
unsere Bedenken gegen sein Melanesisch -Neuseeländisches Reich
haben wir schon oben ausgesprochen:
A. Boreulc Zone und Gruppe.
I. Nordisches Reich:
1. Arktische Provinz,
2. Mitteleuropäische Provinz,
3. Russische Steppenprovinz,
4. Sibirische Provinz,
5. Amurprovinz,
6. Columbische Provinz,
7. Canadischo Provinz.
II. Mittelmeer- und Orient-Reich,
III. Innerasiatisches Reich,
IV. Ostasiatisches Reich,
V. Mittel-Nordamcrikanisches Reich.
Wichtig die pazifische Provinz.
B. Tropische Zone.
a. Palaeotropische Gruppe:
VI. Afrikanisches Reich,
VII. Madagassisches Reich,
VIII. Indisches Reich.
Wichtig die Provinzgrenze an der Wallacc-Linic.
b. Neotropische Gruppe:
IX. Neotropisches Reich.
40*
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628 Die geographische Verbreitung der l’flanzen und Tiere.
C. Australe Zone.
a. Gruppe:
X. Australisches Reich,
Westaustralische Provinz!
XI. Kap-Reich.
b. Gruppe:
XII. Andines Reich,
XIII. Antarktisches Reich.
In bezug auf das Alter und die Entwicklung der Floren lassen
sich unterscheiden:
1) Die alten Floren:
a) die tropischen Eontinentalfloren, die seit der Tertiärzeit
sich ungestört entwickeln konnten;
b) alte Inselfloren, zu denen wir die australische und Kap-
flora zählen.
2) Mischfloren in Ländern, deren Klima sich seit der Tertär-
zeit allmählich geändert hat, wo aber die Entwicklung
nicht ganz unterbrochen wurde (Mittelmeergebiet, Ostasien,
atlantische Staaten von Nordamerika).
3) Junge Floren der Länder, welche nach der Tertiärzeit
mit Eis oder Wasser bedeckt waren:
a) Floren, welche ganz entlehnt sind (z. B. die des nord-
deutschen Tieflandes);
b) Floren mit eigentümlicher Entwicklung (Steppenfloren).
Hochgebirgsflora. Einer kurzen Auseinandersetzung bedürfen
noch die Floren der alpinen Region. Erhebt sich ein Gebirge,
so wird es zunächst von Pflanzen der umgebenden Niederung be-
siedelt; es entstehen, den veränderten klimatischen Verhältnissen
entsprechend, Varietäten, oder ältere Varietäten finden im Gebirge
besonders günstige Existenzbedingungen und können sich, wie die
ersteren, im Laufe der Zeit zu Arten befestigen. Jede Hochgebirgs-
flora — dies ergiebt die theoretische Betrachtung — muß also aus
zahlreichen endemischen Elementen bestehen, die aber mit der
Flora des benachbarten Tieflandes eng verwandt sind. So verhält
es sich in der That auch mit der Flora Abessiniens, des Kamerun-
gebirges, des Kilimandscharo, und der Gebirge von Australien, Tas-
manien und Neuseeland.
Eine wesentlich andere Zusammensetzung zeigt die aus 693
Species bestehende alpine Flora unserer Alpen. Es lassen sich in
ihr folgende Elemente unterscheiden: 1) Pflanzen, die aus den
niederen Gebirgsregionen und Ebenen in die alpine, ja sogar in die
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Die Entwicklungsgeschichte der Florenreiche. 629
Schneeregion (2600 — 4200 m Höhe) hineinreichen; 2) endemische
Species, im Ganzen 130 oder 19 Prozent; 3) Pflanzen, die erst in
den alpinen Regionen anderer Gebirge und im hohen Norden wieder-
kehren. */8 der alpinen Pflanzen finden wir in den Karpaten, über
die Hälfte in den Pyrenäen , '/* im fernen Altaigebirge, 1/a im
Kaukasus, einige sogar in Nordamerika. 92 Alpenpflanzen haben
in der arktischen Zone eine circumpolare Verbreitung, 138 kommen
nur in einzelnen arktischen Gebieten mit Einschluß des skandina-
vischen Hochlandes vor.
Das erste Element bedarf keiner weiteren Erklärung. Das zweite
muß als Überrest der alten Hochgebirgsflora aus der Tertiärzeit
aufgefaßt werden, das dritte endlich deutet auf Wanderungen hin,
die zu einer Zeit ausgeführt wurden, als die dazwischenliegenden
Landstriche eine ähnliche Flora beherbergten und ein ähnliches
Klima besaßen, wie jetzt die Hochgebirgsregionen. Wir begegnen
also auch hier wieder den Spuren der Eiszeit. Damals drang die
arktische Flora von Norden, die tertiäre Hochgebirgsflora der Alpen
von Süden nach Mitteleuropa vor und mischten sich hier im eis-
freien Gürtel, ja konnten sogar mitten im Eise auf Moränen sich
ansiedeln, wie auch jetzt noch die Moränen der Mt. Elias-Gletscher
in Alaska Sträucher und sogar Bäume tragen.1 Als das Klima
wieder wärmer wurde, drangen von allen Seiten andere Pflanzen-
elemente in die nordeuropäischen Niederungen vor, und die Glazial-
flora verschwand endlich aus der Ebene, denn sie scheut nichts so
sehr, als die Konkurrenz mit Bäumen, gesellig wachsenden Sträuchern
und rasenbildenden Gräsern. Daher reicht sie noch jetzt in Hoch-
gebirgen an jenen Stellen, wo ihre Feinde nicht fortkommen, z. B.
in den Kiesbetten der Flüsse, in tiefere Regionen herab; so sogar
in den Mooren und Heiden der deutschen Ebenen hinterließ sie
noch einige Spuren. Auch im deutschen Mittelgebirge, im Jura,
Schwarzwald und in den Vogesen, im Bayrischen Wald, in den
Sudeten und im Harz ist sie von Wald und Wiese noch nicht völlig
verdrängt worden; aber überall, wo die Viehzucht durch Düngung
des Bodens den Graswuchs befördert, ist sie ebenso im Verschwinden
begriffen, wie in den Mooren, wo künstliche Entwässerung den Boden
für neue Pflanzenansiedelungen vorbereitet. Nur im arktischen Ge-
biete einerseits, in den Hochgebirgsregionen anderseits hat sie auf dem
vom Eise verlassenen Boden günstige Lebensbedingungen gefunden;
aber es ist nun nicht mehr eine rein alpine und eine rein arktische,
sondern hüben wie drüben eine aus beiden Elementen gemischte
Flora.2
Glazialpflanzen, d. h. solche, deren Austausch in der Eiszeit
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630 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
erfolgte, bewohnen alle europäischen Hochgebirge, aber je weiter wir
nach Süden fortschreiten, desto seltener werden sie. In Griechen-
land ist die Hälfte der alpinen Flora endemisch, 46 Prozent hat
es mit den benachbarten Gebirgen oder mit den Alpen gemeinsam,
und 4 Prozent sind glazial. Im marokkanischen Atlas finden sich
nur noch sehr wenige für die Alpen und Pyrenäen charakteristische
Pflanzen und nur noch eine Glazialpflanze. Die Gebirge des tro-
pischen Afrika haben, wie bereits bemerkt wurde, ihre eigene Flora.
Glazialpflanzen bewohnen auch die zentralasiatischen Gebirge.
75 finden sich noch auf dem Himalaja, wovon 45 auch in den sibi-
rischen Gebirgen und im arktischen Gebiete, und 27 auch in den
mittleren europäischen Hochgebirgen vom Kaukasus bis zu den
Pyrenäen Vorkommen. Es ist aber nicht in allen diesen Fällen an-
zunehmen, daß das dazwischen liegende Land (und dasselbe gilt auch
von Südeuropa) mit einer arktischen Flora bedeckt war. Alpine
Pflanzen können einerseits auch im wärmeren Klima gedeihen, wenn
sie nur vor starker Konkurrenz geschützt sind, und anderseits
konnten sie auch über nicht allzu weite Zwischenräume von Gebirge
zu Gebirge transportiert werden, ohne die Ebene zu berühren. Da-
raus erklärt sich das zerstreute Vorkommen europäischer Pflanzen-
arten und -Gattungen auf den Höhen von Ceylon und auf den Vul-
kankegeln von Java; und noch leichter konnten solche Wanderungen
auf dem fast ununterbrochenen meridionalen Hochgebirgswalle Ame-
rikas ausgeführt werden. Auf den Rocky Mountains finden sich
Glazialpflanzen in größerer Anzahl nur bis 37 0 N., aber es kommen
solche auch in Mexico vor, und auf den südamerikanischen Andes
gehören einige Gewächse arktisch -alpinen Gattungen, wenn auch
anderen Arten an. Eine bemerkenswerte Ausnahme machen
Gentiana prostrata an der Magellanstraße und Trisetum subspicatum,
das sich bis zu den arktischen Inseln verbreitet hat. Das sind die
einzigen Fälle von Wanderungen von Glazialpflanzen über den Äquator
hinaus. Im östlichen Nordamerika sind sie nur bis zu den Weißen
Bergen in New' Hampshire, also nur bis zum 44. Parallel vorgedrungen,
aber hier machen sie noch 77 Prozent der alpinen Flora aus.
Moderne Veränderungen. Wir haben gesehen, daß die gegen-
wärtige Verteilung der Pflanzen in deren Entwicklungsgeschichte
begründet ist. Diese ist aber noch nicht abgeschlossen, und auch
die Verbreitungsgrenzen der Arten verschieben sich noch fortwährend.
Eine der merkwürdigsten Veränderungen ist der säkulare Wald-
wechsel, der für viele Gegenden Europas und Asiens außer allem
Zweifel gesetzt ist. Tn Graubünden dringt die Fichte siegreich gegen
die Lärche vor, und hier, wie im Jura, ist sie auch mit Erfolg be-
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Die Entwicklungsgeschichte der Florenreiche.
631
strebt, der Buche den Platz streitig zu machen. Man ist der An-
sicht, daß die Buche früher in gleicher Weise an die Stelle von
Eichen, Föhren und Birken getreten ist, denn diese Bäume kommen
jetzt nur mehr vereinzelt und in verkümmerten Exemplaren in den
Schweizer G-ebirgen vor. Für die dänischen Inseln ist übrigens
dieser Vorgang sichergestellt; dort, wo jetzt Buchenwälder sich aus-
dehnen, war der Boden einst mit Birken in Gemeinschaft mit Eichen
und Kiefern bestanden. In Westpreußen verdrängt die Kiefer die
Eiche und Birke, im russischen und sibirischen Nadelholz walde er-
obert die Birke (in Rußland im Vereine mit der Esche) immer
größere Areale. Die Ursachen dieser Erscheinung sind noch keines-
wegs genügend aufgeklärt, doch ist jedenfalls nicht immer ein Klima-
wechsel dabei im Spiele. Manchen dieser Vorgänge kann man mit
Christ als eine natürliche Brachwirtschaft bezeichnen, indem der
Boden, jahrhundertelang durch gewisse Pflanzengattungen ausgesogen,
diesen endlich nicht mehr die nötigen Existenzmittel gewähren kann,
wohl aber anderen Gewächsen, die andere Ansprüche an ihren Stand-
ort stellen.
Die auffallendsten Veränderungen, die im Laufe der historischen
Zeit in der Verbreitung der Pflanzen stattgefunden haben, sind aber
direkt oder indirekt ein Werk des Menschen. Die Physiognomie
alter Kulturländer, wie Chinas, der hindustanischen Ebene und des
Mittelmeergebietes hat sich gründlich geändert, aber kaum minder
die jüngerer Kulturländer, wie des übrigen Europas, Westindiens,
der östlichen Staaten Nordamerikas u. a», wo die kürzere Dauer des
menschlichen Einflusses durch die Energie der Arbeit aufgewogen
wird. Auch viele ozeanische Inseln, wie Madeira, die Canaren, St
Helena, die Comoren, Maskarenen u. a. haben seit ihrer Koloni-
sation ein völlig neues Pflanzenkleid angezogen. Fast überall be-
gann die Thätigkeit des Kulturmenschen mit der Ausroduug der
Wälder, an deren Stelle aber nicht immer Kulturland, sondern nur
zu häufig auch Einöden traten. In Europa * ist nur der nord-
russische Wald noch zum größten Teil unberührt. Im Gouverne-
ment Olonez bedeckt er noch 80 und im Gouvernement Wologda
noch 92 Prozent der Gesamtfläche, und diese Verhältniszahlen dürften
wahrscheinlich auch auf das sibirische Waldgebiet anwendbar sein.
x Nach Donnek (für Griechenland nach Chioros) beträgt die Waldfläche
in Prozenten des Gesamtareals:
Großbritannien 3,2
Dänemark . . 4,o
Niederlande . 5,»
Spanien . . 9,o
Belgien . . ll,i
Griechenland 12, s
Frankreich . 15,a
Rumänien . 17, o
Schweiz . . 19,«
Italien . . 22,«
Deutschland 25, j
Ungarn . . 26, i
1 Schweden . 29, s
I Österreich . 80,5
Norwegen . 31, i
{ Rußland . 39,2
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032 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
Eine Vermischung der Floren ist die unausbleibliche Folge
der Allgegenwart des Menschen. In den Mittelmeerländem gedeihen
jetzt trefflich die amerikanischen Kakteen und Agaven, die afri-
kanische Aloe und die australischen Eukalypten; namentlich die
letzteren, die erst 1854 eingeführt wurden und schon jetzt über die
meisten Küstenstriche, bei deren Entsumpfung sie ausgezeichnete
Dienste leisten, sich verbreiten. Die Savanen von Westindien sind
nicht mehr im ursprünglichen Zustande erhalten, seit das Guinea-
und Paragras zur Verbesserung der Weide eingeführt wurde. Süd-
europäische Gewächse haben sich zwischen die Gräser der Pampas
eingedrängt, und die Artischokendistel, deren Samen zuerst um
das Jahr 1769 in den Haaren eines Esels aus Spanien hierher ge-
langte, bildet bereits auf Flächen von mehreren hundert Quadrat-
kilometern zusammenhängende, undurchdringliche Dickichte von mehr
als Manneshöhe. Zahllose fremde Unkräuter sind mit den Kultur-
gewächsen nach Nordamerika, besonders in die atlantischen Staaten
eingewandert: der gemeine Natterkopf hat z. B. in manchen Gegen-
den von Virginien die einheimische Vegetation völlig verdrängt.
Ähnliches ist in Australien der Fall, wo in der Umgebung von Sydney
schon über 100 europäische Pflanzenarten, darunter viele schädliche
Unkräuter, sich ansässig gemacht haben.3 Wie die Kolonisation,
haben auch die Kriege stets zur Florenvermischung beigetragen,
und der rasch pulsierende Verkehr der Jetztzeit beschleunigt diesen
Prozeß außerordentlich. Besonders bemerkenswert ist die Thatsache,
daß entlang den Eisenbahnlinien neue Gewächse auftauchen, und
zwar nicht bloß an den Ausladestationen, sondern merkwürdigerweise
auch da, wo die Bahn Kurven beschreibt. Welche Dimensionen
diese Pflanzenverschleppung annimmt, geht schon daraus hervor,
daß auf der Strecke Augsburg-Haspelmoor gelegentlich der Getreide-
transporte 1 868 — 80 44 neue Phanerogamen in die Flora eingeführt
wurden.4
1 Litteraturnachweisc. 1 Drude, Die hypothetischen vegetationslosen
Einöden im temperierten Klima zur Eiszeit; in Petermanns Mitteilungen 1889. —
4 Peter, Ursprung u. Geschichte der Alpenflora; in der Zeitschrift d. Deutschen
und Östcrr. Alpeuvoreines 1885. — s Ausführlich haben die Veränderungen, die
der Mensch in der Flora Chiles und Califomiens bewirkte, Philippi u. Semi.kk
geschildert (Petermanns Mitteilungen 1886 u. 1888). — 4 Diese Angaben ver-
dankt der Verfasser der gütigen Mitteilung des Hru. Prof. A. Kirchhofe.
Die Nutzpflanzen.1
Ungleich wichtiger sind die Veränderungen, die der Mensch
durch Züchtung und Veredlung von Pflanzen bewirkt hat, die ihm
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Di« Nutzpflanzen.
633
zur Nahrung und Bekleidung, als Genuß- oder Heilmittel dienen.
„Es ist,“ sagt Unger,* „eine auf keine Weise in Abrede zu stellende
Thatsache, daß fast keine einzige jener Pflanzen, deren Teile als
Nahrung verwendet- werden, in ihrem ursprünglichen Zustande an-
genehm und wohlschmeckend war. Ihr vielfältiger Anbau, die Ver-
breitung auf Teile der Erde, die ihrer Ursprungsstätte ferne lagen,
ihre sorgsame Pflege und die der Natur abgelauschten Operationen,
wodurch sie selbst Veränderungen in Größe und Beschaffenheit, in
Gewebe und chemischer Konstitution hervorbrachte, haben nach und
nach eine Anzucht herbeigeführt, die von der ursprünglichen Be-
schaffenheit in dem Grade abweichen mußte, als die Hand des
Menschen über sie wachte. Ihr danken wir es, daß das Getreide,
die Knollengewächse nahrhafter, die Gemüsearten und das Obst
wohlschmeckender geworden sind.“
Allerdings ist es zunächst Aufgabe der Anthropogeographie, sich
mit den Kulturgewächsen zu beschäftigen, aber wir können uns nicht
versagen, auf einige wichtige Punkte hinzuweisen, welche unsere bis-
herigen Auseinandersetzungen ergänzen sollen. Zwei bedeutungsvolle
Gegensätze treten uns da vor Augen: der Kontrast zwischen
den Tropen und Polarländern, der aber durch allmähliche Über-
gänge ausgeglichen wird, und der Gegensatz zwischen der alten
und neuen Welt, den erst die neuzeitliche Kulturentwicklung der
europäischen Menschheit verwischt hat
Cerealien. Weitaus die wichtigsten NahrungspHanzen sind die
Getreidearten, deren Anbau die Grundlage jeder höheren Gesittung
ist; unter diesen sind wieder der Reis und Mais, der Weizen, der
Roggen und die Gerste am verbreitetsten und die eigentlichen Er-
nährer der ansässigen Menschheit.
Der Reis, dessen Heimat wahrscheinlich Indien ist, der sich
aber schon im hohen Altertum über die Kulturländer Süd- und Ost-
asiens verbreitet hat, ist nach Rein für wenigstens ein Drittel des
Menschengeschlechtes die vorwiegende tägliche Speise. Die Araber
brachten ihn nach Vorderasien, Europa und Afrika, und die Eng-
länder und Portugiesen nach Amerika, wo er namentlich in Süd-
carolina und in Brasilien große Bedeutung erlangte. Sein großes
Wärmebedürfnis beschränkt ihn auf jene Gegenden, die ihm während
seiner halbjährigen Entwicklungszeit eine Mitteltemperatur von wenig-
stens 20° C. gewähren können, ln der alten Welt erreicht er daher
nur stellenweise den 45. Nordparallel, in Amerika aber nur den 38.,
und auf der südlichen Hemisphäre überschreitet er nur selten den
Wendekreis. Sein außerordentliches Feuchtigkeitshedürfnis, das nur
eine schlechtere Abart, der Bergreis, nicht teilt, macht überdies
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684 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
seine Kultnr nur in den Niederungen möglich, wo die Felder leicht
bewässert werden können. Weniger empfindlich ist sein ameri-
kanischer Vertreter, der Mais, die einzige Getreideart der neuen
Welt, die sich in bezug auf Verbreitung mit den Cereahen der Ost-
feste messen kann. Bald nach der Entdeckung Amerikas gelangte
er in die Mittelmeerländer, nach Ostasien und nach Afrika, wo er
das einheimische Sorghum (Durrha oder Mohrenhirse) fast zu
verdrängen droht. In Europa gedeiht er nur südlich von 50° B.
und nur am Rhein noch unter dem 52. Parallel, während er
in seiner Heimat sogar noch am Red River, also unter 55° B.
trotz des rauheren Klimas mit bestem Erfolge angebaut wird. Dieser
Vorzug kann Amerika auch nicht durch die Kultur geraubt werden,
denn jener nordische Mais besteht aus Abarten mit kürzerer Vege-
tationsdauer, die eine Verpflanzung in fremde Erdteile nicht dulden.
Neben Reis und Mais ist noch der Weizen, die edelste aller Cere-
ahen, auf die wärmeren Gegenden beschränkt, flieht aber anderseits
auch große Hitze, daher er in den Tropen nur im Bereiche des See-
khmas oder in größerer Höhe angebaut wird. Aus Vorderasien
stammend, hat er sich schon in vorgeschichtlicher Zeit über die
benachbarten Länder verbreitet, und in der Neuzeit seinen sieg-
reichen Einzug in Amerika gehalten, wo er in den Vereinigten
Staaten von 1849 — 80 um mehr als 9 Längengrade nach Westen
vorgerückt ist. Im Mackenziegebiete reicht sein Anbau bis 62° B.
(Fort Simpson), aber im Westen nur bis 50° B.; in der alten Welt
betritt die Polargrenze des Winterweizens die norwegische West-
küste unter 65° B. und sinkt in Schweden und im westlichen Ruß-
land auf 60, und am Ural auf 58 0 B. herab. Auch in den mittleren
Breiten der Südhemisphäre begegnen wir seiner Kultur überall, in
Victoria und Südaustralien, im Kaplande, bei Buenos Aires, besonders
aber in Chile. Weniger Wärme als der Weizen beansprucht der
Roggen, der für das nördliche Europa und Asien der wichtigste
Brotlieferant ist; und am weitesten gegen die Pole dringt die Gerste
vor. Nur an der skandinavischen Westküste fällt unter dem Ein-
flüsse des Golfstromes die Getreidegrenze mit der Baumgrenze
(70° B.)x zusammen, dann aber entfernen sich beide Linien beträcht-
lich von einander, indem die erstere am bottnisehen Meerbusen auf
65° sinkt, von da bis zum Ural zwischen 65 und 66°, und in Sibi-
rien zwischen 61 und 62° liegt, dann entlang dem pazifischen Grenz-
x Neuere Anbauversuche von Gerste und Roggen ain lappländischen
Knaresce unter fi9° IS. haben gute Resultate erzielt (Petejuunns Mitteilungen
1888, 8. 188), man muß aber doch noch weitere Erfahrungen abwarteu.
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Die Nutzpflanzen.
635
gebirge cach Süden zieht, um die östliche Küste, deren Sommer-
temperatur durch das Auftauen des ochotskischen Meereises stark
erniedrigt wird, erst unter 50° B. zu berühren und in Kamtschatka
wieder bis 57° anzusteigen. Im Gebiete des nordamerikanischen
Kontinentalklimas reicht die Getreidegrenze bis 65° B., denn bei
Fort Norman am Mackenzie gedeiht die Gerste noch iu guten .Jahren.
Der Sommer ist hier kühler als an der sibirischen Getreidegrenze,
aber der Boden, dessen felsige Unterlage bald erreicht wird, taut
bis zu größeren Tiefen auf und ist daher wärmer. Von Labrador
Höhengrenze des Getreidebaues.
Europa:
Norwegen
64» N.
W. 340, 0. 540 m
Schottland
67
370
Sudeten
50
950—1270
Vogesen
48
910
Schwarzwald
48
1140
Jura
46
1200
W estalpen
44—47
1100—2050
Ostalpen
46—48
950—1880
Pyrenäen
42 V,
N. 1625, S. 1690
Apennin
42 >/,
1580
Ätna
87»/«
N. 1170, S. 1790
Sierra Nevada
87
N. 1830, S. 2470
Zentralasien:
Östliches Sajangebirge . .
51,7» N.
1520—1620 m
Altai'
49,7
1040
Kuenlun
86
2960
Karakorum
35 V.
4100
Himalaja
28
3600
Amerikanisches Hochgebirge:
Pelsengebirge
52*/,— 49» N.
1520 m
Mexico
19
3050
Costa Rica
10
2600
Columbia
5
3000
Quito
0
>»
3480 (östliche Kette)
Rolivia
16
s.
3900
Peru
19,8
i)
4270
Nördliches Chile ....
24
»
W. 3480, 0. 2600
Mittleres Chile
33
»
1700
schließt dieselbe Ursache, welche die Baumgrenze so weit herab-
drückt, auch den Getreidebau südlich von 51 0 B. aus. Aber während
sonst überall die Kartoffel sich nicht mehr dem Pole nähert, als die
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636 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
Gerste, kommt sie nach Missionsberichten noch in Hebron' an der
Ostküste von Labrador (58° B.) vor. Grönland liegt jenseits der
Getreidegrenze, die Färöer aber noch innerhalb derselben, und wahr-
scheinlich auch Island, wo Gerste im ganzen Mittelalter gebaut
wurde und auch neue Versuche wieder geglückt sind. 8 In Südamerika
werden noch bei Punta Arenas Roggen und Gerste gebaut; und docli
ist hier der Sommer beständig trüb und der wärmste Monat hat
nur eine Durchschnittstemperatur von 10,7°. Die Magellanstraße
gleicht hierin den Färöer, steht aber weit hinter dem getreidelosen
Nordsibirien* zurück. Aber hier ist der Boden nur oberflächlich
aufgetaut und die frühzeitig eintretenden Nachtfröste gefährden die
Existenz der Cerealien.
Daß aber unter sonst gleichen Verhältnissen doch die Sommer-
wärme für den Getreidebau entscheidend ist, beweisen dessen Höhen-
grenzen, über die uns vorstehender Auszug aus der Tabelle von
Berghaus4 Aufschluß giebt (S. 635).
Norwegen und Schottland zeigen uns, wie das trübe Seeklima
die Getreidegrenze in derselben Weise, wie die Baum- und Schnee-
grenze, herabdrückt. Daher steigt auch der Cerealienbau nirgends
soweit im Gebirge hinan, als im kontinentalen Klima von Asien
und in der regenlosen Zone der Andes, wo er 4000 m über-
schreitet. Aus demselben Grunde liegt seine Grenze in Armenien
am Wansee und Bingöl-Dagh in 2100 m, im umwölkten Kessel des
Goktscha aber nur in 1800m Höhe. In den Alpen senkt sich die
Grenzlinie im allgemeinen in östlicher Richtung, weil die von Nacht-
frösten freie Zeit im Osten kürzer ist, als im Westen. Auch die
Bauart des Gebirges ist von einschneidendem Einflüsse, denn davon
hängt unter sonst gleichen Verhältnissen die Erwärmung des Bodens
ab. Die klimatische Begünstigung der rhätischen Massenerhebung
drückt sich deutlich in der abnormen Höhenlage der Getreidegrenze
aus, die im Oberengadin 290, im Oberhalbsteiner Thale 200, im
Rheinwälder 180 und im Davoser 110 m über die Getreidegrenze
im unteren Rheinthale ansteigt
Andere Kulturpflanzen. Außer den Körnerfrüchten geben auch
einige Knollengewächse Mehl, aber ihre kulturgeschichtliche
Bedeutung ist viel geringer, weil sie weniger Pflege bedürfen
und daher nicht im gleichen Maße, wie das Getreide, erziehend
auf den Menschen einwirken. Nur die Kartoffel, neben dem Mais
x Temperatur des wärmsten Monats in Beresow (Westsibirien 04° B.) 16, 7°,
in Turuchansk (Mittelsibirien 66° B.), wo die Gerste nicht mehr reift, 1 5,1°, und
in Werchojausk (üstsibirien 67*/a° B.) 14,4°.
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Die Nutzpflanzen.
637
das wichtigste Geschenk Amerikas, hat eine Weltverbreitung, wenn
sie auch nur in den gemäßigten und kälteren Zonen als das „Brot
der Annen“ eine große Bedeutung erlangt hat. Wichtiger sind
noch die amerikanische Maniokpflanze und Batate und die in
der alten Welt heimischen Arons- und Yamswurzeln, die sich
zwar über beide Hemisphären verbreitet haben, aber im allgemeinen
doch nur auf die Tropenzone beschränkt bleiben. Ziemlich mühelos
ernähren sie hier eine träge Bevölkerung, der die Natur überdies
noch eine Menge der köstlichsten Baumfrüchte bietet Schon auf
S. 597 f. wurden die allerwichtigsten genannt, und ein längeres Ver-
zeichnis würde den Leser nur ermüden. An die Zone der tropischen
Kulturbäumo schließt sich jene der sogenannten Südfrüchte an (im
allgemeinen zwischen 34 und 44° Br.). Etwas weiter polwärts rückt
der Weingürtel, dessen äußerste Grenzen im nördlichen Teile der
alten Welt in 53 und 28 H B. liegen, denn zwischen den Wende-
kreisen gedeiht die Rebe nur in größeren Höhen. Noch weiter gegen
Norden gehen die Obstsorten der gemäßigten Zone; nach .Jessen
reichen Kirschen und Apfel in Westeuropa bis 65", in Rußland und
Sibirien aber nur bis 45° und im nordwestlichen Amerika nur bis
50" B. Dann folgt der Gürtel der Beerensträucher.
Die meisten der weit verbreiteten Fruchtbäume sind asiatischen
Ursprungs. Aber auch Amerika besitzt deren eine große Zahl, wie
es auch seine eigene wilde Rebe hat; einige tropische Gewächse,
wie die Guayava und der Zuckerapfel, haben sich rasch in Asien
heimisch gemacht. Doch gab auch in dieser Beziehung die alte
Welt weit mehr, als sie empfing.
Von den wichtigsten Genußmitteln lieferte Afrika den Kaffee,
Ostasien den Thee, Amerika den Cacao und Tabak. Kaffee und
Cacao sind auf die warme Zone beschränkt; der immergrüne Thee-
strauch ist zwar keine tropische PHanze, überschreitet aber den
40. Parallel nicht, und nur der Tabak ist größerer Verbreitung fällig.
Das Zuckerrohr, dessen drei Arten aus dem tropischen Asien stammen,
gedeiht in Südeuropa zwar bis zum 38." B., ist aber doch als ein
echtes Kind der warmen Zone zu betrachten, wofür der gemäßigte
Erdgürtel allerdings einen, aber nicht ebenbürtigen Ersatz in der
Runkelrübe besitzt. Fügen wir noch hinzu, daß die Gewürze, die
einst die Menschheit zu ebenso kühnen Unternehmungen an-
spornten, wie Gold und Silber oder die Pelztiere des Nordens, nur
den Tropen angehören; daß die Baumwolle, der wichtigste aller
Pflanzenfaserstoffe, ursprünglich auch tropisch ist, wenn ihre Kultur
auch nach amtlichen Erhebungen in den Vereinigten Staaten bis
zum 43. Parallel mit Erfolg ausgedehnt werden könnte ; — so
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638 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
wird unsere Vorstellung von der überquellenden Produktionskraft
der Tropenwelt einigermaßen ergänzt. Allerdings giebt es auch hier
traurige Einöden, aber mitten in den Sand- und Steinwüsten der
Sahara liegen inselgleich die Oasen, wo das Wasser in großen, der
Verdunstung entzogenen Vorräten sich sammelt, und im Schatten
der Dattelwälder dichtgedrängt tropische und subtropische Kultur-
gewächse gedeihen. Diese, durcli Trockenheit erzeugten Einöden
sind von ganz anderer Art, als jene der Polarzone, wo nur Treib-
holz einen unzuverlässigen Ersatz für den Baumwuchs gewährt, wo
einige Beeren, Flechten, Algen und Pilze die einzigen Nahrungs-
mittel sind, die das Pflanzenreich bietet, und der streifende Mensch
nur auf die Tierwelt angewiesen ist, die ihm Kleidung, Nahrung
und Tliran für seine Lampe liefert, welche die lange Wintemacht
kümmerlich erhellt.
Die ursprüngliche Armut der neuen Welt an Nutzpflanzen, die
um so mehr auffällt, als Amerika in Bezug auf die Gesamtzahl
seiner Pflanzen im Verhältnisse zu seiner Größe die alte Welt viel-
leicht übertrifft, ist in unserer Darstellung schon zur Genüge hervor-
getreten, trotzdem daß diese nur auf das allerwichtigste Rücksicht
nahm. Noch prägnanter kommt sie in folgender, von Hock6 zu-
sammengestellten Tabelle zum Ausdrucke:
Davon heimisch
Mit Berück-
Gesamt-
in der
sichtigung des
Areals x verhält
zahl
Alten
Neuen
sich die neue
Welt
Welt
Welt zur alten =
Obstarten
95
71
24
1 : l,ii
Getreidearten
28
26
2
5, TS
Knollen- u. Wurzelgewächse
29
21
8
1.«
Hülseufrüchte
19
18
1
8,o»
Gemüse
28
28
—
—
Pflanzen, die erregende Ge-
tränkeod.Nareotica liefern
16
10
6
0,74
Gewürzpflanzen ....
33
29
4 •
3,m
Arzneipflanzen ....
32
24
8
1,33
Technisch verwertbare
Pflanzen
38
35
3
5,18
Öle und Fette liefernde
Pflanzen
9
7
2
1,56
Summe
327
269
58
2,o.
x Da die alte Welt der Fläche nach sich zur neuen Welt wie 9 : 4 verhält,
so muß man, um ganz gerecht zu sein, die Beiträge beider Welten auf das gleiche
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Die Lebensbedingungen der Tierwelt.
639
Auf der östlichen Halbkugel ist der australische Kontinent sehr
arm an einheimischen Nutzpflanzen, und auch Afrika kann den Ver-
gleich mit Asien nicht aushalten. Zieht man auf einer Karte in
Mercators Projektion eine gerade Linie von Irland bis zu den Mo-
lukken, so häufen sich um dieselbe, wie Unoer gezeigt hat, die
meisten und wichtigsten Nahrungspflanzen an: die des malaischen
Archipels, von Vorder- und Hinterindien, von Persien und Armenien,
des Kaukasusgebietes und der Krim, von Griechenland, Italien und
Mitteleuropa. Eine ebensolche, nach Nordwesten gerichtete bro-
matorischex Linie wies Ungek auch in Amerika nach. Um
sie gruppieren sich Brasilien, Guayana, Peru, Ecuador, Columbia,
Zentralamerika, Mexico und Westindien; und nur die atlantischen
Vereinsstaaten, die ebenfalls ein ursprüngliches Zentrum von Nahrungs-
gewächsen sind, liegen abseits von jener Linie.
Litteraturnach weise. 1 Candolle, Der Ursprung der Kulturpflanzen.
Leipzig 1884. — * Unoer, Botanische Streifzüge auf dem Gebiete der Kultur-
geschichte; in d. Sitzungsberichten d. Wiener Akademie d. Wissenschaften,
Math.-naturwiss. Klasse 1857. Bd. XXIII. — 3 Vgl. Nature 1885, Bd. XXXII.
S. 116. — * Berouacs, Höllentafel von 100 bekannteren Gebirgen, in Behms
Geographischem Jahrbuch, Bd. I. 1866. — 5 Hock, Die nutzbaren Pflanzen und
Tiere Amerikas und der alten Welt, Leipzig 1884.
Die Lebensbedingungen der Tierwelt.
Ebenso intim, wie die Beziehungen des Menschen zur Pflanzen-
welt, ist sein Verhältnis zu den Tieren, von denen er sich einige
zu Hausgenossen erzogen hat, während er andere der Nahrung oder
des Pelzes oder einer anderen Beute wegen verfolgt oder als gefähr-
liche Feinde bekämpft. Im übrigen erregt aber die Fauna in
geringerem Grade, als die Flora, das Interesse des Geographen, denn
selten tritt sie im Landsehaftsbilde bedeutungsvoll hervor, und sie
drängt sich nicht unmittelbar, wie die Vegetationsformen, dem Auge
des Beobachters auf, sondern will erst gesucht werden. Dagegen ist
ein anderes Moment, auf das wir bei unseren Betrachtungen über den
Ursprung der Inseln schon wiederholt aufmerksam gemacht haben, von
hervorragender geographischer Wichtigkeit. Die Veränderungen der
Erdoberfläche spiegeln sich in der Verbreitung einiger Tierklassen,
Areal reduzieren. Höck thut dies in der Weise, daß er die altweltlichen Arten
mit 4, die neuweltlichen mit 9 multipliziert. Dann findet man z. B., daß die
alte Welt zwar absolut mehr Pflanzen, die erregende Getränke liefern, erzeugte,
als Amerika, relativ aber weniger (6 x 9 : 10 x 4 = 1 : 0,u).
s ßtiHifia = Nahrung, öfjos = Grenze.
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640 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
vor allem der Landsäuger, getreuer wieder, als in der Verteilung
der Pflanzen, denen sogar die meisten flugfähigen Tiere in Bezug
auf die Verbreitungsmittel nachstehen. Es wird die Aufgabe des
nächsten Abschnittes sein, auf diesen Punkt näher einzugehen, wäh-
rend wir uns in diesem nur auf eine kurze Besprechung jener geo-
graphischen Momente einlassen wollen, die das Tierleben bedingen.
Es sind dies vor allem die Nabrung und die Wärme.
Beziehungen zwischen der Tier- und Pflanzenwelt Im Gegen-
sätze zu den Pflanzen sind die Tiere hauptsächlich auf organische
Nahrung angewiesen und daher durch die Pflanzenwelt bedingt, ent-
weder direkt, wie die Pflanzenfresser, oder indirekt, wie die Fleisch-
fresser. Es gilt dies ebensowohl für die Landtiere, wie für die Tiere
der hohen See, denn auch die Oberfläche des Meeres entbehrt nicht
des Pflanzenlebens, wenn sich dieses auch nur auf die niedrigsten
Formen, auf mikroskopische Algen beschränkt Wenn sich in den
polaren Breiten die Sonne senkt, so tauchen unzählige Diatomeen-
schwärme an der Oberfläche des Meeres auf, das sie in einen dicken
Schleim, das „Schwarzwasser“ der Nordpolfahrer, verwandeln.
Ihnen folgen, wie Th. Fuchs1 gezeigt hat, die Ruderschnecken und
kleine Krebse, diesen wieder zahlreiche Fische, und diesen endlich
die Räuber der hohen See, die Delphine und Walfische. In wärmeren
Meeren kommen Diatomeen hauptsächlich nur in der Nähe von Fluß-
mündungen vor, meist werden sie aber durch Fadenalgen und
Schwingfäden ersetzt, die im Indischen Ozean in so großen Mengen
auftreten, daß das Wasser stellenweise einen sumpfigen Geruch annimmt.
Ja manche dieser Algen scheinen sogar des Lichtes entbehren zu
können, denn die Plankton-Expedition i. J. 1889 fischte solche noch
in Tiefen von 1000 — 2000 m auf.2
Es ist auch klar, daß zwischen den Pflanzen einerseits und den
monophagen Tieren andererseits ein bestimmtes Zahlenverhältnis be-
stehen muß, denn die Nahrung wird nicht völlig in Fleisch ver-
wandelt, sondern zum Teil unverdaut ausgeschieden, zum Teil zur
Erzeugung von tierischer Wärme, sowie zur Ausübung der tierischen
Funktionen verbraucht. „Nehmen wir einmal — sagt Semper3 —
ganz willkürlich an, es sei das Verhältnis zwischen der vom Boden
erzeugten Pflanzenmenge und der durch Umsetzung dieser ermög-
lichten Masse von Pflanzenfressern wie 10:1, so würden in dem vor-
hin angenommenen Areal von 1000 Einheiten Pflanzen nur 100 Ein-
heiten (Individuen) pflanzenfressender Tiere leben können. Das
Maximum von Nahrung, welche damit den monophagen Fleischfressern
geboten wäre, würde nur noch 100 Einheiten betragen. Aber bei
der Umsetzung dieser 100 Einheiten tierischer Nahrung in die Organe
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Die Lcbenebedinguugen der Tierwelt. 641
der Fleischfresser würde abermals ein sehr bedeutender Verlust ent-
stehen; organische Substanz würde verbrannt, das Unverdauliche
(Haare. Hufe, Hörner) würde ausgestoßeu werden; und wenn das
Verhältnis wieder so wäre, daß 10 Eiuheiten tierischer Nahrung
nur eine Einheit tierischen Körpers bilden könnten, so würden von
dem Maximum von Nahrung, wie es durch Pflanzenfresser darge-
boten wäre, höchstens 10 Fleischfresser wirklich existieren können.“
In dem angenommenen Falle ist also das Verhältnis der Pflanzen
zu den Pflanzen- und Fleischfressern gleich 1000:100:10. Da-
mit stimmt die Thatsache überein , daß unter den Wirbeltieren
nur die Pflanzenfresser in großen Herden leben, während die Kaub-
tiere seltener sind und sich meist in kleine Familien absondern.
Es hängt ferner damit zusammen, daß die Zahl der Pflanzenfresser
mit der Üppigkeit der Vegetation gegen den Äquator zunimmt, wenn
auch die Entwicklung der tropischen Fauna mit der der Pflanzen-
welt nicht gleichen Schritt hielt.
Es leuchtet auch ein, daß streng monophage Tiere von ihrer
Umgebung abhängiger, als die Vielfresser, sind und daher auch eine
beschränktere Verbreitungsfähigkeit besitzen. Einschneidende Ver-
änderungen in der Pflanzenwelt, wie solche sich in der geschichtlichen
Zeit auf ozeanischen Inseln (s. S. 573) und in Kulturländern voll-
zogen, haben stets auch täunistische Änderungen im Gefolge, wobei
freilich nicht immer der Wechsel der Nahrung das entscheidende
Moment ist. Denn abgesehen davon sind auch die Lebensgewohnheiten
vieler Tiere an bestimmte Vegetationsformationen gebunden. Die
Arten, viele Fledermäuse, die Hirsche, die Eichhörnchen, die meisten
Raubvögel, alle Klettervögel, die meisten Tauben und Hühner u. s. w.
leben z. B. nur im Walde; und die Vierfüßer unter denselben können
weite baumlose Landstriche nicht überschreiten. Daß das russische
Eichhörnchen in der Krim fehlt, hat daher v. Baeb mit Recht als
einen Beweis für das hohe Alter der südrussischen Steppen ange-
sehen. Für andere Tiere, wie für das Zebra, das Kamel, die
Giraffe, viele Antilopenarten u. s. w. bilden dagegen die Wälder feste
Schranken, während wieder andere Tiere — es sei hier z. B. an
den Wolf erinnert — den Wald ebenso, wie die Steppe durch-
streifen.
Färbung. Noch eine andere Beziehung besteht zwischen vielen
Tieren und ihrem Wohnort. Es gereicht den Tieren zum Schutz,
wenn sie sich durch die Färbung möglichst wenig von ihrer Um-
gebung abheben, denn dadurch können sie sich am sichersten der
Aufmerksamkeit ihrer Feinde entziehen. Die Tierfarbe der Polar-
gegenden ist daher weiß, die der Wüsten isabellgelb, die der Steppen
Süpan, Physische Erdkunde. 2. Aufl. 41
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642 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
dunkelgelb; auf Felsen lebende Tiere sind grau gefärbt; in gleicher
Weise sind die grünen Vögel und Insekten der Tropenwälder ge-
schützt. Selbst die gewaltigen Raubtiere, die außer dem Menschen
keinen Gegner zu fürchten haben, tragen die Farbe ihres Wohnortes,
denn diese macht es ihnen möglich, sich unerkannt dem arglosen
Opfer zu nahen. Der Löwe, der König der Steppe, ist gelb, und
der Tiger zeigt sogar die Rohrstängel der Bambusdickichte in
den schwarzen Streifen seines Felles. Diese Erscheinungen hat man
unter dem Namen der Anpassung an den Wohnort zusammen-
gefaßt.
Die Schutzfarben sind also geographisch bedingt. Das gilt
aber nicht von den anderen Farben der Tiere. Die auffallende
Menge schön gefärbter Tiere in den Tropen, besonders aus den
Klassen der Vögel und Insekten, verleitete zwar ältere Forscher zu
der Ansicht, daß die Farbe hauptsächlich vom Licht abhänge, aber
die DARwmsche Theorie hat auch in diesem Punkte, wie in so vielen
anderen, zu richtigeren Anschauungen geführt Besonders Wallace4
machte auf eine Reihe von Thatsachen aufmerksam, die sich mit der
älteren Erklärung nicht vereinbaren lassen, und seine Autorität wird
durch zwölfjährige Beobachtungen in den Äquatorialgegenden ge-
stützt. Er giebt zu, daß die heiße Zone an prächtig gefärbten
Tieren absolut reicher ist als die gemäßigte, ob aber auch relativ,
wagt er nicht zu entscheiden. Denn neben jenen, die dem Nord-
länder am meisten auffallen, giebt es dort nicht minder zahlreiche
einfarbige und mattgefärbte Tiere; manche Vögel, wie z. B. die
Drosseln, die Zaunkönige oder die Falken, erscheinen unter den
senkrechten Strahlen der Tropensonne nicht in einem bunteren
Kleide , als in unseren Gegenden ; ja die arktischen Enten
und Taucher sind schöner geschmückt, als ihre tropischen Ver-
wandten. Zu den prächtigsten Tieren gehören unstreitig die Gold-
und Silberfasanen, obwohl ihre Heimat außerhalb der Wendekreise,
im nördlichen China und in der Mongolei liegt. Anderseits findet
sich dort, wo das Licht am intensivsten wirkt, in der Sahara,
eine Fauna mit der einfachen Farbe des Wüstensandes, und die bun-
testen Tiere leben im Halbdunkel des tropischen Urwaldes. Damit
entfällt aber auch jeder Zusammenhang zwischen physikalischen
Verhältnissen und jenen Farben, die Wallace als Trutzfarben, ge-
schlechtliche und typische Farben bezeichnet; ihre Erklärung gehört
ausschließlich in den Kreis der zoologischen Aufgaben.
Abhängigkeit der Tiere von der Temperatur. Die Abhängig-
keit des Tierlebens von der Wärme zeigt sich wie bei den Pflanzen,
in einer allmählichen Abnahme gegen die Pole. Die untenstehende
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Die Lebensbedingungen der Tierwelt.
643
Tabelle, x die sich auf die Kataloge von Wallace stützt, giebt uns
von dem faunistisclien Gegensätze der Tropen und höheren Breiten
eine bessere Vorstellung, als lange Schilderungen es zu thun ver-
möchten. Auch auf gleiche Flächen bezogen, ist der Artenreich-
tum der Tropen ungleich größer, als in der gemäßigten und kalten
Zone, und tritt auch in einigen Ordnungen, die in unseren Breiten
gut bekannt sind (wie z. B. in denen der Singvögel, Spechte und
Tauben), mit überraschender Schärfe zu tage. Aber auch hier ist
das Problem nicht einfach mit dem Hinweise auf die gegenwärtigen
Temperaturverhältnisse zu lösen. Wir wissen nämlich, daß sich in
der Tertiärzeit die jetzige tropische Fauna zugleich mit tropischen
Ptianzenformeu in höhere Breiten erstreckte, daß Europa damals
von Elefanten, Nashörnern, Flußpferden, Affen und Halbaffen, Beutel-
tieren und Zahnarmen Säugetieren (Edentaten) bewohnt war. Die
Eiszeit unterbrach hier die normale Entwicklung, die in der warmen
Zone, wo das Klima seit den früheren geologischen Perioden sich
nicht wesentlich geändert hat, ungestört vor sich gehen konnte.
„Der Kampf ums Dasein,“ sagt Wallace, „sofern er sich gegen
die Naturkräfte richtete, war hier stets leicht; Nahrung gab es in
Unmasse und in ununterbrochener Zufuhr; Schutz und Obdach waren
stets leicht zu haben; die Änderungen der physischen Bedingungen,
welche nur durch kosmische Gesetze oder geologische Ereignisse
veranlaßt wurden, waren notwendigerweise so langsam, daß Variation
und Zuchtwahl sich ihnen anbequemen und die üppige Fülle von
Organismen in einem schönen, harmonischen Gleichgewicht mit jenen
Bedingungen erhalten konnten.“
Noch auf einen anderen wichtigen Punkt muß aufmerksam ge-
macht werden. Die Tiere sind in viel geringerem Grade, als die
Pflanzen, von der mittleren Wärme abhängig; und dazu kommt
noch, daß. viele von ihnen in der ungünstigen Jahreszeit in wärmere
Distrikte sich zurückziehen können. Die amerikanischen Kolibris,
echte Tropenbewohner, verbreiten sich in einigen Arten an der
Westküste bis zum 61.° N., in Canada bis zum 57.°, auf der süd-
lichen Hemisphäre bis zum Feuerlande, wo sie selbst im Schnee-
* Klassen
Kein tropische
Rein außer-
tropische
Familien
Gemeinsame
der Laudwirbeltiere
Familien
Familien
Landsäugetiere . . .
37
5
32
Vögel
61
11
61
Reptilien
28
4
27
Amphibien ....
8
5
9
Summa: 134
25
129
41*
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044 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
sturme beobachtet wurden, und steigen auf dem Chimborazo bis zur
Schneelinie (4900 m) empor. Die Purpurschwalbe verbreitet sich
nach Torkll von 9° S. bis 67° N. Der Tiger und Panther, die
wir in unserer Vorstellung stets mit einem heißen Klima verbinden,
streifen bis in das südliche Sibirien; ob sie sich auch dauernd in
Zentralasien aufhalten, ist nicht bekannt. Die Papageien reichen
im neuseeländischen Distrikte, wo auch die Palmen ihre größte Pol-
höhe erreichen (s. S. 595), bis zum 54. Breitengrade (Insel Macquarie);
und ein Experiment von Bcxton belehrt uns, daß sie auch in den eng-
lischen Wäldern im Freien überwintern und sich fortptlanzen können,
denn selbst bei einer Temperatur von — 7° ging kein einziges Exemplar
zu Grunde. Es unterliegt also keinem Zweifel, daß einige tropische
Tiere auch kältere Klimate ertragen können, aber in der Kegel nur
dann, wenn sie keinen großen Temperaturschwanklingen
ausgesetzt sind. Das ist eben der Charakterzug, den das Seeklima der
höheren Breiten mit dem Aquatorialklima gemein hat (vgl. Karte VIII).
Wir verstehen jetzt, warum tropische Tiere auf der südlichen Halb-
kugel sich mehr dem Pole nähern, als auf der nördlichen; ander-
seits kommen wir zur Erkenntnis, daß z. B. die Thatsache, daß
Westeuropa keine Papageien beherbergt, nicht durch die Isothermen
bedingt ist, sondern offenbar nur mit der Entwicklungs- und Ver-
breitungsgeschiclite dieser Ordnung zusammenhängt.
Tropische Tierwelt. Trotz des faunistischen Reichtums des
heißen Erdgiirtels wird hier die Tierwelt von der üppigen Vegetatious-
fülle doch völlig erdrückt. „Der erste Eindruck, den man in den
Tropenwaldungen empfängt,“ sagt Wallace, „ist der, daß fast kein
tierisches Leben zu finden ist Man will das Wild, das Geflügel,
die Insekten sehen und späht gar oft vergebens nach ihnen aus.“
Am meisten fallen nicht die großen Säugetiere, sondern die Tag-
schmetterlinge auf, die sich durch Arten- und Individuenzahl, durch
Größe und Farbenpracht von denen der gemäßigten Zone wesentlich
unterscheiden. Bei Para (an der Amazonasmündung) allein hat mau
über 700 Arten gesammelt, während England nur 54 und Deutsch-
land nur ca. 150 besitzt. Ebenso setzt die Größe mancher Artende n
Reisenden in Erstaunen, denn einige Papilioniden und Morpliiden
messen mit ausgespannten Flügeln 15 — 20 cm. Von den übrigen
Insekten machen sich besonders die Ameisen durch ihre Allgegen-
wart und Zerstörungswut unangenehm bemerkbar; manche dringen
in die Häuser ein und fressen alles Genießbare, so daß man die
Möbel auf Klötze oder Steine stellen und diese in wassergefüllte
Behälter setzen muß, um sie vor der Invasion der Ameisen zu
schützen. Zahlreich, groß und teilweise brillant gefärbt sind auch
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Die Lebensbedingungen der Tierwelt.
645
die übrigen Insekten, wie die Bienen, Wespen, Kiifer, und von den
ungezügelten Gliedertieren hauptsächlich die Spinnen, Skorpione
und Tausendfüßer. Namentlich von den letzteren sieht man oft
riesige Exemplare; aber es giebt auch Spinnen, deren Leib 5 cm
lang ist, und die mit ausgestreckten Beinen 15 cm messen. Ihre
Gespinste sind manchmal so stark wie Seide und können selbst
größeren Tieren gefährlich werden; hat doch Bates beobachtet, wie
eine Spinne aus dem südamerikanischen Geschlecht« Mygale einen
Vogel tötete. Die Größe der Insekten ist unstreitig geographisch
bedingt, nämlich durch die reichliche Nahrung und die geringe
Wärmeschwankung, die das Wachstum der Larven niemals unter-
bricht
Nach den Insekten sind die Vögel am zahlreichsten und, wie
jene, durch glänzende Färbung ausgezeichnet. Außerordentlich häutig
begegnet man auch den Eidechsen, die sogar in die Häuser dringen,
während die Schlangen glücklicherweise nicht in so großen Mengen
auftreten und nur in trockenen Distrikten sehr lästig werden. Da-
für zeugt aber die Größe mancher Arten aus dieser Klasse von der
unerschöpflichen Lebensfülle der Tropenwelt. Ein Schlinger der
alten Welt erreicht eine Länge von 8 m, aber er wird weit über-
troffen von der südamerikanischen Anakonda, die 12 m mißt und
selbst ausgewachsene Binder bewältigt und verzehrt Zu den her-
vorstechenden Charaktertypen «1er Tropenfauna können auch die all-
gemein verbreiteten Krokodile x und ihre beiden Verwandten, der
ostindische Gavial und der amerikanische Alligator, gerechnet wer-
den, obwohl letzterer auch im unteren Mississippi und in Texas
heimisch ist. Von den Amphibien sind nur die Kröten und Frösche
häutiger, und von den Landsäugern sind die Affen und die Flatter-
tiere, die zwischen den Wendekreisen den Höhepunkt ihrer Ent-
wicklung erreichen, als tropische Repräsentanten zu nennen, denn
die zahlreichen anderen Familien fallen entweder nicht auf oder
sind nur auf kleine Bezirke beschränkt Hinzuzuftigen wären viel-
leicht nur noch die Edentaten, insofern diese seltsamen Überreste
einer alten Fauna, die sich nur in den warmen Ländern noch er-
halten haben, den Zusammenhang der jetzigen tropischen Tierwelt
mit der tertiären uns besonders klar vor Augen führen.
Arktische Tierwelt. Betrachten wir nun das Gegenstück zu
diesem Tropenhilde, die arktische Fauna. Die Familienznhl der
Landsäugetiere, die in den südlichen Reichen 69 beträgt, ist hier
auf 8 zusammengeschmolzen, und auch «liese sind nur durch ca.
x Im Sinne der Systematik von A. Günther.
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646
Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
16 Arten vertreten. Der König der Eiszone ist der Polarbär, der
sich an Größe und Kraft mit den tropischen Katzen mohl messen
kann; der Polarfuchs und Fjällfras (irrtümlich Vielfraß genannt) be-
gleiten ihn durch das ganze Gebiet. Wölfe werden noch stellen-
weise in arktischen Gegenden angetroffen, wenn sie auch nicht zu
den eigentlichen Polartieren gehören, wie ein anderer Vertreter der
Familie der Canidae, ein wolfähnlicher Hund, von dem der Eskimo
im nordwestlichen Grönland völlig abhängig ist Die arktischen
Ausläufer der Wiederkäuer sind das Rentier und der Bisamochs,
der jetzt nur noch in Amerika und Grönland vorkommt, und die
Nagetierordnung ist durch die Polarhasen, die niedlichen Lemminge und
die kosmopolitischen Mäuse vertreten. Aber so dürftig auch die polare
Säugetierfauna ist, so entbehrt doch, soweit man die Zone kennt,
keine Gegend derselben völlig. Rentiere trafen Kane und Hayes im
nordwestlichsten Teil von Grönland, Fährten dieses Wiederkäuers
fand man in Franz-Josef-Land ; der nördlichste Eisbär wurde von
der österreichisch -ungarischen Expedition unter 81 ll2° B. erlegt.
Von Landvögeln verzeichnet Tobell 5 nur 45 Arten, während die
Wat- und Schwimmvögel durch 114 Arten vertreten sind. Gegen
den Pol hin nimmt die Artenzahl rasch ab, denn während z. B. die
Sperlinge südlich vom 68. Parallel noch in 20 Arten Vorkommen,
werden sie nördlich davon auf 4 und jenseits des 74.° B. auf 2 Arten
reduziert. Die meisten Vögel wandern im Winter und kehren im
Frühjahre wieder nach dem Norden zurück, um hier in großen
Gesellschaften (sog. „Vogelberge“) zu brüten. Selten finden sich
Reptilien; die Insektenfauna ist besonders nördlich vom 73. Pa-
rallel sehr ärmlich. In der letzteren herrschen die Zweiflügler,
die für ihre ersten Entwicklungsstadien nur eine kurze Zeit bedürfen,
entschieden vor; Mückenschwärme hinderten John Ross’ Mannschaft
unter 70° B. an der Arbeit; sie sind in vielen polaren Gegenden
eine wahre Landplage. Das Tierleben tritt also auch hier zurück,
wie in den Tropen, freilich aus einem ganz anderen Grunde und
in ganz anderer Weise. Kein Laut stört die feierliche Stille der
nordischen Einöde, aber das muntere Tierleben des Meeres zeigt
uns, daß wir auch hier noch nicht an den Grenzen der organischen
Welt angelangt sind.
Vertikale Verteilung. Die Abnahme der Landtiere gegen die
Pole kehrt selbstverständlich auch in vertikaler Richtung im Ge-
birge wieder. Nur sind die Höhengrenzen der beweglichen Tiere
selten so genau zu fixieren, wie diejenigen der Pflanzen, die an den
Hoden gefesselt sind; und es ist erklärlich, daß zeitraubende syste-
matische Untersuchungen in dieser Richtung nur selten angestellt
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Die Lebensbedingungen der Tierwelt. 647
werden. Doch lassen sich aus den vorhandenen Beobachtungen in
verschiedenen Teilen der Alpen einige Sätze von allgemeinerer Be-
deutung ableiten. Heek“ zeigte, daß im Kanton Glarus die verti-
kale Abnahme der Arten in der Tierwelt viel rascher erfolgt, als in
der Flora. In der unteren Region (bis 800 m) ist die Zahl der Tier-
arten 2 3/4 mal größer als die der Pflanzenarteu, aber in bedeuten-
deren Höhen ist das Verhältnis ein umgekehrtes. In der Region
der Alpensträucher kommt nur 1 Tierart auf l4/_ PHanzcnarten ;
dort, wo der Schnee schon sporadisch liegen bleibt, stellt sich das
Verhältnis wie 1 : 6 und an der Grenze des organischen Lebens sogar
wie 1:25. Die Baumlinie übt auf die Verbreitung der Tiere im
Tiroler Hochgebirge einen viel geringeren Einfluß aus, als die Grenze
zwischen der Region der alpinen Wiesen (1700 — 2300 m) und der
subnivalen Region (2300 — 2700 m): der faunistische Gegensatz dieser
beiden Höhengürtel ist eines der auffallendsten Resultate der
Untersuchungen von Heller7. Eine Zusammenstellung aus dessen
Verzeichnissen ergiebt nämlich, daß von den 90 Hochgebirgsarten
(und Varietäten) der Weichtiere in der alpinen Region noch 76,
in der subnivalen aber nur 8 Vorkommen; ferner daß von den
785 Schmetterlingen 680 in der alpinen und nur 98 in der subni-
valen Region leben; endlich daß von den 738 Käfern 730 in der
Wiesen- und nur 106 in der subnivalen Region gefunden werden.
Der Zusammenhang mit der Pflanzenwelt tritt hier sehr scharf zu
Tage, wie er sich auch darin zeigt, daß die südlichen Gehänge von
einer reicheren und mannigfaltigeren Fauna bevölkert werden, als
die nördlichen, und daß dort die Hühengrenzen weiter hinaufrücken.
Die obere Schneeregion (über 2700 m) beherbergt nur wenige
flügellose Gliedertiere, die wohl den größten Teil des Jahres im
Winterschlafe zubringen. Vielleicht am höchsten steigt der Weber-
knecht (Opilio glacialis), der selbst auf der obersten Spitze des Piz
Linard (3480 m) gefunden wurde. Wohl dringen auch geflügelte Tiere,
wie Schmetterlinge, Käfer, Fliegen u. a., entweder freiwillig bei ihrem
Ausschwärmen oder vom Winde erfaßt, in die Firnwelt vor, aber sie
gehen hier in der Regel bald zu Grunde. Der Sommer sieht hier
auch Gestalten aus der höheren Tierwelt, aber der Winter scheucht
die meisten bis in den Waldgürtel hinab.
Von besonderer Wichtigkeit sind die den Hochgebirgen eigen-
tümlichen Tiere, die wir kurzweg als alpine Tiere bezeichnen
wollen. Sie bewohnen in den Ostalpen die Region von ca. 1200 bis
2700 m Höhe. Ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Tieren
des hohen Nordens oder zu denen anderer Hochgebirge führen uns
wieder in die Eiszeit zurück, die in gleicher Weise in der Fauna
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648 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
wie in der Flora einen Austausch zwischen den Organismen des
arktischen Gebietes und der südlicheren Gebirge, sowie zwischen
einzelnen Gebirgen selbst möglich machte. Die alpine Fauna ist
ein Überrest einer einst auch iu der Ebene verbreiteten Tierwelt,
und die Betrachtungen, die wir den Glazialptlanzen gewidmet haben
(S. 628), gelten im allgemeinen auch liier.
Nur einige wenige Beispiele aus der Säugetierwelt der Alpen
mögen hier angeführt werden. Der veränderliche oder Schneehase
unseres Hochgebirges kehrt im Norden der alten Welt wieder; seine
Heimat erstreckt sich liier von Irland und Schottland über Skandi-
navien, Rußland und Sibirien bis Kamtschatka. Das alpine Murmel-
tier, das in den Diluvialablagerungen von Mitteleuropa fossil ge-
funden wird, hat nahe Verwandte in Sibirien, und ebenso findet
die Schueemaus ihren Vertreter in der nordasiatischen Wurzelmaus.
Der Steinbock, der freilich jetzt nur noch in wenigen Teilen der
Alpen erhalten ist, ist sehr nahe dem pyrenäischen, kaukasischen
und sibirischen Steinbocke verwandt, mit denen er in Bezug auf
Lebensweise vollkommen übereinstimmt; andere Arten dieser l’nter-
gattung bewohnen auch die Sierra Nevada, die höchsten Felsregionen
von Abessinien und die Gebirgsgegenden von Mittelägypten , Syrien
und der Sinaihalbinsel. Nicht vergessen dürfen wir endlich des
elegantesten unter den alpinen Tieren, der Gemse, die in allen
höheren Gebirgen von den Pyrenäen bis zum Kaukasus vorkommt,
und uns den Lehrsatz von der Vermischung verschiedener Gebirgs-
fäunen in der Eiszeit noch besser illustriert, als der Steinbock, da
genau dieselbe Art in all den genannten Gebirgen wiederkehrt.
Periodizität im Tierleben. Die Abhängigkeit des Tierlebens vom
Klima zeigt sich auch, ähnlich wie hei den Bilanzen, iu seiner jähr-
lichen Periode. In den höheren Breiten, wo der Gegensatz zwischen
der kalten und warmen Jahreszeit schärfer hervortritt, ist der Winter
auch in der Tierwelt die tote Saison. Die Mehrzahl der Vögel ist
in wärmere Gegenden abgezogen, viele Säugetiere, Insekten, Mol-
lusken u. s. w. fallen in den Winterschlaf, zahlreiche niedere Tiere
sterben ab, nachdem sie ihre Eier, die im nächsten Frühjahre sich
entwickeln, gelegt haben. Die Ursache der winterlichen Erstarrung
und des Wanderns mag wohl in zahlreichen Fällen ebenso der
Mangel an Nahrung, wie die Kälte sein; und Nahrungssorgen dürften
wohl hauptsächlich die nordischen Tiere, wie den Bisamochsen und
den Lemming, zwingen, scharenweise ihre Heimat zu verlassen, in
die sie beim Eintritte der milderen Jahreszeit wieder zurückkehren.
Dagegen ist der zeitweilige Kälteschlaf einiger tropischen Tiere, wie
mancher Schlangen und Eidechsen, jedenfalls nur klimatisch bedingt.
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Die Lebensbedingungen der Tierwelt. 649
ebenso wie die Wanderungen einiger bengalischen Aden oder der
Elefanten in Tenasserim oder der Rentiere, die in der heißen Zeit
in die höheren Gebirgsregionen sich zurückziehen. In der wannen
Zone beschränkt die gleichmäßigere Temperatur (mit Ausnahme
der wenigen oben aufgezählter Fälle) das Tierleben ebensowenig
wie das Pflanzenleben, wohl aber äußert sich der Einfluß der Trocken-
zeit in ähnlicher Weise, wie der des Winters in unseren Gegenden.
Daß die Einwirkung auf den tierischen Organismus in beiden Fällen
die gleiche ist, beweist schon der Umstand, daß der aus fremden
Ländern zu uns gehrachte Siebenschläfer, der in seiner Heimat zur
Zeit der trockenen Hitze sein aktives Leben unterbricht, in der
nordischen Fremde in den Winterschlaf verfällt. Aber die Beispiele
einer Einschränkung der Lebensthätigkeit durch die jährliche Regen-
periode der Tropen sind in den höheren Tierklassen doch nur selten,
und selbst von niederen Tieren findet man das ganze Jahr hindurch
Eier, Larven und geschlechtsreife Individuen zu gleicher Zeit.
Anderseits hat man aber auch häufig die Beobachtung gemacht,
daß die Zahl der Larven beim Beginne der Regenzeit sich erheblich
steigert, und man weiß auch, daß viele tropische Insekten in der
trockenen Periode sterben. In den Mittelmeerländern verfallen die
Landschnecken während der regenlosen Sommerzeit in einen Ruhe-
zustand und unterbrechen auch ihr Wachstum; ja in der Sahara
führen sie ein aktives Leben überhaupt nur in der Nacht oder am
frühen Morgen, wenn Tau den Boden befeuchtet.
Beziehungen der Tiere zu einander. Neben der Einwirkung der
toten Natur und der Pflanzenwelt auf das Tierleben ist allerdings
noch ein anderes Moment zu beachten: die Beziehungen der einzelnen
Tiere zu einander. Hier stehen wir aber schon knapp an der Grenze
des rein zoologischen Forschungsgebietes, die wir im Interesse
unserer Wissenschaft nicht überschreiten w'erden. Zudem sind diese
Beziehungen so komplizierter Natur, daß es schwer fällt, bei ihrer
Beurteilung jeden Irrtum auszuschließen. Wir können uns an einem
geographisch wichtigen Beispiele davon überzeugen. Der Stich der
von Südafrika bis Senaar verbreiteten Tsetsefliege ist nach den
Berichten zahlreicher Reisender für Ochsen, Pferde, Kamele und
Hunde absolut tätlich, während er für den Menschen und alle wilden
Tiere und ebenso für die Kälber, solange sie saugen, unschädlich ist.
Dieser unscheinbare Zweiflügler schließt demnach aus seinem Ver-
breitungsbezirke die Viehzucht aus. Er erschwert auch in hohem
Grade die Fortschritte der Forschungsreisenden , die durch ihn
genötigt sind, die unzuverlässigen Eingebornen als Träger zu ver-
wenden; und da dies außerdem sehr kostspielig ist, so hat man
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650 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
mehrfach den Versuch gemacht, indische Elefanten einzuführen
und als Lasttiere zu verwenden. Aber der Einfluß der Tsetse-
fliege auf unsere Haustiere ist noch keineswegs sichergestellt; schon
Erskine zog ihn in Zweifel, und Marno faßt, gestützt auf eine
mehrjährige Erfahrung, seine Ansicht in folgenden Worten zu-
sammen: „Gewisse Gegenden Afrikas bieten, manche das ganze
Jahr hindurch, andere im Charif (Regenzeit), den nicht einheimischen
Haustieren nicht die zum Gedeihen nötigen klimatischen Bedingungen.
Sie erliegen dann massenweise seuchenähnlichen Erscheinungen, wäh-
rend ihr Untergang von den Eingeborenen der Tsetse oder Surreta,
unter welchen Namen sie aber eine größere Artenzahl Fliegen ver-
einen, zugeschrieben wird, welche in der That jedoch nur als ein,
vielleicht sogar untergeordneter Faktor der Erscheinung angesehen
werden muß.“8
Litteraturnacb weise. 1 Th. Fdohs, Die pelagische Flora uuil Fauna,
in den Verhandlungen der Wiener Geologischen Reichsanstalt 1882. — * Bericht
von K. Brandt in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft f. Erdkunde. 1889.
S 515. — 8 Semper, Die natürlichen Existenzbedingungen der Tiere, Leipzig
1880. — 8 Wallace, Die Tropenwelt, Braunschweig 1879. — 5 Toreli., Über
die physikalische Geographie der arktischen Region, in Petermanns Mitteilungen
1861. — * Historisch-geographisch-statistisches Gemälde der Schweiz, Bd. VII,
1846. — 7 Heller, Die Verbreitung der Tierwelt im Tiroler Hochgebirge, in
den Sitzungsberichten d. Wiener Akademie d. Wissenschaften, Math.-naturwiss.
Klasse, Bd. LXXXIII, 1. Abteil. (1881) und Bd. LXXXVI, 1. Abteil. (1882). —
8 Petermanns Mitteilungen 1873, S. 249.
Die Entwicklung- der Faunenreiche.1
(Vgl. Tafel XX.)
Bei allen Versuchen, die Oberfläche des Landes nach fauuistischen
Eigentümlichkeiten in Reiche und Provinzen, oder wie Wallace sie
nennt, in Regionen und Unterregionen zu zerlegen, haben die Säuge-
tiere und Vögel in erster Linie Berücksichtigung gefunden. Diese
Tierklassen drängen sich zuerst dem Beobachter auf und sind daher
auch am besten gekannt. Der tiergeographische Wert der Säuger
beruht aber auch darauf, daß sie in ihrer Verbreitung vielmehr durch
orographische als durch klimatische Schranken gehindert werden,
sich also gerade umgekehrt verhalten wie die Pflanzen. Verände-
rungen in der Verteilung von Wasser und Land kommen — man
mag sagen, was man will — in der Säugerfauna am besten zum Aus-
drucke. Aber nur bis zum Anfänge der Tertiärzeit zurück, d. h. bis zu
jener Epoche, deren Schichten die ersten unzweifelhaften Überreste
von placentalen Säugetieren enthalten. Will man früheren Ver-
änderungen nachspüren, so muß man sich an andere Tierklassen halten,
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Die Entwicklung der Faunenreiche.
651
und nach v. Ihebing2 sind die Süßwasserbewohner dazu am taug-
lichsten. Es ist zu erwarten, daß fortgesetzte Studien auf dem
Gebiete der Mikrofauna wichtige Beiträge zur Geschichte der Erd-
oberfläche liefern werden, aber zur Stunde ist die Verarbeitung des
massenhaften Materials von diesem Gesichtspunkte aus noch nicht
so weit gediehen, als daß wir mehr als nur gelegentlich darauf
zurückgreifen könnten.
Die australische Gruppe. Das Säugetier erscheint in reichlicher
Fülle zum ersten Male in der unteren Triasformation; das wenige,
was die mesozoischen Systeme uns liefern, besteht nur aus Zähnen
und Knochenresten von Beuteltieren. Mit Beginn der Tertiärzeit
treten in Europa und Nordamerika schon die placentalen Säuger
auf, die Vorfahren unserer Raub- und Huftiere, die Insektenfresser
und Halbaffen. Die Beutlerfauna tritt dieser Schöpfung gegenüber
immer mehr zurück, und verschwindet seit dem mittleren Miocän
völlig von dem Boden Europas und Nordamerikas.
Wir mußten diese Erinnerungen wachrufen, um die ganze Eigen-
art der australischen Säugetierfauna klar zu machen. Bis
zur Ankunft des Europäers, also bis vor 100 Jahren, hat sie ihr
mesozoisches Gepräge fast unverändert bewahrt. Das Beuteltier ist
der echt australische Typus; von den sieben Familien desselben
kommen sechs nur in Australien und eine nur in Amerika vor;
24 Gattungen der ersteren sind nur auf das australische Festland
beschränkt und nur neun verbreiten sich über die nördlichen Inseln.
2/„ aller australischen Säugetiere sind Beutler, und da unter ihnen
sowohl Kaubtiere als Insektenfresser und Nagetiere Vorkommen, so
erfüllen sie alle jene Aufgaben im Haushalte der Natur, die sonst
überall verschiedenen Säugetierordnungen zufallen. Fast noch merk-
würdiger ist das Schnabeltier, das nur in Australien vorkommt.
Obwohl es noch nirgends im fossilen Zustande gefunden wurde, ist
es jedenfalls ein Typus von sehr hohem Alter, denn es nimmt eine
eigentümliche Mittelstellung zwischen der Vogel- und Säugetierklasse
ein. Wir müssen daraus schließen, daß Australien schon im frühesten
Tertiär den Zusammenhang mit der alten Welt verlor. Von den
Placentalien, die hier im Laufe der Zeit zur alleinigen Herrschaft
gelangten, verirrten sich außer Fledermäusen, die an Verbreitungs-
fähigkeit nahezu mit den Vögeln wetteifern, und Hatten und Mäusen,
die sehr wohl mit dem Menschen eingewandert sein können, nur
noch zwei nach dem abgeschiedenen Australien. Der Dingo ist
nicht ein verwilderter Haushund, wie man früher meinte, sondern
kommt schon in den diluvialen Ablagerungen mit ausgestorbenen
Beutlern vor, und ebendaselbst entdeckte de Vis vor wenigen Jahren
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652 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
auch Zähne einer dem südamerikanischen Pekari verwandten Schweins-
art, die sich aber nicht bis in die Gegenwart erhalten hat.3
In der australischen Vogelwelt fehlen auch einige, sonst allge-
mein verbreitete Familien, wie die Finken, Spechte, Geier und
Fasanen, und andere, die in Ostindien besonders reich entwickelt
sind. Dafür sind manche Familien nur auf das australische Reich
beschränkt oder überschreiten nur in wenigen Arten seine Grenzen,
wie die Paradiesvögel, Honigsauger, Leierschwänze, Strauchvögel,
Kakadus, Grassittiche, pinselzüngigen Papageien, Großfußhühner und
Casuare. Besonders charakteristisch sind die Honigsauger, die durch
das ganze Reich verbreitet sind. Die Papageien und Tauben erreichen
hier den Höhepunkt ihrer Entwicklung, sowohl in Bezug auf Arten-
zahl, wie auch auf Schönheit der Formen und Farbenpracht. Nament-
lich ist die große Menge von Tauben ebenso lehrreich, wie die der
Beuteltiere, denn beide verdanken ihre ungestörte Entwicklung nur
der Abwesenheit der gefährlichen Feinde und der jüngeren Lebewelt
des benachbarten Festlandes.
Im malaischen Archipel verbreitet sich die australische Fauna
bis zu der schon wiederholt genannten WALEACE-Linie, aber in die
Grenzbezirke sind schon einige indische Säugetierfamilien einge-
drungen. Neuguinea hat nach Pascoe eine Käferfauna von ent-
schieden indischem Ursprünge, die von der australischen wesentlich
verschieden ist. Jene Organismen also, die sich leichter, namentlich
mit Hilfe der Luftströmungen verbreiten können, stammen vom
Westen, und diese neuen Einwanderungen haben die ursprüngliche
Lebewelt zum Teil verdrängt. In der Vogelfauna, die sich auf Neu-
guinea durch eine größere Anzahl von prächtig gefärbten Arten, als
irgendwo anders, auszeichnet, überwiegt das australische, d. h. das
alte Element schon bedeutend, und in der Säugetierfauna herrscht
es ausschießlich. Diese Abstufung ist außerordentlich lehrreich;
wir sind hier Zeugen eines Prozesses, der, wie wir sehen werden,
in Südamerika schon weiter gediehen ist und in Afrika zu einer
völligen Umgestaltung der Tierwelt geführt hat.
In Neuseeland wie im übrigen Polynesien fehlen Säugetiere
gänzlich; die Vogelfauna besitzt mehr australische als indische Ele-
mente, und aus diesem Grunde wies Wallace die Südseeinseln seinem
australischen Reiche zu. Die niedere Tierwelt bewahrt aber Er-
innerungen an eine längstvergangene Zeit. Schon lange ist es auf-
gefallen, daß die Amphibien, Süßwasserfische und Insekten Austra-
liens in so innigen Beziehungen zu denen Südamerikas stehen, und
in jüngster Zeit hat das Studium der geographischen Verbreitung
der Flußmuscheln zu überraschenden Ergebnissen geführt, die, wenn
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Die Entwicklung der Faunenreiche. 653
sie auch noch keineswegs gesichert sind, doch eine weite Perspektive
eröffnen. Die Ansicht v. 1 Herings- ist in Kürze folgende. Süd-
amerika, von Nordamerika völlig getrennt, bestand bis zur Oligocän-
zeit aus zwei von einander unabhängigen Teilen, von denen der eine,
Archiplata, Chile, Argentinien, Uruguay und Südbrasilien, der
andere, Archiguayana, Venezuela und Guyana umfaßte. Archiplata
war aber selbst nur ein Teil eines großen Festlandes, das über Neu-
seeland uud Polynesien nach Australien reichte. Dieser Zusammen-
hang muß sich aber schon in der mesozoischen Periode aufgelöst
haben. Von allen Landgebieten der Erde gewann Polynesien am
frühesten insulare Selbständigkeit, zu einer Zeit, als noch nicht
einmal Beutler die Erde bevölkerten: und dieser Thatsaclie geben
wir Ausdruck, indem wir es als ein eigenes Faunenreich in die austra-
lische Gruppe stellen. Der Charakterzug dieses Reiches ist freilich
mehr negativer als positiver Art, aber das ist im Grunde genommen
ja auch der Charakter der australischen Festlandsfauna.
Südamerika. Die Trennung Südamerikas vom nördlichen Fest-
lande wird uns durch die merkwürdige Säugetierfauna der altter-
tiären Santa Cruz-Schichten von Argentien vollauf bestätigt. Sie
besteht aus Beutlern und Zahnarmen ; von den noch lebenden placen-
talen Ordnungen sind nur die Nager, die unparzehigen Huftiere und
die breitnasigen Affen vertreten. Gerade das, was damals den
Faunen der nördlichen Festländer ihr charakteristisches Gepräge
verlieh: die Halbaffen, Fledermäuse, Raubtiere, Insektenfresser, par-
zehigcn Huftiere, fehlt in den Santa Cruz-Schicliten völlig. Genau
dieselbe Zusammensetzung zeigt die Säugetierfauna der obermio-
cänen Patagonischen Formation; erst im Pliocän vollzieht sich der
Zusammenschluß von Nord- und Südamerika, und nun beginnt sofort
die faunistische Vermischung. Schon in der Araukanischen Forma-
tion Südamerikas erscheinen nordische Typen und in den vielleicht
etwas jüngeren Equus- und Megalonyx-Scliichten Zentral- und Nord-
amerikas treten zum ersten Male südliche Einwanderer auf. In
Zentralamerika und den mexieanischen Küstenländern haben sie
den Sieg davongetragen, so daß Wallach diese Länder zum süd-
amerikanischen Reiche rechnen durfte.
Anders in Südamerika selbst. Wie durch die spanisch-portu-
giesische Eroberung dem alten Volkstum nur einige neue Elemente
hinzugefügt wurden, ohne es vernichten zu können, so verhält
es sich auch im Bereiche der Säugetierwelt Noch lebt hier die
Beutelratte ; und wenn die Zahnarmen auch schon im Diluvium den
Höhepunkt ihrer Entwicklung überschritten haben, so sind sie doch
immer noch in ansehnlicher Weise durch die Familien der Ameisen-
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654
Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
baren, Faul- und Gürteltiere vertreten. Die Affen der neuen und
der alten Welt sind noch immer streng voneinander geschieden,
keine einzige Familie ist ihnen gemeinsam. Die Nager nehmen zwar
überall mit Ausnahme von Australien in Bezug auf Artenzahl den
ersten Rang unter den Landsäugern ein, aber Südamerika ist
hierin doch allen anderen Kontinenten voraus. Das trifft sogar in
der kosmopolitischen Familie der Ratten und Mäuse zu. Die Huf-
plotler, die größte Form dieser Ordnung, die Baumstachelschweine
und Chinchillas sind ausschließlich amerikanisch, und die Strauch-
ratten und Borstenferkel kommen sonst nur sporadisch vor. Dagegen
sind die fremden Typen zu keiner hervorragenden Bedeutung gelangt,
ausgenommen die Fledermäuse, von denen die Blattnasen — wozu
der berühmte blutsaugende Vampyr gehört — sogar nur auf Amerika
beschränkt sind. Am auffallendsten ist das Fehlen der großen Ord-
nung der Insektenfresser, denn die Familie der Borstenigel kommt
nur in Westindien vor, und die Spitzmaus betritt eben erst das
Reich im Norden. Von den Dickhäutern fehlen die Elefanten, da-
gegen hat sich der Tapir, ein uralter Typus, der nur noch im
malaischen Archipel wiederkehrt, hier erhalten, und das kosmo-
politische Schwein wird durch die schwanzlose Unterfamilie der
Pekari ersetzt. Von den Wiederkäuern ist nur noch die Hirsch-
gattung allgemein verbreitet, da die Antilopen ebenso, wie die Ein-
hufer ausgestorben sind; und die Raubtiere stehen denen der alten
Welt nicht nur an Artenreichtum, sondern auch an Größe und
Kraft nach. Der Jaguar und Puma sind nur schwächliche Vertreter
des asiatischen Tigers und afrikanischen Löwen.
Unendlich reich ist die südamerikanische Vogelwelt; in jeder
Ordnung der Landvögel mit Ausnahme der Kurzflügler übertrifft der
westliche Südkontinent an absoluter Artenzahl Afrika und Ostindien,
und nur in Bezug auf die Papageien und Tauben steht er Australien
nach. Im brasilianischen Schopfhuhn besitzt er wahrscheinlich den
letzten lebenden Repräsentanten einer ausgestorbenen Ordnung. Noch
mannigfaltiger ist die Insektenfauna mit einem unerschöpflichen
Reichtum an schönen Formen; und es ist bezeichnend, daß selbst
in dieser Tierklasse, die doch über so viele Verbreitungsmittel ver-
fügt, der Endemismus stark ausgeprägt ist.
Wie in der Flora Südamerikas, so finden wir auch in der Fauna
den Gegensatz zwischen dem trockenen andinen Westen und dem
feuchten Osten wieder, und das andine Faunengebiet erstreckt sich
ebenfalls über die außertropischen Niederungen des Ostens. Hier
fehlen die Affen, dagegen besitzt dieses Gebiet die Chinchillas und
die wichtigen Auchenien, die Vertreter des osthemisphärischen
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Die Entwicklung der Faunenreiche. 655
Kamels, zu denen die einzigen Haustiere von Südamerika (Lama
und Alpaka) gehören. Die Insektenfauna enthält Elemente der
nördlichen gemäßigten Zone, die wahrscheinlich längs der Andes ein-
gewandert sind. Im großen und ganzen ist aber die Tierwelt in Süd-
amerika sehr gleichförmig, trotz der verschiedenen Klimate und der
großen meridionalen Ausdehnung. Waren also wirklich einmal, wie
wir oben als Ansicht v. Iherings mitteilten, Archiguayana und Archi-
plata einst getrennt, so ist jedenfalls eine weitgehende Faunenver-
mischung eingetreten. Nur in Westindien hat sich möglicher-
weise der Charakter der arckiguayanischen Fauna noch erhalten.
Das ist allerdings nicht zu beweisen, da wir von der letzteren keine
fossilen Überreste besitzen. Aber merkwürdig genug ist die Fauna
der Großen und Kleinen Antillen, namentlich die Säugetierfauna. So
charakteristische Typen der archiplatischen Welt, wie die Beutler,
Zahnarmen und Breitnasen fehlen hier völlig, desgleichen auch die
nordischen Einwanderer, die Raub- und Huftiere. Das erklärt sich
vielleicht daraus, daß die Abtrennung der Antillen früher erfolgte, als
die Vereinigung der beiden hypothetischen Hauptstücke Südamerikas
untereinander und mit Nordamerika. Ist dies richtig, dann ist viel-
leicht auch der Borstenigel, der außer in Westindien nur noch in
Madagaskar vorkommt, als ein Überbleibsel der archiguayanisehen
Fauna aufzufassen, denn auch andere Momente weisen auf eine alte
Landverbindung zwischen Archiguayana und Afrika hin. v. Ihering
betrachtet St Helena als den letzten Pfeiler der atlantischen Brücke.
Afrika. Daß auf der südlichen Halbkugel die Verteilung von
Wasser und Land einst eine andere war, ist geologisch nur für
den afrikanisch-indischen Kontinent erwiesen. Wir könnten hoffen,
hier ähnlichen faunistischen Verhältnissen zu begegnen, wie in Süd-
amerika, und doch sind sie gänzlich verschiedener Art. Zudem
wissen wir über die ältere Säugetierfauna Afrikas so gut wTie nichts.
Nur die Karruschichten bergen Reste der ältesten Beutlerformen
(Allotherien), die in der älteren mesozoischen Zeit über die ganze
Erde verbreitet gewesen zu sein scheinen; tertiäre Sänger sind gänz-
lich unbekannt. Es bleibt also nichts übrig, als aus der heutigen
Fauna die Vorgeschichte Afrikas zu rekonstruieren.
Wir haben dabei zu beachten, daß der Landzusammenhang mit
Dekan sich spätestens in der Tertiärperiode gelöst hat, daß aber Afrika
durch die Wüstentafel, die ja — wie wir schon auf S. 432 betont
haben — einst ein günstiges Klima besaß, mit der alten Welt in
bequeme Verbindung trat. Wir legen weniger Gewicht auf die Land-
brücken von Gibraltar und zwischen Sicilien und Tunis, als auf den
Zusammenschluß im Osten, der wahrscheinlich erst in der jüngsten
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656
Die geographische Verbreitung der Pflanzen .und Tiere.
Tertiärzeit durch den Einbruch des Roten Meeres gestört wurde.
Für die Zuwanderung nordischer und orientalischer Organismen
lagen also hier die Verhältnisse viel günstiger, als in Südamerika,
und in der That: Flora und Fauna Afrikas zeigen in gleicher Weise
ein durchaus altweltliches Gepräge. Wir wissen nicht einmal, ob
jene eigenartigen afrikanischen Familien, wie der insektenfressende
Goldmull und der hyänenähnliche Erdwolf, die nur in Südafrika
leben, oder der Klippschliefer, eine Art Mittelglied zwischen Nagern
und Dickhäutern, oder das Erdferkel, eine Familie der Zahnarmen,
das nur noch das südliche und östliche Afrika bewohnt, — ob diese
Tierformen, sage ich, Reste einer altafrikanischen Fauna oder Ab-
kömmlinge von Einwanderern sind, die sich nur hier erhalten haben.
Ist doch das Erdferkel auch in den oberiniocänen Pikermischichten
Griechenlands gefunden worden. Die einst weite Verbreitung der
Giraffen und Flußpferde über die alte Welt ist sichergestellt ; auch
diese Familien, die sich in der heutigen Säugetierschöpfung recht
altmodisch ausnehmen, sind jetzt nur auf Afrika beschränkt.
Die Einwanderung erfolgte etappenweise. Als Madagaskar
(vgl. S. 556) sich von Afrika trennte, war die Säugetierwelt noch eine
recht ärmliche. Halbaffen, die im nordischen Eocän Vorkommen, bilden
den hervorragendsten Bestandteil der ma dagassischen Fauna ; die anderen
Ordnungen, die fast ausschließlich auf den Landweg angewiesen sind,
sind nur durch wenige Familien vertreten. Erst spätere Einwande-
rungen brachten die großen Typen, die jetzt in Afrika vorherrschen,
aber auf Madagaskar felden, die Affen, die Löwen, Leoparden und
Hyänen, die Einhufer (Zebra und Verwandte), die Elefanten. Nas-
hörner und Flußpferde, die Giraffen, Gazellen und Büffel. Dagegen
vermissen wir die Bären und Maulwürfe, das Kamel (das in der
Sahara erst vom Menschen eingeführt wurde), die Hirsche, Ziegen
und Schafe, den wilden Ochsen (Bos) und das wilde Schwein (Sus):
Tiergruppen, die in der alten Welt sonst überall verbreitet sind,
fehlen hier also vollständig. Die Artenarmut, die die afrikanische
Flora charakterisiert, zeigt sich auch in der im Vergleiche zum
Areal geringen Artenzahl der Säugetiere sowohl, wie der Vögel.
Die Florenprovinzen kann man in der Tierverbreitung recht
gut wiedererkennen. Vier Säugetier-, eine Vogel-, acht Reptilien-
und drei Amphibienfamilien, die im äquatorialen Westen Vorkommen,
fehlen im übrigen tropischen Afrika, und dieses hat wieder sechs
Säugetier- und drei Vogelfamilien vor dem Westen voraus. Den
Urwald Guineas bewohnen die großen menschenähnlichen Affen, der
Gorilla und Schimpanse, und diese, sowie das Zwergmoschustier
Hyoraoschus und einige Schlangen weisen auf Ostindien hin. Zwei
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Die Entwicklung der Faunenreiehe. 657
Sehlangeugattungen zeigen Beziehungen zu Südamerika, wie solche
auch im Pflanzenreiche unverkennbar zu Tage treten.
Der tropische Osten und Süden zeichnet sich dagegen durch
eine auffallende Gleichförmigkeit in Vegetation und Tierwelt aus;
nur das abessinische Hochland und die Urwälder von Mozambique
machen davon eine Ausnahme. Die Savanen sind die wahre
Heimat der großen Huftiere und das ergiebigste Jagdgebiet des
Löwen.
Den außertropischen Süden kennzeichnet auch faunistisch ein
stark ausgeprägter Endemismus, sowohl unter den Säugetieren, wie
auch in der lnsekteuwelt. Es ist ein Anklang an die so merk-
würdige Kaptlora.
Indisches Reich. Wenn wir die Abkömmlinge der höheren
Tierklassen der europäischen Tertiärzeit am vollständigsten beisammen
linden wollen, so müssen wir nach Ostindien gehen. Dieses Tropen-
reich besitzt relativ die meisten Säugetiere und Landvögel, und es
unterliegt keinem Zweifel, daß es diesen Reichtum seiner dauernden
Verbindung mit der großen asiatisch-europäischen Festlandsmasse, der
Geburtsstätte der meisten modernen Tierformen, verdankt. In seiner
Säugetierfauna dürfte als der eigentümlichste Charakterzug die be-
deutende Menge von Raubtieren anzusehen sein; denn wenn auch
in Afrika nahezu gleichviel Arten Vorkommen, wie in Ostindien, so
beträgt doch die mittlere Artendichtigkeit (auf die Mill. qkm berechnet)
hier 10 und dort nicht ganz 4. Seine Vogelwelt ist in allen Ord-
nungen mit Ausnahme der hier fehlenden Kurzflügler mannigfaltiger,
als die afrikanische, und mit Ausnahme der Spechte und Papageien
übertrift't sie auch die südamerikanische. Aber nicht alle Teile
Ostindiens sind in gleicher Weise ausgezeichnet Allen voran steht
das hinterindische Gebiet, das sich bis nach Sttdchina hinein erstreckt;
und dies kann uns nicht überraschen, wenn wir bedenken, daß
Südchina ein Teil des Festlandsrumpfes und Hinterindien eine abge-
gliederte Halbinsel ist Die Fauna des Südabhanges des Himalaja
bis ca. 3000 m Höhe, wo das aussertropische Reich beginnt, ge-
hört ebenso, wie seine Flora, zum hinterindischen Gebiete, während
die Tierwelt der hindustanischen Ebene und der angrenzenden Pla-
teaulandschaften von Dekan, ebenso wie die Flora, noch vielfach an
Afrika erinnert Manche altertümliche Züge weist die Fauna des
südlichen Dekan und Ceylons auf; Formen kehren hier wieder,
die nur noch im Himalaja und auf den malaischen Inseln gefunden
werden, und besonders die Insekten zeigen verwandtschaftliche Be-
ziehungen zum östlichen Archipel. Auf diesem letzteren hat endlich
die Isolierung vom Festlande und die Auflösung in Inseln der Fauna
Supan, Physische Erdkunde. 2. Aufl . 42
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658
Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
ein eigentümliches Gepräge verliehen, wovon wir bereits zu sprechen
Gelegenheit hatten.
Die mittleren und höheren Breiten der Nordhalbkugel. In Ost-
asien und im Mittelmeergebiete einschließlich Vorderasiens hat sich
zwar das Klima seit dem Tertiär beträchtlich verändert, aber keine
Eiszeit in unserem nordischen Sinne hat die Entwicklung der orga-
nischen Welt völlig unterbrochen. Einige tropische Formen konnten
sich daher in der Tier- wie in der Pflanzenwelt erhalten. Zu den
mediterranen Ausläufern der warmen Zone gehören eine kleine
Aftengattung, Macacus, welche Nordafrika und den Felsen von Gib-
raltar bewohnt, mehrere Fledermausgeschlechter, einige Antilopen-
gattungen, darunter die Gazelle, die sich von Nordafrika bis Iran
verbreitet, das Stachelschwein in Südeuropa und Palästina, die Zibeth-
katze (Genette), die in Südeuropa, Nordafrika und Palästina gefunden
wird, und mehrere Raubtiere, wie die Hyäne, der Löwe, Leopard,
Serval und Gepard, die Nordafrika und zum Teil auch das
mediterrane Asien durchstreifen. Weniger bekannt sind che Vögel,
doch weiß man, daß sie in Palästina und Persien einen entschieden
außertropischen Charakter tragen. Im ostasiatischen Übergangs-
gebiete treffen wir neben einer osttibetanischen Affenart, die ein
dicker Pelz gegen die Kälte ihrer Heimat schützt, wieder den Macacus,
der bis Japan hinauf geht, die Zibethkatze und das Stachelschwein
an, ferner die ostindische Wiederkäuergattung Nemorliedus und das
ebenfalls ostindische Flughörnchen. Die chinesisch-japanische Vogel-
fauna, für die die Fasanen charakteristisch sind, unterscheidet sich
von der mediterranen durch ihr vorwiegend tropisches (ostindisches)
Gepräge, und ebenso sind die japanischen Reptilien und Käfer stark
mit Elementen der warmen Zone gemischt. In der neuen Welt ist
die californische Fauna durch einige tropische Elemente ausge-
zeichnet, wie durch die Blattnasen und Hundskopf- Fledermäuse,
durch mehrere südamerikanische Vogelgattungen und eine Python-
schlange.
Im mittleren und westlichen Europa können wir an der Hand
der paläontologisehen Zeugnisse die allmähliche Umgestaltung des
Klimas genau verfolgen. In der jungmioeänen Zeit war es noch
tropisch, in der plioeänen glich es schon dem gegenwärtigen, und
doch war die Tierwelt viel reicher, als heutzutage. Viele Gattungen
haben sich seitdem nach Indien und Afrika zurückgezogen. Selbst
die vorglazialen Schichten enthalten noch Überreste von Elefanten,
Gazellen und Antilopen. Die Eiszeit hat einen großen Teil dieser
Fauna vernichtet und der Einwanderung nordischer Arten, vielleicht
vom nordöstlichen Asien her, freies Feld geschaffen. In der Aus-
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659
Die Entwicklung der Faunenreiche.
bildung verschiedener Vegetationsformationen innerhalb der borealen
Gebiete war ebenfalls ein Anlaß zur Entwicklung faunistischer Pro-
vinzen geboten. So werden die Steppen und Wilsten des mittleren
Asiens durch zahlreiche Huftiere charakterisiert, von denen mehrere,
wie das Pferd, das zweibuckelige Kamel, der J:ik, das Moschustier
und ein paar Antilopengattungen hier ihre Heimat haben, während
die Nadelwaldzone durch Pelztiere, Rentiere und andere nordische
Formen ausgezeichnet ist. Gewaltig sind endlich die Veränderungen,
die der Mensch durch Ausrottung, Züchtung und durch die Um-
gestaltung der Vegetation hervorgerufen hat. Daß er mit den großen
Dickhäutern, dem Mammut und dem wollhaarigen Rhinozeros, sowie
mit mehreren ausgestorbenen Raubtieren, wie dem Höhlenbären, Höhlen-
tiger (fälschlich Höhlenlöwe genannt), Höhlenwolf und der Höhlen-
hyäne, in Europa zusammenlebte, ist durch mehrfache Funde sicher-
gestellt; aber ihr völliger Untergang erfolgte schon zu einer Zeit, von
der uns keine schriftliche Nachricht Kunde giebt. Viel später erlagen
die großen Wiederkäuer, die noch im Nibelungenliede genannt werden:
der Wisent (Bison), der llr oder Aueroclis, der Stammvater unseres
zahmen Rindes, und der Scheich oder Riesenhirsch. Der Bisonstier
kommt nur noch in einem Distrikte des Kaukasus und im Bialo-
witzer Walde (russisches Gouvernement Grodno), liier aber nur im
gehegten Zustand vor. Der Ur lebte in Frankreich noch im
5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, im Harz noch im 7., in Böhmen
noch im 14. und in Polen noch im 16. Jahrhundert; die Aus-
rottung schritt also mit der Kultur von Westen nach Osten fort.
Das Rentier bewohnte einst ganz Mittel- und Westeuropa, wurde
aber aus Frankreich schon in vorgeschichtlicher Zeit verdrängt,
während es in Deutschland «och zur Zeit Cäsars lebte und in Nord-
schottland noch im 12. Jahrhundert gejagt wurde. Jetzt ist es in
Skandinavien über den 60. Parallel zurückgedrängt, in Asien geht
aber seine Aquatorialgrenze viel tiefer herab und erreicht an der
Ostseite der alten und im Westen der neuen Welt 46° B. Das
Elen, das noch zur Zeit der sächsischen Kaiser die deutschen Wälder
bewohnte, ist daraus verschwunden und kommt mit Ausnahme einiger
preußischen Forste, wo es gehegt wird, nur noch in Skandinavien
vor. Die Hasen, Hirsche, Rehe, Wildschweine und Gemsen ver-
mindern sich zusehends; der Steinbock, früher im ganzen Alpen-
gebirgc zu Hause, findet sich jetzt nur noch am Monterosa. Not-
wendig war der Vertilgungskrieg gegen die Raubtiere, von denen
der Wolf, Luchs und Bär aus Mittel- und Westeuropa zum größten
Teil verschwunden sind. Der Löwe, der noch zur Zeit der Perser-
kriege über ganz Griechenland bis nach Thracien sich verbreitete,
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660 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
ist jetzt aus Europa gänzlich verwiesen. Im dicht bevölkerten China
finden die Raubtiere selbstverständlich auch keinen Platz mehr. In
Nordasien und in Nordamerika vermindern sich die Pelztiere stetig,
und auch der nordamerikanische Bison, der manchmal in Herden
von 20000 Individuen die Prärien durchstreifte, hat sich schon aus
vielen Gegenden zurückgezogen.
Von größter Wichtigkeit ist die Thatsache, daß die höheren
Faunen Nordamerikas und Eurasiens* viel weiter von-
einander abweichen, als ihre Floren. Ein einheitliches nor-
disches Faunenreich selbst nur in der Ausdehnung des Drude-
schen Florenreiches, ist von keinem Tiergeographen mit Aus-
nahme Heilprins anerkannt worden. In ihren Typen sind allerdings
beide Faunen gemeinsamer Abstammung, ja in der untereocänen
Säugetierfauna ist überhaupt kein Gegensatz bemerkbar. Nord-
amerika und Eurasien müssen damals in enger Landverbindung mit-
einander gestanden haben. Aber schon im obem Eocän beginnt
die Differenzierung, wenn auch in der Miocänzeit gelegentliche
Einwanderungen aus der alten in die neue Welt stattgefunden haben
mögen.
In beiden nördlichen Reichen werden die einzelnen Ordnungen
der Landsäugetiere durch folgende allgemein verbreitete Familien
vertreten: die Flattertiere durch die echten Fledermäuse, die In-
sektenfresser durch die Maulwürfe und Spitzmäuse, die Raubtiere
durch die Katzen (deren hervorragendster Repräsentant der Luchs
mit verschiedenen Arten in beiden Hemisphären ist), die Wölfe und
Füchse, die Wiesel und ihre Verwandten und die Bären; die Huf-
tiere durch die Schweine, Hirsche und hohlhörnigen Wiederkäuer,
die Nagetiere endlich durch die Ratten und Mäuse, Springmäuse,
Biber, Eichhörnchen und Hasen.
Innerhalb dieser Familien besteht ein auffallender Gegensatz
zwischen Nordamerika und der alten Welt in Bezug auf die holil-
hömigen Wiederkäuer. Nordamerika besitzt davon nur 5, die alte
Welt aber 52 Arten, also mehr als irgend ein anderes Reich mit
Ausnahme des tropischen Afrikas. 32 Arten entfallen auf das Ga-
zellen- und Ziegengeschlecht, von denen das erstere in Nordamerika
ganz fehlt, und das letztere nur durch eine einzige Art vertreten
ist. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die größere Ausdehnung der
Steppen Eurasiens die Entwicklung dieser Familien hauptsächlich
s Europa und Asien werden jetzt häufig als Eurasien zusammengefaBt: ein
Ausdruck, den Viele abgeschmackt finden, der aber, weil die Gegner nichts
besseres vorschlagen, alle Aussicht hat, sich cinzubürgern.
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Dip Entwicklung der Faunenreiche.
661
forderte. Sonst ist Eurasien noch durch eine bedeutend größere
Anzahl von Fledermäusen, Maulwürfen, Katzen, Hirschen und Spring-
mäusen ausgezeichet; dafür besitzt Nordamerika beträchtlich mehr
Spitzmäuse, Canidae und Eichhörnchen.
Dazu kommen noch einige charakteristische Familien, die nur
in je einem der beiden Reiche allgemeiner verbreitet sind. So in
Nordamerika die Taschenratten und die auch in Südamerika vor-
kommenden Waschbären und Raumstachelschweine. Dagegen fehlen
hier die Hufeisennasen, der Igel, die Maulwurfsratten und der
Siebenschläfer, endlich auch die Pferde und Kamele, die aber noch
in den jüngsten Tertiärablagerungen gefunden werden. Ja es ist
sogar wahrscheinlich, daß der Kameltypus in der neuen Welt seinen
Ursprung nahm.
Es sei hier nur noch erwähnt, daß wir in der Klasse der
Landvögel ähnlichen Gegensätzen begegnen. Die in beiden Reichen
allgemeiner verbreiteten Familien zählen mit Ausnahme der Schlüpfer
und Kukuke in der alten Welt mehr Arten, als in der neuen; be-
sonders auffallend ist dieser Unterschied in der Gruppe der Sänger,
von denen Eurasien 126, Nordamerika aber nur 10 Arten besitzt,
und in der der Lerchen, wo sich das Verhältnis wie 23:1 stellt.
Überblickt man den Faunenbestand in den zwei höchsten Klassen
(mit Ausschluß der Wat- und Schwimmvögel), * so erhält man als
Resultat, daß in beiden Reichen die gemeinsamen Familien
überwiegen, während die gemeinsamen Gattungen erheb-
lich zurücktreten, und dieß ist um so überraschender, als in der
Pflanzenwelt Nordamerikas und Europas die gleichen Gattungen in der
Regel nur durch verschiedene Arten vertreten sind.
Der Widerspruch zwischen den Ergebnissen der Pflanzen- und
Tiergeographie löst sich zwar nicht ganz, wird aber gemildert durch
x Nach den Tabellen von Wallace:
Familien Gattungen
Land-
Land-
Land-
Land-
sfiuger
vögel
Säuger
vögel
1. Gemeinsame Fauna . . .
17
26
27
54
2. Nur in Eurasien
13
13
62
123
davon a) endemisch ....
—
—
34
52
b) auch in den Tropen
der alten Welt . .
13
13
28
71
3. Nur in Nordamerika . . .
6
8
34
114
davon a) endemisch ....
2
1
22
46
b) auch in den Tropen
der neuen Welt . «
4
7
12
68
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662 Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
die Beobachtung, daß in beiden Reichen das gemeinsame Element
gegenüber dem endemischen und tropischen immer mehr in den
Vordergrund tritt, je mehr wir uns dem Pole nähern. Es ist aller-
dings richtig, daß in Canada noch einige echt amerikanische Säuge-
tiere bis an die Ufer der Hudsonbai und bis in das nördliche
Labrador Vordringen, und daß auch südamerikanische Vögel, wie
die Stelzen, der Königswürger und der Kolibri diese Gegenden be-
suchen; aber man darf auf diese Thatsaehe kein allzugroßes Ge-
wicht legen, denn sie hängt mit der Beweglichkeit der Tiere im
Gegensätze zu den an den Boden gefesselten Pflanzen zusammen,
weshalb die Flora unter allen Umständen einen gleichförmigeren
Charakter besitzt, als die Fauna. Um so beachtenswerter ist es
aber, daß von den streng arktischen Tieren 3 Säugetiergeschlechter
(Fjällfras, Lemming und Rentier) und 2 Säugetierarten (Eisbär und
Polarfuchs), 3 Gattungen Landvögel und 6 Gattungen Wasservögel
eine circumpolare Verbreitung haben. In Torells Katalog der
arktischen Vögel finden sich unter 159 Arten 69 (also 43 Prozent),
die in Amerika und in Europa Vorkommen. Die mitgeteilten Zahlen
imponieren allerdings nicht durch ihre Größe, aber man muß sie in
Vergleich setzen mit der Dürftigkeit der arktischen Tierwelt, um
ihre Bedeutung würdigen zu lernen. Für die Abtrennung eines
arktischen Faunengebietes, die wir schon in der ersten Auflage
dieses Werkes lebhaft empfohlen hatten, sind in der Folge auch
Zoologen, wie Brauer4, Reichenow6 und Möbius8 eingetreten. Die
Südgrenze ist durch die Baumgrenze gegehen; hier erfahren die
Lebensbedingungen der Tiere eine völlige Veränderung, und in der
That reichen auch nur bis hierher die Lemminge, während sich das
Verbreitungsgebiet des Rens noch weit in die Waldzone hinein-
erstreckt. Aber nicht allein in der Circumpolarität der meisten
Tiere liegt die Berechtigung zur Aufstellung eines arktischen Reiches,
sondern auch — wie Brauer treffend bemerkte — darin, daß
einerseits die Polartiere zum Charakter des Landes gehören,
anderseits ihr Charakter sich ans dem des Landes erklären läßt.
Faunengruppen und -reiche. Die Einteilung der Erde in 5
„Faunenregionen“, welche Sclater im Jahre 1857 auf Grund der
Vögelverbreitung Vorschlägen hat, wurde von W ABLAGE auch für die
Verteilung der Säugetiere als durchaus zutreffend befunden und gelangte
dadurch zu hohem Ansehen. Wallage teilte seine „Regionen“ weiter
in „Subregionen“, anderseits faßte auch er schon die Regionen nach
ihren verwandtschaftlichen Beziehungen in Einheiten höherer Ord-
nung zusammen. Zettel hat diesen Gedanken noch schärfer aus-
gesprochen und kennt nur drei Säugetierreiche. Wir nennen sie, um
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Die Entwicklung der Faunenreiche.
663
wenigstens eine gewisse äußere Gleichartigkeit mit der von uns adop-
tierten Floreneinteilung zu erzielen, Gruppen, und teilen sie in
Reiche; die letzteren können wieder in Provinzen aufgelöst werden,
wofür sich Anhaltspunkte in unsern bisherigen Ausführungen ergehen.
Die heutige Siiugetierwelt — und im Großen und Ganzen gilt
dies auch von den übrigen höheren Tierklassen — geht von drei
Zentren aus: der Arktogäa, der nördlichen Halbkugel, Süd-
amerika und Australien. Die arktogäische Fauna verbreitet sich
nicht nur über alle Nordkontinente, sondern auch über Afrika.
Diese Wanderung und die Unterbrechung der nordischen Entwick-
lung durch die Eiszeit sind die beiden großen Ereignisse, die die
tiergeographischen Verhältnisse der Gegenwart, wenigstens soweit es
die höheren Formen betrifft, bedingen. Wir können darnach eine
förmliche Altersreihe der Faunenreiche entwerfen:
Gruppe Arktogäa.
1. Das arktische Reich 1 , .
o D*« Rpic.h Jugendliche
I
Faunen
2. Das altboreale Reich
3. Das neuboreale Reich
4. Das indische Reich mit den Abkömmlingen der Tertiär-
fauna ohne starke Beimischung nordischer Formen;
5. Das afrikanische Reich südlich der Wüste, mit mangel-
hafter arktogäischer Tertiärfauna und einigen sonst aus-
gestorbenen Formen ;
6. Das madagassische Reich mit ärmlicher arktogäischer Zu-
wanderung und alten Typen.
Süd amerikanische Gruppe.
7. Südamerikanisches Reich, eine alte Fauna mit spärlicher
arktogäischer Beimischung.
Australische Gruppe.
8. Australien mit einer Säugetierfauna von wesentlich meso-
zoischem Charakter.
9. Polynesien ohne Säugetiere.
Die Differenzierung von Norden nach Süden, die die Floren-
verbreitung beherrscht, linden wir auch in den tiergeographischen
Erscheinungen wieder: erst ein circumpolares Reich, dann ver-
schiedene Reiche, aber zu derselben Gruppe gehörig; endlich ver-
schiedene Gruppen. Der Endemismus der südhemisphärischen Länder
ist doppelt so groß, als der der nordhemisphärischen; altertümliche
Tierformen, die als Zeugen einer längstentschwundenen Vergangen-
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664
Die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere.
heit in unsere Zeit hineinragen, linden wir mit wenigen Ausnahmen
nur jenseits des Äquators. So die Ordnungen der Schnabeltiere,
Beutler und Zahnarmen, die breitnasigen Affen und die meisten
Halbaffen, den Borstenigel, den Goldmull, den Erdwolf, das Borsten-
ferkel, das Schopfhuhn, die merkwürdige Hatteria punctata Neusee-
lands, die Eigentümlichkeiten der Eidechsen, Krokodile und Vögel
in sich vereinigt, u. s. w. Nur auf die Südkontinente beschränkt sind auch
die großen Laufvögel, die im Eocän auch Europa und in der
Miocänzeit noch Vorderindien bewohnten, und deren Vorkommen auf
eine lange Abwesenheit großer Raubtiere deutet In Afrika be-
wohnt der Strauß nur die nördliche Wüste, wo er von Feinden
weniger gefährdet ist; sein nächster Verwandter ist der südumerika-
uische Nandu. Australien hat den Emu und gemeinsam mit den
papuanischen Inseln die Casuare, und Neuseeland den Kiwi. Auf
der letzteren Insel wohnten noch zwei andere Familien gigantischer
Laufvögel, von denen die letzten wohl erst vom Menschen ausge-
rottet wurden. Auch die Riesenvögel Madagaskars dürften erst in
der geologischen Gegenwart ausgestorben sein.
So spiegeln sich in der organischen Welt die beiden großen
geographischen Gegensätze wieder: die alte und neue Welt, die
Nord- und Südkontinente. Und überall begegnen wir auch hier
im positiven, aber mehr noch im negativen Sinne den Spuren der
Eiszeit, uud nur in den beglückteren südlicheren Ländern finden
wir noch Reste einstiger Tropenfülle.
L i ttera t u r n ac li weise. 1 Wallach, Die geographische Verbreitung der
Tiere, Dresden 187«. Hf.ii.pkin, The gcographical and genlogical Distribution
of Auimal8, New York 1887. Zittel, Rückblick über die geologische Ent-
wicklung, Herkunft und Verbreitung der Säugetiere; in den Sitzungsberichten
der bayerischen Akademie der Wissenschaften 1893. Marshall, Atlas der
Tierverbreitung, Gotha 1887, in Bergbaus’ Physikalischem Atlas. — f s Iuebino.
Die alten Beziehungen zwischen Neuseeland und Südamerika, im „Ausland"
1891; Die Paläo-Geographie Südamerikas, ebendaselbst 1893. — ’ Jack und
Ethekidoe, eit. S. 298. — 4 Brauer, Die arktische Subregion, in den Geo-
logischen Jahrbüchern 1887. — 5 Reich enow, Die Begrenzung geographischer
Regionen vom omithologischen Standpunkt, ebendas. 1887. — * Möbius, Die
Tiergebiete der Erde, Berlin 1891.
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Register.
Die Autorennamen sind gesperrt gedruckt. * bei der Seitenzahl bedeutet, daß auf der
betreuenden Seite eine Litteraturnotiz sich findet.
Aachener Quelle 368.
Aachquelle 524.
Aare 520.
Abaco, Gezeiten 234.
Abdachungsthäler 400.
Abdämmungsstufen 395.
Abessinien, Gewitter 139, Morphologie
314, 457, Ambas 454, Waldgrenze
604, Flora 628, Fauna 057.
Abfluß der Seen 512.
Abflußlose Gebiete 522, 523.
Abgegliederte Halbinseln 349.
Abgliederungsinseln 559.
Abich UL, 543.
Ablation 341.
Ablenkung horizontal sich bewegender
Körper 11.
Abplattung der Erde 5.
Abrasion 341, 418, 486.
Abrasiousterminante 420.
Abschließungsküsten 583.
Abschmelzung der Gletscher 162.
Absolute Feuchtigkeit 116.
Absolutes spezif. Gewicht des Meer-
wassers 217.
Absteigende Quellen 364,
Abukir, See v., 426.
Abweichung der Temperatur 86.
Abyschkansee 544.
Abyssische Kegion 35,
Achensee 533.
Ackerberge 424.
Adamello, Schneegrenze 149.
Adda 515, 545.
Aden, Golf v., 314.
„Adlergrund“ (Schiff) 248.
Adobe 414.
Adriatisches Meer 191, 193, 200, 238.
Aerophile, Ballon 55.
Afar 314.
Affen 645, 649, 654, 664.
Affenbrotbaum 599.
Afrika, höchste Breite 25, Grenzen 28,
Areal 30, Oberfläche 32, Höhe 36,
39, Temperatur 66, 67, 68, 70, 71,
81 , Luftdruck u. Winde 106, Regen
128, 129, 135, Kegenwahrscheinlich-
keit 131. Klimaprovinzen 174. Graben-
gebiet 314 ff., Vulkane 310, 311.
314, Erdbeben334, Laterit352, Deltas
406 , Bodenarten 428, 429 , Mor-
phologie 443, 491 , Flüsse 521 ,
527, Wasserscheiden 522, AbfluB-
lose Gebiete 522, 523, Abdach-
ungen 523, Depressionen 537, Seen
542, Halbinseln 549, Küsten 575, Küs-
tenabstand 587. Küstenentwickelung
587, Palmen 595, 596, Urwald 609,
Palmenwäldcr 610, Savanen 612, 613,
Steppen u. Wüsten 617, 618, Busch-
land 620, V egetationsformationen620,
Flora 622, Nahrungsgewächse 639,
Verbindung mit Südamerika 655,
Fauna 655 f., 663.
Agäisches Meer 193, 200, 313, 553,
Küsten 558.
Agassizsee 545.
Agaven 600, 617, 632.
Agh Sibyr 320.
Ägina 313.
Agramer Erdbeben 325, 328.
Agulhasströmung 246.
Ägypten 31, Wüstenwinde 115.
Ahorn 611.
Ainthal, Veränd. d. Aussiehtsweite 296.
Airy 235, Formel 224.
Akaba, Golf v., 314.
Akantbus 624.
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Register
()6(S
Akazien 610, 611, 620.
Akiz-See 533.
Akraolinsk, Verdunstung u. Regen 344.
Aktische Region Hü.
Alakul 544.
Alaschan, Regen 124, Waldgrenze 617.
Alaska, Vulkane 311 , Waldgrenze
BOI.
Alatau, Waldgrenze 604.
Albaner Gebirge 313.
Albanien, Bora 113.
Albano 367.
Albert Edward-See 313.
Albert-See 315.
Albuenfjord 582.
Aldabra 356.
Aletschgletscher 153, 167, Pflanzen 606.
Alöuten 553.
Alexandrien, Regen 127.
Algen 546, 547.
Algier, Föhn 115, Regen 136, Küste
377.
Algonquinsee 545.
Alibertberg, Temperatur älL
Alleghanies 83, Föhn 115, Beziehung
zum Vorland 478, Alter u. Höhe 484,
Bau 485, Geschichte 487, Durch-
gangsthfiler 51 2.
Aller 525.
Allier 526.
Alligator 645.
Allothorien 655.
Alluvium 20, 182, 183, 342, 428, 430,
439
Aloe 591, 598, 632.
Alpaka 655.
Alpcinerfemer 164.
Alpen, Schweremessnngen 13, Unter-
schied zwischen Sonnen- und Schat-
tentemperatur 58, Föhn 114, Regen
123, 124, 125, 138, Hagel 141, Schnee-
grenze 149, Gletscher 152 ff., 156,
166, angebliche Klimaänderung 188,
Vulkane 313, Erdbeben 334, höchste
kalte Quelle 367, Klammen 387,
Thalbildung 392, Moränenlandschaf-
teu 430. Betrag des Zusainmenschu-
bes 466, Bau 465, 468, 470 f., Fal-
tnngsperioden 473, Richtung 474, Ab-
grenzung 475, 476, Einteilung 476,
Beziehung zum Vorland 477, Gipfel-
höhe 483, Längsthäler 507, Gliede-
rung 311 , Durehgangsthäler hilf.,
Thal Wasserscheiden 516 f., Verhältnis
zur curop. Hauptwasserscheide 523,
Seen 536, 540, Flora 590, 628, Vege-
tationsgrenzen 604, Getreidegrenze
635, Fauna 647, (s. weiter Ostalpen,
Schweiz).
Alpensystem 32, 475.
j Alpen-Windröschen 590.
' Alpine Flora 628.
„ Gletscher 151, 166.
„ Pflanzenregion 606.
„ Tiere 647.
„ Waldgrenze 605.
Altai 635,
I Altdorf, Temperatur 1 14.
i Alte Floren 628.
Altenfjord, Strandlinien 284.
Altertum der Erde 1 9.
Alte Welt s. Ostfeste.
Altstätten, tfigl. Wärmeschwankung EIL
Alttertiär 20.
j Alvordthal 460.
I Altwasser 376.
Aluta (Alt) 508, 512, 515.
I Amazonas, Gezeitengrenze 238, Wasser-
menge 373, Mündungsform 403. 407,
System 525, Größe 527, Barre 585.
Amazonasebene, Regen 128, 135, Strand-
verschiebung 293, Bodenarten 430,
Bau 448, Vegetation 596, 608, 609.
Ambas 4M.
Ameisen 644, Humusbildung 346.
Ameisenbär 653.
Amerika, höchste Breite 25, Zweiteilung
27, Oberflächenformen 32, Tempera-
tur 66, 67, 73, 87, Temperaturab-
weiehung 87, Regenwahrscheinlich-
keit 131, Schneegrenze 148, Tropen-
gletscher 166, Klimaprovinzen 175,
Vulkane 311 , Erdbeben 335, Deltas
406, Wasserscheiden 522, Küste 574,
575, Küstenabstand 587, Vegetations-
formationen 620, Flora 621 , 625,
Nahrungspflanzen 638, 639.
Amerikanische Cyklone 108.
Amerikanisches Mittelmeer 192, Areal
und Tiefe 193, Bodeurelief 200, Ge-
schichte 206 Strömungen 243, Fluß-
gebiet 523.
Amiens, Schwelle 499.
1 Ammoniakgehalt der Luft 42.
! Amphibien 643, 645, Verbreitungsmittcl
558.
Amsterdam-Insel, Flora 602, 626.
Amu 528.
Amur 374, 408, 525.
Amnri, Erdbeben 337.
Amurland, Savanen 614.
Amur-Liman- Strömung 247.
Anakonda 645.
Ananasgewächse 608.
Ancylus fluviatilis, Schichten d. 286.
Andalusien, Erdbeben 337.
Andalusisches Gebirge, Vulkane 313.
Bau 474, 477, 4M,
Andamanen 571.
Andamanisches Meer 192, 193.
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Andes, Wärmeabnahmc Mi, Schnce-
frenze 148. Gletscher 169. höchste
alte Quelle 367, Hochflächen 445,
Gipfel 483, Wasserscheide 523, See-
zone 540, Pflanzenregionen 603,
Waldgrenze 604, 605, waldloser Teil
616, alpineFlora 630, Getreidegren-
zen 635, 636.
Audesit 299.
Androsace lactea 590,
Andrussow 542, 548*.
Anemone alpina 590.
Aneroid 440.
Angara 374.
Angefügte Ebenen 448, 449.
Angegliederte Halbinseln 549, 550,
Angot 62*.
Angra Pequena, Gezeiten 234.
Anio 515,
Ankogel, schneefreies Gebiet 145,
S. Anna-Atoll 569.
Anoa depressicomis 557.
Anomale Wasserscheide 511, 512.
Anschwemmung des Meeres 423 ff.
Antarktische Provinz 34.
Antarktisches Hochdruckgebiet 91, 93.
„ Meer s. süul. Eismeer.
„ Plateau 197.
„ Windgebiet 106, 107.
Antarktische Waldgrenze 602.
Antecedenztheorie 513.
Antholzer See 532.
Anticyklonen 94.
Antiklinale 463.
Antikliualkamm 464.
Antiklinalthal 464, 507, 508.
Antilibanon, Karstphänomen 363.
Antillen 32, 552, 553. Vulkane 314,
Fauna 655.
Antillenströmung 243, 244.
Antilopen 658, 659.
S. Autioeo 426.
Antipassat 10.1.
Antipodenirisei 25,
Antisana, Temperatur 57. tel. Feuchtig-
keit Hfl.
S. Anton, Regen 125.
Anziehungskraft von Sonne u. Mond 13.
Äolische Ablagerungen 410 ff., 428, 430.
„ 432, 433.
Äolische Ausräumungsbecken 534. 535.
Äolischer Felsboden 427. 428, 432.
Apenninen 30, 475, 476, Vulkane 313.
Erdbeben 334. Bau 478, 480, Ge-
treidegrenzc 635.
Aphel 45.
Aphroessa 305, 505.
Appalachen 33.
Apsidenlinie 46.
Apuanische Alpen 480.
I Äquatoriale Gegenströme 246, 251.
Äquatoriale Pflanzenwelt 592.
Äquatorialer Regengürtel 128,
Äquatoriales Barometerminimum 91,
_ 102, 1112.
Äquatorialhalbmesser 5.
Äquatorialklima 81. 82, 83.
Äquatorialseite der Cyklonen 96.
Äquatorialströmungen 242, 246, 251,
257.
Arabien 31 , 550, Winde 105. 116.
Regen 127, Vulkane 314, Bau 443,
Tafelberge 454, Wüste und Steppe
410, 612.
Arabischer Meerbusen 191.
Aradsch-Oase 537.
Arago 139.
Aral-kaspisches Tiefland, tägl. Wärme-
schwankung 79, Regen 126, 136,
Klimaprovinz 174. Bodenbewegungen
297, Dünen 412, Bau 448, Seen 542.
544. Pflanzenwelt 617, 623.
Aralsee 448, 536, 543.
Aräometer 213.
Arapahoe Peak 497.
Aras 530.
Araukanische Formation, Fauna 653.
Araukarien 600, 610, 622.
Arbroath, Riffreihe 420.
Archäisches Zeitalter (Formations-
gruppe) 11L
Archiguayaua 653.
Archipel 552.
Archiplata 653.
Arcona 416.
Ardennen 494.
I Arecapalme 597.
Aretin 351 ■
Argastoli, Quelle 358.
Argäus 313.
S. Ärgentario 426.
Argentinische Ebene s. Pampas.
Argonnenwald 455.
Arica, Bucht v. 29, Erdbeben 197, 225.
Arkansas, Canon 388.
Arktische Inseln 558, 58.1.
| Arktische Pflanzenzone 602, 623.
Arktische Provinz 34, Niederschläge
123, Klima 175, Küste 525.
I Arktischer Archipel von Nordamerika
552, 558.
Arktisches Hochdruckgebiet 91, 93.
Arktisches Meer s. nördl. Eismeer.
Arktische Tierwelt 645, 662, 663.
Arktische Waldgrenze 601.
Arktogäa 663.
! Arlberg, Regenverteilung 125.
Armenien 30, Vulkane 313, Getreide-
grenzen 636.
I Armorikanisches Gebirge 490.
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668
Register.
Arongewächse 598, tl()9.
Aronswurzel 637
Artesische Brunnen 365.
Artischokcndistel 632.
Arundarien 599.
Asa Gray (11 1.
tsale 537.
sar 430.
Ascension 552, tägl. Wärmcsehwan-
kung Slj Regen 132, Flora 571, .')!>(■■
Aschenkegel 309.
Asien, höchste Breite 25, Areal 30, Ober-
flächenform 30, Höhe 36, 39, Tempera-
tur 68, 69, 70, tägl. Wärmeseh wankung
79, Luftdruck und Winde 103f.,
107 ff., Regen 125, 131, 180, Glet-
scher 167 1., Klimaprovinzen 174,
Vulkane 310, Erdbeben 334, Boden-
arten 428, Abdachungsgehiete 523,
Abflußlose Gebiete 522, 523, Wasser-
scheiden 522, Flüsse 527, Halbinseln
549, Küste 574 f., Küstenabstand 587,
Palmen 596, Grenze der immer-
grünen Bäume 600, sommergrüne
Laubbäume 600, Vegetationsforma-
tionen 620, Flora 622, Getreidegrenze
634, Zentren von Nabrungspflanzen
639, Fauna 657, 659, 600 f., 663.
Asowsches Meer, Eisbildung 263.
Aspirationspsychrometer 3 4 .
Assai 597.
Assalsee 537.
Assmann 54.
Astrachan, Verdunstung u. Regen 126,
544.
Astragalus 591.
Astuarien 407.
Astuariumshäfen 585.
Asymmetrische Faltengebirge 470, 494.
Asymmetrische Thäler 386.
Atacama, Regen 128, Vegetation 618.
Atliabaskasee 485.
Atlantischer Küstentypus 375.
Atlantischer Ozean 25, 26, Areal 27,
193, Tiefe 39, 193, 197, Lufttem-
peratur 65, Windgeschwindigkeit 89,
Luftdruck und Wind 102 ff., 108,
Regen 125, 127, 128, 130, 133,
Bodenrelief 1 95, 198, Bodenbedeck-
ung 202 ff., Alter 206, Salzgehalt
214, Farbe 218, Wellen 221, 222,
Gezeiten 233 ff. , 239, Strömungen
242 ff , 251, Oberflächentemperatur
252, 256, 257, Tiefeutemperatur 255,
262ffT267TZu gangsdimeusionen 264,
Vulkane 310, Flußgebiet 523, Inseln
570
Atlantischer Torf 182.
Atlantische Welt 34.
Atlas 30, Regen 127 , Vulkane 313,
Erdbeben 334 . Richtung 476, Be-
ziehung zum V orland 477 , Flora 630.
Atmosphäre s. Luft.
Ätna 304, 307, 334. 502, Erdbeben
334, Kraterweite 501, Getreidegrenze
635.
Atoll 564.
Aubry 457, 463*.
Auchenien 654.
Auckland, Vulkane 502.
Aucklandinsel 559.
Auerberg 493.
Auerochs 659.
Aufgelöste Flexurgebirge 498 f.
Aufgesetzte Ebenen 443, 449, 491.
Aufschließungsküsten 583.
Aufschüttungsbecken 531, 532 f., 535.
Aufschüttungsboden 428, 429, 432.
Aufschüttungshäfen 583.
Aufsteigende Luftströme 52.
Aufsteigeude Quellen 365.
Auftriebwasser 253 ff.
Ausfüllungsdelta 404.
Ausfüllungsterrassen 390.
Ausgeglichene Küste 577, 578, 583.
Ausräumungsbecken 534, 535.
Außenküste 575.
Äußere Zone 64, im Januar 68, im
Juli 10.
Aussichtsweite, Veränderungen 296.
Australalpen 491, 492.
Austral-asiatisches Mittelmcer 192, 193,
Areal und Tiefe 193, Bodenrelief 200,
Salzgehalt 216, Strömungen 241.
Tiefentemperatur 267.
Australe Florenzoue 625 f., 628.
Australgolf 29.
Australien, höchste Breite 25, Grenzen
27, Oberflächenform 32, Höhe 36,
39, Temperatur 66, 68, 70, Wärme-
schwankung 79, Luftdruck u. Winde
105 f., Wüstenwinde 116, Regen 128,
129, 135, Hagel 141, Klimaprovinzeu
174, 175, Niveauveränderungen 290,
291, Flüsse 373, 527, Bodenarten 428,
429. 431, Bau 443, 453, 495, Ab-
flußloses Gebiet 522, 523, Wasser-
scheiden u. Abdachungen 523. Binnen-
seen 542, 545, Halbinseln 549, Küste
575, Küstenabstand 587 , Flora 594.
622, 625, 626. 632, Palmen 595, 596,
Eukalyptenwälder 611 , Steppen u.
Wüsten 616, 618, Skrub 619, Vege-
tationsformationen 620, Fauna 651,
663.
Australische Flachsee 199.
Australisches Riff 564.
Australmonsun 109.
Auvergne 504.
Avoca 530.
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Register.
6t»9
Avon 530.
Aye-Aye 55S,
Azoren 572, 573, 624.
ßabirusa alfurus 557.
Backerinsel, Regen 132.
Baden-Baden 368.
Bad land erosion 454.
v. Baer 528, 529, 543, 641.
Baersehea Gesetz 529.
Baffinbai 191.
Bagdad, Regen 121.
B agneres -de- Luchon 3fi3.
Bagneres-di-Bigorre 368.
Bahia, Gezeiten 234.
Bahr el Ghasal 543.
Baikalsee 536, 537, 538.
Baku, Schlammsprudel 320, 321.
Balkan 30, Vulkane 313, Bau 475.
Einteihuig 477, Durcligangstlial 512,
Völkerscheide 519
Balkanhalbinsel 549, 551, 553.
Balkaschsee 544.
Ball 6Ü5.
Ballah. Seen 28.
Ballonfahrten 54. f.
Baltische Länder, Temperaturabwei-
chung ai
Baltische Seenplatte 447, 522.
Bambus 598, 599.
Bananen 597.
Banatergcbirge 512.
Bandainseln 557.
Bandaisan 304, 308.
Bandlicht 4iL
Bandstruktur der Gletscher 158, der
Bergabhänge 349.
Banyanen 598.
Barabastcppe 615.
Barbadoes 5B8.
Barcliane 412.
Bären 656, 659, SM.
Bärensee 485.
Barentsee, Tiefentemperatur 266.
Barnaul, Regenschwaukungen 160.
Barometerschwankungen 109.
Barometrische Höhenmessung 440.
Barometrisches Maximum 24,
Barometrisches Minimum 94.
Barral-Bixio 55.
Barranco 502.
Barren 200, 403, 585,
Barren Valley 460.
Barriereriff 564.
Barth 79.
Barysphäre I«
Basalt 299, 312,
Basel, jährl. Wärmeschwankung 82,
Basische Eruptivgesteine 299.
Batate 637.
Batavia, tägl. Wärmeschwankung fLL
Bates 645.
Batliolitheu 506.
Bätisches Gebirge s. audalusisch. Geb.
Bauerngraben 359.
Baumann 315, 822*, 525.
Baumfarn 591, 596.
Baumgrenze s. Waldgrenze.
Banmstachelschwein 654, 661 .
Baumwolle 637.
Bayrische Hochebene Klima 1 12.
Bayrischer Wald 629.
de Bcaumont 484.
v. Bebber 42*, 77*.
Becker, G. IL, 13*.
Beelfoot Lake 534.
Beerensträucher, Zone der, 637.
Behr 512,
Beifußgewächse 61 7.
Bekaä 314.
Beicher 563.
Beleuchtungszonen 46.
Belgien, Wald 631.
Belize, tägl. Wärmeseliwankung 81L
Bell 496*.
Beil-Rock 417.
Belutschistan, Erdbeben 332.
Beneä 6, E,
Bengalen, vertikale Wärmeabnahme
56, 57, 60, Regen 126, Erdbeben 337.
Bengalen, Meerbusen v. 191.
Bcnguela, Gezeiten 234.
Benguelastrom 246, 253.
Ben Nevis, Temperaturabnahme 56.
Benthos 203.
Berendt 160, 530.
Beresow, Sommertemperatur 636.
Berg 436.
Bergfeuchtigkeit 354.
Berghaus, Heinrich 585.
Berghaus, Herrn., 206*, 276*, 500,
524, 636, 639*.
Bergklima 51 f., 32,
Bergkrankheit 42.
Bergland 437.
Berglauf 520.
Bergreis 633.
Bergschrund 160.
Bergsturz 351.
Bergunthal, Erdpyramiden 351.
Bergwind 111.
Beringmeer 192 , Areal u. Tiefe 193,
Bodenrelief 199. Eisbildung 266.
Beringstraße 25, 26j 196.
Berlin, Zahl der heiteren Tage 121.
Grundwasser 355, Mächtigkeit des
Diluviums 447, Seehöhe 447.
Berliner Verein f. Luftschiffahrt 54.
Bermudas 552, 570, Flora und Fauna
571, 572, 512.
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670
Register.
Bern, tägl. Wärmeschwankung 30.
St. Bemhard 59, SIL
Bernina 483, 603.
Berson 42, 55, 121.
Besenstrauch 391.
Beßarabische Depressionen 536.
Bessel 5, £.
Besteck 241.
Bestrahlungsstärke 43.
Betelnuß 537.
Beutelratten 653.
Beuteltiere 651, 653, 664.
Bevers 59, 80, 83.
Bewölkung 121.
v. Bezold, 101*, 141*.
Biafogletselier 168.
Bialowitzer Wald 639.
Biber fififl.
Biermann 184, 190*.
Bifurcation 524.
Billwiller 112.
Bimsstein 304.
Biunendelta 403.
Binnendepressionen 536.
Binnenlanddünen 410, 412.
Binnenmeere 191, Salzgehalt 216, Ge-
zeiten 238.
Biuodale Wellen 227.
Binsen 547.
Birke 591, 612.
Birkeutuff 182.
Birket el Koriin 531.
Bisamochs 646. 648.
Bischof 9.
Biskra 121, 127.
Bismarck-Archipel 311.
Bison ,659, 660.
Bitterseen 28, 343.
Bl aas 40 1 *.
Black Hills 4119.
Blanc 415*, 531 *.
Blanckenhorn 499 *.
Blanford 111, 1 16*. 190, 543.
Blatt (geologisch) 272, 215.
Blattnaseu 654, 638.
Blaueis 1 55.
Blauer Schlick 201. 203.
Blink 528, 331*.
Block-Insel, Gezeiten 234.
Blocklava 303.
Bludenz, Regen 123.
Blue Mountains 487.
B 1 ü mek e 397, toi *.
Blunt 61 7.
Blytt 181, 182. 186. 187, 190*, 281,286.
Blyttsche Klimaperioden 183.
Bocche di Cattaro 383.
Boehorno 1 12.
Bodden 516.
Bodenarten 345, 4.2.7 ff.
Bodeneis 14,
Bodensee 528, 545.
Bodmer 392, 401 *.
Bogendünen 412.
Bogenförmige Abrasionsküsten 420.
I Bogenförmige Faltengebirge 473.
! Bogoslowa 317.
Bogota 139, 604.
v. Boguslawski 206*, 244.
V. Böhm 479*, 540, 348 *■
Böhmen, Regen 125.
Böhmer Wald 347, 490.
j Böhmisches Massiv 474, 490, 491.
| Böhmisches Mittelgebirge 313, 304.
Boiumgletseher 1 70.
| Bokkeveld-Berge 484.
I Böigen, Strandterrasse 419.
' Bolivia 33, 633.
Bolseua, Kratersee 313.
, Bomben 299.
Boninströmung 247.
Bonn, Länge des Sekundenpendels 3.
j Bonneville-See 184, 296, 343.
j Bonvalot 310.
Boothia Felix, Niederschläge 142.
Bora 113.
Boraxseen 543, 344.
| Bore 938.
' Borcale Flora 622. 625, 627.
) Borcale Wurzelschicht 1 82.
J Borgen 234, 235*, 271.
Borkum 117, 421, 555.
Bornemann 322A
! Bournemouth, Erdpyramiden 351.
Borneo 557. 605.
Börscli 211.
Borstenferkel 654, 664.
Borstengras 346.
Borstenigel 654, 655, 664.
Böschungen auf dem Meeresboden und
Festland 194, im Gebirge 348 ft’.
Bosnien 394.
j Bourbon -Vulkan 303.
j ltourdaloue 296.
Boussinesq 375, 381 *.
Bozen, Erdpyramiden 351.
Bracciano, Kratersee v., 313.
Brackebusch 155, 163*.
Brackwasser 402.
( Brahmaputra 405, Thal 508.
j Brauco 299* 313* 322*. 454, 455.
lirandis 607.
Brandt, K. 6501.
[ Brandung 223, 41.7.
I Srand weinsbai, Korallenriffe 530.
Brasilianisches Sandsteinriff 421.
Brasilien, Gebirge 33, 443, 491, Late-
nt 352, Strandseen 533 , Küste 3*3.
578, W ald 609. 622, Campus 613, 614.
Brasilstrom 246.
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Register.
(»71
Brauer 062, 004 *,
Brauner Jura 20.
Brauns 295.
Bravais 284, 285.
Breitenloliner hkii.
Brenner 517, 519.
Breslau 77* 117.
Brenta -Alpen, Schneegrenze 149.
Bretagne 490, 549, 582.
St. Bridesbai 420.
Brienzer See 545.
Bristenstock 349.
Bristolkanal, Flutgröße 238.
Britische Inseln, Bewölkung 121,
Niveauvcräuderungen 288, Küsten
417 , 420, 422, Seen 536, Alter und
Fauna 554, 555, Wald 631 .
Brito, Hafen v., 28.
Brocken 493.
Bromatorische Linien 639.
Bromberg, Seehöhe 447.
Broms, Strandlinie 285.
Bronzitchondrite UL.
Brotbaum 598.
Brown 463*.
Bruchberge 494.
Bruchnetze 273.
Bruchstufen 457, 462.
Bruchzone 27, 206.
Brückner 145, 146, 149', 177, 181,
190*, 211, 287, 297* 298*.
Brückncrschc Klimaperioden 186, 21 1.
Bryson 369.
v. Buch 281, 314.
Buehan 77^ 101, HO*. 219*, 271
Buche 591, 61 1.
Buchsbaum 600.
Buchtenländcr 446, 449.
Budsak 376.
Büffel 656.
Büftelgras 615.
Bugmündung 406.
Buh sc 617.
Bukatatanoa 567.
Bum-Bum-Riff 563.
Bunge 617.
Bunscn 318, 369, 370.
Buntsandstein 211.
Burträsk, Strandliuie 285.
Burtscheid 367.
Busch 613, filü.
Büschelgras 615.
Büßerschnee 155.
Buxton 644.
Buy s-Ballot 72, 77*.
Buys-Ballotsches Gesetz SS.
Cacao 637.
Calabrien 480, 551, Erdbeben 325, 333,
334, 337.
Calamus 597.
Calcutta-Hafen 585.
Caldera 306, v. Palma 502.
Calcdonisches Gebirge 491.
Caledonischcr Kanal 483, 518.
Californien, Klima 175, Erdbeben 330,
Geysire 370, Thal 508, Seen 540,
Halbinsel 549, Vegetation 614, 620,
Flora 624, Fauna 658.
Californien, Golf v., 193.
Californisch - mexicanische Strömung
246, 253.
Caltabianco 387.
Cambrisclie Formation 11L
Campanula excisa 593.
Campbellinsel 559.
Campos 613, 614, Regen 128.
Canadische Hestruktionsfläche 485.
Canadisches Berufkraut 593.
Canadische Seen 485, 536, 545. 581.
Canale di Lerne 583.
Canaren, Wüstenwinde 116, Vulkane
312, Flora u. Fauna 572, 574, 624, 631.
Candolle 639*.
Canidae 661.
Cannes, unterseeische Quelle 358.
Cafions 388, 451 f.
Capoes 614.
Caprotinenkalk 363.
Capverdcsche Inseln 561 , Passatstaub
202.
Caracas, Erdbeben 325.
Carandapalme 610.
Carolinen 567.
Carpantaria-Golf, Strömungen 241.
Casa inglese, Wärmeschwankung 82.
Casio uiare 524.
Castilicn, Plateaus v. 445.
Casuar 664.
Casuarinen 591, 611, 625.
Catalonisches Gebirge 5 1 2.
Catena metallifcra 480.
S. Catharina, Gezeiten 234.
S. Catharina (Prov.) Wald 610.
Catiugas 614.
Cauca 526.
Causses 363. 364, 401.
Caviana 5so.
Cayenne, Gezeiten 234.
Celebes, 320. 557.
Celebes-See, Tiefeutemperatur 267.
Celsius 281L
Cenoman 21L
Cerealien s. Getreide.
Cerro Gordo, Niveau Veränderung 291.
Ceylon, vertikale Wärmeabnahme 56,
Regenzeit 135, Fauna 555, 657, Ge-
birgsflora 630.
Cbalkidike 551 .
Challenger-Expedition 194, 207 ' ■
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672
Register.
Chamacrops 596.
Champagne 455.
Champlain-Hudsonthal, Winde 1 12.
Champlainperiode 390.
Champlainsce .r)36.
Chanar 020.
Chargeh-Oase 184.
Charlestou, Erdbeben 326, 329, 330, 337.
Chataminsel 9.79.
Chatangathal, Waldgrenze 001.
Cbaudesaigues 307.
Chavauue 40*.
Chemische Erosion 341.
Chemische Verwitterung 343.
Cher 520.
Chester 293, 298*.
Chile, scheinbare vertikale Wärmezu-
nahme 60, Regen 129, Schneegrenze
143, Niveauveriinderungeu 291, Vul-
kane 311, Erdbeben 335, Seen 536.
Waldland 610, 611, Steppen 616,
Flora 626, Getreidegrenze 635.
Chiltemhügel 496.
China, Gebirge 32, Luftdruck 108, Re-
gen 126, Klimaprovinz 174, Löß
414, 431, 445 f., 452. Bodenarten 429,
Tiefland 446, Küste 575, 582, Wald
61 1, Maquis 620, Flora 624, 631,
Fauna 658, 660.
Chinchillas 654.
Chistoni 122*.
Chloros 631.
Choffat 468.
Choisy 415*.
Chorigraphische Kurve 586.
Christ 590, 595*, 604, 606, CiL
Christmas Island 568.
St. Christof, Regen 125.
St. Christoph-Insel 314.
Christy 615, 621 *.
Churfirsten 349.
Cibinfluß 515.
Cierzo 112.
Circckap 480.
Cireumterraner Ozean 21L
Cirkus 309
Cirque de neve 509.
„Cirrus“, Ballon äh,
Cirruswolken 121.
Cissa 293.
Cistrosengewüehsc 594.
Clarke 5, ß.
Coahuillathal 537.
Cockburninsel 602.
Colorado, Tafelland 33, 451, 454, 458,
498. 504, Regen 128, Canon 388,
Fluß 520, Vegetation C06, 617.
Coloradokette 497, 493,
Columbia (Fluß) 407, Lavafeld am C.
311, ALL
Columbia (Staat), Cordillere v.32, wärm-
ster Monat 81, Getreidegrenze 635.
Comoren 561, 631.
Comosce 536, 545.
Conception, Regen 129.
Coneyinsel, Laud- und Seewinde 111.
Connecticut (Delta) 4115.
Conway 167, 168, 173*.
Cook 293, 298*.
Cooper Creek 403.
Copernikanisches Weltsystem L
Copiapo, Regen 129.
Cordilleren, Schneegrenze 148, Vulkane
312.
Cornwallis 490, 582.
Coromandel, Regenzeit 1 35.
Corralgletscher 166.
Corrasion 341.
Corsica, Flora 624.
Corypha umbraculifera 599.
Coseguina 302.
Costa Rica, Getreidegrenze 635.
Cotidal lines 233, 236.
Cotopaxi 302, 303, 304, 500.
Cotswold Hills 456.
Cottonsoil 415.
Courbis 412, 415*.
Cratithal 550.
Credner, H, 22*.
Credner, R. 227, 228*, 403, 407,
408*, 535, 537, 548«.
Creeks 373.
Creuse-Vienne 526.
Crkviec, Regen 125.
Croll 2, 6Z, 186, 187, 190*.
Cryptoproctidae 556.
Cuddapahformation 22.
Cuneo, Aussichtsweite 296.
Custozza, Hügel 430.
Cviji 6 370*.
Cykladen 553, Vulkane 313.
Cyklische Periode der Polarlichter 5L
des Klimas 78, 185.
Cykloide 21iL
Cykloncn 94, 91.
Cynopithccus nigrescens 557.
Cypressen 601.
Dachsteingebirge 473.
Daciabauk 196.
Daemouorops 597.
Dali 198, 247, 601.
Dalmatien, Bora 113, Regen 125, Ni-
veauveränderungen 293, unterseeische
Quellen 358, Küsten 417, 583, Inseln
553, Waldgrenze 604, 605.
Damaraland 618.
Dammbecken 532, 535.
Dämmerung, 47, 202.
Dammriff 564.
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Register.
H73
L>ampf(|uelleu 367.
Dana 23^, 306, 322*, 503, 500*, 566,
574 * 5ftl .
v. Danckelman 131, 133 *, 139, 141 *.
441 *■
Dänemark, Wald 63 1 .
Danziger lluelit 425.
Dänen, Isthmus v. 23,
Darling 373, 526.
Darß 576.
Darwin, Chr. 3, 6^, 294, 345, 353*,
565, 566, 567, 568, 569, 570, 571,
572, 574*, 642.
Darwin, G. H, 13*.
Dastarjan, See- Bei 543.
Dattelpalme 597.
Daubrec 315, 322, 355, 3£L 370*.
390.
Dauphine, Flora 592.
Davis, W. M. 487, 496*.
Davison 346, 353 *■
Davos, Klima 58.
Dawson 496*.
Death Valley 537.
Debreczin, Seen bei, 543.
Deflation 341, 409.
Dehna 617.
Dekan 32, Regen 126, Trappplateau
307, 443, 491, Massiv 491, Halbinsel
550, Flora 622, Fauna 657.
Delaware, Niveauveränderung 293.
Delebpalme 610.
Delta 403ff.
Deltaküsten 406.
Deinawend 303, 309, 312.
Deniquil, tägl. W ärmeschwankung 19.
Denudation 341, 346.
Denudationsberge 462.
Denudationsgebiete 346.
Deuudationsniveau 342, 483, 484.
Denudationsstufen 454, 462,
Depressionen 536 f.
Derborence, Seen v., 532.
Derby 496*.
Dersch 116*.
Destruktion 340.
Destruktionsfläche 487, 495.
Detrition 341.
Deutschland , Temperaturabweichung
87, Weinbau 188. Tiefebene 195,
447, innere Niveauveränderungen
296, Flüsse 529, Küsten 576 f., 582,
Flora 623, 629, WTald 631, Schmetter-
lingsfauna 644.
Devon 20, 22.
Dewdarokgletscher 157.
Diagonale Stromzerlegung 384.
Diathermanität der Luft 43,
Diatomeen 640.
Diatomeenschlamm 204.
Supan, Physische Erdkunde. 2. Aufl.
Dichte der Erde 2,
Dichte des Meerwassers 213, 260, als
Erzeugerin von Strömungen 241, 248.
Dichtigkeitsfläche 210.
Didica 317.
S. Diego, Temperatur 70, Regen 127.
Diener 479*.
Dietrich 196, 207*, 569.
Dikotyle Angiospermen 621.
Diller 322, 481, 496*.
Diluvialterrassen 390.
Diluvium 20, 182, 1 83, 1 85.
Dimensionen der Erde 5.
Dingo 651.
Dinklage 202, 207*, 254, 255*.
Dinse 588*.
Diskordante Küste 575, 577, 583.
Dislokationen 44, 272.
Dislokationsbeben 331, 332, 336.
Djursten, Niveauveränderung 287.
Dujepr 526.
Dnjestr-Delta 404.
Dobrudscha-Küstc 425.
Doering 291 .
Dofane 315.
Dogger 20.
DoKutschajew 415*.
Dolinen äfiOf., 362, 363.
Dollart 421.
Dölter 292, 561, 574*.
Domeyko 335.
Dommesten, Regen 125.
Donau 520, 521 , Eisbedeckuug 374,
Abtragung 381 , Delta 406, Durch-
bruchsthäler 512, Verbindung mit
dem Rhein 524, System 525, 526,
Größe 527, Ablenkung 529 , Ver-
änderung des Gebietes 531.
Donaubecken 444, 445.
Donez, Kohlengebiet am, 442.
Donner 631.
Doppeliuseln 552.
Doppelküsten 576.
Doppellauf 521.
Doppelte Randfaltung 478.
Doppelthäler 517.
Dorfersee 523.
Hornsträucher 608, 616, 619, 620.
Douehty 462*.
Douglastanne 612.
Dove 71, 72, 86, 88*, 101, H9, 234,
Windtheorie 9J_, Drehungsgesetz 98.
Downs 499.
Drachenbaum 598, 624.
Drakenberge 457.
Drakensteenberge 4M.
Drammengranit 506.
Ilrance 514.
Draperien (Tropfstein) 357.
v. Dräsche 480.
43
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674
Register.
Drauthal, vertikale Wärmezunahme ML
Drei Herren-Spitze 511.
Dribbles-cones 306.
Drude 595*, 596, 610, 622, 627, 632 *.
Dryastuff 182.
v. Drygalski 156, 219*, 286, 289,
297*, 298*, 401 *.
Dschamuna 530.
Dschihan 530.
Dschungel 608.
Dschungclgebüsch 620.
Dubois 184, 190*.
Dumpalme 597, 610.
Düna, Eisbedecknng 374.
Dünen 410, 41 1 ff.
Dünenwüste 410.
Dunkelmeer 255.
Dunstdruck 116, Linien gleichen D. 117.
Dünung 223.
Duppauer Gebirge 313.
Durance 530.
Durchbruchsthäler 511.
Durchgangsmeere 192.
Durchgangsthäler 514 ff.
Durchgreifende Gebirge 479.
Durchgreifende Wasserscheide 511.
Durchlässiger Boden 354.
Durchschnittstemperaturen der Breiten-
grade Tf, 72, der Zonen etc. 72.
Durrha 634.
Dutton 278*, 306, 322*, 337, 338,
340*, 388, 401*, 463*, 467, 499*;
Dwina 374, 526, 527.
Dyas 20.
Earthquakes 322.
Ebbe 229, 233.
Ebene (Ebenheit) 436, 438, 44.11.
Ebenmaß von Zerstörung und Fort-
sehaffung 428.
Ebermayer 190*.
Ebrodelta 403, 404.
Ebrothal 512, Winde 112.
Echo Cliffs 439.
v. Eckert 53 1 *.
Ecuador, Strandterrasse 419, Wald-
grenze 604.
Edentaten 645, 653, 664.
Edmondstone 560.
Egerthal 512.
Eginitis 337.
Ehrenberg 202.
Ehrenburg 587, 388*.
Eiche 591, 534.
Eide 579.
Eichhörnchen 641, 660, 661.
Eidechsen 645.
Eiderdelta 405.
Eifel, Maare 299, Vulkane 310, 315,
Bau 494.
| Eiffelturm, Temperatur 53, Wind 2Ü.
Einbruchshäfen 583.
Einfache Faltengebirge 467, 494.
Einfache Verwitterung 343.
Einseitige Randfaltung 413.
Einsturzbeben 331, 336.
Einsturzbecken 534, 535.
Eintagstiden 232,
Eintiefungsbecken 531, 533 ff., 535,
Eis 15.
Eisack 515.
Eisbär 558, 646, 662,
Eisbedeckung der Flüsse 374.
Eisberge 171, 269.
Eisbildung in Süßwasserseen 259, im
Salz wasser 260, 269.
Eisboden 427, 428, 432.
Eisbrocken 269.
Eisenbahnen, Einfluß anf die Pflanzen-
verbreitung 623.
Eisfelder 269.
Eisfjord 583.
Eishöhlen 357.
Eismeerbecken 198.
Eismeere 26.
Eispressung 269.
Eisschollen 269.
Eisseen 532.
Eiszeit 183 ff., Einfluß auf die Ober-
flächenformen 391, 519, 538. auf die
Pflanzenverbreitung 623, 629, auf
die Tierverbreitung 643, 647, 658,
Eiszunge 150.
Elbe 525, Gezcitengrenze 238, Eisbe-
deckung 374, Sedimentführung 380,
Mündung 405, 406, Veränderungen
530.
Elbsandsteingebirge s. Sächs. Schweiz.
Elbthal 389.
Elbure-Gebirgc 312. 398, 616.
Elefanten 643, 650, 656, 658.
Elen 652,
Eifert 122*.
Elis, Bau 482.
Elk Mountains 498.
Ellice-Inseln 567.
Elm, Bergschlipf 352.
Else 524.
Eltonsee 543.
Eluvialboden 428, 429, 432.
Eluvium 342.
Emergenzwinkel 323.
Emmons, 1L 292, 298 *.
Emmons, S. F. 498, 499*, 516.
Ems 405.
Emser Quelle 368.
Emu 664.
Enaresee, Getreidebau 634.
! Endemismus 554. 559.
| Endmoränen 162.
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Register.
(575
Endogene Phänomene 212.
Endverwaehsung von Faltengebirgen
476.
Energiequellen 14.
Engadin, vertikale Wärmezunahme 59,
Berg- und Thalwind 112, Seen 545,
Getreidebau 636.
England , Temperaturveränderlichkeit
84, Temperaturabweiehung 87, Winde
103, Kegen 123, 137 , Niveauver-
änderung 29(4, Mineralgehalt der
Quellen 366, Abtragung 361, Küsten
422, Trennung vom Kontinent 423,
Tiefland 456, Schmetterliugsfauua
644.
Eugler 559, 593, 595*, 621, 625, Ü2&,
Enns 515.
Ensete-Pisang 599.
Eocän 20.
Eogen 2£L
Epigenetischc Thäler 400, 514.
Epiphyten 609.
Epizentrum des Erdbebens 323,
Epomeo 313.
Equus-Schicbten, Fauna 653.
Erdbalm 43, 45,
Erdbeben 15, 322 iE, Bergstürze 351 ,
Temperaturänderung d. Quellen 338,
Erdbebenbrücken 328.
Erdbebenfluten 225, Berechnung der
Meerestiefe 197.
Erdbebengebictc 334.
Erdbebenherd 323, 337.
Erdbebeninseln 323,
Erdbebeninstrumente 324.
Erdbebenperiode 325.
Erdbebenstatistik 336.
Erde, Gestalt 3, Dimensionen 5, Teile
7, mittlere Dichte 7, Geschichte 19,
Verhältnis von Wasser u. Land 23,
24, 25.
Erdenluft 41.
Erdferkel 636.
Erdinneres, Temperatur 8, Beschaffen-
heit lüf., Gezeiten 17, 240, 339.
Erdkrume 343.
Erdkruste 12, vertikaler Aufbau 34,
mittlere Höhe 23.
Erdkunde s. Geographie.
Erdmagnetismus AL
Erdpyramiden 390.
Erdrotation, Ablenkung 17, der Winde
88, der Flutwelle 236, Erzeugung
der Meeresströmungen 247, Ablen-
kung der Meeresströmungen 251, 264,
Schwankungen 281, Ablenkung der
Flüsse 528.
Erdwolf 656, 664.
Erebus 484.
Erica cinerea 600.
Eriekanal, Eisbedeckung 374.
EBker 430.
Erle 612.
! Erloschene Vulkane 310, 503.
Erosion 341, 377. 381.
Erosionsbasis 384.
Erosionsgebirge 453, 462, 504.
Erosionsspuren 339.
Erosionsterininante 383.
Erskine 650.
Eruption der Vulkane 3üfiff, 3Q9.
Eruptionsperiode 303.
Erythräischer Graben 314.
Erzbach 515.
Erzgebirge, Wärmeabnahme 56, Tem-
peraturveränderlichkeit 85, Vulkane
313, Bau u. Geschichte 489, 490,
492, Granit 506.
Escher 5113,
Essen, Erdbeben 327.
Esthland 396.
Etage (geologisch) 19.
Etewald 609.
Etheridge 298 *.
Etmal 241.
Etsch 380, 520.
Etschthal 509.
S. Eufemia-Golf 550.
Eukalypten 591. 599, 611, 625, 622,
Euphorbien 591.
Euphrat 405, 530.
Eurasien 660, Fauna 661.
Eurekagebirge 432.
Euripus-Strömungen 227.
Europa, höchste Breite 25, Grenzen 29,
Areal 30, Oberflächenform 30, Höhen-
stufen 36, Mittlere Höhe 39, Tem-
peratur 69, Windgeschwindigkeit 89,
Gradient 96, Barometrische Minima
97, 98. Luftdruck u. Winde 103,
108f, Bewölkung 121. Regen Wahr-
scheinlichkeit 131, Gewitter 139, Ha-
gel 141, Gletscher 166, 169, Regen-
Schwankungen 180, Eiszeit 183, Vul-
kane 310, 312, Erdbeben 334, Dünen
412, Löß 414, Bodenarten 428, 429,
Wasserscheide 522, Abflußloses Ge-
biet 522,523, Abdachungsgebiete 523,
Flüsse 597, Halbinseln 549. Küste
575, Küstenentwicklung 585, 586,
Küstenabstand 587, Palmen 595, 596,
Grenze, der immergrünen Gewächse
u. sommergrünen Laubbäume 600,
Wälder 61_L Heide 620, Vegctations-
fonnatiouen 620. Fora 623. 631, Ge-
treidegrenzen 634, Obst 637, Zentren
von Nahrungpflanzen 639, Tertiäre
Fauna 643, 651 , Umgestaltung der
Fauna 658, Jetzige Fauna 660 f.
| Europäische Gradmessung 5.
43*
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676
Register.
Kustatische Niveauveränderungen 280,
281.
Euterpe oleracea 597.
Eutroplus 556.
Evorsionsbecken 534, 335.
Ewiger Schnee 150
Ewiger Schneeberg Ififl.
Exaration 341.
Excessives Landklima 82.
Exogene Wirkungen 340.
Expansionsthorie 27«.
Exploring Isles 5R7.
Explosionsbecken 534, 538.
Explosionstiuten 22«.
Exzentrizität der Erde 18«.
Fächerstruktur 485.
Falb 338.
Falkeninsel 317, 5«8.
Falklandinseln 555, «02.
Falklandstrom 246, 253, 235.
Falten 463.
Faltengebirge 463 ff., 434, 433.
Faltenland 275, 463, 434.
Faltenschollengebirge 482, 494, 498.
Faltenscbollenland 482, 553.
Faltung der Schichten 14, 272, 275.
Faltungsbecken 538.
Faltungsepochen 22,
Faltungsintensität 468.
Faradayhügel 19«.
Farben der Tiere 641.
Farne 598, 608.
Färöer 571, 572, 636
Färöer-Shetlands-Rinne 266.
Fasanen 658.
Fastebeue 486.
Faulhorn 344, 347.
Faultier 634.
Faunenreiche 650 ff., 662, 663.
Faye 5.
Fayum 538.
Faziesgebiete 431 ff.
Feigenbaum 624.
Feinerdige äolische Ablagerungen 428,
430, 433.
Feldermethode 36,
Fellacli, Temperatur 59.
Felsboden 427. 428.
Felsdolinen 360, 362, 363.
Felsengebirge, vcrtik. Wärmeabnahme
56, Föhn 115, Gletscher 168, Bau
196 f., 498, Waldgrenze 604, alpine
Flora 630, Getreidegrenze 635.
Felsenmeere 347.
Felssturz 331 .
Felsterrassen 390, 392.
Ferdinanden 316.
Fennanschacht SL
Fernando Po 561.
Fernpaß 519.
| Ferrel 91, 92, 93, 101*, 234, 235.
Ferro, Gezeiten 234.
Festland s. Kontinente.
Festländische Inseln 552 ff.
Feuchtigkeit der Luft 116.
Feuerland, Waldgrenze 604.
Fjällfras 646, 662.
Fjärde 582.
Fichte 612.
Fidschi-Inseln 552, 559, 566, «22.
Fiederförmige Gliederung 510.
Filhol 559.
Finnland 550, Niveauveränderungen
286 ff., Moränenlandschaft 430, Seen
538. 539, Fjärde 582.
Fiuschhafen, Regen 135.
Finsteraarhorn, Schneegrenze 144, 1 46.
Finsterwalder 62*, 164, 165*, 397,
401».
Fjorde 578, 584.
Fjordinseln 580.
Fjordseen 580.
Fjordstraßen 580.
Firn 143.
Fimeis 154.
Firngletscher 150, 1 66.
Fimnnie 144.
Firnsee (Karakorum) 168.
Fischer, Hans 1 49 *.
Fischer, Theobald 188, 420, 426*.
Ul, 495*, 5XL
Fisher, 0. 11, 12, 13^, 277, 466.
Fitzroy 234.
Fiumaren 372.
Flachbogen-Küste 576.
Flächenbeben 330, 332, 33«.
Flächenberechnung 5.
Flachküste 416, 421.
Flachland 426, 442, 495.
Flachlauf 520.
Flachschichtung 442.
Flachsec 196.
Fladenlava 303.
Fläming 447.
Flammarion 1 18.
Flarden 269.
Flaschenreisen 241.
Flattertiere s. Fledermäuse.
Flechtentundra 602.
Fledermäuse 645, 651, 654, 660, 661.
Flevosee 421 .
Flexur 274, 275.
F'lexurgebirge 496 ff
j Flexurstufe 457, 462.
Floeberg Beach, Temperatur 69-
F'Iora 589, Einteilung 595, 627, Alter
und Entwicklung 628.
Florenz, Regendichtigkeit 133
I Florida 550.
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Register.
677
Floridastrom 243 f.
Flughörnchen 658.
Flugsand 428, 432.
Flugsandwüste 410.
Flußdünen 412.
Flüsse 371, 520 ff., jährliche Periode
und Schwankungen 371, Anschwem-
mung 429, Veränderungen 327.
Flußeis im Eismeer 269.
Flußpferd 636.
Flußsedimente 378, 380.
Flußspiegel 375.
Flußsysteme 525, Veränderungen 5311
Flußufer, Veränderungen 37(i.
Flußvermischung 524.
Flut 229, 238.
Flutbraudung 238.
Flutgröße (Höhe) 229, 232, 238.
Flutlinien (Flutstundenlinien) 233.
Föhn 114.
Fol 217, 219».
Forbes 157, 153.
Forchhaminer 212.
Förde 5x2.
Forel 164, 165*, 218, 227, 228*. 259,
271*, 326.
Forelsche Farbenskala 219, Erdbeben-
skala 320, 331L
Formation (geologisch) 19.
Förmerich 310,
Formosa 555, Vulkane 31 1.
Förster 42*.
Förstle 514, 520*.
Forstlich -meteorologische Beobach-
tungen 189.
Fort .lukon, Wald 601.
Fort Mohave, Regen 128.
Fortpflanzung der Erdbeben 329.
Fortschreitende Wellen 219.
Fort Yuma, Temperatur 71. Regen 128.
Fouque 329, 223.
Fourier 9.
Fraas 188.
S. Francisco, Hafen 585.
Franco 302.
Frankenwald 489.
Frankreich, Länge eines Meridiangrades
4, Fläche 6. Regen 123, Niveauver-
änderungen 290, 296. Maare 299,
Vulkane 310, 315, Tiefland 455,
Zcntralmassiv 490, 491, Küste 576,
Waldfläche 631,
Franz- Josef-Gletscher (Neuseeland) 169.
Franz- Josef-Land 558, Gletscher 157,
171 , 172, Niveauveränderung 288,
Vegetation 603, Rentiere 646.
Franzius 381*.
Frech £74, 479 1
Freie Strömungen 250, 251.
Freie Wellen 235.
Fresdorf 121
Fre shfield 173*.
Fricker 271 *.
Friedrich, M. 149*.
Friesische Inseln 421 f., 552.
Friesische Küste 576 f.
Frische Nehrung, Dünen 412.
Fritsch, G. 188.
Fritsch, K. v. 278*, 318.
Fritz 48, 5jPj 141
Frosinone, Vulkane 313.
Fuchs 558, 660.
Fuchs, K. 310, 318, 322», 340*.
Fuchs, Th. 28, 40^, 58, 345, 590,
640, 650*.
Fumarolen 309.
Funchal, Gezeiten 234.
Fundybai, Flut 238, Zerstörung 423,
Furkagletschcr 1 59.
Fusijama 500.
Futterer 514, 520*.
(»abelung der Flüsse 524.
Gäbris, tägl. Wärmeschwankung SfL
Gaeta, Golf v. 577.
Gal apagos- Inseln 571, 572, 573, 596,
Galeriewälder 610.
Galicia, Rias 582.
Ganges 372, 373, 520, Gezeitengrenze
238, Abtragung 381, Delta 405, 407,
Ablenkung 530.
Gangra 526.
Gannett 438.
Gänsbrunnen, Paß 519.
Gänsefußgewächse 617.
Gardasee 537.
Garoune-System 525.
Ganias 128.
Gastein 368, 388, 892, 325,
Gasteiner Ache 515.
Gault 20.
Gaurisankar 35.
Gaussah Lout, Länge d. Sekunden-
pendels 3.
Gavial 645.
Gazelle 658, 660.
Gazelle-Expedition 201*.
Geant, Glacier de, 1 56.
Gebirge 436, vertikale Wärmcabnahme
55, 58, tägl. Temperaturschwankung
90, jährl. Temperaturschwankung 82,
Temperatuneränderlichkeit85, Wind-
stärke 90, Regen 125, Wetter- und
Klimascheiden 126, jahreszeitliche
Kegeuverteilung 138, Gewitter 140,
Hagel 141, Schneedecke 142, Ver-
witteruug u. Denudation 346 ff.. Ver-
änderungen der Höhe 468, 483 f.,
Einteilung 476, Alter 494.
Gebirgsfuß 436.
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678
Register.
Gebirgsknoten 47(1.
Gebirgsland 436.
Gebirgsscbutt 428, 429, 432.
Gebirgsseen 339.
Gebirgssysteme 475.
Gebrochene Faltengebirge 481, 494,495.
Gebuchtete Küsten 57fi.
de Geer 285, 286, 287, 289, 296, 297*.
Gefalle 374.
Gefrierpunkt v. Süß- u. Salzwasser 260.
Gegenständige Thiiler 385.
Gegißter Standort 241.
Gehängeformen 348.
Geikie, Arch., 496*.
Geikie, J., 183, 190*.
Geinitz 197, 207*, 534, 538, 539, 5A8L
Gekröslava 303.
Gelbes Meer, Farbe 218, Strömung 247.
Gemäßigter Typus d. Süßwasserseen
259.
Gemäßigter Wärmegürtel 76.
Gemäßigte Zone 74, 75, Gletscher 167,
Pflanzen 599, Wälder 610.
Gemischte Niederschläge 142.
Gemse 648, 659.
Geueseefall 396.
Genetisches System d. Morphologie 441.
Genette 658.
Genfer-See 531, 538. 545.
Gentiana prostrata 630.
Gentianen 594.
Geographie, Entwicklung 2, 435, Zwei-
teilung 435.
Geoid 5, 207, 208, 209.
Geoisothermen 9, Veränderungen 290,
296.
Geologie 19.
Geologische Gegenwart 19.
Geologische Klimaperioden 182, 1 85.
Geologische Orgeln 361, 363.
Georgetown , Temperaturveränderlich-
keit 84, Depression 536.
Georgins-Vulkan 305, 505.
Geosynklinale 466.
Geothermische Tiefenstufe 8.
Gepard 658.
Gepatsehfemer 164.
Geradlinige Faltengebirge 473.
Geradlinige Küsten 576.
Geraueia 55 1 .
Gerke 298*.
Gerland 317, 322*. 567.
Germesir 416.
Geröllboden 345.
Gerste 634.
Geschichtete Gesteine 12.
Geschichtete Vulkane 500, 506.
Geschlossene F'lexurgebirge 496.
Gestalt der Erde 3.
Gesteinshülle L
Getreide S33 ff.
Gewitter 139.
Gewürze 637.
Geysir 368 ff.
Gezeiten FT, 228, Einfluß auf d. Grund-
wasser 356, auf die Deltas 407.
Gezeitenströme 237, 240, mechanische
Wirkungen 417. 423, 424.
Gezwungene Strömungen 249, 2JU .
Gezwungene Wellen 235.
Ghör 314, 508, 537, Winde 112,
Gibraltar 474, 480.
Giens 426.
Gießen, Temperatur 58.
Gilbert 190*, 285, 384, 426*.
Gilbert-Inseln 567.
Giles 616.
Gingko 593.
Gipfelformen 346.
Giraffe 656.
Girard 290.
Girardot 298*.
Gironde 406, 425,
Glaisher 54, 55.
Glärniscli 464.
Glarus, vertikale Verbreitung der Tiere
647.
Glatte Küsten 576.
Glaukonitkömer 201 .
Glaziale Erosionsbecken 534, 535.
Glazialer Felsboden 427, 428, 431.
Glaziale Übergangsgebiete 431 .
Glazialpflanzen 629.
Glazialzeit s. Eiszeit
Gleichartige Flüsse 521.
Gleichförmige Faltengebirge 469, 494.
Gleichmäßige Niederschläge 137.
Gleichmäßige Vulkane 300.
Gien More 493.
Glenquoich, Regen 125.
Gletscher 149 ff., Verschiedene Begriffe
151, Verteilung 165, Erosion 397.
Seebildung 534.
Glctscherbewegung 154, 1 62.
Gletschereis 1 54.
Gletschergarten von Luzern 1 60.
Gletscherkorn 154.
Gletscherlawine 1 55.
Gletsehermilek 1 62.
Gletscherroiihlen 160.
Gletscherschutt 428, 430, 431.
Gletscherspalten 160.
Gletscherstriiktur 158.
Gletschertheorie 157.
Gletschert.lior 1 54
Glctschertisch 163.
Gletschcrvor- und -rückgaug 163, 178.
Gletscherzunge 1 52.
Gliederfcmer 1 64.
Gliedertiere 645, 647.
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Register.
ß79
Globigeriuenschlamm 203, 204.
Gmundener See .r)41 .
Gneiß 1 2.
Gobi 446, Vegetation 616.
Goldgebirge, Gletscher 169.
Goldmull 656, 664.
Golfstrom 68, 243, 245, 251, Salzgehalt
215, Temperatur 256, 257, 265.
Golfstrom-Inseln 560.
Gondwana 21.
Gorce, Gezeiten 234.
Gorilla Bäfi.
Gornergletscher 1 1 6.
Gotachi, See 534.
St. Gotthard-Tunnel 8, -Straße 519.
Graben (geologisch) 273.
Grabenthäler 508.
Gradient SSL
Gradmessungen 4.
Grammagras 615.
Granatbaum 624.
Grand Wasli 456.
Grauer Gebirge 313.
Granulitgebirge 490.
Grasbäume 625.
Grassittiche 652.
Grassteppe 614.
Graubünden, Waldweehsel 630.
Graupen 140.
Green River-Plateau 497.
Green River-Thal 496, 512, 516.
Grenada-Insel 314.
Griechcidand, Tbäler 394, Angebliche
Klimaänderung 187, Erdbeben 334,
Bau des Gebirges 482, Flora 624,
630. Waldfläche 631.
Grindelwaldgletschcr 167, 534.
Grinnellland, Niveauveränderungen 289,
Vegetation 603,
Griesbach 297, 298*, 340% 446, 462*.
472, 478, 479*.
Grisebach 74, 595*, 615, 624.
Grissinger 258, 271*.
Grönland, Nordlichter 5K Temperatur
65, 70, 71, Föhn H5, Gletscher 154,
156, 157, 170, 172, Tertiäre Flora
185, Angebliche Klimaänderung 188,
Niveau Veränderungen 289, 290, 295.
Eisboden 427. Areal 551. Bau 558,
Fjorde 581, Vegetation 603, Flora
636, Fauna 646.
Grönskär, Niveauveränderung 28".
Groß &ä.
Groß-Arlbach 515.
Großbuchtige Küsten 576.
Großer Bärensee 536.
Großes Becken von Nordamerika 33.
460, 481.
Großer Geysir auf Island 368,
Großer Ozean s. Pazifischer Ozean.
Großer Plönersee 538.
Großer Salzsee 184, 543, 545.
Großfußhühner 652.
Großgerauer Erdbeben 325, 331.
Großglockner, Schneegrenze 149, Wald-
grenze 605.
Grosseto, Alte Bucht v., 577.
Groß-Key 557.
Grotten s. Höhlen.
I Grundmoräne 161, 353.
Grundwasser 354 f.
Grüner Sand 205.
Grüner Schlick 201, 205.
Guadalquivir 372, 527.
Guatemala, Gebirge 32, tügl. Tem-
peratursehwankuug 80, Hagel 141,
Vulkane 312, Waldgrenze 604. -
Guayana Massiv 33, 4SI , Küste 578,
Savanen 614.
Guayava 637.
Gudbrandsdalen 182.
Guineagolf 29, 191.
Guineagras 632.
Guineaströmung 242.
Guldal 509.
' Gümbel 202, 320, 322*.
Gunncra gigautea 599.
Gunung Sumbing 503.
Günther Siegm. (U, 11, 13*. 42*,
228*, 317, 322*.
Guppy 381, 568, 569, 574*.
Gurgitello 367.
Gurgier Eissee 532.
Gürteltier 654.
Güsgundag 543.
Güßfeld 153.
Guyana s. Guayana.
Haacke 353.
II aas 370», 582, 388*.
II aase 520, 531*.
Häckel 203.
Iladramaut 314.
Hafen 583.
Hafenzeit 229, 232.
Haff 425, 576, 5H3.
Hagel 140.
Hagen 371, 381*.
Hagenbaeh-Bischoff 154, 165*.
Haguo, A. 496*.
Hague, J. D. 132, 496*.
Hahn 190*, 199, 290, 298*, 560*.
Hainau, Fauna 395.
Hainbach 515.
Haken 425.
Halavüts 462 *.
Halbaffen 656, 664.
Halbiuselu 54811'.
Halbmonatliche Ungleichheit der Ge-
zeiten 231.
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680
Register.
Halligen, Fauna 57 1 .
Hallo, Niveauverändenmg 287.
Hallstätter See 538.
Halmahera 557.
Hamburg, Seehöhe 447.
Hammada 409, 429, 617.
Hammer 156.
Hammerfest, Pendellänge 3,
Hängegletscher 151, 153, 155, 150.
Hauliai 30, Bau 446, Flora 623.
Hann 42^ 52, 59, 62^ 71, 83, 85.
87*, 96, 101*, 108, 110*, 114, 116*,
mi, 37o*.
Hansen, A. M. 284, 285, 289, 297*.
Hansen, R. 426 *■
Harada 496*.
Hardangar-Fjord 580, 581.
Hargita 307, 313, 505.
Harmattan 115.
Harrilaid 560.
Hartmann 426*.
Hartung 579.
Harz 317, Wärmeabnahme 56, Bau 490,
492, 493, 494, Waldgrenze 604,
GlazialHöra 629.
Hasen 659, 660.
Hatteria punctata 664.
Hatzfeldhafen, Regen 135.
Hauptflüsse 520, 525.
Hauptwasserscheide 522.
Hauptwindgebietc 109.
Hauptwindscheide d. nördl. Hemisphäre
im Winter 103, im Sommer 107.
Havel 530.
Hawaii 306, Klima 175, Fluthöhe 238,
Erdbeben325, Canons 389, Fauna 573.
Hayden 497.
Hayes 498, 646.
Hebert 115.
Hebungen 280.
Hcbungsinseln 560.
Hebungsintensitiit 468.
Heer 647.
Hegau 312.
Hegyalja 313.
Hehl 533.
Heide 620.
Heide rieb 24, 36, 38, 39, 4ü!>
Heidersce 532.
Heilprin 660, 664*.
Heim 149*, 156, 158, 162, 165*, 172,
278*, 347, 349, 353*, 381, 390, 401*,
466, 467, 479*, 509, 518, 541, 548*.
Hekla 318.
St. Helena 552 , 655 , vertik. Wärme-
abnahme 56, Regen 132, Fluthöhe
238. Organische Welt 573, 596, 631 ,
Helgoland 422, 447.
Helikon 482.
Heliopolis, Wasserscheide 518.
Heiland 156.
Heller 647, 650*.
Hellespont, Niveauveränderung 291.
Hellmann 202.
Helmert 3, 5, (P, 13, VU, 20g, 209,
| 212, 219*. 286.
j Henkel 381*.
j Hennesy 12, 14*.
Henry Mountains 506.
Hergesell 271*. 286, 297*.
Hermsburg, Regen 125.
Hemikcrland, Vulkane 313.
Herzogenrather Erdbeben 337.
Hessisches Bergland 461.
Hettner 253, 255*.
i Hi Iber 293, 298*, 386, 401*, 512. 520*.
Hildebrand 591, 595*.
. Hildehrandsson 122*.
| Hill 12L
J Himalaja 30, 312, 476, Schweremes-
sungeu 13, vertikale Wärmeab-
nalune 56, Antipassat 101 , Schnee-
grenze 1_48, Gletscher 156, 167, höchste
kalte Quelle 367, Erdpfeiler 351 , Ero-
sionsspuren 389, Bau 471, Beziehung
zum Vorland 478, Gliederung 509.
511 , Verhältnis zur Hauptwasser-
scheide 523, Seen 540, 541, Palmen-
grenze 596, Pflanzenregionen 603,
Waldgrenze 604, Vegetation 616,
Flora 630, Getreidegrenze 635, Fauna
657.
Himmel, Farbe 121.
J Himmelsluft 4 1 .
Hindukusch 30, 476.
Hindustan, Winde 113, Maximalregion
des Regens 124, Regenverteilung 126,
Tiefenbohrung 444, Flora 631, Fauna
657.
Hinterindien 549, 553, Gebirgssystem
32, 549, Latent 352, Urwald 609,
Fauna 657.
Hirsche 659, 660, 661.
Hispargletscher 1 67.
lloangho 525, 527, Abtragung 381 .
Hobart, Deklination 5L
Iloboken, Länge d. Sekundenpendels 3.
Hochgebirge 437, 438.
Hochgebirgsflora 628.
Hochland 438.
Hochlandgürtel der alten Welt 30,
312, der neuen Welt 32, 31 1 .
Hochland-Klimaprovinzen, Asien 174.
Amerika 175.
Hochmoor 547.
Hochobir, Temperatur 59,
Hochschnee 143.
Hochseen 539.
v. Hochstetter 197, 207*, 226.
Hoehthäler-Klima 33.
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Register.
681
Hochwasser des Meeres ‘228.
Hock 638, 839».
v. HofFIj 6!, 387, 425, 522.
Hoffmann, H. 58, 62*, 592, 595*.
Höftsee 538. 539.
Hogbacks 497.
Höheumessung 211, 439.
Höhenstufeu der Kontinente 31L
Hohe Tatra 480.
Höhlen 356, 362, 364, 419.
Höhlenbär 659.
Höhlenhyäne 652.
Höhlentiger 659.
Höhlenwolf 659.
v. Höhnel 31L, 315, 3221
Holdemeß, Küstenzerstörung 419.
Hohlhörnige Wiederkäuer 660.
Hollow, tägl. Wärmescliwankung 12.
Holmes 370*.
Holmström 297 *.
Holstein, Seenplatte 447, 539, Förde
582.
Holzberge 289.
Homogene Vulkane 500, 504 f., 506.
Homoseisten 329.
Hongkong, vertikale Wärmeabnahme
56, Regendichtigkeit 133.
Honigsauger 652.
Hopkins 10.
Horizontaldislokationen 272, 275,
Horizontalpendel 17, 328.
Hörnes, R. 329, 332, 340*.
Hornkees 164.
Horst 273, 460,
Howe-Sund 580, 591.
Hualalai 306.
Hudiksvall, Strandlinie 285.
Hudson, Eisbedeckung 374, Delta 4115.
Hudsonbai 191 , 192, Areal und Tiefe
193, Bodenrelief 122.
Hudsonprovinz, Bau 33, 485, Klima 115.
Hudsonstraßc, Strömungen 240.
Hudsonthal, Winde 112,
Hufeisennasen 661.
Hufpfötler 654.
Hüll 184.
H ult 190*.
Humber 526,
v. Humboldt 37, 39, 141, 244j ML
„Humboldt“, Ballon 54.
Humboldt-Gletscher 171.
Humusboden 345.
Humussauere Alkalien 344.
Humussäuren 344.
Hundds-Plateau 446, 479.
Hundskopf-Fledermäuse 1158.
Hungerbrunnen 366.
llungersee 352.
Huronsee 5 3.
Hurricanc 28.
Hutton 337.
Huyssen 13*.
Hweiho 525.
Hyäne 656, 658.
Hymettos 482.
Hyomoschns 656.
Hypsographische Kurve 35, 36.
Hypsometrie 439,
Hypsometrisches System 431.
1 Jack 299*.
Jadebusen 491
Jädem 416.
Jadrinzew 544 , 5481.
Jagowalfall 396.
Jaguar 654.
Jahreszeiten 45, Entstehung 43, in den
Tropen 1 34.
| Jährliche Periode der Polarlichter 51,
der Temperatur 80, des Regens 1 33 ff.,
des Grundwasserstandes 355, der
Flüsse 370, der Pflanzenwelt 592,
der Tierwelt 648.
Jährliche Wärineschwanknng 81.
Jailagebirge SO, 550.
Jak 659.
Jakobsliavn, Föhntage 1 1 5.
Jakutsk, Temperatur 62.
Jamaica, Karstphänomen 364.
Janathal, Temperatur 67, Waldgrenze
601.
Jangtsekiang, 238. 381, 527.
Janina-Polje 359.
Jankö 404, 408*.
Japan, Föhn 115, Regen 126, 135,
Gletscher 168, Maare 299, Vulkane
311, Erdbeben 273, 324, 327, 328,
330, 332, 335, 339, Geysir 370,
Gebirge 478, 480. Fauna 555, Wald
611, Flora 624, Fauna 698.
Japanisches Meer 192, 193.
Jasmin 624.
Java, relative Feuchtigkeit 119, Hagel
141 , Vulkane 303 , Seebildung 534,
Fauna 557, Waldgrenze 605, Ge-
birgsflora 630.
Javasec, Salzgehalt 216.
Iberische Halbinsel 549, 550, Cykloneu
109, AVüstenwinde 116, Regen 125,
136, Gewitter 140, Hochland 490,
491, Küsten 575. 577. Flora 624.
Ibi-Gamin-Paß, Pflanzen 606.
Jeanette-Expedition 23.
Jefl' Davis Peak, Firn 168.
Jemen 314.
| Jena, Aussiclits weite 296.
Jenissei 525. Eisbedeckung 374.
Jeuscn 60.3.
j Jerusalem, Regen 127.
| Jessen 637.
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682
Register.
Igapowald 609.
Igel 661.
v. Iheriug 651, 653, 655, 664*.
Tlithal 510.
Immergrüne Eiche 611.
Immergrüne ilikotyle Laubbiiume 590,
600.
Immergrüne Sträucher 590, 600.
Indifferentes Gleichgewicht der Atmo-
sphäre 120.
Indisch-afrikanische Provinz 32.
Indische NW. -Provinzen, vertikale
Wärmeabnahme 56.
Indischer Ozean 25, 26, Areal 27, 193,
Tiefe 36, 39, 193, 197. Lufttempera-
tur 657~Cy klonen 99. Luftdruck und
Winde 102, 105, Regen 126, 128,
130, 131, 133, llodenrelief 197, Roden-
bedeckung 204, Alter 206, Salzgehalt
215, Wellen 221, 222, Strömungen
246, 251 ■ 252, Auftriebwasser 254,
Oberflächentemperatur 256, Tiefem
temperatur 262, 267, Vulkane 310,
Flußgebiet 523, Korallenriffe 567.
Indisches Fauuareich 657, 663.
Indre 526.
Indus 526, Delta 406, 407, Verände-
rungen 528.
Iudusproviuz, Klima 174.
Industhal, oberes, 506.
Infraborealer Torf 162.
Inlandeis 151, 169, Erosion 398.
Inn 394.
Inuenküste 373.
Innere Zone 64, im Januar 68, im
Juli 1 fl»
Innthal, Veränderungen der Schnee-
decke 142, Thalterrassen 518.
Inschan, Wald 617.
Insekten 645, 646, 647, 654, Verbrei-
tungsmittel 571.
' Insektenfresser 654, 660.
Inselabgeschlossene Meere 192, Salz-
gehalt 217.
Inseln 25, 420, 425, 551, Landfest-
werden 426.
Instantane Niveauveränderungen 212.
Insterthal 330.
Interglazialzeitcu 183, 164.
Interkolline Thäler 399, 400, 506.
Interkontinentale Ozeane 21L
Intermittierende Flüsse 372.
Intermittierende Vulkane 300.
Inundationsbett 360.
Inundationsterrassen 390.
Joanua llogoslowa 317.
St. John 126.
Johu-Lavis 337.
Jokely 304.
Jokohama s. Yokohama.
| Jonas 614.
Jones 337.
Jordan 79, 441.
Jorullo 500.
Jostedalsbrä, Inlandeis 169.
Joyeuse, Regenmaximum 123.
Iquique, Erdbeben 197, 225.
Iranisches Hochland 30, 31 , Regen
126, 136.
Irische See 193, Gezeiten 237, Strö-
mungen 240.
Irkutsk, Temperatur 69.
Irland, Regen 137, Gebirge 490. 491,
Durchgangsthäler 514, Thalbuchten
581, 362.
Isanomalen 12,
Ischia 313, Erdbeben 329, 331, 337.
Ischma 526.
Isker, Durchgangsthal 512.
Island 552, Gletscher 171 , Tertiäre
Flora 185, Angebliche Kliinaände-
rung 186, Niveauveränderung 288,
Vulkane 308, 318, Schlammsprudel
320, Geysir 370, Bau und Fauna
561, Wald 601, Getreide 636.
Isländisches Plateau 198.
Ismaila, Länge des Sekundenpendels 3,
1 sobaren 88. ,.
Isobarenkarten 101.
Isobasen 285.
Isobathen 34.
Isobathenkarten 194.
Isohypsen 34.
Isoklinalfalten 464.
Isoklinalkamm 464.
Isoklinalthal 464, 507, 306.
I soseisten 329.
Isostatische Theorie 278, 467.
Isothermen 61, Meeresisothermen 256.
Issel 290, 298*.
Istrien 549, Niveauveränderungen 293.
marine Quellen 338, Rias 583.
Italien, Fläche 6, Temperaturabwei-
chung 87, Regen 138, Vulkane 313,
Erdbeben 324, 327, 333, 334, Halb-
insel 549, 550, 553, Küsten 576, 577.
Wald 631.
Juba-Mündung 406.
Judikarienspalte 508.
.1 ukes 514, 515, 516.
J u k e s - Bro w n 568, 574
Junge Floren 62h.
Junghuhn 119, 534.
Jungtertiär JUL
Jura (Schweiz), Bau 467, 477 , Ab-
grenzung 475, Gliederung 31 1, 514,
Wald Wechsel 630, Getreidegrenze
633.
Juraformation 20, 22, Verteilung von
Wasser und Land 206,
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Register.
683
Jütische Halbinsel 550, 553, 610, 532.
Ivrea, Moränen 430.
Izalko 301, fiOO.
Kaagan, Gletscher 1 38.
Kadettenrinne 241.
Kadzusa-Bai 377.
Käfer 041.
Kaffee 637.
Kagera 523.
Kahle 298*.
Kaibab-Plateau 43!).
Kaidakbai 543.
Kairo, tägliche Wärmeschwaukung 79,
Regen 127.
Kaiserstuhl, Erdbeben 331.
Kakadu 652.
Kakteen 59K 600. 017, 632.
Kalahari 522 , Kegen 129, Klima 174,
Vegetation 018.
Kalauscho-Serir 410.
Kalema 224.
Kalkboden 346.
Kalkowski 14*.
Kalkpftanzen 389.
Kalkreiche Quellen 367.
Kalksehlamm 203.
Kalinengiirtel 100.
Kältepole 61.
Kalte Quellen 3117
Kalter Wall 243.
Kalter Wärmegürtel 76.
Kalte Schlammaprudel 320.
Kältezentren 67.
Kalte Zone 74, 73 (s. auch arktische
und antarktische Zone).
Kama 326.
Kamel 656, 659, 661.
Kamerun, Hochgebirgsflora 628.
Karnes 430.
Kammgebirge 436, 492, 493, 505, 306.
Kammpaß 320
Kamimvasserscheide 516
Kampine 612.
Kamtschatka, Regen 126, Gletscher
168, Klima 174, Vulkane 311, Ge-
birge 550, Savanen 614, Getreide-
grenzo 635.
Kanab-Plateau 439.
Kanal, Gezeiten 237. Strömungen 240.
Strandverschiebung 292, Küstenzer-
störung 1.13.
Kanal der Korallenriffe 564.
Kanalriffc 364
Kanaltheorie 233.
Kanarische Inseln s. Canaren.
Kane 646.
Kankersee 343.
Känozoisches Zeitalter I Formations-
gruppe) 19, 2£L
i Kaut 2.
Kap Agulhas 23.
Kapflora 626.
Kapformation 21.
Kap Henry, Gezeiten 234.
Kap Hoom 25.
Kapillare Wellen 221.
Kapland, Kegen 129, Klima 174, Vege-
tation 619, 620.
Kap St. Martin, unterseeische Quelle
358.
„ Otway, Küstenzerstönmg 4 1 9.
„ Palmas, Gezeiten 234.
Kappel, Temperatur 39.
Kap Race, Gezeiten 234.
Kar 383.
Karabugas 343.
Kara-Dagh 313.
Karagamgletscher 167.
Karakaschthaljtägl. Wärmeschwaukung
12,
Karakorum 30, 476, tägliche Wärme-
schwankung 79, Schneegrenze 148,
Gletscher 167, Bau 472, Getreide-
grenze 635.
Karapiti 368.
Karbon 20, 22.
Karlsbader Thermen 313, 367.
Kamisehe Alpen, Durchgangsthäler 314.
Kärnten, vertikale Temperaturabuahme
56, Wärmeumkehr 59, Hagel L4.1.
Karpaten 30, Vulkane 313, Beziehun-
gen zu den Alpen 474, 475, zum
Vorland 477, Bau 480, Längsthäler
508, Krummholz 606.
Karpinsky 462*.
Karreeberge 453.
Karren 362, 363.
Kanu 619.
Karruformation 21, 491 .
Karsee 538, 339.
Karst 356, 364, 475, 5Ü1L
Karstens 27, 36, 39, 40*. 193.
Karstphänomen 356 ft’.
' Kartoffel 635, 636.
j Kasan, tägl. Wärmeschwaukung HL
| Kaschgarien, lokale Winde 111.
j Kaschmir, Erdbeben 337.
; Kaskaden 396.
Kaskadengebirge 311 , Schneegrenze
148, Gletscher 1 68.
Kaspische Depression 537.
Kaspische Sehlammsprudel 320, 321.
Kaspisee, ehemalige Ausdehnung 184,
Seehöhe 448, Dimensionen 536, 537,
538, Geschichte 542, Salzgehalt 343.
Katarakte 396.
Katsch, Erdbeben 327.
Katzen 660, 661.
Kaukasus 30, Schweremessungen 13,
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G84
Register.
vertik. Wanneabnahme 56, Hagel
141, Gletscher 167, Vulkane 312,
Scklanimsprudel 321 , Abgrenzung
475, Gipfel 483, Seen 541, Vege-
tation 616.
Kaymeni 305.
Kayser 23*. 278*.
Kea 306, Waldgrenze 60f>.
Keeliugsinseln, Ratten 555.
Kegelberge 436.
Keilhaek 522, 531 % 574’.
Keilscholle 460, 462.
Keller, C. 353 *.
Keller, Ph. 359, 370*.
Kelter 424.
Kenia 315.
Kentern 237.
Kerguelen, Gletscher 169, Strandter-
rasse 419, Flora 602. 6211.
Kerguelenströmung 252.
Kerkamündung 4116.
v. Kerner 149*.
Kertsch, Schlammsprudel 321 .
Kesselbruch 274.
Kesselthäler 501.
Kettengebirge 437, 463, 495, Alter 4M.
Keulenbüume 625.
Keuper 20.
Khamsin 115.
Kiefer 612.
Kiefemtuff 182.
Kjerulf 288, 297*, 509.
Kieselpflanzen 589.
Kieselsäurereiche Quellen 367, 368.
Kiessling 207*.
Kieswüste 409.
Kigclia 599.
Kikuchi 322*.
Kilauea 11, 306, 307, 318, 5QL
St KildäjGezeiten 234.
Kilimandscharo 315, Gletscher 166.
Flora 628.
Kinalady, Schlammstrom 548.
Kirchhoff, A. 559, 660*, 632*.
Kirgisensteppe 448,
Kirman 617.
Kithäron 482.
Kitzlochklamm 388.
Kiwi 664.
Klagenfurt, Temperatur 59.
Klamm 383, 387.
Klein 139, 141*.
Kleinasien 30, 3t Regen 126, 136,
angebliche Klimaänderung 187, Vul-
kane 313, Halbinsel 549, Flora 624.
Kleinbuchtige Küste 576.
Kleine Sunda-Inseln 557.
Klengel 149*.
Kletterpalmen 597.
Klima 173, Schwankungen 175(1'., 185,
Tabelle d. 35jähr. Schwankungen 178,
Änderungen 187.
Klimaprovinzen 173, 187.
Klimatische Schneegrenze 146, 142,
Klippen 420.
Klippenbrandung 224.
Klippschliefer 656.
Kljutschewskaja Sopka 318, 503,
Klocke 155.
Klöden 527, 531 *.
Klösterle, Regen 125.
Kluftwasser 356.
Knipping 115.
Knollengewächse 636.
Knop 331, 524.
Knoten 227.
Kobe lt 551.
Koch 155.
Kochthermometer, Hölienmessnng 440.
v. Koenen 296, 293*.
Kohala-Kette 306.
Kohlensäuregehalt der Luft 42.
Kokospalme 572. 997.
Kolibri 643, 662.
Kombinierte Halbinseln 550.
Kompensationsströmungen 254,
Komplizierte Verwitterung 344.
Kondensation, Ursachen 119.
Konfcrven 546.
Kongo 373, 402, 526, Gezeiten 294,
Kongobecken 32.
Koniferen 594, 611, Zone 600, 61 2.
König Karl-Land 558.
Königsberg, Feuchtigkeit 111,
Königsee 542.
Königswürger 662.
Konkordante Küste 574 , 577 , 583,
584
Konschin 531 *.
Konstantinopel, Erdbeben 337.
Kontinentalböschung 35, 39,
Kontinentale Ablagerungen 200, 205.
Kontinentale Flüsse 520, 523.
Kontinontale Maxima u. Minima 102,
Kontinentale Niveauveränderuugen 230.
Kontinentale Zerstörung 16.
Kontinentalinseln 552ff., 569.
Kontinentaltafel 35, 36.
Kontinente 25, 21 ff.
Kontraktionstheorie 276, 466.
Konvektionstheorie 96.
Kopenhagen, tägl. Wärmeschwankung
£9,
Koppen, W. 76, 77^, 90, 1 10*. 182*,
130, 133* 271*, 529, 531*.
Korallen 561.
Koralleninseln 591 ff., 562, 569, Theorie
294, 565 ff.
Korallenriffe 562, Mächtigkeit 566.
Korallenschlamm u. -Sand 205.
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Register.
885
Korea, Gletscher 168, Gebirge 550,
Küste 575, 577.
Korinth, Isthmus v., 551.
Korintji, Pie v., Waldgrenze 604.
Koro 506.
Körperinhalt der Erde 5
Kosmischer Staub 16, 203.
Koster, Niveauveränderung 287.
Kotlaven 302.
Koto 278*.
Krafla 318.
Krakatau 202, 304. 307, 308, Explo-
sionswelle 220, Korallen 508.
Krauabetter Klamm 388.
Krasnow 621*.
Krater 301, 309, 501, 505.
Kraterseen 533.
Kraus 364, 370.
Krebse bei d. Ilumusbildung 346.
Kreideformation 2£L
Kreidel 235, 236, 240*.
Kremnitz, trachytisches Gebirge 313.
Kremser 54, 84, 88*.
Kreta, Niveauveränderungen 292, 295,
Flora 62-4.
KretaccYsche Formation 20, 22.
Kriechtiere, Verbreitungsmittel 572.
Krim 549, 560, Niveauveränderungen
292, Fauna 641.
Kristiania, Flora 592.
Kristianiafjord 578.
Kristianiathal 465.
Kritische Temperatur 1 1 .
Krokodil 645.
Krümmel 26, 39, 40*, 206*, 214, 218,
219*, 228*. 242, 243, 244, 246, 249,
250, 252, 255*, 256, 264, 4ÖPJ 423,
424, 426*. 583, 588*.
Krummholzregion 606.
Krustenriffe 568.
Kryptodepressionen 536, 537.
Kryptovulkanisehc Erdbeben 332.
Kryptovulkanismus 299.
Krystallinisehe Schiefer 1 2
Kuenlun 30, 476, vertikale Temperatur-
abnahme 56, Höhe u. Alter 484, Ge-
treidegrenze 635.
Kükenthal 245, 255 *.
Kuku Nor 543.
Kulm 211.
Kuntze 244, 370.
Kuppenberg 437.
Kuppengebirge 437, 505, 506.
Kur 530.
Kurilen 311, 553.
Kurilenströmung 247.
Kurisehe Nehrung, Dünen 412.
Kuro Schio 68, 246, 257.
Kurowski 145, 146, 149*.
Kurthal 508, Föhn 115.
| Kuruk-tag 478, 479.
K urz 57 1 .
Küste 415, 574 ff., Länge 196.
Küstenabstand 586.
Kü8tendepressioueu 536.
Kostenentwicklung 585.
Küstenformen 574 ff.
| Küstenkette Amerikas, Gletscher 168.
Küstenriffe 563.
Küstcuströmungen 417 , 424, Einfhit!
auf die Deltas 407.
Küstenversetzung 424.
1 Küstenzone 431 .
| Küstriu, Seehöhe 447.
Kuype r 426*.
Kverve, Strandlinien 283.
Labialeruptionen 307, 308, 309.
Labiles Gleichgewicht der Atmosphäre
190
Labrador 550, Temperatur 71, Fjorde
581, Waldgrenze 601.
Labradorstrom 245, 253, 256.
La Crau 530,
Ladogasee 536, 538, 550.
Lady Franklin-Bai, Temperatur 63.
Lago maggiore 327, 345.
Lago morto 545.
Lagos, Gezeiten 234.
Lagrange, Formel 197, 224, 235
Lagunen 576, in Obcritalien 425, der
Atolle 564, 570,
Lahnthal 316.
Lahontansee 184, 545.
Laibacher Becken 508.
Laibachfluß 358.
Lake Eyre 545.
Lake of the Woods 436.
Lakkadiven 567.
I.akkolithen 506.
Lama 655.
Lamark 3.
de Lamblardie 398.
j Land, Areal 23, Verteilung 24, Höhen-
stufen 36, mittlere Höhe 37, 38, 39,
Volumen 36, Thermisches Verhalten
63, 73, tägl. Temperatursehwankung
78, Windstärke 89, Luftdruckvertei-
lung 107, Barometerschwankung 110,
Regen 124, Regenwahrscheinlichkeit
131, 132, Regendichtigkeit 132, jah-
reszeitl. Regenverteilung 134, 35jähr.
Regenperiode 179, Bodenarten 428,
Abdaehungsgebiete 523, Vegetations-
formationen 620, Floreneinteilung
627.
Landeck, Regen 125.
Landes, Dünen 412, Etangs 533,
Küste 576.
Landhalbkugel 25.
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686
Register.
Landklima 63, gg, 72, 78, 82.
Landlöß 414.
Landsäugetiere 643, Bfil.
Landschnecken, Verbreitungsmittel 372.
Landschwelle 436.
Landsenke 436, 443 ft'., 449.
Landstufe 437, 4.74 ft'., 462, 498.
Landwind 111, litt.
Langen, Regen 125.
Langenbeek 271 *, 574*.
Langenbriieken, Jura 433.
Langeoog 422.
Längsabdachung 509.
LSngsbeben 330.
Läugsfliisse 320.
Längsgliederung 3 1 0.
Längskämme 464.
Längsschollen 482, 492, 494.
Längsspalten im Gletscher 160, bei
Erdbeben 327.
Längsthäler 464, Bau 307.
Languedoc , Mistral 113, Verände-
rungen 423.
de La Noä 401*, 457.
Lapilli 299.
Laplace 2, 233. 41L
La Plata, Abtragung 381 , Delta 404,
406, Bai 407.
de Lapparent 16, 18*, 23*, 39, 40*,
276, 278*.
Lappland, Meridiangrad 4.
Lärche 590, 591, 612.
Lasaulx 331, 337.
Lascour 412.
Lassen Peak 311, 3'2
Laterit 352, 426, 429, 432.
Latmiseher Golf 333.
La Touche 479*.
Laufvögel 664.
Lava 299, 302.
Lavablöcke 299.
Lavadocken 443.
Lavaeruptionen 305, 306.
Lavaherd 298, 316.
Lavakegel 304.
Lawinen 1 50.
Lawson 486, 496*.
Laxei] ord 379.
Le Conto 479*.
Legföhre 590.
Lehmann, Rieh., 263, 297 ' ■ 4 1 9, 426*.
Lehmboden 343, 428, 429. 432.
Lehmige Zersetzung, Gebiete 352.
v. Lehnert 563, 374*.
Leierschwanz 632.
Lcipoldt 40*.
Lemming 646, 648, 662.
Lemström 49, 51, 32*.
Lemuren 556.
Lemuria äiili.
Lena, Eisbedeekuug 374, Delta 404.
Lentz, 239, 240*.
i Lenz 353*.
Leon, Vulkan bei, 500.
j Leopard 636, 636.
Lepsius 462*.
Lerchen 661.
Les Dous 324.
j Lesjeskogen 517, 324.
[ I .oste 113.
Lenekerbad 368.
Leveche 116.
| Levy 329.
j Leymerie 347.
j Lianen 608.
i Lias 20.
j Liautuug, Gebirgsbau 474.
Libanon, Regen 127, Bau 498, Wald-
grenze 604
Libysche WTüste, tägl. Wärmesehwau-
kung 79, Quellbildung 366.
Liechtensteinklamm 387.
Liegende Falten 464.
Ligurien, Erdbeben 337.
Lilienbäume 399.
Lima, Temperatur 71, Gewitter 140.
Li inan 576.
Limpopo 407.
Lincoln-Höhen 456.
Lincoln-Wolds 436.
; Lindenbcrggletscher 169.
f Lineare Erdbeben 329, 330, 332, 336.
! Lingg 479*.
Linhardt 298*.
| Linne 593.
j Linth 319, 543.
j Liopelma 359.
j Liparische Inseln 313, 317, 333, 367.
Lippenblumen 394.
| Liquidambar 393.
j Liro 515.
| Lissaboner Erdbeben 329, 334, 368.
j Listad, Flora 392.
\ Listow 474, 479*.
j Lithosphäre 7.
Liverpool, Tiefcnteinperatur 8, Gezei-
ten 240.
| Livland, Karstphänomen 363.
Livno-Polje 359.
Llanos 448. 613.
Loa 306, 318, Waldgrenze 606 .
Loanda, Regen 134.
Lob-Nor 450, 542.
: laich Ewe 533.
Loch Houm 580, 581.
Loch Lochy, Temperatur 254.
Loch Striven, Temperatur 254.
Lockerboden 428, 429.
I Lockereruptionen 309.
i Lodoicea Sechellorum 599.
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Register.
«87
Loew 188.
I.oire 371. 526
Lokale Niveauveränderungen 272.
Lokale Winde 1 10.
Lok-Botan 320,
Lokris, Erdbeben 332.
London 25.
Londoner Becken 456.
Lone Peak 497.
Loomis 89, 98, 101*, 123, 133*.
Lorber 624.
Lord Howe-Inseln 559.
Lorentz 619.
v. Lorenz 338.
St. Lorenz-Rolf 193, 240.
St. Lorenzstrom, Eisbedeekung 374.
Loris 556.
Löß 413 f., 428, 430, 431, 433.
Lößmännchen 414.
Lößmulden 445.
Lößschluchten 432.
Lotablenkung 208.
Low 496*.
Löwe 642, 656, 657, 658, 039.
Löwl 14^, 281, 282, 297*, 300, 394,
395, 401*, 513, 520*.
Lowlauds 493.
Loxodromen 21L
Luchs 659, 660.
Lückenpaß 320.
Lueger Grotte 357.
Luft £1, Abnahme der Temperatur
53, 54
Luftdruck 41, 90, Verteilung im Winter
102, im Sommer 106, Schwankungen
109, Verteilung auf der Erde 121,
35jühr. Periode 179, Verhältnis zu
den Bodenbewegungen 323, 339.
Luftschiffahrten, Ergebnisse 54
Luftzirkulation 90.
Lugan, tägl. Wärmeschwankung SL
Lüneburger Heide 447.
Lfitschine 945.
Luzon, Schlammsprudel 320.
Lydekker 471, 479*. 509.
Lyell, 3, 6!, 386, 387, 532.
Lyseljord 518.
Maare 299, 309, 534.
Macacus 658.
Macaluba 320.
Macdui 493.
Mackenzie 323.
Mackenziebecken, Klima 20.
Macquarie-Inscln 644
Madagaskar 32, 532, Bodenarten 429.
Fauna 556, 656, 663, 664. Urwald
609
Madeira, Wüstenwinde 115. Fauna
571, 572. Flora 573, 574, 624, ML I
Maelstrom 241.
Maer-Hall, Humusbildung 346.
Magdaleneustrom 526.
Magma 277, 298, 299, 300, Herkunft
317.
Magnetischer Nordpol 48,
Magnolien 599.
Maine, Fluß Vermischung 524, Küsten-
länge 578, Fjorde 581, 582.
Mais 634.
Makarow 219*.
Malabar, Regenzeit 1 35.
Maladettagletscher 166.
Malaischer Archipel, jährl. Wärme-
schwankung 81, Regen 128, Vul-
kane 311, Areal 552, Entwicklungs-
geschichte und Fauna 557, 657, Flora
596, Wald 609, Floren- und Faunen-
grenzen 557, 622, 652.
Malakka 135, 551.
Malaspina-Gletscher 151.
Maldeninsel, Regen 132.
Malediven 567, Erdbeben 321.
Malfroy 370.
Mailet 387, 338, 640*.
Malm 20.
Malörn, Niveauveränderung 287.
Malpighiaceenbäume 613.
Malta, Regen 138.
Mammut 659.
Mammutbaum 593.
Mammuthöhle 364.
Mandschurei 32, Wälder 611,
Mangrovebäume 424, 598. 610.
Maniearia saceifera 397.
Manihiki-Inseln 567.
Manila, Gezeiten 239.
Maniokpflanze 633.
Manytschnicderiing 22,
Maquis 620.
Maraunthal 508.
Marbella, Serpentinstock 480.
Marble-Canon-Platte 459.
Marcano 353*.
Mareligebiet, Regen 125.
de Margerie 278*. 401*, 457, 479*.
Marine Ablagerungen 423, 428, 429, 43L
Marine Flüsse 520, 523,
I Marine Maxima und Minima 102.
Marine Niveauveränderungen 280.
Marioninscl 602.
Maritzathal 508.
Markham 23.
Marlborough-Hiigcl 456.
Marmarameer 200.
Marmolata, Schneegrenze 142.
Marno 650.
Marquesas 559.
Marrobbio 227.
Marschland 513.
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688
Register.
Mars hall 664*.
Marshall-Inseln 567.
Märtel 359, 364, 370*.
Martin 298*. 557. 560*.
St. Martin (Tirol), Seebildung 532.
Martinique 314, Gezeiten 234.
Martins 533.
Masäinarliu-Insel 5K9.
Mascaret 238.
Maskarenen, Fauna 561 , Floren Ver-
änderungen 574, ti31.
Massengebirge 437.
Masseugesteine L2.
Massiv 437, 495, 505, 506.
Mathematische Zonen 74, 15.
Matotschkinstraße 580.
Maui 503.
Mauwi, Länge des Sekundenpendels 3.
Maulwürfe 660, 661 .
Maulwurfsratten 661.
Mauritiapalmen 610.
Mäuse 646, 651, 654, 660.
Maximalbösehung 349.
Maypures, Stromschnellen 397.
McGee 463«.
Mechanische Erosion 341.
Mechanische Verwitterung 343.
Mecklenburger Seenplatte 430, 447, 538,
33».
Meer, Areal 23, Verteilung 24, 25, Ein-
teilung 26, Tiefenstufen 36, Mittlere
Tiefe 37, 38, 39, Volumen 37, ther-
misches Verhalten 63, 73, tägh Tem-
peraturschwankung 78, 79, Wind-
stärke 89, Luftdruckverteilung 107,
Barometerscliwaukungen 110, Regen
IAO, m, 133, 134, 179, Gewitter 140,
Gliederung 191, Permanenz d. ozean.
Becken 205, Salzgehalt, spezifisches
Gewicht u. Dichte 212, 378, absolutes
spezif. Gewicht 217, Farbe 217, Ge-
zeiten 228, Temperatur 255 ft'.. 25911’..
Gefrierpunkt u.Dichtigkeitsmaximum
260, Stickstoffgehalt 266, Vulkane
315f., geologische Arbeit 415 ff., Ab-
lagerungen 423, 428, 429, organisches
Leben 640.
Mecreis 268, Küstenzerstörung 417.
Meeresboden 194, 196, Bedeckung 200.
Meeresleuchten 219.
Meeresniveau 207, Schwankungen 210.
Meeresströmungen 240 ff., Salzgehalt
215.
Meerwasser 201 ff.
Megaloyx-Sehichten, Fauna 653.
Meliadia 368.
Mekong-Gebiet, Waldgrenze 604.
Melbourne, Sandsteinsäulen 351.
Memel, jährl. Periode 371, Delta 404,
407, Veränderungen 530.
Mensalehsee 28, 421L
Mera 515, 518.
Meran, Klima 36.
Mercalli 331.
Mer de Glace 152, 157.
Mergelboden 345.
Mergen, Vulkane 311.
Meridiangrad, Länge 1
Meromsee 537.
Meru 315.
Mesas 454.
Mesopotamien 105, 127.
Mesozoisches Zeitalter (Formations-
gruppe) 19, 2Ü.
| Messerschmidt 298*.
Meteoriten X.
Methans, Vulkan 313, 500.
Mexico, vertik. Wärmeabnalime 56,
Temperatur 67, 81 84, Gewitter 139.
Vulkane 311 , 312, Bodenarten 429,
Urwald 608,609, Mimosengebüsch 619,
Flora 630, Getreidegrenze 635, Fauna
653.
Mexico, Golf von, Regengebiet 127,
Gezeiten 239.
Meyer, Hans 166, 1 73*.
Meyer, Hugo, 77*, 1221
Mezzolasee 545.
Mfumbiro- Vulkane 315.
St. Michel, Bai v., Fluthöhe 238.
Michigansee, 239, 536.
v. M iddendorff 113, 289, 601.
Middlemiss 337, 479*.
Midori, Dislokation 273.
Mikroseismische Beben 322.
Milledgeville, Thalbildung 386.
Milne 337.
Milo 313,
Mimosensträucher 600, 619.
Mineralboden 345.
Mineralquellen 366 f.
Minnesota, Seen 524, 538.
Minutoli 529.
Miocän, 20, 185.
Mischfloren 628.
Mißfärbung des Meeres 218,
Mississippi 523, Flußspiegel 375, Fluß-
bett 380, Abtragung 381, Delta 404-
407, Flußvermischung 524, System
526 , Länge 527.
Missouri 526, Canon 388.
Mistral 113.
Mittelalter der Erde HL
Mitteldeutsche Alpen 490.
Mitteldeutsches Erdbeben 329, 337.
Mitteleuropa, Temperaturveränderlich-
keit 84, Bewölkung 122, geologische
Klimawechsel 185, Thermen 367.
Diluvialterrassen 390, Flora 623.
Mittelgebirge 437, 438.
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Register.
689
Mittellauf der Flüsse 378.
Mittelmeer, (europäisches) 191, Gliede-
rung 192, Areal u. Tiefe 193, Boden-
relief 199, Geschichte 206 , Salzge-
halt 216, Strömungen 241 , Tiefen-
temperatur 260. Flußgebiet 523.
Mittelmecrländer, Temperaturveränder-
lichkeit 84, Winde 105, Klima 174.
Niveauveränderungen 291 f., Deltas
406, Küsten 575, Wälder 611, Maquis
620, Flora 624, 631, 632, Fauna 658.
Mittel moräne 161.
Mittelwasser des Meeres 207, Schwan-
kungen 279.
Mittlere Beleuchtungszone 42.
Möbius 662, 664*.
Modena, Föhn 115.
Mofetten 310.
Mogador. Regen 127.
Mohavewiiste, Winde 116.
Mohn 70, 72, TT, 95, 114, 140, 209,
219*. 248, 264.
Mohrenhirse 634.
v. Mojsisovics 473, 476.
Mokuawcoweo 306.
Moldau 515, 525.
Möller 101 ».
Molukken 557, 622.
Mönchsbergkonglomerat 515.
Mondphasen 230.
Mondwelle 231, 232.
Mongolei 353.
Monokotyle Laubhäume 595.
Monotropa uniflora 593.
Monsun 105.
Mousuuregen 135.
Montaigne 412.
Montblanc, relative Feuchtigkeit 119,
Gletscher 165, Höhe 483.
Monte Amiata 313.
., Argentario 577.
„ Cimino 313, 318.
„ Gargauo 551.
Montenegro, Klammen 387.
Monte nuovo 313, 300,
de Montessus 335, 340 *.
Monti dell’ Uecellina 577.
Montsouris, Taumessung 119.
Moore 542 f.
Moos 547.
Moostundra 602.
Moränen 161.
Moränenlandschaft 430.
Moränenseen 533.
Morawathal 511.
Morphologie 435.
Morphologische Provinzen 34.
Moschustier 659.
Mosel, Wasserstand 371, Thal 516.
Moskau, tägl. Wärmeschwankung X9,
Moskitokette 498.
Supan, PbyaUcbe Erdkunde. 2. Aull.
Mosselbai, tägl. Wärmeschwankung AL
Mount Egmont, Waldgrenze 604.
„ Elias, Gletscher 151, 168, Vulkane
311, Moränenflora 629.
„ St. Michael 552.
„ Owen Stanley, Regen 124.
„ Shasta 812, Gletscher 168.
„ Washington, Wärmeabnahme 5iL
„ Yasowa 301.
Mozambiqne, Fauna 657.
Mud 201.
Mudlumps 321, 404.
Mühry 118.
Muir-Gletscher 168.
Mulde der Falte 463.
Muldenthäler 399, 400.
Mulhacen 348.
München, Deklination 51, Temperatur-
veränderlichkeit85, Grundwasser 355.
Münchener Luftschiffahrten 54, 120.
Mündungsfälle 395.
1 Mündungsformen der Flüsse 403.
Mündungshäfen 585.
Mündungsseen 542.
Muntz 344, 353«.
Mur 515.
Muren 351.
Müritzsee 538.
Murmeltier 648.
Murray (Fluß) 373, 401, 526.
Murray 18», 36. 39. 40*, 123. 133*, 193,
196, 204, 207», 254, 255«, 523, 5312,
568, 570, 574«.
Mursuk, tägl. Wärmeschwankung 79.
Musaceen 597.
Muschelbänke iu Norwegen 284.
Muschelkalk 20.
Muschketow 337, 340*.
Mutationsgebiete 431.
Mygale 645.
Myrte 624.
Nachtigal 13,
Nadelholz s. Koniferen.
Nagetiere 654, 660.
Nairai 56.7.
Namaland 618.
Nandu 664.
Nanga Parbat-Gletscher 167.
Nankou-Gebirge 457.
Nauschan 484.
Nansen 70, 77«, 170, 172.
Naphtha 321.
Narentadelta 405.
Narowafall 396.
Narra 530.
Narvnthal 510.
Nashorn 643, 656.
Nationalpark, Geysire 370.
i Natronseen 543.
| Natterkopf 632.
44
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690
Register.
Natürliche Brücken SS!).
Naturschacht 360, 361, 362, 363.
Naumann 495*.
Naumanngletscher 169.
Neapel, Senkungen 294, Golf 577.
Nebel 121.
Nebenflüsse 520.
Nebenmeere 192, 193, Bodenrelief 199,
Bodenbedeckung 203, Salzgehalt 216.
Necks 304 .
Nefud 412, ßll.
Negative Niveauveränderungen 280.
Neliring 184, 1 90*.
Nehrung 423.
Nekton 203.
Nelson 331 .
Nemorhedus 638.
Neocom 20.
Neogen 20.
Nerobäder 367.
Neucaledonien 558, 559, 622.
Neue Hebriden 311, 558.
Neu-England, Gebirge 487.
Neue Welt s. Amerika.
Neuffen, Tiefentemperatur 8.
Neufundland 581.
Neufundlandbank 199, Nebel 121,
Fischreichtum 255.
Neuguinea, Fauna 557, 558, 652,
Flora 551, 622.
Neumann, B. 531*.
Neumayer 1 16, 122*.
Neumayr 22^ 206* 207*, 313, 331,
353*.
Neu-Meckleuburg 558.
Neu-Mexico, Waldgrenze 604.
Neusehottland 550, 575, 581.
Neuseeland 552, 558, Föhn 115, Regen
129, 131, Gletscher 169, Klima 175,
Niveauveränderungen 291, 293, Vul-
kane 311, Schlammsprudel 320, Gey-
sire 370, Seen 541, Flora und Fauna
359, 574, 622, 626, 628, 652, Fjorde
581 , Palmen 595, Waldgrenze 604,
Waldland 610, Farnfluren 620.
N cusibirisclie Inseln 358.
Neusiedler See 363.
Neu-Süd-Wales, Wald 610.
Neutrale Küste 575, 576.
Neutrale Zone 1 2.
Neuzeit der Erde IS,
Nevada, Boraxseeu 544.
Nevados L1.2.
Newa, Eisbedeckung 374.
New Madrid, Seebildung 534.
New Orleans, Strandseen 533.
New Red Sandstone 21.
Newton, J. 233.
New York, Regendichtigkeit 133.
Ngai 315.
Ngau 366.
Niagarafall 396.
Njassasee 315, 542.
Niedergebirge 437.
Niederguinea, Küste 575, Savane 612.
Niederlande, Depression 536, Wald 631 .
Niederlausitz 447.
Niederungarische Ebene 444 , 449 f., 615.
Niederrheinisches Schiefergebirge 490,
492, 494, Durchgangsthäler 516.
Niederschläge 122 ff. , sanitäre Bedeu-
tung 42. jälirl. Periode 133, 35 j ähr.
Periode 178, 179, Salpetersänregehalt
352, Einfluß auf die Thalbildung 398.
Niedrigwasser des Meeres 228.
Niemeyer 116*.
Nieuweveld-Berge 437.
Nieve penitente 1 55.
Nigerbecken 32.
Nigerdelta 407.
Nikolski 544.
Nil 372, 391, 527, Delta 403, 404, 405,
406, Ablenkung ,929.
Nilthal 389, 450.
Nipptideu 231.
Nischen 387, in den Simdeu 419.
Nischne-Kolymsk, Föhn 119.
Nisyros 313.
Niveaufläche 208.
Niveauveränderutigen 14, 16, 271,
litorale 27s ft'., binnenländische 296 f.,
Einfluß auf die Deltabildung 4ii7.
Nivellement 211, 439.
Nordafrikanische Strömung 244, 253.
Nordamerika, Grenzen 28, Areal 30,
Oberflächengestaltung 32, 33, Höhe
36, 39, Temperatur 70, Temperatur-
Schwankung im westlichen Hoch-
land 79, Temperaturvcränderlichkeit
84, 85, 86, baroinetr. Minima 97, 98,
Luftdruckund Winde 102, 103, 104,
107, 108, Regen 127, 131, 137, Schnee
142, Gletscher 168T Eiszeit 183.
N i veauveränderungeu 289, 293, 296,
Vulkane 311 , Dilnvialterrassen 390,
Löß 414, Bodenarten 427, 428. 430,
Tafelländer 443, westliche Hoch-
flächen 446, abflußlose Gebiete 522,
523, Abdachungen 523, Flüsse 527,
Seen 538, 545, Halbinseln 549, Fjorde
581, Küstenabstand 587, Palmen 595,
596, Grenze der immer- u. sommer-
grünen Bäume 600, Wälder 611,
Salzwüste 617, Vegetationsformatio-
nen 620, Flora 624, 631, 632, Ge-
treidegrenze 63V Öbstgrenze 637,
Fauna 651, 660, 661, 662.
Nord atlantische Cyklone im Winter 103.
im Sommer 108.
N ordatlantischer Ozean, Windgeschwin-
digkeit 89, Geschwindigkeit der
barometr. Minima 98, Stürme 98.
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Register.
691
Nordchilenische Klimaprovinz 175.
Norddeutschland 84, 87, 137.
Nordenskiöld 16, IIP, 142, 268, 271.
Nordfjord. Strandlinien 284.
Nordkontinente 27, 30.
Nordkrainische Ebene 348.
Nördliche Halbkugel, Wasser und
Land 23, Durchschnittstemperatur
72, Dauer des Winterhalbjahres 45,
Tagesläuge 47, Luftdruck 94, Anti-
cyklonen und Cyklonen 94, Luft-
druck und Winde im Winter 102 ff.,
im Sommer 107, Barometerschwan-
kung 110, Bewölkung 121 , Regen
123 , Gletscherareal 1 65 , Flußgebiet
523, Flora 625, Fauna 663.
Nördliche Kalkalpen, Schneegrenze 149.
Nördliches Eismeer 25, Areal 27, 193,
Tiefe 193, Bodenrelief lasfTJ- Strö-
mungen 245 f., Tiefentemperatur
284 S'., Eisbildung 262 ff.
Nordlicht 48 ff.
Nordlichtbogen 49,
Nordmeer (europäisches), Niveau 209 f.
Nordost- Europa , Temperaturabwei-
chung 83.
Nordost-Monsun 108.
Nordpazifische Cyklone im Winter 104,
im Sommer 1 Oft.
Nordpol, unbekanntes Gebiet 23.
Nordpolares Hochdruckgebiet 9L
Nordsee, Areal und Tiefe 103, Boden-
relief 199, Salzgehalt 216, Gezeiten
236, Strandverschiebung 292, Dünen
412.
Nordstrand 422.
Nordwest-Monsun 103.
Norfolkinsel 539.
Normale 4.
Normale Wasserscheide 511.
Normalhöhenpunkt und Normalnull der
preuß. Landesaufnahme 21 1.
Normal-Isothermen 64.
Normaltemperaturen der Breitengrade
1L 13.
Nnrmalwerte (meteorologische) 181.
Normandie, Thäler 398, Küste 576
Norrköping, Strandlinie 283.
North er 85.
Norwegen, vertik. Temperaturabnahme
56, Wintertenipcratur 89, 265, Regen
125, Gletscher 156, Torfmoore 181,
Niveauveränderungen 282 ff, 288,
Küste 419, Fjorde 492, 578, 581, 584,
Seen 540, 541 , 580, Küstenlänge
378, alpine Waldgrenze 601, 605,
Wald 631, Getreidegreuze 635, 636.
Novaledosee 545.
Nowaja Semlja 352, 558, tägl. Wärme-
schwanknngsl. Eisberge 172, Niveau-
veränderung 288.
Noworossisk, Bora 113.
Nukus, Verdunstung und Regen 344.
Nulato, Wald 601,
Nunatak 170, Vegetation 603.
Nutation 111.
Nutzpflanzen 632 ff.
Oaliu 504, 570.
Oasen 616, 638.
Ob 526, Eisbedeckung .374.
Oberbeck 92, 101*.
Oberdeutsche Hochebene 430.
Oberer See 536, 538.
Oberfläche der Erde 5.
Oberflächenformen 435 ff
Oberflächenmoräne 161.
Oberguinea, Wüstenwinde 1 15.
Oberhalbsteiner Thal 514, 636.
Oberitalienische Ebene s. Po-Ebene.
Oberlauf der Flüsse 376.
Oberrheinische Ebene 399, 444, 445,
458, 508, Erdbeben 334.
Obersulzbachferner 164.
Obir, Temperatur 52.
Obst 631.
Ochotskisches Meer 192, Areal und
Tiefe 193, Eis 268.
Ochotskische Strömung 247, thermische
Bedeutung 68.
Oder, Veränderungen 530.
Oderthal 512.
Odessa, tägl. Wärmeschwankung 8L
Odet 582.
Oeta 482.
Ofen 368.
Offene Mündungen 403.
Offener Ozean 193.
Ogiven 159.
Ohip 526.
Oka, Eisbedeckung 374.
Öland, Niveauveränderung 287.
Ölbaum 592, 624.
Oldham 23^ 462*.
Oleron 576.
Oligocän 20.
Oloncz, Wald 631.
Ölpalme 597, 610.
Onegasee 536, 545, 550.
Oneion 551 .
Ooze 201.
Opilio glacialis 647.
Oporto, Gezeiten 234.
Orbitalbewegung 219.
Orchideen 598, 608.
Oregonceder 612.
Organischer Schlamm 201.
Orinoco, Delta 407.
Orizaba, Pik v., 500, 604.
Orleans, Prinz Heinrich v., 311.
Orlow 340*.
Orographische Schneegrenze 147.
44*
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692
Register.
Orographisclies System 436.
Orographische Thäler 400.
Orometrie 440 f.
Ortler Alpen, Schneegrenze 14ä.
Osman Dagh 320.
Oaomo, Waldgrenze 604.
Ossabaw, Gezeiten 234.
Ostafrika, Gräben 314 , Seen 542.
Vegetation 613.
Ostalpeu. vertik. Temperaturabnahmc
56, Schneegrenze 149, Gletscherareal
166, Stoßlinien 333. 334, Bau 470,
Abdachungen 509, Hochseen 540.
Ostanglikanische Höhen 456.
Ostasien, morphologische Provinz 32,
34, Temperaturveränderlichkeit 84,
Winde 104, 109, Winterklima 115,
Regen 136, Schnee 142, Deltas 406,
Flora 625, Fauna 658.
Ostaustralien, Niveauveränderung 290.
Ostaustralische Strömung 246.
Ostchinesisches Meer 192, Areal und
Tiefe 193, Bodenrelief 199, Wellen
222.
Österreich, Wald 631.
Osteuropa s. Rußland.
Osteuropäische Klimaprovinz 174.
Ostfeste 27, Oberflächengestaltung 30,
Temperatur 69, 73, 87, Regenwahr-
scheinlichkeit 131 , Klimaproviuzen
173, Küstenabstand 587, Wüsten-
gürtel 617, Vegetationsformationen
620, Flora 621, 625, Nahrungspflanzen
638, 639.
Ostgrönländische Strömung 245 , 253,
266.
Ostindien 135, tägl. Wärmeschwaukung
79, Regen 126, Maare 299, Boden-
arten 429, Wald 607, Fauna 657.
Ostindisch-australische Monsunprovinz,
Klima 174.
Ostindischer Archipel s. malaischer A.
OstküstCu, Temperatur 66, 68. 71.
thermische Anomalie 73, 74, jährl.
Wärmeschwaukung 82, Temperatur-
Veränderlichkeit 85, Temperatur-
abweichung 87, Winde 102, Regen-
wahrsclieinlicEkeitl32, jahreszeitliche
Regenverteilung 134, 139.
Östliche Halbkugel, Wasser u. Land 24.
Ostsee 191, 192, Areal und Tiefe 193,
Bodenrelief 199, Niveauschwankun-
gen 210, Salzgehalt 216, Flutgröße
239, Strömungen 241 , Eis 268, an-
gebliche Entleerung 236 f-, Geschichte
286, Dünen 412.
Ostsibirien, Wärmeumkehr 59, Tempe-
ratur 67, 69, 70, 71, 82, Temperatur-
Veränderlichkeit 84, 86, Barometer-
maxima 102. 104, Regen 126. Klima
174, Deltas 406.
Oszillierende Bodenbewegung 223,
Othrys 482.
Ötzthaler Alpen, Schneegrenze 149,
Form 437, Gliederung 510, 518.
Ouessant, Gezeiten 234.
Ouse 526.
Oxytropis 589.
Ozean s. Meer.
Ozeanische Deltas 403.
Ozeanische Inseln 552.
Pacific Creek 524.
Packeis 269, 230.
Pahde 255».
Paläarktisches Flachland 3L
Palacky 622.
Paläozoisches Zeitalter (Formations-
gruppe) 12.
Palau-Archipel 552
Palermo, Verunreinigung der Luft 42.
Palics-See 543.
Palkstraße 556.
Palmarola, Niveauveränderung 292.
Palmen 595 ff.
Palmenöl 597.
Palmenwein 597.
Palmenzucker 597.
Palmieri 302, 331, 337, 502.
Pambuk-Kalassi, Travertin 363.
Pamir 30, 476, tägliche Wärmeschwan-
kung 79, Bau 448, Gliederung 511.
Waldgrenze 604.
Pampas , Klima 175, Löß 414, 431,
Vegetation 614, 619, Flora 626, 632.
Pampasfonnation 448.
Panama-Isthmus 28.
Pandanus 598.
Pandschab, Regen 135.
Pantanelli 462*.
Panther 644.
Papageien 644, 652, 654, 657.
Papaver nudicaule 603.
Pappel 612.
Para, Schmetterlingsfauna 644.
Paradiesfeige 597.
Paradiesvögel 652.
Paragras 632.
Paraguay, Fluß 523, 526.
Parahyba, Gezeiten 234.
Parallaktische Ungleichheit der Ge-
zeiten 232.
Parallelgliederung 510,
Parana 523, 526.
Paris 222, 228*.
Paris, Flora 592.
Parkkette 497, 498.
Parks 497.
Pannas 478.
Parnes 482.
Paroxysmen der Vulkane 302.
Parrv 23.
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Register.
693
Pascoe 652.
Paß 520.
Passat 99, im Winter 105, 106, im
Sommer 107, 108.
Paasatschauer 132.
Passate taub 202.
Pässe (Mississippi) 405.
Pasterze 157, 1114.
Patagonien, Niveauveränderuugeu 291,
Seen 540, Küstenform 576, Vegetation
619, Flora 626.
Patagonische Flachsee 199.
Patagonische Formation, Fauna 653.
Pauchata, Schneegrenze 149.
St. Paul-Insel (Beringmeer), Regen 1 33.
„ (Atlantischer Ozean) 571.
„ (Indischer Ozean) 594.
Paulsen 51, 52*.
Paumotu-Archipel 567.
Payer 23. 49, 13L
Pazifischer Küstentypus 573.
Pazifischer Ozean 25, 26, Areal 27, 193,
Tiefe 36, 39, 193, 196, Lufttemperatur
66. 67, Cyklonen 99, Luftdruck und
Winde H)2, 1)95, 106, 108, Regen
126, 127, 128, 129, Bodenrelief 196,
200 , Bodenbedeckung 203 f. , Salz-
gehalt 215, Wellen 222, Gezeiten
239. Strömungen 246 f., 231, Ober-
flächentemperatur 252, 256, 257,
Tiefentemperatur 262, 266, Vulkane
310, 311, Flußgebiet 523.
Pazifische Welt 34-
Pazifisch- indisches Monsungebiet 126.
Peal 370*, 498, 499*.
Peary 170.
Pechuel-Lösche 612.
Peiho, Abtragung 381.
Pekari 652, 654.
Pelagische Ablagerungen 200, 204.
Pelagische Fauna 535.
Peloponnes, Bau 482, Halbinsel 551.
Pelvoux 483.
Pelztiere 659, 660.
enck
36,
39,
40*.
165,
278*,
286.
297*,
342,
359.
381*
, 383,
389,
890,
397*,
401*
, 438, 483,
, 484,
513,
523,
533,
534,
535,
536,
' 537,
539,
541,
568, 569, 570.
Pendelbeobachtungen 3, 13.
Peneplain 486.
Pentelikon 482.
Perekop-Isthmus 549.
Perihel 45, 46.
Periodische Quellen 366.
Periodische Seen 359.
Periodische meteor. Veränderungen 176.
Periodische tägl. Wärmeschwankung 18,
Peripherische Stoßlinien 333.
Peripherische Flachländer 44ßff., 449.
Permanenzgebiete 431.
Permische Formation 20.
Perndter 122*.
Perrey 339.
Persien, Bodenarten 429, Boraxseen 344,
Wüsten 613.
Persimanbaum 399.
Persischer Golf 190, 193, 199.
Peru, Länge des Meridiangrades 4,
Klima 71, 175, Vulkane 311, Vege-
tation 616, Getreidegrenze 635.
Peruströmung 246, 258.
Peschei 278«, 512, 943.
Peter 632*.
Petermann 245.
Peters, 530, 544.
Petersquelle 367.
Petit Lake 524.
Petro-Alexandrowsk, Verdunstung und
Regen 126, 544.
Petropaulowsk, Gezeiten 239, 240.
Petschora 526.
Peucker 441*.
Pf aff 155, 413.
Pfeiffer 298*.
Pferd 659, fi£L
Pfitscher Joch 516.
Pflanzen , Anteil an der Zerstörung
344. an der Landbildung 424, 546,
V erbreitungsmittel 572, Abhängig-
keit vom Boden 589, vom Klima 590.
Pflanzenleben im Meer 201.
Pflanzenregionen 603 ff.
Pfriemengras 615.
Phänologie 592.
Phalasaraa, Strandverschiebung 292.
Philipp! 632*.
Philippinen, Vulkane 311, Fauna 557.
Philippson 382, 401«, 420, 424, 425,
426*, 482, 496«.
Phlegräische Felder 313, 318, 502.
Phönixinseln 565.
Phönix Bpinosa 610.
Phönizische Häfen 584.
Phreatische Wasserschicht 355.
Phryma Leptostachya 593.
Phylica arborea 396.
Pic du Midi, vertikale Temperatur-
abnahme 56,
Pico, Vulkan von, 501.
Pierre du Niton 21L
Pikermischichten, Fauna 656.
Pikes Peak, Temperatur 57, 82.
Pilar 360.
Pillsbury 255*.
Pinchincha 501.
Pindus, WTaldgreuze 604.
Pinien 601.
Pinselzüngige Papageien 652.
Pinzgauer Ache 515.
Piombino 577.
Pisa, alte Bucht v., 577.
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694
Register.
Pisang 597, RIO.
Pisciarelli, Thermen 387.
Pittinsel 695.
Piz Linard 647.
Planimeter 5.
Planimetrische Methode 36.
Planina-Polje 359, 360.
Plankton 203.
Plateauklima 83.
Plateaus 437, vertik. Wärmeahnalime 59.
Platten 438.
Pleistoseistes Gebiet 328.
Pliocän 20, 183, 135.
Pliickensteingranit, Gipfelform 347.
Plutonistische Theorie 278.
Pluvialperiode 184.
Po 380, 520, 525, 530, Abtragung 381,
Delta 404, 405, 401.
Po-Ebene 444, 446, Klima 112, Regen
138, Böschung 195.
Polarbär s. Eisbär.
Polare Beleuchtungszonen 41»
Polare Pflanzenzonen 602, 639.
Polarer Typus der Süßwasserseen 259.
Polarer Wärmegürtel HL
Polarfuchs 558, 646. 662»
Polarhalbmesser der Erde 5.
Polarhase 646.
Polarisbai, tägl. Wärmeschwaukung 81»
Polarklima 83, tägliche Temperatur-
schwankung 81, Veränderlichkeit 81L
Polarläuder, Temperaturabweichung 87,
Regen 137, Gewitter 140, Hagel 141,
Gletscher 169, Faziesgebiet 431 .
Polarlicht 48. •
Polarseite der Cyklonen 96.
Polarströmungen im Atlant. Ozean 245,
im Pazif. Ozean 247.
Polder 424.
Poliakow 529.
Polieastro, Golf von, 577.
Polje 359, 363.
Polnischer Hut 309.
Polynesien 560, 567, 570, 653, Klima
175, Flora und Fauna 572, 652, 663.
Polynia 271.
Polypedatidae 571.
Pommerischer Landrücken 430, 447.
Pongauer Ache 5.1h.
Ponti lösche Inseln 313.
Pontus s. Schwarzes Meer.
Pori 613.
Poriteu 582.
Pororoca 238.
Portland 426.
Port Said, Feuchtigkeit 124, Regen 197.
Positive Niveau Veränderungen 280, 292,
5*3.
Po well 497, 498.
Pozzuoli, Niveauveränderungen 292,295,
Praia, Regen 132.
Pramberge 453.
Prärieen 33, vertik. Wärmeabnahme
60, Löß 414, Terrain 438, 443, Vege-
tation 615.
| Präzession 10.
j Precht 77*.
Pregel 530.
Prestwich 13*.
Preußen, Landrücken 430, 447.
Primäres Zeitalter (Fonnationsgruppe)
19.
Primäre Wellen 235.
Primäre 'Windströmungen 250.
Primärformation Südafrikas 2L
Primeln 594.
Prinz Alfred-Gletscher 169.
Prinzeninsel 561 .
Procida 313.
Produktive Steinkohlenformation 20.
Profilmethode 26.
Propylit 318.
Pröscholdt 496*.
Proteaceenbäume 613.
Provence, Mistral 113.
Pruth 405, 530.
Przewalski 79, 124, 126.
Pteropodenschlamm 204.
Ptolemäisches Weltsystem L
Puff 255*.
Puia-Therme 370.
Puma 654.
Pumpelly 352, 353*, 534.
Punaregion 618.
Punta Arcnas, Klima u. Getreidebau 636.
Purpurschwalbe 644.
Pußta 614.
Puy de Cöme 310.
Pyrenäen 30, vertikale Temperatur-
abnahme 56, Föhne 114, Gletscher
166, Erdbeben 334, Gipfelformen 347.
Erdpyramiden 351, Bau 471, Gliede-
ntng 510, 511, Seen 541, V egetations-
regionen 604, Getreidegrenze 635.
Pyreuäische Halbinsel 8. Iberische H,
Pythonschlange 658.
Quartäres Zeitalter (Formation) 19, 20.
Quellen 364 ff. , Temperatur 36 1 , Mi-
ncralgehalt 366
Quelltümpel 365.
Querabdachung 509.
Querandinische Stufe 291.
Querbeben 330, 334.
Querflüsse 520.
Quergliederung 510.
Querkämme 464,
Querschollen 482, 492, 495.
Querspalteu im Gletscher 160
Querthäler 464, 507, 50,8 f.
Quito, Gewitter 188. Vulkane 312, Ge-
treidegrenze 635.
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Register.
(195
Radiale Stoßliuieu 333.
Kadiaispalten bei Erdbeben 327.
Kadioinrienschlatnm ‘204.
Kadmerbach Mb.
KafHesia Arnoldi 399.
Rainberg 493.
Ramsay 456, 463*, 499, .r)4l.
Kandfaltungeu 478.
Randseen .~)40.
Randspalten der Gletscher 1 60.
Ratschacher Wasserscheide 317.
Ratten fiftl, 654, 660.
Ratzel 147, 149*, 324.
Raubtiere 654, 657, 659, 660.
Rauhe Alb s. Schwäbische Alb.
Rauriser Ache 515.
Ravenna 426.
Ravensberg 494.
Ravenstein 620, 621 *.
R<5 576.
Reade, Mellard 381, 466, 479*.
v. Rebeur-Paschwitz j_7, 18*, 330,
340*
Eeclus 524.
Red River 331.
„ (XbH. d. Mississippi) 405, Cafion 388.
Reduktion der Temperatur 61 .
Reduziertes spezif. Gewicht des Meer-
wassers 214.
Regel 496*.
Regelation 1 38.
Regelmäßige Wärmeschichtung 259.
Regen s. Niederschläge.
Regendichtigkeit 132, 1 33.
Regenerierte Gletscher 1 55.
Regengebiete der Erde 138, 432
Regengrüne Wälder 610,
Regenwahrscheinlichkeit 129, 1 32.
Regenwälder 610.
Regeuwiirmcr, Humusbildung 343.
Regionale Niveauveränderungen 272.
Regressionstheorie 31 3.
llegur 4 1 3.
Rehe 1159.
Reichelt 188, 190*.
Reichenow 662, 664*.
Reid 168, 173*.
Reiderland 421.
Reif I1&
Rein 568, 633.
Reis 633
Reiß 166, 305, 322 .
Relaisbeben 336.
Relative. Feuchtigkeit 1 18.
Reliktenseen 333.
S. Remo, unterseeische Quelle 338.
Renard 18% 207*.
Rentier 332, 646, 645,
Reptilien 372. 643. 646, 638,
Resaca 227.
Reschenscheidcek 316.
Reschensee 332
Restinseln 359.
Reuseh 419, 426*.
R e u s c h 1 e 585.
Reuß, Abtragung 381, Thal 392.
Revillagigedo-Inscln 572.
Reyer 278*, 322*, 335, 467, 479*, 481.
496*. 5115.
Rhätischc Alpen, Getreidegrenze 636.
Rhein 521, 525, Schwankungen des
Wasserstandes 371, 372, Delta 404,
405, 406, 407, 328, Verbindung mit
der Donau 524, Größe 527, Verän-
derungen 528, 330 f., Ablenkung 329
Rheinfall 396, 397.
Rheinisches Erdbeben 118281328,(1846)
323. 3ßjL
Rheinthal 316.
Rhinozerosbusch 619.
Rhone 525, 530, Abtragung 381, Delta
404, 4UL
| Rhönegletscber 163.
Rhönethal 508.
Rhyolith 299, 319.
Rias 582, 384.
Richter, Ed. T15, 146, 149*, 165*.
166, 173*. 190*. 258, 271*. 370*.
v. Richthofen 278% 311, 318, 352,
384, 400, 408, 413, 415, 427, 428,
434. 437, 445, 446, 457, 46~2T 463%
| 467, 476, 486, 509, 511, 520, 541%
582, 383.
Ricinus 398
j Ried 547.
Ried (Tirol), Muren 331.
j Riedgräser 546, 547.
Riesenhirseh 639.
Riesentöpfe 160, in Steilküsten 419.
Rif 474.
Rigi, Temperatur 80, 83, 85, Wasser-
rinuen 387.
Ringgolds Isles 367.
j Rio de Janeiro, Hafen 585.
Rio Grande del Norte, Canon 388.
Rio Negro, Gezeiten 234, Waldland 609.
Rionthal 508,
Ritter, A. 1_L
I liiukiu- Inseln 311, 553.
I Rocea Montina 313, 504.
Rocky Mountains s. Felsengebirge.
Rodinanu 199, 207*.
Roggen 634.
Roliboden 343.
! Rohlfs 79, 411L
Rohrbach 427, 428, 429, 586, 388*.
Rokitnosümpfe 524.
| Rolland 413, 415% 433, 462*.
Rom, Feuchtigkeit und Regen 124,
Schnee 142.
Romieux 298*.
Romsdalsijord, Strandlinien 284.
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696
Register.
Rosenlauigletscher 160.
Rosiwal 322.
Ross 23, 71, 172, 192.
Roßberg, Bergsturz 351.
Roßbreiten 123.
Rostformige Gliederung 510, 511.
Rotangpalmen 597, 608.
Rotatorische Erdbebenbewegung 324.
Roter Schlick 201, 205.
Roter Schnee «07.
Roter See 543.
Roter Thon 201, 204.
Rotes Meer 192, Areal u. Tiefe 193,
Bodenrclief 199, Salzgehalt 216,
Farbe 219, Geologie 314.
Roth, J. 343, 344, 353*.
Roth, Santiago 448, 463*.
Rotholzbaum 612.
Rothpletz 276, 278*, 466, 479*.
Rotliegendes 20.
Rückeugebirge 436, 492.
Rückstau 379.
Rudistenkalk 363.
Rudolfsee 315, 542.
Rudolph 202, 207*, 226. 271*, 316,
335.
Rügen 416, 443.
R ü h 1 m a n u 440.
Rumänien, Wald 631.
Rumpfgebirge 485, 487, 495.
Rumpfschollengebirge 488, 495, Vor-
kommen 4Mf-, Orograpliie 491 f.,
Inseln 553.
Rundhöckerlandschaften 539.
Rung 110*.
Runkelrübe 637.
Russell, J. C. 151, 165^ 173*, 190*,
414, 415*, 460, 461, 463*.
Russell, Scott 197, 221.
Rußland , Temperaturveränderlichkeit
84, 86, Temperaturabweichung 87,
Regen 126, 137, Gewitter 140, Tem-
peraturschwankungen 179, Eiszeit
183, Niveauveränderungen 289. 292,
Erdbeben 334, moderne Thalbildung
386, Deltas 406, Bodenarten 429,
Bau u. Geschichte 442, 448, Haupt-
wasserscheide 523, Flüsse 529, Küsten
576, Wald 631.
Ruteuformige Teilung d. Gebirge 475.
Rütimeyer 387, 401 *, 582, 588 *.
Saalachthai 515, Seebildung 533.
Sabaleae 596.
Sabal pal me 596,
Sabine-Insel, tägliche Wärmeschwan-
kung 81.
Sabioneello 553.
Sacco 296, 298*.
Sachalinische Strömung 247.
Sachs 614.
Sächsische Schweiz, Gipfelformell 347,
Thalbildung 389, 452, Tafelberge 454,
Flexur 457.
Sagopalme 597.
Sahama, Schneegrenze 143.
Sahara 31, 522, Temperatur 70, 79,
Luftdruck u. Winde 105, 108, 109,
Regen 124, 127, 136, Gewitter 140,
Klima 174, früheres Klima 184, 433,
Quellen 366. Ablagerungen 410,
Dünen 41 1 , 412 f., Bodenarten 427.
431 , 432, Oberflächenformen 432,
Bau 442. Gebirge 495, Depressionen
537, Vegetation 616, 617, Fauna 642,
649. 664.
Sajangebirge , Waldgrenze 604, Ge-
treidegrenze 635.
Säkulare Klimaperioden 181, 185.
„ Niveauveränderungen 272.
Säkularer Wald Wechsel 630.
Säkulare Verwitterung 352.
Salamanca, Regen 125.
Sala y Gomez 552.
Salerno, Golf v., 577.
Salomoninseln 558, 568.
Salsen 320.
Salzachthal 509, 515.
Salzgehalt des Meerwassers 212, des
Flußwassers 213.
Salzkammergut-Seen 541 .
Salzpflanzen 589.
Salzseen 542 f.
Salzsteppe 413, Vegetation 616.
Sambesi 407.
Sambesi-Kalahari-Becken 32,
Samländische Küste 416.
Samum 116.
Sandbänke 200, 403, in Flüssen 379.
Sandberg in Fessan 412.
Sandboden 345.
Sandinseln in Flüssen 379.
Sandkegel auf Gletschern 163.
Sandler 284, 297*, 581.
Sandsteppen 616.
Sandwüsten 410, 428, 430.
Sangay 301.
Sansibar, tägl. Wärmeschwankung 81 .
Santa Cruz-Schichten, Fauna 65.3,
Santiago (Chile), Temperatur HO.
Santorin 305, 813, 560.
Saöne 525.
Saönethal 508.
Sapper 506*.
Saraswati 530.
Sara urcu, Gletscher 166.
Sargans, Wasserscheide 518.
Sargassomeer 244, Farbe 218.
Sargent 621*.
Sary-Kamysch-See 528.
Saskatchewan 523.
Sasaafraslorber 599.
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Register.
697
Sattel der Falten 463.
Sattelpaß 520.
Sättigungsdefizit 1 1S.
Sauerquellen 310.
Sauerstofl'gehalt der Luft 4L
Saumriffe 563.
Saure Eruptivgesteine 299.
Savane 612.
Savanenwälder 613.
Sawatch 498.
Saya de Malha-Bank 567.
Schacht 548*.
Schafberg. Wärmeabnahme 5E,
Schanghai, Wintertemperatur 104.
Schansi, Karbonplatcau 487.
Schantung, Gcbirgsbau 474
Schären 58‘2.
Schartenpaß 820.
Scharung im Flusse 379, der Gebirge
476.
Schat el Arab 530, Delta 406,
Schaukelbewegung des Bodens '294.
Scheiugräser 547.
Scheitelwert TL
Scheich 889.
Sehemnitz, trachytisches Gebirge 313.
Scheuck 21, 23*, 483*.
Schichtquellen 388.
Schichtungstafeln 443, 449.
Schiefe Falten 484.
Schimpanse 656.
Schi welj utsch 316.
Schlackenkegel 309.
Schlackenwälle 309.
Schladebaeher Bohrloch 7, 8.
Schlaggendorfer Spitze, Einsturz 351.
V. Schlagintweit, H. 367, 606.
Schlammsprudel 320, 365.
Sehlammströme bei Vulkanen 303, bei
Mooren 848.
Schlammvulkane 320.
Schlangen 645.
Schlee 130, 133*.
Schleppung (geologisch) 274.
Schleswig, Dünen 412,
Schlick 201 .
Schmalhausen 297*.
Schmetterlinge 644.
Schmick 226.
Schmidt, Adolf 8, 13*.
Schmidt, A. 337.
Schmidt, J. 339.
Schmutzbänder der Gletscher 163.
Schnabeltiere 651, 664.
Schnee 15, Verbreitung 142.
Sehneeberg (österr. Alpen) 483.
Schneeberge (Südafrika) 457.
Schneehase 646.
Schneelinie (Schneegrenzei 144, Me-
thoden 145, Verteilung 147, 484, in
d. Eiszeit 184.
Schneemaus 648.
Schollen (geologisch) 273, 458.
Schollenbcrge 462.
Schollengebirge 496, Thalbildung 507.
Schollenländer 275.
Schollenlava 303.
Schopfhuhn 654, 6M.
Schorfflechteu 344.
Schott 214, 216, 219*, 220, 221, 222,
223, 241, 242, 247* 252.
Schott- el-Dscherid 188, 537.
„ Gharsa 532.
Schottland, Temperaturabnahme 56,
Regen 125, Gewitter 140, Eiszeit 183,
Niveauveränderung 288, Hochland
491, 493, Seen 541, 580, Thalbuchten
581, Waldgrenze 604, Getreidegrenze
635, 636
Schott Melnr 537.
Schräder 479*.
Schratten 362.
Schuhmacher 337.
Schunk 164, 165*.
Schuppenstruktur 465.
Schuster 155.
Schüttboden 345.
Schütterlinien 332, 333
Schutthalden 350.
Schuttkegel 350, 360, in Binnenseen
403.
Schutzfarben der Tiere 642.
Schwäbische Alb (Jura), vertik. Wärme-
abnahme 56, Maare 299, Erdbeben
387, Bau 454, Glazialpflanze 629.
Schwarze 173*.
Schwarzerde 414.
Schwarzes Gebirge 318.
Schwarzes Meer 195, Tiefe 200, Niveau-
Bchwankungen 210, Salzgehalt 216,
Name 219, Strömungen 241 , Tiefen-
temperatur 261, Niveauveränderung
291.
Schwarzwald 474, 490, Glazialflora
629, Getreidegrenze 635.
Schwarzwasser 640.
Schweden, Regen 125, Niveauverände-
rungen 285 ff., 295, Moränenland-
schaft 430, Seen 535, 539, Fjärde
582, Wald 63L
Schwein 660.
Schweinfurth 610-
Schweiz, vertikale Wärmeabnahme 56,
Temperaturabweichung 87, Föhntage
115, Hagel 141, Gletscherareal 166,
angebliche Bodenverschiebungen 297,
Erdbeben 324, 331 , 339, Abhängig-
keit der Pflanze vom Boden 590,
Pflanzenregionen 604, säkularer
Waldwechsel 630, Waldfläche 63L
Schwemmland-Dolinen 360, 362.
Sciroeco 115, 116.
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698
Register.
Selater 662.
Seottgebirge, Caüon 388.
Scrope 292, 302, 322*.
Scylla und Charybdis 241 .
Sedimentgesteine 12.
Seeaugen 365.
v. Seebach 337, 338.
Seebär 221.
Seebeben 335, 336.
Seefelder Paß 513.
Seeland 157, 605.
Seelöß 414.
Seeklima 63, 68, 72, 78, 82, 83,
Seen 531 ff’., 3öjähr. Wasserstands-
perioden 178, Tiefentemperatur 257,
Uferzerstörung 417, Anschwemmung
429.
Seengebiete 538.
Seentheorie der Durchgangsthäler 512.
Seewind 111, 1 19.
Seiche 227.
Seifnitzer Wasserscheide 517.
Seiban 530.
Seine 526.
Seinebecken, Regen 125.
Seismographen 324.
Seismometer 324.
Seismoskope 324.
Seitenmoräne 161 .
Sekiya 322 *, 325.
Sekundäre Minima 98.
Sekundäres Zeitalter (Formations-
gruppei 12.
Sekundäre Wellen 235.
Sekundäre Windströmungeu 25 1
Sekundenpendel 3.
Selkirk-Gebirge, Gletscher 1 69.
Sem ler 632*.
Semper 568, 640, 650 *.
Senft 353*. 546.
Senkungen 289, bei Erdbeben 327.
Senkungsbeeken 274. 534, 535.
Senkungsthäler 399, 400.
Senon 211
Sequoia 593, 599, 612.
Serena, Regen 1 29,
Serie in der Geologie 12.
Serir 409, 617-
Sermerßuak 170.
Serpeutinen 376-
Serra da Estrella. Wärmeabuahme 56,
Regen 1 25,
Serre 474.
Serval 658.
Seter 282, 284.
Shaw 12.
Sheavwits- Plateau 439.
Sibirien, Temperaturabweichung 87,
Anticyklone 104, Regen 137, Ge-
witter 140, Niveauveränderuug 289.
Bodenarten 429. Tiefland 448, Flüsse
529, Küste 576, Waldgrenze 601,
säkularer Waldwechsel 631, Ge-
treidegrenze 634, Obst 637.
Sicilien, Wüstenwinde 116, Regen 138,
Flora 624, Verbindung mitAfrika 055.
Siebenbürgen 450, 453.
Siebenschläfer 649, 661.
Siedepunkt 440.
Sieger 287, 297*.
v. Siemens U, 13*. 92, 101 *.
Sierra de Gredos, Gletscher 166
„ de los Filabres 480.
„ Nevada (Californien), Gletscher
168, Vulkane 311, Bau 4SI .
„ Nevada (Spanien) 30, Gletscher
166, Erdbeben 334, Gipfelformen
348, Bau 480, Seenzone 540.
„ Nevada de St. Marta, Wald-
grenze 604.
Silleiner Erdbeben 337.
Sillthal, mittl. Böschung 195.
Sils, Temperatur 59.
Silur-Formation 19, 22.
Silvretta, Schneegrenze 149.
Simeto, Thalbildung 387.
Simferopol, Föhn 1 iS.
Simony 352, 541 .
Simplon, Glockenblume 593.
Simultanbebeu 335.
Singvögel 661.
Sinisches Gebirgssystem, Richtung 476.
Sjögren 322 *.
Sjonghellcr Grotte 419.
Siwalikschichten 472, 478.
Skagerak, Tiefe 193, Salzgehalt 21 1;
Skandinavien 550, Gebirge 32, 491, 492,
520, Winde 103, Cyklone 109. Be-
wölkung 121, Gletscher 169, Eiszeit
183, Niveau Veränderungen 282 ff- 293,
296, Seen 536, Küste .375.
Skaptar Jökull 303.
Skerryvore, Brandung 417.
Sklavensee 483.
Skuphos 340*.
Sluiter 574*.
Smith 322»
Smithsund, Eismächtigkeit 270
Smyrna, Hafen von, 333.
Snake-River, I.avafeld am, 311, 448.
Soffioni 367.
Sognefjord 578, 580, Strandlinien 284.
Sohncke 62*.
Sokolöw 415».
Solare Wirkungen lä,
Solfatara 309, 313.
Solfatareuthätigkeit 309.
Solferiuo, Moränen 430.
Sologne 326.
Solowezky - Inseln, Strand Veränderun-
gen 288.
Solta 333.
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Register.
699
Sombrero, Oszillationen 283.
Somma 301, 302.
Sommergewitter 140.
Sommergrüue Laubbäume, Gürtel der,
600, 6JLL
Sommerregen 134.
Söndfjord, Strandlinien 2*4.
Söndmüre, Strandlinien 2*4.
v. Sonklar 143. 441, 332.
Sonnblick, Wärmeabnahme 33, 57,
Temperatur 57, Niederschläge 143,
Höhe 483.
Sonne 381*.
Sonne 43, Hypothese Biermanns 134,
Hypothese Dubois 185.
Sonnenferne 45.
Sonneufleekeu 43, Beziehungen zu den
Polarlichtern 5t, zum Klima 176.
Sonnennähe 45.
Sonnenwelle 231, 232.
Sorata, Waldgrenze 004.
Sorghum 034.
South Cape 25.
Soyka 355, 370*.
Spanien, Kegen 125, Flüsse 372, Wald
031.
Spaltenbilduug im Gletscher 160, bei
Erdbeben 327, 332.
Spalteutheorie d. L)urckgaugstlxäler512.
Spaltquellen 303
Spartium 591.
Spechte 632, 637.
SpezifischesGewiehtd. Meerwassers 213.
Sphagnum 346.
Sphäroid 3.
Spinnen 643.
Spitaler TI; 72, 77*.
Spitzbergen 358, Pendellänge 3, Glet-
scher 159, 169, 171, Eisberge 172,
Tertiärflora 185, Niveauverände-
rung 288.
Spitzmaus 654, 660, 661.
Spratt 292.
Spreethal 530.
Springmaus 660, 661.
Springtiden 231.
Sprung 4T, 130, 133*.
Sprunghöhe d. Verwerfungen 273.
Sprungschicht 258.
Squillace-Golf 550.
Stabiles Gleichgewicht der Atmosphäre
120.
Stachelschwein 638.
Staffelbruch 273.
Stalagmiten 357.
Stalaktiten 357.
Stanleyhafen, Regendichtigkeit 133.
Stanowoigebirge, Waldgrenze 604.
Stara Apneuca 361.
Staten Island, Gezeiten 234.
Staubablagerungen 413.
| Steamboot Geysir 370.
j Steenstrup 156, 290.
Stefano vifi 374.
Stehende Falten 463.
Stehende Wellen 226.
Steiermark, Hagel 141
Steilküste 416, 41 7.
Steinbock 648, 659.
Steingebirge 4 60.
Steinkohlenformation 211.
Steinschutt 343.
Stelzen 662.
Stcnshufud, Strandlinie 283.
Steppen 614, Ablagerungen 433.
Steppenflora 623, 628.
Steppentiere 641.
v. Sterneck 14*.
Stevenson'sehes Gesetz üIL
Stickstoflfgehalt der Luft 4L
I Stiller Ozean s. Pazifischer Ozean.
Stockholm, Niveauveränderung 287.
Storaxbaum 624.
Storjungfrun, Niveau Veränderung 2*7.
Stoßförmige Erdbeben 323.
Stoßlinien 332. 333.
Stoßwelle 226.
Strahlenförmige Gliederung 310.
Strahlenlicht 49.
Strand 196. 413.
Strandbrnndung 224 .
Strauddünen 410.
Strandliuieu 282, Verschiebungen 27b ff.
Strandsaum 423.
Strandseen 425, 333.
Strandterrasse 418.
Strandwall 423.
Stratovulkane ME! ft'.
Strauchratten 634.
Strauchvögel 632.
Strauß 664.
Strelbitzky 6.
Strokr 370.
Strom 371.
Stromboli 313, 50 1 .
Stromfläehe 210.
Stromkabelung 253.
Stromsehnelien 396.
Stromstrich 315
| Stromversetzung 241.
j Stromwechsel 237.
j Struktur der Gletscher 158.
Strumathal 311.
| Stubbenkammer 418.
; Stübel 166, 305, 322*.
Stuben, Regen 1 23.
Studer, Th. 419, 426*.
Stufe (geologisch) 19.
Stuhlmann 311.
Stürme SS,
Sturmfluten 224.
Sturt 116.
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700
Register.
Sturzseen 222.
Stuttgart , Temperaturveränderlichkeit
85.
Subantarktische Depressionszone 1LL
Subarktische Depressionszone Bl.
Subarktische Wurzelschicht 182.
Subatlantischer Torf 182.
Subboreale Wurzelschicht 182.
Subglazialer Torf 182.
Submarine Deltas 40.').
„ Strömungen 288.
„ vulkanische Ausbrüche 316.
Subpolarc Depressionszonen 91j im
Winter 102, im Sommer 107, 108.
Subtropische Hochdruckzonen 91j im
Winter 102, 106, im Sommer 106, 107.
Subtropischer Regen 133, 136.
Subtropischer Wald 611.
Subtropischer Wärmegürtel 76.
Subtropische Trockengebiete 128, 136.
Südafrika, Geologie 21, Regen 129,
Winde 107, Ta fe 1 borg c 153, K auii a 6 5 7 ■
Südamerika, höchste Breite 25. Grenzen
28, Areal 30, Oberflächengestaltung
32, Höhe 36, 39, Temperatur 68, 70,
71, Regen 127, 128, 131, Hagel 140, 1
Schneegrenze 145, Gletscher 166,
Klimaprovinzen 175, Vulkane 312,
Erdbeben 327, 335. 339, Dünen 412,
Bodenarten 428, 429, 430, Tiefebenen
448, abflußlose Gebiete 522, 523,
Abdachungen 523, Flüsse 527. Halb-
inseln 549, Küstenabstand und -ent-
wicklung 587 , Palmen 595, 596,
immergrüne Laubbäume 602 , Flora
619, 621, 626, Vegetationsformationen
620, Entwicklungsgeschichte 653,
Fauna 653 f., 663.
Sudan, Hagel 141.
Südchilenische Klimaprovinz 1 75.
Südchinesisches Gebirge 484.
Südchinesisches Meer, Strömungen 246,
247
Süddeutschland , Temperaturabwei-
chuug 87, 35jähr. Klimaschwankung
180.
Sudeten, Krummholzregion 606, Glazial-
pflanzen 629. Getreidegrenze 635.
Südeuropa, Regen 136, s. weiter Mittel-
meerländer.
Südfrüchte, Zone der, 637.
Südgeorgien, Schneegrenze 148, Pflan-
zen 602.
Südkontinente 27, Areal 30, Fauna 664.
Südliche Halbkugel, Wasser und Land
23, Temperatur 71, 72, Temperatur-
veränderlichkeit 84, Schneegrenze
142, Dauer des Winterhalbjahres 45,
Tageslänge 47, Luftdruck 94, Anti-
cyklonen u. T3y klonen 95, Luftdruck
u. Winde 106, Barometerschwankung
110, Bewölkung 121, Regen 123,
Gletscherareal 165, Flora 625, Fauna
663.
Südliches Eismeer 25, Areal 27, 193,
Eisberge 172, Tiefe 193, Bodenrelief
197, Bodenbedeckung 204, Strömun-
gen 252, Tiefentemperatur 267.
Südlicht 48, jährliche Periode 5L
Südostinseln 557.
Südpazifische Plateaus 197.
Südpol, unbekanntes Gebiet 23.
Südrussische Steppen 614. 615.
Südsee s. Pazifischer Ozean.
Südseeprovinz 34.
Südshetland- Inseln, Pflanzen 602.
Südtirol, Maulbeerbaum 188.
Südwest-Monsun 109.
Sues, Regen 127.
Sues, Golf v., 314.
Sues-Isthmus 28, Verwitterung 345.
Sueskanal 192.
Süß 7,
22,
23«,
33, 34.
, 206,
276,
278«,
280,
281.
, 284
. 287,
289,
292,
294.
295,
297«
, 311
. 313,
314,
315,
322«,
460,
474,
, 480, 486,
490,
491,
497,
506,
529,
555,
558, 575.
Sukkusorische Erdbebenbcweguug 323.
Suldenerfemer 165.
Suliman-Gebirge 469.
Sulusee, Tiefentemperatur 267.
Sumatra, Regen 135, Erdbeben 333,
Fauna 557, Waldgrenze 604, 605.
Sümpfe 547.
Sumpfinoos 546.
Sundasee, Bodenrelief 199.
Sungari 525.
Supan 39, 4<P, 7T, 8T, 110«. 141«,
340«, 401«.
Suphellagletscher 170.
Surreta 650.
Susquehauna, Durchgangsthal 512.
Süßwasserseen 542, Tyen 259.
Sutley 530.
Svartklubben, Niveauveränderung 2h7.
Swells 498.
Sydney, Flutkurve (Aug. 1868) 225,
Hafen 585.
Sykomoren 600.
Symmetrische Faltengebirge 470, 494.
Symons 207*.
Synklinale 464.
Synklinalkamm 464.
Synklinalthal 399, 464, 507, 506.
Synoptische Witterungskarten 88.
Syrien 31, Regen 127, 136. angebliche
Klimaänderung 187, Gräben 314, 344.
Seen 542, Küsten 579, Flora 624.
Syrische Wüste 617.
Syrten, Flutgröße 239.
System in der Geologie 19.
Szegedin, Untergang 374, Seen 543.
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Register.
701
Tabago 314.
Tabak 637.
Tafelbai, Gezeiten 234.
Tafelberge 437, 433.
Tafelbrüche 273.
Tafelgebirge 437.
Tafelland 438, 442 f.
Tafelscholle 460, 333.
Tafelschollenberge 482.
Tafelschollengebirge 462.
Tafelschollenland 461.
Tägliche Periode der Temperatur 78,
der Windstärke 89.
Tägliche Kegenmaxima 128.
„ Ungleichheit der Gezeiten 232.
„ Wftrmeschwankung 18.
Tagschmetterlinge 644.
Tahiti, Flnthöhe 238, Vulkan 304.
Taimyrland, Waldgrenze 601.
Tait 2118.
Takufjord, Gletscher 188.
Talca, Regen 129.
Taman, Schlammsprudel 321.
Tamarisken 610.
Tamiua8chlucht 309.
Tanfiljew 615, 621 *.
Tanganikasee 315, 334, 536, 542.
Tannen 612.
Tapir 634.
Taramelli 337, 340*.
Tarawera |04, 307, 308, 309, 370.
Tarimbecken 446. 450.
Tarnowitzer Platte 447.
Taschenratten 66 1 .
Tasmanien, Fauna 557, 558, Flora 628.
Tateyama-Glctseher 168.
Tau 119.
Tauben 652, 654.
Taube Tiden 231.
Taunusquarzit 494.
Taurisches Gebirge 414.
Taurus 30, Vulkane 313.
Tausendfüßer 645.
Taxenbacli 313.
Tehuantepec, Landenge 28.
Teifun 98, 99,
Teilminima 98.
Teisserenc de Bort 100, 101*. 121,
122».
Tekesthal 510.
Tektonische Becken 534, 535.
„ Landstufe 462,
„ Thäler 400.
„ Tlialstufen 395.
Teleki- Vulkan 311, 315.
Temperatur, vertikale Verteilung 52,
58. horizontale Verteilung 62, tägl.
Periode 78, jährliche Periode 81,
V eränderlichkeit 83, Abweichung 88.
35jähr. Periode 177, 178.
Temperatur des Erdinnere 8.
Temperaturzonen 74, 15.
Teneriffa, Antipassat 101 , Feuchtig-
keit 1 17.
Tengger 501.
Teplitzer Thermen 313, 368. •
Teraiwald 609.
Terekdelta 404.
Tertiäres Zeitalter 19, 22.
Tetarata 370.
Texas, MimosengebUsch 619.
Thalbuchten 578.
Thäler, Bildung 381 ff., Eiuteilung 398,
im Flachlande 449 ff., Alter 507.
Thalfälle 395.
Thalgletscher 151, 153, 155, 156.
Thalseen 539, 540.
Thalstufen 390, 392.
Thalterrasseu 390, in Norwegen 283.
Thalwasserscheiden 516.
Thalweg 375.
Thalwind 111.
Thätige Vulkane 310.
Thava 526.
Theben (Ägypten), Seen 343.
Thee 637.
Theiß 525.
Themse, Abtragung 381 . Münduugs-
form 406, Tlialbildung 436.
Theodolit 432.
Thennaltheorie 467.
Thermen 310, 327, 366, 367.
Thermische Anomalie 12.
Thermischer Äquator, im Jahresmittel
67. im Januar 68, im Juli 10,
Thessalisches Küstengebirge 482.
Thomas 307. 322*.
St. Thomas (Tliome)-Iusel, tägl. 'Wärme-
schwankung 81, Fauna 361.
Thomson, C. Wyville, 207*, 268.
Thomson, William, 2, 10, 11, 13*.
Thonboden 345.
Thonerde 344.
Thorodssen 171. 308, 322 *.
Thorshavn, Regen 133.
Thoulet 206*. 409.
Thuuer See 545»
Thüringer Wald, Klammen 387, Bau
488 f., 492.
Thurr 410.
Tianschan 30, 476, Gliederung 510,
Wald 812.
Tiber 515.
Tiberiassee 537.
Tibet 30, vertik. Wärmeabnahme 56,
tägl. Wärmeschwankung 79, lokale
Winde 111, Regen 126, Gletscher
153, höchste kalte Quelle 367, Bau
446. Waldgrenze 604, 805.
Tiden 222,
Tiefland 438.
Tiefenregion 35, 38.
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702
Register.
Tiefenstufen des Meeres 36.
Tiefmoore 547.
Tiefsee 196.
Tiefseethon 204.
Tjemorowälder 610.
Tiere, im Meere 201, 203, Verbreitungs-
mittel der Landtiere 554, 571 f., Be-
ziehnugen zur Pflanzenwelt 640, Ab-
hängigkeit von d. Temperatur 642,
Periodizität 648, Beziehungen der
Tiere zu einander 649.
Tietze 312, 859, 513.
Tiger 642, 644.
Tigris 405, 525, 580.
v. Tillo 24, 38, 39, 40*, 72, 77*, 427,
428, 429, 434*, 462*, 506, 522, 531*.
Timangebirge 484.
Timber line 606.
Timor 557, 622.
Tipaza, Küste 420.
Tirol, vertik. Temperaturabnahme 56,
Bergstürze 352, Seenabnahme 545,
vertik. Verbreitung der Tiere 647.
Tissandier 55.
Tittel 426*.
Tivoli, Travertiuablagerung 367.
Toblacber Wasserscheide 517.
Tobolsk, Seehöhe 448.
Tokelau-Inseln 567.
Tokio, Erdbeben 322, 325, 328, 335.
v. Toll 297*.
Tongking, Gezeiten 239.
Torcll, 644, 646, 650*, 662.
Torf 547.
Torfbeide 546.
Torfmoore mit Wurzelschichten 182 f.
Torghat 419.
Tornados 96.
Toskana, Inseln 480, Maremmen 536,
Küste 577.
Totes Meer, ehemalige Ausdehnung
184, Höhe 537, Dimensionen 538,
Entstehung 542, Salzgehalt 543.
Totes Thal 537.
Toula 822*, 479*.
Trabert 57, 62*.
Trachycarpus Martiana 603.
Trachyt 299, 319.
Tragosbach 515.
Transgression 22.
Transsilvanischc Alpen 474, 512.
Transversale Sehütterlinien 333.
Trapezunt, Föhn 115.
Tran 300.
Trautschold 279, 297*.
Travertin 367.
Treibeis 269, 270, mechanische Wir-
kungen 417.
Treibholz 241, 879.
Tremometer 323.
Tremors 323.
I Trent 526.
Trias-Formation 20.
Trichterförmige Buchten 407.
Trier, Feuchtigkeit 117.
Triest, Bora 113.
Triftströmungen 221, 250.
Trifttheorie 248, 251.
Trigonometrische Höhenmessung 439.
Trinidad, Pendellänge 3, Schlamm-
sprudel 320.
Trisetum subspicatum 630.
Tristan da Cunha 572, Flora 602, 626.
Trochoi'de 219.
Trompetenbaum 599.
Trondhjemfjord 578, 579.
Tropengürtel 47, Zusammensetzung der
Luft 42, Temperatur 65, 73, jiihrl.
Temperaturperiode 81, Gewitter 139,
Hagel 141 , Gletscher 166, Flüsse
372, 379, Dünen 412, Brandung 417,
Vegetation 595, 608, Flora 621,
Nutzpflanzen 633, 637, Fauna 642,
643, 644.
Tropenregen 133, 134.
Tropfstein 357.
Tropische Beleuchtungszone 47.
„ Cordilleren, Klima 175.
,, Florenzone 621, 625, 627.
Tropischer Typus d. Süßwasserseen 259.
| Tropischer Urwald 608.
Tropischer Wärmegürtel 76.
Tsadsee 536, 543.
j Tchagos 567.
Tscbarapundschi, Regen 123, 126, 133.
Tschernosjom 415.
Tschernyschew 297*.
Tschinschoscho, tägl. Wärmeschwan-
kung 81.
Tsehugoku, Bcrgland 480.
Tschuthal 510.
Tsetsefliege 649, 650.
Tsinlingschan 509.
Tuff 300.
i Tuffkegel 309.
! Tulpeubaum 599.
J Tundren 602.
Tunnels (Karstthäler) 359.
Turanisches Tiefland s. aral-kasp. T.
Turfan, Depression bei, 537.
Turmberg 447.
Turon 20.
Turuchansk, Temperatur 636.
Two Ocean Creek 524.
Two Ocean-Paß 524.
Tyndall 156, 159.
Uberfallsquellen 365.
Übergangsklima 82.
Übergußtafeln 448, 449.
Überschwemmungen 374.
Ufermoränc 161.
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Register.
703
Uferwälle 404, 406.
Ugogo 613.
Uinkaret-l’lateau 459.
Uintagebirge 496, 498.
Ule 218, 219*, 539, 548*.
Ultenthal 508.
Umfang der Erde 5, des Äquators 5.
Umgekehrte Wärmeschichtung 259.
Undulatorische Erdbeben 323.
Undurchlässiger Boden 354.
Unebenheiten 436.
Ungarn, Überschwemmung. 374, Ebenen
443, Natronseen 544, Wald 681.
Unger 187, 633, 639*.
Ungleichartige Flösse 521.
Ungleichförmige Faltengebirge 469,
494.
Uninodale Wellen 227.
Unperiodische tägliche Wärmeschwan-
kung 78.
Unperiodische Veränderungen 176.
Unst, Peudelläuge, 3.
Unteraargletscher. Abtragung 397.
Unterirdisches Wasser 353 ff.
Unteritalien, Stoßlinien 333.
Unterlauf der Flüsse 378.
Unterloitsch, Doline, 361.
Uuterschäffler Alpe, Temperatur 59.
Unterseeische Eruptionen 316.
Unterseeische Moore u. Wälder 279,
292, 293.
Unterseeische Thäler 294.
Untiefen 402, der Flüsse 379.
Uperuivik, Temperatur 57.
Ur 659.
Ural 31, Bau 471, 475, Beziehungen
zum Vorland 478, Höhe u. Alter 484,
Waldgrenze 604.
Urmiasee 543.
Urnersee 540.
Ursprüngliche Ebenen 443, 449.
„ Höhlen 364.
„ Inseln 552, 560ff.
„ Thäler 398, 400.
Urzeit der Erde 19.
Usboj 528.
Ussa 526.
Ustjansk, Temperatur 69.
Utklippan, Niveauveränderung 287.
Ütliberg,Temperaturveränderlichkeit85.
Vacciuium 603.
Val Bagne, See 532.
Valbuona 508.
Val Meledrio 508.
Valparaiso, Temperatur 60, Regen 129.
Val Renduna 608.
Vampyr 654.
Vancouver, Niveauveränderung 289.
Vardarthal 511.
V arenius 250.
Variscisches Gebirge 490.
Vegetation 589.
Vegetationsformationen 595 ff.
Vegetationszonen 595 ff.
Veleta 348.
Venediger, Schneegrenze 149.
Venezuela-Gebirge 32, Waldgrenze 604.
Venjukow 548*.
Veränderlicher Hase 648.
Veränderlichkeit der Temperatur 83.
Verbeek 322*.
Verdoletsch, ehemaliger See 360.
Verdunstung 116.
Vereinigte Staaten, Windgeschwindig-
keit 89, Niveauveränderungen 293,
säkulare Verwitterung 353, Karst-
phänomen 364, Miiudungsformen an
d. atlaut. Küste 406, Löß 414, 432;
Bodenarten 429, Küstenebene 448;
Flora 624, Baumwolle 637.
Verfärbung des Meeres 218.
Verhältnis von Wasser n. Land 23, 24.
Verlaten Eiland 309.
Vermoorungsprozcß 546.
Vemagtgletscher 154, 157.
Verschiebung 272.
Verschwindende Flüsse 358.
Vcrtikaldislokationen 273, 275.
Verwerfung 14, 273, 275.
V' erwerfungsquellcn 365.
Verwitterung 15, 340, 343 ff.
Verwitterungserde 343.
Verwitteruugsterrassen 349.
Verwitterungsthäler 400.
Vesuv 301, 313, 318, 502, 503, Erdbeben
334.
Vico. Kratersee 313.
Victoria (Australien) Niveauverände-
rung 291, Gebirge 492.
Victoria (Hongkong), Regen 133.
Victoriafälle 396.
Victorialand 602.
Victoria Njansa 536, 542.
Victoria regia 599.
Vierwaldstätter See, 541, 545.
Vihorlat-Gutin-Gebirge 313.
Villacher Alpe, Einsturz 351.
Vindhyaformation 21.
Vinga, Niveauveränderung 287.
Vintschgau, Stufenbau 395.
Virginieti, Florenveränderung 632.
Virungo 311, 315.
■ de Vis 651.
Vispthal, Erdpyramiden 351, moderne
Thalbildung 386.
Viti 440.
Viti-Levu 559.
Vivara 313.
Vögel 643, 645, 646, 652, 654, 657, 658,
661, 662, Verbreitungsmittel 571.
Vogelberge 646.
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704
Register
Vogesen, Gipfelformen 347, Bau 490,
Granit 506, Waldgrenze 604, Glazial-
pflanzen 629, Getreidegrenze 635.
Volger 331.
Vorderindien, Geologie 21, Regen-
änderung 190, Laterit352, Tiefebene
444, 447, Küste 575, 578, Dschungel-
gebüseh 620, Flora 622.
Vorgeschobene Deltas 404.
Vorland-Gletscher 151.
Vrana-Sce 359.
Vulcanello 317.
Vuleano 313.
Vulkan 299, Einteilung 309, geograph.
Verbreitung 310, 480.
Vulkanische Ablagerungen 428, 429.
„ Asche 299.
„ Ausbrüche 15, 300 ff.
„ Berge u. Gebirge 309, 500 ff.
„ Erdbeben 331, 336.
„ Explosionen 304.
„ Gase 300.
„ Gewitter 302.
„ Inseln 316, 560 ff., 569, 583.
„ Meeresablagerungen 202, 205.
Vulkanischer Sand 299.
Vulkanische Tafeln 309, 506.
Vulkanismus, Theorie 276, 317.
Vulkankegel 500, 506.
Vulkanreihen 307.
Vultur 313.
Wachspalme 596, 610.
Wacken 269.
Wadi el Arba 537.
Wadis 432, in der Sahara 433.
Wagner, H. 6’, 7*, 23, 24, 27, 40*.
Wahand 530.
Wähner 515, 516, 520*.
Wahnschaffe 434*, 447, 463*.
Wahre Oberfläche 6.
Wald 607, 630, Einflußauf d. Klima 189,
auf d. Wasserinenge d. Flüsse 371.
Waldgrenze auf d. nördl. Hemisphäre
601, auf der südlichen 602, im Ge-
birge 483, 484, 604.
Waldtiere 641.
Wales, Gebirge 490, 491.
Wallace 554, 556. 557, 559, 560*,
561, 642, 643. 644, 650, 652, 653,
661, 662, 664*.
Wallace-Linie 557, 622, 627, 652.
Wallbecken 532, 535
Wallensee 545.
Wallpaß 520.
Wallriffe 564.
Walther, Job., 278*, 341, 352. 409
410, 415*. 431.
Wangeroog 422.
Wansee 543.
Wärme s. Temperatur.
Wärmedurchlässigkeit der Luft 43.
Wärmegewitter 140.
Wärmemenge 45.
Wärmequellen d. Erde 42, d. oberen
Luftschichten 52.
Warme Quellen 367.
„ Scblammsprudel 320.
Wärmeumkehr 58.
Warme Zone 74, 75.
Wärmezonen Köppens 76.
Waschbär 661.
Wasser, Areal 23, Verteilung 24.
Wasserdampf 116, bei Vulkanen 300,
819.
Wasserfälle 395.
Wassergräser 547. *
Wasserhalbkugel 25.
Wasserhülle 7.
Wassermoos 546.
Wasserscheiden 385, im Gebirge 511,
Veränderungen 530.
Wasserteilung 524,
Watt 423, 424, 576.
Weald, Bau 499.
Wealden 20.
Weber, Gebr. 223.
Weberknecht 647.
Wechselboden 428, 429.
Wechscllauf 521.
Wechselpaß 519.
Wechselständige Thäler 385.
Weddell 23.
Weichsel, Eisbedeckung 374, Delta
406, Durchgangsthal 512, Verän-
derungen 530.
Weichtiere im Tiroler Hochgebirge 647.
Weiden 612.
Weihuachtsinsel 568.
Weingiirtel 637.
Weißach 518.
Weiße Berge s. White Mountains.
Weißensee (Elsaß), Temperatur 258.
Weißensec iKärnten), Temperatur 258.
Weißes Meer, Name 219.
Weißtaune 612.
Weizen 634.
Wellenberg 220.
Wellenbewegung des Meeres 15, 219 ff.
Wellenböschung 222.
Wellenförmige Erdbebenbewegung 323.
Wellengeschwindigkeit 220 ff.
Wellenhöhe 220 ft'.
Wellenlänge 219 ff.
Wellenperiode 219 fl’.
Welleuthal 220.
Wellentheorie Airys 235.
Wellingtonia 593.
Welsh 54, 55.
Werchojansk, Temperatur 55, 69, 71,
636, jälirl. Wärmesehwaukuug 82,
Schnee 137.
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Register.
705
Wcrnoje, Erdbeben 327, 337.
Werrathal 461.
Weser 525, Gezeitengrenze 238, Mün-
dung 405, 406.
Westalpen. Bau 471.
Westaustralische Flora 626.
Westaustralische Strömung 246.
Westdeutsches Erdbeben 337.
Westeras, Temperatur 58.
Westeuropa 31, Temperatur 73, Tem-
peraturabweichung 87, Klima 173.
Westfeste s. Amerika.
Westghats, Urwald 609.
Westindien, Regen 128, Klima 175,
Küste 575, Flora 631, 632, Fauna
655.
Westküsten, Temperatur 66, 68, 71,
thermische Anomalien 73, 74, jährl.
Wärmeschwankung 82, Temperatur-
veränderlichkeit 85, Temperatur-
abweichung 87, Winde 102, Regen-
wahrscheinlichkeit 132, jahreszeitl.
Regen Verteilung 134. 139.
Westliche Halbkugel, Wasser u. Land 24.
Westpreußen, säkul. Waldwechsel 631.
Westsibirien , Temperaturveränderlich-
keit 84. 85, 86, Luftdruck u. Winde
103, 108, Regen 126, Klima 174,
Erdbeben 334, Tiefebene 448, Seen
544.
Wetterau 399.
Wettersee 538.
AA'etterveräuderlichkeit 98.
Weule 588.
AVeyprecht 51, 269, 270, 271*.
AA'harton 574*.
AVhewell 233, 237.
AA’hite 499*.
AA'hite Mountains 487, AATaldgrenze 604,
Glazialpflanzen 630.
AA'hite River Plateau 497.
Whitney 615.
AA'hyniper 166, 601.
Wich mann, A. 559, 560*.
AA'ickenburg, tfigl. AVärmeschwankung
79.
Wiener 45. 52*.
AViener Becken 458.
„ Thermenlinie 313.
AA'ies, Erdbeben 328.
AA'iesbadeu, Therme 368.
AA'iesel 660.
AA’ild 61, 74, 118.
Wildbäche 381.
Wildschwein 659.
W i 1 1 i s 479*.
AA’illkomm 126.
AA’itnmera 530.
AA'inde 15, klimatische Bedeutung 119,
Erzeuger der Meeresströmungen 248,
Einfluß auf d. Zitterbewegungen 329,
SüPAS, Physische Erdkunde. 2. Aufl.
auf die Deltas 407, geologische
Arbeit 408 fl'., Einfluß auf die Flüsse
529.
Winderosion 408.
Windflächo 209.
AA'indgeschwindigkeit 89.
AVindgesetze 88.
AA'indstärke 89.
AA'indstau 224, 421.
AA'indströmungen, System 250.
AA'indverteilung im AArinter 102, im
Sommer 106.
Windwellen 219 ff.
Wiuuipegsee 485, 531, 545.
AA'interge witter 140.
AA'interregen 184.
AVirbelge witter 1 40.
Wirkliche Schneegrenze. 144.
Wisent 659.
AAGsotzki 525, 531*.
Wisperwind 112.
AA’itungletseher 168.
Wocikow 42*, 59, 69, 74, 80, 115,
128, 189, 261, 271*, 371, 606.
AA'olf 646. 659, 660.
Wolf, R. 43.
Wolf, Th. 303, 312, 339, 419.
St. AA’olfgangsee 545.
AA'olga 526, Eisbedeckung 374.
AA’olken 121.
AA’ollbaum 599.
AA'ollgräser 546, 547.
AA’olllmariges Rhinozeros 659.
AVologda, AVald 631.
Woodward 286, 297*.
AA'rangell 115.
AA'mngcllberg 311.
Wrnngelland 558.
AVurzelmaus 648.
AVüsten, Gewitter 140, Hagel 141, Exo-
gene Erscheinungen 408, 432 f., Dü-
nen 412, Pflanzen 616.
Wüstengürtel der alten AA’elt 31.
AA’üstentatel 31, 442, Regen 127.
Wüstenwinde 115.
AVyaudott-Hölde 364.
\ampa 512, 516.
Yamswurzel 637.
Yangasa Cluster 567.
A'atavpalme 610.
Yokohama, Erdbeben 325, 337.
Yoldia arctica, Schichten d., 289.
A'ork-AA’olds 456.
Yosemitefall 396.
A’ueca 598.
Zahnarme s. Edentaten.
Zaunone 480, 561.
Zebra 656.
Zechstein 20.
45
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706
Register.
Zeller See 515, Wasserscheide 518.
Zenker 62, 63, 17*.
Zentralafrikanischer Graben 315.
Zeutralamerika 28, wärmster Monat 81,
Regen 128, Maare 299, Vulkane 811,
312, Schlammsprudel 320, Erdbeben
335, Bodenarten 429, Urwald 608,
609, Fauna 653.
Zentralasien 30, 31, Tägl. Temperatur
Schwankung 79, Winde 105, 108,
109, 408, Regen 126, Gletscher 167,
Vulkane 310, Wüsten 410, 617, Bo-
denarten 429, 431, Felsbecken 534,
Seen 542, 544, Getreidebau 635,
636.
Zentrale Erdbeben 329, 330, 336.
Zentraleruptionen 307, 308, 309.
Zentrales Mittelmeer 206.
Zentrales Tafelland von England 456.
Zerschnittenes Flachland 453, 461.
Zeugen 454.
Zeyegletscher 169.
Zibethkatze 658.
Ziegen 656, 660.
Ziemer 133*.
Zingst 576.
Zirknitzer See 359, 360.
Zittel 366, 560, 662, 664*.
Zitterbewegungen 322.
Zonale Faltengebirge 471, 494.
Zöppritz 11, 13*, 248, 249, 255*, 529.
Zsigmondy 462*.
Zuckerapfel 637.
Zuckerkiefer 612.
Zuckerrohr 637.
Zuidersee 421.
Zürich, Temperaturveränderlichkeit 85,
Temperatur 114.
Züricher See 545, Tiefeutemperatur
259, Erdbeben 327.
Zusammengesetzte Faltengebirge 469.
494.
Zuurberge 484.
Zwarteberge 484.
Zweiflügler 646.
Zwergpalmen 596 f., 624.
Berichtigungen und Zusätze.
S. 3 Z. 14 v. o. Zu Darwin ist der Litteraturvermerk 1 hinzuzufügen.
S. 3. Z. 17 v. o. Nach „Gestalt der Erde“ ist der Litteraturvermerk5 hinzu-
zufiigen.
S. 21 Z. 8 v. u. Statt vorindisch lies vorderindisch.
S. 23 Z. 19 v. o. Statt Pehry lies Paury.
S. 35, 193, 196. Die hier genannte größte ozeanische Tiefe von 8515 in (bei
Japan! bat erst durch eine Messung des englischen Kriegsschiffes „Penguin“
im Sommer 1895 ihren Rang eingebüßt. Unter 20° 40' S. 175° 10' VV.
(also ebenfalls im Pazifischen Ozean, vergl. S. 196) wurde bei einer Tiefe
von 8960 m der Boden noch nicht erreicht. Man kann also rund
9000 m als größte bekannte Meerestiefe betrachten. (Nature v.
3. Okt. 1895 S. 550. Auf der Karte I konnte diese Tiefe noch einge-
tragen werden.)
S. 84 Z. 9 v. u. Statt Europisches lies Europäisches.
S. 122 Z. 19 v. u. Statt Mayer lies Meyer.
S. 123 Z. 12 v o. Die nachfolgenden Niedcrsclilagswerte beziehen sich nicht
auf je 1 qkm, sondern auf eine Fläche von je 10 qm. Sie lassen sich un-
mittelbar in Regenhöhen verwandeln, z. B. 21,2 cbm = 212 cm.
Statt Üöstlich lies östlich.
Zu Schott ist der Litteraturvermerk 1 hinzuzufügen.
Zu Paris ist der Litteraturvermerk * hiuzuzufügeu.
Statt umgehrte lies umgekehrte.
Statt Gorre lies Goree.
Nach Flutbraudung ist der Punkt zu streichen,
u. 15 v. o. Statt Kameni lies Kaymeni.
Statt Middlemis lies Middlemiss.
Statt wases lies was es.
Nach Südamerika ist Komma zu setzen.
Statt unmittebar lies unmittelbar.
Statt Böschung lies Böschungen.
Statt bestätigte lies bestätigt.
Statt Bauatagebirge lies Banatergebirge.
Statt hönnen lies können.
s.
183
z.
19 V. u.
s.
221
z.
20 V. 0.
s.
222
z.
20 v. o.
s.
231
z.
9 V. 0.
s.
234
z.
7 v. u.
s.
238
z.
16 v. u.
s.
305
z.
8, 9, 11
s.
337
z.
7 v. u.
s.
397
z.
8 v. u.
s.
429
z.
17 v. u.
s.
445
z.
5 v. u.
s.
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z.
7 v. o.
s.
498
z.
21 v. u.
s.
512
z.
6 v. o.
s.
542
z.
4 v. o.
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