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Full text of "Grundzuge der physischen Erkunde"

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GRÜNDZÜGE 


DER 

PHYSISCHEN  ERDKUNDE 

VON 

PROF.  DR.  ALEXANDER  SUPAN, 

HERAUSGEBER  VON  PETERMANNS  GEOGRAPHISCHEN  MITTEILUNGEN. 

ZWEITE,  UMGEARBEITETE  UND  VERBESSERTE  AUFLAGE. 

MIT  203  ABBILDUNGEN  IM  TEXT 
UND  ZWANZIG  KARTEN  IN  FARBENDRUCK. 


LEIPZIG, 

VERLAG  VON  VEIT  & COMP. 

1896. 

& 

-°*ü 


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Druck  von  Metzger  A Wittig  iu  Leipzig. 


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Vorwort. 


^ u der  zweiten  Auflage  meiner  Physischen  Erdkunde  habe  ich 
^ nur  wenige  erläuternde  Worte  hinzuzufügen.  Der  ursprüng- 
liche Plan  ist  im  wesentlichen  beibehalten  worden.  In  Bezug  auf  die 
Aufgaben  der  physischen  Geographie  haben  sich  meine  Ansichten 
nicht  geändert,  und  wer  darüber  noch  nicht  orientiert  ist,  und  sich 
dafür  interessiert,  den  muß  ich  bitten,  das  betreffende  Kapitel  in 
der  ersten  Auflage  (S.  10)  nachzulesen. 

Im  einzelnen  hat  das  Buch  eine  völlige  Umarbeitung  erfahren. 
Dazu  nötigten  nicht  bloß  die  großen  Fortschritte  der  Wissenschaft 
im  Laufe  des  verflossenen  Jahrzehnts,  sondern  auch  der  Umstand, 
daß  ich  mich  nun  an  einem  Orte  und  in  einer  Stellung  befinde, 
»o  mir  viel  reichlicheres  Material  zuströmt,  als  es  früher  der 
Fall  war. 

Eine  hoffentlich  willkommene  Neuerung  sind  die  Litteratur- 
nachweise.  Es  lag  mir  dabei  die  Absicht  fern,  eine  große  Gelehr- 
samkeit zu  entfalten,  und  ich  wollte  damit  nur  dem  Studieren- 
den, der  sich  über  diesen  oder  jenen  Gegenstand  eingehender 
unterrichten  will,  Fingerzeige  geben.  Wer  die  genannten  Werke 


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IV 


Vorwort. 


zu  Rate  zieht,  wird  darin  weitere  literarische  Hinweise  finden. 
Nur  in  jenen  Fällen,  wo  die  Quellen  schwerer  zugänglich  sind,  sind 
auch  einzelne  Angaben  mit  Citaten  belegt  worden. 

Grollen  Dank  schulde  ich  meinem  Verleger,  Herrn  H.  Credneb, 
der  der  Erweiterung  des  Werkes  und  der  Vermehrung  der  Ab- 
bildungen, die  ich  für  eine  durchaus  notwendige  Beigabe  zu  jeder 
physischen  Geographie  halte,  nicht  den  geringsten  Widerstand  ent- 
gegengesetzt hat;  sowie  auch  Herrn  Dr.  C.  E.  M.  Rohkbach  für 
seine  opferwillige  und  erfolgreiche  Unterstützung  bei  der  Korrektur. 

Gotha,  im  Oktober  1895. 

A.  Supan. 


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Inhalt. 


Einleitung. 

Die  Gestalt  und  Größe  der  Erde.  S.l.  Entwicklung  der  Erde.  S.  2.  — Gestalt  der  Erde. 
S.3.  — Dimensionen  der  Erde.  S.  5.  — Flächenberechnung.  S.5.  — Litteratur- 
nachweise.  S.  6. 

Die  Teile  des  Erdkörpers.'  S.  7.  Der  Erdkern.  S.  7.  — Die  Erdkruste.  S.  12.  — 
Litteratumachweise.  S.  13. 

Die  vier  Energiequellen.  S.  14.  Die  Wirkungen  der  unterirdischen  Kräfte.  S.  14.  — Die 
solaren  Wirkungen.  S.  15.  — Die  Anziehung  von  Sonne  und  Mond.  S.  17.  — 
Die  Kotation  der  Erde.  S.  17.  — Litteraturaach weise.  S.  18. 

Geschichte  der  Erde.  S.  19.  Litteratumachweise.  S.  22. 

Die  GrundzUge  der  Gestaltung  der  Erdoberfläche.  S.23.  Verhältnis  von  Wasser  und  Land. 
S.  23.  — Einteilung  des  Ozeans.  S.  2G.  — Einteilung  des  Festlandes.  S,  27. — 
Oberflächengestaltung  des  Festlandes.  S.  80.  — Vertikaler  Aufbau  der  Erd- 
kruste. S.34.  — Mittlere  Höhen  uudTiefeu.  S.36.  — Litteratumachweise.  S.40. 


Erster  Abschnitt.  Die  Lufthülle. 

Die  HBhe  und  Zusammensetzung  der  Luft.  S.41.  Höhe  der  Luft  S.41.  — Zusammen- 
setzung der  Luft.  S.  41.  — Litteratumachweise.  S.  42. 

Die  Erleuchtung  und  Erwärmung  der  Erdoberfläche.  S.42.  Wärmequellen.  S.42.  — Jahres- 
zeiten. S.  43.  — Wärmemenge.  S.  45.  — Die  Beleuchtungszonen.  S.  4ß.  — 
Das  Polarlicht.  S.  48.  — Litteratumachweise.  S.  52. 

Die  Abnahme  der  Temperaturmit  der  Höhe.  S.  52.  Wärmequellen  der  oberen  Luftschichten. 
S.  52.  — Freie  Atmosphäre.  S.  53.  — Gebirge.  S.  55.  — Wärmeumkehr  im 
Gebirge.  S.  58.  — Plateaus.  S.  59.  — Reduktion  der  Temperatur  auf  das 
Meeresniveau.  S.  61.  — Litteratumachweise.  S.  62. 

DiehorizontaleVerteilungderTemperatur.  S.62.  NormaleTemperaturverteilung.  S.63.  — 
Abweichungen.  S.  65.  — Wärmeverteilung  in  den  extremen  Monaten.  S.67. — 
Durchschnittstemperatur  der  Parallelkreise,  Meridiane,  Erdteile  und  Meere; 
Isanomalen.  S.  71.  — Temperaturzonen.  S.  74.  — Litteratumachweise.  S.  77. 

Die  Schwankungen  und  die  mittlere  Veränderlichkeit  und  Abweichung  der  Temperatur.  S.78. 
Die  tägliche  Wärmeschwankung.  S.  78.  — Die  jährliche  Wärmeschwankung. 
S.  81.  — Temperaturveränderlichkeit.  S.  88.  — Mittlere  Abweichung.  S.  86.  — 
Litteratumachweise.  S.  87. 

Windsysteme  und  Windgebiete.  S.88.  Windgesetze.  S.88.  — AllgemeineLuftziikulation. 
S.  90.  — Anticyklonen.  S.  94.  — Cyklonen.  S.  94.  — Passate.  S.  99.  — 
Litteratumachweise.  8. 101. 


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VI 


Inhalt. 


Luftdruck- und  Windverteilung  in  den  extremen  Jahreszeiten.  S.  101.  Die  Isobarenkarten. 
S.  101.  — Nördlicher  Winter.  8.102.  — Nördlicher  Sommer.  S.  10G.  — Mittlere 
monatliche  Barometerschwankungen.  8.109.  — Litteratumachweise.  S.  110. 

Lokale  Winde.  8.  110.  Lokale  Windsysteme.  8. 1 1 1.  — KiiiHnB  lokaler  Verhältnisse  auf 
die  Winde.  S.  112.  — Litteratumachweise.  S.  litt. 

Oer  Wasserdampf  in  der  Atmosphäre  und  die  Ursachen  seiner  Kondensation.  S.  llti,  Ver- 
schiedene  Ausdrücke  ttir  die  Üeuchtigkcit  der  Luft.  8.116.  — Die  Winde  als 
Verbreiter  des  Wasserdampfes.  8.  119.  — Kondensation  de»  Wasserdampfes. 
8.  119.  — Litteratumachweise.  8.  1227 

Die  Verteilung  der  jährlichen  Niederschlagsmengen.  8. 122.  Gesetze  der  Verbreitung  der 
Niederschläge.  8.  122.  — NorUkontinontc  und  Sahara.  S.  125.  — Siid- 
kontinentc.  8.  129.  — Mittlere  Kegcmvahrschcinlichkeit.  iS.  129.  — Littcratur- 
naeh weise.  S.  139. 

Die  jahreszeitliche  Verteilung  der  Wiederschläge.  S.  I.'iii.  Periodische  Kegen.  8.134.  — 
(xleiehmäiiigc  Niederschläge.  8.  1H7. — Kegengebiete.  8.  138.  — Gewitter. 
8.  139.  — Hagel.  S,  HO.  — Litteratumachweise.  8.  141. 

Verbreitung  des  Schnees.  S,  142.  Verbreitung.  8. 142.  — Die  Schneegrenze.  S.  148, — 
Verteilung  der  Schneegrenze.  8.  147.  -•  Littcraturnachweisc.  8,  149. 

Gletscher.  8. 149.  Begriff  und  Einteilung  der  Gletscher,  S.  150.  — Die  Gletscher- 
zunge. 8.  152.  — Gletscherkorn.  8.  154,  — Gletschcrbcwegung.  8.  154,  — 
Ghitaehcrtheorie.  8.  157.  Struktur.  8.  156.  — Moränen.'  8.  101.  — Ab- 
schmclzung.  8.  1K2.  — Litteratumachweise.  8.  165. 

Oie  geographische  Verteilung  der  Gletscher.  8. 105,  Die  Tropen.  8, 1 65.  — Gemäßigte  Zonen. 
8.166.  — Volare  Zonen.  8. 160.  — Kis  berge.  8,171.  — - Littcraturnachweisc.  S.  179. 

Das  Klima.  8.  173.  Kliinaprovinzen.  8.  173.  — Die  85  jährigen  Schwankungen. 
8.175.  — Säkulare  Perioden.  8.  181.  Geologische  Perioden.  8,162.  — Über- 
sicht der  Schwankungen.  8.  185,  — Kliniaäiiderungeii.  8.  187.  — Kin- 
flub  des  Waldes.  8.  1811.  - Litteratumachweise.  8.  190. 


Zweiter  Abschnitt.  Das  Meer. 

Morphologie  des  Meeres.  8.191  Gliederung  des  Weltmeeres.  8. 191. — Unterseeische 
Böschungen.  8.  194.  — Kclief  des  Meeresbodens.  8.  196.  — Bedeckung  des 
Meeresbodens,  S.  200.  — Permanenz  der  ozeanischen  Becken.  8.  205,  — 
Littoratnrnaohwcise.  8.  206. 

Das  Meerwasser.  S. 207.  Das  Meeresuiveau.  8.207.  — Salzgehalt  und  spezifisches  Ge- 
wicht,  8.212.  — Karbe.  8.217.  — Litteratumachweise.  8.219. 

Die  Wellenbewegung.  8,219.  Windwellen.  8.219.  —Brandung.  8.223.  — Stoß-  und  Ex- 
plosionswellen.  8. 225.  — Stehende  VV eilen.  8. 226,  — Litteratumachweise.  8. 228. 

flie  Gezeiten.  8.  229.  Thooretischo.Gczoiton,  8.229.  — Wirkliche.  Gezeiten.  S.  299.  — 
Die  atlantischen  Gezeiten.  8.2:19.  — GezeitenBtröino.  8.  297.  — Flntliöhe.  8. 23S. 
Litteratumachweise.  8.  240. 

Die  Meeresströmungen.  8.240.  Nordatlantischcr  Ozean.  8.242.  — Die  übrigen  Ozeane. 
8. 246.  — Theorie  der  ozeanischen  Strömungen.  8.247.  — Anwendung  der  Tritt- 
theorie auf  die  beobachteten  Strömungen.  8.251, — Litteratumachweise.  8,255. 

Die  Wärmeverteilung  imWasspr.  8.255.DieOberfläclienteniperatur  desMeeres.  8.255,  — 
Tiefentcmperatnr  in  Süllwasserseen.  8.  257.  — Tiefentemperatureil  im  Salz- 
wasaer.  8.259.  — Atlantischer  Ozean.  8.262.  — Nördliches  Eismeer.  8.264.  — 
Übrige  Ozeane.  8.  266.  — Das  Meereis.  8.  268.  — Litteratumachweise.  8.  271. 


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Inhalt. 


VII 


Dritter  Abschnitt.  Die  Dynamik  des  Landes. 

Die  Haupttormen  der  Dislokationen.  S.  272.  Theorien.  S.  275.  — Litteraturnach  weise.  S.  278, 

Moderne  Niveauveränderungen.  S.  278.  Litorale  Ni  veauver&iKlo.rungen.S.  278.  — Theorie. 
S.  280.  — Skandinavien.  S.  282.  — Höhere  arktische  Breiten.  S.  288.  — 
Mittlere  und  niedere  Breiten.  S.  290.  — Schlußfolgerungen.  S.  294.  — 
Binnenländische  Niveauveränderungen.  S.  236.  — Litteraturnachweisc.  S.  297'. 

Die  vulkanischen  Ausbrüche.  S.  298.  Eruptivprodnkto.  S.299.  — Die  vulkanischen  Aus- 
hrüehe.  S.  3UQ.  - Überblick  der  Vulkanfonnen.  S-  3Q3-  — Kritischen  der 
Vulkane.  S.  309.  — Geographische  Verbreitung  der  Vulkane.  S.  310.  — 
Theorie  des  Vulkanismus,  ■>.  317.  — Schlannnsprudel.  S.  820.  — Littcratnr 
naehweise.  S.  822. 

Erdbeben.  8. 322.  Instrumente.  S.  324.  — Dauer.  S.  325,  — Intensität  und  Wirkungen. 
S.  326.  — Areal.  S.  328.  — Ursachen.  S.  331,  — Einteilung  der -Beben. 
S.  336.  — 'rieft;  des  Herdes.  S.  337  — Erdbebenstatistik,  iS.  338.  -T 

Litteiatnriiaohweiso-  S.  340. 

Übersicht  der  exogenen  Wirkungen.  S,  340. 

Die  Verwitterung.  S.  343.  Der  Venvitterungsprozeti.  S.  343. — Bodenarten.  S.  346.  — 
Gebiete  vorherrschender  Denudation.  S.  346.  — Gebiete  säkularer  Ver- 
witterung. S.  352.  — Litteraturnachweiae.  S.  353, 

Das  unterirdische  Wasser.  S.354.  Verhalten  des  Rodens.  S.354.  — Das  Karstphänomcn. 
S.  356.  Quellbildung.  S 364.  — Einteilung  der  Quellen.  8.  366.  — 
Geysir,  iS.  368.  — Litteratnrnacli  weise.  S.  370. 

Das  fließende  Wasser.  S.  370.  Wasserinengo.  S.37U.—  Bewegung  des  Wassers.  S.374.  — 
Die  Arbeit  der  Flüsse.  S.  376.  — Flutiablagerungen.  S.  378.  — Litteratur- 
nachweise.  S.381. 

Thalbildung  durch  Erosion.  S.  881.  Gesetze  der  Erosion.  S.  381.  — Zeitliche  und  rämn- 
liehe  Varationen  des  Erosionstypus.  S.  383.  — Moderne  Thalbildungen. 
S.  38H.  — Klammen  und  Canons.  iS.  887.  — Terrassen  bildung.  IS.  390.  — 
Tektonische  und  Abdämmnngsstufeu.  S.  394. — Wasserfälle.  S.  396.  - 
Gletschererosion.  S.  397.  — Genetische  Einteilung  der  Thiiler.  s.  398.  — 
Litterntnrnach weise.  S.  401. 

Deltabildungen.  S.401.  Miindungsformen  der  Flüsse.  S.401. — Hau,  Gestalt  und  Ober- 
fläehenform  der  Deltas"  S.  403.  — Wachstum  der  Deltas.  iS.  404. 
Geographische  Verbreitung  der  Deltas.  S.  405,  — Litteratnrnaebweisc.  S.  408. 

Die  Arbeit  des  Windes.  S.  408.  Winderosion.  S.  408. — Äolische  Sandablagerungen.  S.  410. 
— Dünen.  S.411.  — Staubablagerungen.  S.41.3,  — Litteraturaachweise.  8.  415. 

Die  Arbeit  des  Meeres.  S.  415.  Begriff  der  Küste.  8.415.  — Charakter  der  Küste.  S.  416. 
— Die  Brandung.  S.  417.  — Steilküsten.  S.  417.  — Zerstörung  der  Flach- 
küsten. S.  421.  — Erosion  durch  Gezeitenströmungen.  S.  423.  — Anschwem- 
mung. .S,  423.  — Litteraturnachweiae.  S.  426. 

Die  geographische  Verbreitung  der  exogenen  Wirkungen.  S.  427,  liodenarteu.  S.  427.  — 
Faziesgebiete.  8.  431.  — Litteraturnachweiae.  S.  434. 


Vierter  Abschnitt.  Morphologie  des  Landes. 

Übersicht.  S.  435.  Qrographisches  System.  S.  436.  — Hypsometrische  Systeme. 
S.  487.  — Hypsometrie.  8.  438.  — - Uroinetrie.  S.  440,  - - Genetisches  System. 
S.  441.  — Litteratumachweise.  441. 

Die  Oberflächentormen  der  Flachschichtung.  S.442,  Das  Tafelland.  8.442.  — Ansgefullto 
Landsenken.  S. 443.  — Peripherische  Flachböden iugenrHiclienAlters.S.440.- 


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VIII 


Inhalt. 


Ergebnis.  8.  449.  — Umformung  durch  Denudation.  8.  449.  — Umformung 
durch  Bruch.  8. 457.  — Übersicht  der  Um  wandlungsformen  derFlaehschiehtung. 
8.  461.  — Literaturnachweise.  462. 

Faltengebirge.  8.463.  Terminologie.  8.463. — Theorie.  8.466.  — Querprofil  einfacher 
Faltengebirge.  S,  4ti7.  — Querprotil  zusammengesetzter  Gebirge.  8.469. — 
Längserstreckung.  S.  473.  — Beziehungen  der  Faltengebirge  zu  einander. 
Abgrenzung  und  Einteilung  derselben.  8.  4 Io.  — Beziehungen  der  Ketten- 
gebirge zum  ungefalteten  Vorlande.  S.  477.  — Littoratnmach  weise.  8.  479. 

Umformung  der  Faltengebirge.  S. 479,  Umformung  durch  Brach.  S, 479.  — Umformung 
durch  Destruktion.  S.  483.  — Umgestaltung  durch  Destruktion  und  Bruch. 
S.  487.  — Vorkommen  der  Kumpfschollengehirge.  8.  490.  — Urographie  der 
Kuinpfscholleiigebirge.  8.  491.  — Genetische  Einteilung  des  Ealtenlandes. 
iS.  494.  --  Ditteraturnachweise.  S.  495l 

Flexurgebirge.  S.  496,  Geschlossene  Flexurgebirge.  S.  490.  — 'ITieorie.  8.  497.  — 
Aufgelöste  Flexurgebirge.  8.  498,  --Litteraturnachweise.  S,  499. 

Vulkanische  Berge,  S.  500,  Stratovulkane.  8.500.  — Umwandlung  durchDenudation. 
iS.  503, — Homogene  Vulkane.  S,  504.  — Einteilung  der  yiilkaniachen  lloden- 
formeu.  8.  506.  — Li  tteratnmach  weise.  ,S.  506. 

Gliederung  der  Gebirge.  S.507.  Alter  derThäler.  S,  507.  — Längs-  und  Qucrthäler.  S, .507. 
— Waaseraeheide.  8.511.  — 1 lurchgaiigsthfiler.  S.  511.  — Thalwasscrschoiden. 
S.  51B.  — Aufschliettung  der  Gebirge.  8.  519. — Litteraturnachweise.  iS.  520i 

Die  Flüsse.  8. 520.  Einteilung.  8.520.— Verteilnngder  Flüsse.  8. 621. — Flußvermischuiig 
und  Wasaerteilung.  iS.  523,  — Hau  der  Fluüsysteme.  iS.  525.  — Grobe  der  Flüsse. 
8.  526.  — Veränderungen  der  FliÜic.  S.  527.  — Litteraturnachweise.  S.  531. 

Die  Seen.  8.531,  Beckenformen.  8. 581.— Dimensionen  der  Seebecken.  Depressionen. 
8. 536.  — Seengebiete.  8.538,  — Süß-  und  Salzwaaserseen.  8.  542.  — Erlöschen 
der  Seen.  8.  544.  — Sumpf  und  Moor.  8.  546.  — Litteraturnachweise.  8.  548. 

Die  horizonlaleGliederung  des  Festlandes.  8. 548,  DieHalbinseln.  8.548, — Inseln.S.551.— 
GoiictiselieEinteilung.S.552.  — Kontinentalinseln,  geologischer  Beweis.  8.552. 
— Biologischer  Beweis.  8.554.— Kestinseln,  8,559.  — Littcrnturnacliwei.se.  8.560. 

Ursprüngliche  Inseln.  S. 560.  Hebungainseln.  8, 5 HO.  — Vulkaninseln. 8. 560,  — Korallen- 
inseln.  8.  561,  — Theorie  der  KoraUeninaeln,  8,  565,  — Elora  und  Fauna. 
8.  571.  — Litteratnrnachweise.  8.574. 

Küslenlormen.  8.574.  Haupttypen.  8.574, , — Detailformen.  8,576.  — Thalbuchten. 
8.573.—  Natürliche  Seehäfen  und  MooresstraKse.ii.  8,  583,  — Kiistoncntwick- 
lung  und  mittlerer  Küstenabstand.  8.  585.  — Litteraturnachweise.  8.  53». 


Fünfter  Abschnitt. 

Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

Allgemeine  Bemerkungen  Uber  die  Verbreitung  der  Pflanzen.  S.  589,  Abhängigkeit  vom 
Boden.  8,  589.  — Abhängigkeit  vom  Klima.  8.  590.  — Bilanzen  Wanderungen 
und  PManzenverbreitung.  8.  592.  — Litteraturnachweise,  8,  595, 

Die  Hauptzonen  und  Hauptregionen  der  Vegetation.  8,  595.  Tropische  Pflanzenzone. 
8.  596, — Gemäßigte  Zone.  8,599.  — Polare  Waldgrenzen.  8.  601.  — Polare 
1‘Haiizenzone.  8.  602.  — FHanzcnregionen.  8.  603.  • 

Die  wichtigsten  Vegetationsformationen  innerhalb  der  Waldgrenzen.  8.  607,  Tropenwald. 
8.  608.—  Der  Wald  mittlerer  und  höherer  Breiten.  8.  610.  — Savane.  8.  612. 
— Grassteppen.  S.  614,  — Wüstensteppen  und  Wüsten.  S.  616.  — Buschland. 
8. 618.  Ausdehnung  der  Formationen.  8.620.  — l.ittcratumachweise.  8.621. 


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Inhalt. 


IX 


Die  Entwicklungsgeschichte  der  Florenreiche.  S.  621.  Die  tropische  Florenzone.  S.  621.  — 
Boreale  Zone.  S.  622.  Australe  Zone.  S.  625.  — * Floristische  Einteilung 
des  Landes.  S.  627.  — Hochgebirgsflora.  S.  628.  — Moderne  Veränderungen0 
S.  630.  — Litteratumachweise.  S.  632. 

Die  Nutzpflanzen.  S.  632.  Cerealien.  S.  633.  — Andere  Kulturpflanzen.  S.  636.  — 
Literaturnachweise.  S.  639. 

OieLebensbedingungen  derTierwelt.S.639.  Beziehungen  zwischen  derTier-nnd  Pflanzen- 
welt. S.  640.  Färbung.  S.  641.  — Abhängigkeit  derTiere  vonderTemperatur. 
S.  642.  — Tropische  Tierwelt.  S.  644.  — Arktische  Tierwelt  S.  645.  — 
Vertikale  Verteilung.  S.  646.  — Periodizität  im  Tierleben.  S.  648.  — Be- 
ziehungen der  Tiere  zu  einander.  S.  649.  — Literaturnachweise.  S.  650. 

Die  Entwicklung  der  Faunenreiche.  S.  650.  Die  australische  Gruppe.  S.  651.  — Süd- 
amerika. S.  653.  — Afrika.  S.  655.  — Indisches  ßeich.  S.  657.  — Die  mitt- 
leren und  höheren  Breiten  der  Nordhalbkugel.  S.  658.  — Faunengruppen 
und  -reiche.  S.  662.  — Litteratumachweise.  S.  664. 

Begister.  S.  665. 

Berichtigungen  und  Zusätze.  S.  706. 


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Verzeichnis  der  Kartenheilagen. 


Tafel  1. 
..  2. 
„ 3. 

,,  4. 

„ 5. 

„ 6. 
7. 

„ 8. 
„ 9. 

„ 10. 
„ 11. 
„ 12. 
„ 13. 
,,  14. 
„ 15. 
„ 16. 
„ 17. 
„ 18. 

19. 
„ 20. 


Landhöhen  und  Meerestiefen. 

Die  morphologischen  Hauptgebiete  der  Erde. 
Jahres-Isothennen. 

Januar-Isothermen. 

Juli-Isothermen. 

Thermische  Anomalie  im  Januar  und  Juli. 
Die  Tempera  tu  rzonen  der  Erde. 

Linien  gleicher,  jährlicher  Wärmeschwankung. 
Isobaren  und  Winde  im  Winter. 

Isobaren  und  Winde  im  Sommer. 

Jährliche  Niederschlagsmengen. 

Jahreszeitliche  Verteilung  der  Niederschläge. 
Verbreitung  der  Gletscher  und  des  Treibeises. 
Die  Klima-Provinzen. 

Meeresströmungen. 

Küstenverän  derungen. 

Korallenbauten,  Vulkane,  Erdbeben. 

V egetationskarte. 

Die  Florenreiche. 

Faunengrappen  und  -Reiche. 


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Einleitung. 


Die  Gestalt  und  Größe  der  Erde. 

Die  einfache  Naturanschauung  betrachtet  die  Erde  als  ruhen- 
den Körper,  den  die  Sonne  in  kreisförmiger  Bahn  umwandelt. 
Der  alexandrinische  Gelehrte  Ptolejiäüs  gab  dieser  Anschauung 
zuerst  einen  wissenschaftlichen  Ausdruck  und  schuf  damit  ein  Welt- 
system, das  bis  zum  Anfänge  der  Neuzeit  seine  Geltung  bewahrte.  Er 
machte  die  Erde  zum  Zentrum  des  Weltalls,  und  die  von  der 
Theologie  beherrschte  Wissenschaft  des  Mittelalters  fand  in  diesem 
Systeme  eine  Bestätigung  ihres  Grundsatzes,  daß  der  Mensch  der 
Mittelpunkt  und  Zweck  der  Schöpfung  sei.  Erst  Copebnicus  ver- 
bannte die  Erde  aus  ihrer  usurpierten  Stellung  und  wies  ihr  einen 
bescheideneren  Platz  im  Sonnensysteme  an.  Die  Erde  ist  ein  Planet, 
der  sich  in  24  Stunden  einmal  um  seine  Achse  und,  vom  Monde 
begleitet,  in  einem  Jahre  einmal  um  die  Sonne  bewegt,  von  der  er 
Licht  und  Wärme  empfängt. 

Die  Fortschritte  in  der  Erforschung  des  Erdkörpers,  seines 
organischen  Lebens  und  seiner  Entwicklung  hatten  eine  gänzliche 
Umwandlung  der  Weltanschauung  im  Gefolge.  Wir  sehen  in  der 
Natur  nicht  mehr  eine  Aufeinanderfolge  wunderbarer  Schöpfungs- 
thaten,  die  jede  Form  fertig  und  unabänderlich  aus  dem  Nichts 
oder  aus  dem  Chaos  hervorriefen,  sondern  einen  nach  ewigen  Ge- 
setzen wirkenden  Mechanismus,  in  dem  die  Formen  in  beständiger 
Umwandlung  begriffen  sind.  Man  mag  darüber  streiten,  ob  diese 
Anschauung  der  großen  Fülle  der  Erscheinungen  gerecht  wird  und 
ob  wir  von  ihr  die  Lösung  aller  Welträtsel  erwarten  dürfen;  aber 
keinem  Zweifel  unterliegt  es,  daß  sie  unendlich  befruchtend  auf  die 
Wissenschaft  gewirkt  hat.  'Wenn  wir  annehmen,  daß  jede  Form  durch 
einen  unerforschlichen  und  uns  daher  willkürlich  erscheinenden 
Schöpfungsakt  entstanden  ist,  dann  bleibt  uns  am  Ende  nichts 
übrig,  als  diese  Formen  zu  beschreiben  und  zu  klassifizieren; 

8 UP  AN , Physische  Erdkunde.  2.  Aufl.  1 


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2 


Einleitung. 


nehmen  wir  aber  an,  daß  alles  auf  natürlichem  Wege  sich  ent- 
wickelt hat,  so  können  wir  diesem  Prozesse  nachspüren.  Die  Natur- 
wissenschaft schreitet  von  der  Systematik  zur  Genetik 
fort,  und  damit  erwachsen  auch  der  Geographie  ganz  andere  Auf- 
gaben, als  sie  früher  zu  lösen  hatte. 

Entwicklung  der  Erde.  Kant  und  Laplace  verknüpften  auch 
die  einzelnen  Teile  unseres  Sonnensystems  genetisch  miteinander. 
Alle  Körper  desselben  bildeten  nach  dieser  Hypothese  einst  einen 
großen  kugelförmigen  Nebelfleck,  der  sich  infolge  der  Abkühlung 
im  kalten  Weltenraume  zusammenzog.  Dadurch  erhöhte  sich  die 
Rotationsgeschwindigkeit,  die  Abplattung  an  den  Polen  und  die  Aus- 
bauschung  am  Äquator  wurden  immer  größer,  und  so  lösten  sich  mit 
der  Zeit  am  Äquator  Teile  los,  die  einen  Ring  bildeten.  Dieser 
zerriß  infolge  ungleicher  Beschaffenheit  und  Erkaltung  und  ver- 
aidaßte  so  die  Entstehung  planetarischer  Nebelballen.  Derselbe 
Prozeß  wiederholte  sich  auch  hier:  erst  Ringbildung,  wie  sie  noch 
am  Saturn  beobachtet  werden  kann,  dann  Zerreißung  derselben 
und  Bildung  der  Monde.  So  erscheinen  nach  dieser  geistvollen 
Hypothese  alle  Glieder  des  Sonnensystems  als  eine  große  Familie, 
deren  Mutter  die  Sonne  ist,  wie  sie  auch  noch  jetzt  alles  Leben 
auf  der  Erde  ernährt  und  erhält. 

Noch  einen  Schritt  weiter  nach  rückwärts  führen  uns  die  eng- 
lischen Physiker  Thomson  und  Croll,  die  uns  begreiflich  machen 
wollen,  wie  der  Urnebel  entstand,  d.  h.  wie  die  Materie  in  diesen 
glühenden,  gasigen  Zustand  geriet.  Als  ursprünglich  nehmen  beide 
dunkle  Massen  an;  nach  Thomson  sind  diese  ruhend  und  stürzen 
durch  eigene  Anziehung  auf  einander;  nach  Groll1  besitzen  sie  von 
allem  Anfang  an  eine  ihnen  eigentümliche  Geschwindigkeit,  und 
indem  sie  den  Raum  durchfliegen,  stoßen  zwei  oder  mehrere  solcher 
Massen  auf  einander  und  die  Bewegung  setzt  sich  in  Wärme  um. 

Durch  fortgesetzte  Abkühlung  und  Zusammenziehung  wurde 
die  Erde  aus  einem  glühenden  Nebelballen  ein  glühendflüssiger 
Körper,  der  sich  endlich  mit  einer  Erstarrungskruste  umhüllte.  Die 
Wasserdämpfe  wurden  kondensiert  und  sammelten  sich  in  den  Ver- 
tiefungen der  Erdkruste  als  Meer  an,  über  das  die  Erhöhungen  als 
Kontinente  emporragen.  Der  Gegensatz  von  Land  und  Wasser  ist 
seit  dieser  Zeit  ein  bleibender  Charakterzug  unseres  Planeten,  wenn 
auch  die  geographische  Verteilung  dieser  beiden  Grundformen  dem 
Wechsel  unterworfen  ist. 

Nun  fühlen  wir  sicheren  Boden  unter  den  Füssen,  denn  die 
Zeugnisse  der  Erdgeschichte  sind  uns  in  den  auf  einander  folgenden 
Gesteinsschichten,  in  den  vielfachen  Störungen  derselben  und  in 


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Die  Gestalt  und  Größe  der  Erde. 


3 


den  begrabenen  Lebewesen  noch  erhalten.  Aber  auch  hier  hat 
sich  eine  richtige  Deutung  erst  allmählich  herausgearbeitet.  Zwar 
konnten  es  sich  auch  die  älteren  Geologen  nicht  verhehlen,  daß  der 
Erdkörper  und  sein  organisches  Leben  verschiedene  Stadien  durch- 
gemacht hat,  aber  sie  meinten  noch,  daß  die  einzelnen  Perioden  der 
Erdgeschichte  durch  allgemeine  Katastrophen,  die  das  Bestehende 
vernichteten,  und  ebensoviele  Neuschöpfungen  von  einander  getrennt 
seien.  Erst  Hoff2  und  Lyell3  lehrten,  daß  die  Veränderungen  der 
Erdoberfläche  sich  nicht  sprungweise,  sondern  allmählich  vollzogen 
haben,  in  derselben  Weise,  wie  wir  sie  auch  in  der  geschichtlichen 
Gegenwart  beobachten,  und  durch  dieselben  Kräfte,  die  noch  jetzt 
thätig  sind;  wenn  auch  zugegeben  werden  mag,  daß  die  Kraft- 
äußerungen in  früheren  Epochen  eine  größere  Intensität  besaßen. 
Lamabk  und  Darwin  wendeten  diese  Theorie  auch  auf  die  organische 
Welt  an,  die  von  niederen  zu  höheren  Formen  fortschreitend,  end- 
lich im  Menschen  gipfelt. 

Gestalt  der  Erde.  Als  ein  sicheres  Zeugnis  für  die  einstige 
flüssige  Beschaffenheit  des  Erdkörpers  wird  dessen  Gestalt  an- 
gesehen, aber  mit  Unrecht,  denn  jeder  rotierende  kugelförmige 
Körper,  der  nicht  absolut  starr  ist,  muß  au  den  Enden  der  Rotations- 
axe,  d.  h.  an  den  Polen  sich  abplatten  und  am  Äquator  sich  aus- 
bauschen: mit  anderen  Worten:  die  Kugel  muß  ein  Sphäroid 
werden.  Die  sphäroidale  Gestalt  der  Erde  ist  direkt  durch  Pendel- 
beobachtungen und  Gradmessungen  erweisbar,  indirekt  auch  auf 
astronomischem  Wege. 

Die  Pendelbeobachtungen  ergaben  als  Resultat,  daß  die 
Länge  des  Sekundenpendels  (d.  h.  eines  Pendels,  das  in  einer  Sekunde 
eine  Schwingung  ausführt)  vom  Äquator  nach  den  Polen  zunimmt. x 
Diese  Thatsache  kanu  ihre  Erklärung  nur  darin  finden,  daß  die  Schwer- 
kraft an  den  Polen  am  größten,  am  Äquator  am  kleinsten  ist.  Der 
Grund  ist  ein  doppelter.  Einerseits  erreicht  die  Fliehkraft,  die  der 
Schwerkraft  direkt  entgegenwirkt,  am  Äquator  ihren  größten  Wert, 
während  sie  an  den  Polen  gleich  Null  ist;  anderseits  ist  mau  wegen  der 


x Zur  Illustration  dieses  Gesetzes  greifen  wir  aus  Helmerts  Tabelle  einige 
Stationen  in  Abständen  von  ea.  10°  B.  heraus: 


Länge  des 
Sekunden- 
pendels 
N.  B.  in  mm. 


Gaussah  Lout  . . . 0°  2'  991,oss 

Trinidad 10° 39'  991, oai 

Mauwi 20°  52'  991, in 

Ismailia 80°  56'  992, ju 

Hoboken  — New  York  40°  45'  993, ist 


Länge  des 
Sekunden- 

N.  B. 

pendels 
in  mm. 

Bonn  .... 

. . 50°  44' 

994,072 

Unst  .... 

. . 60"  45' 

994,050 

Hämmertest  . . 

. . 70°  40' 

995,557 

Spitzbergen  . . 

. . 79°  50' 

996,  «KT 

1* 


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Einleitung. 


Abplattung  dem  Erdmittelpunkte,  dem  Sitze  der  Schwerkraft,  an  den 
Polen  am  nächsten,  und  ist  am  Äquator  am  weitesten  davon  entfernt 

Einen  noch  augenfälligeren  Beweis  für  die  Abplattung  der  Erde 
liefern  die  Gradmessungen.  In  Fig.  1 ist  rechts  ein  halber  kreis- 
förmiger, links  ein  halber  elliptischer  Meridian  dargestellt;  P be- 
ziehungsweise P‘  ist  der  Pol,  und  die  Horizontallinie  der  Durchschnitt 
der  Äquatorialebene.  Wählen  wir  auf  dem  Kreisquadranten  zwei  Paare 
von  Punkten,  von  denen  a und  b nahe  dem  Äquator,  c und  d nahe  dem 

Pole  sich  befinden. 
Die  Vertikalen  (oder 
Normalen),  die  wir 
in  diesen  Punkten 
errichten,  sind  Halb- 
, messerund  schneiden 
sich  daher  in  o;  der 
■ Winkel  aob  ist  =cod 
10°,  ebenso  ist 
der  Bogen  ab  = cd, 
oder  mit  anderen 
Worten:  auf  einer 
Kugel  entspre- 
chen gleichen 
W’inkelabständen  der  Normalen  gleiche  Meridianbogen. 

Anders  auf  dem  Sphäroid.  Die  Normalen  schneiden  sich  nicht 
mehr  im  Zentrum,  die  Winkelabstände  von  a'  und  b',  d und  d'  sind 
zwar  gleich  (=  10“),  wovon  wir  uns  sofort  überzeugen  können, 
wenn  wir  mit  dem  Radius  ao  von  6 und  o"  aus  Kreise  beschreiben 
(die  Bogen  a"b"  = c"  <f  = cd  = ab)]  aber  die  ihnen  entsprechenden 
Meridianbogen  sind  ungleich  (a'b'  < cd'),  weil  die  Krümmung  der 
Ellipse  gegen  den  Pol  hin  sich  verflacht.  Auf  dem  Sphäroid 
nimmt  also  die  Länge  eines  Meridiangrades  vom  Äquator 
gegen  die  Pole  zu. 

Indem  die  große  französische  Gradmessung  in  der  Mitte  des 
vorigen  Jahrhunderts  für  die  Länge  eines  Meridiangrades  in  Lapp- 
land 111949,  in  Frankreich  111212,  in  Peru  110608  m fand,  er- 
brachte sie  den  unumstößlichen  Beweis  für  die  sphäroidale  Gestalt 
der  Erde.  Als  aber  die  folgenden,  in  verschiedenen  Gegenden  aus- 
geführten Gradmessungen  und  Pendelbeobachtungen  verschiedene 
Werte  für  die  Abplattung  ergaben,  gelangte  man  zur  Erkenntnis, 
daß  die  Gestalt  der  Erde  der  Regelmäßigkeit  entbehrt  Und  dies 
gilt  nicht  bloß  von  der  Landoberfläche  mit  ihren  Erhebungen  und 
Vertiefungen,  nicht  blos  von  der  wirklichen  Meeresoberfläche,  die 


Fig.  1.  Abplattung  der  Erde. 


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Die  Gestalt  und  Größe  der  Erde. 


5 


wechselnden  Umgestaltungen  unterliegt;  auch  das  sogenannte  Geoid, 
d.  h.  die  idelle,  unbewegte,  nur  unter  dem  Einflüsse  der  Schwerkraft 
stehende  MeeresHiiche,  die  man  sich  durch  ein  System  von  Kanälen 
von  der  Küste  in  das  Innere  der  Kontinente  geführt  denkt,  ent- 
spricht  nicht  einem  regelmäßigen  Sphäroid,  sondern  zeigt  Abnahmen 
und  Zunahmen  mit  konkaver  Krümmung  nach  dem  Erdinnem  zu. 
Es  ist  die  Aufgabe  der  großen  europäischen  Gradmessung,  diese 
Abweichungen  in  Bezug  auf  Europa  festzustellen  und  zugleich  ihre 
Ursachen  zu  erforschen. 

Dimensionen  der  Erde.  Die  nächste  praktische  Folge  dieser 
Unregelmäßigkeit  ist  die,  daß  man,  um  die  Dimensionen  der 
Erdoberfläche  zu  berechnen,  ein  ideelles  Sphäroid  zu  Grunde  legen 
muß,  das  sich  den  Ergebnissen  der  Grad-  und  Pendelmessungen 
möglichst  anschmiegt.  Unter  diesen  Berechnungen  hat  die  von 
Bessel,  obgleich  sie  sich  nur  auf  zehn  zuverlässige  Gradmessungen 
stützt,  weitaus  die  größte  Verbreitung  gefunden  und  kann  auch 
heute  noch  als  ausreichend  für  geographische  Zwecke  erachtet 
werden.  Die  Hauptwerte  sind  folgende8: 

Äquatorialkalbmesser  (a)  = 6377,«  km. 

Polarhalbmesser  (b)  — 6356, i km. 

...  a — b 1 

Abplattung  = ~ = 299' 

Umfang  des  Äquators  = 40  070  km. 

Umfang  im  Meridian  = 40  003  km. 

Oberfläche  der  Erde  = 509  950  714  qkm. 

Körperinhalt  der  Erde  = 1083  Milliarden  ebkm. 

Neben  den  BEssELschen  Werten  haben  sich  in  neuester  Zeit 
auch  die  von  Clabke  und  Faye  vielfach  eingebürgt.  Die  Abplattung 
wird  hier  beträchtlich  größer  angenommen,  so  von  Clabke  1806 
zu  '/,95,  1880  zu  */t9S,  von  Faye  sogar  zu  Helmebt5  hält 

dagegen  1/396  für  die  oberste  Grenze  und  gelangt  auf  einem  wesent- 
lich anderen  Wege,  wie  Bessel,  zu  dem  gleichen  Resultate  (1/208). 
Dagegen  steht  es  ziemlich  fest,  daß  die  BEssELschen  Werte  für  a 
und  b zu  klein  sind;  als  wahrscheinlichste  Länge  des  Äquatorial- 
halbmessers gilt  jetzt  6378,2  km,  und  damit  ändert  sich  natürlich 
auch  die  Oberfläche  des  Erdpshäroids,  doch  nicht  so  beträchtlich,  daß 
wir  die  runde  Zahl  von  510  Millionen  qkm  nicht  beibehalten  könnten. 

Flächenberechnung.  Die  Fläche  eines  Landes  kanu  entweder 
durch  direkte  Vermessung  oder  auf  planimetrischem  Wrege,  d.  h.  auf 
der  Karte  mit  Hilfe  des  Planimeters  ermittelt  werden.  Die  letztere 
Methode  wird  weitaus  am  häufigsten  angewendet,  ja  für  hallt  oder 
ganz  unzivilisierte  Länder  ist  sie  die  einzig  mögliche.  Da  kommt  es 


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6 


Einleitung. 


nun  in  erster  Linie  darauf  an,  welche  Dimensionen  des  Sphäroids 
der  Messung  zu  Grunde  gelegt  werden,  ob  z.  B.  die  ßEssELschen,  wie 
es  in  der  Geographischen  Anstalt  Jüstüs  Perthes  in  Gotha  ge- 
schieht, oder  die  CLARKEsclien,  die  Stkelbitzky  bei  seinen  bekannten 
Flächenberechnungen  Europas  und  des  Russischen  Reiches  auge- 
wendet hat.  Unter  sonst  gleichen  Umständen  muß  für  ein  und 
dasselbe  Land  die  Fläche  nach  Clarke  stets  größer  sein,  als  die 
nach  Bessel;  aber  der  Unterschied,  der  sich  daraus  ergiebt,  ist  in 
den  meisten  Fällen  geringfügig  gegenüber  der  Unsicherheit  der 
Messung,  die  durch  das  mangelhafte  Kartenmaterial,  den  Maßstab 
der  Karte,  die  Ausdehnung  des  Papieres  bei  verschiedener  Feuchtig- 
keit und  die  Beschaffenheit  des  Instrumentes  bewirkt  wird.  Selbst 
bei  Ländern  mit  so  vortrefflichen  Karten,  wie  Frankreich  oder 
Italien  sie  besitzen,  haftet  den  Flächenzahlen  noch  ein  wahrschein- 
licher Fehler  von  l/3  bis  1 Prozent  des  Areals  an;  und  man  mag 
daraus  einen  Schluß  ziehen,  wie  es  selbst  mit  den  besten  Flächen- 
zahlen dort  bestellt  ist,  wo  noch  verhältnismäßig  wenig  Punkte  durch 
gute  Breiten-  und  Längenbestimmungen  festgelegt  sind,  und  jede 
neue  größere  Reise  Verschiebungen  des  Kartenbildes  zur  Folge  hat. 
Solche  Länder  werden  infolge  dessen  meist  in  kleinerem  Maßstabe 
abgebildet,  und  daraus  erwächst  wieder  ein  anderer  Fehler,  der  bei 
sonst  größter  Sorgfalt  bis  zu  3 Prozent  der  Fläche  sich  steigern  kann. 

Überdies  ist  auch  zwischen  der  auf  die  Karte  projizierten  Fläche 
und  der  wahren  Oberfläche  zu  unterscheiden.  Dies  wird  sofort 
klar  aus  Fig.  2,  die  ein  schematisches  Gebirgsprisma  darstellt.  Auf 

der  Karte  erscheint  nur  die  Grundfläche 
abde  und  nur  ihr  Areal  wird  ermittelt, 
die  wahre  Oberfläche  ist  aber  acfd  + bcfe. 
Dieser  Unterschied  verschwindet  nur  auf 
völlig  horizontalen  Flächen  und  nimmt  mit 
dem  Böschungswinkel  zu,  so  daß  er  in 
Gebirgsländern  einen  ziemlich  hohen  Wert  erreicht.  Für  ein  Ge- 
birge vom  Typus  des  Böhmerwaldes  hat  z.  B.  BeneS  7 berechnet,  daß 
die  wahre  Oberfläche  um  3,s  Prozent  größer  ist,  als  die  projizierte. 

Literaturnachweise.  1 Croi.l,  Stellar  Evolution,  London  1889.  — 
* Hoff,  Geschichte  der  durch  die  Überlieferung  naeligewiesenen  natürlichen 
Veränderungen  der  Erdoberfläche.  Gotha  1822—40.  — 8 Lyell,  Principlcs  of 
Geology,  London  1830 — 33.  12.  Aufl.  1876.  — 4 Darwin,  The  Origin  of  Species, 
London  1859.  Letzte  deutsche  Ausgabe  von  Carüs,  Stuttgart  1883.  — 8 Haupt- 
werk Helmert,  Die  mathematischen  und  physikalischen  Theorien  der  höheren 
Geodäsie.  Berlin  1880—84.  Günther,  Handbuch  der  mathematischen  Geographie, 
Stuttgart  1890.  Hier  sei  auch  das  im  Erscheinen  begriffene  Lehrbuch  der 
Geographie  von  H.  Wagner  (Hannover  u.  Leipzig,  1.  Lief.  1894)  erwähnt,  für 


Fig.  2. 


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Die  Teile  des  Erdkörpers. 


7 


mathematische  Geographie  wohl  der  beste  Leitfaden,  den  wir  besitzen.  — 
4 H.  Wagner,  Die  Dimensionen  des  Erdsphäroids  nach  Bessel;  in  Behms  Geo- 
graphischem Jahrbuch,  Bd.  III,  1870.  — 1 BeneS,  Die  wahre  Oberfläche  des 
Böhmerwaldes,  in  dem  Bericht  des  Vereins  der  Geographen  an  der  Universität 
Wien,  1888. 


Die  Teile  des  Erdkörpers. 

Wenn  wir  von  den  Dimensionen  der  Erde  sprechen,  so  ver- 
stehen wir  darunter  nur  die  des  festen  Erdkörpers,  schließen  aber 
deren  gasförmige  Umhüllung,  die  Atmosphäre,  aus,  obwohl  diese 
ebenso  einen  integrierenden  Bestandteil  des  Erdkörpers  bildet,  wie 
die  Gesteinshülle  und  der  Erdkern.  Die  Gesteinshülle  tritt  ent- 
weder als  Festland  zu  Tage  oder  ist  als  Grund  des  Meeres  und 
der  Seen  unseren  Blicken  entrückt,  so  daß  wir,  ausgehend  von  den 
Erscheinungen  der  Oberfläche,  voneiner  Gesteins  hülle  im  engeren 
Sinne  und  einer  Wasserhülle  sprechen  können. 

Der  Erdkern.  Eine  so  scharfe  Grenze,  wie  zwischen  der  Luft- 
und  Gesteinshülle,  besteht  zwischen  der  letzteren  und  dem  Erdkern 
nicht,  und  es  ist  schon  aus  diesem  Grunde  unmöglich  anzugeben, 
bis  zu  welcher  Tiefe  die  Gesteinshülle  hinabreicht.  Das  tiefste 
Bohrloch  der  Erde,  das  Schladebacher  bei  Leipzig,  durchfuhr  sie 
nur  bis  1748m  Tiefe;  es  ist  also  selbst  an  dieser  Stelle  vom  Erd- 
innern  nur  der  3644.  Teil  des  mittleren  Halbmessers  bekannt 

So  unnahbar  das  Erdinnere  auch  der  direkten  Beobachtung  ist, 
so  sind  uns  doch  zwei  Thatsachen  bekannt,  die  geeignet  sind,  etwas 
Licht  über  seine  Beschaffenheit  zu  verbreiten. 

Die  mittlere  Dichte  der  ganzen  Erde1  beträgt  nach  den  ver- 
läßlichsten Untersuchungen  5,e,  d.  h.  die  Erde  ist  5, «mal  so  schwer 
als  eine  gleich  große  Wasserkugel.  Da  die  Gesteine,  welche  sich 
hauptsächlich  an  dem  Baue  der  Erdoberfläche  beteiligen,  nur  ein 
spezifisches  Gewicht  von  etwa  2ljt  bis  3 besitzen,  so  muß  die  mittlere 
Dichtigkeit  des  Inneren  noch  größer  sein,  als  die  der  ganzen  Erde. 
Süess  hat  daher  den  Erdkern  in  zutreffender  Weise  die  Bary  Sphäre 
(ßaovg  = schwer)  genannt,  und  sie  der  Lithosphäre  oder  Gesteins- 
hülle und  der  Atmosphäre  gegenübergestellt.  Es  ist  auch  sehr  wahr- 
scheinlich, daß  sich  innerhalb  des  Erdkörpers  die  Stoffe  vom  Anfänge 
an  nach  ihrer  Schwere  geordnet  haben,  und  die  schwersten  daher 
den  innersten  Kern  bilden.  Nach  Analogie  der  Meteoriten,  jener 
Trümmer  von  Weltkörpern,  die  von  Zeit  zu  Zeit  auf  die  Erde 
fallen  und  teils  aus  Silikatgesteinen,  teils  aus  gediegenem  nickel- 
haltigen Eisen  bestehen,  hat  man  vielfach  die  Vermutung  ausge- 
sprochen, daß  der  Erdkern  aus  Eisen  bestehe. 


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8 


Einleitung. 


Einen  Schluß  auf  die  Wärme  des  Erdinnern  gestatten  die 
Beobachtungen  hei  den  zahlreichen  vertikalen  und  horizontalen 
Tief bohrungen , die  in  allen  Kulturländern  zu  technischen  und 
industriellen  Zwecken  ausgeführt  wurden.  Die  Temperaturschwan- 
kungen der  Oberfläche  dringen  nur  bis  zu  einer  geringen  Tiefe  in 
die  Gesteinshülle  ein;  schon  in  einer  Tiefe  von  ca.  1 m wird  die 
tägliche  Schwankung  nicht  mehr  fühlbar,  und  in  unseren  Gegenden 
beträgt  nach  Adolf  Schmidts2  Untersuchungen  schon  in  einer  Tiefe 
von  15 — 16  m der  Unterschied  der  jährlichen  Extreme  nur  mehr 
0,i 0 C.  In  den  Tropen,  wo  die  jahreszeitlichen  Gegensätze  gering 
sind,  dürfte  die  Schicht  konstanter  Temperatur  schon  in  circa 
6 m Tiefe  zu  finden  sein.  Von  da  an  nimmt  die  Temperatur 
in  allen  Jahreszeiten  und  überall  mit  der  Tiefe  zu.  Man 
nennt  die  Tiefe,  die  einer  Temperatursteigerung  von  1°  C.  ent- 
spricht, die  geothermische  Tiefenstufe;  sie  beträgt  nach  den 
Schladebacher  Beobachtungen  zwischen  1266  und  1716  m Tiefe  — 
den  weitaus  zuverlässigsten  in  dieser  Beziehung,  da  die  künstlichen 
Fehlerquellen  liier  nahezu  ganz  vermieden  wurden  — 39,«  m.  Wenn 
an  anderen  Orten  andere  Werte  gefunden  wurden  (in  Liverpool 
z.  B.  66,4 — 71,9,  dagegen  in  Neuffen  lim),  so  ist  dies  nur  lokalen 
Wärmeherden  (chemische  Prozesse  in  Bergwerken,  Thermen  u.  s.  w.) 
zuzuschreiben,  und  diese  bewirken  auch,  daß  die  Zunahme  scheinbar 
ungleichmäßig  erfolgt,  je  nachdem  man  sich  ihnen  nähert  oder 
von  ihnen  entfernt.  So  betrug  im  610  m tiefen  Fermanschacht  in 
Nevada  mit  einer  mittleren  geothermischen  Stufe  von  18,i  m die 
Zunahme  zwischen  400  und  500  e.  F.  4°,»>  zwischen  1800  und 
1900  e.  F.  aber  nur  0°,3,  und  zwischen  300  und  400  F.  fand  sogar 
eine  Abnahme  um  l°,i  statt  Die  Beobachtungen  in  den  großen 
Alpentunnels  lehren,  daß  die  geothermischen  Tiefenstufen  von  der 
Thalsohle  gegen  das  Innere  des  Berges  größer  werden.  So  z.  B. 
im  St.  Gotthardtunnel: 

Tiefe  des  Tunnels  301  558  1026  1165m 

Geothermische  Stufe  24, o 42, s 51, s 52,5  „ 

Die  Flächen  gleicher  Erdwärme  wiederholen  also  die  Konturen  der 
Oberfläche,  indem  sie  im  Innern  der  Gebirge  ansteigen,  aber  unter 
einem  flacheren  Winkel  als  die  Böschungen.  Nehmen  wir  an,  ein 
Berg  B erhebe  sich  2000  m über  die  Ebene  A (Fig.  3).  Die  mittlere 
Jahrestemperatur  betrage  hier  10°,  und  auf  dem  Berggipfel  0°;  die 
geothermische  Tiefenstufe  sei  unter  A 39, s und  unter  B 52,6  m.  Es 
wird  dann  unter  dem  Berggipfel  im  Niveau  der  Ebene  das  Thermo- 
meter 39°  zeigen,  während  wir  unter  A diese  Temperatur  erst  in 


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Die  Teile  des  Erdkörpers  9 

1148  m Tiefe  erreichen.  Diese  Thatsache  ist  von  größter  prak- 
tischer Wichtigkeit,  denn  da  der  menschliche  Körper  trockene 
Wärme  nur  bis  50°  und  feuchte  nur  bis  40°  ertragen  kann,  so 
sind  Tunnelbauten  durch  sehr  hohe  Gebirge  ebenso  unmöglich,  wie 
Bergwerke  in  großen  Tiefen. 

Es  kann  ferner  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  im  Innern  der 
großen  Massenerhebungen  der  Gesteinshülle,  die  wir  Kontinente 
nennen,  die  Isothermenfiächen  in  ähnlicher  Weise  ansteigen,  wie  im 
Innern  der  Gebirge.  So  fand  z.  B.  die  Challengerexpedition  im 
südatlantischen  Ozean  in  4846  m Tiefe  Wasser  von  nur  1°  Wärme, 
und  wir  müssen  annehmen,  daß  unter  dem  afrikanischen  Boden  in 
gleicher  Tiefe  bereits  eine  Temperatur  von  146°  herrscht. 

Da  aber  die  geothermischen  Tiefenstufen  unter  den  Erhebungen 
größer  sind,  als  unter  der  Ebene,  so  muß  allmählich  ein  Ausgleich 
erfolgen,  indem  die  Geoiso- 
thermen  immer  flacher  werden,  ~f« 

wie  Fig.  3 versinnlicht.  In 

diesem  Falle  muß  bereits  in  '' 

4500  m unter  dem  Niveau  der  ' ’fpv ' 

Ebene  sowohl  unter  A,  wie  unter  * ' J|j.7.7. ^ V.' ; ; ; yf» ; 

B die  gleiche  Temperatur  '■‘ztr -'if-" 

, , 8 , . / ww 

herrschen,  und  es  ist  anzu-  ..../ft*. (»o*  ‘M*‘ 

, ’ o , , . 

nehmen,  daß  von  da  an  keine  ...-MAI 

weitere  Störung  im  gleich-  **'" 

mäßigen  Verlaufe  der  Geoiso-  Fig.  3.  Geoisothermen. 

thermen  eintritt,  und  die  geo- 
thermische Tiefenstufe  nicht  mehr  von  den  Reliefverhältnissen  der 
Erdoberfläche  beeinflußt  wird. 

Nimmt  aber  die  Wärme  stetig  bis  zum  Mittelpunkte  zu?  Es 
ist  dies  die  nach  den  Beobachtungen  wahrscheinlichste  Annahme, 
wenn  auch  nie  exakt  zu  beweisen.  Dagegen  kann  die  Frage,  ob 
überall,  wo  keine  örtlichen  Einflüsse  störend  eingreifen,  die 
Temperaturzunahme  in  allen  Tiefen  gleichmäßig  erfolge,  nicht 
beantwortet  werden.  Alle  zu  diesem  Zwecke  aufgestellten  Formeln 
haben  nur  innerhalb  der  Grenzen  der  Beobachtung  Giltigkeit,  und 
schon  oben  wurde  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  selbst  das 
Schladebacher  Bohrloch  nur  den  3644.  Teil  des  Erdradius  re- 


•fc.--.  ft« 

••• 

iqofm l?9°. 

Ceoisot/l  ernten 

Fig.  3.  Geoisothermen. 


präsentiert.  Haben  diejenigen  Recht,  welche  annehmen,  daß  die 
Erde  eine  durch  Wärmeleitung  und  Wärmeausstrahlung  sich  ab- 
kühlende Kugel  ist,  dann  müssen  die  geothermischen  Tiefenstufen 
gegen  den  Mittelpunkt  zu  immer  größer  werden.  Fouriers  Rechnung 
und  Bischofs  Experiment  mit  einer  Basaltkugel  führen  zu  dem 


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10 


Einleitung. 


nämlichen  Schlüsse.  Letztere  zeigte  48  Stunden  nach  dem  Gusse 
folgende  Temperaturen : 

Entfernung  vom  Mittelpunkte  0 4,5"  6,15"  9" 

Temperatur  192,5°  170,  o°  165,s°  137,5° 

Thermische  Stufe  0,j«o"  0,i*«"  0,iso" 

Das  eine  ist  jedenfalls  gewiß,  daß  die  Temperaturzunahme  sich 
nicht  bloß  auf  die  unserer  Messung  zugängliche  Zone  beschränkt, 
sondern  auch  in  jene  bedeutenden  Tiefen  hinabreicht,  aus  der  die 
heißen  Quellen  und  das  geschmolzene  Gestein  der  Laven  an  die 
Oberfläche  kommen.  Bleibt  sich  die  geothermische  Tiefenstufe  gleich, 
so  muß  schon  in  einer  Tiefe  von  67  km  die  Temperatur  der  schmel- 
zenden Schlacke,  d.  h.  1700°,  erreicht  werden.  Man  hat  daraus  den 
Schluß  gezogen,  daß  das  Erdinnere  eine  glühendflüssige  Masse  ist, 
die  von  einer  verhältnismäßig  dünnen  Kruste  umschlossen  wird, 
und  es  kann  nicht  geleugnet  werden,  daß  diese  Annahme  eine  einfache 
und  befriedigende  Erklärung  der  geologischen  Thatsachen  bietet. 

Von  Seiten  einiger  Physiker  ist  aber  dagegen  Widerspruch  er- 
hoben worden,  der  sich  hauptsächlich  auf  diejenigen  Erscheinungen 
stützt,  die  durch  die  Anziehungskraft  der  Sonne  und  des  Mondes 
bedingt  werden.  Unter  dem  Einflüsse  dieser  Gestirne  kann  zu- 
nächst die  Erde  wegen  der  polaren  Abplattung  ihre  Rotationsachse 
nicht  in  unveränderter  Lage  erhalten,  sondern  dieselbe  muß  gewisse 
Bewegungen  ansführen,  die  denen  eines  wankenden  Kreisels  nicht 
unähnlich  sind,  und  von  den  Astronomen  als  Nutation  und  Prä- 
zession bezeichnet  werden.  Aber  die  darauf  gegründete  Schluß- 
folgerung Hopkins’,  daß  die  Erdkruste  mindestens  1270 — 1590  km 
mächtig  sein  müsse,  ist  als  unhaltbar  erwiesen  worden,  indem  der 
Aggregatzustand  des  Erdinnern  nach  G.  Darwin  auf  jene  Bewegungen 
keinen  Einfluß  ansübt.  Das  Hauptbedenken,  das  jetzt  — haupt- 
sächlich von  den  englischen  Forschern  Thomson  und  G.  Darwin  4 — 
gegen  die  Annahme  eines  feurig-flüssigen  Erdinnern  ins  Feld  geführt 
wird,  stützt  sich  auf  das  Flutphänomen.  Jene  Bewegungen  des 
Meeres,  die  unter  dem  Namen  Ebbe  und  Flut  allgemein  bekannt 
sind,  könnten  nach  der  Ansicht  jener  Physiker  nicht  zu  stände 
kommen,  wenn  das  Erdinnere  flüssig  und  die  Kruste  dünn  wäre, 
denn  dann  müßte  auch  die  Kruste  sich  heben  und  senken,  also 
Land  und  Wasser,  und  wir  würden  die  Gezeiten  ebenso  wenig  wahr- 
nehmen, wie  die  Bewegung  der  Erde.  Da  aber  das  Wasser  sich 
erfahrungsgemäß  anders  verhält,  als  die  Kruste,  so  müsse  die  Erde 
mindestens  den  Starrheitsgrad  des  Stahles  besitzen.  Die  Sammlung 
und  rechnerische  Bearbeitung  des  umfangreichen  Beweismaterials 
ist  zwar  noch  nicht  abgeschlossen,  aber  einige  theoretische  Bedenken 


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Die  Teile  des  Erdkörpers. 


11 


sind  doch  schon  ausgesprochen  worden.  Wenn  Thomson  meint,  das 
Innere  der  Erde  müsse  durch  Druck  starr  geworden  sein,  so  hält 
dem  Siemens5  die  erfahrungsgemäße  Thatsache  entgegen,  daß  der 
Druck  Quarz  und  quarzreiche  Silikate  nicht  verfestige,  sondern  nur 
aus  einem  dünn-  in  einen  zähflüssigen  Zustand  überführe.  Um  aber 
eine  zähflüssige  Masse  durch  die  Anziehungskraft  der  Sonne  und 
des  Mondes  in  Bewegung  zu  setzen,  bedarf  es  natürlich  mehr  Zeit, 
als  um  den  gleichen  Effekt  in  einer  Wassermasse  zu  erzielen;  „es 
scheint  daher  wahrscheinlich,  daß  die  Erdflut  — auch  wenn  man 
annimmt,  daß  der  Kruste  keine  in  Betracht  kommende  Starrheit 
oder  Elastizität  zuzuschreiben  ist  — bei  der  Rotation  der  Erde 
soweit  hinter  der  Meeresflut  zurückbleibt,  daß  sie  nur  einen  geringen 
vermindernden  Einfluß  auf  dieselbe  ausüben  kann.“  Von  anderen 
Gesichtspunkten  ausgehend,  hat  0.  Fisher0  nachzuweisen  gesucht, 
daß  eine  flüssige  Unterlage,  welche  Gase  gelöst  enthält,  nicht  not- 
wendigerweise Fluterscheinungen  zeigen  müsse.  Auch  gegen  die 
weitere  Schlußfolgerung  Thomsons,  daß  die  Erde  von  innen  nach 
außen  erkaltet  sei  — denn  sobald  sich  eine  Kruste  gebildet  habe, 
müsse  sie  als  schwerer  in  dem  flüssigen  Körper  untergesunken 
sein  — , sprechen  mancherlei  Versuche;  das  größte  Experiment  führt 
uns  die  Natur  selbst  in  der  flüssigen  Lava  des  Kilaueakraters,  die 
eine  feste  Decke  trägt,  vor  Augen. 

Es  stehen  sich  also  noch  immer  zwei  Hypothesen  — flüssiges 
oder  wenigstens  plastisches  Erdinnere  mit  Kruste  und  völlig  feste 
Erde  — einander  gegenüber;  die  Vermittlungsannahme  einer  flüs- 
sigen Schicht  zwischen  der  festen  Kruste  und  dem  festen  Erdkern 
hat  keine  Bedeutung  mehr.  Nur  eine  Modifikation  der  Flüssigkeits- 
Hypothese  ist  es,  wenn  Zöppritz  7,  auf  den  Untersuchungen  von 
A.  Ritter  fußend,  dafür  eintritt,  daß  das  Erdinnere  sich  in  einem 
gasförmigen  Zustande  befinde.  Wir  wissen  nämlich  von  einer 
Reihe  von  Körpern  — und  es  läßt  sich  auch  von  den  andern  an- 
nehmen — , daß  sie  oberhalb  einer  für  jeden  Körper  bestimmten, 
der  sogenannten  kritischen  Temperatur  nur  mehr  als  Gase  existieren 
und  durch  keinen  noch  so  hohen  Druck  in  einen  andern  Aggregat- 
zustand übergeführt  werden  können.  Da  im  Erdmittelpunkte  die 
Temperatur  jedenfalls  20  000°  übersteigen  muß,  so  darf  voraus- 
gesetzt werden,  daß  bereits  sämtliche  Körper  die  kritische  Temperatur 
weit  überschritten  haben.  In  folgerichtiger  Weise  leitete  Günther8 
daraus  den  Satz  ab,  daß  der  Erdkörper  alle  Aggregatzustände 
in  ganz  allmählichen  Übergängen  in  sich  vereinige.  Die  feste 
Erdkruste  geht  in  eine  plastische  Zone,  diese  in  eine  zähflüssige, 
diese  in  eine  flüssige,  diese  endlich  in  einen  gasförmigen  Kern  über. 


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12 


Einleitung. 


Aber  auch  der  letztere  erscheint  in  diesem  Systeme  noch  zweigeteilt 
Die  äußere  Zone  nehmen  Gase  ein,  die  ihre  Individualität  noch  bei- 
behalten haben  (Günthers  Zone  der  „gemischten“  Gase);  im  innersten 
Kerne  aber  ist  der  molekulare  Zusammenhang  in  Atome  aufgelöst, 
und  an  Stelle  der  „gemischten“  treten  die  einatomigen  Gase.  Die 
Vorstellung,  daß  der  innerste  Kern  das  größte  spezifische  Gewicht 
besitze,  ist  mit  Günthers  Hypothese  sehr  wohl  vereinbar. 

Die  Erdkruste.  Soweit  die  Erdkruste  der  unmittelbaren  Be- 
obachtung zugänglich  ist,  besteht  sie  aus  Gesteinen,  die  sich  aus 
mehreren  Mineralien  zusammensetzen;  nur  wenige  wie  Quarzfels, 
Schwefel,  Graphit  und  einige  andere  sind  einfache  Gesteine.  Die 
Unterlage  scheinen  überall  Gneiß  und  krystallinische  Schiefer 
zu  bilden,  doch  treten  sie  auch  an  vielen  Stellen  auf  weite  Er- 
streckungen zu  Tage.  Darauf  ruhen  mit  wechselnder  Mächtigkeit 
die  geschichteten  oder  Sedimentgesteine,  von  denen  Schiefer, 
Kalksteine,  Dolomite,  Sandsteine  und  Konglomerate  die  verbreitetsten 
sind.  Eruptive  Massengesteine  durchbrechen  vielfach  die  kry- 
stallinische Grundmauer  wie  den  sedimentären  Oberbau.9 

Daß  die  Erdkruste  nicht  überall  gleich  mächtig  ist,  wird  ziemlich 
allgemein  angenommen.  Nach  Henxessy  10  wächst  die  Exzentrizität 


•Ktor,* . 


HetssflUssige 


Cnferlag* 


Fig.  4.  Ein  Teil  der  Erdkruste  nach  O.  Fisher. 


nach  dem  Innern,  sodaß  die  Kruste  am  Äquator  am  dünnsten  und 
an  den  Polen  am  dicksten  sein  müßte;  die  äußerste  Schicht  des 
flüssigen  Erdkerns  hat  dieselbe  Abplattung,  wie  die  innerste  Schicht 
der  Kruste,  dann  nimmt  die  Exzentrizität  nach  dem  Mittelpunkte 
wieder  ab.  0.  Fisher  denkt  sich  die  Kruste  infolge  seitlicher 
Zusammenschiebungen,  wie  sie  im  Laufe  der  geologischen  Ent- 
wickelungsgeschichte eingetreten  sind,  derart  gestaltet,  daß  alle  Her- 
vorragungen  an  der  Erdoberfläche  in  ebensolchen  an  der  Untenseite 
der  Kruste,  gleichsam  wie  im  Wasser,  sich  abspiegeln  (Fig.  4).  Als 
mittlere  Mächtigkeit  der  Kruste  ist  dabei  40  km  angenommen;  die 
„neutrale  Zone“,  von  der  beim  Zusammenschub  die  Teilchen  der 
Kruste  nach  oben  und  unten  gepreßt  werden,  liegt  in  16  km  Tiefe. 
Damit  stehen  nun  auch  Dichtigkeitsunterschiede  der  oze- 
anischen und  kontinentalen  Krustenteile  im  Zusammenhänge, 


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Die  Teile  des  Erdkörpers. 


13 


zu  deren  Annahme  man  übrigens  auch  genötigt  wird,  wenn  man  auch 
nicht  die  Ansichten  Fishees  teilt.  Wir  haben  oben  (S.  3)  gesehen, 
daß  die  Pendellänge  nach  dem  Pole  zu  wächst.  Aus  einem  ähn- 
lichen Grunde  sollte  man  auch  erwarten,  daß  unter  gleicher  geo- 
graphischer Breite  die  Pendellänge  auf  dem  Festlande  größer  sein 
müsse,  als  auf  dem  offenen  Meere,  weil  dort  die  anziehenden  Massen 
größer  sind,  ln  der  That  scheint  aber  gerade  das  umgekehrte  Ver- 
hältnis stattzutinden,  wie  man  aus  den  Pendelbeobachtungen  auf 
ozeanischen  Inseln  schließen  darf.  Das  führt  zu  der  wichtigen 
Folgerung,  die  früher  schon  von  mehreren  Forschern  ausgesprochen 
und  in  neuester  Zeit  wieder  von  Hei.meht11  bekräftigt  wurde,  „daß 
die  Wirkung  der  Kontinentalmassen  mehr  oder  weniger  kompensiert 
wird  durch  eine  Verminderung  der  Dichtigkeit  der  Erdkruste 
unterhalb  der  kontinentalen  Massen“.  Auch  die  Scliwere- 
messungeu  in  den  Alpen,  im  Himalava  und  Kaukasus,  die  sehr 
beträchtliche  Massendefekte,  also  eine  geringere  mittlere  Dichtigkeit 
der  gebirgigen  Krustenteile  im  Vergleich  zu  den  Ebenen  ergaben, 
führen  zu  dem  Analogieschlüsse,  daß  die  ozeanischen  Krusten  teile 
dichter  sind  als  die  kontinentalen.  Aus  Erwägungen  allgemeiner  Natur 
hat  Siemens  die  Wahrscheinlichkeit  solcher  Unterschiede  dargethan. 
Die  Höhendifferenz  zwischen  dem  zentralasiatischen  Hochlande  und 
dem  Boden  des  Pazifischen  Ozeans  beträgt  mindestens  10000m;  der 
erstere  übt  also  auf  den  Erdkern  einen  um  ein  paar  tausend  Atmo- 
sphären höheren  Druck  aus,  und  die  Folge  davon  müßte  sein,  daß 
das  Hochland  einsinkt  und  der  Meeresboden  sich  hebt.  Da  dies 
nicht  der  Fall  ist,  so  kanu  das  hydrostatische  Gleichgewicht  nur  da- 
durch erhalten  werden,  daß  der  Meeresboden  aus  schwererem 
Gesteine  besteht,  als  die  Kontinente,  oder  daß  die  flüssige  Unter- 
lage unter  dem  Meeresboden  ein  größeres  spezifisches  Gewicht  besitzt. 

Litteraturnachweise.  1 Einen  guten  Überblick  über  die  verschiedenen 
„Methoden  zur  Bestimmung  der  mittleren  Dichte  der  Erde“  giebt  unter  diesem 
Titel  Fresdorf  in  der  wissenschaftlichen  Beilage  zum  Jahresbericht  des  Gymna- 
siums zu  Wittenburg  i.  Elsaß  1894.  — 1 Ad.  Schmidt,  Theoretische  Verwertung  der 
Königsberger  Bodentemperatur-Beobachtungen,  Königsberg  1892.  — 3 Hutsseh, 
Die  Tiefbohrung  im  Dienste  der  Wissenschaft,  in  den  Verhandlungen  des  VIII. 
Deutschen  Geographentages,  Berlin  1889.  Eine  umfangreiche  Zusammenstellung 
von  530  Stationen  giebt  Prestwich  in  den  Proceedings  of  the  Royal  Society, 
Bd.  XLI,  1886.  — * Die  Arbeiten  von  Thomson  und  G.  Darwin  sind  nur  dem  ge- 
wiegten Mathematiker  verständlich,  einen  elementaren  Beweis  für  die  Starrheit  der 
Erde  versuchte  G.  F.  Becker  im  American  Joum.  of  Science,  1890,  Bd.  XXXIX, 
S.  336.  — 5 Siemens  in  den  Monatsberichten  der  Preußischen  Akademie  der 
Wissenschaften  1878,  S.  558.  — 3 Fisher,  Physics  of  the  Earth’s  Crust,  2.  Aufl. 
London  1889.  — 7 Zöpfritz  in  den  Verhandlungen  des  I.  Deutschen  Geographen- 
tages, Berlin  1882,  S.  15.  — 8 Günther,  Entwickelung  der  Lehre  vom  gasförmigen 


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14 


Einleitung. 


Zustande  des  Erdinnern,  im  XIV.  Jahresberichte  der  Geographischen  Gesellschaft 
in  München  1892.  — 8 Löwl,  Die  gebirgsbildenden  Felsarten,  Stuttgart  1893 
(ein  vortreffliches,  aber  elementares  Hilfsbüchlein).  Kalkuwsky,  Elemente  der 
Lithologie,  Heidelberg  1886.  — 10  Hennessy,  Philosophieal  Magazin  1886,  Bd.XXlI, 
S.  231  und  328.  — 11  Helmert,  Die  Schwerkraft  im  Hochgebirge.  Berlin  1891. 
Von  größter  Wichtigkeit  sind  v.  Sternecks  Relative  Schwerebestimmungen  in 
Österreich-Ungarn  (s.  die  letzte  Abhandlung  darüber  in  den  Mitteilungen  des 
K.  u.  K.  Militärgeographischen  Instituts,  Bd.  XIII,  Wien  1894). 


Die  vier  Energiequellen. 

Die  Veränderungen,  denen  die  Erdoberfläche  seit  dem  Beginne 
ihrer  Geschichte  fortwährend  unterliegt,  lassen  sich  unmittelbar  oder 
mittelbar  auf  vier  Energiequellen  zurtlckführen:  auf  die  Erdwärme, 
die  Sonnenwärme,  die  Drehung  der  Erde  und  die  Anziehungskraft 
von  Sonne  und  Mond.  Hier  handelt  es  sich  nur  darum,  das  Ge- 
webe von  Ursachen  und  direkten  und  indirekten  Wirkungen,  welche 
das  Erdenleben  ausmachen,  in  seinen  Grundzügen  darzulegen  und 
damit  das  Verständnis  der  nachfolgenden  Betrachtungen  anzubahnen. 

Die  Wirkungen  der  unterirdischen  Kräfte.  Wenn  wir  als  erste 
Energiequelle  die  Eigenwärme  der  Erde  genannt  haben,  so  ist 
dies  so  zu  verstehen,  daß  ein  völlig  erkalteter  Körper  nicht  mehr 
im  stände  wäre,  aus  eigner  Kraft  Veränderungen  an  der  Oberfläche 
hervorzurufen.  Solche  Veränderungen  haben  sich  aber  im  Laufe 
der  geologischen  Zeiträume  wiederholt  ereignet  und  ereignen  sich 
noch  fortwährend.  Ihnen  verdanken  wir  in  erster  Linie  die  ab- 
wechselungsreichen Formen  der  Landoberfläche  und  höchst  wahr- 
scheinlich auch  den  Gegensatz  von  Land  und  Meer. 

Die  meisten  Schichten,  welche  die  Oberfläche  des  Festlandes 
zusammensetzen,  sind  ursprünglich  auf  dem  Boden  des  Meeres 
horizontal  oder  mit  sehr  sanfter  Neigung  abgelagert  worden.  Es 
giebt  zwar  Ausnahmen,  wo  schon  die  ursprüngliche  Lagerung  unter- 
einem  größeren  Winkel  erfolgt,  aber  sie  treten  in  der  Regel  nur 
in  örtlich  beschränkter  Weise  auf.  Wo  immer  nun  ehemaliger  Meeres- 
boden in  Festland  umgewandelt  wurde,  müssen  wir  eine  nachträg- 
liche Niveau  Veränderung  annehmen.  Dabei  kann  die  ursprüngliche 
Lagerung  der  Schichten  keine  oder  nur  eine  geringfügige  oder  aber 
eine  erhebliche  Störung  erleiden:  wir  sprechen  im  erstem  Falle  von 
einfachen  Niveauveränderungen  (Hebungen  und  Senkungen),  im 
letzteren  von  Niveauveränderungen  mit  Dislokation  der 
Schichten  oder  von  Dislokationen  schlechtweg.  Die  wichtigsten 
dieser  Schichtenstörungen  sind  die  Faltung  und  die  Verwerfung, 
und  wir  verstehen  unter  letzterer  die  Niveauveränderung  eines  größeren 


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Die  vier  Energiequellen. 


15 


oder  kleineren  Stückes  der  Erdoberfläche  (Scholle)  entlang  von  Bruch- 
spalten. Eine  dritte  Wirkung  unterirdischer  Kräfte  sind  die  vul- 
kanischen Ausbrüche,  während  wir  die  Erdbeben  nicht  als  ein 
selbständiges  Phänomen,  sondern  nur  als  eine  Begleiterscheinung  von 
Dislokationen  oder  vulkanischen  Ausbrüchen  zu  betrachten  haben. 

Die  solaren  Wirkungen.  Für  die  Gestaltung  der  Oberfläche  ist 
aber  die  Erdwärme  nicht  der  einzige  Faktor.  Die  Sonnenwärme 
tritt  ihr  als  zweite  Energiequelle  ebenbürtig  an  die  Seite.  Ja  auch 
das  organische  Leben  ist  im  Grunde  genommen  nichts  anderes,  als 
umgewandelte  Sonnenwärme. 

Abgesehen  von  der  Pflanzendecke  wirkt  die  zugeführte  Sonnen- 
wärme auf  jeden  Punkt  der  Landoberfläche  zerstörend,  und  dieser 
Einfluß  wird  wesentlich  erhöht  durch  ihre  periodischen  Schwankungen, 
zunächst  durch  die  thermischen  Gegensätze  von  Tag  und  Nacht, 
Sommer  und  Winter.  Allerdings  beruht  der  Yerwitterungsprozeß 
zunächst  nur  auf  der  chemischen  Einwirkung  der  Lufthülle  auf  das 
Gestein,  und  er  würde  nicht  sofort  zum  Stillstände  gebracht  werden, 
wenn  die  Sonne  plötzlich  erlöschte.  Nicht  sofort,  aber  doch  schon 
bald.  Die  Lockerung  des  Gesteins  durch  die  Temperaturunterschiede 
würde  aufhören,  und  das  Wasser  würde  seinen  Kreislauf  einstellen. 

Dazu  kommt  aber  noch  die  ungleiche  Verteilung  der  Temperatur. 
Sie  setzt  das  Luftmeer  in  ununterbrochene  Bewegung,  es  entstehen 
die  Winde. 

Die  Winde  erzeugen  wieder  zweierlei  Bewegungen  innerhalb  der 
Wasserhülle:  Wellen  und  Strömungen.  Das  bewegte  Meer  zer- 
stört die  Küsten,  und  das  Zerstörungsprodukt  wird  entweder  im 
Meere  abgelagert  oder  an  anderen  Stellen  zur  Vergrößerung  des 
Landes  verwendet.  Auf  dem  Lande  bewirkt  der  Wind  direkt  eine 
Umlagerung  des  losen  Materials,  wodurch  er  unter  Umständen  auch 
indirekt  an  der  Abtragung  des  Gesteins  mitarbeitet;  eine  noch  ein- 
greifendere Kolle  spielt  er  aber  als  Wasserverteiler. 

Alles  Wasser  verdunstet  unter  dem  Einflüsse  der  Sonnenwärme, 
am  meisten  natürlich  das  Meer.  Die  Winde  führen  den  Wasser- 
dampf landeinwärts  und  lassen  ihn  hier  als  Regen  oder  Schnee 
niederfallen.  Das  Wasser  dringt  zum  Teil  in  den  Erdboden  ein  und 
fördert  und  unterhält  denVerwitterungsprozeß;  zum  Teil  fließt  es  ober- 
flächlich ab,  schafft  Thäler  durch  seine  eigene  zerstörende  Kraft  und 
durch  die  Fortführung  fremder  Zerstörungsprodukte,  und  entledigt 
sich  an  anderen  Stellen  wieder  dieser  fremden  Stoffe,  durch  die  es 
das  Land  erhöht  oder  auf  Kosten  des  Meeres  und  der  Seen  ver- 
größert. In  großen  Höhen  und  unter  polaren  Breiten  tritt  das  Wasser 
vorwiegend  in  der  festen  Form,  als  Eis  aus,  aber  auch  dieses  wirkt. 


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16 


Einleitung. 


wenn  auch  in  etwas  anderer  Weise,  als  das  Wasser,  zerstörend  und 
neuschaffend. 

Wenn  wir  also  die  geologische  Tlüitigkeit  der  Sonnenwärme,  die 
mit  der  letzteren  periodischen  Schwankungen  unterliegt,  noch  einmal 
überblicken,  so  haben  wir  zu  unterscheiden: 

1.  Förderung  des  Verwitterungsprozesses: 

2.  Wirkungen  des  Windes; 

3.  Wirkungen  des  Wassers  und  zwar 

a)  im  Meere  und  in  den  Seen, 

b)  des  fließenden  Wassers; 

4.  Wirkungen  des  Eises  und  zwar 

a)  des  Meereises, 

b)  des  Landeises. 

Jede  dieser  Wirkungen  ist  zugleich  eine  zerstörende,  wie  eine 
schaffende;  beide  Seiten  ergänzen  sich  notwendigerweise,  denn  eben- 
sowenig, wie  aus  dem  Nichts  ein  Etwas,  kann  aus  dem  Etwas  ein 
Nichts  werden.  Aber  die  äußere  Erscheinungsform  wird  eine  andere. 
Lappakent1  schätzt  das  durchschnittliche  jährliche  Ergebnis  der  kon- 
tinentalen Zerstörung  auf  10,43,  der  marinen  auf  0,3o  und  der  che- 
mischen auf  4,e2  cbkm,  die  gesamte  jährliche  Abtragung  also  auf 
rund  16  cbkm.  Um  soviel  verliert  das  Land  und  gewinnt  das  Meer; 
das  erstere  wird  um  0,uomm  erniedrigt,  der  Spiegel  der  letzteren  um 
0,044  mm  erhöht;  die  Höhe  des  Landes,  die  wir  ja  vom  Meeresniveau 
aus  rechnen,  nimmt  also  jährlich  um  0,no  + 0,044  = ü.mnim  ab,  oder 
in  ca.  6500  Jahren  um  1 m.  Die  Sonnenwärme  wirkt  somit  der  Erd- 
wärme entgegen;  die  Erhöhungen  und  Vertiefungen,  die  die  unter- 
irdischen Kräfte  schaffen,  werden  durch  die  Oberflächenkräfte  wieder 
ausgeglichen.  Aber  diese  Umlagerung  von  Material  kann  unter  der 
Voraussetzung  einer  dünnen  Kruste  und  einer  plastischen  Unterlage 
selbst  wieder  Niveauveränderungen  hervorrufeu,  indem  das  erleichterte 
Land  in  die  Höhe  steigt  und  der  beschwerte  Meeresboden  sich  senkt. 

Zu  den  Ablagerungen  irdischen  Ursprungs  gesellen  sich  über- 
dies noch  kosmische  Bruchstücke,  von  denen  die  Meteorsteine  die 
bekanntesten  sind.  Nachgewiesen  ist  auch  eine  kosmische  Beimengung 
der  Tiefsee-Ablagerungen  in  Gestalt  von  braungelben  Körnchen  von 
1/2  mm  mittlerem  Durchmesser  (Bronzitchondrite)  und  Kügelchen  von 
Magneteisen2;  dagegen  ist  es  sehr  unwahrscheinlich,  daß  kosmi- 
scher Staub  in  genügenden  Mengen  auf  die  Erde  gelangt,  um,  wie 
Nordenskiöld  3 meint,  unseren  Planeten  im  Laufe  geologischer  Zeit- 
räume merkbar  zu  vergrößern.  Was  beglaubigt  ist,  sind  nur  ver- 
einzelte und  örtliche  beschränkte  Fälle  kosmischen  Niederschlages, 


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Die  vier  Energiequellen.  1 7 

die  auf  die  Entwicklung  des  Erdballs  keinen  nennenswerten  Einfluß 
ausüben. 


Die  Anziehung  von  Sonne  und  Mond.  Durch  die  Anziehungs- 
kraft von  Sonne  und  Mond  erleidet  die  Erde  periodische  Gestalts- 
veränderungen, die  zunächst  allerdings  nur  in  der  Ebbe  und  Flut 
des  Meeres  einen  sichtbaren  Ausdruck  finden.  Auch  diese  Bewegung 
wird  unter  Umständen  ein  bedeutsamer  Faktor  in  dem  Umgestaltungs- 
prozesse der  Küsten.  Daß  auch  die  feste  Erdkruste  jener  Anziehung 
unterliegt,  war  schon  theoretisch  vorauszusetzen,  aber  erst  mit  Hilfe 
eines  so  empfindlichen  Instrumentes  wie  es  das  Horizontalpendel 
von  Rebeur-Paschwitz4  ist,  gelang  es  diesem  sowohl  auf  Tenerifi’a, 
wie  in  Potsdam  Bewegungen  der  Lotlinie  nachzu weisen,  die  auf 
sehr  geringe  körperliche  Gezeiten  (nur  mit  einem  Koefficienten  von 
etwa  O.oi")  zurttckzuftihren  sein  dürften. 

Die  Rotation  der  Erde.  Als  letzte  Energiequelle  haben  wir 
endlich  die  Rotation  der  Erde  zu  nennen,  die  alle  in  horizontaler 
Richtung  sich  bewegenden  Körper  auf  der  nördlichen  Hemisphäre 
nach  rechts,  auf  der  südlichen  nach  links  ablenkt.  Die  Ursache 
dieser  Ablenkung  ist  eine  doppelte;  zunächst  die  Beibehaltung  der 
Bewegungsrichtung.  In  Figur  5,  die  einen  Erdquadranten  vorstellt, 
bewegt  sich  ein  Körper  in  einer  gewissen  Zeit  von  a nach  b,  während 
er  in  derselben  Zeit  infolge  der  Rotation  von  a nach  a gelangt. 
Die  Wirkung  dieser  Doppelbewegung  ist 
dieselbe,  als  wenn  auf  der  stillstehenden 
Erde  die  Bewegung  von  a ausginge  und 
parallel  mit  der  ursprünglichen  Richtung 
(ab)  nach  b'  gerichtet  wäre.  Die  dadurch 
hervorgerufene  Ablenkung  nach  rechts  tritt 
in  der  Zeichnung  deutlich  hervor,  indem 
der  Winkel  a größer  ist  als  a.  Die  Be- 
wegungsrichtung ist  dabei  ganz  gleichgültig, 
und  es  muß  besonders  betont  werden,  daß 
auch  die  äquatoriale  (d.  h.  ostwestliche  oder 
westöstliche)  der  Ablenkung  unterliegt. 


Eine  zweite  Ursache  der  Ablenkung  ***•“ 

liegt  in  der  Beibehaltung  der  Rotations-  Fis- 5-  Ablenkung  durch  die 

i t,.  T'r..  i Beibehaltung  der  Bewegunes- 

geschwmdigkeit  (Fig.  6).  Ein  Körper  be-  richtung. 

wege  sich  z.  B.  vom  40.  zum  50.  Breiten- 
grade, also  in  meridionaler  Richtung  nach  Norden.  Er  würde  von 
a nach  b gelangen,  wenn  sich  nicht  inzwischen  a nach  a und  b 
nach  b'  fortbewegt  hätte.  Es  läßt  sich  wieder  annehmen,  daß  die 

Svpak,  Physische  Erdkunde.  2.  Aufl.  2 


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18 


Einleitung. 


Erde  ruhe  und  die  Bewegung  von  a ausgehe;  wir  setzen  ferner 
der  Einfachheit  wegen  voraus,  daß  die  erstgenannte  Ursache  der 

Ablenkung  nicht  vorhanden 
sei.  Wird  dann  der  Körper  in 
b'  anlangeu?  Nein,  denn  die 
Geschwindigkeit  des  Punktes 
a ist  größer  als  die  von  b 
(b:a  = 1 : l,j),  und  mit  dieser 
größeren  Geschwindigkeit  er- 
reicht a den  50.  Parallel.  Er 
wird  daher  dem  Punkte  b' 
vorauseilen  und  den  Punkt  c 
treffen,  d.  h.  die  aus  Süd 
kommende  Bewegung  wird  in 
Fig.  6.  Ablenkung  durch  die  Beibehaltung  der  eine  aus  SW.  kommende  ver- 
Rotationsgeschwindigkeit.  wandelt.  Diese  Ablenkung  ist 

bei  meridionalen  Bewegungen 
am  größten,  während  äquatoriale  dadurch  nicht  beeinflußt  werden. 
Die  Größe  der  Ablenkung  ist  proportional  dem  Sinus  der  geogra- 
phischen Breite,  erreicht  somit  an  den  Polen  ihr  Maximum  und 
wird  am  Äquator  gleich  Null. 

Die  Ablenkung  der  Bewegungen  erfolgt  also  im  Sinne  der  Pfeile: 

Nördliche  Hemisphäre. 

m >► 

N.  NO.  0.  SO.  S.  SW.  W.  NW.  N. 

■< m 

Südliche  Hemisphäre. 

Wenn  auch  alle  horizontalen  Bewegungen  dieser  Ablenkung 
unterliegen,  so  leisten  ihr  doch  nur  die  Luft-  und  Meeresströmungen, 
solange  sie  nicht  auf  einen  kräftigen  Widerstand  stoßen,  in  so  sicht- 
barer Weise  Folge,  daß  jeder  Zweifel  ausgeschlossen  ist.  In  Bezug 
auf  die  Flüsse  sind  aber  die  Meinungen  geteilt;  d.  h.  die  Ablenkung 
kann  zwar  nicht  geleugnet  werden,  wohl  aber  ihre  geologische  Be- 
deutung. 

Literaturnachweise.  1 de  Lapparent,  La  mesure  du  temps  par  les 
phenomfines  de  Sedimentation,  im  Bulletin  de  la  Societc  geologique  de  France, 
Bd.  XVIII.  — 1 Mdrray  et  Renard,  Les  caracteres  microscopiques  des  cendres 
volcaniques  et  des  poussiöres  cosmiques,  im  Bulletin  du  Musee  R.  de  l'histoire 
naturelle  de  Belgique,  Bd.  III,  1884.  — * Nohde.nskiold,  Studien  und  Forschungen, 
Leipzig  1885.  — 4 v.  Rebeür-Pasciiwitz,  Über  Horizontalpendel-BeobachtUDgen 
in  Wilhelmshaven  etc.,  in  den  Astronomischen  Nachrichten  1892.  Bd.  CXXX. 


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Geschichte  der  Erde. 


19 


Geschichte  der  Erde. 

Die  Geschichte  der  Erde  ist  Gegenstand  einer  eigenen  Wissen- 
schaft, der  Geologie,1  die  aber  zur  physischen  Geographie  in  so 
engen  Beziehungen  steht,  daß  wir  es  uns  nicht  versagen  können, 
hier  wenigstens  die  Hauptmomente  anzudeuten. 

Jede  Schicht  der  Erdkruste  entspricht  einem  gewissen  Zeit- 
abschnitte, dessen  absolutes  Maß  wir  freilicli  nicht  kennen.  Nur  ihr 
relatives  Alter  läßt  sich  teils  aus  den  Lagerungsverhältnissen,  teils 
aus  den  organischen  Einschlüssen  ermitteln.  Schichten  mit  Über- 
resten gleichartiger  Lebewesen  fassen  wir  zu  Stufen  oder  Etagen, 
die  Etagen  zu  Serien,  die  Serien  zu  Formationen  oder  Systemen, 
die  Formationen  wieder  zu  Formationsgruppen  zusammen.  Zeit- 
lich entspricht  die  Formation  einer  Periode,  die  Formationsgruppe 
einem  Zeitalter. 

Solcher  Zeitalter  unterscheidet  die  Geschichte  der  Erde  fünf. 
Aus  der  Urzeit  oder  dem  archäischen  Zeitalter  stammen  die 
Gneiße  und  krystallinischen  Schiefer,  die  nur  zweifelhafte  Spuren 
organischen  Lebens  enthalten.  Mit  dem  Auftreten  einer  reichen 
Tierwelt,  der  sich  später  echte  Landpflanzeu  zugesellen,  beginnt  das 
Altertum  der  Erde,  das  primäre  oder  paläozoische  Zeitalter, 
aber  eine  weite  Kluft  trennt  die  organischen  Typen  jener  fernen 
Epoche  von  denen  der  Gegenwart.  Fische  und  Amphibien  sind 
fast  bis  zum  Schlüsse  die  einzigen  Vertreter  des  Kreises  der  Wirbel- 
tiere ; die  Meere  beleben  zahllose  Armfüßer  (Brachiopoden),  besonders 
aus  den  ausgestorbenen  Familien  Spirifer  und  Productus.  Im  Mittel- 
alter  der  Erde,  im  sekundären  oder  mesozoischen  Zeitalter, 
erscheinen  schon  die  Vorläufer  der  jetzigen  Lebewelt,  aber  unter 
den  Landtieren  spielen  noch  die  Reptilien,  unter  den  Seetieren  die 
Ammoniten  und  ihre  Verwandten  die  erste  Rolle.  In  der  Neuzeit 
der  Erde,  im  tertiären  oder  känozoischen  Zeitalter,  nehmen  Tier- 
und  Pflanzenwelt  modernen  Charakter  an  und  die  Säugetierfauna 
gelangt  zu  immer  reichlicherer  Entwicklung.  Die  geologische  Gegen- 
wart oder  das  quartäre  Zeitalter  endlich  kann  kurzweg  als  das 
Zeitalter  des  Menschen  bezeichnet  werden. 

Zum  bequemen  Nachschlagen  in  zweifelhaften  Fällen  lassen  wir 
hier  eine  Übersicht  der  wichtigsten  geologischen  Haupt-  und  Unter- 
abteilungen von  den  ältesten  bis  zu  den  jüngsten  folgen. 

I.  Archäische  Formationsgruppe. 

II.  Paläozoische  Formationsgruppe: 

1.  Cambrische  Formation; 

2.  Silur; 


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20 


Einleitung. 


3.  Devon; 

4.  Karbon  oder  Steinkohlenformation: 

a)  Unter-Karbon  (Kulm), 

b)  Ober-Karbon  (produktive  Steiukohlenformation); 

5.  Permische  Formation  oder  Dyas: 

a)  Rothegendes. 

b)  Zechstein. 

III.  Mesozoische  Formationsgruppe: 

1.  Trias: 

a)  Buntsandstein, 

b)  Muschelkalk, 

c)  Keuper; 

2.  Jura: 

a)  Lias, 

b)  Dogger  oder  brauner  Jura, 

c)  Malm  oder  weißer  Jura; 

3.  Kreide  oder  kretacetselie  Formation: 

a)  Untere  Kreide: 

ce)  Neocom  und  Wealden, 
ß)  Gault ; 

b)  Obere  Kreide: 

a)  Cenoman, 
ß)  Turon, 
y)  Senon. 

IV.  Känozoische  Formationsgruppe: 

1.  Alt-Tertiär  oder  Eogen: 

a)  Eocän, 

b)  Oligocän; 

2.  Jung-Tertiär  oder  Neogen: 

a)  Miocän, 

b)  Pliocän. 

V.  (Quartäre  Formation: 

a)  Diluvium, 

b)  Alluvium. 

Diese  Formationen  sind  weder  überall  in  lückenloser  Reihe, 
noch  dort,  wo  sie  Vorkommen,  in  gleicher  Weise  entwickelt  Es 
herrschten  zu  allen  Zeiten  ähnliche  Verhältnisse,  wie  in  der  Periode, 
in  welcher  wir  leben:  im  Alluvium.  Die  eigentlichen  alluvialen  Ab- 
lagerungen sind  in  den  Meeren  zu  suchen,  aber  auch  hier  sind  sie 
im  offenen  Meere  anderer  Art,  als  in  der  Nähe  der  Küste.  Das 
Land  ist  vorwiegend  eine  Stätte  der  Zerstörung;  die  Ablagerungen 


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Geschichte  der  Erde. 


21 


der  Flüsse,  Gletscher,  Seen  und  des  Windes  und  die  vulkanischen 
Neubildungen  sind  von  verhältnismäßig  geringer  Ausdehnung.  Es 
geht  daraus  auch  hervor,  daß  Ablagerungen  innerhalb  gleicher  Zeit- 
räume sehr  verschiedene  Mächtigkeit  besitzen  können.  So  besteht 
z.  B.  das  oberste  Triasglied,  der  Keuper,  in  Deutschland  aus  sandigen, 
thonigen  und  mergeligen  Gesteinen,  die  eine  Gesamtmächtigkeit 
von  etwa  300  m erreichen,  während  in  den  Ostalpen  in  derselben 
Periode  Kalksteine  und  Dolomite  bis  zu  ein  paar  tausend  Meter 
Mächtigkeit  zur  Ablagerung  gelangten.  Und  anderseits,  während 
in  Deutschland  und  in  den  Alpen  alle  drei  Glieder  der  Trias  ent- 
wickelt sind,  fehlt  in  England  der  Muschelkalk,  und  der  Keuper 
ruht  unmittelbar  auf  Buntsandstein,  so  daß  man  es  hier  vorzieht, 
die  ganze  Formation  als  New  Red  Sandstone  zu  bezeichnen. 

Trotzdem  läßt  sich,  wenn  man  die  Maximalmächtigkeiten  der 
Formationen  miteinander  vergleicht,  der  Gedanke  nicht  abweisen, 
daß  das,  was  wir  geologische  Perioden  nennen,  Zeiträume  von  sehr 
verschiedener  Dauer  repräsentiert.  In  noch  höherem  Grade  gilt  das 
von  den  geologischen  Zeitaltern,  und  man  darf  mit  einiger  Sicher- 
heit die  Behauptung  aussprechen,  daß  sie  um  so  kürzer  werden,  je 
jünger  sie  sind.  In  der  sog.  „Weltgeschichte“  ist  es  ja  auch  nicht 
anders.  Da  umfaßt  das  Altertum  reichlich  4000,  das  Mittelalter 
aber  nur  etwa  1100  Jahre.  Auch  in  einer  andern  Beziehung  finden 
wir  eine  Analogie  zwischen  der  „Welt-“  und  der  Erdgeschichte. 
Wie  die  Gliederung  der  ersteren  nur  auf  den  europäisch-medi- 
terranen Kulturkreis  anwendbar  ist,  aber  nicht  auf  die  Geschichte 
anderer  Kulturvölker,  so  paßt  das  herrschende  geologische  System 
zunächst  nur  auf  die  Verhältnisse  in  Mittel-  und  Westeuropa,  d.  h. 
im  Heimatlande  der  geologischen  Wissenschaft.  Zwar  läßt  es  sich 
auch  auf  das  übrige  Europa  und  auch  auf  Nordamerika  übertragen, 
aber  jenseits  des  Äquators  versagt  es  stellenweise.  Das  innere 
Südafrika  baut  sich  nach  Schenck2  aus  drei  Formationen  auf: 
der  Primär-,  Kap-  und  Karruformation;  erst  die  Schichten,  die 
in  einigen  Küstengegenden  auf  den  Karrubildungen  liegen,  lassen 
sich  mit  der  nordhemisphärischen  Kreide  identifizieren.  Auf  der 
vorindischen  Halbinsel3  entspricht  der  Karruformation  das  Gond- 
wana-System, aber  wahrscheinlich  nur  zum  Teil.  In  die  Sprache  der 
europäischen  Geologie  übertragen,  umfaßt  das  Gondwana  den  Un- 
geheuern Zeitraum  vom  oberen  Karbon  bis  zum  oberen  Jura,  also 
paläozoische,  wie  mesozoische  Formationen;  und  die  bedeutungsvolle 
Grenze  zweier  europäischer  Formationsgruppen  trennt  in  Indien  nur 
zwei  Etagen  der  unteren  Gondwana-Serie.  Steigen  wir  in  immer 
tiefere  Horizonte  hinab,  so  folgt  auf  die  Gondwana  die  Vindhya- 


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22 


Einleitung. 


und  auf  diese  die  Cuddapahformation;  es  bleibt  aber  noch  ganz 
unsicher,  wie  sie  sich  zeitlich  zur  südafrikanischen  Kap-  und  zu  den 
älteren  paläozoischen  Systemen  der  Nordhalbkugel  verhalten. 

Es  ist  oben  gesagt  worden,  daß  unsere  gebräuchliche  geologische 
Einteilung  auf  den  organischen  Einschlüssen  beruht  Nun  tritt 
aber,  dank  den  epochemachenden  Untersuchungen  von  Suess4,  immer 
deutlicher  hervor,  daß  die  Umgestaltungen  im  Bereiche  der  Lebe- 
welt mit  wichtigen  geographischen  Veränderungen  der  Vorzeit  nicht 
zusammenfallen.  Solche  Veränderungen  sind  die  Transgressionen 
oder  Überflutungen  und  die  Gebirgstal tungen. 

Zu  wiederholten  Malen  ist  der  Boden  der  heutigen  Festländer 
trocken  gelegt  und  vom  Meer  überflutet  worden.  So  liegt  z.  B.  die 
obere  Kreide  nicht  überall  normal  auf  der  unteren  Serie,  sondern 
vielfach  auf  Jura,  Trias,  ja  sogar  auf  paläozoischen  und  archäischen 
Formationen.  In  der  Mitte  der  Kreideperiode  trat  also  das  Meer 
über  seine  bisherigen  Ufer  hinaus  und  eroberte  weite  Landgebiete. 
Transgressionen  von  beschränktem  Umfange  gehören  zu  den  ge- 
wöhnlichen Ereignissen  der  Erdgeschichte,  ausgedehnte  sind  aber 
verhältnismäßig  selten;  die  mitteldevonische,  unterkarbonische,  mittel- 
jurassische und  oberkretacelsche  sind  die  bekanntesten.  Die  letztere 
scheint  die  größte  gewesen  zu  sein,  denn  ihre  Spuren  lassen  sich 
über  die  ganze  Erde  verfolgen. 

Zu  wiederholten  Malen  war  auch  das  Festland  ein  Schauplatz 
gewaltiger  Gebirgsfaltungen.  Zwar  sind  die  Äußerungen  der  inneren 
Erdkräfte  an  keine  bestimmten  Perioden  gebunden  und,  wie  die 
Erdbeben  uns  lehren,  eine  geradezu  alltägliche  Erscheinung,  aber 
trotzdem  hat  es  uns  Suess  im  hohen  Grade  wahrscheinlich  gemacht, 
daß  sie  in  gewissen  Zeitabschnitten  eine  größere  Intensität  erlangten. 
Solche  Faltungsepochen  waren  in  nacharchäischer  Zeit  das  jüngere 
Silur,  das  jüngere  Karbon  und  das  Tertiär.  Die  meisten  unserer 
Kettengebirge  stammen  aus  der  letzten  Epoche,  aber  wiederholt 
werden  wir  auch  den  Überresten  älterer  Schöpfungen  begegnen. 

Das  Ergebnis  des  sicher  Millionen  von  Jahren  dauernden  geo- 
logischen Entwicklungsprozesses  sind  die  heutigen  Formen  der  Erd- 
oberfläche, deren  Grundzüge  wir  im  nächsten  Abschnitte  zu  schildern 
versuchen  werden.  Aber  nicht  als  ein  endgültiges  Ergebnis  sind  sie 
aufzufassen,  sondern  auch  nur  als  ein  Durchgangsstadium.  In  An- 
betracht der  Ungeheuern  Länge  geologischer  Zeiträume  sind  unsere 
Karten  kaum  mehr,  als  Momentphotographien. 

Litteraturnach weise.  1 Besonders  empfehlenswerte  Lehrbücher  der 
Geologie  sind  H.  Cbednek,  Elemente  der  Geologie,  7.  Aufl.,  Leipzig  1891; 
Neumayr,  Erdgeschichte,  Leipzig  1887  (neue  Auflage  im  Erscheinen  begriffen); 


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Die  Grundzüge  der  Gestaltung  der  Erdoberfläche.  23 

Katser,  Lehrbuch  der  Geologie,  Stuttgart  1891 — 93.  Von  fremdsprachigen  Lehr- 
büchern sei  besonders  auf  de  Lapparent,  Traitc  de  Geologie,  3.  Aufl.,  Paris  1893, 
wegen  seiner  außerordentlichen  Reichhaltigkeit  und  steten  Rücksichtnahme  auf 
die  Bedürfnisse  des  Geographen,  und  auf  Dana,  Manual  of  Geology,  4.  Aufl., 
New  York  und  London  1895,  wegen  der  Berücksichtigung  amerikanischer  Ver- 
hältnisse aufmerksam  gemacht.  — ’ Scuenck,  Die  geologische  Entwicklung 
Südafrikas,  in  Petermanns  Mitteilungen,  1888.  — 3 Oldham,  Manual  of  the 
Geology  of  India,  2.  Aufl.,  Calcutta  1893.  — * SCss,  Das  Antlitz  der  Erde, 
Wien  1885  u.  1888. 


Die  Grundzüg'e  der  Gestaltung  der  Erdoberfläche. 

(Siehe  Karte  I und  II.) 

Verhältnis  von  Wasser  und  Land.1  Die  bekannten  Landmassen 
schätzt  man  nach  den  neuesten  Quellen  auf  rund  135  Mill.  qkm. 
Die  Zahl  ist  beständigen  und  ziemlich  beträchtlichen  Veränderungen 
unterworfen,  da  das  Kartenmaterial,  worauf  die  Flächenberech- 
nungen sich  gründen,  mit  dem  Fortschreiten  unserer  geographischen 
Kenntnisse  sich  fortwährend  verbessert.  Es  giebt  ja  noch  große 
Räume,  die,  soweit  die  historische  Kunde  reicht,  noch  kein  Mensch 
betreten  hat.  Im  arktischen  Gebiete  erreichte  Pebby  1827  unter 
ca.  20°  0.  82°  45'  B.,  Payer  1874  unter  ca.  581/,®  0.  82°  5' B., 
Markham  1876  unter  ca.  63°  W.  die  höchste  Breite:  83°  20';  auf  der 
anderen  Seite,  unter  156°\V.,  kam  die  unglückliche  „Jeanette“-Expedi- 
tion  nur  bis  77°14'B.  Im  ganzen  schätzt  man  hier  die  noch  unbe- 
kannte Fläche  auf  6,3  Mill.  qkm.  Um  den  Südpol  beträgt  sie  sogar 
16,2  Mill.  qkm;  Weddell  drang  hier  1823  unter  45° W.  nur  bis74°15', 
Ross  1842  unter  ca.  162°  W.  bis  78°10'B.  vor.  Wenn  wir  diese 
22,5  Mill.  qkm  unbekannten  Landes  von  der  Rechnung  ausschließen 
und  der  letzteren  die  BESSELSchen  Dimensionen  der  Erde  zu  Grunde 
legen,  so  erhalten  wir  für  die  Meeresfläche  352  */,  Mill.  qkm.  Das  Land 
nimmt  also  nur  27, s Prozent  der  bekannten  Erde  ein  und  verhält  sich 
zum  Meere  wie  1:2,8.  de  nachdem  wir  jene  unbekannten  Räume 
dem  Wasser  oder  Lande  zuweisen,  schwankt  der  prozentische  Anteil 
des  Landes  zwischen  26, s und  31, o,  und  das  Verhältnis  des  Landes 
zum  Wasser  zwischen  1 : 2,8  und  1 : 2,2.  Als  wahrscheinlichste  Werte 
nimmt  Wagner  neuerdings  an: 

Land  144  449  000  qkm  = 28,«  Proz. 

Wasser  365  501  000  „ =71,«  „ 

woraus  sich  ein  Verhältnis  von  Land  zu  Wasser  = 1 : 2,54  ergiebt 
Land  und  Wasser  sind  aber  ungleichmäßig  verteilt.  Die 
nördliche  Halbkugel  hat  40,  die  südliche  im  günstigsten  Falle 
nur  17  Prozent  Land,  und  in  demselben  Gegensätze  stehen  die 


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24 


Einleitung. 


östliche  Hemisphäre  mit  35  und  die  westliche  mit  20  (nach  Tillo 
mit  19)  Prozent  Land.  Die  nachstehende  Tabelle  zeigt  uns  ein  Über- 
gewicht des  Landes  nur  zwischen  70  und  40°  n.  B.  Dann  beginnt  die 
Herrschaft  des  Meeres;  zunächst  freilich  nur  allmählich,  und  zwischen 
1 0°  N.  und  30°  S.  bleibt  das  Verhältnis  von  Wasser  und  Land  nahezu 
konstant  Zwischen  30  und  60°  S.  liegt  die  eigentliche  Wasserzone; 


Tabelle  der  Verteilung  der  Land- und  Wasserflächen  inner- 
halb der  10°-Zonen,  in  Prozenten. 


nach  Heidekich 

nach 

Waokek 

Land 

W estl.  Halbkugc  1 
Land  Meer 

Östl.  Halbkugel 
Land  | Meer 

Ganze  Erde 
Land  Meer 

90—80°  N 

— 



- 1 

— 

(25) 

80—70 

39,« 

60,» 

25,«  | 74,i 

32,7 

67,3 

28  s 

70—60 

58,»* 

41,. 

83,»*  16,« 

71,5* 

28,5 

71,4 

60—50 

40,« 

59,. 

73,2*  26,8 

57,o* 

43,o 

56,9 

50—40 

i 33,b 

66,» 

70,7*  | 29,3 

52,2* 

47,8 

52,3 

40—30 

27,» 

72,« 

59,7*  40,3 

43,5 

56,5 

42,8 

30—20 

i 17,.  . 

82,. 

57,5*  42,5 

37,3 

62,7 

37,6 

20—10 

1 15,6 

84,t 

37,7  62,» 

26,7 

73,» 

26,3 

10—0 

16,t 

83,« 

29,5  70,5 

23,o 

77,o 

22,8 

0—10  S 

23,7 

76, s 

21,»  78,i 

22,8 

77,» 

23,« 

10—20 

20,5 

79,5 

24,5  1 75,5 

22,5 

77,5 

22,i 

20—30 

13,4 

: 86,. 

32,5  67,5 

22,8 

77,8 

23,i 

30—40 

9,. 

90,» 

11,»  88,3 

10,1 

89,» 

11,4 

40—50 

4,8 

95,» 

1,7  98,3 

3,3 

96,7 

3,8 

50—60 

2,. 

97,» 

0,o  100,o 

1,0 

99,o 

0,5 

60—70 

1,8 

98,2 

4,6  95,4 

3,2 

96,8 

(5) 

70—80 





J 



80—90 

— 

— 

— — 

— 

1 

} (50) 

zwischen  50  und  60°  S.  herrscht  das  Meer  viel  entschiedener  vor,  als 
zwischen  60  und  70°  N.  das  Land.  Die  Abnahme  des  Landes  nach 
S.  ist  auch  der  gemeinsame  Charakterzug  beider,  durch  den  Meridian 
von  Greenwich  getrennter  Halbkugeln,  in  beiden  tritt  aber  ein  dop- 
peltes Maximum  deutlich  hervor;  das  Haupt-Maximum  fällt  zwischen 
70  und  60°  N.,  das  sekundäre  liegt  im  W.  zwischen  0 und  10°  S., 
im  0.  aber  zwischen  20  und  30°  S.  Eine  eigentliche  Landzone  (mit 
mehr  als  50  Prozent  Land)  hat  aber  die  Westhemisphäre  nur  zwischen 
70  bis  60°  N.,  während  sie  auf  der  Ost-Halbkugel  über  50  Breitengrade, 
von  70  bis  20°  N.  sich  ausdehnt.  Nur  in  drei  Zonen,  80  bis  70°  N., 
10  bis  0°  N.  und  40  bis  60°  S.  übertriff't  die  westliche  Landfiäche 
die  östliche,  am  meisten  steht  sie  hinter  letzterer  zurück  zwischen 
20  und  30°  nördlicher  und  südlicher  Breite. 


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Die  Grundzüge  der  Gestaltung  der  Erdoberfläche. 


25 


Fig.  7.  Erdkarte  in  Steinhäuser»  Sternprojektion. 


Man  hat  die  Erde  auch  in  eine  Land-  und  eine  Wasserhalbkugel 
geteilt;  im  Pole  der  ersteren,  die  beinahe  alles  Tockene  der  Erd- 
oberfläche enthält,  liegt  London,  im  Pole  der  letzteren  die  Antipoden- 
insel bei  Neuseeland. 

Kreisförmig  umlagern 
die  großen  Kontinental- 
massen  das  arktische 
Binnenmeer:  Amerika 
dringt  bis  71°  50',  Eu- 
ropa bis  71°  10',  Asien 
bis  77°  42'  B.  vor;  von 
da  an  strecken  sie  mit 
abnehmender  Breiten- 
entwickelung polypen- 
artig ihre  Arme  nach 
Süden  aus,  um  auf  der 
südlichen  Hemisphäre 
in  drei  Spitzen  zu  enden : 

Südamerika  in  56°,  Au- 
stralien mit  Tasmanien 
in  43°  40',  Afrika  sogar 
schon  34°  51'  B.  Dagegen  hat  der  Ozean  seine  Heimat  auf  der  süd- 
lichen Halbkugel,  wo  das  Antarktische  Eismeer,  die  Südsee  und  der 
Indische  Ozean  den  Stamm  einer  zusammenhängenden  Wasserfläche 
bilden,  die  in  zwei  Armen,  dem  Nordpazifischen  und  dem  Atlantischen 
Ozean  mit  dem  Arktischen  Meere,  auf  die  Nordhemisphäre  über- 
greift. 

Im  Gegensätze  zur  ununterbrochenen  Meeresfläche  erscheint  das 
Trockene  allerdings  in  der  Form  von  getrennten  Massen,  Kontinenten 
und  Inseln,  von  denen  aber  die  letzteren  — nur  7,2  Prozent  der 
ganzen  bekannten  Landfläche  — eine  verhältnismäßig  untergeordnete 
Rolle  spielen.  Doch  ist  es,  dank  der  nahen  Aneinanderrückung  der 
Kontinente  au  ihrer  arktischen  Breitseite,  möglich,  von  jeder  Süd- 
spitze  eines  Südkontinentes  zu  den  beiden  anderen  zu  reisen,  ohne 
das  Land  aus  den  Augen  zu  verlieren.  Die  Beringstraße,  die  Asien 
von  Amerika  trennt,  ist  nur  1 */,  Längengrade  (111  km)  breit  Zwischen 
Neufundland  und  Irland  erstreckt  sich  allerdings  der  Ozean  über 
48  Längengrade  oder  3300km,  aber  zwischen  Grönland  und  Nor- 
wegen engt  er  sich  schon  auf  1500  km  ein.  Wie  ganz  anders  ge- 
stalten sich  die  Verhältnisse  an  den  Ausläufern  der  Kontinente!  Das 
Kap  Hoorn  ist  vom  Kap  Agulhas  89,  das  letztere  vom  South  Cape 
137,  und  dieses  vom  Kap  Hoorn  144  Längengrade  entfernt. 


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26 


Einleitung. 


Einteilung  des  Ozeans.  Gewöhnlich  unterscheidet  man  fünf  Kon- 
tinente und  fünf  Ozeane.  Untersuchen  wir,  ob  dies  in  der  Natur 
begründet  ist  Die  offizielle  Einteilung  des  Weltwassers  grenzt 
zunächst  die  beiden  Eismeere  von  den  übrigen  Ozeanen  durch  die 
Polarkreise  ab;  und  da  die  südlichen  Festländer  schon  in  niederen 
Breiten  enden,  so  werden  die  kontinentalen  Grenzen  des  Atlan- 
tischen, Indischen  und  Großen  oder  Pazifischen  Ozeans  durch 
die  Meridiane  der  drei  Südspitzen  (67°  W.,  20°  und  146°  0.  Gr.)  bis 
zum  südlichen  Polarkreise  ergänzt. 

Aber  Meridiane  und  Polarkreise  sind  keine  natürlichen  Grenzen, 
und  doch  lassen  sich  morphologische  Gesichtspunkte,  die  uns  bei  der 
Einteilung  des  Festlandes  leiten,  auch  hier  zur  Geltung  bringen.  So  ist 
die  Südgrenze  des  Arktischen  Meeres  durch  eine  Reihe  von  untersee- 
ischen Bodenanschwellungen  gegeben,  und  wir  werden  in  einem  späteren 
Kapitel  nachweisen,  welchen  Einfluß  sie  auch  auf  die  Verteilung  der 
Tiefentemperatureu  haben.  Auf  der  pazifischen  Seite  ist  die  Bering- 
straße schon  oberflächlich  eine  gute  Grenze,  ihre  Bedeutung  wird 
aber  noch  verstärkt  durch  ein  submarines  Plateau,  das  sich  vom 
asiatischen  Ostkap  über  die  Diomedes-  und  Krusenstern-Insel  zum 
Kap  Prinz  von  Wales  hinüberzieht.  Auf  der  atlantischen  Seite  finden 
wir  solche  Bodenschwellen  unter  dem  Polarkreise  zwischen  Baffin- 
land uud  Grönland,  und  eine  zweite,  besonders  wichtige,  die  von  der 
grönländischen  Ostküste  über  Island  und  die  Färöer  zu  den  Shet- 
land-Inseln hinüberstreicht;  von  hier  bis  zur  Südwest-Spitze  Norwegens 
ist  die  Grenze  freilich  nur  eine  künstliche.  Die  Nordgrenze  des 
Antarktischen  Meeres  wird  morphologisch  durch  die  Loxodromenx 
gebildet,  die  die  Südspitzen  der  drei  südlichen  Erdteile  miteinander 
verbinden.  Dieses  Meer  ist  das  einzige , das  ohne  kontinentale 
Schranken  und  wahrscheinlich  nur  von  kleineren  Inseln  unterbrochen 
die  ganze  Erde  umgiebt,  es  ist  der  circumterrane  Ozean  im  Gegen- 
sätze zu  den  interkontinentalen. 

Für  einen  physiologischen  Einteilungsgrund  trat  Kümmel2  ein. 
Danach  giebt  es  nur  drei  Ozeane  mit  selbständigen  Systemen  von 
Meeresströmungen.  Die  Grenzmeridiane  der  offiziellen  Einteilung 
werden  beibehalten,  aber  bis  zum  Südpol  oder  bis  zu  den  Spitzen 
des  hypothetischen  Kontinentes  am  Südpol  verlängert.  Das  Südliche 
Eismeer  verschwindet  somit  ganz  aus  der  Liste  der  Ozeane,  während 
das  Nördliche  zu  einem  Dependenten  des  Atlantischen  Ozeans  herab- 
sinkt. Da  wir  aber  über  das  Antarktische  Meer  und  seine  Strö- 

x Die  Loxodromen,  die  alle  Meridiane  unter  gleichem  Winkel  schneiden, 
erscheinen  nur  auf  Karten  in  Mekcatobs  Projektion  als  Gerade. 


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Die  Grundzüge  der  Gestaltung  der  Erdoberfläche.  27 

mungen  noch  wenig  wissen,  so  empfiehlt  sich  diese  Einteilung  derzeit 
noch  nicht. 

Karstens3  verdanken  wir  eine  neue  Berechnung  des  Flächen- 
inhaltes der  einzelnen  Ozeane  innerhalb  der  offiziellen  Grenzen.  Er 
fand  für  das  Arktische  Eismeer  12,s,  für  den  Atlantischen  Ozean  90, 
für  den  Indischen  74,  für  den  Pazifischen  175,4,  und  für  das  Südliche 
Eismeer  15,s  Mill.  qkm. x Der  Pazifische  Ozean  ist  also  fast  um  das 
Areal  Asiens,  des  gewaltigsten  Kontinentes,  größer,  als  das  gesamte 
Festland  der  Erde.  Es  bedeckt  am  Äquator  die  Hälfte  unseres 
Planeten,  ist  noch  unter  44°  S.  11300  km  breit,  verengt  sich  aber 
am  Nordende  auf  111  km.  Der  Indische  Ozean  wiederholt  im  ab- 
geschwächten Maße  die  Gestalt  der  Südsee,  während  der  Atlan- 
tische thalförmig  zwischen  der  alten  und  neuen  Welt  eingebettet  ist. 
Seine  Breite  ist  ziemlich  gleichmäßig,  wenn  man  sie  nach  Parallel- 
graden mißt;  nach  km  gemessen,  zeigen  sich  aber  erhebliche  Unter- 
schiede. So  beträgt  die  Breite  unter  35°  S.  6800,  unter  25°  N.  7300, 
unter  65 u N.  aber  nur  3800  km,  und  außerdem  wird  hier  die  Meeres- 
fläche noch  durch  Grönland  unterbrochen. 

Einteilung  des  Festlandes.  Die  Weltkarte  zeigt  uns  zwei  große 
zusammenhängende  Kontinentalmassen,  eine  West-  und  eine  Ost- 
feste,  wovon  die  erstere  31,  die  letztere  69  Prozent  alles  Trockenen 
umfaßt  Wir  zählen  zur  letzteren  auch  Australien,  das  trotz  seiner 
insularen  Lage  mit  der  alten  Welt  durch  eine  ununterbrochene 
Inselkette  verbunden  ist  Neben  dem  Gegensätze  der  alten  und 
neuen  Welt  fällt  uns  aber  auch  sofort  der  zwischen  den  Nord- 
und  Südkontinenten  in  die  Angen;  sie  werden  durch  eine  große 
Bruchzone  (s.  Fig.  7),  die  vom  europäischen  Mittelmeere  zu  den 
west-  und  ostindischen  Inselmeeren  hinüberfuhrt,  voneinander  ge- 
schieden. Dies  führt  uns  zur  Frage  nach  den  Grenzen  der  Erdteile, 
wobei  wir  vorläufig  von  dem  insularen  Zugehör  absehen  wollen. 

Von  allen  Kontinenten  ist  nur  Australien  ringsum  von  Meer 
umflossen  und  bildet  gleichsam  ein  Mittelglied  zwischen  Insel  und 
Erdteil.  Diese  Isolierung  verleiht  ihm  eine  ausgeprägte  Individualität, 
und  dieser  Charakterzug  wird  noch  durch  den  Umstand  verschärft, 
daß  die  Abtrennung  von  Asien  wahrscheinlich  schon  vor  der  Tertiärzeit 
erfolgte,  wie  man  aus  der  altertümlichen  Tracht  seiner  Säugetierwelt 
schließen  darf.  Wohl  ist  auch  Amerika,  irrtümlich  als  ein  einziger 
Erdteil  bezeichnet,  allseitig  von  Wasser  umgeben,  aber  schon  ein 
flüchtiger  Blick  auf  die  Kart  läßt  ihn  als  Doppelkontinent  er- 

x Die  daraus  sich  ergebende  Summe  ist  um  3,8  Mill.  qkm  größer,  als  die 
von  Wauner  (S.  28)  angenommene,  was  sich  aus  abweichenden  Ansichten  über 
die  Ausdehnung  der  polaren  Länder  erklärt. 


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28 


Einleitung. 


kennen.  An  verschiedenen  Stellen  des  Mittelgliedes  wird  der  west- 
liche Hochgebirgswall  vollständig  unterbrochen;  die  granitischen 
Gesteine  und  krystallinischen  Schiefer  verschwinden,  und  an  ihre 
Stelle  treten  vulkanische  Gesteine  mit  submarinen  Konglomerat- 
und  Tuffbildungen  und  jungen  Anschwemmungsmassen.  Die  Wasser- 
scheide erniedrigt  sich  auf  der  Landenge  von  Tehuantepec  auf 
208,  beim  Hafen  von  Brito  auf  46  (13  m über  dem  Nicaragua- 
See),  zwischen  Aspinwall  und  Panama  auf  87,  auf  dem  Isthmus 
von  Darien  zwischen  dem  Caquirri  und  der  Paya  auf  142,  in 
der  Provinz  Choco  zwischen  dem  Mittelläufe  des  Rio  Atrato  und 
der  Mündung  des  Rio  Jurador  auf  154,  endlich  im  Westen  von 
Cupica  auf  186  m.  So  trennen  die  Isthmen  von  Tehuantepec  und 
Panama  mit  dem  zentralamerikanischen  Zwischenstücke  Nord-  und 
Südamerika  nicht  minder  scharf,  wie  die  Landenge  von  Sues 
Afrika  und  Asien;  nur  ist  die  Hoffnung,  daß  wie  hier,  so  auch  bei 
Panama  ein  Kanal,  statt  der  nur  72,6  km  langen  Eisenbahn  beide 
Ozeane  verbinden  werde,  leider  in  weite  Feme  gerückt.  Daß  noch 
in  junger  geologischer  Vergangenheit  natürliche  Kanäle  beide  Kon- 
tinente schieden,  Kanäle,  die  durch  submarine  Eruptionen  in  der 
Tertiärzeit  und  durch  Hebungen  (worauf  die  1 6 — 34  0 starke  Neigung 
der  Tertiärschichten  im  Innern  der  Pauamaenge  hindeutet)  verstopft 
wurden,  das  beweist  die  auffallende  Übereinstimmung  der  Seefische 
und  die  nahe  Verwandtschaft  der  Meeres-Mollusken  zu  beiden  Seiten 
des  Isthmus  von  Panama.  Morphologisch  endet  Nordamerika  schon 
bei  der  Enge  von  Tehuantepec,  und  auch  der  faunistische  Charakter 
Zentral-Amerikas,  das  seine  Tierwelt  hauptsächlich  vom  Südkontinente 
empfing,  führt  zu  dieser  Grenzbestimmung. 

Zwischen  Europa,  Asien  und  Afrika  liegen  Teile  der  großen 
Bruchzone,  das  Mittelmeer  und  die  Grabensenkung  des  Roten  Meeres, 
und  nur  im  Sues-Isthmus  findet  ein  schmaler  Landzusammenhang 
statt  Nach  Th.  Fuchs’4  genauen  Untersuchungen  besteht  dieser 
Isthmus  aus  rezenten  Bildungen  von  meist  lockerer  Beschaffenheit, 
wodurch  die  Anlage  des  Kanals,  der  nur  südlich  von  den  Bitterseen 
eine  feste  Gipsbank  durchbricht,  wesentlich  gefördert  wurde.  Den 
nördlichen  Teil  bedecken  Ablagerungen  des  Mittelmeeres,  den  süd- 
lichen Ablagerungen  des  Roten  Meeres,  zwischen  beiden  schiebt  sich 
ein  Streifen  von  Nilsedimenten  ein.  Der  zur  Hälfte  ausgetrocknete 
Mensaleh-See  und  die  in  Marschland  verwandelten  Seen  von  Ballah 
sind  ebenso  abgetrennte  Stücke  des  Mittelmeeres,  wie  die  Bitterseen, 
die  bis  zur  Durchstechung  des  Kanals  trocken  lagen,  Reste  des  Roten 
Meeres  sind,  mit  dem  sie  vielleicht  noch  in  geschichtlicher  Zeit 
verbunden  waren.  Alles  drängt  uns  zu  dem  Schlüsse,  daß  die  Ver- 


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Die  Grundzüge  der  Gestaltung  der  Erdoberfläche.  29 

einigung  von  Asien  und  Afrika  erst  in  der  geologischen  Gegenwart 
sich  vollzog.  Aber  dem  widerspricht  die  fundamentale  Verschieden- 
heit der  Faunen  des  Roten  und  Mittelmeeres,  die  erst  seit  der 
Eröffnung  des  Kanals  durch  Hin-  und  Herwanderungen  zu  schwinden 
beginnt  — ein  Beweis,  daß  nicht  verschiedene  Lebensbedingungen, 
sondern  nur  ein  feste  Barriere  die  frühere  Vermischung  verhinderte. 

Während  Australien  völlig  isoliert  ist,  Asien  und  Afrika  wie 
Nord-  und  Südamerika  nur  durch  schmale  Landbrücken  Zusammen- 
hängen, erscheint  der  fünfte  Kontinent,  Europa,  nur  als  eine  große 
asiatische  Halbinsel.  Fügen  wir  noch  hinzu,  daß  er  die  Flora  und 
Fauna  mit  den  benachbarten  Gegenden  Asiens  teilt,  so  scheint  er 
jede  Berechtigung  seiner  kontinentalen  Selbständigkeit  eingebüßt  zu 
haben.  In  der  That  verdankt  er  seine  Würde  zunächst  nur  der 
eigenartigen  und  hohen  Kultur  seiner  Bewohner,  und  es  wäre  ebenso 
kleinliche  Pedanterie,  wie  vergebliche  Mühe,  wollte  man  ihn  jetzt 
zum  asiatischen  Anhängsel  degradieren.  Die  Landesgrenze,  die  mit 
der  Kultur  immer  weiter  nach  Osten  rückte,  ist  freilich  schwankender 
Natur.  Eine  gute  Marke  bildet  nur  das  Uralgebirge,  während  der 
Uralfluß  lediglich  nur  eine  konventionelle  Grenze  ist  Im  Südosten 
ragt  zwar  auch  ein  Gebirge  empor,  aber  mit  besseren  Gründen,  als 
auf  den  Kamm  des  Kaukasus,  verlegen  wir  die  Grenze  in  die 
Manytsch-Niederung,  wo  die  Wasserscheide  zwischen  dem  Schwarzen 
und  Kaspischen  Meere  nur  10  m über  dem  Spiegel  des  ersteren 
liegt,  und  noch  in  junger  geologischer  Vergangenheit  ein  natürlicher 
Kanal  beide  Wasserbecken  verband. 

Um  die  Selbständigkeit  Europas  auch  morphologisch  zu  be- 
gründen, hat  man  darauf  hingewiesen,  daß  es  wie  Asien  in  drei 
Halbinseln  ausläuft.  Man  hat  dies  überhaupt  als  einen  gemeinsamen 
Zug  der  Nordkontiuente  bezeichnet,  aber  schon  die  Ungleichheit  des 
Baues  und  der  Entwickelungsgeschichte  der  asiatischen  und  euro- 
päischen Halbinseln  belehrt  uns,  daß  die  Dreizahl  nichts  mehr  ist 
als  eine  Zufälligkeit;  abgesehen  davon,  daß  mau  sie  bei  Nordamerika 
nur  dadurch  retten  kann,  daß  mau  Mexico  erst  bei  dem  Zusammen- 
schlüsse mit  Südamerika  seine  Halbinselnatur  einbüßeu  läßt.  Auffallen- 
der ist  die  Zuspitzung  Südamerikas  und  Afrikas;  nur  bei  Australien 
wurde  durch  die  Abtrennung  Tasmaniens  diese  Eigentümlichkeit 
etwas  verwischt.  Auch  sonst  haben  die  Südkontinente  manche  ge- 
meinsame Züge.  So  entspricht  die  flache  Bucht  von  Arica  dem 
Busen  von  Guinea  und  dem  Australischen  Golfe,  und  es  ist  be- 
merkenswert, wie  die  Größe  dieser  Einschnitte  gegen  Osten  stetig 
zunimmt 

Sehen  wir  von  dem  insularen  Zubehör  vorläufig  ganz  ab,  so 


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30 


Einleitung. 


erhalten  wir  für  die  Areale  der  Kontinente  folgende  abgerundete 
Zahlen: 


Nordamerika  20, o Mill.  qkm. 

Europa  9,2  „ „ 

Asien  41,»  „ „ 

Nordkontinente  70, i „ ,, 

(56  Prozent). 


Südamerika  17, e Mill.  qkm. 

Afrika  29,  a „ „ 

Australien  7,«  „ „ 

i Südkontinente  54, t „ ., 

(44  Prozent). 


In  Bezug  auf  die  geographische  Lage  entspricht  stets  ein  Nord- 
kontinent einem  Siidkontinente.  Aber  in  ihren  gegenseitigen  Größen- 
verhältnissen weicht  jedes  Paar  von  den  anderen  ab.  Europa-Afrika 
und  Asien- Australien  stellen  die  Extreme  dar,  zwischen  denen  die 
fast  gleich  großen  amerikanischen  Zwillinge  vermitteln. 

Oberflächengestaltung  des  Festlandes.  Wie  sehr  die  üblichen 
Grenzen  zwischen  Europa,  Asien  und  Afrika  nur  konventionelle  sind, 
ersieht  mau  am  besten  daraus,  daß  die  Hauptformen  ihrer  Bodengestal- 
tung sich  darüber  hinwegsetzen.  Der  hervorstechendste  Zug  der  alten 
Welt  ist  der  große  Hochland gürtel,  der  in  ostwestli eher  Richtung 
die  drei  Erdteile  miteinander  verbindet,  die  große  Achse  dieser  zu- 
sammenhängenden Festlandsmasse.  Er  beginnt  im  W.  mit  dem  iso- 
lierten Felsengebirge  der  Pyrenäen  und  zerbrochenen  Gliedern  des 
europäischen  Alpensytems,  dessen  Aste  sich  nach  W.  über  die  Apenninen 
nach  dem  Atlas  und  der  südspanischen  Sierra  Nevada  verzweigen, 
während  im  0.  die  Gebirge  der  westlichen  Balkanhalbinsel,  die 
Karpaten  und  der  Balkan  fester  mit  ihm  Zusammenhängen.  Dann 
folgt,  abermals  nach  einer  Unterbrechung,  der  Kaukasus  mit  dem 
taurischen  Jailagebirge  und  endlich  die  gewaltigen  Hochländer  Asiens, 
von  mächtigen  Gebirgen  umschlossen  und  zum  Teil  auch  erfüllt,  nach 
0.  an  Ausdehnung,  wie  an  Seehöhe  wachsend.  Die  Glieder  dieser 
zusammenhängenden  Zone  sind  das  kleinasiatische  Hochland,  im 
S.  vom  Taurus  begrenzt,  das  armenische  Hochland,  das  iranische 
Dreieck  und  endlich  Zentralasien.  Ein  verhältnismäßig  schmaler 
Gebirgsarm,  der  Hindukusch,  verbindet  es  mit  Iran;  aber  gerade 
hier,  im  W.,  verschlingen  sich  mehrere  Gebirge  auf  das  engste,  um 
dann  nach  verschiedenen  Richtungen  auszustrahlen:  der  Himalaja 
mit  seinem  Parallelzug,  dem  Karakorum,  das  höchste  Gebirge  der 
Erde;  der  Kuenlun,  die  Pamir  und  der  Tianschan.  Himalaja  und 
Kuenlun  schließen  die  tibetanischen  Hochflächen  ein,  die  größte 
Bodenanschwellung  unseres  Planeten,  fast  so  hoch  gelegen,  wie  die 
Spitze  der  Jungfrau  und  der  anderen  Kolosse  des  Berner  Oberlandes. 
Niedriger  (800 — 1000  m)  ist  die  nördliche  Stufe  Centralasiens,  für 
die  jetzt  der  chinesische  Name  Hanhai  (das  Meer)  sich  eingebürgert 
hat  Auch  ist  hier  der  Gebirgsrahmen  nicht  so  hoch  und  lücken- 


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Die  Grundzüge  der  Gestaltung  der  Erdoberfläche.  31 

hafter,  und  zwischen  den  scherenformig  auseinander  tretenden 
Tianschan  und  Altai  öffnet  sich  im  W.  ein  bedeutsames  Völkerthor. 

Kleinasien -Armenien  hat  unter  40°  0.  eine  Breite  von  400  km 
(Distanz  Berlin-Frankfurt  a.  M.),  Iran  unter  60°  0.  eine  Breite  von 
1300  km  (Distanz  Berlin -St.  Petersburg),  Zentralasien  unter  90°  0. 
eine  Breite  von  3000  km  (Distanz  Berlin  bis  zum  Ural  unter  gleicher 
Breite).  Dieses  immer  weitere  Auseinandertreten  der  Gebirge  endet 
im  0.  mit  einer  großen  gabelförmigen  Teilung,  indem  das  sibirische 
Gebirge  nach  NO.  bis  zum  Ostkap  an  der  Beringstraße,  das  hinter- 
indische nach  S.  und  endlich  auf  Sumatra  und  Java  über  SO.  nach 
0.,  dann  nach  S.  sich  wendet  und  mit  Neuseeland  abschließt  Inner- 
halb dieser  Gabel  liegen  die  zerrissenen  Gebirgsbogen  der  ostasiati- 
schen Inselwelt 

Zentralasien  und  Iran  umschließen  weite  trockene  Hochflächen. 
Dieser  Teil  des  Hochlandgürtels  ist  zugleich  Wüstengürtel.  Das 
schmale  Kleinasien  steht  schon  unter  günstigeren  Bedingungen,  aber 
abflußlose  Becken  zeugen  noch  immer  vom  binnenländischen  Mangel 
an  Niederschlägen.  Erst  im  Bereiche  de§  Mittelmeeres  tritt  völlige 
Auflösung  ein,  und  nur  in  den  Donausenken  finden  wir  noch 
schwache  Anklänge  an  asiatische  Verhältnisse.  An  die  Stelle  des 
Hochlandgürtels  tritt  ein  anderes  orographisches  Element  als  tren- 
nende Schranke:  die  große  Wüstentafel,  die  Arabien,  Syrien  und 
die  Sahara  samt  Ägypten  umfaßt 

Diese  breite  Zone  voll  hoher  Gebirge  und  ausgebreiteter  Wüsten, 
die  nur  im  Roten  Meere  und  in  der  Suesenge  eine  Unterbrechung 
erleidet,  scheidet  die  alte  Welt  in  drei  große  Abschnitte:  den  mitter- 
nächtigen, den  mittägigen  und  den  morgenländischen.  In  jedem  hat 
sich  eine  eigenartige  Kultur  entwickelt:  die  antik-christliche,  die 
indische  und  die  chinesische.  Erst  die  entwickelte  ozeanische  Schiff- 
fahrt des  15.  Jahrhunderts  bewältigte  die  Wüstenschranke,  indem 
sie  sie  umging;  mit  diesem  Zeitpunkte,  der  zugleich  auch  die  atlan- 
tische Schranke  durchbrach  und  uns  Amerika  schenkte,  beginnt 
eigentlich  erst  die  weltgeschichtliche  Entwicklung  der  Menschheit. 

Den  mitternächtigen  Abschnitt  erfüllt  das  große  paläark- 
tische  Flachland,  das  man  wohl  auch  das  russische  nennen  dürfte, 
weil  es  mit  ganz  geringfügigen  Ausnahmen  unter  dem  Szepter  des 
Zaren  steht  Es  umfaßt  den  größten  Teil  des  europäischen  Rußlands, 
Sibiriens  und  Turans.  Gerade  unter  jenen  Längengraden,  wo  es 
am  tiefsten  nach  S.  eingreift,  erhebt  sich  daraus  das  Uralgebirge, 
aber  ohne  es  völlig  in  zwei  Hälften  zu  trennen.  Das  westliche 
Europa  ist  verhältnismäßig  niederes  Bergland  oder  Ebene,  aber  die 
Berge  sind  anders  gestaltet,  als  die  langen  Faltenzüge  des  Hochland- 


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32 


Einleitung. 


gürtels,  denen  äußerlich,  an  Länge  und  Höhe,  nur  das  skandi- 
navische Gebirge  nahekommt.  Die  Zerteilung  in  kleine  Berg- 
massen und  Bergketten  mit  eingestreuten  Ebenen  und  Hügelländcheu, 
die  stellenweise  bis  zur  insularen  Auflösung  fortgeschritten  ist,  ver- 
leiht dem  westlichen  Europa  einen  hohen  Grad  der  Aufgeschlossen- 
heit, und  dazu  kommt  noch,  daß  — abermals  mit  Ausnahme  des 
skandinavischen  Gebirges  — die  Bergzüge  mehr  oder  weniger  senk- 
recht zur  Küste  streichen  und  der  Meeresluft  ungehinderten  Eingang 
gewähren. 

Die  mittägige  Seite  umfaßt  zwei  alte  Festlandmassen,  das 
tafelförmige  Australien  mit  aufgebogenem  Ostrande  und  die 
indisch-afrikanische  Provinz,  die  jetzt  in  drei  Hauptstücke  zer- 
fällt: Dekan,  Madagaskar  und  Afrika  jenseits  des  Äquators.  Das 
letzere  besteht  aus  den  vier  Becken  des  Niger,  des  Tsadsees,  des 
Kongo  und  dem  Sambesi-Kalahari-Becken.  Am  schärfsten  ist  diese 
Beckennatur  im  äquatorialen  und  südlichen  Afrika  ausgebildet,  wo 
eine  breite,  über  1 000  m hohe  Landschwelle  den  Kongo  und  Sambesi 
trennt  Bald  ist  der  West-,  bald  der  Ostrand  höher;  die  Flüsse, 
die  sich  im  Innern  breit  entwickeln,  gelangen  nur  durch  schmale, 
stufenförmig  ahstürzende  Tliäler  zum  Meere ; und  so  gesellt  sich  zur 
plumpen,  gliederlosen  Gestalt  ein  schweres  orographisches  Hindernis, 
das  erst  die  kühnen  Entdeckerthaten  der  letzten  vierzig  Jahre  über- 
wanden. 

Die  östliche  Randzone,  vom  Polarkreise  bis  über  den  Äquator 
sich  erstreckend,  hat  keine  einheitlichen  orographischen  Züge.  Auf 
den  ochotskischen  Küstenstrich  folgt  das  mandschurische  Becken 
und  endlich  das  chinesische  und  hinterindische  Bergland  mit  seinen 
breiten  Anschwemmungsebenen  am  Unterlaufe  der  Flüsse.  Einheitlich 
ist  nur  die  horizontale  Gliederung,  das  tiefe  Eindringen  des  Meeres 
und  die  Inselguirlanden,  die  eine  fast  ununterbrochene  Vorposten- 
kette des  größten  Festlandes  gegen  den  größten  Ozean  bilden. 

Auch  die  neue  Welt  hat  ihren  Hochlandgürtel,  aber  dieser 
erstreckt  sich,  entsprechend  der  Hauptachse  des  amerikanischen  Fest- 
landes, in  meridionaler  Richtung,  und  nicht  ununterbrochen  durch 
beide  Kontinente,  wie  schon  auf  S.  28  ausführlicher  dargelegt  wurde. 
Es  erinnert  einigermaßen  an  alpine  Verhältnisse,  wenn  wir  sehen, 
wie  die  Cordillere  von  Columbia  fächerförmig  auseinandertritt  und 
mit  ihrem  vielfach  zerstückelten  Ostarm  einen  großen  Bogen  über 
die  Küstenkette  von  Venezuela,  die  Antillen  und  die  westlich  strei- 
chenden Bergzüge  von  Guatemala  beschreibt.  Auch  in  Amerika 
schwillt  der  Hochlandgürtel  stellenweise  bedeutend  an,  indem  sich, 
wie  in  Asien,  Hochflächen  zwischen  die  Randgebirge  einschalten; 


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Die  Grandzüge  der  Gestaltung  der  Erdoberfläche.  33 

aber  während  er  sich  in  der  alten  Welt  konstant  nach  einer  Rich- 
tung verschmälert,  erreicht  er  in  der  neuen  Welt  zwei  Breiten- 
maxima,  in  jedem  Kontinent  eines.  Aber  keine  Anschwellung  kann 
sich  mit  der  zentralasiatischen  messen.  Die  nördliche,  unter  40°  N., 
die  das  abflußlose  wiiste  „Große  Becken“  und  das  Coloradoplateau 
einschließt,  ist  nur  1600  km  (Distanz  Berlin — Moskau),  die  südliche 
oder  bolivianische,  unter  20°  S.,  sogar  nur  750  km  (Distanz  Berlin  — 
Triest)  breit  Der  entschiedenste  Unterschied  zwischen  den  beiden 
Hochlandgürteln  der  Erde  besteht  aber  darin,  daß  der  amerikanische 
fast  unmittelbar  aus  dem  Ozean  emporsteigt:  fast  alles  Festland 
dacht  sich  zum  Atlantischen  Ozean  ab,  die  pazifische  Seite  ist  nur 
ein  schmaler  Küstenstrich.  Dafür  fehlt  hier  ein  so  scharfer  klima- 
tischer Gegensatz  zwischen  der  gemäßigten  und  kalten  Mittemachts- 
und der  tropischen  Mittagsseite,  wie  er  die  alte  "Welt  auszeichnet 

Steigen  wir  in  Südamerika  von  der  Cordillere  nach  Osten  herab, 
so  gelangen  wir  in  eine  breite  wasserreiche  Tiefebene,  dann  erhebt 
sich  der  Boden  wieder  und  senkt  sich  endlich  zur  östlichen  Küste. 
Die  atlantische  Seite  hat  also  die  Form  einer  Mulde,  deren  tiefste 
Teile  unter  dem  mexicanischen  Golf  und  der  Caribischen  See  be- 
graben liegen.  So  scharf  ist  diese  mittlere  Furche  ausgeprägt,  daß 
selbst  die  Wasserscheiden  zwischen  den  nach  Norden  und  Süden 
fließenden  Strömen  fast  oder  ganz  verschwinden.  Aber  der  Ostrand 
der  Mulde,  Brasilien-Guyana,  ist  nicht  nur  wesentlich  niederer 
als  der  westliche  Hochlandgürtel,  sondern  auch  durchbrochen,  und 
zwischen  den  einzelnen  Randstücken  tritt  die  mittlere  Tiefebene  in 
breiten  Streifen  bis  an  das  atlantische  Gestade  und  leitet  die  Haupt- 
ströme in  dieser  Richtung  ab. 

Die  Oberfläche  Nordamerikas  ist  sehr  ähnlich  geformt,  nur  kann 
man  hier  mehr  von  einer  mittleren  Furche,  als  von  einer  breiten 
Mulde  sprechen.  Mississippi  und  Mackenzie  nehmen,  nach  entgegen- 
gesetzten Seiten  strömend,  diese  Furche  ein.  Östlich  steigt  der 
Boden  der  Prärien  allmählich  bis  zum  Fuße  des  Felsengebirges, 
der  in  beträchtlicher  Seehöhe  liegt,  an;  im  Osten  unterscheiden  wir 
eine  Appalachen-  und  eine  Hudson-Provinz.  Die  erstere  ist  eine 
mäßige  Hochfläche,  östlich  begrenzt  von  den  Alleghanies,  die  der 
Lage  nach  zwar  den  brasilianischen  und  Guyana-Hochmassen  ent- 
sprechen, aber  zum  Unterschiede  von  diesen  ein  Kettengebirge  sind. 
Nach  Osten  folgt  dann  eine  breite  Küstenebene.  Die  Hudson-Provinz 
zeigt  eine  auffallende  Ähnlichkeit  mit  Skandinavien;  beide  bestehen 
aus  den  ältesten  Gesteinen  und  umschließen  flache,  mit  Wasser 
erfüllte  Senken,  die  Hudsonbai  und  die  Ostsee.  Suess  hat  diese 
Geländeform  treffend  mit  der  Innenseite  eines  Schildes  verglichen. 

Supaä  , Physische  Erdkunde.  2.  Aufl.  3 


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34 


Einleitung. 


Zu  den  bisher  genannten  morphologischenProvinzen  kommen 
noch  drei  insulare:  die  Südsee,  die  arktische  und  die  antarktische. 
Nur  die  letztere  enthält  wahrscheinlich  auch  einen  Kontinent. 

Diese  Einteilung,  die  unserer  Darstellung  auf  Karte  II  zu 
Grunde  liegt,  sieht  von  den  üblichen  Kontinentalgrenzen  völlig  ab, 
ohne  sie  verdrängen  zu  wollen.  Die  Anregung  dazu  haben  wir 
aus  Suesb’  epochemachendem  Werke  über  das  „Antlitz  der  Erde“ 
empfangen,  doch  sind  wir  dabei  in  erster  Linie  von  morphologischen 
Gesichtspunkten  ausgegangen,  und  wir  werden  dies  in  einem  späteren 
Abschnitte  ausführlicher  zu  begründen  haben.  Die  morphologische 
Gleichartigkeit  wird  aber  bedingt  durch  ähnliche  entwicklungsge- 
schichtliche Schicksale.  So  sind,  wie  wir  später  sehen  werden,  die  Hoch- 
landgürtel der  Hauptsache  nach  große  Faltungszonen,  wenn  auch 
der  Faltungsprozeß  nicht  in  allen  Teilen  sich  gleichzeitig  vollzogen  hat 
Manche  Provinzgrenzen  mögen  freilich  noch  anfechtbar  sein,  so  be- 
sonders der  Umfang  unserer  ostasiatischen  Provinz,  die  vielleicht 
besser  in  eine  kontinentale  und  eine  insulare  zu  scheiden  wäre. 
Trotzdem  konnten  wir  uns  nicht  entschließen,  die  Zahl  der  Pro- 
vinzen zu  vermehren;  denn  je  spezieller  Einteilungen  werden,  desto 
mehr  verlieren  sie  an  Übersichtlichkeit,  und  das  wäre  gerade  den 
Zwecken  unseres  Buches  wenig  forderlich. 

Neben  dem  Gegensätze  der  alten  nnd  neuen  Welt  tritt  auch 
der  zwischen  der  atlantischen  und  pazifischen  Welt  deutlich 
hervor.  Von  der  Cordillerenkette  bis  zum  Nordllügel  des  ostasia- 
tischen Fächers  reicht  die  atlantische  Welt,  auch  Afrika  öffnet  seine 
Hauptpforten  dem  atlantischen  Meeresgebiete.  Wie  schmal  sind  da- 
gegen die  kontinentalen  Bezirke  der  pazifischen  Welt,  und  nachdem 
sie  sich  im  Norden  fast  berührt  haben,  fliehen  sie  dann  immer  weiter 
auseinander.  Zwar  ist  kein  Ozean  reicher  an  Inseln,  wie  die  Südsee, 
aber  auch  sie  schlagen  keine  Brücke  von  einem  Gestade  zum  anderen. 
Niemals  drang  ein  Kulturstrahl  von  China  zu  den  Völkern  Mexicos 
und  Perus;  erst  Europa  hat  Amerika  erobert. 

Vertikaler  Aufbau  der  Erdkruste.  Die  neuen  Erdkarten  mit 
Linien  gleicher  Höhe  (Isohypsen)  und  Tiefe  (Isobathen)  (vgl.  Karte  1) 
eröffnen  uns  einen  sehr  lehrreichen  Einblick  in  den  Aufbau  der  Erd- 
kruste. Setzen  wir  die  ganze  Erdoberfläche  = 100,  so  erhalten  wir 
für  die  einzelnen  Höhen-  und  Tiefenstufen  folgende  Prozentzahlen : 6 


8840—4000  m 

über 

dem 

Meeresniveau 

0,5 

Proz. 

4000—3000  „ 

ft 

ff 

0,e 

» 

3000—2000  „ 

ft 

»» 

ft 

tt 

2000-  1000  ,, 

ft 

>» 

ft 

*,* 

tt 

1000—  200  „ 

»» 

ft 

13,o 

tt 

200—  0 „ 

ft 

ft 

10,5 

tt 

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Die  Grundzüge  der  Gestaltung  der  Erdoberfläche. 


35 


0 — 200  m 

unter  dem  Meeresniveau 

5,a 

Proz. 

200—1000  „ 

11  11 

11 

3,2 

ii 

1000—2000  „ 

11  11 

11 

3,4 

ii 

2000  - 3000  „ 

» 11 

11 

6)6 

ii 

3000—4000  „ 

» )> 

11 

14)5 

ii 

4000—8515  „ 

11  11 

11 

37,0 

ii 

Wir  können  diese  Zahlen  in  folgender  Weise  graphisch  darstellen. 
Wir  nehmen  den  Meeresspiegel  als  Abscissenachse  und  tragen  auf 
derselben  die  den  einzelnen  Stufen  entsprechenden  Strecken  auf. 
Dann  errichten  wir  in  jedem  Teilpunkte  Ordinaten,  für  das  Land 
nach  oben,  für  das  Meer  nach  unten,  geben  ihnen  die  betreffenden 
Höhen  (8844,  4000,  3000  etc.)  und  verbinden  endlich  ihre  Endpunkte 
mit  einer  Kurve,  die  den  allmählichen  Übergang,  wie  er  in  der  Natur 
Regel  ist,  zum  Ausdruck  bringen  soll.  Die  Endpunkte  dieser  hypso- 
graphischen  Kurve  sind  die  größte  Landhöhe (Gaurisankar  8840m) 
und  die  größte  bekannte  Meerestiefe  (bei  Japan  8515  m).  Ihr  Verlauf 
ist  sehr  wechselnd:  von  8840  m bis  2000  m Seehöhe  steil,  dann  sich 


Fig.  8.  Hypsographische  Kurve  der  Krustenoberfläche. 


verflachend,  besonders  zwischen  200  m und  dem  Meeresspiegel,  und 
in  derselben  Weise  bis  200  m Tiefe  sich  fortsetzend.  Hier  erst  hört 
die  Kontinentaltafel  auf.  Dann  folgt  bis  etwa  3000  m Tiefe  ein 
Steilabfall,  den  wir  als  Kontinentalböschung  (arktische  Region)  auf- 
fassen können,  endlich  die  Tiefenregion  (abyssische  Region),  Hach 
bis  6000  m,  dann  wieder  steil.  In  Prozenten  der  ErdoberHäche 

kommen  diesen  drei  Hauptteilen  der  Kruste  folgende  Werte  zu: 

Kontinentaltafel,  + 8840  bis  — 200  in  35, a Proz. 

Kontinentalböschung,  — 200  „ — 3000  m 13, i „ 

Tiefenregion,  — 3000  „ — 8515  m 51, a „ 

Mehr  als  die  Hälfte  der  Erde  nimmt  also  der  Tiefboden  des 
Weltmeeres  ein. 

Den  vertikalen  Aufbau  der  einzelnen  Kontinente  und  Ozeane 

3* 


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36 


Einleitung. 


nach  den  drei  Höhen- , bezw.  Tiefenstufen  zeigt  in  Prozenten 
der  betreffenden  Einheiten  die  nachstehende  Tabelle. 


Höhenstufen 

Europa 

Asien 

Afrika 

Australien 

Nord- 

Amerika 

Süd- 

Amerika 

fl 

sä 

Hochstufe  (über  2000  m) 

1 1.» 

14,i 

2,i  0,s 

6,0 

9,0  | 

Mittelstufe  (200 — 2000  m) 

41,7 

60,5 

82, » 63,  a 

i 6M 

48,i  | 

62,s 

Unterstufe  (unter  200  m)  ; 

; 56,8 

25,» 

15,4  i 36,0 

32,i 

42,« 

29,8 

Tiefenstufe 

Atlanti- 

j scher 
| Ozean 

Indischer ! 
Ozean 

Großer  ' 
Ozean 

Meer 

Kontinentalstufe  (0-  200  m)  . . . 

11,5 

4,6 

5,4 

7,i 

Kontinentalbösehung  (200—3000  m) 

25,5 

21,» 

14,5 

19,» 

Tiefenregion  (über  3000  m)  . . . 

63,0 

74,2 

80,i 

73,7 

Auf  dem  Festlande  herrscht  überall  die  Mittelstufe  vor,  mit 
Ausnahme  von  Europa,  dem  nur  Südamerika  nahe  kommt.  Die 
Hochstufe  ist  am  meisten  in  Asien  und  Südamerika  entwickelt  Der 
massige,  auch  vertikal  wenig  gegliederte  Bau  Afrikas  findet  in  obigen 
Zahlen  einen  treffenden  Ausdruck.  Die  ozeanischen  Becken  sind  noch 
gleichartiger  als  die  Festländer,  doch  tritt  die  Eigenart  des  Atlantischen 
Ozeans  in  der  relativ  großen  Ausdehnung  der  beiden  oberen  Stufen 
deutlich  hervor. 

Mittlere  Höhen  und  Tiefen.  Die  Ausmessung  der  Flächen 
zwischen  den  Isohypsen  und  Isobathen  bildete  in  neuester  Zeit  auch 
vielfach  die  Grundlage  von  Berechnungen  der  mittleren  Höhe  des 
Festlandes  und  mittleren  Tiefe  des  Meeres,  sei  es,  daß  man  dabei 
nur  rechnerisch  verfuhr,  wie  Mubbay  7 und  der  Verfasser5,  oder  sich 
der  hypsographischen  Kurve  bediente,  wie  Penck.®  Diese  Kurve 
schließt  eine  unregelmäßige  Fläche  ab,  die  an  den  geraden  Seiten 
von  den  Ordinaten  der  höchsten  Erhebung  und  der  größten  Tiefe 
und  von  der,  der  Ausdehnung  des  betreffenden  Kontinentes  oder 
Ozeans  entsprechend  langen  Abscisse  (dem  Meeresspiegel)  begrenzt 
wird  (vergl.  Fig.  8).  Der  Quotient  dieser  Fläche  und  der  Länge  der 
Abscisse  ist  die  gesuchte  mittlere  Höhe,  bezw.  Tiefe.  Neben  dieser 
planimetrischen  Methode  hat  Heidebich1  sich  auch  der  Profil- 
methode bedient,  und  in  neuester  Zeit  hat  Kabstens3  auch  wieder 
die  ältere  Feldermethode,  die  aber  nur  für  die  Ozeane  ange- 
wandt wird,  zu  Ehren  zu  bringen  gesucht.  Uns  scheint  Pencks  Methode 
den  Vorzug  zu  verdienen,  schon  deshalb,  weil  sie  auf  kontinentale 


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Die  Grundzüge  der  Gestaltung  der  Erdoberfläche.  37 

und  ozeanische,  auf  große  und  kleine  Gebiete  in  gleicher  und  ein- 
facher Weise  anwendbar  ist,  wenn  sie  auch  bei  der  Konstruktion 
der  Kurve  Willkürlichkeiten  nicht  ganz  ausschließt.  Doch  dürfen 
wir  von  diesen  Mittelwerten  nicht  zuviel  verlangen;  sie  bieten  uns 
bequem  zu  handhabende  Vergleichszahlen,  aber  sie  vermögen  nur  auf 
indirekte  Weise  zu  Vorstellungen  über  die  Hauptzüge  der  OberHächen- 
gestaltung  und  die  Ausdehnung  der  Gebirge,  Hoch-  und  Tiefebenen 
zu  führen.  Wie  große  Fortschritte  unsere  Kenntnis  von  den  Relief- 
verhältnissen des  Landes  in  den  letzten  50  Jahren  gemacht  hat, 
ersieht  man  am  besten  aus  einem  Vergleiche  der  HcMBOLDTSchen 
Schätzung  der  mittleren  Höhe  mit  den  neueren  Ermittelungen.  Hum- 


Fig.  9.  Mittlere  Höhe  des  Landes  und  mittlere  Tiefe  des  Meeres. 


boldt  hatte  300  m gefunden,  jetzt  darf  man  rund  700  m als  wahr- 
scheinlichsten Wert  annehmen.  Für  das  Meer  ist  die  entsprechende 
Zahl  3500  bis  3700  m;  halten  wir  an  der  ersteren  als  wahrschein- 
lichen Minimalwert  fest,  so  erhalten  wir  als  Volumina  für  die  Fest- 
landmassen bis  zum  Boden  des  Meeres  606,7  und  für  das  Wasser 
1279,s  Mill.  ebkm.  Das  Land  verhält  sich  zum  Wasser  wie  1 :2,i; 
das  ist  annähernd  derselbe  Wert,  wie  wir  ihn  für  die  Ober- 
flächen gefunden  haben.  Würden  wir  die  Landmassen  abtragen 
und  gleichmäßig  über  den  Boden  des  Meeres  ausbreiten,  so  würde 
dieses  noch  immer  mit  einer  mittleren  Tiefe  von  2500  m den  Erdball 
umtluten. 


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38 


Einleitung. 


Obwohl  die  mittlere  Meerestiefe  fünfmal  größer  ist,  als  die  mittlere 
Landhöhe,  sind  die  größten  bekannten  Tiefen  und  Höhen  doch  nahezu 
gleich.  Schon  daraus  müßte  man  den  Schluß  ziehen,  daß  auf  dem 
Lande  die  geringen  Höhen  und  im  Meere  die  großen  Tiefen  vor- 
herrschen, und  wir  haben  bereits  gesehen,  daß  dieser  Schluß  völlig 
gerechtfertigt  ist. 

Nach  Breitenzonen  sind  die  mittleren  Höhen  und  Tiefen  von 
Heid erich  1 und  Tillo  n berechnet  worden.  Die  Zahlen  des  ersteren 
lieferten  das  Material  für  das  Diagramm  in  Fig.  9,  das  die 
mittleren  Höhen,  bezw.  Tiefen  der  Landes-  und  Meeresprofile  von 
5 zu  5°  B.  darstellt.  Das  Land  zeigt  eine  wellenförmige  Gestaltung 
mit  Anschwellungen  in  80°  N.,  35°  N.,  15°  S.  und  45°  S.,  die  gegen 
Süden  hin  stetig  an  Höhe  abnehmen,  — ein  Satz,  der  freilich  nur  bis 
60°  S.  gilt,  da  im  unbekannten  Südpolargebiete  vielleicht  noch  hohe 
Landmassen  liegen.  Das  Tiefbecken  des  Meeres  erstreckt  sich  von 
50°  N.  bis  50°  S.,  gegen  die  Pole  hin  steigt  der  Meeresboden  an, 
so  daß  — allerdings  nicht  in  regelmäßiger  Weise  — die  Abplattung 
der  Kruste  dadurch  gemildert  erscheint.  Einen  ziffermäßigen 
Ausdruck  dafür  bietet  in  nachstehender  Tabelle  die  letzte  Columne, 
wo  die  Mittelhöhe  der  Kruste  in  Bezug  auf  den  Seespiegel  (+  über, 
— unter  demselben)  durch  die  vollständige  Ausebnung  aller  Er- 
hebungen und  Vertiefungen  gewonnen  wurde.  Diese  Tabelle  zeigt 


Nach  v 

. Tillo 

Nach  Hkiuerich 

Mittlere 

Laud- 

höhe 

Mittlere 

Meeres- 

tiefe 

Mittlere 

Land- 

höhe 

Mittlere 

Meeres- 

tiefe 

Mittlere 

Krusten- 

höhe 

80—70°  N. 

550 

630 

1044 

510 

+ 0 

70—60 

360* 

890 

492 

718 

+ 138 

60—60 

470 

2130 

480* 

1801 

- 461 

50—40 

770 

3650 

652 

3762 

-1454 

40—30 

1350 

4150 

1472 

3980 

-1612 

30-20 

740 

4150 

750 

3647 

-2010 

20—10 

520* 

4100 

576* 

3872 

-2685 

10—  0 

690 

4020* 

618 

3489* 

-2544 

0—10°  S. 

550 

4100 

622 

3535 

-2586 

10—20 

830 

4200 

907 

3789 

-2732 

20—30 

600 

4420 

735 

3898 

-2860 

30—40 

470 

4120 

528 

3666 

-3242 

40—50 

540 

4210 

623 

3732 

-3590* 

50—60 

400* 

3690 

393* 

2945 

-2910 

60—70 

510 

2850 

843 

2651 

-2539 

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Die  Grundzüge  der  Gestaltung  der  Erdoberfläche. 


39 


aber  auch,  daß  im  einzelnen  die  Berechnungen  noch  immer  etwas 
problematisch  sind.  Die  Maxima  und  Minima  fallen  zwar  mit  einer 
einzigen  Ausnahme  hei  beiden  Berechnern  in  die  gleichen  Zonen,  aber 
die  Zahlen  selbst  differieren  doch  noch  erheblich.  Es  erklärt  sich 
dies  zur  Genüge  aus  der  Ungleichheit  des  Kartenmaterials  und  der 
Berechuungsmethode,  sowie  aus  abweichenden  Grenzbestimmungen. 
Wenn  man  dies  im  Auge  behält,  so  wird  man  von  der  Überein- 
stimmung der  neueren  Ergebnisse  betreffs  der  mittleren  Höhe  des 
Festlandes  überrascht  sein,  während  in  Bezug  auf  die  einzelnen 
Kontinente  die  Angaben  zum  Teil  noch  schwankend  sind: 


Autoren 

Europa 

Asien 

Afrika 

a 

o 

"3 

£ 

tc 

< 

Nord- 

Amerika 

Süd- 

Amerika. 

Festland 

Humboldt  (1844)  . . . 

205 

351 

— 



228 

345 

307 

(Einzelberechnungen)  . . 

|i  297 9 

— 

662 10 

— 

— 

— 

— 

de  Lapparent  (1883) 11  . 

!;  292 

879 

612 

362 

595 

537 

646 

Murray  (1888)’  . . . . 

| 286 

972 

616 

245 

575 

633 

686 

Supan  (1889)«  . . . . 

||  290 

940 

620 

260 

610 

610 

680 

Pence  (1889)6  . . . . 

1 280 

950 

650 

280 

600 

030 

705 

v.  Tillo  (1889) 12  . . . 

317 

957 

612 

240 

622 

617 

693 

Heiderich  (1891) 1 . . . 

375 

920 

602 

470 

830 

760 

744 

Pence  (1893)«  . . . . 

330 

1010 

660 

310 

650 

650 

735 

Als  mittlere  Tiefe  der  Ozeane  wird  angegeben: 


Autoren 

Atlanti- 

sches 

Gebiet 

Pazifi- 

sches 

Gebiet 

Indisches 

Gebiet 

Welt- 

meer 

Krümmel  (1879)xS  . . . 

3180 

3650 

3310 

3440 

de  Lapparent  (1883) 11  . 

— 

— 

4260 

Krümmel  (1886)  x «»  . . 

3070 

3650 

3310 

3320 

Murray  (1888)  x ’ . . . 

3510 

4140 

3820 

3800 

Sdpan  (1889)«  .... 

3330 

3870 

3600 

3650 

Pence  (1889)«  .... 

3290 

3870 

3590 

3650 

v.  Tillo  (1889)'*  . . . 

4020 

4380 

3670 

3800 

Heiderich  (1891)1  . . . 

— 

— 

— 

3440 

Karstens  (1894)®  . . . 

3160 

3830 

3590 

3500 

Vertikale  und  horizontale  Ausdehnung  scheinen  im  geraden 
Verhältnisse  zu  einander  zu  stehen,14  obwohl  wir  den  ursächlichen 


x Die  Zahlen  für  die  Einzelozeane  habe  ich,  um  Vergleichbarkeit  zu  er- 
zielen, nach  den  Zahlen  der  betreffenden  Autoren  und  nach  deren  Methoden 
berechnet. 


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40 


Einleitung. 


Zusammenhang  nicht  aufzudecken  vermögen.  Die  HEiDERiCHSchen 
Zahlen  widersprechen  übrigens  zum  Teil  auch  dieser  Vermutung. 

Litteraturnacii weise.  1 Heiderich,  Die  mittleren  Erhebungsverhält- 
nisse der  Erdoberfläche,  Wien  1891.  Nach  Breitenzonen  giebt  neue  Zahlen 
H.  Wagner  in  Petermanns  Mitteilungen  1895,  S.  48  (die  ausführliche  Abhand- 
lung ist  erst  während  der  Drucklegung  dieses  Buches  im  II.  Bande  von  Geri.ands 
Beiträgen  zur  Geophysik,  Stuttgart  1895,  erschienen);  nach  Längszonen  v.  Tino 
ebendaselbst  S.  96.  — ’ Krümmel,  Versuch  einer  vergleichenden  Morphologie 
der  Meeresräume,  Leipzig  18T9.  — * Karstens,  Eine  neue  Berechnung  der 
mittleren  Tiefen  der  Ozeane,  Kiel  1894.  — * Fuchs,  Die  Landenge  von  Suez, 
in  den  Sitzungsberichten  der  Wiener  Akademie  der  Wissenschaften,  mathem.- 
naturw.  Klasse  1877.  — 5 Nach  Penck  in  Petermanns  Mitteilungen  1889,  S.  17. 
(Daselbst  auch  die  Berechnung  von  Sur  an.)  — 8 Pencks  Morphologie  der  Erd- 
oberfläche, Bd.  I.  — 1 Murray  im  Scottish  Geographical  Magazine,  1888,  S.  1.  — 
8 v.  Tillo  in  Petermanns  Mitteilungen  1889,  S.  48.  — * Leipoldt,  Die  mittlere 
Höhe  Europas,  Plauen  i.  V.  1874.  — 10  Chavanne,  Die  mittlere  Höhe  Afrikas, 
in  den  Mitteilungen  der  Wiener  Geographischen  Gesellschaft,  1881.  — 11  de  Lap- 
parent,  Traite  de  Geologie,  Paris  1883.  — ’*  v.  Tillo  in  den  Iswesstijä  der 
Russischen  Geographischen  Gesellschaft,  1889,  S.  113.  — 18  Krümmel,  Der  Ozean, 
Leipzig  1886.  — 14  v.  Tillo  in  Petermanns  Mitteilungen  1889,  S.  49. 


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Erster  Abschnitt. 


Die  Lufthülle. 1 


Die  Höhe  und  Zusammensetzung  der  Luft. 

Höhe  der  Luft.  Die  Lufthülle  umgiebt  den  festen  Erdkörper 
in  der  Form  eines  Holilsphäroides.  Ihre  Höhe  hat  man  nach  dem 
ersten  Aufleuchten  der  Sternschnuppen  auf  180  km  berechnet  Aber 
auch  darüber  hinaus  erfüllen — wie  aus  den  neuesten  Forschungen 
über  die  „leuchtenden  Wolken“  hervorgeht2  — verdünnte  Gase  den 
Raum  zwischen  dem  Planeten  und  der  Sonne;  Gase,  welche  man 
im  Gegensatz  zur  Erdenluft  als  Himmelsluft  bezeichnet  hat,  und 
die  sehr  wohl  zu  unterscheiden  sind  von  dem  Äther,  jenem  ange- 
nommenen Medium,  das  uns  die  Lichterscheinungen  vermittelt 
Während  die  Erdenluft  noch  an  der  Bewegung  der  Erde  teilnimmt, 
verharrt  die  Himmelsluft  iu  relativer  Ruhe  oder  bewegt  sich  nach 
verschiedenen  Richtungen,  begleitet  aber  zugleich  das  ganze  Planeten- 
system auf  seiner  Wanderung  durch  den  Weltraum.  Wir  haben  es 
hier  nur  mit  den  meteorologischen  Erscheinungen  zu  thun,  und  diese 
beschränken  sich  auf  eine  verhältnismäßig  geringe  Höhe.  Die  Atmo- 
sphäre ist,  wie  alle  Körper,  schwer;  eine  bis  zum  Meeresniveau  herab- 
reicheude  Luftsäule  hält  im  Mittel  einer  7 60  mm  hohen  Quecksilber- 
säule das  Gleichgewicht.  Mit  der  Höhe  nimmt  der  Luftdruck 
ab,  denn  die  auf  dem  Barometer  lastende  Luftsäule  wird  kleiner. 
Dem  Luftdrucke  ist  aber  auch  die  Dichte  proportional,  denn  jede 
Schicht  drückt  auf  die  untere  und  preßt  sie  zusammen.  Schon  in 
5513  m Seehöhe  ist  die  Luft  um  die  Hälfte  dünner,  als  im  Meeres- 
niveau (Dichte  = 1),  und  in  einer  Höhe  von  59  400  m ist  der  Baro- 
meterstand schon  auf  */4  mm  und  die  Dichte  auf  0,ooo3  herabgesunken. 

Zusammensetzung  der  Luft.  Die  Atmosphäre  ist  ein  Gemenge 
von  Stickstoff  und  Sauerstoff,  die  in  der  Regel  im  Volumver- 
hältnis von  79:21  stehen.  Der  letztere  ist  der  wichtigste  Bestandteil, 
da  er  den  Atmungsprozeß  des  tierischen  Organismus  unterhält,  dessen 
Existenzfähigkeit  auf  hört,  wenn  der  Sauerstoffgehalt  auf  1 7,2  Prozent 


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42 


Die  Lufthülle. 


sich  vermindert  hat.  Da  dünnere  Luft  weniger  Sauerstoff  enthält,  als 
dichtere,  so  ist  dem  tierischen  Leben  eine  Höhengrenze  gesetzt,  die 
1 0 000  m nicht  beträchtlich  übersteigt.  Die  sogenannte  „Bergkrank- 
heit“, die  fast  jeden  in  bedeutender  Seehöhe  befällt,  wird  weniger 
durch  die  geringe  Dichtigkeit  der  Atmosphäre,  als  durch  die  Abnahme 
des  Sauerstoffgehaltes  verursacht:  erhielt  sich  doch  Bebson  noch  in 
9150m  Höhe  — die  größte  Höhe,  in  der  bisher  eine  wissenschaftr 
liehe  Beobachtung  gemacht  wurde  (4.  Dez.  1894)  — durch  künstliche 
Zufuhr  von  Sauerstoff  frisch  bei  Kräften.  In  den  Tropen  ist  die 
Luft  oxygenäriner,  als  in  unseren  Breiten;  aber  man  hat  noch  nicht 
untersucht,  ob  dieser  Unterschied  beträchtlich  genug  ist,  um  im 
menschlichen  Organismus  größere  Veränderungen  hervorzurufen. 

Unter  den  zufälligen  Bestandteilen  spielt  die  Kohlensäure, 
die  Ernährerin  der  Pflanzen,  eine  hervorragende  Rolle,  wenn  sie  sich 
auch  im  Mittel  nur  mit  ca.  0,os  Prozent  an  der  Zusammensetzung 
der  Atmosphäre  beteiligt.  Noch  geringer  ist  der  Amrnoniakgehalt. 
Wasserdämpfe  sind  zwar  immer  und  überall  vorhanden,  aber  ihre 
Menge  ist  außerordentlichen  Schwankungen  unterworfen.  Staub, 
gasförmige  Fäulnisprodukte  und  mikroskopische  Organismen,  die 
häufig  die  Träger  austeckender  Krankheiten  sind,  verunreinigen 
überall  die  Luft.  In  Palermo  beträgt  der  Gehalt  an  organischen 
Substanzen  vom  Februar  bis  Mai  0,102  und  steigert  sich  im  trockenen 
Sommer  auf  0,i«o  Volumprozente.  Der  Regen  wäscht  also  gleichsam 
die  Atmosphäre  und  ist  daher  von  eminenter  sanitärer  Bedeutung. 

Littcraturnach weise.  1 Allgemeine  Werke  über  Meteorologie  und 
Klimatologie:  Hann,  Astronomische  und  physische  Geographie,  in  der  Allgemeinen 
Erdkunde  von  Hann,  IIochstetteb  und  Pokorny,  Prag-Leipzig  1886;  Mohn, 
Grimdziige  der  Meteorologie,  Berlin  1887;  Günther,  Die  Meteorologie,  München 
1880.  Für  Witterungskunde  ist  ein  Hauptwerk:  van  Bebber,  Handbuch  der 
ausübenden  Witterungskunde,  Stuttgart  1885 — 86.  Das  theoretische  Pendant 
dazu  ist:  Sprung , Lehrbuch  der  Meteorologie,  Hamburg  1885.  Die  umfang- 
reichsten klimatologischen  Darstellungen  sind:  Hann,  Handbuch  der  Klima- 
tologie, Stuttgart  1883,  und  Woeikow,  Die  Klimate  der  Erde,  Jena  1887.  Die 
vollständigste  kartographische  Darstellung  bietet  Hanns  Atlas  der  Meteorologie 
in  Bebgiiaus’  Physikalischem  Handatlas,  Gotha  1887.  — * Förster,  Die  Er- 
forschung der  obersten  Schichten  der  Atmosphäre,  in  den  Verhandlungen  der 
Gesellschaft  für  Erdkunde.  Berlin  1891. 


Die  Erleuchtung  und  Erwärmung  der  Erdoberfläche. 

Wärmequellen.  Licht  und  W arme  bedingen  das  organische  Leben. 
Die  ungleiche  Erwärmung  der  unteren  Luftschichten  ist  die  letzte 
Ursache  aller  meteorologischen  Prozesse,  die  ihrerseits  wieder  die 
Oberfläche  der  Erde  umgestalten.  Und  alle  diese  Wirkungen  gehen 


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Die  Erleuchtung  und  Erwärmung  der  Erdoberfläche.  43 

von  der  Sonne  aus,  unserer  Licht-  und  Wärmequelle.  Die  Eigen- 
wärme der  Erde  ist  ohne  Einfluß  auf  die  Oberfläche,  und  die  Wärme, 
die  die  Fixsterne  aussenden,  kommt  uns  nur  indirekt  zu  Gute,  indem 
sie  die  Temperatur  des  Weltraumes  erhöht. 

Die  Sonne  ist  ein  glühendflüssiger  Körper,  umgeben  von  einer 
ebenfalls  glühenden  Atmosphäre,  die  für  uns  allein  sichtbar  ist.  Auf  ihrer 
Oberfläche  bemerkt  das  bewaffnete  Auge  wechselnde  Flecken,  über 
deren  Wesen  die  Meinungen  noch  geteilt  sind.  Rudolf  W o 1 f er- 
kannte in  ihrem  Auftreten  eine  gewisse  Regelmäßigkeit,  indem  von 
einem  Maximum  bis  zum  nächsten  durchschnittlich  ein  Zeitraum  von 
11  Jahren  verstreicht  Wir  werden  sehen,  wie  diese  Fleckenperiode 
auch  in  einigen  irdischen  Phänomenen  sich  wiederspiegelt. 

Ein  kleiner  Teil  der  Wärmestrahlen,  die  die  irdische  Lufthülle 
passieren,  wird  von  ihr  gleichsam  verschluckt;  von  den  senkrecht 
auf  die  Erde  fallenden  ca.  1/1,  von  den  schief  einfallenden  aber 
mehr,  weil  sie  einen  längeren  Weg  durch  die  Atmosphäre  zurück- 
legen. Nun  wäre  zwar  auch  dann,  wenn  die  Lufthülle  fehlte,  die 
Erwärmung  jedes  Punktes  der  Erdoberfläche  zunächst  ab- 
hängig von  der  Bestrahlungsstärke,  d.  h.  von  dem  Winkel, 
unter  dem  ihn  die  Sonnenstrahlen  treffen,  aber  dieses  Grundgesetz 
wird  durch  die  genannte  Eigenschaft  der  Atmosphäre  noch  verstärkt. 
Die  Wärmedurchlässigkeit  oder  Diathermanität  der  Luft  vermin- 
dert sich  mit  zunehmender  Feuchtigkeit,  und  es  ist  jedermann  be- 
kannt, wie  sehr  dichter  Nebel  oder  eine  ununterbrochene  Wolkendecke 
die  Bestrahlung  verhindern. 

Die  Erdoberfläche  strahlt  die  empfangene  Wärme,  die  nur  lang- 
sam und  nur  bis  zu  einer  geringen  Tiefe  in  den  Boden  eindringt 
(vgl.  S.  7),  wieder  in  den  kalten  Weltraum  zurück;  aber  auch  jetzt 
wirkt  die  Luft  wie  ein  schützender  Mantel,  der  zu  rasche  und  zu 
starke  Wärmeabgabe  verhindert.  Infolge  der  Achsendrehung  der 
Erde  wechseln  Tag  und  Nacht,  d.  h.  ein  Zeitraum,  wo  die  Wärme- 
zufuhr die  Ausstrahlung  überwiegt,  und  ein  anderer,  in  dem  nur 
Ausstrahlung  stattfindet.  Der  Tag  ist  daher  wärmer  als  die  Nacht, 
und  die  Temperatur  ist  einer  24stündigen  Periode  unterworfen. 

Jahreszeiten.  Würde  die  Balm,  auf  der  die  Erde  die  Sonne 
umwandelt,  mit  der  Aquatorialebene  zusammenfallen  und  die  Erdachse 
senkrecht  auf  derselben  stehen,  so  würde  jeder  Punkt  der  Erdober- 
fläche das  ganze  Jahr  hindurch  die  Sonnenstrahlen  unter  dem  gleichen 
Winkel  empfangen,  Tag  und  Nacht  wären  immer  und  überall  von 
gleicher  Dauer,  und  es  gäbe  keine  Jahreszeiten  und  keine  jährliche 
Temperaturperiode.  Nun  bildet  aber  die  Erdbahn  mit  der  Aquato- 
rialebene einen  Winkel  von  23'/a°  und  die  Erdachse,  die  während 


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44 


Die  Lufthülle. 


des  ganzen  Umlaufes  mit  sich  selbst  parallel  bleibt,  ist  unter  einem 
Winkel  von  66  */2°  gegen  die  Erdbahn  geneigt.  Die  beistebenden 
Figuren  zeigen  die  Stellung  der  Erde  zur  Sonne  in  den  vier  Epochen 
des  Jahres.  Die  Sonnenstrahlen  können  wegen  der  großen  Entfer- 
nung beider  Himmelskörper  voneinander  als  parallel  gedacht  werden. 

Fig.  10  stellt  die  Erde  am  21.  Dezember  dar.  Nur  der  Wende- 
kreis des  Steinbocks,  23,/a°  sttdL  vom  Äquator,  wird  von  senkrechten 
Strahlen  getroffen.  Die  ganze  Kalotte  innerhalb  des  nördlichen  Polar- 
kreises (66*/a  B.)  fällt  in  die  unbeleuchtete,  die  ganze  Kalotte  inner- 
halb des  südlichen  Polarkreises  in 
die  beleuchtete  Erdhälfte.  Die  süd- 
liche Hemisphäre  hat  den  längsten, 
die  nördliche  den  kürzesten  Tag; 
auf  jener  beginnt  der  astronomische 
Sommer,  auf  dieser  der  Winter, 
und  zwar  einerseits  wegen  der 
Fig.io.  Stellung  der  Erde  am  21. Dezember.  Kürze  des  Tages,  anderseits  weil 

jeder  Punkt  der  Nordhalbkugel  die 
Sonnenstrahlen  unter  einem  spitzeren  Winkel  empfängt,  als  ein  unter 
gleicher  Breite  befindlicher  Punkt  auf  der  südlichen  Hemisphäre. 

Am  21.  März  und  23.  September  steht  die  Erde  in  den  Schnitt- 
punkten der  Bahn  und  Äquatorialebene  (s.  Fig.  11).  Senkrechte  Strahlen 
treffen  nur  den  Äquator;  der  Winkel,  unter  dem  die  Strahlen  auf 
die  beiden  Hemisphären  einfallen,  ist  unter  gleicher  geographischer 
Breite  gleich.  Ebenso  ist  auf  der  ganzen  Erde  (mit  Ausnahme  der 
Pole)  Tag  und  Nacht  gleich  lang.  An  diesen  beiden  Tagen  beginnen 
die  astronomischen  Übergangsjahreszeiten  Frühling  und  Herbst 


Fig.  11.  Stellung  der  Erde  am  21.  März  Fig.  12.  Stellung  der  Erde  am  21.  Juni, 
und  23.  September. 


Fig.  12  zeigt  die  Stellung  der  Erde  zur  Sonne  am  21.  Juni. 
Senkrechte  Sonnenstrahlen  fallen  auf  den  Wendekreis  des  Krebses 
(23 1/2 0 n.  B.).  Die  nördliche  Hemisphäre  hat  den  längsten  Tag  und 
Sommeranfang,  die  südliche  den  kürzesten  Tag  und  Winteranfang; 
und  ebenso  verhalten  sich  die  beiden  polaren  Kalotten  gerade  um- 
gekehrt, wie  am  21.  Dezember. 


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Die  Erleuchtung  und  Erwärmung  der  Erdoberfläche. 


45 


Von  den  vier  astronomischen  Jahreszeiten  weichen  die  meteoro- 
logischen in  Bezug  auf  die  Begrenzung  und  Dauer  etwas  ah: 

Nord  hem  isph&re  Südhemisphäre 
Dezember — Februar  Winter  Sommer 

März — Mai  Frühling  Herbst 

Juni — August  Sommer  Winter 

September — November  Herbst  Frühling. 

Wärmemenge.  Da  die  Wärmezufuhr  einerseits  von  dem  Einfalls- 
winkel der  Sonnenstrahlen,  anderseits  von  der  Tageslänge  abhängig  ist, 
so  nimmt  sie  mit  der  Breite  ab,  wobei  jedoch  zu  berücksichtigen  ist, 
daß  die  Linie  senkrechter  Einstrahlung,  also  größte  Wärmezufuhr  im 
Laufe  eines  Jahres  zwischen  den  beiden  Wendekreisen  sich  ver- 
schiebt. Denken  wir  uns  die  Erde  ohne  atmosphärische  Hülle,  und 
setzen  wir  die  Wärmemenge,  die  ein  Punkt  empfangen  würde,  wenn 
er  die  Sonne  das  ganze  Jahr  hindurch  im  Zenith  hätte,  = 1000, 
so  erhalten  wir  nach  Wieners1  Berechnung  folgende  Wärmemengen 
für  die  verschiedenen  Breiten: 


Breite 

Sommer- 

halbjahr 

Winter- 

halbjahr 

Jahr 

0° 

•153 

158 

306 

10 

162 

139 

301 

20 

166 

123 

289 

30 

166 

102 

268 

40 

161 

80 

241 

50 

153 

56 

209 

60 

142 

32 

174 

70 

132 

13 

145 

80 

128 

3 

131 

90 

127 

0 

127 

Diese  Zahlen  gelten  natürlich  für  die  nördliche,  wie  für  die  süd- 
liche Halbkugel.  In  einer  anderen  Beziehung  besteht  aber  zwischen 
beiden  ein  Gegensatz.  Das  astronomische  Winterhalbjahr  dauert  auf 
der  südlichen  186  Tage  (21.  März  bis  23.  September),  auf  der  nördlichen 
nur  179  Tage  (23.  September  bis  21.  März),  und  dem  entsprechend 
ist  das  nördliche  Sommerhalbjahr  um  7 Tage  länger  als  das  süd- 
liche. Der  Grund  dieser  Ungleichheit  ist  in  der  elliptischen  Gestalt 
der  Erdbahn  zu  suchen.  Die  Sonne  stellt,  wie  Fig.  13  zeigt,  in  einem 
Brennpunkte,  und  die  Erde  befindet  sich  daher  einmal  des  Jahres  in 
der  Sonnennähe  (Perihel)  und  einmal  in  der  Sonnenferne  (Aphel). 
Während  die  Erde  im  Mittel  in  24  Stunden  einen  Bogen  von  59'  8" 
zurücklegt,  rückt  sie  im  Perihel  um  61'  10",  im  Aphel  nur  um  57' 


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46 


Die  Lufthülle. 


12"  vor.  Da  die  Erde  jetzt  am  1.  Januar  im  Perihel  und  am  2.  Juli 
im  Aphel  steht,  so  gelaugt  sie  rascher  vom  Herbst-  zum  Frühlings- 
punkte, als  vom  Frühlings-  zum  Herbstpunkte,  woraus  die  längere 
Dauer  des  südlichen  Winters  und  nördlichen  Sommers  sich  erklärt. 

Das  Perihel  hat  aber  keine  konstante  Lage.  Etwa  4000  Jahre 
v.  Chr.  fiel  es  mit  dem  Herbstpunkte  zusammen  und  infolgedessen 
waren  beide  Halbjahre  gleich  lang.  Bis  jetzt  hat  es  einen  Bogen  von 
nahezu  101°  zurückgelegt  und  wird  im  Jahre  6470  den  Frühlingspunkt 

erreicht  haben,  d.  h.  die 
Sommer-  und  Winterhälfte 
des  Jahres  werden  wieder 
gleich  sein.  Von  da  an 
wird  die  Südhemisphäre 
die  begünstigtere  sein,  und 
in  ca,.  10500  Jahren  werden 
Perihel  und  Aphel  ihre 
Plätze  gewechselt  haben, 
und  der  nördliche  Winter 
länger  sein  als  der  süd- 
liche. In  einem  Zeiträume 
von  ungefähr  21 000  Jahren  vollfuhrt  somit  die  Apsidenlinie  (PA 
in  Fig.  12)  einen  Umlauf. 

Auf  die  Wärmezufuhr  haben  diese  Veränderungen  jedoch  keinen 
Einfluß,  selbst  wenn  einmal  der  Unterschied  von  Sommer-  und  Winter- 
halbjahr seinen  äußersten  Grenzwert  von  33  Tagen  erreicht  haben 
wird.  Unter  allen  Umständen  erhält  jede  Halbkugel  im  Winterhalb- 
jahr 37  und  im  Sommerhalbjahr  63  Prozent  der  jährlichen  solaren 
Strahlenmenge,  und  nur  darin  besteht  ein  Unterschied,  daß  sich  die 
konstante  Wärmezufuhr  auf  verschieden  lange  Perioden  verteilt, 
daß  also,  wenn  die  Zahl  der  Tage  eines  Halbjahres  größer  ist,  durch- 
schnittlich weniger  Wärme  auf  einen  Tag  entfällt,  als  im  entgegen- 
gesetzten Falle. 

Die  Beleuchtungzonen.  So  entscheidend  nun  auch  die  geogra- 
phische Breite  für  die  Wärmezufuhr  ist,  so  ist  sie  für  die  endgültige 
Temperaturverteilung  doch  nicht  der  einzige  Faktor,  und  es  wider- 
streitet daher  durchaus  den  thatsächlichen  Verhältnissen,  wenn  man 
die,  aus  den  Zeiten  der  griechischen  Naturphilosophie  uns  über- 
kommene Einteilung  jeder  Hemisphäre  in  drei  Klimazonen,  die  durch 
die  Wende-  und  Polarkreise  voneinander  getrennt  werden,  noch  auf- 
recht erhalten  will.  Dagegen  behalten  diese  Zonen  noch  ihren  vollen 
Wert,  wenn  man  sie  ausschließlich  auf  die  Beleuchtungsverhält- 
nisse anwendet;  nur  muß  man  ihnen  dann  andere,  als  die  üblichen 


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Die  Erleuchtung  und  Erwärmung  der  Erdoberfläche.  47 

Namen  beilegen.  Wir  nennen  den  Gürtel  zwischen  Äquator  und 
Wendekreis  die  Tropen-,  den  zwischen  Wende-  und  Polarkreis  die 
mittlere  und  den  Kugelabschnitt  innerhalb  des  Polarkreises  die 
polare  Zone.  Nur  bis  zur  Grenze  der  Tropenzone  treft'en  senk- 
rechte Strahlen  die  Erdoberfläche,  und  zwar  zweimal  des  Jahres  und 
nur  an  den  Wendekreisen  einmal.  Die  mittlere  Zone  hat  mit  der 
tropischen  nur  den  regelmäßigen  Wechsel  von  Tag  und  Nacht  inner- 
halb 24  Stunden  gemein. 

Vom  Äquator,  wo  Tag  und  Nacht  immer  gleich  sind,  bis  zu 
den  Polen,  wo  ein  halbjähriger  Tag  mit  einer  halbjährigen  Nacht 
wechselt,  nimmt  im  Sommer  die  Tages-,  und  im  Winter  die  Nacht- 
länge stufenweise  zu: 

Tropische  und  mittlere  Zone: 


O.  B.  0“  10“ 

20“ 

30“ 

40“ 

60“ 

60“ 

60'/,“ 

Längster  Tag  12"  0“  12"  35“ 

13" 13“ 

13"  56 

in 

14"51m 

jghgm 

i8"30” 

24"  O™ 

KürzesterTag  12  0 11  25 

10  47 

10  4 

9 9 

7 51 

5 30 

0 0 

Unterschied  0 0 1 10 

2 26 

3 52 

5 42 

8 18 

13  0 

24  0 

Nordpolare  Zone: 

G.  B. 

66'/,“ 

7(y 

SO“ 

90“ 

Die  Sonne  geht  nicht 

unter 

1 

65 

134 

186 

Tage. 

Die  Sonne  geht  nicht 

auf 

1 

60 

127 

179 

V 

Für  die  südliche  Hemisphäre  sind  die  Zahlen  uinzukehreu.  Am 
antarktischen  Pol  geht  z.  B.  die  Sonne  179  Tage  nicht  unter  und 
186  Tage  nicht  auf. 

Die  astronomische  Dauer  der  Nächte  wird  aber  durch  die 
Dämmerung  beschränkt  Indem  die  Lichtstrahlen  in  immer  dich- 
tere Luftschichten  gelangen,  werden  sie  gebrochen,  so  daß  man  Sonne 
und  Sterne  schon  über  dem  Horizonte  sieht,  wenn  sie  sich  that- 
sächlich  noch  unter  demselben  befinden.  Die  volle  Nacht  dauert 
nur  solange,  als  der  Stand  der  Sonne  unter  dem  Horizonte  mehr 
als  16°  beträgt  Je  größer  der  Winkel,  unter  dem  Sonnenstrahlen 
einfallen,  desto  länger  die  Dämmerung;  ihre  Dauer  wächst  also  mit 
der  geographischen  Breite.  In  der  Tropenzone  gehen  Tag  und 
Nacht  fast  unvermittelt  ineinander  über.  Dagegen  giebt  es  von 
SCP/j0  B.  an  zur  Zeit  des  höchsten  Sonnenstandes  keine  eigent- 
lichen Nächte  mehr,  indem  Abend-  und  Morgendämmerung  ineinander 
fließen.  In  der  Breite  von  St.  Petersburg  z.  B.  dauern  diese  hellen 
Nächte  vom  27.  April  bis  15.  August.  Für  die  polare  Zone  erweist 
sich  die  Dämmerung,  die  die  monatelaqge  Nacht  verkürzt,  als  eine 
besondere  Wohlthat.  Unter  70°  B.  währt  der  Tag  vom  20.  Mai  bis 
23.  Juli,  aber  die  Nächte  vorher  vom  30.  März  angefangen  und 
nachher  bis  zum  12.  September  werden  ganz  von  der  Dämmerung 
erfüllt.  Am  Nordpol  beginnt  die  Morgendämmerung  am  4.  Februar, 


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48 


Die  Lufthülle. 


die  Sonne  geht  am  21.  März  auf  und  am  23.  September  unter,  und 
am  6.  November  erlischt  auch  die  Abenddämmerung.  So  wird  die 
volle  Nacht  auf  90  Tage  eingeschränkt. 

Das  Polarlicht.3  Die  polare  Wintemacht  wird  auch  zeitweise 
von  jenen  eigentümlichen  und  rätselhaften  Lichterscheinungen  er- 
hellt, die  wir  unter  dem  Namen  Polarlichter  zusammenfassen  und 


Fig.  14.  Geographische  Verbreitung  des  Nordlichtes  nach  Fritz. 


je  nach  der  Hemisphäre,  auf  welcher  sie  auftreten,  als  Nord-  und 
Südlichter  bezeichnen.  Das  erstere,  das  natürlich  häufiger  be- 
obachtet und  eingehender  studiert  wurde,  ist  besonders  in  einem 
5 — 10  Meridiangrade  breiten  Gürtel  in  der  Nähe  des  Polarkreises 
heimisch,  wo  es  ein  fast  tägliches  Phänomen  ist,  und  wird  nach 
Norden  wie  nach  Süden  immer  seltener.  Fig  14  verbindet  die  Orte 
gleicher  Häufigkeit  der  Nordlichter  durch  Linien  von  entsprechender 
Breite,  die  sich  in  kreisähnlicher  Gestalt  um  den  magnetischen 
Nordpol  gruppieren.  Da  letzterer  im  arktischen  Archipel  von  Nord- 
amerika unter  ca.  70°  B.  und  90°  w.  L.  von  Greenwich  sich  befindet, 
so  erklärt  es  sich  leicht,  daß  die  Linien  gleicher  Häufigkeit  in  der 
neuen  Welt  viel  weiter  gegen  den  Äquator  herabsinken  als  in  der 
alten,  und  somit  die  Parallelkreise  schneiden.  Nur  ausnahmsweise 
ist  das  Polarlicht  auch  in  niederen  Breiten  sichtbar,  wie  das  große 


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Die  Erleuchtung  und  Erwärmung  der  Erdoberfläche. 


49 


Nordlicht  vom  Jahre  1859  fast  his  zum  Äquator;  und  auch  von  der 
südlichen  Hemisphäre  wissen  wir,  daß  den  Bewohnern  der  alten 
Incastadt  Cuzko  unter  121/2°  B.  dieses  Phänomen  nicht  unbekannt 
ist.  Am  glänzendsten  zeigt  es  sicli  aber  stets  nur  in  der  Maximal- 
zone, wo  es  hauptsächlich  in  zwei  Grundformen,  als  Band-  und 
Strahlenlicht,  auftritt.  Das  erstere  besteht  aus  nebeneinander 
gereihten  senkrechten  Lichtstreifen,  die  den  Eindruck  von  in  der 
Luft  biegenden  Bändern  oder  herabhängenden  Draperien  machen 
(Fig.  15).  Die  zweite  Form  ist  ein  leuchtender  Bogen  am  nördlichen 
Himmel,  dessen  Enden  sich  auf  den  Horizont  stützen  (Fig.  16). 
Er  umsäumt  ein  völlig  dunkles  Kreissegment;  aber  der  Umstand, 


Fig.  15.  Band-Nordlicht  nach  J.  Payer. 


daß  es  hellere  Sterne  durchscheinen  läßt,  beweist  uns,  daß  die 
Finsternis  nur  eine  durch  den  Kontrast  hervorgerufene  optische 
Täuschung  ist  Aus  dem  Lichtbogen  schießen  Strahlen  in  den 
mannigfachsten  Farben  hervor,  um  sich  nicht  selten  über  dem 
Scheitel  des  Beobachters  zu  einer  glänzenden  Krone  zu  vereinigen. 
Manchmal  erscheint  auch  ein  Bogen  über  dem  anderen.  Nur  eine 
Modifikation  des  Strahlenlichtes  ist  der  gewöhnliche  Nordlicht- 
bogen ohne  Bewegung  und  ohne  Strahlen,  der  in  den  höheren 
Breiten  jenseits  der  Maximalzone  am  häufigsten  ist;  manchmal  er- 
scheint hier  .aber  noch  ein  zweiter  Bogen  im  Süden  und  beide 
tauschen  Strahlen  aus.  Im  innersten  Polarraume  wird  meist  nur 
ein  heller  Nebel  am  südlichen  Horizont  sichtbar,  und  die  ge- 
ringe Lichtentwickelung  erklärt  es,  daß  man  hier  Nordlichter  nur 

SctjlH  , Physische  Erdkunde.  2.  Aufl.  4 


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50 


Die  T.ufthfllle. 


selten  beobachtet  hat  In  unseren  Breiten  wird  zumeist  nur  eine 
mattrote  Wolke  oder  eine  rote  Beleuchtung  des  nördlichen  Himmels 
wahrgenommen;  doch  ist  sie  in  den  Perioden  größter  Häufigkeit 
intensiv  genug,  um  das  Lesen  zu  gestatten  und  Schatteuwurf  zu 
erzeugen.  Gewöhnlich  ist  aber  die  Lichtstärke  auch  in  höheren 
Breiten  so  gering,  daß  Sterne  I.  und  II.  Größe  durchschimmeru, 
und  selten  wird  die  Leuchtkraft  des  Vollmondes  ilbertroffen , daher 
auch  die  Häufigkeit  der  beobachteten  Polarlichter  zur  Vollmondszeit 
ein  Minimum  erreicht. 

Wie  die  Erscheinungsweise  und  Intensität,  ist  auch  die  Höhe 
der  Polarlichter  verschieden,  doch  scheinen  sie  in  höheren  Breiten 


Fig.  16.  Strahlen-Nordlicht  zu  Bergen  in  Norwegeu  nach  H.  Sattler. 


der  Erde  näher  zu  sein.  Bald  sind  sie  nur  innerhalb  enger  Grenzen 
sichtbar,  bald  beleuchten  sie  einen  beträchtlichen  Teil  der  Hemi- 
sphäre; bald  dauern  sie  nur  wenige  Minuten,  bald  ganze  Nächte 
ja  manchmal  erstrecken  sie  sich  sogar  über  einen  größeren  Zeit- 
raum, wie  das  Nordlicht,  das  vom  28.  August  bis  7.  September  1859 
dauerte.  Es  gilt  als  Regel,  daß  große  Erscheinungen  sich  allmählich 
entwickeln  und  allmählich  verschwinden. 

Über  die  Natur  des  Polarlichtes  haben  Lkmstböms  Experimente 
den  lange  gewünschten  Aufschluß  gebracht.  Am  29.  Dezember  1882 
gelang  es  ihm  durch  ein  mit  Spitzen  versehenes  Drahtnetz,  das  auf 
dem  Gipfel  der  kegelförmigen  Pietarintunturi  bei  Kultala  in  Finn- 
land aufgestellt  wurde,  ein  wirkliches  Nordlicht  zu  erzeugen,  und 


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Die  Erleuchtung  und  Erwiirmung  der  Erdoberfläche. 


51 


die  Untersuchungen  der  folgenden  Jahre  haben  die  Theorie  wesent- 
lich vervollständigt.  Die  elektrische  Natur  des  Polarlichtes  ist  nun 
außer  Zweifel  gestellt;  vertikal  abwärts  fließende  elektrische  Ströme 
sind  es,  die  nach  Lemströms  Auffassung  die  Luft  zum  Glühen 
bringen,  und  es  ist  nach  Paulsen  anzuuehmen,  daß  diese  Ströme 
erst  in  der  eigentlichen  Polarlichtzone  zur  Erdoberfläche  herab- 
steigen. Dieser  Umstand  in  Verbindung  mit  dem  Dichteunterschied 
der  Luftschichten  bewirkt  in  den  höheren  Breiten  eine  ganz  andere 
Entwickelung  des  glänzenden  Phänomens,  als  wir  es  in  unseren 
Gegenden  kennen. 

Am  häufigsten  sind  die  Polarlichter  1 bis  2 Stunden  vor 
Mitternacht,  nur  in  der  Nähe  des  magnetischen  Nordpoles  verspäten 
sie  sich  etwas.  Über  die  jährliche  Periode  giebt  Fig.  17  Aufschluß. 
Die  Kurve  aa  stellt  die  Periode  der 


Nordlichter  darr  b b die  der  Süd-  »«.  j f m a m j j a s o s d«. 
lichter  (beide  in  Prozenten  der  Jahres-  ...  ~sy\\ 

mengen)  und  oo  die  mittlere  tägliche  / \ \ / 

Variation  der  Deklinationsnadel  in  ä / \ .4 

München  und  Hobart  (in  Minuten).  ^ \ / 

Alle  drei  Kurven  zeigen  Maxima  zur 
Zeit  der  Nachtgleichen  (März  und  Okto-  « 
ber)  und  Minima  zurZeit  des  höchsten 

^ . , . T . i Fig.  1 7.  Jährliche  Penode  des 

und  tiefsten  Sonnenstandes  (Juni  und  Polarlichtes. 

Januar).  Es  zeigt  sich  darin  unleugbar 

ein  Zusammenhang  mit  dem  Erdmagnetismus,  aber  man  darf 
nicht  übersehen,  daß  in  den  höheren  Breiten  jenseits  der  Maxiraal- 
zone  der  jährliche  Gang  ein  anderer  ist.  An  der  Westküste  von 
Grönland  z.  B.  nimmt  die  Zahl  der  Nordlichter  stetig  vom  September 
bis  zum  Dezember  oder  Januar  zu  und  dann  wieder  ab.  Und  noch 


in  anderer  Beziehung  besteht  ein  bedeutsamer  Gegensatz.  Während 
nämlich  in  den  niedereren  Breiten  die  Polarlichter  am  häufigsten  in 
den  Jahren  der  Sonnenfleckenmaxima  und  am  seltensten  zur  Zeit 
der  Fleckenminima  auftreten,  also  dem  gleichen  Gesetze  unterliegen, 
wie  die  magnetische  Variation,  zeigen  sie  in  der  inneren  arktischen 
Zone  ein  gerade  entgegengesetztes  Verhalten.  Ob  sich  darin  regel- 
mäßige Verschiebungen  der  Maximalzone,  sowohl  innerhalb  des 
Jahres  wie  im  Verlaufe  einer  Sonnenfleckenperiode,  aussprechen, 
wie  Weyrrecht  meinte,  mag  noch  fraglich  bleiben;  aber  auch,  wenn 
diese  Zone  unveränderlich  bleiben  sollte,  muß  man  zugeben,  daß 
eine  lebhaftere  Entfaltung  des  Nordlichtes  in  niedereren  Breiten  mit 
einer  Abschwächung  dieses  Phänomens  in  den  höheren  Breiten  Hand 
in  Hand  geht 

4 ¥ 


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52 


Die  Lufthülle. 


Litteraturnach  weise.  1 Wiener  in  der  Österr.  Meteor.  Ztechr.,  1879, 
S.  113.  — * Fritz,  Das  Polarlicht,  Leipzig  1881;  Lemstrük,  L’aurore  boreale, 
Paris  1886;  Pal'lsen,  Aurores  boreales  observees  ä Godtliaab,  Kopenhagen  1891. 


Die  Abnahme  der  Temperatur  mit  der  Höhe. 

Wärmequellen  der  oberen  Luftschichten.  Die  erwärmte  Erd- 
oberfläche teilt  ihre  Temperatur  zunächst  den  unteren  Luftschichten 
mit.  Für  die  höheren  Schichten  der  freien  Atmosphäre  giebt  es 
verschiedene  Wärmequellen.  Sie  behalten  zunächst  einen  Teil  der 
sie  durchstrahlenden  Sonnenwärme  zurück  (s.  S.  43),  sodann  empfangen 
sie  auch  von  der  Erdoberfläche  ausgehende  Wärmestrahlen.  Von 
weitaus  größerer  Bedeutung  sind  aber  die  aufsteigenden  Luft- 
ströme. Indem  die  untersten  atmosphärischen  Schichten  erwärmt 
werden,  dehnen  sie  sich  aus  und  steigen  in  die  Höhe,  während 
kältere  Luft  von  oben  ihren  Platz  einnimmt.  So  schreitet  allmäh- 
lich — wie  Hann  sich  ausdrückt  — die  Erwärmung  der  Luft  durch 
das  Spiel  aufsteigender  wärmerer  und  niedersinkender  kälterer  Luft- 
säulchen  vou  unten  nach  oben  fort,  und  das  Werk  des  einen  Tages 
wird  nach  nächtlicher  Unterbrechung  am  anderen  wieder  fortgesetzt. 

Nach  den  Prinzipien  der  mechanischen  Wärmetheorie  kühlt 
sich  aufsteigende  trockene  .Luft  um  1°  C.  für  je  100  m Erhebung 
ab,  und  es  ist  sowohl  die  Anfangstemperatur,  wie  die  Höhe,  von 
wo  aus  das  Aufsteigen  stattfindet,  ohne  Einfluß  darauf.  Umgekehrt 
wird  herabsinkende  trockene  Luft  um  1°  für  je  100  m erwärmt. 
Anders  verhält  sich  die  mit  Wasserdampf  gesättigte  Luft. 
Einerseits  kühlt  sie  sich  bedeutend  weniger  ab,  weil  der  Wärme- 
verlust zum  Teil  durch  die  bei  der  Kondensation  des  Wasserdampfes 
frei  werdende  Wärme  ersetzt  wird;  anderseits  ist  die  Temperatur- 
abnahme um  so  geringer,  je  höher  das  Niveau,  von  wo  das  Auf- 
steigen stattfindet,  und  je  höher  die  Anfangstemperatur  ist. x 

Ist  die  aufsteigende  Luft  nicht  mit  Wasserdampf  gesättigt,  so 
verhält  sie  sich  bis  zum  Zeitpunkte,  wo  Kondensation  eintritt,  wie 
trockene,  dann  wie  gesättigte  Luft. 

Unter  allen  Umständen  muß  die  mittlere  Jahrestempe- 
ratur mit  der  Höhe  abnehmen,  einerseits  weil  die  Entfernung 
von  ihrer  Hauptquelle,  der  Erdoberfläche,  wächst,  anderseits  weil 
die  Lufthülle  immer  dünner  wird  und  dadurch  die  Ausstrahlung 
begünstigt.  Es  ist  aber  zu  betonen:  die  mittlere  Jahrestemperatur, 
weil  — wie  es  sich  jetzt  mit  immer  größerer  Bestimmtheit  heraus- 

x Aiifangstemperatur  —10°  0°  10°  20°  30° 

Wärmeabnahme  für  100m  H.  0,7«°  0,ca°  0,m"  0,«°  0,m° 


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Die  Abnahme  der  Temperatur  mit  der  Höhe.  53 

stellt  — zu  gewissen  Tageszeiten  und  unter  gewissen  Witterungs- 
verhältnissen die  Temperatur  wenigstens  in  den  unteren  Luftschichten 
überall  mit  der  Höhe  zunimmt. 

Freie  Atmosphäre.  Durch  die  Einrichtung  des  bekannten  Eiffel- 
turms in  Paris  für  den  meteorologischen  Dienst  ist  zum  ersten 
Male  die  Möglichkeit  geboten  worden,  regelmäßige  Beobachtungen 
über  den  Zustand  der  freien  Atmosphäre  anzustellen.  Die  Instru- 
mente sind  in  2,  123,  197  und  302  m über  dem  Boden  aufgestellt 
und  an  den  drei  letzteren  Stellen  somit  völlig  dem  unmittelbaren 
Einflüsse  des  Bodens  entrückt,  während  anderseits  die  luftige  Bauart 
des  Turmes  selbst  eine  Störung  der  Instrumente  durch  Strahlung 
ausschließt.1  Bei  Tage  erreicht  die  Wärmeabnahme  einen  überraschend 
hohen  Wert,  besonders  bis  200  m Höhe  im  Frühjahr  und  Sommer, 
wo  sie  sogar  über  den  Maximalwert  für  aufsteigende  trockene  Luft 
hinausgeht.  Das  erklärt  sich  dadurch,  daß  in  den  Mittagsstunden 
der  Erdboden  überhitzt  wird  und  seine  Wärme  nicht  rasch  genug 
den  oberen  Luftschichten  mitteilen  kann.  In  der  Nacht  tritt  der 
umgekehrte  Fall  ein;  der  Boden  kühlt  sich  rascher  ab,  als  die  Luft, 
die  noch  einen  Wärmefond  vom  vorhergehenden  Tage  bewahrt  hat. 
Daher  nimmt  in  allen  Jahreszeiten  die  Temperatur  bis  200  in  zu,  und 
wenn  auch  dann  Abnahme  eintritt,  so  ist  es  doch  auf  der  Höhe  des 


Temperaturäuderung  für  je  100m  Höhe. 


Eiffelturm  (300  m) 

Schaf  berg  (1716  m) 
Sonnblick  (3105  m). 

Mitternacht 
bis  4h  früh 

Mittag  bis 
4 11  N.M. 

24  stünd. 

Mittel 
1890—92  i 

Mittel  (red.) 
1851—90 

Winter 

+ 0,1.» 

-0,ia° 

-0,1!« 

— 0,59° 

Frühling 

-0,05 

- 

— 1,10 

— 0,51 

— 0,04 

Sommer 

1 + 0,06 

— 1,00 

— 0,50 

— 0,63 

Herbst 

+ 0,41 

— 0,8T 

— 0,14 

— 0,58 

Jahr 

+ 0,16 

— 0,95 

— 0,sj 

— 0,61 

Eiffelturmes  meist  immer  noch  wärmer,  als  auf  dem  Erdboden. 
Aber  die  Abnahme  bei  Tage  ist  größer,  als  die  Zunahme  bei  Nacht, 
die  mittlere  Tagestemperatur  nimmt  also  in  der  Regel  ab. 

Um  von  der  durchschnittlichen  Temperaturabnahme  in  den 
höheren  Schichten  der  Atmosphäre  eine  Vorstellung  zu  gewinnen, 
müssen  wir  die  zwei  benachbarten  Gipfelstationen  der  Salzburger 
Alpen,  den  Schafberg  und  den  Sonnblick,  zu  Rate  ziehen.  Allerdings 
wirkt  hier  neben  dem  Zuflusse  von  unten  auch  die  eigene  Wärme- 
aufnahme und  Ausstrahlung  des  Bodens,  und  aus  dem  Vergleiche 


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54 


Die  Lufthülle. 


der  Beobachtungen  der  Münchener  Luftschiffer  mit  den  gleichzeitigen 
Teinperaturablesuugen  auf  den  bayerischen  Höhenstationen  können 
wir  entnehmen,  daß  die  Unterschiede  zeitweise  recht  beträchtlich 
sind.2  In  der  freien  Atmosphäre  sind  die  Schwankungen  geringer; 
daher  ist  sie  in  der  Nacht  und  im  Winter  wärmer,  als  die  Luft 
über  den  Berggipfeln,  bei  Tage  und  im  Sommer  (wenigstens  bei 
normaler  Witterung)  aber  kälter.  Im  langjährigen  Mittel  mögen 
sich  diese  Unterschiede  ausgleichen,  und  damit  Gipfelstationeu  auch 
für  die  Verhältnisse  in  der  freien  Atmosphäre  verwendbar  werden; 
wegen  ihrer  freien  Lage  eignen  sich  dazu  keine  Beobachtungspunkte 
besser,  als  die  oben  genannten.2  Wie  am  Eiffelturm,  so  ist  auch  in 
der  Luftschicht  zwischen  dem  Schafberg  und  Sonnblick  die  Tempe- 
raturabnahme im  Frühling  und  Sommer  größer,  als  im  Herbst  und 
Winter,  aber  diese  jahreszeitlichen  Gegensätze  sind  in  der  untersten 
Luftschicht,  die  noch  ganz  unter  dem  Einflüsse  des  Erdhodens  steht, 
ungleich  größer.  Daher  ist  hier  die  Temperaturabnahme  im  Jahres- 
mittel fast  um  die  Hälfte  geringer,  als  in  den  höheren  Schichten. 

Aus  Glaishebs  berühmten  Ballonbeobachtungen  in  den  sechziger 
Jahren,  die  bis  8000  m Höhe  reichten,  hat  man  geschlossen,  daß  die 
Temperaturabnalime  nach  oben  sich  verlangsamt.  Nun  sind  aber 
alle  älteren  Beobachtungen  dieser  Art,  vielleicht  die  von  Welsh 
(1852)  ausgenommen,  gänzlich  unbrauchbar;  erst  seit  der  Einführung 
des  AsSMAXxschen  Aspirationspsychrometers  haben  die  Temperatur- 
beobachtuugen  im  Ballon  den  notwendigen  Grad  von  Zuverlässigkeit 
erlangt.  Allerdings  haftet  ihnen  der  unvermeidliche  Fehler  an,  daß 
sic  nur  Augenblicksbilder  liefern,  nur  den  Zustand  der  Atmosphäre 
unter  wechselnden  Witterungsverhältnissen  uns  kennen  lehren.  Es 
werden  noch  viele  Fahrten  unternommen  werden  müssen,  ehe  man 
daran  gehen  kann,  aus  widerspruchsvollen  Einzelbeobachtungen  nor- 
male Mittelwerte  abzuleiten.  Aber  auch  jetzt  schon  haben  die  Hoch- 
fahrten des  Berliner  Vereins  für  Luftschiffahrt  unsere  Vor- 
stellungen von  der  senkrechten  Wärmeverteilung  wesentlich  berichtigt. 
Zwei  Sätze  stehen  wenigstens  fest:  1)  daß  die  Atmosphäre  bis  in  be- 
trächtliche Höhen  in  scheinbar  regelloser  Weise  aus  verschieden  tempe- 
rierten Schichten  besteht, x 2)  daß  die  Temperaturabnahme  auch  in 


x Als  Beispiel  diene  die  von  Kremser  bearbeitete  Fahrt  des  Ballons 
„Humboldt“  am  1.  Marz  1893.  Die  Temperaturabuahme  für  je  100  m betrug: 


0— 1000  m 

Höhe 

0,1!  0 

2600—3100  m 

Höhe 

0,38 

1000—1600 

0,33 

3100—3400 

V 

0,6? 

1600—2000 

»» 

0,70 

3400—3700 

0.43 

2000—2300 

0,33 

3700—4300 

V 

0,65 

2300—2600 

V 

0,#o 

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Die  Abnahme  der  Temperatur  mit  der  Höhe.  55 

großen  Höhen  viel  rascher  erfolgt,  als  man  bisher  annahm.  Während 
man  früher  für  die  Grenze  der  Atmosphäre  Temperaturen  von  — 34 
bis  —49°  berechnete,  sind  jetzt  schon  Höhentemperaturen  bis  —67° 
durch  Messung  festgestellt. * Aber  diese  Temperatur  ist  keines- 
wegs die  tiefste,  die  auf  unserem  Planeten  registriert  wurde.  Am 
15.  Januar  1885  zeigte  das  Weingeistthermometer  auf  der  ostsibiri- 
schen Station  Werchojansk  — 68°;  das  würde  an  dem  gewöhnlichen 
Luftthermometer  einer  Temperatur  von  — 76°  entsprechen.4  Bis 
zu  mehr  als  doppelter  Gaurisankarhöhe  muß  man  sich  also  erheben, 
um  in  der  freien  Atmosphäre  Temperaturen  wiederzufinden,  die  in 
Ostsibirien  unter  dem  Einflüsse  intensiven  Wärmeverlustes  des  Erd- 
bodens schon  in  einer  Seehöhe  von  50m  zu  stände  kommen!  Aber 
in  jenen  Luftregionen  dürfte  sich  die  Temperatur  kaum  jemals  be- 
deutend von  — 60°  entfernen;  in  Werchojansk  hat  man  schon 
Maxima  von  30°  beobachtet. 

Gebirge.  Je  massiger  ein  Gebirge  ist,  desto  mehr  gewinnt  die 
Wärmeaufnahme  und  Ausstrahlung  der  Thalböden,  Böschungen  und 
Gipfel  an  Bedeutung  gegenüber  der  Wärmezufuhr  aus  den  unteren 
Regionen.  Meist  vergleicht  man  Ebenen-  oder  Thalstationen  mit 
Gipfelstationen,  und  in  diesem  Falle  wird  das  Endergebnis  häufig 
durch  klimatische  Eigentümlichkeiten  getrübt,  die  mit  der  absoluten 
Höhe  nichts  zu  thun  haben.  Namentlich  die  in  den  Niederungen 
stagnierende  kalte  Winterluft  drückt  den  Durchschnittswert  für  die 
Temperaturabnahme  manchmal  erheblich  herab.  Es  ist  dies  im 
Auge  zu  behalten,  wenn  man  nachstehende  Tabelle  durchmustert, 
welche  die  vertikale  Wärmeabnahme  für  je  100  m in  einigen  Ge- 
birgen Europas,  Asiens,  Nordamerikas  und  der  Insel  St.  Helena  zeigt. 

x Übersicht  der  höchsten  Ballonfahrten  und  der  beobachteten  Minimal- 
temperaturen. Die  Höhen  in  Klammem  sind  nur  rohe  Näherangswerte. 


Luftschiffer 

Datum 

Seehöhe 

Temperatur 

Gross 

19.  Okt.  1893 

6060 

-26,0» 

Gross 

14.  März  1893 

6105 

-27.« 

Bersoh 

6.  Sept  1894 

6220 

-26,0 

Welsh 

10.  Nov.  1852 

(6900) 

-22,8 

Barral-Bixio 

27.  Juli  1850 

(7000) 

— 39,t  ? 

Tissandier 

15.  April  1875 

7400 

-11,0? 

Glaisher 

5.  Sept.  1862 

7650 

-20,7  ? 

Gross 

11.  Mai  1894 

7700 

— 36,5 

7930  m 

-32,s» 

Bersok 

4.  Dez.  1894 

9150 

-47,» 

„L'Aerophile“ 

21.  März  1893 

(14000) 

— 55,o 

„Cirrus“ 

7.  Juli  1894 

15600 

— 53,o 

16325 

-52,o 

„Cinus“ 

6.  Sept  1894 

? 

-67,o 

18450 

? 

Die  drei  letzten  Fahrten  wurden  von  unbemannten  Ballons  mit  Registrier- 
apparaten ausgeführt. 


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56 


Die  Lufthülle. 


Gegend 

Winter 

Frühling 

Sommer 

Herbst 

Jahr 

Schottland  (Ben  Nevis)  .... 

0,40° 

0,72° 

0,68° 

0,63° 

0,66° 

Norwegen  (bei  Kristiania)  . . . 

0,05 

0,73 

0,»i 

0,52 

0,55 

Harz 

0,43 

0,67 

0,70 

0,51 

0,58 

Erzgebirge,  Nordseite  .... 

0,48 

0,60 

0,41 

0,54 

0,55 

„ Südseite 

0,3» 

0,74 

0,72 

0,60 

0,63 

Raube  Alp  

0,26 

0,53 

0,55 

0,42 

0,44 

Nördliche  Schweiz 

0,34 

0,85 

0,61 

0,47 

0,52 

Südliche  Schweiz 

0,17 

0,64 

0,66 

0,56 

0,58 

Ostalpen a,  Nordseite 

0,S1 

0,50 

0,43 

0,17 

0,51 

„ Tirol  u.  Tessin  . . . 

0,50 

0,66 

0,57 

0,57 

0,40 

„ Kärnten 

0,s« 

0,57 

0,58 

0,42 

0,46 

Pyrenäen  (Pic  du  Midi)  . . . 

0,50 

0,61 

0,56 

0,55 

0,56 

Serra  da  Estrella 

0,53 

0,73 

0,71 

0,41 

0,65 

Nördlicher  Kaukasus 

0,26 

0,48 

0,51 

0,38 

0,41 

Südlicher  Kaukasus 

0,39 

0,54 

0,5S 

0,18 

0,49 

Bengalen 

0,56 

0,53 

0,17 

0,57 

0,52 

Indische  Nordwest-Provinzen  . . 

0,47 

0,64 

0,57 

0,59 

0,56 

Ceylon 

0,57 

0,58 

0,52 

0,59 

0,58 

Insel  Hongkong 

0,53 

0,17 

0,57 

0,66 

0,60 

Mt.  Washington  (New-Hampshire) 

0,40 

0,59 

0,67 

0,52 

0,55 

Felsengebirge 

0,55 

0,71 

0,69 

0,59 

0,64 

St.  Helena 

0,84 

0,99 

0,07 

0,88 

0,93 

Die  mittlere  Jahrestemperatur  nimmt  ferner  in  Indien  um  0,«s 
bis  0,60°,  im  Himalaja  um  0,45 — 0,48°,  in  Tibet  um  0,4«  °,  im  Kuenlun 
um  0,48°,  in  Mexico  um  0,53°,  und  in  den  Andes  um  0,4i — 0,62°  für 
je  100  m Erhebung  ab. 

Man  ersieht  aus  dieser  Zusammenstellung,  daß  die  Abnahme 
der  mittleren  Jahrestemperatur  auf  der  ganzen  Erde  ziemlich 
gleichmäßig  ist,  im  Mittel  0,s°  für  100  m,  wenn  wir  St.  Helena  von 
der  Rechnung  ausschließen.  Aber  gerade  die  abnormen  Verhältnisse 
auf  St.  Helena  sind  sehr  lehrreich.  Die  untere  Station,  Jamestown, 
ist  außerordentlich  trocken,  und  die  von  hier  aufsteigende  Luft 
befolgt  im  Frühjahr  und  Sommer  (Regenmenge  6 und  22  mm) 
nahezu  das  Gesetz  der  Temperaturabnahme  dampfleerer  Luft.  Im 
Herbst  steigt  die  Regenmenge  auf  49  mm,  und  dem  entsprechend 
sinkt  die  Wärmeabnahme  auf  0,8s°;  im  Winter  endlich  erreicht  die 
Niederschlagshöhe  ihr  Maximum  (68  mm)  und  die  Wärmeabnahme 
ihr  Minimum.  Dieses  Beispiel  beweist,  daß  für  isolierte  Anhöhen 
die  aufsteigende  Luft  die  fast  ausschließliche  Wärmequelle  ist, 


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Die  Abnahme  der  Temperatur  mit  der  Höhe.  57 

während  sie  in  ausgedehnten  Gebirgen  gegenüber  der  Wärmeauf- 
nahme und  Ausstrahlung  der  Abhänge  und  Thalflächen  naturgemäß 
etwas  zurücktritt. 

Im  Winter  ist  die  Luft  in  der  Regel  viel  feuchter,  als  im  Sommer; 
schon  aus  diesem  Grunde  muß  die  Temperatur  im  Winter  am  lang- 
samsten, im  Sommer  am  raschesten  mit  der  Höhe  abnehmen.  Wenn 
Bengalen  davon  eine  Ausnahme  macht,  so  erklärt  sich  dies  daraus, 
daß  hier  der  Sommer  den  Winter  an  Feuchtigkeit  übertrifft.  Auch 
die  tägliche  Periode  ist  überall  scharf  ausgeprägt.  Aus  dem  Ver- 
gleiche der  nahe  benachbarten,  frei  gelegenen  Bergstationen  Sonn- 
blick und  Kolm-Saigurn  ermittelte  Trauert0  für  die  Nachthälfte 
eine  mittlere  Abnahme  von  0,56°,  für  die  Tageshälfte  eine  solche  von 
0,«s°  für  je  100  m. 

Die  folgende  Tabelle  giebt  als  Beispiele  des  Bergklimas  die 
mittleren  Monats-  und  Jahrestemperaturen  der  drei  höchsten,  unter 
verschiedenen  Breiten  gelegenen  Beobachtungsstationen.  Zum  Ver- 
gleiche fügen  wir  Upemivik  an  der  grönländischen  Westküste,  die 
nördlichste  Station  der  Erde  mit  langjährigen  Beobachtungen,  bei. 


Alpen. 

Felsengebirge. 

Audes. 

Grünland. 

Sonnblick 

Pikes  Peak 

Anti  sana 

.. 

Upernivik 

Geogr.  Breite 

47°  3'  N. 

38°  50'  N. 

0°  21'  S. 

72»  47'  N. 

Höhe  m 

3105 

4308 

4060 

— 

Dezember  . . 

-12,4° 

-14,3° 

6,o» 

-14,7° 

Januar  . . . 

-12,8 

-16,4* 

-21,1 

Februar  . . . 

-13,o* 

-15,8 

5,. 

-23,5* 

März  .... 

-11,8 

-13,4 

5,6 

-21,. 

April  .... 

- 8,0 

-10,4 

5,8 

-13,1 

Mai  .... 

— 4,6 

— 5,3 

5,5 

- 3,7 

Juni  .... 

- 1,» 

0,4 

4,6 

1,6 

Juli  .... 

1,* 

4,4 

3,0* 

4,8 

August  . . . 

1,5 

3,6 

3,0 

4,0 

September  . . 

— 1,0 

- 0,3 

4,o 

0,8 

Oktober  . . . 

- 4,6 

— 5,8 

5,o 

- 4,8 

November  . . 

- 9,’ 

-11,8 

5,5 

- 8,8 

Jahr  .... 

— 6,3 

- 7,. 

4,8 

- 8,3 

Es  ist  eine  landläufige  Vorstellung,  daß  das  Bergklima  in 
größeren  Höhen  einen  polaren  Charakter  annehme.  Nun  findet 
man  allerdings  die  mittleren  Jahrestemperaturen  des  Sonnblick 
oder  des  Pikes  Peak  in  der  arktischen  Zone  wieder,  aber  selbst 


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58 


Die  Lufthülle. 


das  durchschnittlich  kältere  Upernivik  hat  einen  wärmeren  Sommer 
und  Herbst,  als  die  Hochgipfel  der  Alpen  und  des  Felsengebirges. 
Ebenso  auffällig  ist  der  Kontrast  von  Antisana  und  Westeräs  an  der 
schwedischen  Küste  unter  50°  37'.  Die  .7 ahrestemperatur  ist  an  beiden 
Orten  dieselbe,  aber  die  tiefste  Monatstemperatur  ist  an  letzterem 
— 4,6°  und  die  höchste  16,s°.  Das  Höhenklima  unterscheidet  sich 
also  vom  polaren  wesentlich  durch  kühle  Sommer  und  verhältnis- 
mäßig milde  Winter. 

Aber  es  besitzt  noch  einen  anderen  Vorzug,  der  selten  ent- 
sprechend gewürdigt  wird.  Die  mittleren  Temperaturen  einer  Be- 
obachtungsstation sind  Schattentemperaturen;  in  den  alpinen 
Hochthälern  ist  aber  bei  vorwiegend  heiterem  Himmel  und  Wind- 
stille die  Insolation  außerordentlich  kräftig,  und  daher  im  Winter 
der  Unterschied  zwischen  Sonnen-  und  Schatten temperatur,  der  in 
der  polaren  Nacht  natürlich  wegfällt,  sehr  bedeutend.  In  Davos 
(1650  m hoch)  stieg  z.  B.  die  Lufttemperatur  am  30.  Dezember  1873 
nicht  über  —12,8°,  aber  in  der  Sonne  zeigte  das  Thermometer  um 
9 Uhr  Morgens  25,5°  und  um  1 */2  Uhr  Nachmittags  38,5°.  Von 
dem  bekannten  Kurorte  Meran  sagt  Fuchs,  daß  vom  Dezember  bis 
März  die  Nächte  Winter,  die  Tage  aber  sommerliches  Frühjahr 
seien.  Auch  im  Sommer  ist  der  Unterschied  zwischen  Sonnen-  und 
Schattentemperatur  bedeutender  als  in  der  Ebene.  Er  beträgt  nach 
H.  Houfmann  7 im  Juli  und  August  in  den  Alpen  16,4°,  in  Gießen 
(an  den  gleichen  Tagen  gemessen)  dagegen  nur  4,«°.  Im  Gebirge 
ist  die  Luft  trockener  und  reiner,  während  im  Tief  lande  der  größere 
Dampfgehalt,  die  größere  Dichtigkeit  und  die  Trübung  der  untersten 
Luftschichten  einen  beträchtlichen  Teil  der  eingestrahlten  Sonnen- 
wäririe  absorbiert. 

Wärmeumkehr  im  Gebirge.  Die  Beobachtungen  auf  dem  Eiffel- 
türme haben  uns  gelehrt,  daß  in  der  Nacht  der  Boden  regelmäßig 
so  stark  erkaltet,  daß  eine  Wärmeumkehr,  d.  h.  eine  vertikale 
Temperaturzunahine  eintritt,  die  aber  viel  geringfügiger  ist,  als  die 
Abnahme  in  den  Tagesstunden.  In  Gebirgsländern  kann  sie  jedoch 
im  Winter  ein  dauernder  Zustand  werden,  der  bei  Tag  wie  bei 
Nacht  wirksam  ist.  Grundbedingung  ist  ein  hoher  Barometerstand, 
der  heiteres,  ruhiges  Wetter  erzeugt;  günstig  wirkt  auch  eine  dichte 
Schneedecke,  da  diese  durch  Ausstrahlung  außerordentlich  intensiv 
erkaltet.  Diese  Temperaturerniedrigung  teilt  sich  nur  den  untersten 
Luftschichten  mit,  die  bei  vorherrschender  Windstille  sich  ruhig 
über  dem  Thalboden  lagern.  Zwar  erkalten  auch  die  Berggehänge 
und  Gipfel,  aber  hier  ist  die  Luft  immer  etwas  bewegt,  und  die 
dem  Boden  unmittelbar  auflagernden  kalten  Schichten  können  sich 


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Die  Abnahme  der  Temperatur  mit  der  Höhe.  59 

mit  den  wärmeren  der  freien  Atmosphäre  mischen.  Dann  ragen 
die  Berge  als  Wärmeinseln  aus  dem  kalten  Meere  der  Thäler  und 
Ebenen  hervor,  und  es  können  Wochen  vergehen,  bis  der  normale 
Zustand  wieder  hergestellt  ist  Solche  Umkelirperioden  tragen  natür- 
lich auch  dazu  bei,  die  mittlere  winterliche  Temperaturabnahme 
zu  erniedrigen,  wenn  wir  die  Beobachtungen  an  Ebenen-  oder  Thal- 
stationen der  Berechnung  derselben  zu  Grunde  legen. 

Geographisch  bedeutsam  wird  die  Wärmeumkehr  aber  nur  dort, 
wo  sie  auch  in  langjährigen  Mittelwerten  zum  Ausdrucke  kommt,  also 
zum  habituellen  klimatischen  Charakter  gehört.  In  den  Alpen  sind, 
wie  Hann  5 ziffernmäßig  nachwies,  alle  Thäler,  welche  gegen  die  herr- 
schende Windrichtung  abgeschlossen  sind,  durch  diese  Abnormität 
ausgezeichnet,  und  daraus  erklärt  es  sich,  daß  die  menschlichen 
Wohnstätten  mit  auffallender  Regelmäßigkeit  selbst  breite,  frucht- 
bare Thalsohlen  meiden  und  sich  auf  die  Gehänge  zurückziehen. 
Das  Engadin  und  das  kärntnische  Drauthal  sind  schon  lange  bekannte 
klassische  Beispiele  dafür.  Sils  im  Engadin  (1810  m hoch)  ist  im 
.Januar  (—8,o0)  fast  ebenso  kalt  als  der  St.  Bernhard  in  2478  m H.  (—8,3), 
und  Bevers,  nur  1715  m hoch  gelegen,  hat  sogar  —9,7°,  ist  also  um 
4,9°  kälter  als  der  75  m höhere,  aber  isolierte  Rigi.  Im  Drauthale 
nimmt  in  der  Regel  die  Temperatur  normal  mit  der  Höhe  ab,  im 
W inter  sind  aber  noch  die  Stationen  in  1600  m H.  wärmer  als  die 
1000  m tieferen  Thalsohlen.x  Im  Gebiete  des  ostsibirischen  Kälte- 
pols rufen  dieselben  Ursachen  dieselbe  Wirkung  hervor.  Auf  dem 
ca.  2200  m hohen  Alihertberge  ist  nach  Woeikow  die  Temperatur  im 
Januar  um  4°  höher  als  im  benachbarten  Irkutsk  (460  m h.),  da- 
gegen im  Juli  in  ganz  normaler  Weise  um  6,0°  und  im  Jahresmittel 
um  5,i°  tiefer. 

Plateaus.  Über  ausgedehnten  Plateaus,  die  stellenweise,  wie 
z.  B.  im  südlichen  Zentralasien,  zu  alpiner  Höhe  ansteigen,  werden 
die  untersten  Luftschichten  in  derselben  Weise  erwärmt,  wie  über 


x 


Stationen 

Höhe  m 

! Januar 

April 

Juli 

Oktober 

Jahr 

Klagenfurt 

440 

-6,5° 

8,6° 

18,9°  | 

8,o° 

7,2« 

Kappel 

560 

— 5,J 

6,7 

IV 

V 

6,6 

Fellach 

805 

-4,o 

5,8 

15,3 

7,o 

6,0 

Unterschäff- 
ler Alpe 

1063 

-3,6 

4,o 

1 

15,1  , 

6,5 

5,5 

Obir  1 

1230 

-4,3 

4,« 

14,o 

6,1 

V 

Obir  II 

1612 

-5,1 

8,1 

12,3 

5,3 

3,7 

Hoch-Obir 

2047 

— 6,8 

1,3 

9,2  i 

2,3 

0,6 

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60 


Die  Lufthülle. 


dem  Tieflande.  Von  einer  Wärmemitteilung  durch  aufsteigende  Luft- 
massen aus  der  Tiefebene  kann  keine  Kede  sein,  am  wenigsten  bei 
den  großen,  gebirgsumschlossenen  Tafelländern  der  Erde.  Man  könnte 
daraus  schließen,  daß  hier  die  Seehöhe  ohne  Einfluß  auf  die  Tempe- 
ratur sei.  Allein  die  Beobachtungen  beweisen,  daß  hier  dasselbe 
Gesetz  zu  Re#ht  besteht,  wie  für  die  freie  Atmosphäre  und  das  Ge- 
birge, nur  ist  die  Ursache  eine  andere.  Die  Luft  Uber  den  Hoch- 
ebenen ist  dünner  als  über  dem  Tieflande,  daher  wird  der  Boden 
und  die  untere  Luftschicht  zwar  rasch  erwärmt,  aber  ebenso  rasch 
abgekühlt.  An  hellen  Sommertagen  mag  es  hier  ebenso  heiß  sein, 
als  wenige  Meter  über  dem  Meeresniveau,  aber  die  Nächte  sind  be- 
deutend kälter,  und  dieser  Gegensatz  steigert  sich  mit  der  Seehöhe. 
Daher  muß  die  letztere  auch  in  der  Tagestemperatur  zum  Ausdrucke 
kommen,  denn  diese  ist  ein  24  stiindiges  Mittel,  oder  wenigstens  auf 
ein  solches  reduziert. 

Es  wäre  für  den  Geographen  von  höchster  Wichtigkeit,  das 
Maß  der  Temperaturabnahme  auf  den  Hochebenen  festzustellen.  Leider 
stoßen  wir  hier  auf  zwei  bedeutende  Hindernisse.  Von  den  großen  Tafel- 
ländern der  Erde  besitzen  wir  — mit  Ausnahme  des  nordameri- 
kanischen — nur  spärliche  und  kurze  Beobachtungen.  Wir  sind  ferner 
meist  darauf  angewiesen,  Plateau-  und  Tieflandstationen  mitein- 
ander zu  vergleichen,  aber  diese  liegen  häufig  weit  entfernt  vonein- 
ander und  stehen  unter  verschiedenen  klimatischen  Bedingungen. 
Ein  Vergleich  der  Stationen  auf  dem  Prairienplateau  und  am  Mississippi 
ergiebt  folgende  Temperaturabnahme  für  je  100  m: 

Winter  0,si0,  Frühling  0,37°,  Sommer  0,3i°,  Herbst  0,to“,  Jahr  0,38°. 

Die  jährliche  Periode  nimmt  also  den  umgekehrten  Verlauf  wie 
im  Gebirge,  weil  im  Sommer  auch  die  Erwärmung  der  Hochflächen 
eine  bedeutende  ist,  und  die  Abnahme  der  mittleren  Jahrestemperatur 
ist  etwas  geringer.  Ein  etwas  anderes  Resultat  liefert  der  Vergleich 
von  Hasaribag  und  Barhampur  in  Bengalen: 

Winter  0,ii0,  Frühling  0,i»0,  Sommer  0,37°,  Herbst  0,53°,  Jahr  0,87°. 

Wie  die  Wahl  der  Vergleichsstationen  die  höchste  Vorsicht  er- 
fordert, zeigt  folgendes  Beispiel.  Valparaiso  und  das  um  489  m höher 
gelegene  Santiago,  nur  110  km  voneinander  entfernt,  scheinen  zu 
einer  Untersuchung  über  die  vertikale  Temperaturänderung  vollkommen 
geeignet  zu  sein.  Santiago  ist  im  Juli  (Winter)  um  4,2 0 kälter  als 
Valparaiso,  von  November  bis  März  dagegen  wärmer,  im  Januar 
sogar  um  2,3°.  Ist  da  der  Schluß  gestattet,  daß  die  Temperatur  im 
Sommer  mit  der  Seehöhe  zunimmt?  Keineswegs,  denn  Valparaiso 
repräsentiert  das  unter  dem  Einflüsse  der  kalten  Meeresströmung 


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Die  Abnahme  der  Temperatur  mit  der  Höhe.  61 

stehende  Kiistenklima,  Santiago  das  Binnenklima;  sie  sind  daher  nicht 
miteinander  vergleichbar.  Santiago  wäre  jedenfalls  noch  viel  wärmer, 
wenn  es  tiefer  läge.  Nördlich  vom  27°  B.  zeigen  die  chilenischen 
Inlandstationen  auch  im  Winter  eine  scheinbare  vertikale  Tem- 
peraturzunahme, die  in  der  Wärmeausstrahlung  der  kahlen  Felsen 
und  in  der  Abwesenheit  der  Küstennebel  begründet  ist. 

Reduktion  der  Temperatur  auf  das  Meeresniveau.  Von  den 
großen  Faktoren,  die  die  mathematische,  d.  h.  allein  von  der  geo- 
graphischen Breite  abhängige  Wärmeverteilung  auf  der  Erdoberfläche 
modifizieren,  haben  wir  den  am  meisten  wechselnden,  die  Seehöhe, 
soeben  kennen  gelernt.  Wir  können  ihn  ausschließen,  indem  wir 
die  beobachteten  Temperaturen  auf  das  Meeresniveau  reduziren; 
wenn  wir  sodann  die  Orte  mit  gleicher  Temperatur  durch  Linien 
(Isothermen)  miteinander  verbinden,  so  gewinnen  wir  ein  einfaches 
und  übersichtliches  Bild,  das  uns  die  Ursachen  der  thatsächlichen 
Wärmeverteilung  sofort  verrät. 

Die  Frage  nach  dem  besten  Reduktionsmaßstahe  dürfte  wohl 
kaum  jemals  mit  Sicherheit  zu  beantworten  sein.  Für  die  beiliegen- 
den Isothermenkarten  wurden  die  von  Wild  benützten  Werte  (Ab- 
nahme für  100  m im  Jahresmittel  0,47°,  im  Januar  0,38°,  im  Juli 
0,69°)  angewendet  Sie  empfehlen  sich  deshalb,  weil  es  sich  ja  meist 
um  Plateaustationen  handelt  und  hier  die  Wärmeabnahme  etwas 
langsamer  stattfindet  als  im  Gebirge.  Eine  andere  Frage  ist  die, 
ob  ein  einheitlicher  Maßstab  für  die  ganze  Erde  an  gewendet  werden 
darf.  Solange  wir  über  die  Temperaturabnahme  auf  Hochebenen 
nicht  besser  unterrichtet  sind,  als  jetzt,  ist  dies  Verfahren  jedenfalls 
nicht  nur  das  bequemste,  sondern  auch  sicherste.  Denn  wollte  man 
z.  B.  für  Nordamerika  und  Vorderindien  die  auf  S.  60  angegebenen 
Werte  benützen,  so  müßte  man  erst  untersuchen,  ob  sie  nicht  bloß 
lokale  Bedeutung  haben  und  auf  große  Länderkomplexe  angewendet 
werden  dürfen.  Wollte  man  aber  für  jeden  einzelnen  Fall  ein  eigenes 
Reduktionsmaß  berechnen,  so  käme  man  zu  demselben  Resultate, 
wie  wenn  man  alle  Stationen  mit  größerer  Seehöhe  ausschließen 
würde.  Ein  einheitlicher  Maßstab  liefert  zwar  nur  ein  ideales,  aber 
jedenfalls  ein  einheitliches  Bild.  Er  muß  aber  auch  dann  in  An- 
wendung kommen,  wenn  thatsächlich  die  Temperatur  mit  der  Höhe 
zunimmt;  denn  nur  auf  diese  Weise  wird  z.  B.  die  Kälte  des  Thal- 
bodens im  Draugebiete  auf  der  Isothermenkarte  des  Januar  klar  her- 
vortreten, während  eine  umgekehrte  Reduktion  alle  örtlichen  Eigen- 
tümlichkeiten verwischen  würde.  Man  muß  sich  nur  stets  vor  Augen 
halten,  was  das  Isothermenbild  eigentlich  darstellen  will.  Es  sagt 
uns  nicht,  so  würde  die  Wärmeverteilung  sich  gestalten,  wenn  die 


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62 


Die  Lufthülle. 


ganze  Erdoberfläche  eine  ununterbrochene  Ebene  im  Meeresniveau 
wäre;  sondern  es  setzt  die  wirklichen  Terrain  Verhältnisse  mit  allen 
ihren  modifizierenden  Einflüssen  voraus,  und  elimiert  nur  die  ther- 
mische Wirkung  der  Seehöhe. 

Litteraturnach weise.  * Anoot,  Sur  la  dccroiasance  de  la  temperatur 
dans  l’air  avec  la  bauteur,  in  den  Comptes  rendus  der  Pariser  Akademie  d. 
Wissenscli.  Bd.  CXV,  1892.  — * Finstekwaldeb  u.  Sohncke  in  der  Meteoro- 
logischen Zeitschrift  1894,  S.  361.  Vgl.  auch  Sohnckes  akademische  Festrede 
„über  die  Bedeutung  wissenschaftlicher  Ballonfahrten“,  München  1894.  — s Hann, 
Studien  über  die  Luftdruck-  und  Temperaturverhältnisse  auf  dem  Sonnblick- 
gipfel, in  den  Sitzungsberichten  der  Wiener  Akademie  d.  Wissenschaften,  Matli.- 
naturwiss.  Klasse,  1891,  Bd.  C.  — 4 Meteorologische  Zeitschrift  1886,  S.  178.  — 
5 Hann,  Die  Temperaturverhältnissc  der  österreichischen  Alpenländer,  in  d. 
Sitz.-Ber.  d.  Wien.  Akad.  d.  Wiss.,  Math.-naturw.  Kl.  1884 — 85,  Bd.  XC,  XC1 
u.  XCII.  Hanns  Werte  für  die  Ostalpen,  aus  der  Combination  sämtlicher 
Temperaturmittel  nach  der  Methode  der  kleinsten  Quadrate  gewonnen,  sind 
wohl  die  zuverlässigsten,  welche  jemals  für  ein  Gebirge  berechnet  wurden.  — 
8 Tbabert,  Der  tägliche  Gang  der  Temperatur  und  des  Sonnenscheins  auf  dem 
Sonnblickgipfel,  in  den  Denkschriften  der  Wiener  Akademie  d.  Wissenseh., 
Math.-naturwiss.  Kl.  Bd.  LIX,  1892.  Die  Arbeit  bietet  auch  in  theoretischer 
Beziehung  viel  beachtenswertes.  — 1 Hoffmans  in  der  Zeitschrift  der  öster- 
reichischen Gesellschaft  für  Meteorologie,  1882,  S.  123. 


Die  horizontale  Verteilung  der  Temperatur. 

(Vergl.  Karten  III  bis  VIL) 

Wir  haben  oben  (S.  45)  die  relativen  Wärmemengen  kennen  gelernt, 
welche  die  verschiedenen  Breiten  von  der  Sonne  empfangen  würden, 
wenn  die  Erde  nicht  von  Luft  umhüllt  wäre.  Es  muß  nun  einen 
Schritt  weiter  gegangen,  es  muß  der  Wärmebetrag  festgestellt  werden, 
den  die  Luft  bei  dem  Durchgänge  der  Sonnenstrahlen  absorbiert;  und 
es  muß  endlich  festgestellt  werden,  wie  sich  die  verschiedenen  Erd- 
oberflächen zu  derjenigen  Wärmemenge,  die  bis  auf  den  Boden  ge- 
langt, verhalten.  Denn  Land  und  Wasser  empfangen,  wenn  sie  auch 
unter  gleicher  Breite  liegen,  wegen  der  ungleichen  Reflexion  der 
Sonnenstrahlen  verschiedene  Wärmemengen,  und  zwar  wie  Zenkeb1 
nachgewieseu  hat,  das  Wasser  überall  weniger  als  das  Land.  Mit 
der  Polliöhe  steigert  sich  dieser  Gegensatz,  weil  die  Reflexion  mit 
dem  Einfallswinkel  der  Sonnenstrahlen  wächst.  Daß  die  Luft  über 
dem  Lande  in  der  Regel  trockener  ist,  als  über  dem  Meere,  und 
daher  mehr  Wärme  durchläßt,  kommt  noch  als  weiterer  Umstand 
hinzu.  Entscheidend  ist  aber  nicht  die  Wärmeaufnahme,  sondern 
die  Art  und  Weise,  wie  die  Wärme  festgehalten  wird,  und  in  dieser 
Beziehung  ist  das  Wasser  im  Vorteile.  Auf  dem  Lande  wird  nur 
eine  dünne  Schicht  erwärmt  und  die  Wärme  rasch  wieder  au  die 


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Die  horizontale  Verteilung  der  Temperatur.  63 

Luft  abgegeben;  das  Wasser  wird  dagegen  schon  direkt  bis  zu  grö- 
ßeren Tiefen  von  der  Sonne  durchstrahlt,  und  außerdem  gestattet 
die  Beweglichkeit  der  einzelnen  Teile  den  während  der  Nacht  und 
im  Winter  erkalteten  oberen  Schichten,  als  den  schwereren,  zu 
Boden  sinken  und  wärmeren  Schichten  ihren  Platz  einzuräumen. 
Das  Land  erhält  viel  Wärme,  aber  es  geht  verschwenderisch  damit 
um;  das  Wasser  hält  seinen  geringeren  Vorrat  sparsam  zusammen 
und  speichert  Wärmemengen  für  die  kalten  Perioden  auf.  Daraus 
folgt  unmittelbar:  1)  daß  die  Temperatur  über  dem  Wasser 
bei  Nacht  und  im  Winter  höher  und  bei  Tag  und  im  Sommer 
niedriger  ist  als  auf  dem  Lande,  oder  mit  anderen  Worten,  daß 
das  Landklima  größeren  täglichen  und  jährlichen  Schwan- 
kungen unterworfen  ist,  als  das  Seeklima;  2)  daß  die  mitt- 
lere Jahrestemperatur  in  höheren  Breiten,  wo  die  kalten 
Perioden  lange  andauern,  auf  der  See,  in  niederen  Breiten 
auf  dem  Lande  höher  ist. 

Normale  Temperaturverteilung.  Wir  haben  bisher  nur  von  rela- 
tiven Wärmemengen  gesprochen;  aber  diese  müssen  erst  in  die  gemein- 
verständliche Sprache  der  Temperaturgrade  übersetzt  werden,  um  für 
die  klimatologische  Betrachtungsweise  überhaupt  brauchbar  zu  wer- 
den. Das  ist  der  heikle  Punkt  der  modernen  Methode,  denn  es 
giebt  kaum  eine  meteorologische  Station,  von  der  wir  mit  Bestimmt- 
heit behaupten  können,  daß  sie  reines  See-  oder  Landklima  besitze; 
und  es  ist  daher  begreiflich,  wenn  Zenker,  der  sich  mit  diesen 
Untersuchungen  hauptsächlich  beschäftigt,  noch  immer  bestrebt  ist, 
seine  Werte  zu  verbessern.  Die  zuletzt  gefundenen  sind  folgende:2 


Breite 

Landklima 

Seeklima 

Unterschied 

(Landkliina-Seekliina) 

0° 

36,5° 

26,i° 

+ 10,4» 

10 

35,2 

25,  j 

+ 9,9 

20 

30,» 

23,o 

+ 7,o 

30 

24,o 

19,i 

+ L7 

40 

14,7 

14,3 

+ 0,4 

50 

3,7 

8,. 

- 4,7 

60 

- 8,2 

1.» 

-10,1 

70 

-18,i 

- 3,4 

-14,7 

80 

-22,7 

— 5,» 

— 16,8 

90 

-24,» 

- 6,7 

-17,5 

Am  Äquator  ist  das  Landklima  dem  maritimen  am  meisten  über- 
legen ; dann  nähern  sich  beide  Klimate  immer  mehr,  bis  sie  unter 
42°  B.  einander  gleich  werden;  von  da  ab  ist  das  Seeklima  wärmer, 
und  es  wird  immer  wärmer,  je  mehr  wir  uns  dem  Pole  nähern,  — 
freilich  unter  einer  Voraussetzung,  die  in  der  Natur  nicht  erfüllt  wird: 


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64 


Die  Lufthülle. 


daß  nämlich  das  Wasser  nicht  gefriert.  Wir  nennen  die  Zone  zwischen 
U und  42"  B.  die  innere  und  die  Zone . zwischen  42  und  90°  B.  die 
äußere.  Die  mittlere  Temperatur  der  Erde  würde  ihren  höchsten 
Grad  erreichen,  wenn  die  innere  Zone  nur  aus  Land  und  die  äußere 
nur  aus  Wasser  bestünde,  und  im  umgekehrten  Falle  ihren  niedrigsten 
Wert  erlangen.  Es  ist  leicht  einzusehen,  daß  beide  Extreme  für  die  Be- 
wohnbarkeit der  Erde  durch  Landorganismen  gleich  ungünstig  wären. 

In  Wirklichkeit  liegen  zwischen  80°  N.  und  50  *'  S.  Land  und 
Wasser  in  meridioualen  Streifen  nebeneinander,  und  nun  tritt 
nicht  bloß,  wie  unter  allen  Umständen,  ein  Wärmeaustausch  in  meridio- 
naler,  sondern  auch  in  ostwestlicher  Richtung  ein,  denn  stets  müssen 
verschieden  temperierte  Räume,  die  miteinander  korrespondieren,  einen 
Ausgleich  anstreben.  Selbst  wenn  wir  annehmen,  daß  im  innersten  Teile 


der  Land-  und  Meeresstreifen  reines  Land-  bezw.  reines  Seeklima  sich 
noch  erhalten  könnte,  so  wird  doch  gegen  die  Ränder  hin  stets  eine 
Mischung  eintreten  und  die  beiden  Klimate  sich  immer  mehr  einander 
t nähern.  Dieser  einfachste  Fall  ist  in  Fig.  18  dargestellt  Land  und 

Meer  sind  als  regelmäßige  Streifen  zwischen  80  °N.  und50°S.  gedacht. 
Im  mittleren  Meridian  dieser  Streifen  sind  den  Temperaturen  von 
5 zu  5°  diejenigen  Stellen  angewiesen,  die  ihnen  nach  dem  Solar- 
klima zukommen,  und  die  Orte  gleicher  Temperatur  sind  durch  Linien 
(sog.  Isothermen)  miteinander  verbunden.  Das  sind  die  Normaliso- 
thermen  unter  der  Voraussetzung,  daß  Land  und  Wasser  in  meridio- 


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Die  horizontale  Verteilung  der  Temperatur.  65 

nalen  Streifen  nebeneinander  lagern;  sie  weichen  mit  Ausnahme 
der  Isotherme  in  42°  B.  (in  der  Figur  annähernd  die  15"  Isotherme) 
überall  von  dem  Verlaufe  der  Parallelkreise  ab,  indem  sie  in  der 
inneren  Zone  vom  Meere  gegen  das  Land,  in  der  äußeren  vom  Lande 
gegen  das  Meer  polwärts  ansteigen.  Auf  dem  Lande  treten  in  der 
äquatorialen  und  polaren  Zone  sogar  in  sich  geschlossene  Isothermen- 
systeme auf.  Aber  obwohl  Wärmeänderungen  auch  in  ostwestlicher 
Richtung  sich  vollziehen,  so  bleibt  doch  stets  das  Grundgesetz  des 
solaren  Klimas  gewahrt,  indem  in  jedem  Meridian  die  Temperatur 
vom  Äquator  gegen  die  Pole  hin  stetig  abnimmt 

Abweichungen.  Vergleichen  wir  dieses  Normalbild  mit  der 
Karte  der  Jahresisothermen  (Karte  III),  so  werden  wrir  von  dem  hohen 
Grade  der  Übereinstimmung  beider  überrascht  sein,  sowreit  es  die 
Grundgesetze  der  Temperaturabnahme  mit  wachsender  Breite  und 
der  Isothermenkrümmung  betrifft.  Aber  neben  der  Übereinstimmung 
gewahren  wir  auch  auffallende  Abweichungen  von  dreierlei  Art 
Winde  und  Meeresströmungen  bewirken  Wärmeverschiebungen,  ab- 
norme Erwärmungen  auf  der  einen  und  damit  notwendigerweise 
Erkaltungen  auf  der  anderen  Seite.  Es  ist  eine  der  wichtigsten 
physikalischen  Thatsachen  und  auch  für  die  Entwicklung  des 
Menschengeschlechts  von  weitest  tragender  Bedeutung,  daß  fast  die 
ganze  nördliche  gemäßigte  und  kalte  Zone  wärmer  ist,  als  ihr  der 
Breite  nach  zukommt,  und  daß  die  heiße  Zone,  vor  allem  die  süd- 
liche, diesen  uns  so  erwünschten  Wärmezuschuß  deckt.  In  die  nörd- 
lichsten Teile  der  Kontinente  dringt  das  Seeklima  so  w'eit  ein,  daß 
mit  Ausnahme  des  inneren  eiserfüllten  Grönlands  selbst  die  niedrig- 
sten Jahrestemperaturen  höher  sind,  als  die  den  betreffenden  Breiten 
entsprechenden  Werte  des  solaren  Landklimas;  offenbar  eine  Folge 
davon,  daß  das  Land  in  den  höheren  Breiten  abbricht.  Würde 
Asien  über  den  Pol  mit  Amerika  Zusammenhängen,  so  würden 
in  60  und  70°  B.  viel  niedrigere  Temperaturen  auftreten,  als  es 
thatsächlich  der  Fall  ist  Auch  in  der  Tropenzone  löst  sich  das 
Land  auf,  auch  hier  siegt  das  See-  über  das  Landklima,  und  selbst 
die  höchsten  beobachteten  Jahrestemperaturen  erreichen  nicht  die 
Wärmegrade  des  reinen  solaren  Landklimas,  das  einen  großen  Teil 
der  Kontinente  unbewohnbar  machen  würde.  Auf  dem  Indischen 
Ozean  bewirkt  die  große  kontinentale  Umrahmung  eine  deutliche 
Wärmeerhöhung;  hier  hat  sich  der  Ausgleich  zwischen  Land-  und 
Seeklima  wirklich  vollzogen,  indem  das  erstere  erniedrigt,  das  letztere 
erhöht  wurde,  während  im  südtropischen  Teile  des  Atlantischen 
Ozeans  die  Strömungen  den  Einfluß  des  umgebenden  Festlandes  so 
sehr  unterdrücken,  daß  es  entschieden  als  zu  kalt  erscheint.  Da- 

Si’pan,  Physische  Erdkunde.  2.  Aufl.  5 


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66 


Die  Lufthülle. 


gegen  ist  der  ganze  Norden  zu  warm,  und  diese  Abnormität  tritt 
besonders  in  den  höheren  Breiten  schärfer  hervor.  Die  Isothermen 
dringen  hier  mit  den  warmen  Meeresströmungen  durch  eine  offene 
Pforte  viel  weiter  gegen  Norden  vor,  als  im  abgeschlossenen 
Pazifischen  Ozean.  Diese  größte  MeeresHäche  endlich  wird  von  dem 
Landklima  nur  wenig  beeinflußt,  die  Strömungen  sind  nicht  sehr 
energisch  entwickelt,  und  die  Wärmeverteilung  dürfte  hier  am  meisten 
den  theoretischen  Voraussetzungen  entsprechen. 

Die  Scheitel  unserer  Normalisothermen  in  Fig.  18  liegen  in  der 
Mitte  der  Festländer  und  Meere,  und  die  Krümmung  verläuft  regel- 
mäßig. Bei  den  wirklichen  Isothermen  ist  dies  nicht  der  Fall,  die 
Scheitel  sind  alle  nach  Osten  verschoben,  in  die  Nähe  der  Ränder  der 
Kontinente  und  Meere,  und  infolge  dessen  sind  sie  am  Westrande  des 
Festlandes  mehr  oder  weniger  scharf  geknickt,  während  sie  am  Ost- 
rande in  sanftem  Schwünge  verlaufen.  Die  innere  und  äußere  Zone 
unterscheiden  sich  nur  insofern,  als  dort  die  polwärts,  hier  die  äquator- 
wärts  gerichteten  Scheitel  geknickt  sind ; dort  liegt  die  abnorme  Stelle 
an  der  Vorderseite,  hier  im  Rücken  der  herrschenden  Winde,  aber  in 
beiden  Fällen  sind  die  Winde  die  Ursachen  der  Verschiebung. 

Diese  Isothermengestaltung  ist  nur  der  Ausdruck  des  Gesetzes, 
daß  die  Westküsten  in  höheren  Breiten  wärmer,  in  niederen  Breiten 
kälter  sind  als  die  Ostküsten.  Theoretisch  sollten  ja  beide  Küsten 
nahezu  gleich  warm  sein,  unter  dem  Einfluß  der  Westwinde  verschiebt 
sich  aber  in  der  äußeren  Zone  unserer  Halbkugel  das  Seeklima  im 
Westen  weit  in  das  Land  hinein,  und  ebenso  verschiebt  sich  das 
Landklima  gegen  die  Ostküste  und  macht  seinen  erkältenden  Ein- 
fluß noch  weit  in  das  Meer  hinaus  geltend.  In  der  Zone  der 
Passate  sind  auch  die  von  diesen  Seewinden  getroffenen  Küsten  die 
wärmeren,  aber  die  Verkettung  von  Ursache  und  Wirkung  ist  hier 
eine  andere.  Hier  schiebt  sich  ein  Zwischenglied  ein,  das  wir  erst 
später  genauer  kennen  lernen  werden:  die  Erkaltung  des  Meerwassers 
an  den  Westküsten  Afrikas  und  des  tropischen  Amerikas  durch  Auf- 
steigen von  Tiefenwasser  und  Zufluß  polaren  Wassers.  Wo  dieses 
kalte  Küstenwasser  fehlt,  wie  in  Australien,  da  ist  die  Ostküste  die 
kühlere,  weil  sie  vom  Seewind  Uberweht  wird  und  das  tropische 
Seeklima  ja  kälter  ist  als  das  Landklima. 

Die  dritte  Unregelmäßigkeit  besteht  endlich  in  der  stellenweisen 
Wärmezunahme  mit  wachsender  Breite.  Der  Grund  liegt  in  der 
horizontalen  und  vertikalen  Gliederung  des  Festlandes,  im  Wechsel 
von  Land  und  Wasser  längs  eines  Meridians,  in  Vegetationsverhält- 
nisseu,  in  Meeresströmungen  u.  s.  w.  Verbindet  man,  wie  es  auf 
Karte  VII  geschehen  ist,  die  heißesten  Punkte  der  Meridiane  mitein- 


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Die  horizontale  Verteilung  der  Temperatur.  67 

ander,  so  erhält  man  den  thermischen  Äquator,  der  in  höchst 
unregelmäßiger  Weise  zwischen  26°  N.  und  9°  S.  hin  und  her 
schwankt  und  den  mathematischen  Gleicher  stellenweise  kreuzt 
Daß  er  im  Pazifischen  Ozean  auf  die  Südhemisphäre  hinübertritt,  ist 
wohl  in  den  Strömungsverhältnissen  begründet,  sonst  liegt  er  aber 
fast  durchaus  auf  unserer  Halbkugel  und  bewegt  sich  auf  den  Fest- 
ländern  am  weitesten  polwärts.  Warum  er  in  Afrika,  wo  am  wirk- 
lichen Äquator  doch  auch  breites  Land  ist,  so  weit  nach  Norden 
sich  verschiebt,  mag  auffallen,  ist  aber  ohne  weiteres  erklärlich, 
wenn  man  erwägt,  daß  er  eine  Wüste  durchzieht,  die  im  Sommer 
außerordentlich  sich  erhitzt  und  ihre  Wärme  den  untersten  Luft- 
schichten mitteilt,  während  am  Gleicher  das  Land  mit  Vegetation 
bedeckt  ist.  Deshalb  liegt  auch  in  Amerika  die  heißeste  Stelle  nicht 
im  üppig  bewaldeten  Äquatorialstreifen,  sondern  im  trockenen 
Binnenlande  Mexicos. 

Ob  die  Pole  die  kältesten  Punkte  der  Erdoberfläche  sind,  wie 
es  das  solare  Klima  verlangt,  wissen  wir  nicht  In  Bezug  auf  den 
Südpol  läßt  sich  nicht  einmal  eine  Vermutung  aussprechen,  auf  der 
nördlichen  Halbkugel  deutet  manches  darauf  hin,  daß  der  thermische 
Pol  etwas  gegen  Amerika  verschoben  ist  Der  kälteste  Ort,  von  dem 
wir  eine  zusammenhängende  Beobachtungsreihe  haben,  ist  die  Lady 
Franklin-Bay  an  der  Ostküste  von  Grinnellland  (82°  27'  N.)  mit 
einer  mittleren  Jahrestemperatur  von  — 20°.  Außer  dem  hypothe- 
tischen Kältepole  giebt  es  aber  noch  ein  paar  Kältezentren,  wo 
nach  allen  Seiten,  auch  gegen  Norden  die  Temperatur  abnimmt: 
das  eine  im  grönländischen  Inlandeise,  das  andere  in  Ost- 
sibirien, das  aber  auf  unserer  Karte  nicht  zur  Darstellung  gelangt, 
weil  die  geschlossene  Isotherme  von  — 17°  im  Janagebiete  in  das 
von  uns  adoptierte  Dezimalsystem  nicht  hineinpaßt  Auffallender- 
weise finden  wir  in  Nordamerika  kein  Gegenstück  dazu;  es  erklärt  sich 
das,  wenn  auch  noch  keineswegs  zur  vollen  Befriedigung,  aus  der 
winterlichen  Wärmeverteilung,  zu  deren  Besprechung  wir  jetzt  über- 
gehen. 

Wärme  Verteilung  in  den  extremen  Monaten3.  Die  mittlere  Jahres- 
temperatur ist  eigentlich  ein  imaginärer  Wert,  denn  die  Sonne  wandert 
im  Verlaufe  eines  Jahres  von  einer  Hemisphäre  zur  anderen,  und 
mit  ihr  das  ganze  Isothermensystem,  der  Wärmeäquator  sowohl,  wie 
die  beiden  Grenzlinien  zwischen  der  inneren  und  den  äußeren  Zonen. 
Nur  in  den  Ubergangsjahreszeiten  nähert  sich  die  Wärmeverteilung 
dem  mittleren  Zustande,  im  Januar  und  Juli  weicht  sie  am  meisten 
davon  ab.  Aber  nicht  im  gleichen  Sinne.  Alles  was  wir  früher 
als  Abweichung  vom  Normalen  bezeichnet  haben,  gelangt  in  der 

5* 


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68 


Die  Lufthülle. 


inneren  Zone  im  Sommer,  in  der  äußeren  im  Winter  zur  höchsten 
Entfaltung.  In  diesen  Jahreszeiten  bleibt  für  die  betreffende  Zone 
der  Charakter  der  Jahresisothermen  zwar  gewahrt,  ist  aber  bis  zum 
Extrem  verzerrt.  Man  ersieht  das  am  besten  aus  der  Knickung 
der  Isothermen,  die  immer  einen  schroffen  Übergang  vom  See-  zum 
Landklima  unter  gleicher  Breite  anzeigt  Im  Sommer  schwächt  sich 
in  der  äußeren  und  im  Winter  in  der  inneren  Zone  der  Gegensatz  von 
Wasser  und  Land  ab,  und  der  Einfluß  der  Polhöhe  gewinnt  an 
Bedeutung. 

Der  thermische  Äquator  liegt  im  Januar  (s.  Karte  IV)  zum 
größten  Teil  in  der  Südhemisphäre,  am  weitesten  ausgebuchtet  auf 
den  Kontinenten,  wo  in  den  trockenen  Gebieten  die  Hitze  über  30° 
steigt,  in  Südamerika  allerdings  nur  im  westlichen  Argentinien,  wäh- 
rend das  innere  Australien  ein  wahrer  Glutofen  ist,  ähnlich  wie  die 
Wüstendistrikte  Nordafrikas  und  Vorderasiens  im  Juli.  Die  innere 
Zone  umfaßt  alle  südlichen  Festländer,  auf  unserer  Halbkugel  be- 
ginnt die  äußere  Zone  aber  schon  zwischen  10°  und  20°  B.  Unsere 
Aufmerksamkeit  wird  hier  weniger  durch  die  pazifischen  Verhält- 
nisse gefesselt,  als  durch  jene  im  Umkreise  des  Atlantischen  Ozeans 
vom  Felsengebirge  bis  zum  Ostrande  Asiens.  Hier  wirkt  der  Golf- 
strom in  der  That  als  Warmwasserheizung,  aber  nur  das  europäische 
Gestade  überfluten  die  herrschenden  Westwinde  mit  lauen  atlan- 
tischen Lüften,  an  der  Ostküste  der  alten  und  neuen  Welt  kommen 
sie  als  kalte  Landwinde  au.  Der  Gegensatz  von  West  und  Ost 
wird  noch  dadurch  verschärft,  daß  die  Seewinde  an  den  Westküsten 
feucht  sind:  der  bewölkte  Himmel  hindert  die  Ausstrahlung,  die  bei 
der  Kondensation  des  Wasserdampfes  frei  werdende  Wärme  erhöht 
die  Temperatur.  Die  entgegengesetzte  Wirkung  hat  das  trockene 
klare  Wetter  an  der  Ostküste  Asiens.  Dagegen  sind  die  kalten 
Polarströme  an  den  Ostseiten  der  Nordkontinente  von  geringerer 
thermischer  Bedeutung.  Sie  sind  schmal,  und  ihre  Temperatur  wird 
nicht  durch  die  herrschenden  Winde  den  benachbarten  Küsten- 
strichen mitgeteilt,  wie  die  der  warmen  Strömungen  den  westlichen 
Gestaden.  Nur  in  der  nordostasiatischen  Inselwelt,  die  an  der 
Westküste  von  einem  Zweige  des  warmen  Kuro  Schio  und  an  der 
Ostküste  von  einer  kalten  Strömung  aus  dem  Ochotskischen  Eis- 
meere berührt  werden,  entstehen  Gegensätze,  die  im  Kleinen  den 
Kontrast  zwischen  den  West-  und  Ostseiten  der  Kontinente  wieder- 
holen. Noch  gewaltiger  ist  der  Unterschied  zwischen  dem  winter- 
lichen Land-  und  Seeklima.  Der  Ostschenkel  der  atlantischen  Iso- 
thermenknickung nimmt  einen  meridionalen  Verlauf,  ja  wendet  sich 
zum  Teil  sogar  widersinnig  gegen  Südwesten  und  Westen.  So  wird 


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Die  horizontale  Verteilung  der  Temperatur. 


69 


die  Wärmeabnahme  in  der  alten  Welt  von  West  nach  Ost  stärker  als 
von  Süd  nach  Nord.  Zwischen  der  südlichsten  und  nördlichsten 
Stadt  Europas,  Tarifa  und  Hammerfest,  beträgt  sie  durchschnittlich 
für  100  km  0,44°,  dagegen  zwischen  Europa  und  Westsibirien,  auf 
das  gleiche  Maß  reduziert,  im  56.  Parallel  0,6i°  und  im  63.  sogar 
0,82°.  Die  0°- Isotherme  überschreitet  an  der  norwegischen  Küste 
den  Polarkreis,  sinkt  im  östlichen  Asien  bis  zum  34.  Breitengrade 
herab,  steigt  dann  in  Japan  wieder  bis  40  0 und  an  der  amerikanischen 
Westküste  bis  59°,  um  im  Innern  der  Union  bis  38°  herabzusinken 
und  die  Ostküste  unter  ca.  40°  B.  zu  erreichen.  Schanghai  unter 
der  Breite  von  Alexandrien  hat  dieselbe  mittlere  Januartemperatur 
wie  Thorshaven  auf  Färöer  unter  62 0 B.  und  die  amerikanische  Ost- 
küste in  der  Breite  von  Sizilien.  Am  schroffsten  sind  die  Gegen- 
sätze an  den  atlantischen  Gestaden,  wo  in  Kristiansund  und  Aale- 
sund an  der  norwegischen  Küste  die  mittlere  Tagestemperatur  nie 
unter  0°  sinkt,  während  an  der  amerikanischen  selbst  die  mittlere 
Monatstemperatur  auf  —20°  und  darunter  fällt. 

Alle  Isothermenkarten  verzeichnen  in  Ostsibirien  ein  Kälte- 
zentrum von  enormer  Tiefe.  In  Breiten,  wo  die  Lufttemperatur  auf 
dem  Atlantischen  Ozean  sich  über  dem  Gefrierpunkte  hält  und  die 
norwegische  Küste  so  warm  ist,  wie  das  pontische  Gestade  Süd- 
rußlands, beträgt  die  mittlere  Jahrestemperatur  in  Jakutsk  (62°  N.) 
— 42,8°,  sie  sinkt  in  Werchojansk  am  Janaflusse  auf  —52,7°  und 
steigt  in  Ustjansk  an  der  arktischen  Küste  wieder  auf  —41,4°.  Dies 
ist  die  Gegend,  wo  überhaupt  die  tiefsten  Temperaturen  beobachtet 
wurden:  so  in  Irkutsk  —62°  und  in  Werchojansk  —68°,  während 
als  absolutes  Minimum  auf  der  westlichen  Hemisphäre  (am  Floebcrg 
Beach)  bisher  nur  —58,7°  notiert  wurde.  Indes  hat  Woeikow 
Zweifel  an  der  Richtigkeit  der  üblichen  Darstellung,  der  auch  wir 
gefolgt  sind,  ausgesprochen.  Er  hat  darauf  aufmerksam  gemacht, 
daß  die  Stationen  hier  alle  in  den  Thälern  liegen,  und  daß  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  die  Temperatur  im  Winter  mit  der  Höhe 
zunimmt.  Die  tiefsten  geschlossenen  Isothermen  müßten  also  schmale 
Kältebänder  entlang  den  Flußläufen  umsäumen,  anstatt  in  weiter 
Ausdehnung  Berg  und  Thal  zu  umschließen.  Aber  selbst  wenn  wir 
uns  dieser  Auffassung  anschließen,  eines  ist  unzweifelhaft,  die  außer- 
gewöhnliche Erkaltung  Ostsibiriens  im  Vergleiche  zu  den  Binnen- 
landschaften Nordamerikas  in  gleicher  Breite.  Wir  werden  bei 
Besprechung  der  Luftdruckverteilung  in  Ostsibirien  ebenso  abnorme 
Verhältnisse  ausgebildet  finden,  und  unzweifelhaft  besteht  zwischen 
beiden  meteorologischen  Elementen  eine  Wechselbeziehung.  Schon 
an  der  Grenze  zwischen  West-  und  Ostsibirien  sinkt  das  Tliermo- 


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70 


Die  Lufthülle. 


meter  bei  Windstille  im  Winter  außerordentlich  tief,  während  alle 
stärkeren  Winde  die  Temperatur  erhöhen,  gleichgültig  aus  welcher 
Himmelsrichtung  sie  wehen.  Bei  Windstille  stagnieren  die  durch 
die  heftige  Ausstrahlung  des  schneebedeckten  Bodens  erkalteten 
unteren  Luftschichten,  und  es  kommt,  um  sehr  tiefe  Temperatur- 
grado  zu  erzeugen,  nur  darauf  an,  daß  Kalmen  vorherrschen.  Das  ist 
nun  in  Ostsibirien  der  Fall.  Die  hügelige  Natur  des  ganzen  Landes, 
die  ziemlich  hohe  Scheidewand,  die  das  Stanowoi-Gebirge  zwischen 
Ostsibirien  und  dem  Pazifischen  Ozean  aufrichtet,  hindern  den 
Abfluß  der  kalten  Tiefenluft  zu  den  umgebenden  Gebieten  niederen 
Barometerstandes;  während  die  Luft  des  canadischen  Mackenzie- 
beckens, das  sonst  unter  ähnlichen  Bedingungen  steht,  wie  Ostsibirien, 
nach  Norden,  Osten,  Süden  freie  Bahn  findet. 

Ein  zweites  Kältezentrum  bildet  die  Eiswüste  Grönlands,  wo 
Nansen  in  Seehöhen  von  über  2000  m schon  im  September  1888 
Nächte  erlebte,  in  denen  sein  nur  bis  —30°  gehendes  Thermometer 
völlig  versagte.  Mohn4  berechnete  auf  konstruktivem  Wege  ein 
Minimum  von  — 45 °!  Es  dürfte  also  das  grönländische  Kälte- 

zentrum dein  ostsibirischen  nicht  viel  uachgeben,  ja  vielleicht  es 
sogar  übertreffen,  aber  trotzdem  möchten  wir  es  vermeiden,  beide 
Gegenden,  wie  üblich,  als  Kältepole  zu  bezeichnen,  solange  wir 
über  die  Verhältnisse  um  den  mathematischen  Pol  noch  gänzlich 
im  Unklaren  sind.  Sicher  befindet  sich  auch  hier  ein  Kältezentrum, 
aber  welches  von  den  dreien  oder  ob  alle  drei  den  Namen  Kältepol 
verdienen,  das  zu  entscheiden  muß  der  Zukunft  Vorbehalten  bleiben. 

Im  Juli  (s.  Karte  V)-  steigt  der  Wärmeäquator  weit  in  unsere 
Hemisphäre  hinauf,  besonders  in  Asien  und  Nordamerika,  wo  er 
dem  30.  Parallel  sich  nähert,  vielleicht  ihn  sogar  überschreitet. 
Auch  hier  sind  wieder  Mitteltemperaturen  über  30°  an  die  vege- 
tationsarmen Gebiete  gebunden;  am  heißesten  ist  die  Sahara.  Die 
Grenze  zwischen  der  inneren  und  äußeren  Zone  liegt  in  Australien 
und  Südamerika  in  ca.  20°  B.,  auf  der  nördlichen  Halbkugel  um- 
faßt die  innere  Zone  die  Kontinente  bis  über  70°  B.,  mit  Ausnahme 
von  Grönland.  Überall  ist  das  Meer  kälter  als  das  Land,  die 
Isothermen  steigen  auf  dem  Festlande  polwärts  an,  und  senken 
sich  auf  der  See  äquatorwärts,  aber  die  Wärmeunterschiede  sind 
im  allgemeinen  docli  nicht  so  groß  als  die  entgegengesetzten  im 
Januar;  nur  im  westlichen  Nordamerika  zeigen  die  dichtgedrängten 
meridionalen  oder  sogar  übergekippten  Isothermen  eine  beispielslos 
rasche  Wärmezunahme  von  der  Küste  nach  dem  Inneren  des  Landes 
an.  San  Diego  am  californischen  Gestade,  das  unter  dem  Einflüsse 
einer  kühlen  Meeresströmung  und  vorherrschender  Seewinde  steht, 


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Die  horizontale  Verteilung  der  Temperatur.  71 

hat  eine  mittlere  Jahrestemperatur  von  21,3°,  das  nur  240  km  davon 
entfernte  Fort  Yuma  in  der  Coloradowüste  dagegen  34, i°.  Das 
ergiebt  in  östlicher  Richtung  eine  Wärmesteigerung  von  1°  für 
nicht  ganz  19  km. 

Das  sibirische  Kältezentrum  ist  verschwunden,  selbst  Werchojansk 
hat  eine  mittlere  Julitemperatur  von  14, und  ist  beträchtlich  wärmer 
als  Nordamerika  unter  gleicher  Breite,  das  schutzlos  den  polaren 
Winden  preisgegeben  ist.»  Man  beachte  besonders,  wie  die  tief 
eindringende  Hudsonbai,  die  erst  spät  ihr  Eis  verliert,  die  Iso- 
thermen nach  Süden  zurückdrängt.  So  wird  Labrador,  in  der  Breite 
von  England  und  Norddeutschland,  eines  der  unwirtlichsten  Länder, 
denn  nicht  die  mittlere  Jahrestemperatur  und  die  Winterkälte 
ist  entscheidend  für  den  Kulturwert  eines  Landes,  sondern  die  Sommer- 
wärme. Abgesehen  vom  Pole  dürfte  die  kälteste  Gegend  das  Eis- 
plateau des  inneren  Grönlands  sein,  denn  obwohl  hier  die  Wärme- 
zufuhr eine  beträchtliche  ist,  so  geht  sie  doch  größtenteils  im  Tau- 
prozesse wieder  verloren,  so  daß  die  Luft  niemals  dauernd  über  0° 
erwärmt  werden  kann.  Soweit  aber  sonst  die  Beobachtungen  reichen, 
sinkt  die  mittlere  Monatstemperatur  nirgends  unter  den  Gefrierpunkt, 
während  auf  der  südlichen  Hemisphäre  Ross  im  Jahre  1843  schon 
in  der' Breite  von  Island  einen  Januar  mit  —0,7°  Mitteltemperatur 
verlebte. 

Auf  dieser  Halbkugel  nehmen  die  Isothermen  einen  einfacheren 
Verlauf  als  im  Sommer,  weil  die  Kontinente  nicht  in  hohe  Breiten 
hineinreichen.  Die  West-  und  Ostküsten  von  Afrika  und  Süd- 
amerika zeigen  dasselbe  thermische  Verhalten  wie  im  Januar,  nur 
ist  die  Wärmedifferenz  in  der  Nähe  des  Äquators  größer,  weiter 
gegen  Süden  aber  kleiner  als  im  heißesten  Monat.  Den  schärfsten 
Gegensatz  bilden  die  brasilianische  und  die  peruanische  Küste.  Lima 
unter  12°  B.  und  172  m ü.  M.  hat  eine  mittlere  Julitemperatur  von 
14,7°,  die  im  Osten  erst  unter  27°  B.  erreicht  wird.  Der  Unter- 
schied von  15  Breitengraden  wird  zwar  auf  der  Nordhemisphäre 
übertroffen,  aber  nirgends  finden  wir  wieder  eine  so  niedrige  Tem- 
peratur so  nahe  dem  Äquator. 

Durchschnittstemperatur  der  Parallelkreise,  Meridiane,  Erdteile 
und  Meere;  Isanomalen.  Nach  den  Isothermenkarten  hat  zuerst  Dove 
die  „Normaltemperaturen“,  richtiger  gesagt,  die  Durchschnitts- 
temperaturen der  Parallelkreise  berechnet,  und  in  neuester 
Zeit  hat  Spitaler  mit  Zuhilfenahme  des  inzwischen  reichlich  ange- 
wachsenen Beobachtungsmaterials,  wie  es  in  Hanns  Isothermenkarten 
niedergelegt  ist,  diese  Operation  wiederholt.5  Ich  füge  seinen  Ergeb- 
nissen nur  noch  einige  Berichtigungen  hinzu,  die  die  neueste 


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Die  Lufthülle. 


72 

Konstruktion  der  Grönland-Isothermen  durch  Mohn  notwendig 
machten. 

Durchschnittstemperaturen  der  Breitengrade. 


Breite 

Jahr 

Januar 

Juli 

Breite 

Jahr 

Januar 

Juli 

80"  N. 

-17,o» 

-32,»° 

2,3° 

10»  N. 

26,« 

25,3 

26,3 

70 

-10,3 

-26,. 

6,8 

0 

25,o 

26,2 

25,8 

60 

— 0,8 

-16,o 

14,1 

10  S. 

25,o 

25,9 

24,o 

50 

5,« 

— 7,3 

18,1 

20 

22,3 

25,s 

20,s 

10 

14,o 

3,. 

23,8 

30 

18,o 

22,8 

15,9 

30 

20,« 

13,3 

27,. 

40 

11,8 

16,i 

9,3 

20 

25,t 

21,3 

28,1 

50 

5,9 

8,. 

3,3 

Der  Gegensatz  zwischen  den  beiden  Halbkugeln  springtaus  diesen 
Zahlen  sofort  in  die  Augen,  nur  muß  man  den  nördlichen  Januar  mit 
dem  südlichen  Juli  und  umgekehrt  vergleichen.  Im  wärmsten  Monat  ist 
die  ganze  nördliche  Hemisphäre  w'ärmer,  als  die  südliche,  im  kältesten 
aber  nur  vom  Äquator  bis  26, 2 0 B.,  und  im  Jahresmittel  nur  zwischen 
0 und  45,3°  B.  In  den  höheren  Breiten,  wenigstens  bis  zum  mut- 
maßlichen anarktischen  Festlande,  liegt  das  thermische  Übergewicht 
auf  der  südlichen  Halbkugel,  in  deren  ununterbrochenen  Wassergürtel 
hier  nur  noch  ein  schmaler  Ausläufer  der  neuen  Welt  hineinragt. 
Was  wir  oben  (s.  S.  63)  Uber  das  Verhältnis  von  Land-  und  Seeklima 
in  verschiedenen  Breiten  sagten,  findet  also  hier  wieder  seine  Be- 
stätigung. Im  kältesten  Monat  hat  die  nördliche,  vorwiegend  Land- 
hemisphäre eine  Mitteltemperatur  von  8,0 die  südliche,  ozeanische 
eine  solche  von  12,3°;  im  wärmsten  Monat  hat  die  erstere  22, s°, 
die  letztere  nur  17,5°.  Im  Jahresmittel  gleichen  sich  die  Gegensätze 
wahrscheinlich  ganz  aus,  so  daß  die  Durchschnittstemperatur  jeder 
Halbkugel  etwa  15°  beträgt. 

Man  hat  auch  sog.  Durchschnittstemperaturen  für  die  ein- 
zelnen Breitenzonen  (Spitaler,  v.  Tillo8),  für  die  Meridiane  (Buys- 
Ballot7)  und  für  die  Erdteile  und  Meere  (v.  Tillo8)  berechnet;  alle 
diese  Zahlenreihen  variieren  nur  das  Grundgesetz  von  dem  Gegensätze 
des  Land-  und  Seeklimas.  Noch  deutlicher  kommt  dies  auf  den  Isa- 
nomalenkarten  zum  Ausdrucke. 

Die  Berechnung  der  fälschlich  sogenannten  Normaltemperaturen 
führte  Do ve  zur  Aufstellung  des  Begriffes  der  thermischen  Ano- 
malie. Man  versteht  darunter  die  Abweichung  der  Temperatur  eines 
Ortes  von  der  Durchschnittstemperatur  seiner  Breite.  Ist  die  Ano- 
malie positiv,  so  gilt  der  betreffende  Ort  als  zu  warm,  im  entgegen- 
gesetzten F alle  als  zu  kalt.  In  neuerer  Zeit  hat  auch  Spitaler  6 Karten 
entworfen,  auf  welchen  die  Orte  gleicher  Anomalie  durch  Linien, 
sogenannte  Isonomal  en  miteinander  verbunden  sind.  Auf  Taf.  VI 


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Die  horizontale  Verteilung  der  Temperatur.  73 

ist  die  Anomalie  in  beiden  extremen  Monaten  zur  Darstellung  ge- 
bracht 

Konstant  zu  warm  sind  die  Westseiten  der  nordhemisphärischen 
Festländer,  aber  aus  orographischen  Gründen  in  sehr  verschiedener 
Ausdehnung.  Denn  während  in  Amerika  das  Cordillerensystem  der 
Seeluft  nicht  gestattet  über  den  schmalen  pazifischen  Küstenstrich 


*»•  90°  w.  o°  O f)o°  *80° 


In  Fig.  19  und  20  bedeutet  N die  Durchschnittstemperatur  des  betreffenden  Breiten- 
grades, -f  bedeutet  positive,  — negative  Anomalie.  Anomalie  im  Januar. 

Anomalie  im  Juli. 

binnenwärts  vorzudringen,  werden  im  offen  liegenden  Westeuropa 
ausgedehnte  Länder  derWohlthat  der  atlantischen  Winterwärme  teil- 
haftig. Zu  kalt  sind  die  Ostseiten,  und  auch  darin  zeigt  sich  wieder 
die  Bevorzugung  der  alten  Welt.  In  den  übrigen  Gebieten  wechselt 
die  thermische  Anomalie  im  Laufe  des  Jahres  ihre  Zeichen:  die 
Meere  sind  im  Winter  zu  warm  uiid  im  Sommer  zu  kalt,  das  Innere 
der  Kontinente  ist  im  Sommer  zu  warm  und  im  Winter  zu  kalt. 
So  ordnen  sich  etwa  nördlich  von  20°  N.  die  vier  Arten  der  ther- 
mischen Anomalie  in  meridionalen  Streifen  an.  Aus  Fig.  19.  wird 
dies  noch  deutlicher,  wir  ersehen  daraus  aber  auch,  daß  die  winter- 
lichen Anomalien  viel  größer  sind,  als  die  sommerlichen.  Umgekehrt 
verhält  es  sich  aber  in  den  Tropen  (vgl.  Fig.  20),  wo  die  Erhitzung 


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74 


Die  Lufthülle. 


des  Festlandes  durch  die  senkrechten  Sonnenstrahlen  entscheidend 
wirkt.  Aber  im  großen  und  ganzen  entspricht  die  Temperaturver- 
teilung in  den  Tropen  viel  mehr  dem  solaren  Klima,  als  in  unseren 
Breiten;  es  gilt  der  allgemeine  Satz,  daß  die  Anomalie  um  so  größer 
wird,  je  mehr  die  Isothermen  von  den  Parallelkreisen  abweichen. 
Innerhalb  des  circumterranen  Ozeans  können  nur  Meeresströmungen 
kleine  Anomalien  hervorrufen. 

Auch  in  den  Tropen  wechseln  die  vier  oben  genannten  Arten 
der  Anomalien  miteinander  ab;  aber  die  permanent  kalten  Gebiete 
liegen  nun  im  Westen,  die  permanent  warmen  Gebiete  im  Osten  der 
Festländer,  — Australien  ausgenommen.  Bemerkenswert  ist  der 
große  Gürtel  beständiger  positiver  Anomalie,  welcher  sich  zwischen 
10  und  20 ü S.  fast  um  die  ganze  Erde  schlingt,  nur  unterbrochen 
durch  die  verhältnismäßig  kalten  Meeresräume  im  Westen  Afrikas 
und  Südamerikas. 

Temperaturzonen.  Wenn  wir  das , wTas  über  die  horizontale 
Wärmeverteilung  bisher  gesagt  wurde,  überblicken,  so  ergiebt  sich, 
daß  das  wirkliche  Klima  zwar  auf  dem  solaren  beruht,  aber  stellen- 
weise mehr  oder  minder  beträchtlich  von  demselben  abweicht.  Die 
alten  Klimagürtel  (s.  S.  46)  aufrecht  zu  erhalten,  ist  unter  solchen 
Umständen  vergebliches  Bestreben,  denn  was  nützt  eine  Regel,  wenn 
die  Ausnahmen  überwiegen?  An  die  Stelle  von  Wende-  und  Polar- 
kreisen, die  die  mathematischen  Zonen  begrenzen,  sind  also  Iso- 
thermen zu  setzen  (s.  Taf.  VII). 

Für  die  Polargrenzen  der  warmen  Zone  eignen  sich  am 
besten  die  Jahresisothermen  von  20°.  Sie  fallen  im  großen  und 
ganzen  zusammen  mit  den  Polargrenzen  der  Palmen,  die  Gbisebach 
den  reinsten  Ausdruck  des  Tropenklimas  nannte,  und  auch  mit 
jenen  der  Passatwinde,  die  — w'ie  wir  später  sehen  werden  — für  die 
warmen  Erdgegeuden  so  sehr  charakteristisch  sind.  Für  die  Abgren- 
zung der  gemäßigten  von  den  kalten  Zonen  habe  ich  ursprünglich 
die  Jahresisotherme  von  0°  vorgeschlagen.  Dieselbe  hat  allerdings 
zunächst  nur  theoretische  Bedeutung,  aber  praktisch  doch  auch  in- 
sofern, als  innerhalb  der  0°-lsotherme  beständiges  Bo  den  eis  vor- 
kommt. Nach  Wilds  Annahme  tritt  es  dort  auf,  wo  die  Jahres- 
temperatur — 2°  beträgt;  in  der  That  ist  aber  seine  Verbreitung 
von  einer  Reihe  anderer  Umstände  abhängig,  unter  denen,  wie  Woeikow 
gezeigt  hat,  der  Schnee  am  wichtigsten  ist.  Als  schlechter  Wärme- 
leiter schützt  die  Schneedecke  den  Boden  vor  Ausstrahlung,  und  ein 
Eisboden  entwickelt  sich  erst  dort,  wo  die  Jahrestemperatur  unter 
— 5°  herabsinkt;  während  dort,  wo  sie  fehlt,  wie  z.  B.  in  weiten 
Gebieten  Zentralasiens,  der  Boden  schon  bei  höheren  Mitteltem- 


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Die  horizontale  Verteilung  der  Temperatur. 


75 


peraturen  in  einer  gewissen  Tiefe  dauernd  gefriert.  Es  ist  auch 
mit  Recht  der  Einwurf  erhoben  worden , daß  jenseits  der  Nulliso- 
therme sehr  verschiedene  Klimate  existieren,  verschieden  nämlich) 
wenn  wir  den  Einfluß  des  Klimas  auf  die  Pflanzenwelt  und  damit 
auch  auf  den  Menschen  berücksichtigen.  Allen  Anforderungen  einer 
guten  Grenze  entspricht  dagegen  die  10°-Isotherme  des  wärmsten 
Monats.  Die  Sommerwärme  ist  für  die  Vegetation  entschei- 
dend, die  Winterkälte  ist  ohne  Einfluß.  Wo  die  Mitteltemperatur 
des  wärmsten  Monats  10 u nicht  mehr  erreicht,  da  ist  Waldwuchs 
und  Getreidebau  ausgeschlossen,  und  damit  nehmen  die  menschlichen 
Kulturformen  eine  andere  Gestaltung  an. 

Den  Unterschied  der  mathematischen  Klimagürtel  und  unserer 
Teiuperaturzonen  entnimmt  man  deutlich  aus  folgenden  Zahlen: 


Grenze  zwischen  der 

Mathem. 

Zonen 

T emperaturzonen 

Mittlere 

Lage 

Extreme 

.....  j 

uördl.  kalten  u.  gemäß.  Zone  . . 

66°  27'  N. 

67°  3'  N. 

72°  54  */i” 

nördl.  gemäß,  n.  wannen  Zone  . 

23  27 

30  31 

38  22*/» 

südl.  wannen  u.  gemäß.  Zone 

23  27  S. 

26  58  S. 

36  12 

Biidl.  gemäß,  u.  kalten  Zone  . . 

66  27 

47  58 

54 V.  44. 

Aus  der  mittleren  Lage  der  Grenzisothermen  können  wir  die 
Flächen  der  Temperaturzonen  berechnen: 


Mathem. 

Zonen 

Temperatur- 

Zonen 

Mill. 

qkm 

Nördl.  kalte  Zone  . . 

. . . . j|  21, J* 

20,26 

Nördl.  gemäßigte  Zone 

....  132,«i 

105,67 

Nördl.  warme  Zone  . 

....  | 101,  u 

129,0* 

Südl.  warme  Zone 

....  1 101,12 

115,21 

Südl.  gemäßigte  Zone 

....  132,61 

73,19 

Südl.  kalte  Zone  . . 

. . . . 21,2« 

65,97 

Die  warmen  Temperaturzonen  sind  ausgedehnter  als  der  Gürtel 
zwischen  den  Wendekreisen,  eine  Folge  der  großen  Entwicklung 
der  Kontinentalmassen  zu  beiden  Seiten  des  Äquators.  Aus  dem- 
selben Grunde  nimmt  auch  die  südliche  ■warme  Zone  eine  kleinere 
Fläche  ein,  als  die  nördliche.  Das  entscheidende  ist  aber  die  ge- 
waltige Ausdehnung  der  südlichen  kalten  Zone.  Das  ist  die  Wirkung 
des  circumterraneu  Meeres.  Wo  Südamerika  weiter  in  dieses  Meer 


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76 


Die  Lufthülle. 


hinausragt,  da  springt  auch  die  10° -Isotherme  weiter  als  irgendwo 
anders  gegen  den  Pol  vor.  Nun  haben  wir  allerdings  einigen  Grund 
anzunehmen,  daß  um  den  antarktischen  Pol  sich  ein  Festland  lagert, 
aber  für  die  Temperaturzonen  bleibt  dies  gleichgültig.  Kontinente 
sind  machtlos,  wenn  sie  nicht  in  einem  breiten  Zusammenhänge  mit 
dem  Festlande  der  gemäßigten  und  warmen  Zone  stehen.  Wenn  ein 
großes  Südpolarland  existiert,  so  ist  es  unter  einer  Eisdecke  begraben, 
wie  das  Innere  Grönlands.  — 

Von  wesentlich  anderen  Gesichtspunkten  ging  Koppen8  bei  der 
Aufstellung  seiner  Wärmezonen  aus.  Er  begrenzt  dieselben  nicht 
durch  Isothermen,  sondern  berücksichtigt  nur  die  Dauer  gewisser 
Temperaturen,  und  zwar  ohne  Reduktion  auf  das  Meeresniveau.  Als 
Schwellenwerte  sind  20°  und  10°  angenommen;  über  20°  nennt 
Koppen  heiß,  10 — 20“  gemäßigt,  unter  10°  kalt. 

Im  tropischen  Gürtel  Köppens  sind  alle  Monate  heiß,  im 
subtropischen  wenigstens  4,  höchstens  11.  Der  gemäßigte 
Gürtel  charakterisiert  sich  dadurch,  daß  wenigstens  4 Monate  ge- 
mäßigtsind; eine  Untereinteilung  in  drei  Gürtel  wird  hier  für  notwendig 
erachtet  Der  konstant  gemäßigte  kommt  nur  auf  den  Ozeanen,  der 
sommerheiße  nur  auf  dem  Festlande  vor;  nur  der  dritte,  mit  ge- 
mäßigtem Sommer  und  kaltem  Winter  breitet  sich,  von  einer  großen 
Unterbrechung  in  Sibirien  abgesehen,  rings  um  die  Erde  aus.  Auf 
den  gemäßigten  Gürtel  folgt  der  kalte,  in  dem  höchstens  4 Monate 
gemäßigt,  die  übrigen  kalt  sind;  endlich  der  polare  Gürtel:  alle 
Monate  kalt. 

Der  polare  Gürtel  Köppens  fällt  also  mit  unserer  kalten  Zone 
zusammen,  die  20 “-Isotherme  durchschneidet  aber  verschiedene 
Dauergebiete.  Zwischen  der  einen  und  der  anderen  Einteilung  zu 
wählen,  liegt  kein  Grund  vor;  mau  kann  beide  mit  Nutzen  neben- 
einander gebrauchen.  Unsere  Einteilung  hat  den,  besonders  in 
didaktischer  Beziehung  nicht  zu  unterschätzenden  Vorzug  der  Ein- 
fachheit, sie  schließt  sich  den  althergebrachten  Klimazonen  möglichst 
an,  und  endlich  kommt  den  Grenzlinien,  wie  wir  gesehen  haben, 
auch  eine  reelle  Bedeutung  zu.  Dagegen  ist  Köppens  Gesichtspunkt 
für  viele,  namentlich  pHanzengeographische  Untersuchungen  im  hohen 
Grade  fruchtbringend,  wenn  wir  uns  auch  nicht  verhehlen  können, 
daß  seine  Einteilung  einer  viel  größeren  Spezialisierung  fähig  ist 
und  diesem  Schicksale  auch  nicht  entgehen  wird,  freilich  um  sich 
damit  immer  mehr  von  der  Forderung  klarer  Übersichtlichkeit  zu 
entfernen.  Man  wird  dann  anfangen,  Karten  für  die  Dauer  ver- 
schiedener Schwellenwerte  gesondert  zu  entwerfen,  wie  das  für  Europa 
bereits  geschehen  ist.9  Überhaupt  sucht  man  jetzt  in  der  Klima- 


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Die  horizontale  Verteilung  der  Temperatur. 


77 


tologie  nach  neuen  Methoden.  Es  möge  hier  nur  eine  erwähnt 
werden.  Wir  arbeiten  jetzt  ausschließlich  mit  arimethischen  Mitteln 
der  Temperatur,  des  Regens  u.  s.  w.  Neben  denselben  lassen  sich 
aber  aus  den  meteorologischen  Beobachtungen  noch  andere  Werte 
ableiten,  und  unter  diesen  hat  der  Scheitelwert,  der  vorherrschende 
oder  wahrscheinlichste  Wert,  unzweifelhaft  eine  bedeutende  Zukunft 
in  der  Klimatologie.10  Um  das  Verhältnis  des  Mittelwertes  (M)  zum 
Scheitelwert  (S)  klar  zu  legen,  habe  ich  nach  Meyer  die  Temperaturen 
zu  Breslau,  6h  früh,  für  die  Periode  1876 — 85,  zusammengestellt. 

Jan.  Febr.  März  April  Mai  Juni  Juli  Aug.  Sept.  Okt.  Nov.  Dez. 
M.  —3,o  —0,8  0,2  4,j  8,o  13,9  15,«  14,3  11, 1 6,«  1,9  — l,i 

S.  —0,8  1,8  0,1  2,2  8,0  12,2  14,1  13,2  11,2  6,8  1,3  0,« 

M-S.  —2,4  —2,8  —0,2  +2,2  +0,9  +1,7  +1,3  +1,1  —0,1  —0,1  +0,6  —1,8 

Die  Scheitelwerte  sind  also  höher  in  der  kalten,  die  Mittelwerte 
in  der  warmen  Jahreszeit.  Im  Januar  z.  B.  kommen  Temperaturen 
zwischen  — 2,i  bis  —3°  nur  in  5, s,  Temperaturen  von  — 0,i  bis  — 1° 
aber  in  1 0,z  Prozent  aller  Fälle  vor.  Mit  anderen  W orten : von  allen  Tempe- 
raturen ist  in  Breslau  im  Januar  um  6h  früh  nicht  die  Mitteltemperatur 
von  —3°,  sondern  eine  viel  mildere,  nämlich  — 0,«°  die  wahrscheinlichste. 

Eine  kartographische  Darstellung  der  mittleren  Maxima  und 
Minima  hat  van  Bebber11  versucht.  Das  Bild  der  Januar-  und 
Juliisothermen  kommt  hierin  in  verschärfter  Weise  zum  Ausdrucke. 
Mittlere  Maxima  von  40°  und  Minima  von  —50°  kommen  aus- 
schließlich auf  dem  Festlande  vor. 

Litteraturnachweise.  ' Zenker,  Die  Verteilung  der  Wärme  auf  der 
Erdoberfläche,  Berlin  1888.  — 8 Zenker  in  der  Meteorologischen  Zeitschrift 
1892,  S.  336  u.  380;  1893,  S.  340;  in  Petebmanns  Mitteilungen  1893,  S.  39.  — 
3 Isothermenkarten  für  alle  Monate  hat  seit  Dove  erst  wieder  Buchan  (im 
Challenger- W erk,  PhysicB  and  Chemistry,  II.  Bd., London  1 889),  leider  im  Fahrenheit- 
Maße  veröffentlicht.  — 4 Mohn  und  Nansen,  Nansens  Durchquerung  von 
Grönland,  Gotha  1892  (105.  Ergänzungsheft  zu  Petebmanns  Mitteilungen).  — 
3 Spitaler,  Die  Wärmeverteilung  auf  der  Erdoberfläche,  in  den  Denkschriften 
d.  Wiener  Akademie  d.  Wissenschaften,  math.-naturwiss.  CI.,  1886,  Bd.  LI. 
Isanomalenkarte  des  Jahres  in  Petebmanns  Mitteilungen  1887,  des  Januar  und 
Juli  ebendas.  1889.  Neue  „Normaltemperaturen“  hat  Pkecht  (Meteorologische 
Zeitschrift  1894,  S.  81)  unter  der  Voraussetzung  berechnet,  daß  Land  und  Wasser 
überall  gleich  verteilt  sind.  Es  sind  dies  also  völlig  imaginäre  Werte.  Auf  die 
Bezeichnung  Normaltemperaturen  haben  nur  die  auf  S.  64  mitgeteilten  An- 
spruch. — * v.  Tillo,  Recherches  sur  la  repartition  de  la  temperature  et  de 
la  pression  atmospherique  k la  surface  du  globe,  St.  Petersburg  1887.  — 
1 Bcys-BALLOT,  Verdeeling  der  Wärmte  over  de  Aarde,  Amsterdam  1888.  — 
8 Kuppen,  Die  Wärmezonen  der  Erde,  in  der  Meteorologischen  Zeitschrift  1884.  — 
* Supan,  Die  mittlere  Dauer  der  Wärmeperioden  in  Europa,  in  Petebmanns  Mit- 
teilungen 1887.  — 10  H.  Meter,  Anleitung  zur  Bearbeitung  meteorologischer  Be- 
obachtungen, Berlin  1891.  — 11  van  Bebber  in  Petebmanns  Mitteilungen  1893,  S.  273. 


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78 


Die  Lufthülle. 


Die  Schwankungen  und  die  mittlere  Veränderlichkeit 
und  Abweichung  der  Temperatur. 

(Siehe  Karte  VIII.) 

Die  tägliche  Wänneschwankung.  Das  Klima  eines  Landes  wird 
nicht  bloß  durch  die  mittleren  Temperaturen  des  Jahres  und  der 
Monate,  sondern  auch  durch  die  Schwankungen  und  die  Veränder- 
lichkeit der  Wärme  charakterisiert.  Wie  alle  meteorologischen  Ele- 
mente hat  auch  die  Temperatur  eine  dreifache  Periode,  eine 
tägliche,  eine  jährliche  und  eine  cyklische;  von  der  letzteren  werden 
wir  bei  einer  anderen  Gelegenheit  sprechen. 

Das  tägliche  Minimum  und  Maximum  fällt  nicht  mit  dem 
tiefsten  und  höchsten  Sonnenstände  zusammen,  sondern  verspätet 
sich  um  ein  paar  Stunden.  Das  Minimum  tritt  ein,  wenn  die  Aus- 
strahlung der  tagsüber  empfangenen  Wärme  ihren  Höhepunkt  erreicht 
hat,  im  Seeklima  1 — 2h  vor  Sonnenaufgang,  an  kontinentalen  Orten 
dagegen  bei  Sonnenaufgang  oder  einige  Minuten  nachher.  Ihr 
Maximum  erreicht  die  Wärme  auf  dem  Meere  und  an  den  Küsten 
zwischen  12  und  lh  mittags  und  im  Sommer  etwas  früher  als  im 
Winter,  auf  den  Kontinenten  dagegen  zwischen  2 und  3h  nachmittags 
und  im  Sommer  etwas  später  als  im  Winter. 

Den  mittleren  Unterschied  zwischen  der  höchsten  und  tiefsten 
Tagestemperatur,  wie  sie  am  Maximum-Minimum-Thermometer  ab- 
gelesen werden  können,  nennt  man  die  unperiodische  tägliche 
Wärmeschwankung  (Amplitude),  die  Differenz  zwischen  der 
größten  und  kleinsten  Ordinate  der  mittleren  Tageskurve  dagegen 
die  periodische.  Unmittelbar  läßt  sich  diese  nur  durch  wenigstens 
stündliche  Beobachtung  finden,  mittelbar  durch  geeignete  Inter- 
polation der  fehlenden  Beobachtungen.  Die  unperiodische  Schwankung, 
die  stets  größer  ist  als  die  periodische,  kennen  wir  von  vielen 
Stationen,  da  sie  leicht  zu  ermitteln  ist,  während  die  periodische 
nur  für  verhältnismäßig  wenig  Orte  berechnet  wurde.  Die  Schwierig- 
keit besteht  nun  in  der  Vermengung  des  nicht  streng  miteinander  ver- 
gleichbaren Materials,  daher  auch  die  Lehre  von  der  geographischen 
Verbreitung  der  täglichen  Wärmeschwankung  leider  noch  auf  keiner 
allseitig  gesicherten  Basis  ruht  Doch  treten  jetzt  schon  die  Grund- 
züge deutlich  hervor. 

Im  allgemeinen  steigt  die  tägliche  Temperaturschwankung  mit 
abnehmender  und  fällt  mit  zunehmender  Bewölkung,  da  letztere  so- 
wohl die  Insolation  wie  auch  die  Ausstrahlung  vermindert.  Sie  ist 
daher  in  unseren  Breiten  im  Winter  kleiner  als  im  Sommer,  verhält 


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Die  Schwenkungen  nnd  die  mittlere  Veränderlichkeit  der  Temperatur.  79 

sich  aber  in  Ostindien,  soweit  die  Winter  trocken  sind,  gerade  um- 
gekehrt. Auf  dem  Meere  beträgt  sie  einerseits  infolge  der  größeren 
Bewölkung,  anderseits  wegen  der  geringen  thermischen  Leitungs- 
fahigkeit  des  Wassers  nur  1 — 2°;  an  den  Küsten  ist  sie  etwas 
größer,  und  noch  größer  im  kontinentalen  Tieflande.  So  steigert  sie 
sich  im  Jahresmittel  auf  dem  55.  Breitengrade  von  3,7°  in  Kopen- 
hagen auf  4,a°  in  Moskau  und  5,i°  in  Kasan.  In  der  turanischen 
Niederung,  wo  der  vegetationslose  Boden  sich  rasch  erwärmt  und 
abkühlt,  erreicht  sie  unter  41 — 42°  B.  12°  und  darüber.  Noch  größer 
ist  sie  in  den  australischen  Ebenen,  selbst  in  geringer  Entfernung 
vom  Meere.  So  hat  z.  B.  Hollow  in  Queensland,  nur  40  km  von  der 
Küste  entfernt  und  ca.  60  m hoch , eine  unperiodische  Schwankung 
von  13,i#,  und  Deniquil  im  Murraygebiete  eine  solche  von  19,s°;  es 
ist  also  auch  die  periodische  im  letzteren  Falle  unzweifelhaft  größer 
als  in  Turan.  Die  höchsten  Werte  erreicht  sie  aber  auf  regenarmen 
Hochebenen,  wo  die  dünne,  trockene  Luft  die  Ein-  und  Ausstrah- 
lung der  Wärme  außerordentlich  befördert.  So  groß  auch  die 
Temperaturschwankung  in  der  aral-kaspischen  Steppe  ist,  so  ist  sie 
doch  im  August  und  September  um  9 bis  nahezu  12°  kleiner  als 
auf  den  Plateaus  und  in  den  Hochthälem  der  Pamir.  Auch  auf 
dem  Karakorumplateau  fand  Shaw'  im  September  eine  durchschnitt- 
liche Amplitude  von  19,5°,  im  Karakaschthale  aber  bei  trübem  Wetter 
nur  13°.  Im  westlichen  Tibet  beobachtete  Przewalski  selbst  noch 
im  Dezember  eine  mittlere  Differenz  von  17,3°  zwischen  den  Tempe- 
raturen um  8h  früh  und  lh  nachmittags  und  ein  Maximum  von  26,6°. 
Schon  diese  Beispiele  belehren  uns,  daß  die  tägliche  Amplitude  auf 
dem  zentralasiatischen  Hochlande  selbst  die  in  den  Sandwüsten  der 
Sahara  übertrifft,  welche  man  bisher  als  die  Gegend  der  extremsten 
Wärmeschwankungen  ansah.  Allerdings  sank  in  der  Oase  Mursuk 
während  des  Aufenthaltes  von  Bohlfs  im  Winter  1865/66  die  Tempe- 
ratur in  der  Nacht  mehrere  Male  unter  den  Gefrierpunkt,  sogar  bis 
— 5°,  aber  selbst  in  der  libyschen  Wüste  beobachtete  Jordan  im 
Mittel  von  21  Tagen  im  Dezember  und  Januar  nur  eine  Amplitude 
von  13,8°,  während  sie  in  Kairo  in  derselben  Zeit  nur  10, i°  betrag. 
Zwischen  Mursuk  und  Schimmedru  fand  Nachtigal  sogar  zur  Zeit 
des  Zenithaistandes  der  Sonne  und  bei  heiterem  Himmel  nur  eine 
mittlere  Schwankung  von  22,4°.  Die  größte  Differenz  in  der  afrika- 
nischen Wüste,  die  Barth  unter  27,8°  B.  und  in  300  m Seehöhe 
erlebte,  beträgt  allerdings  35°,  aber  sie  wird  in  Schatten  gestellt 
durch  die  Beobachtungen  auf  den  westlichen  Plateaus  von  Nord- 
amerika. So  betrug  die  Schwankung  zu  Wickenburg  in  Arizona 
(34°  N.,  1 12,7  W.,  620m  hoch)  am  28.  Juli  1877  38, »°,  am  31.  42,2° 


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80 


Die  Lufthülle. 


und  am  1.  August  40 u.  Das  sind  einzelne  Fälle;  aber  auch  die 
stündlichen  Beobachtungen  der  amerikanischen  Vermessungs- 
ingenieure auf  den  Plateaus  des  Felsengebirges  zwischen  35  und 
42°  B.  ergaben  für  die  Seehöhe  von  1500 — 1600  m so  enorm  hohe 
monatliche  Mittelwerte  (Juli  24,2°,  August  20,8  und  November  19, 2), 
wie  sie  kaum  noch  irgendwo  Vorkommen  dürften.  Dieser  Charakter- 
zug ist  übrigens  auch  den  tropischen  Hochebenen  insofern  eigen,  als 
die  Wärmeschwankung  hier  größer  ist  als  im  benachbarten  Tieflande. 
So  beträgt  sie  z.  B.  auf  dem  Plateau  von  Guatemala  (1480  m H.) 
9,6°,  in  Belize  an  der  Küste  aber  nur  2,9°. 

Im  Gebirge  ist  die  tägliche  Temperaturschwankung  in  den 
Hochthälern  größer  als  in  der  Ebene,  auf  den  Berggipfeln  dagegen 
kleiner;  und  der  Satz,  daß  sie  mit  der  Höhe  abnehme,  findet  daher 
nur  auf  die  letzteren  Anwendung.  Nachstehende,  von  Woeikow 
entlehnte  Tabelle  ist  in  dieser  Beziehung  sehr  lehrreich.  Man  ver- 
gleiche nur  Altstätten  mit  dem  benachbarten  Gäbris  oder  Bevers 
mit  dem  nur  wenig  höheren  Rigi.  Nicht  bloß  die  größere  Trocken- 
heit der  Atmosphäre  in  den  Thälern,  sondern  auch  die  stärkere 
Abkühlung  in  den  Winternächten,  wenn  die  schwere  kalte  Luft  an 
den  Gehängen  herabtließt,  um  sich  ruhig  über  dem  Thalboden  zu 
lagern,  begünstigt  die  Steigerung  der  Wärmeschwankung.  Die  Pässe, 
nicht  so  frei  wie  die  Berggipfel,  aber  auch  nicht  so  eingeschlossen 
wie  die  Thäler,  vermitteln  zwischen  diesen  Extremen. 


Höhe  ui 

Jahr 

Winter 

Sommer 

Hochebene 

Bern 

574 

V 

4,o° 

9,2° 

Altstätten 

478 

6,3 

3,o 

9,3 

Hochthal 

Bcvcra 

1 1715 

10,6 

7,» 

11,. 

Paß. 

St.  Bernhard 

2478 

4,3 

2,3 

5,8 

Gipfel 

Gäbris 

1250 

3,s 

2,3 

4,3 

Rigi 

| 1784 

2,3 

1,3 

3,5 

Zunächst  ist  also  die  tägliche  Wärmeschwankung  von  den 
topographischen  Verhältnissen  abhängig.  Der  Einfiuß  der 
Polhöhe  kommt  erst  in  zweiter  Linie  in  Betracht.  An  den  Küsten- 
stationen in  der  Nähe  des  Äquators  ist  die  Amplitude  nicht  größer 
als  in  unseren  Breiten,  und  nur  darin  besteht  ein  wesentlicher 
Unterschied,  daß  sie  dort  — wie  die  Tageslänge  — das  ganze  Jahr 


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i Die  Schwankungen  und  die  mittlere  Veränderlichkeit  der  Temperatur.  81 

hindurch  ziemlich  gleich  bleibt.  In  St  Thomö  (0°20'N.)  beträgt 
sie  6,8°,  zu  Tschintschoscho  (5°9'  S.)  6,*°,  zu  Sansibar  (6°  10'  S.) 
4,i°,  in  Batavia  (6°  11'  S.)  5,»°  und  auf  Ascension  (7°  55'  S.)  5,i°. 
Auf  den  Kontinenten  tritt  unter  übrigens  gleichen  Verhältnissen 
ihre  Abnahme  mit  der  Breite  schärfer  hervor.  So  ist  sie  z.  B. 
in  Lugan  um  2,»°  größer  als  in  Moskau,  und  selbst  noch  in  Odessa 
um  1,*°,  trotz  der  Nähe  des  Meeres.  Ihr  Maximum  erreicht  sie 
auf  den  Hochplateaus  zwischen  30  und  50°  B.,  während  weiter  im 
Norden  die  Insolation  in  den  kurzen  Wintertagen  und  die  Aus- 
strahlung in  den  kurzen  Sommernächten  zu  geringfügig  ist,  als  daß 
die  Wärme  innerhalb  24  Stunden  beträchtlich  variieren  könnte.  Im 
polaren  Gürtel  mit  seinen  monatelangen  Winternächten  und  ebenso 
langen  Sommertagen  ist  sie  naturgemäß  sehr  gering.  So  auf  Nowaja 
Semlja  unter  und  auf  der  Sabine-Insel  unter  74l/s0  B.  2,5°, 

in  der  Mosselbai  (79,9°  B.)  0,9°  und  in  der  Polarisbai  (81,«u  B.)  1,6°. 
An  den  Polen,  wo  ein  halbjähriger  Tag  mit  einer  halbjährigen 
Nacht  wechselt,  fällt  die  tägliche  Wärmeschwankung  mit  der  jähr- 
lichen zusammen. 

Die  jährliche  Wärmeschwankung1.  Aus  demselben  Grunde  wie 
in  der  täglichen,  fallen  auch  in  der  jährlichen  Temperatur- 
periode Maximum  und  Minimum  nicht  mit  dem  höchsten  und 
tiefsten  Sonnenstände  zusammen,  sondern  treten  etwas  später  ein. 
ln  den  mittleren  und  höheren  Breiten  des  nördlichen  Festlandes 
ist  der  Juli  der  wärmste  und  der  Januar  der  kälteste  Monat,  auf 
dem  Meere  sind  dagegen  im  allgemeinen  Februar  und  August  die 
extremen  Monate.  In  der  tropischen  Zone  steigt  das  Thermometer 
am  höchsten,  wenn  die  Sonne  den  Scheitelpunkt  erreicht;  so  ist  in 
Columbia  der  März,  in  Zentralamerika  der  April  und  in  Mexico 
der  Mai  der  wärmste  Monat  Während  sonst  überall  die  mittleren 
Monatstemperaturen  eine  einfache  Kurve  darstellen,  zeigt  diese  in 
der  Äquatorialzone,  wo  die  beiden  Zenithstände  der  Sonne  weit 
auseinanderliegen,  zwei  Erhebungen.  Doch  ist  dies  keineswegs  eine 
allgemeine  Erscheinung.  Deutlich  ausgeprägt  ist  das  doppelte 
Maximum  z.  B.  im  südäquatorialen  Teile  des  malaiscben  Archipels, 
dagegen  in  Singapore  nur  in  einer  leisen  Hebung  der  Kurve  im 
Oktober  angedeutet  In  Westafrika  tritt  es  scharf  an  der  Elfenbein- 
küste und  in  Tschintschoscho,  also  unter  5 0 N.  und  S.  hervor,  aber 
undeutlich  am  Äquator,  und  schon  in  Sansibar  unter  6 0 S.  ist  die 
einfache  Kurve  wieder  hergestellt 

Die  Differenz  der  extremen  Monatstemperaturen  nennen  wir 
die  jährliche  Wärmeschwankung  (s.  Karte  VIH).  Vom  Äquator, 
wo  sie  durchschnittlich  l,s°  beträgt  und  auf  den  ostindischen  Inseln 

Sctah,  Phyajjcbe  Erdkunde.  2.  Aufl,  6 


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82 


Die  Lufthülle. 


sogar  auf  0,u"  herabsinkt,  nimmt  sie  gegen  die  Pole  zu,  gleichzeitig 
aber  auch  von  den  Küsten  gegen  das  Innere  der  Kontinente.  Ein 
Klima  mit  einer  mittleren  Jahresamplitude  bis  höchstens  15°  be- 
zeichnen wir  als  Äquatorial-,  beziehungsweise  Seeklima,  von 
15 — 20°  als  rbergangsklima,  von  20 — 40°  als  Landklima  und 
über  40°  als  exzessives  Landklima.  Das  Seeklima  wird  durch 
warme  Winter  und  kühle  Sommer,  das  Landklima  durch  kalte 
Winter  und  warme  Sommer  charakterisiert.  Das  erstere  ist  auf 
unserer  Hemisphäre  nördlich  vom  30.  Parallel  nur  auf  die  West- 
küsten beschränkt,  wogegen  die  Ostküsten  wegen  der  bedeutenden 
Winterkälte  Landklima  haben.  Auch  in  den  höheren  Breiten  mit 
Ausnahme  von  Grönland  und  in  den  mittleren  Breiten  der  Süd- 
halbkugel ist  die  jährliche  Schwankung  au  den  Westküsten  kleiner 
als  an  den  östlichen,  und  dem  gleichen  Gesetze  begegnen  wir  an 
den  Gestaden  der  südeuropäischen  Halbinseln  und  Vorderindiens. 
Das  Landklima  nimmt  auf  den  Südkoutinenten  wegen  ihrer  niederen 
Breite  nur  ein  verhältnismäßig  kleines  Areal  ein,  während  es  den 
weitaus  größten  Teil  der  nördlichen  Festländer  umfaßt.  Der  Gegen- 
satz der  ozeanischen  und  kontinentalen  Erdhälfte  macht  sich  wieder 
geltend;  schon  unter  40°  N.  ist  die  Jahresschwaukuug  durchschnitt- 
lich um  10,4°  größer  als  auf  dem  entsprechenden  südlichen  Parallel, 
und  die  Differenz  steigert  sich  mit  der  Annäherung  an  die  Pole. 
Durch  exzessives  Landklima  ist  die  Umgebung  der  winterlichen 
Kältecentren  ausgezeichnet;  das  Maximum  erreicht  die  jährliche 
Temperaturschwankung  in  Ostsibirien  (Werchojansk  67, i°).  Überall 
in  der  gemäßigten  und  kalten  Zone  erscheinen  die  Linien  gleicher 
Amplitude  abhängig  von  den  Winterisothermen,  im  warmen  Gürtel 
dagegen  von  den  Sommerisothermen;  sie  verhalten  sich  also  ebenso 
wie  die  Kurven  gleicher  Jahrestemperatur. 

Auf  isolierten  Berggipfeln  ist  die  Jahresschwankung  kleiner 
als  in  der  Ebene,  weil  die  Wärme  im  Winter  langsamer  mit  der 
Höhe  abnimmt,  als  im  Sommer.  Der  Einfluß  des  Land-  und  See- 
klimas macht  sich  aber  auch  hier  geltend: 

H.  m Winter  Sommer  Differenz 

Pikes  Peak,  Felsengebirge  38,8°  N.  3000  —8,5°  11, 7°  20, a° 

Casa  inglese,  Ätna  37,8  N.  2996  —4,«  ö,a  10, a 

In  den  Hochthälern  ist  die  jährliche  Schwankung  nicht  nur  be- 
trächtlicher als  auf  freien  Berggipfeln  in  gleichem  Niveau,  sondern 
auch  größer  als  in  der  Ebene.  Folgende  Tabelle  giebt  auch  die 
Ursache  dieser  Erscheinung  an: 


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Die  Schwankungen  und  die  mittlere  Veränderlichkeit  der  Temperatur.  83 


H.  m 

Kältester  M. 

Wärmster  M. 

Differenz 

Rigi 

1790 

-4,8° 

9,7° 

14,5° 

Bevers 

1715 

-9,7 

11,. 

21,« 

Basel 

278 

0,4 

19, . 

18,8 

Für  die  Plateaus  läßt  sich  ein  präzises  Gesetz  noch  nicht  aufstellen. 
Auf  einigen  differieren  die  extremen  Monatstemperaturen  etwas  mehr, 
auf  anderen  etwas  weniger  als  im  kontinentalen  Tieflande;  aber 
nirgends  ist  der  Unterschied  so  bedeutend,  daß  man  auf  eine  be- 
stimmte Abhängigkeit  von  der  Seehöhe  schließen  könnte. 

Vergleichen  wir  die  Verteilung  der  jährlichen  Wärmeschwankung 
mit  der  der  täglichen,  so  gelangen  wir  zur  Aufstellung  folgender 
klimatischer  Typen: 

1.  Das  Aquatorialklima.  Auf  dem  Meere  und  auf  dem 
Lande  in  nicht  beträchtlicher  Seehöhe  sind  beide  Schwankungen 
gering,  aber  die  tägliche  ist  größer  als  die  jährliche.  Erstere  be- 
trägt im  Mittel  der  auf  S.  81  angeführten  Stationen  5,e°,  letztere 
nur  2,8°;  und  lediglich  in  diesem  Sinne  ist  der  bekannte  Satz  auf- 
zufassen, daß  die  Nacht  der  Winter  der  Tropen  sei. 

2.  Im  Seeklima  der  mittleren  und  höheren  Breiten 
siud  beide  Schwankungen  gering,  aber  die  jährliche  größer  als  die 
tägliche.  Landeinwärts  nehmen  beide  zu.  Die  jährliche  Variation 
nimmt  unter  übrigens  gleichen  Verhältnissen  auch  mit  der  Breite 
zu,  die  tägliche  aber  ab. 

3.  Das  Polarklima  mit  großer  jährlicher  und  kleiner  täglicher 
Schwankung. 

Mit  Bezug  auf  die  Seehöhe  lassen  sich  folgende  Typen  unter- 
scheiden: 

1.  Das  Bergklima.  Beide  Schwankungen  sind  kleiner,  als  im 
benachbarten  Tieflande.  Das  Bergklima  gleicht  somit  dem  Seeklima. 

2.  Das  Plateau-  und  Hochthälerklima  hat  dagegen  einen 
streng  kontinentalen  Charakter.  Die  tägliche  Temperaturschwankung 
ist  unter  allen  Umständen  und  unter  allen  Breiten  größer  als  im 
Tieflande,  während  die  jährliche  von  der  in  den  Niederungen  nicht 
beträchtlich  differiert 

Temperaturveränderlichkeit.  Ein  klimatologisclies  Moment  von 
eminent  geographischer  Bedeutung,  aber  bislang  noch  wenig  ge- 
würdigt, ist  die  mittlere  Veränderlichkeit  der  Temperatur  von 
einem  Tage  zum  andern.  Schon  Hann,3  dessen  bahnbrechende 
Untersuchungen  bereits  in  mehreren  Ländern  Nachahmung  ge- 
funden haben,  machte  darauf  aufmerksam,  wie  die  größere  Wärme- 
variabilität in  Nordamerika,  Australien  und  Neuseeland  auf  den 
körperlichen  Habitus  wie  auf  den  Charakter  der  europäischen  Ein- 

6* 


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84 


Die  Lufthülle. 


Wanderer  merklich  einwirkt,  und  wir  fügen  die  Vermutung  hinzu, 
daß  der  erschlaffende  Einfluß  des  Tropenklimas  hauptsächlich  in  der 
geringen  Veränderlichkeit  begründet  ist.  Einen  Einfluß  auf  die  Sterb- 
lichkeit, die  sowohl  in  der  geographischen  Verteilung  wie  im  jährlichen 
Gange  mit  der  Temperaturveränderlichkeit  wächst,  hat  Kbemsee3 
wenigstens  für  Norddeutschland  sehr  wahrscheinlich  gemacht.  Es 
liegt  ferner  auf  der  Hand,  daß  auch  die  Verbreitung  der  Pflanzen 
zum  Teil  von  diesem  Momente  abhängt,  und  es  ist  nur  zu  bedauern, 
daß  Untersuchungen  in  dieser  Richtung  noch  nicht  eingeleitet  wurden. 

Infolge  des  Wechsels  der  Jahreszeiten  nimmt  die  Tagestem- 
peratur bis  zum  Maximum  zu  und  dann  wieder  ab.  Das  ist  das 
periodische  Element  in  der  Veränderlichkeit  Nebstdem  wirken 
aber  auch  Winde,  Bewölkung,  Niederschläge  u.  s.  w.,  und  das  ist  das 
unperiodische  Element,  welches  sich  schon  dadurch  als  das  maß- 
gebendere erweist,  daß  die  Werte  für  die  mittlere  Veränderlichkeit 
sich  nicht  erheblich  ändern,  wenn  man  den  Einfluß  des  periodischen 
Elements  eliminiert.  Daraus  erklärt  es  sich,  daß  in  der  Zone  der 
regelmäßigen  Winde,  in  den  Tropen,  die  Tagestemperatur  weniger 
variiert  (in  Georgetown  z.  B.  durchschnittlich  nur  um  0,6°),  als  im  Ge- 
biete der  wechselnden  Luftströmungen.  Die  mittlere  Veränderlichkeit 
nimmt  daher  mit  der  Breite  zu,  aber  in  ganz  unregelmäßiger  Weise, 
wie  folgende  Tabelle  in  der  letzten  Kolumne  zeigt: 


Mittlere 

Dez. 

Mürz 

Juni 

Sept. 

bis 

bi» 

bis 

bis 

Jahr 

Breite 

Febr. 

Mai 

Aug. 

Nov. 

Arktisches  Nordamerika 

71,»° 

3,4« 

2,4° 

1,3»* 

2,5« 

2,4« 

Amerikanische  Westküste 

47,4 

2,o 

1,* 

l,i* 

1,5 

1,5 

Westliches  Plateau 

40,a 

3,4 

2,» 

2,3* 

2,8 

2,8 

Inneres  von  Nordamerika 

43,o 

4,7 

3,5 

2,4* 

3,3 

3,5 

Östliches  Nordamerika 

42,8 

4,1 

2,8 

2,1* 

2,7 

2,» 

Südöstliches  Nordamerika 

30,« 

2.» 

1,» 

1,>* 

1,8 

1,« 

Plateau  von  Mexico 

19,3 

l|t 

1,6 

0,7* 

0,7 

1,0 

England 

58,i 

2,1 

1,0 

1,5* 

1,0 

!<• 

Mitteleuropa 

49,3 

2,2 

1,» 

1,0 

1,7* 

1,» 

Europisches  Rußland 

56,3 

3,7 

2,5 

2,0* 

2,3 

2,5 

Westsibirien 

56,o 

4,6 

3,. 

2,3* 

3,1 

3,2 

Ostsibirien 

57,i 

3,2 

2,« 

2,1* 

2,7 

2,8 

Ostasien 

50,3 

2,8 

2,> 

1,7* 

2,3 

2,7 

Westliches  Mittelmeer 

42,i 

1,8 

1,» 

1,4 

1,3* 

1,» 

Östliches  Mittelmeer 

35,5 

1,5 

1,7 

1,» 

1,7  * 

1,* 

Südliche  Halbkugel 

33,8 

1,» 

1,5* 

1,7 

2,o 

1,3 

Die  nördliche  Hemisphäre  hat 

zwei  Maximalbezirke, 

von  denen 

nach 

allen  Seiten,  auch  gegen  die  Pole  hin,  die  Veränderlichkeit  abnimmt. 


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Die  Schwankungen  und  die  mittlere  Veränderlichkeit  der  Temperatur.  85 

Der  eine  liegt  im  Innern  von  Nordamerika  und  umfaßt  wahrschein- 
lich die  nördlichsten  Teile  der  Vereinsstaaten  und  den  südlichen 
und  mittleren  Teil  der  Hudsonbai-Länder;  der  andere  liegt  in 
Westsibirien,  etwas  nördlicher  als  der  amerikanische,  und  auch 
etwas  schwächer  ausgebildet.  Der  Gegensatz  der  Ost-  und  West- 
küsten tritt  auch  hier  wieder  zu  Tage,  indem  die  erstere  eine  etwas 
variablere  Temperatur  hat  (europäische  Westküste  48,7°  N.  1,6°, 
asiatische  Ostküste  47, s®  N.  2°);  es  ist  dies  wahrscheinlich  eine 
Folge  davon,  daß  hier  die  Wärme  im  Winter  rasch  mit  der  Breite 
zunimmt  Wenn  auch  die  Veränderlichkeit  in  der  Regel  landeinwärts 
sich  steigert,  so  darf  man  doch  nicht  dem  Seeklima  als  solchem 
einen  mildernden  Einfluß  zuschreiben,  denn  in  diesem  Falle  müßte 
sie  auf  der  südlichen  Halbkugel  geringer  sein,  als  auf  der  nörd- 
lichen, während  doch  thatsächlich  das  Umgekehrte  statttindet  Den 
durchschnittlichen  Wert  von  l,s °,  der  jenseits  des  Äquators  schon 
in  33,8  B.  erreicht  wird,  finden  wir  auf  unserer  Erdhälfte  im  Mittel 
erst  unter  49, s®  B.  Mit  der  Höhe  wächst  die  Veränderlichkeit,  und 
zwar  zum  Unterschiede  von  den  Schwankungen,  gleichmäßig  auf 
Berggipfeln,  wie  auf  Plateaus.  In  Zürich  (480  m)  beträgt  sie  im 
Jahresmittel  1,8®,  auf  dem  Utliberg  (874  m)  2,o®  und  auf  dem  Rigi 
(1784  m)  2,4®.  In  Stuttgart  (270  m)  beträgt  sie  l,s®,  in  München 
(479  m)  dagegen  2,i°.  Im  Erzgebirge  nimmt  sie  durchschnittlich 
um  0,o3®  für  je  100  m zu. 

In  den  mittleren  und  höheren  Breiten  unserer  Halbkugel  er- 
reicht die  Veränderlichkeit  ihr  Maximum  im  Winter  und  ihr  Mini- 
mum im  Sommer.  Die  geographische  Anordnung  bleibt  aber  das 
ganze  Jahr  dieselbe,  nur  sind  im  Sommer  die  Unterschiede  beträcht- 
lich kleiner  als  im  Winter.  Die  winterlichen  Werte  sind  also  für 
das  Jahresmittel  das  Entscheidende,  und  das  giebt  uns  den 
Schlüssel  zur  Erklärung  der  Maximalbezirke  in  die  Hand.  Sie  liegen 
an  den  Grenzen  der  winterlichen  Regionen  hohen  Luftdruckes,  wo 
eine  häufige  Verschiebung  der  Windgebiete  stattfindet.  So  gelangt 
z.  B.  Westsibirien  bald  unter  die  Herrschaft  warmer  Winde  vom 
Atlantischen  Ozean,  bald  unter  die  der  kalten  Luftströmung  vom 
asiatischen  Kältezentrum.  Nordamerika,  der  kleinere  und  daher 
wärmere  Kontinent,  dessen  meridionale  Gebirge  ein  Abfließen  der 
kalten  Luft  zu  den  Meeren  im  Osten  und  Süden  gestatten,  erfährt 
aus  diesem  Grunde  (wie  wir  später  ausführlicher  erörtern  werden) 
auch  raschere  Windwechsel,  und  die  Tagestemperatur  ist  daher 
größerer  Veränderlichkeit  unterworfen.  Man  muß  sich  auch  stets 
vor  Augen  halten,  daß  die  Winde  nicht  nur  direkt  die  Temperatur 
beeinflussen,  sondern  auch  indirekt,  indem  warme  Winde  im  Winter, 


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86 


Die  Lufthülle. 


weil  sie  meist  von  der  See  kommen,  auch  Bewölkung  und  Nieder- 
schläge bringen,  die  kalten  Landwinde  aber  Heiterkeit  und  trockene 
Luft;  und  wir  haben  schon  gehört,  daß  das  eine  die  Temperatur 
erhöht,  das  andere  sie  erniedrigt 

Örtliche  Einflüsse  spielen  im  Sommer  eine  viel  größere  Rolle 
als  im  Winter.  Namentlich  wird  die  Variabilität  gesteigert,  wenn  in 
der  Nähe  eines  erhitzten  Landstriches  ein  höheres  Gebirge  oder  eine 
größere  Wasserfläche  sich  befindet,  wie  an  der  Hudsonbai  und  im 
canadischen  Seengebiete,  oder  auf  der  bayerischen  Hochebene  und 
im  oberitalienischen  Tieflande.  Besonders  auffallend  ist  im  Sommer 
die  geringe  Veränderlichkeit  in  den  Polargegenden,  die  nicht  größer 
ist  als  in  den  Mittelmeerländern.  Auf  der  südlichen  Hemisphäre 
sind  Frühling  und  Herbst  die  extremen  Jahreszeiten,  und  der  Sommer 
ist  sowohl  an  den  Küsten,  wie  im  Binnenlande  veränderlicher  als 
der  Winter. 

Klimatologisch  wichtig  ist  auch  die  Häufigkeit  der  Veränderungen 
von  bestimmter  Größe.  Auch  hier  wiederholt  sich  die  geographische 
Verteilung,  die  wir  schon  kennen  gelernt  haben,  wenn  auch  mit  einigen 
Unterschieden.  So  sind  z.  B.  Veränderungen  von  mehr  als  6°  in 
Ostsihirien  seltener  als  im  europäischen  Rußland,  geringere  Änderungen 
aber  häufiger.  In  beiden  Maximalbezirken  sind  Änderungen  von  20° 
und  darüber  nicht  sehr  selten,  und  auch  solche  von  25 0 kommen  noch 
vereinzelt  vor,  aber  der  westsibirische  Bezirk  scheint  öfter  bedeutenden 
Schwankungen  unterworfen  zu  sein,  als  der  inneramerikanische.  Da- 
gegen reichen  in  Amerika  die  großen  Temperaturwechsel  viel  weiter 
nach  Süden,  als  in  der  alten  Welt,  was  Hann  mit  Recht  den  „Norther“ 
zuschreibt,  jenen  von  Norden  kommenden  Winterstürmen,  die  manch- 
mal bis  in  den  Golf  von  Mexico,  also  bis  über  die  Grenze  der  warmen 
Zone  hinaus  die  binnenländische  Kälte  tragen. 

Mittlere  Abweichung.  Wie  in  der  mittleren  Veränderlichkeit, 
so  können  wir  wohl  auch  in  der  mittleren  Abweichung  der 
Monats-  und  .Jahrestemperaturen  der  einzelnen  Jahrgänge  von  dem 
Mittelwerte  ohne  Rücksicht  auf  das  Vorzeichen,  wie  sie  Dove4  für 
zahlreiche  Stationen  berechnete,  einen  Ausdruck  für  die  unperiodischen 
Störungen  sehen,  wenn  auch  — wie  aus  späteren  Erörterungen  hervor- 
gehen wird  — ein  periodisches  Element  darinnen  steckt,  das  aber 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  von  dem  ersteren  verdunkelt  wird. 
Ihre  geographische  Verteilung  ist  von  großer  klimatologischer  Be- 
deutung. Es  zeigt  sich,  daß  Abweichung  und  Veränderlichkeit  nicht 
parallel  laufen.  Zwar  gilt  auch  für  erstere  im  allgemeinen  das 
Gesetz,  daß  sie  vom  Äquator  gegen  die  Pole  und  von  den  Küsten 
landeinwärts  zunimmt.  In  der  alten  Welt,  wie  in  Nordamerika,  liegt 


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Die  Schwankungen  und  die  mittlere  Veränderlichkeit  der  Temperatur.  87 

das  Gebiet  der  größten  Abweichung  im  Innern,  und  sind  die  Monats- 
und Jahrestemperaturen  an  der  Ostküste  variabler  als  an  der  west- 
lichen, aber  damit  hört  auch  der  Parallelismus  auf.  Die  neue  Welt 
hat  die  größte  Veränderlichkeit,  die  alte  die  größte  Abweichung;  die 
störenden  Elemente,  welche  die  Temperaturkurve  von  einem  Tage  zum 
anderen  beeinflussen,  sind  in  Amerika  mächtiger,  aber  sie  treten  auch 
regelmäßiger  von  Jahr  zu  Jahr  auf,  als  auf  unserer  östlichen  Feste. 
Die  Abweichung  im  amerikanischen  Binnenlande  ist  nicht  größer  als 
im  nördlichen  Deutschland,  und  in  den  östlichen  Vereinsstaaten  sogar 


Ixänder 

Größte 

Abweichung 

Kleinste 

Abweichung 

Jahr 

Italien 

Dez.  1,»4° 

Aug.  0,90° 

1,19° 

England  .... 

Jan.  1,4« 

Sept.  0,89 

1,24 

West-Europa  . . 

Jan.  2,26 

Sept.  1,07 

1,44 

Schweiz  .... 

Dez.  2,»2 

Okt.  l,n 

1,46 

Süd-Deutschland  . 

• 

Jan.  2,6t 

Sept.  I,i6 

1 ,65 

Nord  Deutschland 

• 

Jan.  2,io 

Sept.  1,09 

1,12 

Baltische  Länder  . 

Jan.  2,13 

Sept.  0,87 

1,47 

Nordost-Europa 

. 

Jan.  3,is 

Sept.  l,oi 

1,84 

Inneres  Rußland  . 

. 

Dez.  3,so 

Mai  l,4i 

2,00 

Ural  und  Sibirien 

• 

Dez.  3,12 

Juli  1,it 

1,97 

Westliches  Amerika 

Jan.  2,i« 

Sept  0,«4 

1,23 

Inneres  Amerika  . 

Febr.  2,63 

Aug.  1,12 

1,10 

Östliches  Amerika 

Febr.  1,8» 

Juli  0,oo 

1,27 

Polarländer  . . . 

* 

Dez.  1,»5 

Sept.  l,i« 

1,59 

geringer  als  in  Westeuropa.  Ebenso  ist  die  Abweichung  auf  der 
südlichen  Hemisphäre  kleiner,  als  auf  der  nördlichen  unter  gleicher 
Breite.  Alles  das  beweist,  daß  sie  von  der  Kontinentalität 
des  Klimas  weit  abhängiger  ist,  als  die  Veränderlichkeit  Dagegen 
nehmen  beide  mit  der  Höhe  zu,  aber  die  Abweichung  nur  um 
0,oo7°  für  100  m.  In  den  einzelnen  Monaten  ist  sie  verschieden. 
Am  größten  ist  sie  im  Winter,  wo  die  Temperatur  am  meisten  von 
den  Winden  abhängt;  am  kleinsten  im  Spätsommer;  nur  in  Gegenden 
mit  strengerem  Landklima  fällt  das  Minimum  in  den  Anfang  oder 
in  die  Mitte  des  Sommers. 

Literaturnachweise.  1 Sofas,  Die  Verteilung  der  jährlichen  Wärme- 
schwankung,  in  der  Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Geographie,  1880,  lid.  I.  — 
* Haxn,  Untersuchungen  über  die  Veränderlichkeit  der  Tagestemperatur , in 
Sitzungsberichten  der  Wiener  Akademie  der  Wissenschaften,  Math.-naturwiss. 
Kl.  1875,  Bd.  LXXI,  II;  Die  Veränderlichkeit  der  Temperatur  in  Österreich, 
in  den  Denkschriften  der  Wiener  Akademie  d.  Wissenschaften,  Math.-uaturwiss. 


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88 


Die  Lufthülle. 


Kl.  1891,  Bd.  LVTII.  — * Kremseb,  Die  Veränderlichkeit  der  Lufttemperatur 
in  Norddeutschland,  in  den  Abhandlungen  des  Preußischen  Meteorologischen 
Instituts,  Bd.  I,  1888.  — 4 Dovf.,  Die  mittlere  und  absolute  Veränderlichkeit 
der  Temperatur,  in  den  Abhandlungen  der  Berliner  Akademie  der  Wissen- 
schaften 1867. 


Windsysteme  und  Windgebiete. 

Windgesetze.  Zu  wiederholten  Malen  hatten  wir  schon  Gelegen- 
heit, den  Einfluß  der  Winde  auf  die  Wänneverteilung  kennen  zu 
lernen.  In  einem  späteren  Kapitel  werden  wir  erfahren,  daß  der 
Wind  einer  der  wichtigsten  Faktoren  ist,  die  die  Verteilung  der 
Niederschläge  regeln.  Es  ist  daher  nicht  Überschätzung,  wenn  man 
den  Wind  als  den  eigentlichen  Träger  des  Klimas  bezeichnet,  und 
zugleich  — da  die  klimatischen  Verhältnisse  das  organische  Leben 
und  damit  auch  die  Entwicklung  der  Menschheit  bedingen  — als 
eine  Kulturmacht  ersten  Hanges. 

Direkt  erscheinen  die  Winde  von  der  Verteilung  des  Luftdruckes 
abhängig.  Ein  ungleich  verteilter  Luftdruck  zeigt  an,  daß  das  Gleich- 
gewicht der  Atmosphäre  gestört  ist,  und  die  Winde  haben  die  Ten- 
denz, dasselbe  wieder  herzustellen.  Dieses  Grundprinzip  der  modernen 
Meteorologie  ergab  sich  unmittelbar  aus  den  sogenannten  synop- 
tischen Witterungskarten,  die  den  Zustand  der  Atmosphäre 
über  einem  größeren  oder  kleineren  Teile  der  Erdoberfläche  (Europa, 
nordatlantischer  Ozean,  Vereinigte  Staaten  von  Amerika)  in  einer 
bestimmten  Stunde  (meist  7h  früh  nach  Ortszeit)  darstellen.  Auf 
diesen  Karten  sieht  man  die  Orte  gleichen  Luftdruckes  durch  Linien, 
die  sogenannten  Isobaren,  miteinander  verbunden.  Um  die  be- 
obachteten Barometerstände  miteinander  vergleichbar  zu  machen, 
muß  man  sie  auf  das  Meeresniveau  reduzieren;  und  außerdem  muß 
man,  da  das  Gewicht  aller  Körper,  somit  auch  der  Luft,  mit  der 
Polhöhe  zunimmt,  eine  Schwerekorrektur  anbringen,  d.  h.  die  unter 
verschiedenen  Breiten  beobachteten  Barometerstände  auf  einen  ge- 
meinsamen Parallel  (gewöhnlich  den  45.)  reduzieren.  Der  Vergleich 
der  Isobaren  mit  den  Winden  ergiebt  nun  folgende  zwei  Gesetze, 
die  nach  ihren  Entdeckern  benannt  werden: 

1)  Das  BüYS-BAiiLOT’sche  Gesetz:  Die  Luft  strömt  von  der  Gegend 
höheren  Luftdruckes  nach  der  niederen  Luftdruckes  und  wird  dabei 
durch  die  Erdrotation  auf  der  nördlichen  Hemisphäre  nach  rechts 
und  auf  der  südlichen  nach  links  abgelenkt.  Man  kann  noch  den 
Satz  hinzufügen,  daß  jedes  Windsystem  aus  zwei  Strömungen  besteht, 
aus  einer  unteren  vom  höheren  Luftdruck  zum  niederen  und  einer 


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Windsysteme  und  Windgebiet«. 


89 


oberen  in  entgegengesetzter  Richtung.  Beide  werden  durch  die 
Achsendrehung  der  Erde  abgelenkt,  die  untere  aber  außerdem  noch 
durch  die  verschiedenen  Reibungswiderstände  an  der  Erdoberfläche. 
Ozeanische  Winde  unterliegen  einer  größeren  Ablenkung  als  kon- 
tinentale, weil  die  letzteren  auf  dem  unebenen  Boden  des  Festlandes 
nicht  völlig  dem  Einflüsse  der  Rotation  zu  folgen  vermögen.  Stets 
aber  bildet  die  Windrichtung  mit  dem  Gradienten  einen  Winkel, 
der  jedoch  nie  90°  erreicht. 

2)  Das  S'fEVENSON’sche  Gesetz  lautet:  Die  Windstärke  wird 
bedingt  durch  den  barometrischen  Gradienten,  d.  h.  durch  die 
Druckdifferenz,  welche  in  der  Richtung  senkrecht  zu  den  Iso- 
baren gemessen  und  auf  eine  Längeneinheit  (jetzt  allgemein  1 0 am 
Äquator  =111  km)  bezogen  wird.  Je  steiler  der  Gradient,  desto 
dichter  gedrängt  die  Isobaren,  desto  größer  auch  die  Windgeschwindig* 
keit.  Aber  auch  sie  wird  durch  die  Reibung  wesentlich  modifiziert. 
Loomis  1 ermittelte  die  Windgeschwindigkeit  in  Kilometer  pro  Stunde 
für  folgende  Gebiete,  die  wir  in  der  Richtung  W. — 0.  anordnen. 


Vereinigte  Staaten  ! 

Nord- 

atlant. 

Ozean 

Europa 

Binnen- 

land 

Ost-  | 
kUste 

West- 

küste 

Binnen- 

land 

Winter 

13,7 

18,o 

53,i 

! 22, n 

14,1 

Frühling  .... 

15,9 

17,o  j 

49,« 

20,9 

13,5 

Sommer  .... 

11,9 

12,« 

4 l,o 

18,5 

10,8 

Herbst 

12,5 

16,i 

47,8 

20,9 

12,5 

Jahr 

13,i 

15,9 

47,o 

19,8 

12,7 

In  allen  Jahreszeiten  sehen  wir  hier  die  Windgeschwindigkeit 
vom  Ozean  gegen  die  Küste  und  von  der  Küste  gegen  das  Binnen- 
land abnehmen,  also  genau  in  der  Richtung,  in  der  die  Reibungs- 
widerstände wachsen.  Aus  demselben  Grunde  nimmt  die  Windstärke 
mit  der  Höhe  zu,  und  schon  geringe  Höhenunterschiede  fallen  da 
schwer  ins  Gewicht»  Ist  doch  schon  auf  dem  300  m hohen  Eiffeltürme 
die  Windstärke  3 — 4 mal  größer  als  auf  dem  J/a  km  davon  entfernten 
Turme  des  Meteorologischen  Zentralbureaus  in  21m  Höhe.  Aber 
auch  in  der  täglichen  Periode  unterscheiden  sich  Meer,  Land  und 
freigelegene  Berggipfel  wesentlich  voneinander.  Auf  dem  Meere  ist 
eine  tägliche  Periode  der  Windgeschwindigkeit  so  gut  wie  gar  nicht 
bemerkbar,  Tag  und  Nacht  weht  es  mit  gleicher  Stärke.  Auf  dem 
Festlande  erreicht  sie  unter  allen  Breiten  ihr  Minimum  in  den  ersten 
Morgenstunden  und  ihr  Maximum  ein  paar  Stunden  nach  Mittag;  sie 
steigt  und  fällt  also  mit  der  Temperatur,  und  dieser  Parallclismus 


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90 


Die  Lufthülle. 


kommt  auch  darin  zum  Ausdrucke,  daß  sie  an  heiteren  Tagen  schärfer 
ausgeprägt  ist  als  an  trüben.  In  den  höheren  Luftschichten  ist 
dagegen  der  Wind  bei  Nacht  bedeutend  stärker  als  bei  Tage,  wie  die 
Beobachtungen  nicht  nur  auf  Berggipfeln,  sondern  auch  schon  auf 
dem  Eiffeltürme  zeigen.  Die  unteren  Schichten  werden  also  am 
meisten  zur  Zeit  der  größten  Erwärmung  in  die  allgemeine  Luft- 
zirkulation hineingezogen,  während  sich  diese  in  der  Nacht  haupt- 
sächlich nur  auf  die  oberen  Schichten  beschränkt.  Koppen  erklärt 
dies  dadurch,  daß  in  den  Mittagsstunden  die  unteren  Luftschichten 
sich  ausdehnen  und  in  die  Höhe  steigen,  während  die  oberen,  stärker 
bewegten  herabsinken.  Infolge  dessen  findet  ein  stärkerer  Austausch 
zwischen  den  verschiedenen  Niveaus  statt  und  die  horizontale  Ge- 
schwindigkeit der  ganzen  Luftmasse  wird  eine  gleichförmigere. 

Allgemeine  Luftzirkulation.  Ehe  wir  uns  in  eine  Schilderung 
der  Hauptwindarten  einlassen,  richten  wir  unseren  Blick  auf  das 
Fundamentalsystem  der  Luftbewegung,  wie  es  durch  die  großen  Gesetze 
der  Wärmeverteilung  geregelt  wird.  Denn  in  letzter  Linie  ist  der 
Luftdruck,  d.  li.  das  Gewicht  der  Luftsäule,  die  einer  Quecksilber- 
säule von  entsprechender  Höhe  (als  normal  nimmt  man  im  Meeres- 
niveau 760  mm  an)  das  Gleichgewicht  hält,  eine  Funktion  der  Tem- 
peratur. Allerdings  auch  des  Dampfgehaltes,  denn  Wasserdampf  ist 
leichter,  als  eine  gleiche  Quantität  Luft,  aber  dieser  Faktor  selbst 
hängt  unter  sonst  gleichen  Umständen  lediglich  von  der  Wärme  ab. 
Der  Zusammenhang  zwischen  Luftdruck  und  Temperatur  bedarf  indes 
noch  einer  weiteren  Erörterung.  Am  Äquator  — wir  lassen  hier 
überall  der  Einfachheit  wegen  den  thermischen  und  mathematischen 
Äquator  zusammenfallen  — am  Äquator  tritt  unter  dem  Einflüsse 
beständiger  hochgradiger  Erwärmung  eine  Auflockerung  der  ganzen 
Luftmasse  ein;  die  Flächen  gleichen  Druckes  steigen  in  die  Höhe, 
d.  h.  sie  entfernen  sich  weiter  von  der  Erdoberfläche,  als  an  den 
Polen.  Dadurch  wird  der  Luftdruck  noch  nicht  vermindert,  sondern 
erst  durch  die  Folgeerscheinung.  Es  entsteht  nämlich  in  den  oberen 
Luftschichten  eine  Strömung,  die  der  Abdachung  vom  Äquator  zum 
Pole  folgt.  Vom  Äquator  wird  Luft  weggeführt  — und  nun  sinkt 
hier  der  Luftdruck;  an  den  Polen  wird  Luft  augehäuft  — und  nun 
steigt  hier  der  Luftdruck.  Damit  ist  die  Gleichgewichtstörung 
aus  den  oberen  Schichten  in  die  unteren  verlegt  und  erfordert 
nun  einen  Ausgleich  durch  eine  Rückströmung.  Auf  der  ruhen- 
den Erde  entstehen  also  zwei  Meridionalströme:  ein  primärer 
Oberstrom  vom  Äquator  zu  den  Polen  und  ein  sekundärer  Unter- 
strom von  den  Polen  zu  Äquator,  beide  durch  Vertikalströme  mit- 
einander verbunden.  In  den  höheren  Breiten  geht  der  Oberstrom 


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Windsy  steine  und  Windgebiete. 


91 


durcli  eine  absteigende  Bewegung  in  den  Unterstrom  über,  in  den 
niederen  Breiten  der  Unterstrom  durch  eine  aufsteigende  Bewegung 
in  den  Oberstrom.  Damit  ist  der  Kreislauf  geschlossen.  Allbekannt 
ist  folgendes  Experiment:  man  öffnet  das  Fenster  eines  gebeizten 
Zimmers,  und  sofort  entsteht  eine  Luftzirkulation;  unten  fließt  die 
kalte  Luft  in  das  Zimmer  hinein,  oben  die  warme  Luft  in  das  Freie 
hinaus,  wovon  man  sich  durch  die  Bewegung  einer  Kerzenflamme 
unmittelbar  überzeugen  kann.  Nur  in  Einem  Punkte  stimmt  dieser 
Versuch  mit  den  großen  irdischen  Verhältnissen  nicht  überein,  darin 
nämlich,  daß  die  äquatoriale  Hitze  und  die  polare  Kälte  nicht  un- 
vermittelt aufeinander  stoßen. 

Auf  der  ruhenden  Erde  mit  homogener  Oberfläche  würde  sich 
also  die  Luftdruckverteilung  genau  an  die  Temperaturverteilung  au- 
schließen,  nur  in  umgekehrter  Weise.  Die  Temperatur  nimmt  gegen 
die  Pole  hin  stetig  ab,  der  Luftdruck  stetig  zu. 

Wenn  wir  aber  aus  den  mittleren  Jahresisobaren  die  Durchschnitts- 
barometerstände der  Breitenkreise  in  derselben  Weise  ableiten,  wie 
aus  der  Isothermenkarte  die  entsprechenden  Durchschnittstempera- 
tureu,  so  erhalten  wir  ein  ganz  anderes  Bild.  Statt  Einer  baro- 
metrischen Depression  am  Äquator  und  zwei  Hochdruckgebieten  an 
den  Polen  bestehen  in  den  untersten  Luftschichten  vier  Hochdruck- 


gebiete und  drei  Depressionen. x 

Breite  Luftdruck 

Nordpolares  (arktisches)  Hochdruckgebiet  (90°N.  7 60, j mm) 

Nord],  subpolare  (subarktische)  Depressiouszone  66  758,2 

Nördl.  subtropische  Hochdruckzone  34  762,4 

Äquatoriale  Depressionszone  8 757,s 

Siidl.  subtropische  Hochdruckzone  28  8.  763, j 

Südl.  subpolare  (subantarktische)  Depressionszone  ? ? 

Südl.  polares  (antarktisches)  Hochdruckgebiet  t ? 


Daß  die  äquatoriale  Depression  auf  der  nördlichen  Halbkugel 
liegt,  kann  nicht  auffallen,  wenn  man  erwägt,  daß  der  thermische 
Äquator  ebenfalls  nach  Norden  verrückt  ist.  Um  so  rätselhafter  sind 
die  subtropischen  Hochdmck-  und  die  subpolaren  Depressionszonen. 

Die  alte  DovEsche  Windtheorie,  die  von  den  Verhältnissen  auf 
einer  ruhenden  Erde  ausging,  gab  dafür  keine  genügende  Erklärung. 
Man  hatte,  unmutig  darüber,  den  Gegenstand  schon  ganz  fallen  ge- 
lassen, und  erst  in  den  letzten  Jahren  fing  mau  an,  das  Problem 
von  einer  anderen  Seite  wieder  in  Angriff  zu  nehmen.  Mauerkannte 
den  fundamentalen  Einfluß  der  Erdrotation,  die  nicht  bloß  meridionale 
Ströme  ablenkt,  sondern  selbst  Ströme  in  der  Richtung  der  Parallelen 

x Abgeleitet  aus  den  KaiiaEi/sclien  Zahlen  durcli  graphische  Interpolation. 


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92 


Die  Lufthülle. 


erzeugt,  obwohl  in  der  praktischen  Anwendung  dieser  Erkenntnis 
die  Wege  auseinander  gehen. 

Ferkel  2 und  mit  ihm  die  überwiegende  Anzahl  der  Meteoro- 
logen gehen  von  dem  Prinzipe  der  Erhaltung  der  Fläche  aus.  Rufen 
wir  uns  noch  einmal  ins  Gedächtnis  zurück,  daß  die  Zirkulation  auf 
der  ruhenden  Erde  einen  primären  Oberstrom  vom  Äquator  zum 
Pol  verlangt  Durch  die  Rotation  der  Erde  wird  er  aus  einem  Süd- 
in einen  Südwest-,  endlich  in  einen  Westwind  verwandelt.  Je  weiter 
er  in  höhere  Breiten  gelangt,  desto  größer  wird,  entsprechend  dem 
Flächensatze,  seine  Geschwindigkeit,  und  endlich  so  groß,  daß  die 
Zentrifugalkraft  die  polare  Anziehung  überwiegt  Dieser  Umschwung 
vollzieht  sich  beiläufig  in  30 — 35°  n.  und  s.  Breite.  Bis  dahin 
wächst  der  Luftdruck  entsprechend  dem  Temperaturunterschiede,  dann 
nimmt  er  wieder  ab  entsprechend  der  Zentrifugalkraft  Es  entstehen 
also  auf  jeder  Hemisphäre  gleichsam  zwei  Wirbel:  einer  um  den 
Äquator,  wo  der  Unterstrom,  weil  aus  höheren  Breiten  kommend, 
nach  Osten,  und  der  Oberstrom,  weil  aus  niederen  Breiten  kommend, 
nach  Westen  abgelenkt  ist;  und  einer  um  den  Pol,  wo  oben  und  unten 
westliche  Strömung  herrscht  An  der  Grenze  beider  Wirbel  senkt 
sich  die  Luft  zu  Boden,  an  den  Grenzen  der  nord-  und  südhemi- 
sphärischen Wirbel  um  den  Äquator  steigt  sie  in  die  Höhe.  In 
beiden  Zonen  vertikaler  Luftbewegung  herrschen  am  Boden  Wind- 
stillen oder  schwache  Winde  vor. 

Zu  ähnlichen  Ergebnissen  gelangte  v.  Siemens3,  der  den  Satz 
von  der  Erhaltung  der  Kraft  in  den  Vordergrund  seiner  deduktiven 
Untersuchung  stellte.  Die  Energie,  welche  sich  durch  die  Rotation 
der  Luftmasse  um  die  Erdachse  ansammelt,  muß  unverändert  bleiben. 
Nun  wird  aber  durch  die  vorher  erwähnten  Meridianströme  das 
Luftmeer  vermischt,  und  die  Summe  der  lebendigen  Kraft  kann  nur 
dann  die  gleiche  bleiben,  wie  im  Zustande  relativer  Ruhe,  wenn 
überall  die  Rotationsgeschwindigkeit  von  379  m in  der  Sekunde,  d.  h. 
die  normale  Rotationsgeschwindigkeit  in  35°  B.  herrscht.  Polwärts 
von  35°  B.,  wo  die  Rotationsgeschwindigkeit  sonst  geringer  wäre, 
eilt  die  Luft  der  Erddrehung  voran,  muß  also  auch,  wie  die  Erde, 
sich  von  Westen  nach  Osten  bewegen;  äquatorwärts  von  35°  B., 
wo  die  Rotationsgeschwindigkeit  sonst  größer  wäre,  bleibt  die  Luft 
hinter  dem  Erdkörper  zurück,  sie  bewegt  sich  also  in  entgegen- 
gesetzter Richtung,  wie  die  Erde,  von  Osten  nach  Westen.  An  den 
Grenzen  beider  Strömungen  herrscht  relative  Ruhe,  hier  häuft  sich 
die  Luft  an,  es  entstehen  die  subtropischen  Maxima. 

In  streng  mathematischer  Weise  und  mit  Berücksichtigung  der 
Reihung  hat  Ouerbeck4  das  Problem  behandelt,  freilich  ohne  den 


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Windsysteme  und  Windgebiete. 


93 


tatsächlichen  Verhältnissen  in  allen  Punkten  gerecht  zu  werden. 
Immerhin  sind  wir  schon  soweit  gelangt,  uns  eine  Vorstellung  von 
der  allgemeinen  Luftzirkulation  machen  zu  können,  etwa  in  der  Weise, 
wie  ich  sie  in  Fig.  21  darzustellen  versucht  habe.  Wir  sehen  oben 
eine  Hemisphäre  in  Polarprojektion  mit  den  beiden  entgegengesetzten 
Wirbeln  in  den  unteren  und  den  beiden  gleichlaufenden  in  den 
oberen  Schichten  und  die  breiten,  dunkel  gehaltenen  Kalmen- Zonen 
mit  vorherrschend  vertikaler  Luftbewegung.  Das  Verhältnis  der  ver- 
schiedenen Bewegungsrichtungen  zu  einander  zeigt  der  untere  Durch- 
schnitt durch  das 
Luftmeer  zwi- 
schen 60°  N.  und 
60°  S.  Warum  wir 
an  diesen  Breiten 
Halt  machten,  hat 
seinen  Grund 
darin , daß  eine 
Erklärung  der  po- 
laren Hochdruck- 
gebiete noch  aus- 
steht. Das  ark- 
tische ist  sicher 
vorhanden,  wenn 
auch  wahrschein- 
lich nicht  so  in- 
tensiv wie  die  sub- 
tropischen ; die 
Existenz  eines 
antarktischen  läßt 
sich  wenigstens 
vermuten.  Die  Theorieen  verlangen  Abnahme  des  Luftdruckes  bis 
zu  den  Polen,  und  schon  in  mäßigen  Höhen  der  Atmosphäre 
scheint  dies  in  der  That  der  Fall  zu  sein.  Einige  Schwierigkeit 
bereitet  auch  noch  die  Zurückführung  der  zu  den  Polen  ab- 
strömenden Luft  in  niedere  Breiten,  weshalb  wir  auch  diesen  Punkt 
in  unserer  Darstellung  unberücksichtigt  gelassen  haben.  Auffallend 
ist  der  Gegensatz  zwischen  den  nördlichen  und  südlichen  subpolaren 
Depressionen;  wir  kennen  zwar  die  Lage  der  letzteren  nicht,  aber 
wir  können  mit  Sicherheit  sagen,  daß  sie  eine  viel  größere  Tiefe 
erreicht,  als  die  arktische.  Ferkel  hat  folgende  Durchschnittsbaro- 
meterstände berechnet. 


Fig.  21.  Schematische  Darstellung  der  allgemeinen 
Luftzirkulation. 


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9-1 


Die  Lufthülle. 


Breite 

35° 

40" 

45“ 

50“  55° 

700  mm  + 

60" 

65" 

70" 

Nord 

62,» 

62,o 

61,5 

60,7 

59,7 

58,7 

58,2 

58,5 

Süd 

62,4 

60,5 

57,3 

53,  i 

48,2 

43,4 

39,7 

38,0 

Wir  erblicken  in  diesem  Gegensätze,  der  in  den  angeführten 
Zahlen  in  so  drastischer  Weise  zu  Tage  tritt,  einen  Ausdruck  der 
verschiedenen  Reibungswiderstände  in  den  mittleren  und  höheren 
Breiten  beider  Halbkugeln,  denn  über  der  südhemisphärischen 
Wasserfläche  muß  der  polare  Wirbel  zu  viel  kräftigerer  Entfaltung 
gelangen,  als  bei  uns,  wo  Land  und  Wasser  mehrfach  wechseln. 

Wir  verlassen  nun  das  Feld  der  Theorie,  die  ihren  Ausbau 
allein  von  systematischen  Ballonbeobachtungen  erwarten  darf,  und 
wenden  uns  den  erfahrungsgemäß  festgestellten  Windverhältnissen  in 
den  untersten  Luftschichten  zu. 

Anticyklonen.  Betrachten  wir  synoptische  Witterungskarten  von 
größerer  Ausdehnung,  etwa  die  des  nordatlantischen  Ozeans,  so  er- 
kennen wir  eine  dreifache  Art  der  Luftbewegung:  eine  passa- 
tische,  cyklonische  und  anticyklonische.  Doch  bestehen  sie  nicht 
unabhängig  nebeneinander,  sondern  Passate  und  Cyklonen  treten  stets 
in  Verbindung  mit  Anticyklonen  auf.  Anticyklonen  (Fig.  22)  sind 
kreisähnliche  oder  elliptische  Gebiete  hohen  Barometerstandes,  aus 
denen  die  Luft  allseits  von  der  Gegend  des  höchsten  Luftdruckes, 
dem  sogenannten  barometrischen  Maximum,  ausströmt.  Inner- 
halb des  Gebietes  steigt  die  Luft  herab  und  dieser  vertikale  Strom 
wird  durch  horizontalen  Zufluß  in  der  Höhe  ernährt.  Dafür  spricht 
außer  der  Wolkenrichtung,  die  gegen  das  Maximum  gekehrt  ist,  die 
große  Konstanz  der  Anticyklonen,  die  natürlich  bald  sich  auf  lösen 
müßten,  wenn  beständig  nur  Luft  ausströmte;  endlich  auch  die 
vertikale  Temperaturzunahme,  von  der  bereits  auf  S.  58  die  Rede  war. 
Wenn  auch  Anticyklonen  ihren  Ort  verändern,  so  ist  ihnen  doch 
im  Vergleich  zu  den  Cyklonen  eine  gewisse  Ruhe  und  Stetigkeit 
eigentümlich.  Das  Wetter  ist  meist  ruhig,  klar,  im  Sommer  heiß, 
im  Winter  meist  kalt,  aber  nur  in  den  untersten  Luftschichten;  mit 
der  Höhe  nimmt  die  Temperatur  zu.  Innerhalb  der  Anticylone  ist 
der  Wind  meist  schwach  und  schwankend;  Kalmen  sind  häufig. 

Cyklonen.  Ganz  anders  ist  der  Charakter  der  Cyklonen.  Mau 
versteht  darunter  Gebiete  niederen  Luftdruckes  von  kreisähnlicher 
oder  elliptischer  Gestalt;  die  Gegend  des  tiefsten  Luftdruckes  heißt 
das  barometrische  Minimum.  Allseitig  strömt  ihm  die  Luft  in 
Spirallinien  zu,  einerseits  vom  Minimum  angezogen,  anderseits  durch 
die  Erdrotation  abgelenkt.  Eine  von  NNO.  nach  SSW.  gezogene 
Linie  (xy  in  Fig.  22)  teilt  die  Cyklonen  unserer  Breiten  in  zwei 


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Windsysteme  und  Windgebiete. 


95 


Hälften  mit  entgegengesetztem  Witterungscharakter,  von  dem  Mohn 
folgende  schematische  Übersicht  entworfen  hat: 

Hintere  (linke)  Seite:  Vordere  (rechte)  Seite: 

Windrichtung  ...  0.  NO.  N.  NW.  W.  W.  SW.  S.  SO.  0.* 

Barometer  ....  steigt  fällt 

Temperatur,  Feuchtig- 
keit und  Bewölkung  fällt  steigt 

Niederschlag  . . . nimmt  ab  in  der  Itegel  bedeutend. 

Die  hintere  Seite  wird  also  durch  kalte  Polar-,  die  rechte  durch 
warme  Äquatorial  winde  ausgezeichnet.  Doch  bezeichnen  diese,  für 


Fig.  22a.  Auticyklonen  und  Cyklonen  auf  der  nördlichen  Halbkugel. 


Fig.  22  b.  Anticyklonen  und  Cyklonen  auf  der  südlichen  Halbkugel. 

beide  Hemisphären  gleichmäßig  anwendbaren  Ausdrücke  nicht  etwa 
den  Ort  der  Entstehung,  sondern  lediglich  die  Richtung,  aus  der 

X Für  die  südliche  Hemisphäre  ist  Süden  statt  Norden  und  umgekehrt 
zu  setzen. 


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96 


Die  Lufthülle. 


die  Winde  wehen.  Wir  werden  im  folgenden  die  hintere  Seite 
der  Cyklonen  die  Polar-  und  die  vordere  die  Aquatorialseite 
nennen.  Im  Zentrum  der  barometrischen  Depression  sind  die  Winde 
veränderlich  und  Windstillen  häutig.  Der  Gradient  (und  damit  auch 
die  Windgeschwindigkeit)  ist  nicht  in  allen  Teilen  der  Cyklonen 
gleich;  der  größte  liegt  im  nördlichen  und  westlichen  Europa  meist 
im  südlichen,  der  kleinste  im  nördlichen  Quadranten;  auf  den 
ersteren  sind  daher  die  meisten  europäischen  Stürme  beschränkt 
Aber  auch  innerhalb  eines  Quadranten  nimmt  der  Gradient  vom 
Zentrum  gegen  die  Peripherie  erst  zu,  dann  wieder  ab.  Bei  gleichem 
Gradienten  sind  in  unseren  Breiten  die  nördlichen  und  östlichen 
Winde  stärker,  als  die  südlichen  und  westlichen;  und  im  Sommer 
sind  alle  Winde  stärker,  als  unter  gleichen  Verhältnissen  im  Winter. 

Bis  zu  welcher  Höhe  die  cyklonisehe  Bewegung  reicht,  ist  noch 
wenig  untersucht  worden.  In  der  Bai  von  Bengalen  vermögen  die 
Cyklonen  nicht  einmal  die  300 — 600  m hohen  Ostghats  zu  über- 
schreiten. In  der  östlichen  Union  erreichen  sie  selten  die  Höhe  des 
Mt.  Washington  (1900  m),  während  in  der  westlichen  selbst  das  über 
4000  m hohe  Felsengebirge  keine  absolute  Schranke  für  sie  bildet. 

Die  ältere  Theorie  (Konvektionstheorie),  die  auch  heute  noch 
viele  Anhänger  zählt,  erblickt  in  der  Cyklonenbildung  die  erste  Ver- 
anlassung zur  atmosphärischen  Gleichgewichtsstörung.  An  über- 
wärmten Stellen  entwickelt  sich  ein  aufsteigender  Luftstrom;  sein 
Dampfgehalt  wird  dabei  kondensiert,  und  die  dadurch  frei  gewordene 
Wärme  verstärkt  den  Auftrieb.  Oben  fließt  er  nach  allen  Seiten  ab 
und  sinkt  dann  erkaltet  zu  Boden  und  erzeugt  Anticyklonen.  So 
speist  in  den  oberen  Schichten  die  Cyklone  die  sie  umgebenden 
Anticyklonen,  und  in  den  unteren  Schichten  ernährt  die  Anti- 
cyklone  die  Cyklonen. 

Für  die  tropischen  Cyklonen  und  einige  engbeschränkte  Phä- 
nomene unserer  Breiten,  wie  z.  B.  für  die  verheerenden  Luftwirbel 
oder  Tornados  Nordamerikas  wird  diese  Erklärung  auch  jetzt  noch 
ziemlich  allgemein  festgehalten.  Für  die  maßgebenden  Witterungs- 
erscheinungen der  gemäßigten  und  wohl  auch  der  kalten  Zone  hat 
sie  aber  ihre  Geltung  verloren,  seitdem  Hann  nachgewiesen  hat,  daß 
die  mittlere  Temperatur  der  gesamten  Luftsäule  innerhalb  der  Anti- 
cyklone  höher  ist,  als  innerhalb  der  Cyklone.5  Die  letztere  kann 
also  nicht  ein  Produkt  abnormer  Erwärmung  sein.  Man  darf  an- 
nehmen, daß  die  erste  Störung  im  Gleichgewichtszustände  der  Luft 
von  der  Anticyklone  ausgeht;  sie  entwickelt  sich  an  einer  Stelle, 
wo  ein  Arm  der  allgemeinen  Luftströmung  nach  dem  Pole  zu 
Boden  sinkt  und  dadurch  in  der  Nachbarschaft  eine  Verminderung 


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Windaysteme  und  Windgebiete. 


97 


des  Luftdruckes  bewirkt.  Ist  aber  auf  diese  Weise  an  der  Erdober- 
fläche einmal  der  Anstoß  zu  einer  cyklonalen  Bewegung  gegeben, 
dann  wird  unter  günstigen  Umständen  das  barometrische  Minimum 
durch  den  um  dasselbe  entstehenden  Luftwirbel  immer  mehr  ver- 
tieft. Je  mehr  das  Barometer  im  Zentrum  sinkt,  desto  steiler  wird 
der  Gradient,  desto  heftiger  der  Wirbel,  desto  geringer  auch  der 
Luftdruck  im  Mittelpunkte.  So  trägt  die  Cyklone  in  sich  selbst  die 
Bedingungen  ihres  Wachstums,  das  aber  erfahrungsgemäß  zeitlich 
beschränkt  ist. 

Von  ihrer  Geburt  bis  zu  ihrem  Erlöschen  sind  die  Cyklonen 
in  beständiger,  bald  schnellerer,  bald  langsamerer  Wanderung  be- 
griffen. In  der  tropischen  Zone  bewegen  sie  sich  nach  Osten,  biegen 
dann  an  der  Polargrenze  der  Passate  nach  Norden,  beziehungsweise 
Süden  um,  wobei  sie  an  Tiefe  verlieren,  aber  an  Ausdehnung 
gewannen,  und  schlagen  in  den  mittleren  und  höheren  Breiten  einen 
westlichen  Weg  ein.  Das  letztere  gilt  auch  von  jenen  Depressionen, 
die  in  den  außertropischen  Gegenden  entstehen.  Die  Cyklonen  be- 
wegen sich  also,  seltene  Ausnahmen  abgerechnet,  stets  im  Sinne  der 
allgemeinen  Luftzirkulation;  sie  sind  Wirbel,  die  von  den  großen 
Ost-  und  Westströmen  weiter  getragen  werden.  Genauer  kennen  wTir 
bisher  allerdings  nur  ihre  mittleren  Zugstraßen  zwischen  dem  Felsen- 
gebirge  und  Ural.  In  Nordamerika  wandert  die  Mehrzahl  unter  ca. 
45 0 B.  durch  die  Seenregion,  während  andere  aus  dem  SW.  auf  den 
Atlantischen  Ozean  gelangen.  Mehr  als  die  Hälfte  der  nordamerika- 
nischen Minima  durchkreuzt  denselben  in  4—5  Tagen  und  erreicht 
Europa.  Die  einen  ziehen  über  Labrador  oder  entlang  der  Küste  nach 
Grönland  und  von  da  nach  Osten;  die  Bahnen  der  anderen  teilen  sich 
in  der  Nähe  von  Neuschottland,  um  entweder  über  Island,  oder  quer 
über  den  Ozean  oder  nördlich  von  den  Azoren  nach  Europa  zu 
führen.  Hier  ist  der  Norden  das  Hauptdurchzugsgebiet  der  Minima. 
Eine  Straße  beginnt  bei  Island,  zieht  dem  norwegischen  Gestade  entlang 
über  den  Polarkreis  hinaus  und  führt  von  da  entweder  nordwärts  in 
das  Eismeer  oder  zum  Weißen  Meere  oder  nach  SO.  in  das  Innere 
von  Rußland.  Von  den  britischen  Inseln  und  ihrer  Umgebung 
wandern  die  Minima  entweder  über  die  Nordsee,  Südschweden  und 
die  mittlere  und  südliche  Ostsee  nach  den  baltischen  Provinzen 
und  nach  Finnland;  oder  — jedoch  in  selteneren  Fällen  und  im 
Sommer  fast  nie  — über  Frankreich  nach  dem  Mittelmeere.  Hier 
vereinigt  sich  diese  Zugstraße  mit  der  vom  westlichen  Mittelmeer 
kommenden,  um  im  weiteren  Verlaufe  teils  nach  SO.,  teils  in  das 
Schwarze  Meer,  teils  nach  NO.  in  das  innere  Rußland  zu  führen. 
Besonders  ausgezeichnet  sind  die  Kreuzungspunkte  der  Zugstraßen, 

Rupan,  Physische  Erdkunde.  II.  Aufl.  7 


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98 


Die  Lufthülle. 


wie  die  Lorenzomündung,  die  Gegenden  in  der  Davisstraße,  süd- 
westlich von  Island  und  bei  den  Lofoten,  das  südliche  Schweden 
und  der  Atlantische  Ozean  zwischen  50  und  52°  N.  und  34  und 
38  0 W.  Gr.  Hier  pflegen  die  Minima  länger  zu  verweilen  und  schlagen 
häufig  auf  kurze  Zeit  sogar  eine  retrograde  Bewegung  ein;  hier  bilden 
sich  auch  die  meisten,  so  einflußreichen  stationären  Depressionen. 

Die  mittlere  24stündige  Geschwindigkeit  der  Minima  beträgt 
in  Nordamerika  1097,  auf  dem  nordatlantischen  Ozean  696  und  in 
Europa  646  km.  Daraus  ergiebt  sich  ein  bedeutungsvoller  Unter- 
schied zwischen  dem  nordamerikanischen  und  europäischen  Klima. 
Denn  die  direkte  Folge  der  fortschreitenden  Cyklonen  ist  die  Ver- 
änderlichkeit des  Wetters;  je  rascher  sie  wandern,  desto  größer 
auch  die  Veränderlichkeit  Die  Punkte  a und  b in  Fig.  22  a (S.  95) 
gelangen,  wenn  die  Cyklone  nach  rechts  fortschreitet,  von  der 
Äquatorial-  auf  die  Polarseite,  wobei  sich  in  a (entsprechend  dem 
sogenannten  DovEschen  Drehungsgesetze,  das  aber  nur  beschränkte 
Geltung  hat)  der  Wind  im  Sinne  eines  Uhrzeigers  von  SO.  über 
SW.  nach  NW.,  in  b aber  im  entgegengesetzten  Sinne  von  SO.  Uber 
NO.  nach  NW.  dreht 

Innerhalb  einer  größeren  Depression  können  sich  auch  sekun- 
däre oder  Teilminima  bilden,  am  häufigsten  auf  der  Südseite 
derselben.  Im  ersten  Stadium  ihrer  Entwicklung  verraten  sie  sich 
durch  eine  seitliche  Ausbuchtung  der  Isobaren.  Unter  günstigen 
Bedingungen  lösen  sie  sich  vom  Hauptminimum  los  und  verfolgen 
selbständig  ihren  Weg. 

Die  eigentliche  Heimat  der  Cyklonen  sind  die  subpolaren  De- 
pressionszonen.x In  einem  schmalen  Gürtel  zu  beiden  Seiten  des 
Äquators  fehlen  sie  ganz,  denn  hier  ist  die  ablenkende  Wirkung 
der  Erdrotation  zu  schwach,  als  daß  Störungen  des  Gleichgewichts- 
zustandes der  Luft  nicht  bald  ausgeglichen  werden  müßten.  In 
dem  übrigen  Teile  der  Tropenzone  fehlen  sie  zwar  nicht,  und  sind 
insofern  wichtig,  als  sie  meist  von  verheerenden  Stürmen  begleitet 
sind,  aber  sie  sind  nur  einige  Monate  beschränkt  Genauer  bekannt 
sind  nur  die  Hurricane  des  nordatlantischen  Tropenmeeres,  die 
Teifune  der  Chinasee  und  die  Cyklonen  des  Indischen  Ozeans. 
Von  den  erstgenannten  kommen  nach  Loomis  88  Prozent  auf  die 


a Zahl  der  Stürme  in  Prozenten  aller  Beobachtungen  auf  dem  nord- 
atlantischen Ozean: 


0-  5«  N. 

0,o«  : 20—25°  N. 

1,9  40— 45°  N. 

10,5 

5—10 

0,i  j 25—30 

8,9  45—50 

14,o 

10—15 

0,8  30—35 

7,i  50—55 

16,o 

15—20 

1,1  35—40 

13,i  55—60 

20,5 

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Windsysteme  und  Windgebiete.  99 

Monate  August  bis  Oktober,  wo  der  thermische  Äquator  am  wei- 
testen vom  mathematischen  sich  entfernt.  Die  niedrigste  Breite 
ihres  Vorkommens  ist  10,3°  N.,  das  Umbiegen  der  Bahn  erfolgt  im 
Sommer  im  Mittel  in  30, s°,  im  September  in  29,7°  B.;  die  durch- 
schnittliche tägliche  Geschwindigkeit  beträgt  460  km.  Auch  die 
Teifune  sind  in  der  warmen  Zeit  am  häufigsten  (72  Prozent  in  den 
Monaten  Juli  bis  Oktober).  Von  den  Wirbelstürmen  im  Pazifischen 
und  Indischen  Ozean  kommen  52  Prozent  auf  den  Herbst  (September 
bis  November)  und  43  Prozent  auf  den  Frühling  (April  bis  Juni): 
das  sind  die  Zeiten  der  sogenannten  Monsunwechsel,  wovon  wir  im 
nächsten  Abschnitte  hören  werden.  Ihre  niedrigste  Breite  ist  6,i°,  die 
Umbiegung  ihrer  Bahn  nach  Norden  vollzieht  sich  im  Durchschnitt 
schon  unter  19,s°  B.,  die  mittlere  Geschwindigkeit  in  24  Stunden 
beträgt  310  km.  Im  südindischen  Ozean  sind  die  Monate  Januar 
bis  April  die  Sturmzeit. 

Wir  haben  oben  gesagt,  Cyklonen  seien  hauptsächlich  eine  Er- 
scheinung der  subpolaren  Depressionszonen,  und  wir  hatten  dabei 
natürlich  die  subarktische,  als  die  allein  genügend  bekannte,  besonders 
im  Auge.  Die  von  der  Theorie  geforderten  Westwinde  kommen 
hier,  wie  uns  die  Richtung  der  Cirrus-Wolken  lehrt,  nur  in  den 
höheren  Schichten  der  Atmosphäre  zu  ungestörter  Entwickelung, 
auf  dem  Boden  des  Luftmeeres  treiben  dagegen  Cyklonen  und  Anti- 
cyklonen  ihr  wechselndes  Spiel.  Jeder  Ort  auf  der  Erdoberfläche 
in  unseren  Breiten  gelangt  bald  in  eine  anticyklonische,  bald  in 
eine  cyklonische  Luftbewegung,  bald  auf  die  äquatoriale,  bald  auf 
die  polare  Seite  der  wandernden  Cyklonen,  und  erleidet  dadurch 
beständige  Witterungsveränderungen.  Selbst  in  langjährigen  baro- 
metrischen Mittelwerten  kommt  dies  zum  Ausdrucke;  niemals  um- 
spannt eine  kontinuierliche  Depressionszone  die  ganze  Erde,  immer 
löst  sie  sich  in  Cyklonen  und  Anticyklonen  auf,  die  in  ostwestlicher 
Richtung  neben  einander  lagern,  geradeso  wie  die  verschieden  er- 
wärmten Land-  und  Wassermassen;  und  je  schärfer  dieser  Temperatur- 
gegensatz ausgebildet  ist,  desto  schärfer  sondern  sich  auch  die  beiden 
barometrischen  Systeme  voneinander  ab. 

Geographische  Eigentümlichkeiten  sind  es  also,  die  von  ca.  35° 
n.  B.  bis  in  das  arktische  Meer  hinein  die  allgemeine  Luftzirkulation 
an  der  Erdoberfläche  wesentlich  modifizieren. 

Passate.  In  den  niederen  Breiten  zwischen  den  beiden  sub- 
tropischen Hochdruckzonen  entspricht  dagegen  die  Bewegung  in 
den  untersten  Luftschichten  wenigstens  auf  den  Meeren  den  theo- 
retischen Voraussetzungen.  Es  ist  das  Gebiet  der  Passate,  des 
nordöstlichen  auf  der  nördlichen,  des  südöstlichen  auf  der  südlichen 

7* 


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100 


Die  Lufthülle. 


Hemisphäre.  Sie  unterscheiden  sich  von  den  Cyklonen  vor  allem 
durch  ihre  Beständigkeit,  denn  beständig  ist  auch  die  äquatoriale  De- 
pression, wenn  sie  sich  auch  mit  dem  Gang  der  Sonne  verschiebt  und 
dadurch  ebenfalls  Verrückungen  der  beiden  subtropischen  Hochdruck- 
zonen bewirkt.  In  nachstehender  Figur,  wo  die  Kurven  die  mittleren  Ba- 
rometerstände des  Breitenkreise  (nach  der  Berechnung  von  Teisserenc 
de  Boet6)  in  ihren  positiven  und  negativen  Abweichungen  von  dem 
als  normal  geltenden  Luftdruck  im  Meeresniveau  (760  mm)  zur  Dar- 
stellung bringen,  sind  diese  jahreszeitlichen  Verschiebungen  durch 
die  punktierten  Linien  augedeutet  In  der  Nähe  des  mathematischen 
ao'  so°  *»•  ,*>-  ao°  m • o»  >o - so°  w so • Äquators  kann  also  ein 

. Punkt  zeitweise  im 

'N  s-h  Depressionsgürtel  mit 

rao  j - ^ ~ T~Z  ^ i"**e  ~T  V~  Ja7mar  seinen  variablen  Win- 

i i / \ den  und  Stillen  (Kal- 

7ov  — < — ^ — -j— ^ T—5 Aprü  mengürtel)  liegen  und 

I : ^ ' zeitweise  wieder  unter 

! / i \ die  Herrschaft  bald  des 

' Trn — ' ' \ NO.-,  bald  des  SO.- 

V — !"'\  Passates  gelangen.  Aber 

' Nr  Oktober  aucj1  davon  abgesehen, 

1 — 1 — ~~~ — — : --J — — — s d — ^ bedarf  die  Vorstellung 

Fig.  23.  Verteilung  des  Luftdruckes.  (Die  Abstände  Gleichmäßig- 

vom  mittleren  Luftdrucke  760  mm  in  mm  entsprechend  keit  und  Regeln] äßig- 
dem  Barometerstände.)  keit  der  Passate  einiger 

Einschränkung.  Das  Nebeneinander  von  Wasser  und  Land  wirkt 
auch  hier  störend.  Von  einem  ununterbrochenen  Passatbande 
kann  man  daher  auf  der  nördlichen  Hemisphäre  niemals  und  auf 
der  südlichen  nur  im  Winter  sprechen.  Auch  auf  den  Meeren  ist 
der  SO.-Passat,  entsprechend  der  bedeutenderen  barometrischen 
Höhe  des  südsubtropischen  Maximums,  besser  entwickelt,  als  der  NO.- 
Passat.  Die  äquatorialen  Depressionen  bilden  hier  keine  gleichmäßig 
breiten  Bänder,  sondern  verschmälern  sich  von  0.  nach  W.  beträchtlich, 
und  ebenso  wenig  ist  der  Luftdruck  in  den  subtropischen  Hoch- 
druckzonen gleichmäßig  verbreitet,  sondern  verdichtet  sich  in  der 
Nähe  der  Westküsten  der  Kontinente  zu  scharf  umrissenen  Anti- 


cykloneu.  Daher  kommt  es,  daß  wir  den  Passat  nur  in  den  Ost- 
hälften der  Meere  ganz  regelmäßig  ausgebildet  finden,  während  er 
im  Westen  eine  rückläufige  Bewegung  annimmt  Der  SO.  der 
Südhemisphäre,  wo  diese  Erscheinung  besonders  kräftig  ausgebildet 
ist,  geht  allmählich  in  0.,  NO.,  NW.,  W.  Uber,  so  daß  dadurch  ein 
vollkommen  geschlossener  anticyklonischer  Kreislauf  um  die  sub- 


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Luftdruck-  und  Windverteilung  in  den  extremen  Jahreszeiten.  101 

tropischen  Maxima  entsteht,  und  die  Passate  selbst  nur  als  ein  ver- 
längerter Zweig  desselben  erscheinen.  Daß  auch  die  Passatzonen  zeit- 
weilig von  Cyklonen  durchfurcht  werden,  wurde  schon  oben  erwähnt, 
und  endlich  unterliegen  auch  ihre  polaren  Grenzen  häufigen  un- 
periodischen Verschiebungen. 

Über  der  passatischen  Bewegung  in  den  unteren  Schichten 
zieht  die  antipassatische  in  den  oberen  Schichten  in  entgegen- 
gesetzter Richtung,  wodurch  der  vertikale  Kreislauf  geschlossen 
wird.  Der  Pic  von  Teneriffa,  3700  m hoch,  ragt  bereits  in  diese 
Region  westlicher  Winde  hinein,  und  der  Himalaja  wird  im  Winter 
schon  in  2000  m Höhe  von  denselben  getroffen. 

Litteraturnach weise.  1 Loomis,  im  American  Journal  of  Science  1885, 
Bd.  XXX,  S.  9.  — * Zur  Einführung  (ohne  Zuhilfenahme  der  höheren 

Mathematik)  dient  Ferrel,  A populär  Treatise  on  the  Winds,  London  1889.  — 
1 v.  Siemens,  Die  Erhaltung  der  Kraft  im  Luftmeer  der  Erde,  in  den  Sitzungs- 
berichten der  Berliner  Akademie  der  Wissenschaften  1886.  — 4 Oberreck,  Über 
die  Bewegungscrscheiuungen  der  Atmosphäre;  ebenfalls  in  den  Sitzungsberichten 
1889  (S.  383  und  1129).  Für  die  Theorie  der  allgemeinen  Luftzirkulation  sind 
ferner  wichtig  Helmiioi.tz  , Über  atmosphärische  Bewegungen,  in  den  Sitzungs- 
berichten der  Berliner  Akademie  der  Wissenschaften  1888  und  1889;  und  Möller, 
Zur  Dynamik  der  Atmosphäre,  in  der  Meteorologischen  Zeitschrift  1893.  — 
1 Hann,  Das  Luftdruckmaximum  vom  November  1889,  in  den  Denkschriften 
der  Wiener  Akademie  der  Wissenschaften,  Math.-naturwiss.  Klasse,  Bd.  LVI1, 
1890.  Bezold,  Zur  Theorie  der  Cyklonen,  in  den  Sitzungsberichten  der  Ber- 
liner Akademie  der  Wissenschaften  1890.  — 6 Teisserenc  de  Bort,  Rcpartition 
de  la  pression  atmosph£ricjue  ä la  surface  du  globe,  in  Comptes  rendus  d.  Aca- 
demie  des  Sciences.  Paris  1889  (S.  878). 


Luftdruck-  und  Wind  Verteilung  in  den  extremen 
Jahreszeiten.1 

(Siehe  Karte  IX  und  X.) 

Die  Isobarenkarten.  In  derselben  Weise,  wie  einst  Dovk  die 
mittlere  Temperaturverteilung  in  einzelnen  Monaten  und  im  Jahres- 
durchschnitt kartographisch  durch  Isothermen  darstellte,  hat  Büchan 
Isobaren-  und  Windkarten  entworfen,  die  uns  die  mittleren  Zustände 
des  Luftmeeres  vor  Augen  führen.  Dieser  Versuch  ist  für  das  Jahr 
und  die  extremen  Monate  (Januar  und  Juli)  von  verschiedenen 
Seiten,  für  alle  Monate  aber  nur  noch  einmal  und  zwar  von 
Buchau2  selbst  wiederholt  worden.  Indes  leiden  diese  Karten  an 
verschiedenen  Mängeln.  Hann  mußte  1886  das  Geständnis  ablegen, 
daß  „die  Kurven  (mittleren  Isobaren),  die  mit  vorhandenem  guten 
Material  konstruiert  werden  können,  so  umfassender  Interpolationen 
bedürfen,  daß  sie  eigentlich  mehr  eine  Darstellung  unserer  Vor- 


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102 


Die  Lufthülle. 


Stellungen  von  der  Verteilung  des  Luftdruckes  sind,  als  der  Aus- 
druck von  Thatsachen“.  Trotz  dieses  skeptischen  Urteils  dürfen 
wir  aber  wohl  sagen,  daß  die  Isobarenkarten  wenigstens  im  großen 
und  ganzen  der  Wirklichkeit  entsprechen,  wenn  wir  auch  genaue, 
ganz  zuverlässige  Darstellungen  nur  von  sehr  wenigen  Gegenden3 
besitzen.  Ein  weiterer  Übelstand  liegt  darin,  daß  wir  die  mittlere 
Luftdruckverteilung  mit  den  vorherrschenden  Winden  in  Vergleich 
setzen,  also  einen  Mittelwert  mit  einem  Scheitelwerte.  Die  bis- 
herigen Versuche,  die  mittlere  Windrichtung  eines  Ortes  festzu- 
stellen, haben  zu  keinem  befriedigenden  Ergebnisse  geführt,  und 
ebenso  wenig  sind  wir  im  stände,  die  sehr  maßgebenden  örtlichen 
Einflüsse  auf  die  Drehung  der  Windfahne  zu  beseitigen.  Indes 
treten  diese  Übelstände  mehr  in  Detailuntersuchungen  störend  zu 
Tage,  als  bei  der  Feststellung  der  Haupt -Windgebiete  in  den 
extremen  Jahreszeiten,  womit  wir  es  hier  zu  thun  haben. 

Nördlicher  Winter  (Karte  IX).  Im  Bande  hohen  Luft- 
druckes, das  sich  vom  Dezember  bis  zum  März  um  unsere  Halb- 
kugel schlingt,  liegen  vier  anticyklonische  Zentren;  zwei,  von 
denen  die  NO.-Passate  ausgehen,  am  Rande  der  Tropenzone  und 
zwar  das  atlantische  im  S.  der  Azoren,  das  pazifische  nordöstlich 
von  Hawaii,  die  beiden  anderen  dagegen  auf  den  Kontinenten  in  der 
Nähe  der  Gebiete  größter  negativer  Wärmeanomalie.  Das  ostsibirische 
Maximum  ist  um  10  mm  höher  als  das  nordamerikanische,  denn 
dort  sinkt  die  Temperatur  um  24°,  hier  nur  um  10°  unter  den 
Breitendurchschnitt.  Die  Isobaren  von  75  bis  65  mm  buchten  sich 
auf  der  Ostfeste  scharf  nach  W.  aus,  und  ähnliche  Krümmungen 
zeigen  auch  die  Isanomalen. 

Das  äquatoriale  Minimum  liegt  auf  dem  Atlantischen  und 
Pazifischen  Ozean  nördlich  vom  Gleicher,  nur  auf  dem  warmen  Indi- 
schen Ozean  ist  es  mit  der  Sonne  etwas  nach  S.  gewandert 

Hoher  Luftdruck  breitet  sich  über  die  ganzen  Nordkontinente  aus 
und  umschließt  zwei  subpolare  Gebiete  niederen  Barometer- 
standes, deren  Minima  bei  Island  und  den  Aleuten,  also  in  der 
Nähe  der  relativ  wärmsten  Gegenden  unserer  Hemisphäre  liegen. 
Auch  hier  ist  wieder  der  Zusammenhang  mit  der  Temperaturver- 
teilung deutlich  ausgeprägt.  Die  größere  Tiefe  des  nordatlantischen 
Minimums  ist  bedingt  durch  den  höheren  Grad  der  positiven  Ano- 
malie; und  auch  die  Biegungen  der  Isobaren  sind  in  den  Isanomalen 
vorgezeichnet,  wie  beispielsweise  das  wichtige  Teilminimum  in  der 
Davisstraße. 

Der  thermische  Gegensatz  von  West  und  Ost,  der  das  Winter- 
klima unserer  Halbkugel  beherrscht,  kommt  auch  darin  zum  Aus- 


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Luftdruck-  und  Windverteiluug  in  den  extremen  Jahreszeiten.  103 


drucke,  daß  in  derselben  Richtung  Windsysteme  von  entgegengesetztem 
Charakter  einander  ablösen.  Auf  die  nordatlantische  Cyklone  folgt  die 
ostasiatische  Anticyklone,  dann  die  nordpazifische  Cyklone  und  endlich 
die  nordamerikanische  Anticyklone.  Eine  Linie,  die  auf  den  Meeren 
ungefähr  mit  den  30.  Parallel  zusammenfällt,  auf  den  Kontinenten 
aber  — wie  Karte  IX  zeigt  — beträchtlich  höher  ansteigt,  bildet, 
gleichsam  wie  ein  barometrisches  Gebirge,  die  Hauptwindscheide 
zwischen  den  vier  nördlichen  und  den  südlichen  Systemen. 

Yon  jenen  ist  die  nordatlantische  Cyklone  für  uns  am  wich- 
tigsten, überdies  auch  am  eingehendsten  erforscht.  Eine  von  den 
Bermudas  gegen  Island  gezogene  Linie  trennt  die  Polar-  von  der 
Äquatorialseite.  Auf  der  letzteren  herrschen  südliche  und  west- 
liche Winde  vor,  welche  die  höhere  Lufttemperatur  des  Golfstrom- 
gebietes, größere  Feuchtigkeit  und  Niederschläge  über  das  mittlere  und 
polare  Europa  bis  nach  Westsibirien  verbreiten,  aber  natürlich  in 
immer  geringerem  Maße,  je  weiter  sich  die  ozeanischeu  Winde  von 
ihrer  Ursprungsstätte  entfernen,  und  je  mehr  kontinentale  Luftmassen 
in  den  Wirbel  gezogen  werden.  Die  folgende  Tabelle,  welche  die 
mittlere  Differenz  der  Polar-  ( — ) und  Äquatorial  winde  ( + ) in  Pro- 
zenten flir  einige  Gegenden  angiebt,  zeigt  uns  am  besten  den  Kon- 
trast zwischen  beiden  Seiten  der  Cyklone. 


Polarselte. 

Neu-England —31,« 

Küste  von  New  York  bis  zur 

Chaspcakbai — 21, i , 

Küste  von  der  Chaspeakbai  bis 

Savannah — 9,o  j 

Hudsonthal — 9.a 

Seenregion +4,« 

Ohio  und  Tennessee  . . . + ll,o 

Oberes  Mississippithal  ...  — 4,o 


Äquatorial  seite. 

Irland 4-  20, o 

Schottland + 26,* 

England  +7,5 

Norwegische  Westküste  . . +33,« 

Norwegische  Südküste  . . . — 15,o 

Südschweden + 9,s 

Haitische  NW.-Küste  ...  +3,» 

Belgien  und  Nordfrankreich  . + 22, a 

Französische  Westküste  . . + 8,a 


Niederlande,  Deutschland  und 

Dänemark +26,a 

Nord- Alpen  (Rigi  und  Schaf- 
berg)   +21,5 

Inneres  Böhmen +15,o 

Nordabhang  der  Karpaten.  . +10,3 

Ostseeprovinzen  und  Finnland  +27,s 

Nord-Rußland +21,o 

Zentral-Rußland +23,5 

Westsibirien  +20,o 


Man  ersieht  aus  dieser  Tabelle,  daß  in  Europa  nicht  alle  Gegenden 
gleichmäßig  begünstigt  sind.  England  und  das  südliche  und  östliche 
Skandinavien  haben  im  Osten  und  Süden  wärmere  Meeresflächen, 
die  häufig  der  Schauplatz  von  Cyklouenbildungen  sind,  aber  ohne 


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104 


Die  Lufthülle. 


auf  unseren  Isobarenkarten  als  Teilminima  klar  hervorzutreten.  Jene 
Lokalitäten  liegen  daher  oft  auf  der  Polarseite  von  Barometerdepres- 
sionen. ln  Nordamerika  nimmt  die  Häufigkeit  der  nördlichen  Winde 
nach  Süden  rasch  ab  (und  infolge  dessen  die  Temperatur  ebenso  rasch 
zu),  ja  stellenweise  herrschen  sogar  die  Äquatorialwinde,  wenn  auch 
nicht  bedeutend  vor.  Es  erklärt  sich  dies  aus  der  regelmäßigen 
Wanderung  von  Cyklonen  aus  dem  Inneren  der  Vereinsstaaten  gegen 
Osten,  wodurch  ihre  Zugstraßen,  sowie  die  südlich  davon  gelegenen 
Landstriche  häufig  der  Wohlthat  äquatorialer  Winde  teilhaftig 
werden. 

Die  nordpazifische  Cyklone  unterscheidet  sich  von  der  at- 
lantischen in  einigen  wesentlichen  Punkten.  Sie  umfaßt  auf  der  einen 
Seite  die  Ostabdachung  Asiens,  auf  der  anderen  den  schmalen  pazi- 
fischen Rand  von  Nordamerika.  Ihre  kontinental  abgeschlossene 
Nordseite  ist  viel  ausgebildeter,  als  die  offene  der  atlantischen  Cyklone; 
überall  in  der  Umgebung  der  Beringstraße  herrschen  Polarwinde 
vor,  wie  die  Vega-Expedition  bestätigen  konnte.  Aus  dem  gleichen 
Grunde  liegt  das  Minimum  liier  wenigstens  10  Breitengrade  süd- 
licher als  im  Atlantischen  Ozean;  Alaska  befindet  sich  daher  schon 
auf  der  Polarseite,  während  Skandinavien  noch  auf  der  Aquatorial- 
seite  liegt.  Die  letztere  ist  also  in  der  neuen  Welt  in  nordsüdlicher 
Richtung  beschränkter,  als  in  der  alten  Welt,  aber  auch  gegen  Osten 
hin,  weil  Gebirge  ein  tieferes  Eindringen  nicht  verstatten.  Ein  ebenso 
bemerkenswerter  Unterschied  liegt  in  der  gleichförmigen  Entwicke- 
lung der  Polarseite  bis  an  den  Wendekreis.  Eine  Linie  von  den 
Bonininseln  zu  den  Aleuten  trennt  sie  von  den  äquatorialen. 

Polarßelte.  I Äquatorialseite. 

Ocbotskische  Küßte  und  Kam-  Pazifische  Küßte  von  Nord- 


tßchatka — 41, s amerika +15,r 

Sachalin,  Japan  und  China  . —46,7  Oberes  Columbia +18, o 


Ein  Vergleich  mit  den  auf  S.  103  mitgeteilten  Zahlen  zeigt  uns 
deutlich,  daß  das  östliche  Nordamerika  in  den  mittleren  Breiten  ungleich 
begünstigter  ist  als  das  östliche  Asien.  Hier  nimmt  die  Wärme  nicht 
so  rasch  nach  Süden  zu;  Schanghai  hat  nur  eine  mittlere  Januar- 
temperatur von  3,a°.  Noch  schärfer  tritt  der  Gegensatz  in  den  Nieder- 
schlagsverhältnissen hervor,  wie  wir  später  sehen  w'erden.  Woher 
dieser  Unterschied?  Offenbar  findet  in  Ostasien  keine  so  lebhafte 
Cyklonenbewegung  statt,  wie  in  den  Vereinigten  Staaten.  Alle  Be- 
wegung nimmt  in  diesen  Breiten  eine  östliche  Richtung,  und  in  dieser 
stößt  sie  auf  hohe  Gebirge.  Ebensolche  verhindern  auch  den  Abfluß 
der  Luft  nach  Süden.  So  gewinnt  die  sibirische  Anticyklone 
eine  größere  Festigkeit  als  die  nordamerikanische,  und  dadurch 


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Luftdruck-  und  Windverteilung  in  den  extremen  Jahreszeiten.  105 

ist  wohl  auch  zum  Teil  die  abnorme  Höhe  des  Luftdruckes  be- 
dingt. 

Außer  den  beiden  genannten  Anticyklonen  dürfte  noch  eine  dritte 
im  Gebiete  des  amerikanischen  Kältepols  sich  befinden.  Darauf  deuten 
die  sehr  beständigen  NW.- Winde  hin,  die  das  ganze  arktische  Amerika 
bis  in  die  Baffinbai  und  Davisstraße  überwehen. 

An  der  Hauptwindscheide  finden  wir  schwankende  Strömungs- 
verhältnisse, da  die  Grenzen  der  Windgebiete,  der  Beweglichkeit  des 
Elementes  entsprechend,  sich  beständig  verschieben.  Je  weiter  wir 
aber  gegen  Süden  Vordringen,  desto  mehr  nimmt  die  Luftzirkulation 
einen  passatischen  Charakter  an.  Die  Polargrenze  des  eigentlichen 
NO.-Passates  liegt  im  Osten  und  Westen  des  Atlantischen  Ozeans 
in  ca.  26 0 B.  und  sinkt  in  der  Mitte  auf  ca.  1 8 0 herab ; die  westliche 
Sahara  auf  der  einen  Seite  und  Zentralamerika  und  der  nördliche 
Teil  von  Südamerika  auf  der  anderen  gehören  noch  diesem  Gebiete 
an.  Auch  im  Pazifischen  Ozean  treffen  wir  den  ausgebildeten  Passat 
erst  jenseits  des  30.  Parallels  im  Osten  und  des  21. — 25.  im  Westen 
an.  In  der  östlichen  Sahara,  in  Arabien  und  in  Mesopotamien  zieht 
eine  sehr  beständige  NW.-Strömung  zum  Indischen  Ozean.  In  Zentral- 
asien  beginnt  das  passatische  System  erst  jenseits  des  Himalaja,  der 
weit  in  die  Region  der  antipassatischen  Strömung  hineinragt;  dies- 
seits desselben  bis  zum  50.  Breitengrade  ist  ein  Übergangsgebiet  mit 
schwankenden  Winden,  unter  denen  aber  doch  die  polaren  vorherrschen. 
Wie  hier  das  Relief  des  Erdbodens  die  Passatgrenze  nach  Süden 
schiebt,  so  rückt  im  Westen  das  Mittelmeer  die  Hauptwindscheide 
nach  Norden.  Auch  hier  nimmt  der  Luftdruck  vom  Festlande  gegen 
die  See  ab;  aber  das  vielfach  gegliederte  Mittelmeer  beherbergt 
mehrere  Minima,  und  die  Windverhältnisse  sind  daher  ziemlich  kom- 
plizierter Natur.  Doch  herrschen  an  den  nördlichen  und  westlichen 
Küsten  im  allgemeinen  nördliche  und  an  den  südlichen  südliche 
Winde  vor. 

Jenseits  des  Himalaja  fließt  die  Luft  den  großen  Thälern  des 
Ganges  und  Brahmaputra  entlang  zum  Indischen  Ozean,  wo  die  Strö- 
mung erst  die  regelmäßige  passatische  Richtung  annimmt.  Überall, 
wo  der  Kalmengürtel  im  Süden  des  Äquators  liegt,  also  im  ganzen 
Indischen  Ozean  und  in  der  westlichen  Südsee,  dringt  der  NO.-Passat 
auf  die  Südhemisphäre  hinüber  bis  ca.  10° B.  und  in  Australien  noch 
weiter.  Er  wird  hier  durch  die  Rotation  in  einen  NW.-  bis  W.-Wind 
umgewandelt,  und  daher  im  malaischen  Archipel  und  in  Australien 
als  NW.-  oder  Australmonsun  bezeichnet  Unter  dem  Ausdruck 
Mo  nsun  (vom  arabischen  mausim  = Jahreszeit)  versteht  man  einen 
mit  den  Jahreszeiten  wechselnden  Wind;  so  führt  auch  der  indische 


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106 


Die  Lufthülle. 


Passat  den  Namen  NO.-Monsun,  nur  weil  er  im  Sommer  vom  SW.- 
Monsun  abgelöst  wird. 

Auf  der  südlichen  Halbkugel  folgt  ebenfalls  auf  den  äquato- 
rialen Depressionsgürtel  eine  Zone  hohen  Luftdruckes,  die  aber  durch 
die  stark  erwärmten  Kontinente  unterbrochen  wird.  Die  Luftauf- 
lockerung schafft  hier  Minima,  die  ringsum  von  der  kälteren 
Umgebung  Luft  anziehen  und  in  cyklonale  Bewegung  setzen.  Wir 
haben  also  hier,  entsprechend  den  drei  Meeren,  drei  Passatge- 
biete, die  durch  die  festländischen  Cyklonen  voneinander  ge- 
trennt werden. 

Der  SO.-Passat  überschreitet  in  dieser  Jahreszeit  (Sommer)  nur 
in  den  östlichsten  Teilen  des  Atlantischen  und  Pazifischen  Ozeans 
den  Äquator,  während  er  sonst  überall  von  dem  nördlichen  Passat 
bis  ca.  10°  s.  B.  zurückgedrängt  wird.  Er  erreicht  seine  höchste 
Breite  (33 — 34°)  im  Gebiete  der  subtropischen  Maxima,  und  von  da 
nähert  sich  seine  Polargrenze  immer  mehr  dem  Äquator.  Im  Osten 
wird  er  durch  die  benachbarten  kontinentalen  Minima  in  SW.  um- 
gewandelt (besonders  deutlich  ist  diese  Ablenkung  an  der  afrikanischen 
Westküste  ausgebildet),  im  Westen  vollzieht  sich,  ebenfalls  unter  dem 
Einflüsse  jener  Minima,  die  schon  auf  S.  100  geschilderte  Umkehr, 
wodurch  die  anticyklonische  Bewegung  um  die  subtropischen  Maxima 
geschlossen  wird.  Nirgends  und  niemals  ist  dieses  Phänomen  kräf- 
tiger ausgebildet,  als  in  dieser  Jahreszeit  auf  der  Südhemisphäre. 
Wir  finden  es  sogar  mitten  in  der  Südsee  wieder,  wo  das  östliche 
Passatgebiet  von  dem  schwächer  entwickelten  westlichen  durch  ein 
Band  des  rückkehrenden  Passates  getrennt  wird.  Von  etwa  45  °S. 
breitet  sich  bis  in  die  unbekannte  Südpolarwelt  hinein  die  antark- 
tische Windzone  mit  vorherrschenden  westlichen  und  nordwestlichen 
Strömungen  aus. 

Nördlicher  Sommer.  (Karte  X.)  Der  April  ist  für  die  nördliche 
Halbkugel  ein  Ubergangsmonat.  Im  Mai  weicht  schon  die  Zone 
hohen  Luftdruckes  gegen  N.  zurück,  und  der  äquatoriale  Gürtel  nie- 
deren Luftdruckes  dringt  von  S.  aus  vor.  Im  Juli  und  August  ist 
die  eigentümliche  Verteilung  des  Barometerstandes,  von  dem  wir 
sogleich  sprechen  werden,  zur  höchsten  Ausbildung  gelangt. 

Auf  der  südlichen  Halbkugel  liegen  die  Verhältnisse  einfacher. 
Die  im  Dezember  und  Januar  getrennten  Gebiete  hohen  Luftdruckes 
schließen  sich  schon  im  Februar  über  dem  südamerikanischen  Kon- 
tinent zu  einem  ununterbrochenen  Bande  zusammen  und  dieser 
Zustand  erhält  sich  bis  November.  Die  subtropischen  Maxima 
liegen  in  ca.  30°  S.;  auch  auf  den  Kontinenten  entwickeln  sich  solche 
in  den  Gegenden  negativer  Wärmeanomalie.  Nördlich  davon  dehnt 


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Luftdruck-  und  Windverteilung  in  den  extremen  Jahreszeiten.  107 

sich  die  Passatzone  aus,  die  sich  nicht  mehr  auf  die  Meere  allein 
beschränkt,  wenn  sie  auch  auf  den  Kontinenten  weniger  regelmäßig 
ausgebildet  ist  Die  drei,  bez.  vier  sommerlichen  Passatgebiete  lassen 
sich  trotzdem  auch  jetzt  noch  unterscheiden,  doch  verschmelzen  die 
beiden  pazifischen,  wenigstens  im  Norden,  völlig  miteinander.  Die 
anticyklonische  Bewegung  um  die  subtropischen  Maxima  ist  noch 
gut  erkennbar,  aber  sie  vollzieht  sich  erst  in  höheren  Breiten.  Auf- 
fällig dürfte  in  dieser  Jahreszeit  (Winter)  die  Ablenkung  des  Passates 
gegen  die  südafrikanische  Westküste  erscheinen ; aber  sie  erklärt  sich 
leicht,  wenn  man  bedenkt,  daß  hier  das  Meer  stets  kälter  ist  als  die 
Küstenzone,  und  daß  diese  eine  genügende  Ausdehnung  besitzt,  um 
durch  Luftauflockerung  den  Seewind  anzuziehen. 

Die  Polargrenze  des  eigentlichen  Passates  liegt  in  ca.  25°  B.; 
im  Atlantischen  Ozean  reicht  sie  bis  gegen  30°,  in  der  mitt- 
leren Südsee  zieht  sie  sich  bis  gegen  18°  B.  zurück.  Jenseits  des 
40.  Parallel  herrscht  überall  die  westliche  Strömung  des  antark- 
tischen Windgebietes.  Hier  hat  sich  im  allgemeinen  seit  dem  Sommer 
nichts  geändert,  nur  der  Gradient  ist  etwas  steiler  geworden. 

Welcher  Kontrast  zwischen  beiden  Jahreszeiten  tritt  uns  aber 
auf  der  nördlichen  Halbkugel  entgegen!  Lassen  wir  die  alte 
Welt  vorläufig  außer  Betracht.  Das  äquatoriale  Minimum  ist  mit 
dem  thermischen  Äquator  allenthalben  nach  Norden  gerückt,  im 
Mittel  bis  ca.  10°  N.,  nur  an  den  Westseiten  der  Festländer  bis 
15 — 20°  N.  Überall  folgt  ihm  der  SO.-Passat  auf  unsere  Hemisphäre, 
und  wird  dabei  in  der  Nähe  des  erhitzten  östlichen  Festlandes  in  SW. 
umgewandelt.  Auch  das  Gebiet  hohen  Luftdruckes  ist  auf  dem  Meere 
beträchtlich  weiter  gegen  den  Pol  fortgeschritten,  durchschnittlich  bis 
55°  B.  Ebenso  liegen  die  subtropischen  Maxima  nördlicher  als  im 
Winter,  unter  ca.  40°  B.,  und  damit  verschiebt  sich  auch  die  Haupt- 
windscheide in  höhere  Breiten.  Auf  den  Kontinenten,  die  wärmer  sind 
als  das  Meer  in  gleicher  Breite,  biegen  sich  dagegen  die  Isobaren  nach 
Süden  um,  und  der  Luftdruck  nimmt  landeinwärts  ab;  daher  sinkt 
die  Hauptwindscheide  in  Amerika  bis  zum  20.  Parallel  und  in  der 
alten  Welt  verschwindet  sie  vollständig. 

Es  dürfte  nun  an  der  Zeit  sein,  einen  vergleichenden  Blick  auf 
die  horizontale  Luftdruckverteilung  im  Sommer  und  Winter  zu  werfen. 
Auf  den  Meeren  folgen  in  beiden  Jahreszeiten  aufeinander:  das  äqua- 
toriale Minimum,  das  subtropische  Maximum,  das  subpolare  Minimum 
und  das  polare  Maximum  (letzteres  wenigstens  auf  unserer  Halb- 
kugel). Die  Festländer  beherbergen  dagegen  im  Winter  Maxima  und 
im  Sommer  Minima.  Es  besteht  also  ein  fundamentaler  Gegen- 
satz zwischen  den  marinen  und  kontinentalen  Maxima  und 


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108 


Die  Lufthülle. 


Minima;  jene  sind  permanent,  wandern  aber  mit  der  Sonne,  diese 
sind  periodisch. 

Die  nordhemisphärische  Passatzone  reicht  im  Sommer  nur  von 
der  Saharaküste  westwärts  ungefähr  bis  zum  Meridian  von  Sachalin. 
Ihre  Polargrenze  liegt  auf  den  Meeren  durchschnittlich  in  28°  B. 
steigt  alter  im  Osten  über  30°  an.  Die  Nähe  der  erhitzten  Kontinen- 
talflächen erzeugt  eine  vollständige  anticyklonische  Bewegung  um  die 
subtropischen  Maxiraa,  wie  wir  sie  bisher  nur  auf  der  Südhemisphäre 
beobachten  konnten. 

In  den  mittleren  und  höheren  Breiten  lagern  vier  cyklonische 
Windgebiete  nebeneinander,  nur  das  der  alten  Welt  reicht  auch  in 
die  Tropenzone  hinein.  Eine  strenge  Scheidung  durch  ausgedehnte 
anticyklonische  Systeme  findet  nur  in  den  mittleren  Breiten  statt,  in 
den  höheren  treten  die  Windscheiden  nur  aufsehr  detaillirten  Isobaren- 
karten deutlich  hervor.  Überdies  sind  die  Winde  nicht  so  stark  wie 
im  Winter,  denn  die  Druckdifferenzen  sind  nach  allen  Bichtungen  viel 
geringer,  ebenso  wie  die  Temperaturunterschiede.  Sie  sind  auch  in 
den  höheren  Breiten  von  geringerer  klimatologischer  Bedeutung  als 
im  Winter,  weil  die  Verteilung  der  Temperatur  hauptsächlich  durch 
die  Insolation  bedingt  wird,  und  wir  werden  ihnen  daher  nur  eine 
flüchtige  Betrachtung  widmen. 

Im  nordatlantischen  Cy klonengebiete  liegt  das  Minimum 
östlich  von  Island.  Amerika  östlich  vom  Mississippi  und  von  einer 
Linie,  die  man  sich  zwischen  der  Seenregion  und  der  Hudsonbai  nach 
Nord  westen  gezogen  denkt,  der  Atlantische  Ozean  nördlich  einer  Linie 
von  Florida  bis  Frankreich,  die  britischen  Inseln,  Frankreich  und  das 
westliche  Deutschland  gehören  dazu.  Im  Norden  der  Linie  Jamesbai- 
Island  herrschen  Polar-,  südheh  davon  Äquatorialwinde  vor.  Die  Nähe 
der  großen  ostkontinentalen  Barometerdepression  macht  sich  aber 
auch  hier  insofern  geltend,  als  in  Westeuropa  die  Polarströmung 
häufiger  ist,  als  im  Winter.  Über  die  Lage  des  Minimums  in  der 
pazifischen  Cyklone  ist  nichts  genaues  bekannt  Die  ameri- 
kanische Cyklone,  zieht  S.-  und  SO.-Winde  aus  dem  Golf  von 
Mexico  an,  die  das  ganze  Prärienplateau  überströmen,  und  erzeugt 
anderseits  NW.- Winde  an  der  pazifischen  Küste.  Weitaus  am  wich- 
tigsten ist  aber  das  Cyklonengebiet  der  alten  Welt.  Das 
Hauptminimum  verlegt  Hann  nach  Iran  und  in  das  Indusgebiet, 
aber  die  Biegungen  der  Isobare  von  755  mm  verraten  nicht  minder 
wichtige  Teilminima,  wie  im  westlichen  Sibirien,  in  der  Sahara 
und  in  China.  Überall  ist  in  den  weiten  erhitzten  Ebenen  Gelegen- 
heit zur  Bildung  barometrischer  Minima  vorhanden,  an  allen  Seiten 
saugt  der  Kontinent  Luft  ein,  wie  er  im  Winter  Luft  ausatmet 


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Luftdruck-  und  Windverteilung  in  den  extremen  Jahreszeiten.  109 

lm  Süden  wird  — das  einzige  Beispiel  dieser  Art  — der  indische  NO- 
Passat  völlig  unterdrückt  und  die  Luft  gezwungen,  in  entgegengesetzter 
Richtung,  als  SW. -Monsun  dem  zentralasiatischen  Minimum  zu- 
zufließen. Thalaufwärts  strömt  sie  in  Hindustan  bis  zur  großen  Hima- 
laja-Barriere, ja  vielleicht  in  tieferen  Einschnitten  auch  darüber  hin- 
weg. Nach  Westen  herrscht  dieser  Monsun  bis  Arabien,  nach  Osten  bis 
zu  den  Philippinen.  In  der  Sahara  dringt  der  SO.-Passat  bis  gegen 
20 °N.  vor;  in  China,  Japan  und  auf  dem  benachbarten  Festlande  löst 
der  SO.- Wind  den  winterlichen  NW.  ab.  Auf  der  anderen  Seite  des 
großen  Depressionsgebietes  herrschen  vom  östlichen  Deutschland  und 
der  Balkanhalbinsel  bis  Sibirien  und  Turan  polare  Strömungen  vor. 

Dasselbe  Gesetz,  das  hier  die  Luftzirkulation  über  einem  Drittel 
der  Erdoberfläche  regelt,  macht  sich  auch  im  kleinen  geltend.  Skan- 
dinavien und  die  iberische  Halbinsel  sind  ebenfalls  abgeschlossene 
Cyklonengebiete,  wie  im  Winter  kleine  anticyklonische  Zentren.  Auch 
Italien  zieht  Seewinde  an,  während  im  südlichen  Mittelmeere  nörd- 
liche Winde  zur  Sahara  ziehen. 

Die  Änderungen  vom  Winter  zum  Sommer  zeigt  folgende 
schematische  Übersicht  der  Hauptwindgebiete: 

Winter. 

Nordpazifische  Nordamerik.  Nordatlautisclie  Ostasiatische 

Cyklone  Anticyklone  Cyklone  Antieyklone 

Nordpazifisches  Nordatlantisches  (Mittelmeer-  Nordindisches 

Passatgebiet  Passatgebiet  Gebiet)  Passatgebiet 


West-  u.  Ostpa-  Südamerik.  Öüdatlaut.  Südafrikan.  Südiudisches  Austral. 
zifischesPassatgebiet  Cyklone  Passatgebiet  Cyklone  Passatgebiet  Cyklone 


Antarktisches  Windgebiet. 

Sommer. 

Nordpazifische 

Nordamerikanische  Nordatlantische 

Cyklone 

Cyklone  Cyklone 

Cy  klonengebiet 
der  alten  Welt 

Nordpazifisches 

N ordatlunt  isches 

Passatgebiet 

Passatgebiet 

Siidpazifisches 

SUdatlantisches 

SUdindisches 

Passatgebiet 

Passatgebiet 

Passatgebiet 

Antarktisches  Windgebiet. 

Mittlere  monatliche  Barometerschwankungen.  Wie  die  Wärme- 
schwankungen, so  sind  auch  die  mittleren  Schwankungen  des 


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110 


Die  Lufthülle. 


Luftdruckes  ein  bedeutungsvolles  klimatisches  Element,  und  es 
ist  ein  großes  Verdienst  Köppens,4  dieselben  zuerst  kartographisch 
dargestellt  zu  haben.  Je  größer  sie  sind,  desto  unruhiger  ist  durch- 
schnittliche das  Wetter,  desto  steiler  ist  wahrscheinlich  der  Gradient, 
und  desto  stärker  sind  die  Winde.  Auf  der  Nordhemisphäre  nimmt  die 
durchschnittliche  monatliche  Barometerschwankung  vom  Äquator  bis 
zum  (50.  Parallel,  der  Gegend  der  subpolaren  Minima,  zu,  dann  wieder 
ab.  Überall  ist  sie  im  Winter  größer  als  im  Sommer,  aber  die  Diffe- 
renz der  winterlichen  und  sommerlichen  Schwankung  ist  in  der  Tropen- 
zone auf  den  Kontinenten  und  von  30 0 B.  ab  auf  dem  Meere  beträcht- 
licher. Vergleichen  wir  Meer  und  Festland  miteinander,  so  ergiebt 
sich  ein  sehr  bemerkenswerter  Gegensatz.  Bis  zum  20.  Parallel  ist 
das  Wetter  auf  dem  Meere  im  Gebiet  des  regelmäßigen  Passates  stets 
beständiger  als  auf  den  Kontinenten,  nördlich  vom  30°  B.  ist  um- 
gekehrt das  maritime  Wetter  schwankender.  Zwischen  20  und  30° 
ist  eine  Übergangszone.  Mit  der  Polargrenze  des  Passates  steigt  im 
Sommer  der  tropische  Typus  bis  zu  30°  B.  und  sinkt  im  Winter  der 
Typus  der  gemäßigten  Zone  bis  20°  B.  herab. 

Auf  der  südlichen  Hemisphäre  ist  dasselbe  Gesetz  der  Ab- 
hängigkeit von  der  Breite  wirksam,  wie  auf  der  nördlichen,  aber 
die  Schwankungen  sind  dort  beträchtlicher,  namentlich  wenn  wir 
die  Sommer  miteinander  vergleichen.  Die  Maximalwerte  unserer 
Halbkugel  werden  jenseits  des  Äquators  schon  zwischen.  50  und 
55°  B.  erreicht  — ein  Beweis,  daß  in  der  südlichen  gemäßigten 
Zone  Cyklonen-  und  Anticyklonenbildungen  ebenso  wechseln,  wie 
bei  uns,  und  daß  die  barometrischen  Gradienten  steiler  sind.  In  der 
That  berichten  alle,  die  die  antarktische  See  durchfuhren,  von  dem 
stürmischen  Charakter  der  dort  herrschenden  Westwinde. 

Litteraturnack weise.  1 Supan,  Statistik  der  unteren  Luftströmungen, 
Leipzig  1881.  — * Büchan,  Monats-  und  Jakresisobaren  im  Challenger- Werk 
cit.  S.  77.  — 3 Noch  unerreichtes  Muster  ist  Hann,  Die  Verteilung  des  Luft- 
druckes über  Mittel-  und  Südeuropa.  Wien  1887.  Für  die  Methode  der  Be- 
arbeitung mariner  Beobachtungen  ist  Ritno,  Repartition  de  la  pressure  atmo- 
spherique  sur  l’oeean  atlantique  septentrional , Kopenhagen  1894,  maßgebend. 
— 4 Köppkn,  Die  monatlichen  Barometerschwankungen,  in  den  Annalen  der 
Hydrographie  und  maritimen  Meteorologie  1882. 


Lokale  Winde. 

Die  lokalen  Winde  können  wir  in  zwei  Hauptarten  teilen.  Zur 
ersten  gehören  die  lokalen  Winde  in  des  Wortes  strengster  Bedeu- 
tung, die  nicht  durch  die  allgemeine  geographische  Verteilung 
des  Luftdruckes,  sondern  durch  örtlich  beschränkte  barometrische 


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Lokale  Winde. 


111 


Unterschiede  hervorgerufen  werden.  Es  ist  selbstvertständlich,  daß 
solche  lokale  Druckdifferenzen  nur  dann  zur  Geltung  gelangen 
können,  wenn  die  Atmosphäre  nicht  von  beträchtlichen  Störungen 
heimgesucht  wird.  Die  Winde  dieser  Kategorie  sind  daher  nicht 
nur  örtlich,  sondern  auch  zeitlich  beschränkt.  Die  zweite  Hauptart 
bilden  jene  Winde,  die  zwar  Teile  der  allgemeinen  Luftzirkulation 
sind,  aber  in  bestimmten  Gegenden  oder  nur  unter  bestimmten 
Umständen  eine  lokale  Färbung  erhalten. 

Lokale  Windsysteme.  Zur  ersten  Art  gehören  die  Land-  und 
See-,  Berg-  und  Thalwinde.  Die  ersteren,  deren  Theorie 
Blanfobd1  ausgebildet  hat,  finden  wir  an  den  Gestaden  aller 
größeren  Wasserflächen,  hauptsächlich  aber  an  den  Meeresküsten. 
Wenn  in  den  Vormittagsstunden  das  Land  sich  erwärmt,  steigen  die 
Luftsäulen  über  demselben  zu  einer  größeren  Höhe  an,  als  über  dem 
kühleren  Meere;  es  entsteht  infolge  dessen  eine  obere  Strömung 
vom  Lande  zur  See,  und  zum  Ausgleich  in  den  unteren  Luft- 
schichten der  Seewind.  Die  Zirkulation  reicht  in  ziemlich  bedeu- 
tende Höhen,  wie  die  Beobachtungen  mittels  eines  befestigten  Ballons 
in  der  Bucht  der  Coneyinsel  (New  York)  lehren.*  In  den  Abend- 
stunden gleichen  sich  die  Druckunterschiede  aus,  und  nach  Mitter- 
nacht, wenn  sich  das  Land  mehr  abgekühlt  hat  als  das  Meer,  ent- 
wickelt sich  die  umgekehrte  Bewegung:  in  den  oberen  Schichten  ein 
Seewind,  in  den  unteren  ein  Landwind. 

Ein  echter  Tagesmonsun  sind  auch  die  Berg-  und  Thal- 


winde,2 ein  allen 
Gebirgsländem 
gemeinsames  Phä- 
nomen, wenn  auch 
kaum  irgendwo 
großartiger  und 
regelmäßiger  ent- 
wickelt, als  in 
Tibet  und  Kasch- 
garien.  Wenn  mit 


Fig.  24.  Berg-  und  Thalwinde. 


steigender  Sonne  dieLuft  im  Thale  und  an  den  Berghängen  sich  erwärmt, 


dehnen  sich  die  Luftsäulen  (Fig.  24)  ab  und  cd  bis  b'  und  d'  aus,  und  es 


entsteht  nun  ein  Gradient  von  der  freien  Atmosphäre  gegen  den  Berges- 


X 10.  Aug.  1879  10.  Aug.  1879  13.  Aug.  1879 

lh  19m  p.  m.  31'  10“  p.  m.  1 11'  50“  a.  m. 
Oberes  Ende  des  Landwindes  270  m 330  m 320  m (?) 

Unteres  Ende  des  Landwindes  150  150  210 

Oberes  Ende  des  Seewindes  120  150  200 


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112 


Die  Lufthülle. 


Lang  hin.  Dasselbe  Resultat  wird  außerdem  noch  durch  einen  anderen 
Umstand  erzielt.  Die  Luft  am  Abhange  wird  mehr  erwärmt,  als  in 
der  freien  Atmosphäre  im  gleichen  Niveau;  jene  strebt  als  spezifisch 
leichter  in  die  Höhe,  und  muß  durch  zuströmende  Luft  ersetzt  werden. 
So  entwickelt  sich  bei  Tag  ein  Steigungswiud  die  Gehänge  hinan,  und 
zum  Ersätze  Hießt  Luft  aus  der  Ebene  thalaufwärts.  Bei  Nacht 
ziehen  sich  die  Luftsäulen  ab  und  cd  bis  b"  und  d"  zusammen,  und 
dem  neuen  Gradienten  folgt  ein  Eallwind  an  den  Gehängen  hinab 
und  thalabwärts  zur  Ebene  hinaus. 

Wo  die  Berghänge  mit  Schnee  und  Eis  bedeckt  sind  und 
daher  erkaltend  auf  die  Luftschichten  wirken,  da  entsteht  auch  bei 
Tag  ein  kalter  Fallwind.  Dieser  Art  sind  z.  B.  die  Nevados  oder 
Schneestürme  auf  dem  mit  hohen  Bergen  gekrönten  Plateau  von 
Quito. 

Auch  im  oberen  Engadin  weht  im  Sommer  bis  nach  Scanfs  bei 
Tage  ein  Thalwind.  Diese  Anomalie  bereitete  der  Theorie  einige 
Schwierigkeiten,  bis  sie  Billwillee  durch  die  eigentümlichen  oro- 
graphischeu  Verhältnisse  des  Thaies  befriedigend  erklärte.  Auch 
hier  finden  wir  den  regelrechten  Steigungswind,  aber  der  Ersatz 
dafür  kommt  nicht  von  dem  stark  eingeengten  unteren  Thale,  son- 
dern von  dem  ganz  offenen  oberen  Ende. 

Enge  Nebenthäler,  die  von  hohen  und  steilen  Felswänden  ein- 
geschlossen und  daher  nur  wenige  Stunden  von  der  Sonne  beschienen 
werden,  senden  oft,  besonders  im  Sommer,  kalte  Winde  in  das  viel 
wärmere  Hauptthal.  Bekannt  ist  der  Wisperwind,  der,  aus  dem 
Taunus  kommend,  manchmal  das  um  12 — 18°  wärmere  Rheinthal 
heimsucht.  Eine  ähnliche  Wirkung  erzeugt  die  Nachbarschaft  von 
Gebirge  und  Ebene,  besonders  im  Frühjahr  und  Herbst;  das  Klima 
des  bayerischen  Plateaus  und  der  Po-Ebene  wird  zum  Teil  durch 
diesen  Gegensatz  bedingt.  Zu  den  echten  lokalen  Winden  gehört 
auch  jene  eigentümliche  und,  wie  es  scheint,  ganz  abgeschlossene 
Luftzirkulation  im  Ghör,  wo  im  Sommer  Süd-  und  im  Winter  Nord- 
winde ausschließlich  herrschen. 

Einflufs  lokaler  Verhältnisse  auf  die  Winde.  Zweige  der  all- 
gemeinen Luftbewegung  können  durch  bestimmte  lokale  Verhältnisse 
in  ihrer  ursprünglichen  Richtung  oder  Stärke  verändert  werden 
oder  auch  einen  eigentümlichen  klimatischen  Charakter  erhalten. 
So  werden  im  meridionalen  Champlaiu-Hudsonthal  im  Staate  New 
York  die  winterlichen  NW.-Wiude  in  N.-  und  die  sommerlichen 
SW.-Winde  in  S.-Winde  umgewandelt.  Das  von  Nordwesten  nach 
Südosten  ziehende  Ebrothal  kennt  eigentlich  nur  zwei  Luftströ- 
mungen: den  Cierzo  (Nord westen)  und  Bochorno  (Südosten).  Ein  groß- 


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Lokale  Winde. 


115 


artiges  Beispiel  dieser  Art  liefert  auch  Hindustan,  wo  der  Winter- 
monsun thalabwärts  und  der  Sommermonsun  thalaufwärts  fließt,  und 
selbst  die  antipassatische  Strömung  in  2000  m Höhe  im  Winter 
genau  den  Bahnen  des  Sommermonsuns  folgt.  Auf  wie  weite  Strecken 
hin  ein  Gebirge  die  Windrichtung  zu  bestimmen  vermag,  beweisen 
die  Gegenden  an  der  Ostseite  der  Karpaten,  wo  NW.-  und  SO.- 
Winde  von  Bessarabien  bis  in  die  Nähe  von  Lemberg  entschieden 
vorherrschen. 

In  noch  höherem  Grade,  als  die  Richtung,  unterliegt  die  Stärke 
des  Windes  der  lokalen  Beeinflussung,  besonders  durch  Temperatur- 
unterschiede, wie  zwischen  dem  Meere  und  einem  gebirgigen  Hinter- 
lande im  Winter,  oder  zwischen  einem  solchen  und  einer  erhitzten 
Küstenebene  im  Sommer.  Auf  diese  Weise  erhält  der  Mistral,3  ein 
stürmischer  N.-  oder  NW.- Wind,  der  die  Küstengegenden  von  der 
Ebromündung  bis  in  den  innersten  Winkel  des  genuesischen  Golfs  so 
häutig  heimsucht,  seinen  eigentümlichen  Charakter.  Besonders  heftig 
ist  er  in  der  Provence  und  Languedoc,  wo  die  Gebirgsmauem  der 
Cevennen  und  Alpen  aneinander  stoßen,  und  wo  er  regelmäßig  auf- 
tritt,  wenn  ein  Minimum  sich  im  Süden  oder  Südosten  der  Provence 
befindet,  während  eine  Anticyklone  über  dem  mittleren  und  süd- 
westlichen Frankreich  lagert.  Diese  Druckverteilung  ist  im  Winter 
die  normale,  daher  auch  der  Mistral  in  dieser  Jahreszeit  am  häu- 
tigsten. Seine  Heftigkeit  erklärt  sich  dadurch,  daß  die  Gegensätze 
nicht  sofort  ausgeglichen  werden,  indem  die  von  Norden  kommende 
Luft  einige  Zeit  hinter  dem  Gebirge  sich  staut.  Ähnlich  verhält 
sich  die  Bora*  an  den  gebirgigen  Küsten  von  Triest,  Dalmatien 
und  Albanien.  Man  versteht  darunter  NO.-  und  O.-Winde,  die 
besonders  im  Winter  durch  Minima  aul  dem  Adriatischen  Meere 
erzeugt  werden.  Die  zeitweise  Stauung  und  das  plötzliche  Herein- 
brechen über  die  Pässe  des  Gebirges  kommt  in  dem  stoßweisen 
Wehen  dieser  oft  gefährlichen  Stürme  zum  Ausdrucke,  die  am 
wütendsten  dort  sind,  wo  der  Gebirgskamm  mindestens  300 — 600  m 
hoch  und  zugleich  in  horizontaler  Richtung  nur  ein  paar  Kilometer 
von  der  warmen  See  entfernt  ist.  Solche  Borastürme  kommen 
übrigens  auch  bei  Noworossisk  am  NO.-Ufer  des  Schwarzen  Meeres 
und  am  Fuße  eines  ca.  550  m hohen  Ausläufers  des  Kaukasus  vor, 
und  Middendobff  berichtet  von  einer  gleichen  Erscheinung  an  der 
ochotskischen  Küste. 

Alle  diese  Winde  sind  kalt  und  trocken,  und  diese  Eigen- 
schaft bedarf  einer  Auseinandersetzung.  Ein  Beispiel  wird  hier  am 
schnellsten  zum  Ziele  führen.  An  einem  Januartage  mit  mittlerer 
Monatstemperatur  bewege  sich  die  Luft  von  Alessandria  (Seehöhe 

Supah,  Physische  Erdkunde.  2.  Aufl.  8 


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114 


Die  Lufthülle. 


98  m,  Temperatur  —0,9°)  über  den  Bocchettapaß  (780  m hoch)  nach 
Genua  (48  m hoch,  Temp.  8°).  Auf  dem  Bocchettapasse  wird  sie 
sich  von  —0,9°  auf  — 3,a°  abkühlen  (Abnahme  für  100  m 0,4°),  beim 
Herabsinken  auf  der  anderen  Seite  aber  nach  der  Theorie  um  1° 
für  je  100  m erwärmen.  In  der  That  beträgt  die  Zunahme  nach 
Mohns  Berechnung  freilich  nur  0,984°,  weil  ein  Teil  der  Wärme  zum 
Verdampfen  des  ausgeschiedenen  Wassers  verbraucht  wird,  aber 
immerhin  hat  die  Luftströmung  am  Südfuße  des  Apennin  eine 
Temperatur  von  3,e°.  Sie  ist  also  wärmer  wie  in  Alessandria  und 
daher  relativ  trockener,  aber  in  Genua  erscheint  sie  dennoch  als 
relativ  kalter  Wind.  Wäre  aber  der  Bocchettapaß  2000  m hoch, 
dann  würde  ihre  Temperatur  auf  demselben  sich  zwar  auf  — 8,6 0 
erniedrigen,  aber  am  Südfuße  auf  10,7°  erhöhen,  d.  h.  sie  würde  in 
Genua  als  trockener  und  relativ  warmer  Wind,  als  sogenannter 
Föhn  ankommen. 

Die  Temperatur  eines  Windes  hängt  also  unter  übrigens  gleichen 
Umständen  1)  von  der  Wärmedifferenz  der  Anfangs-  und  Endstation 
ab,  2)  von  der  Höhe  des  Gebirges,  das  er  zu  überschreiten  hat. 

Der  Föhn4  ist  eine  zahlreichen  Gebirgsländem  gemeinsame 
Erscheinung,  während  man  ihn  früher  nur  auf  die  Nordalpen  be- 
schränkt glaubte.  Hier  ist  dieser  warme  und  trockene  Südwind 
(SW — SO),  der  sich  zeitweise  zum  Sturme  steigert,  von  Besannen 
am  Jura  bis  Vorarlberg  zu  Hause,  erreicht  aber  in  seinen  östlichen 
Ausläufern  auch  das  untere  Innthal  und  manchmal  sogar  die 
Thäler  von  Salzburg  und  des  Salzkammergutes.  Er  erzeugt,  be- 
sonders im  Frühling,  oft  plötzliche  und  gefährliche  Schneeschmelze 
und  Überschwemmungen,  ist  aber  auch  von  dauerndem  Einflüsse  auf 
das  Klima  * und  ermöglicht  die  Maiskultur  in  Gegenden,  von  denen 
sie  sonst  ausgeschlossen  wäre. 

Nach  Hann  tritt  der  Föhn  auf  der  Nordseite  der  Alpen  dann 
auf,  wenn  sich  eine  tiefere  Barometerdepression  auf  dem  Atlantischen 
Ozean  zwischen  dem  Golf  von  Biscaya  und  Nordschottland  einstellt. 
Der  Luftdruck  ist  dann  am  Nordfuße  der  Alpen  viel  tiefer,  als  am 
Südfuße,  weil  die  mächtige  Gebirgsmauer  eine  Ausgleichung  der 
Dichtigkeit  der  unteren  Luftschichten  verhindert.  Die  Luft  wird 
durch  jenes  Minimum  aus  den  nördlichen  Thälern  gleichsam  aus- 
gepumpt, und  zum  Ersätze  strömt  nun  Luft  vom  Südabhange  über 
die  Pässe  auf  die  Nordseite,  wobei  durch  die  Abkühlung  der  auf- 


x Höhe 

Winter  Frühling 

Sommer 

Herbst 

Jahr 

Zürich  470  m 

-0,8° 

8,9° 

17,8° 

8,8° 

8,7° 

Altdorf  (Föhngebiet)  454 

9,8 

17,8 

10,o 

9,5 

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Lokale  Winde. 


115 


steigenden  Luft  am  Siidabhange  häufig  Niederschläge  erzeugt  werden. 
Daß  bei  der  Föhnbildung  die  Höhe  des  Gebirges  das  maßgebende 
Moment  ist,  beweist  der  Nordföhn,  der  in  den  südlichen  Thälem 
erscheint,  wenn  hier  der  Luftdruck  beträchtlicher  tiefer  ist,  als  auf 
der  Nordseite. 

Heutzutage  weiß  man,  daß  der  Föhn  ein  allgemein  verbreitetes 
Phänomen  ist.  Der  sogenannte  Scirocco  auf  der  Nordseite  der 
Pyrenäen  und  in  Algier  ist  nach  Hebebt  nichts  anderes  als  Föhn. 
In  Modena  nimmt  der  SW.-,  in  Simferopol  auf  der  Krimhalbinsel 
der  SO.-,  in  Trapezunt  und  im  Kurthal  der  SW.-,  in  Kutais  dagegen 
der  ONO. -Wind  zeitweise  einen  föhnartigen  Charakter  an.  Für  die 
Westküste  Japans  hat  erst  kürzlich  Knipping  das  Vorkommen  des 
Föhns  nachgewiesen.  Auch  an  der  Ostseite  der  nordamerikanischen 
Gebirge,  der  Rocky  Mountains  sowohl,  wie  der  Alleghanies  zeigt 
sich  diese  Windform  häufig.  In  Neuseeland  ist  er  besonders  ent- 
wickelt auf  der  Ostseite  der  Südalpeu.  In  Grönland  ist  er  an  beiden 
Küsten  heimisch,  je  nachdem  ein  tiefes  barometrisches  Minimum 
westlich  oder  östlich  von  dieser  Kontinentalmasse  erscheint,  nur  daß 
hier  nicht  ein  Überwehen  des  ganzen  inneren  Eisplateaus  voraus- 
gesetzt werden  darf,  sondern  ein  Abströmen  der  Luft  von  demselben 
genügt,  um  ähnliche  thermo-dynamische  Wirkungen  zu  erzeugen,  wie 
in  schmalen  Gebirgszügen.  Von  großer  klimatischer  Bedeutung  ist  der 
Föhn  an  der  Westküste,  wo  er  im  Winter  und  Frühjahr  die  Tempe- 
ratur häufig  über  den  Gefrierpunkt  hebt.  In  Jakobshavn  z.  B.  ist 
die  durchschnittliche  Zahl  der  Föhn  tage  16  (in  der  Schweiz  40).  In 
Nischne-Kolymsk  erwähnt  schon  Wkangell  einen  trockenen  und 
warmen  Wind  aus  Südosten,  wo  ein  Ausläufer  des  Stanowoigebirges 
liegt.  Woeikow  hat  auch  den  Föhn  herangezogen,  um  manche  Eigen- 
tümlichkeiten des  08tasiatisclien  Winterklimas  zu  erklären.  Wo  der 
Gebirgsrand  unterbrochen  ist,  bringt  der  herrschende  Nordwest  die 
Temperatur  des  sibirischen  Kältezentrums  bis  an  die  Küste;  wo  er 
aber  ein  Gebirge  übersteigen  muß,  erwärmt  er  sich  beim  Herab- 
sinken. Daher  ist  z.  B.  Ajan  im  Januar  um  2,8°  wärmer  als  Niko- 
lajewsk  und  Peking  um  4,8°  wärmer  als  Niutschwang. 

Die  Trockenheit  und  Wärme  hat  der  Föhn  mit  den  Wüsten- 
winden6 gemein  und  lange  Zeit  hielt  man  ihn  auch  für  einen 
solchen.  Er  erhält  aber  seinen  Charakter  durch  lokale  Verhältnisse 
und  verliert  ihn  auch  wieder,  sobald  diese  zu  wirken  aufhören; 
während  die  Wüstenwinde  ihn  aus  der  Wüste,  in  der  sie  entstehen 
oder  die  sie  passieren,  mitbringen.  So  sendet  die  Sahara  den 
Khamsin  nach  Ägypten,  den  Harmattan  nach  Oberguinea  und 
sogar  über  breite  Meerestrecken  den  Leste  nach  Madeira  und  den 

8* 


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116 


Die  Lufthülle. 


Canarischen  Inseln,  den  Leveche  an  die  spanische  Ostkttste  vom 
Kap  Gata  bis  zum  Kap  Näo,  und  den  Scirocco  (nicht  zu  ver- 
wechseln mit  den  ebenso  genannten  feucht-warmen  Winden  in  Italien 
und  auf  dem  Adriatischen  Meere)  nach  Sicilien.  Ein  Wüstenwind 
ist  ferner  der  bekannte  Samum  im  mittleren  und  nördlichen  Arabien. 
Auch  von  der  Mohavewüste  im  westlichen  Nordamerika  sind  solche 
Winde  bekannt.  Aber  keine  sind  heißer  und  trockener  als  die  aus 
dem  Inneren  von  Australien  kommenden.  Neümayer  beobachtete 
einmal  in  Melbourne,  wie  durch  einen  solchen  Wüstenwind  die  Äpfel 
an  den  Bäumen  buchstäblich  gebraten  wurden.  In  Neu -Süd -Wales 
schwankt  die  Temperatur  dieses  Windes  zwischen  27  und  43°,  im 
Binnenlande  ist  sie  aber  viel  höher.  So  beobachtete  Stiikt  in 
Zentralaustralien  am  21.  Januar  1845  55°  im  Schatten,  und  im 
Dezember  1828  zerstörte  ein  heißer  Wind  am  Hunt  River  auf  eine 
Strecke  von  nahezu  50  km  allen  Weizen. 

Litteraturnach weise.  1 Blanford,  Land-  und  Seewinde  an  der  Küste 
von  Bengalen,  in  der  Zeitschrift  der  österreichischen  Gesellschaft  für  Meteoro- 
logie, 1877.  — * Hann,  Zur  Theorie  der  Thal-  und  Bergwinde,  ebendaselbst 
1879.  — * Dersch,  Der  Ursprung  des  Mistral,  ebendaselbst  1881.  — 4 Hanns 
Klimatologie  eit.  S.  42  — 6 Niemeter,  Die  heißen  Winde  der  Wüstengebiete. 
Meldorf  1891. 

Der  Wasserdampf  in  der  Atmosphäre  und  die  Ursachen 
seiner  Kondensation. 

Verschiedene  Ausdrücke  für  die  Feuchtigkeit  der  Luft.  Alle 
Wasserflächen  und  die  Pflanzendecke  entsenden  fortwährend  Wasser- 
dampf in  die  Atmosphäre.  Man  mißt  den  absoluten  Feuchtig- 
keitsgehalt der  Luft  als  Dunstdruck;  die  Höhe  einer  Queck- 
silbersäule (ausgedrückt  in  mm),  die  der  Expansivkraft  des  Wasser- 
dampfes das  Gleichgewicht  hält,  gilt  noch  allgemein  als  Maßstab 
desselben,  obwohl  die  Angabe  des  Gewichtes  des  Wasserdampfes 
in  einem  Kubikmeter  Luft  (ausgedrückt  in  Gramm)  vorzuziehen 
wäre.  Die  folgende  Tabelle  zeigt  aber,  daß  beide  Ausdrücke  nicht 
sehr  voneinander  abweichen. 

Die  Erfahrung  lehrt,  daß  die  Luft  bei  einer  bestimmten  Tem- 
peratur nur  eine  bestimmte  Menge  Wasserdampf  in  sich  aufnehmen 
kann: 


Temperatur 

-10° 

—5° 

0° 

5° 

10° 

15° 

20° 

25° 

Maximaldunstdruck 

3,i 

4,« 

6,5 

9,* 

12, t 

17,4 

23,« 

Maximalgewicht 

2,* 

3,* 

4,» 

6,s 

9,4 

12,i 

17,i 

22,  • 

Es  ergiebt  sich  daraus,  daß  die  Verdunstung  mit  der  Tem- 
peratur steigt,  wobei  freilich  auch  der  Wind  insofern  von  Einfluß  ist, 


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Der  Wasserdarapf  in  der  Atmosphäre  u.  die  Ursachen  seiner  Kondensation.  117 

als  er  die  feuchte  Luft  immer  wieder  fortführt  und  dadurch  eine 
rasche  Sättigung  verhindert  Je  größer  die  Verdunstung,  desto 
größer  ist  die  absolute  Feuchtigkeit  der  Luft;  sie  muß  daher,  wie 
sie  an  jedem  Orte  mit  der  Temperatur  steigt  und  fällt,  auch  in 
ihrer  geographischen  Verteilung  sich  an  die  der  Wärme  anschließen. 
Die  Linien  gleichen  Dunstdruckes  wiederholen  in  der  That  alle 
Biegungen  der  Isothermen,  und  nur  die  regenarmen  Gebiete  der 
Kontinente  machen  begreiflicherweise  davon  eine  Ausnahme.  Die 
jährliche  Schwankung  des  Dunstdruckes  steigert  sich  wie  die  der 
Temperatur  vom  Äquator  gegen  die  Pole  und  von  den  Küsten 
landeinwärts,  wobei  in  unseren  Breiten  der  Gegensatz  von  Ost- 
und  Westküsten  in  derselben  Weise  hervortritt,  wie  auf  der  Karte 
der  jährlichen  Wärmeschwankung.  Ebenso  nimmt  die  absolute 
Feuchtigkeit  mit  der  Höhe  ab  und  zwar  in  der  freien  Atmosphäre 
rascher  als  im  Gebirge,  und  hier  (mit  Ausnahme  des  Pic  von  Tene- 
riffa und  vielleicht  der  ganzen  Passatzone)  unter  höheren  Breiten 
schneller  als  unter  niederen.  Schon  in  einer  Höhe  von  2000  m 
hat  der  Feuchtigkeitsgehalt  um  die  Hälfte  abgenommen  und  über 
6500  m Höhe  finden  wir  nur  mehr  x/10  ^es  atmosphärischen  Dampf- 
gehaltes. 

Wenn  auch  für  die  Charakteristik  des  Klimas  einer  Gegend  der 
Dunstdruck  ein  entscheidendes  Element  ist,  so  bedarf  er  doch  stets 
zu  seiner  Erläuterung  der  Temperaturangabe  und  eignet  sich  daher 
wenig  zu  klimatologischen  Vergleichen.  Wenn  wir  auf  die  unten- 
stehende Tabelle  * einen  Blick  werfen,  so  finden  wir  bei  Königsberg 
und  Breslau  die  gleichen  Jahresmittel  der  absoluten  Feuchtigkeit; 
ist  aber  wirklich  die  Luft  in  beiden  Städten  durchschnittlich  gleich 


Winter  Frühling  Sommer  Herbst 

Jahr 

Absolute  Feuchtigkeit  (mm) 

Königsberg 

3,5* 

5,3 

10,4 

6,3 

6,5 

Breslau 

3,,* 

5,» 

10,8 

6,3 

6,5 

Borkum 

4,,* 

6,5 

11,5 

8,3 

7,3 

Trier 

4,5* 

6,o 

10,  g 

7,3 

7,« 

Relative 

Feuchtigkeit  (Proz.) 

Königsberg 

87 

76 

74* 

83 

80 

Breslau 

83 

71 

69* 

78 

75 

Borkum 

91 

84 

82* 

87 

86 

Trier 

85 

68* 

69 

80 

75 

Sättigungsdefizit  (mm) 

Königsberg 

0,5* 

1,0 

1,» 

1,3 

Breslau 

0,7* 

2,, 

4,8 

2,» 

2,‘ 

Borkum 

0,5* 

1,3 

2,5 

1,3 

1,3 

Trier 

0,.* 

2,3 

4,8 

2,o 

2,5 

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118 


Die  Lufthülle. 


feucht?  Nein,  denn  die  Temperatur  ist  verschieden.  Um  bequeme 
Vergleichs  werte  zu  schaffen,  berechnet  man  daher  entweder  das 
prozentische  Verhältnis  des  wirklichen  Dunstdruckes  (d)  zu  dem 
der  Temperatur  entsprechenden  Maximum  (m),  d.  h.  die  relative 
Feuchtigkeit  ( f),  die  in  der  Meteorologie  schon  lange  eine  hervor- 
ragende Rolle  spielt;  oder,  nach  Wilds  Vorgänge,  das  Sättigungs- 
defizit (s),  d.  h.  die  Dampfmenge,  welche  der  Luft  unter  den 
gegebenen  Temperaturverhältnissen  zur  Sättigung  noch  fehlt  In 

Fonnein  ausgedrückt  ist  also  f = 100  ~ und  s = m — d.  Nun 

wird  sofort  klar,  daß  Königsberg  feuchter  ist  als  Breslau.  Aus  den 
Formeln  ergiebt  sich  auch,  warum  die  jährliche  Periode  des  Sättigungs- 
defizits denselben  Verlauf  nimmt,  wie  die  des  wirklichen  Dunstdruckes, 
w ährend  die  relative  Feuchtigkeit  gerade  das  entgegengesetzte  Ver- 
halten zeigt.  In  unseren  Gegenden  ist  die  Luft  im  Sommer  absolut 
am  feuchtesten,  relativ  aber  am  trockensten.  Welches  Element,  die 
relative  Feuchtigkeit  oder  das  Sättigungsdefizit,  sich  besser  für  die 
Zwecke  der  Klimalehre  eignet,  ist  noch  eine  offene  Frage1;  es  unter- 
liegt aber  keinem  Zweifel,  daß  das  erstere  manchmal  irreleitet.  Es 
erweckt  z.  B.  den  Schein,  als  ob  in  Trier  der  Frühling  trockener 
sei,  als  der  Sommer,  während  doch,  wie  sich  aus  dem  Sättigungsdefizit 
ergiebt,  gerade  das  Umgekehrte  der  Fall  ist.  Trotzdem  ist  die 
relative  Feuchtigkeit  aus  ihrer  dominierenden  Stellung  noch  nicht 
verdrängt.  Wenn  wir  oben  sagten,  daß  ihre  jährliche  Kurve  im 
entgegengesetzten  Sinne  verlaufe,  wie  die  der  Temperatur,  so  bedarf 
dies  insofern  einer  Einschränkung,  als  sie  im  asiatischen  Monsun- 
gebiete und  in  den  Polargegenden,  wo  die  Winter  sehr  trocken 
sind,  mit  der  Wärme  steigt  und  fällt,  obwohl  dieser  Parallelismus 
auf  kein  direktes  Verhältnis  zwischen  beiden  Elementen  hindeutet.  Wie 
die  absolute  Feuchtigkeit  nimmt  auch  die  relative  von  den  Küsten 
(mit  Ausnahme  der  asiatischen  Ostküste)  gegen  das  Innere  des 
Landes  ab  und  ist  am  geringsten  in  den  Wüsten  und  Steppen, 
aber  im  Gegensätze  zu  jener  ist  sie  in  höheren  Breiten  durchschnitt- 
lich größer  als  in  niederen.  In  vertikaler  Richtung  nimmt  sie  unter 
allen  Umständen  bis  zu  einer  gewissen  Höhe  zu  und  dann  beständig 
ab.  Die  Höhe  dieser  Maximallinie  ist  aber  sehr  schwankend; 
Flammarion  traf  sie  auf  seinen  Ballonfahrten  am  10.  Juni  1867  in 
150  m,  am  15.  Juli  aber  in  1100  m H.  an.  Im  Gebirge  machen  sich 
lokale  Einflüsse  geltend.  Am  Antisana  in  den  Andes  von  Quito,  4060  m 
hoch,  sinkt  die  relative  Feuchtigkeit  selten  bis  74  herab  und  er- 
reicht meist  den  Sättigungspunkt.  Doch  war  Mühbys  Schluß,  daß 
sich  die  ganze  Aquatorialzone  durch  große  Feuchtigkeit  bis  zu 


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Der  Wasserdampf  in  der  Atmosphäre  u.  die  Ursachen  seiner  Kondensation.  119 

einer  Höhe  von  5700  m auszeichne,  voreilig,  denn  Junghuhn  belehrt 
uns,  daß  auf  Java  die  relative  Feuchtigkeit  in  3400  m Höhe  48 
und  in  3700  m Höhe  nur  mehr  10  Prozent  beträgt.  Das  ist  be- 
deutend weniger,  als  auf  dem  Gipfel  des  Montblanc  (4810  m),  wo 
im  August  55  Prozent  gemessen  wurden.  Jedenfalls  ist  die  rela- 
tive Feuchtigkeit  im  Gebirge  größer,  als  im  gleichen  Niveau  der 
freien  Atmosphäre,  weil  dort  aufsteigende  Luftströme,  die  wir  als 
Bergwinde  kennen  gelernt  haben,  beständig  Wasserdampf  hinauf 
tragen. 

Die  Winde  als  Verbreiter  des  Wasserdampfes.  Da  die  Luft  in 
fortwährender  Bewegung  ist,  so  kann  der  an  einem  Orte  erzeugte 
Wasserdampf  auch  anderen,  oft  weit  entfernten  Orten  zu  gute  kommen. 
Die  Regelung  der  Verteilung  des  Wasserdampfes  und  damit  auch 
der  Niederschläge  ist  die  zweite  Hauptaufgabe  der  Winde  im  Haus- 
halte der  Natur.  Seewinde  sind  selbstverständlich  feuchter  als  Land- 
winde, büßen  aber  ihren  Charakter  immer  mehr  ein,  je  weiter  sie 
landeinwärts  vorrücken.  Winde,  die  aus  kälteren  in  wärmere  Gegen- 
den kommen,  sind  relativ  trocken,  weil  sich  ihr  Dampfgehalt  immer 
weiter  vom  Sättigungspunkte  entfernt;  umgekehrt  sind  Luftströmungen 
(mit  Ausnahme  der  von  Natur  trockenen  Wüstenwinde)  relativ 
feucht,  wenn  sie  aus  wärmeren  in  kältere  Gegenden  versetzt  werden. 
Auf  diese  einfachen  Sätze  werden  wir  uns  berufen,  wenn  wir  von 
der  geographischen  Verteilung  der  Niederschläge  sprechen  werden. 

Kondensation  des  Wasserdampfes.  Es  entsteht  nun  die  Frage: 
unter  welchen  Bedingungen  schlägt  sich  die  Luftfeuchtigkeit  nieder? 
Offenbar  kann  nur  solange  Wasserdampf  aufgenommen  werden,  als 
die  Luft  noch  nicht  gesättigt  ist;  sobald  aber  die  relative  Feuchtig- 
keit 100  Prozent  übersteigt  — und  dies  kann  nur  geschehen,  wenn 
ganz  oder  nahezu  gesättigte  Luft  mehr  oder  weniger  rasch  abgekühlt 
wird  — , so  muß  ein  Teil  des  Wasserdampfes  ausgeschieden  werden. 
Wir  haben  uns  also  die  Frage  vorzulegen:  unter  welchen  Bedingungen 
kann  rasche  Abkühlung  der  feuchten  Luft  eintreten? 

Berührung  feuchter  Luft  mit  Körpern,  deren  Temperatur  durch 
nächtliche  Ausstrahlung  unter  die  der  umgebenden  Atmosphäre 
herabgesunken  ist,  oder  starke  Verdunstung  des  Bodens  und  der 
Pflanzen  in  hellen,  windstillen  Nächten,  wenn  die  unterste  Luft- 
schicht kälter  ist  als  der  Boden  — eine  von  diesen  Ursachen,  meist 
aber  beide  zusammen  erzeugen  den  Tau  und  Reif  (gefrorenen  Tau).2 
Messungen  am  Observatorium  von  Montsouris  im  Februar  1874  er- 
gaben für  diese  Niederschlagsform  eine  monatliche  Höhe  von  2,5  mm; 
in  regenarmen  Gegenden  kann  also  der  Tau  eine  nicht  ganz  un- 
bedeutende Rolle  spielen.  Eine  andere  Ursache  der  Kondensation 


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120 


Die  Lufthülle. 


ist  die  Vermischung  ungleich  temperierter  Luftmassen.  Daher  sind 
die  warmen,  feuchten  Winde  in  unseren  Gegenden  meist  Regen- 
bringer,  besonders  in  der  kälteren  Jahreshälfte;  aber  auch  kalte 
Winde  können  zu  Niederschlägen  Veranlassung  geben,  wenn  sie 
plötzlich  in  eine  dampfgeschwängerte  Atmosphäre  einbrechen.  Die 
Quelle  der  reichlichsten  Niederschläge  sind  aber  die  freiwillig  oder 
gezwungen  emporsteigenden  Luftströme.  Zu  den  ersteren  gehören 
die  aufsteigenden  Luftströme  im  Zentrum  einer  Barometerdepression, 
der  Bergwind  im  Gebirge  und  alle  jene  emporsteigenden  Luftströme, 
die  sich  in  den  heißen  Nachmittagsstunden  windstiller  Sommertage 
lokal  über  größeren  und  kleineren  Ebenen  entwickeln.  Die  Über- 
hitzung des  Bodens  erzeugt  im  letzteren  Falle  einen  labilen  Gleich- 
gewichtszustand der  Atmosphäre,  d.  h.  einen  Zustand,  in  dem  die 
Temperatur  um  mehr  als  1°  für  je  100  m Höhe  abnimmt,  wofür 
die  Ballonfahrten  der  Münchener  Luftschiffer3  zum  ersten  Male  den 
thatsächliclien  Beweis  erbracht  haben. * Die  zweite  Art  bilden  hori- 
zontale Luftströmungen,  welche  durch  orographische  Hindernisse, 
besonders  durch  Gebirge  gezwungen  werden,  sich  aufwärts  zu  be- 
wegen, wodurch  selbst  relativ  trockene  Winde  in  Regenwinde  ver- 
wandelt werden  können. 

Auch  jede  Abnahme  der  Geschwindigkeit  eines  horizontalen 
Luftstromes  muß,  solange  er  sich  nicht  verbreiten  kann,  seinen 
Querschnitt  erhöhen,  also  ein  Aufsteigen  bewirken;  und  solche  Ver- 
änderungen vollziehen  sich  nicht  bloß  dort,  wo  die  Reibung  zunimmt, 
wie  bei  dem  Übergange  eines  Luftstromes  von  dem  Meere  auf  das 
Land,  oder  von  einer  nackten  Fläche  auf  eine  mit  Vegetation  be- 
kleidete, oder  von  einer  Grasffäche  in  den  Wald,  sondern  auch  mitten 
auf  dem  Ozean.4 

So  lange  der  Wasserdampf  gasförmig  in  der  Atmosphäre  ver- 


X Nehmen  wir  eine  Temperaturabnahme  von  1,3°  an,  so  wird  die  Luft- 
temperatur, wenn  wir  unmittelbar  über  dem  Boden  26°  haben,  in  500  in 
Höhe  20°  und  in  1000  m Höhe  14°  betragen.  Steigt  ein  Luftteilchen  der 
untersten  Schicht  in  die  Höhe,  so  wird  cs  sich  höchstens  um  1°  für  je  100  m 
abkühlen,  also  in  500  m 21°  und  1000  m 16°  besitzen.  In  jedem  Niveau 
ist  es  aber  wärmer,  als  die  umgebende  Schicht  und  es  findet  erst 
Ruhe,  wenn  es  eine  gleichwarme  Schicht  erreicht.  Andererseits  ist  die  zum 
Krsatz  von  oben  kommende  Luft  in  jedem  Niveau  kälter,  als  die  Umgebung 
(1000  m 14°,  500  m 19°,  0 m 24 °)  und  kann  bis  zum  Boden  gelangen.  Auf 
diese  Weise  kann  eine  vertikale  Luftzirkulation  bis  in  beträchtliche  Höhen  sich 
entwickeln.  Das  ist  weder  bei  dem  indifferenten  (Temperaturabnahme  1°), 
noch  bei  dem  stabilen  Gleichgewichtszustände  der  Luft  (Temperaturabnahme 
weniger  als  1 •)  möglich.  Ein  labüer  Gleichgewichtszustand  kann  natürlich  nur 
bei  Windstille  entstehen,  da  sonst  Mischung  der  Luftschichten  eintritt 


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Der  Wasserdampf  in  der  Atmosphäre  u.  die  Ursachen  seiner  Kondensation.  121 

teilt  ist,  ist  er  vollkommen  durchsichtig.  Die  blaue  Farbe  des 
Himmels  ist  ihm  zuzuschreiben,  daher  sie  um  so  dunkler  erscheint, 
je  höher  der  Standpunkt  des  Beobachters,  oder  je  trockener  die  Luft 
ist.5  Kondensiert  sich  der  Wasserdampf  zu  Tröpfchen,  so  erzeugt  er 
Trübung  und  eine  weißliche  Färbung  des  Firmamentes.  Eine  örtliche 
Anhäufung  von  Wassertröpfchen  verschiedener  Größe  oder  in  bedeu- 
tenden Höhen  von  Schneekrystallen x nennt  man  Wolken.6  Nebel 
ist  nichts  anderes  als  Wolkenbildung  in  den  untersten  Luftschichten. 
Er  tritt  als  eine  beständige  und  daher  geographisch  wichtige  Erschei- 
nung besonders  an  den  Berührungsstellen  kalter  und  warmer  Meeres- 
ströme (z.  B.  an  der  Bank  von  Neufundland)  auf,  desgleichen  auch 
an  den  von  kalten  Meeresströmungen  begleiteten  tropischen  Küsten. 

Ein  geographisch  wichtiges  Element,  dem  aber  bisher  ver- 
hältnismäßig wenig  Beachtung  geschenkt  wurde,  ist  der  mittlere 
Grad  der  Bewölkung, xx  da  von  ihr  die  Verbreitung  mancher 
Pflanzenarten  (z.  B.  der  Dattelpalme)  ebenso  abhängig  ist,  wie  von 
der  Temperatur.7  Welch  ein  gewaltiger,  tiefgreifender  Gegensatz 


Nord 

70°  00°  SO9  W 30°  SO9  IO9  O 


Süd 

IO  20  30  <rO  50  60 


Fig.  25.  Mittlere  Verteilung  der  Bewölkung  auf  der  Erde. 
Bewölkung.  Mittlerer  jährl.  Luftdruck. 


besteht  z.  B.  in  dieser  Beziehung  zwischen  den  Wüsten  und  unseren 
heimatlichen  Gegenden!  Biskra  am  Nordrande  der  Sahara  hat  im 
Jahre  durchschnittlich  264,4  heitere  Tage,  dagegen  Berlin  nur  30,6. 
Und  der  letztere  Ort  stellt  nicht  etwa  ein  Extrem  dar,  denn  die 
Bewölkung  nimmt  in  Europa  in  nordwestlicher  Richtung  zu  und 
erreicht  ihr  Maximum  auf  den  britischen  Inseln  und  in  Skandinavien. 
Tkisskrenc  de  Bobt  hat  die  durchschnittliche  Bewölkung  der 

x.  Diese  Erfahrung  verdanken  wir  der  Ballonfahrt  Bersons  im  Dezember 
1894  (8.  S.  55).  Bisher  hielt  man  die  Cirruswolken  für  Anhäufungen  von  Eis- 
uadeln. 

x x Ausgedrückt  in  Zahlen  von  1 (ganz  heiter)  bis  10  oder  bis  100  'ganz 
bewölkt). 


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122 


Die  Lufthülle. 


Breitengrade  ermittelt,8  und  tragt  man  seine  Zahlen  zusammen 
mit  den  mittleren  Barometerständen  in  ein  Coordinatensystem  ein 
(s.  Fig.  25),  so  erhält  man  einen  klaren  Einblick  in  den  Zusammen- 
hang zwischen  der  Bewölkung  und  der  allgemeinen  Luftbewegung. 
Wo  die  Luft  in  die  Höhe  steigt  und  sich  abkühlt,  wie  im  Bereich 
der  äquatorialon  Depressionszone,  da  erreicht  die  Bewölkung  einen 
hohen  Betrag;  dann  folgen  in  der  Breite  des  subtropischen  Hoch- 
druckgürtels, wo  die  Luft  herabsinkt,  Zonen  mit  heiterem  Himmel; 
dann  verfinstert  er  sich  wieder,  um  sich  gegen  die  Pole  hin  wieder 
etwas  aufzuklären.  Daß  die  Bewölkung  der  vorwiegend  ozeanischen 
Südhemisphäre  die  der  nördlichen  übertrifft,  ist  ohne  weiteres  ver- 
ständlich. Auf  Elfeuts  Bewölkungskarte  von  Mitteleuropa®  tritt 
neben  dem  allgemeinen  Gesetze  der  Zunahme  nach  Norden  auch 
der  Einfluß  des  Geländes  deutlich  hervor,  indem  die  Luvseiten  der 
Gebirgszüge  immer  bewölkter  sind  als  die  Leeseiten,  und  gebirgs- 
umschlossene  Gebiete  sich  meist  eines  verhältnismäßig  heiteren  Himmels 
erfreuen. 

Der  Kondensationsprozeß  des  atmosphärischen  Wasserdampfes, 
der  mit  der  Wolkenbildung  beginnt,  führt  in  seiner  weiteren  Ent- 
wicklung zu  Niederschlägen  in  der  Form  von  Regen,  Schnee 
oder  Hagel.  Sie  sind  neben  der  Wärme  und  den  Winden  das 
dritte  klimatologische  Hauptelement,  von  dem  nicht  bloß  das  orga- 
nische Leben,  sondern  auch  die  Formen  der  Erdoberfläche  zum  großen 
Teil  abhängig  sind. 

Litteraturnachweise.  1 II.  Mayer,  Jährlicher  Gang  der  Luftfeuchtig- 
keit in  Norddeutschland,  in  der  Meteorologischen  Zeitschrift  1885.  Hann,  Die 
Luftfeuchtigkeit  als  klimatischer  Faktor,  in  der  Wiener  klinischen  Wochen- 
schrift 1888.  — * Chistoni,  Sülle  cause  della  formazione  della  rugiada,  in  den 
Annali  di  Meteorologia,  I.  Teil,  1880.  — 5 Citiert  S.  62  Note  2.  — 4 Woeikow 
in  der  Meteorologischen  Zeitschrift  1894,  S.  401.  — 6 Perntee,  Die  blaue  Farbe 
des  Himmels,  Wien  1890.  — 6 Wolkenatlas,  herausgegeben  von  Hii.debrandsson, 
Koppen  und  Neumayer,  Hamburg  1890.  — 1 Teisserenc  de  Bort,  Etüde  sur 
la  distribution  moyenne  de  la  nebulosite  >i  la  surtace  du  globc,  in  den  Annales 
du  bureau  central  möteorologique  de  Paris.  Erster  Versuch  von  Bewölkungs- 
karten der  ganzen  Erde  für  alle  Monate  und  das  Jahr.  — s Teisserenc  de  Bort 
im  American  Meteorological  Journal  1890,  S.  49.  — 9 Ei-fert,  Die  Bewölkung 
in  Mitteleuropa,  in  Petermanns  Mitteilungen  1890. 

Die  Verteilung  der  jährlichen  Niederschlagsmengen. 

(Siehe  Karte  XI.) 

Gesetze  der  Verbreitung  der  Niederschläge.  Kein  zweites  meteo- 
rologisches Element  ist  so  sehr  von  lokalen  Verhältnissen  abhängig, 
keines  wechselt  so  sehr  von  Jahr  zu  Jahr,  als  die  Niederschlags- 
menge, und  zwar  — zum  Unterschiede  von  der  Temperatur  — in 


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Die  Verteilung  der  jährlichen  Niederschlagsmengen.  123 

den  Tropenländern  ebenso,  wie  in  der  gemässigten  Zone.  Es  sind 
daher  zur  Feststellung  verlässlicher  Mittelwerte  langjährige  Beob- 
achtungsreihennötig, und  wie  wenig  solche  besitzen  wir  ausser  Europa! 
Trotzdem  sind  die  Hauptgesetze  schon  jetzt  erkennbar  und  ist  eine 
kartographische  Darstellung  möglich,  vorausgesetzt,  dass  sie  sich  nur 
auf  das  Festland  beschränkt  und  auf  alle  Details  verzichtet.1 

Zunächst  zeigt  sich  eine  Abhängigkeit  der  jährlichen  Nieder- 
schlagsmenge von  der  Breite.  Murray2  hat  sie  für  die  ein- 
zelnen Parallelzonen  von  je  10°  nach  Loomis  Regenkarte  berechnet; 
da  aber  die  Zonen  gegen  die  Pole  zu  immer  kleiner  werden,  so 
müssen  Relativwerte  — in  unserem  Falle  cbm  Niederschlag  auf  je 
ein  qkm  — eingeführt  werden,  und  man  erhält  sodann: 


Breite 

0 

10 

20 

30 

40 

50 

60 

70 

80 

10° 

20° 

30° 

>**• 

O1 

50° 

60° 

70° 

80" 

90° 

Nördl.  Hemisphäre 

21,3 

10,3 

7,» 

5,9* 

«,i 

5,9 

4,o 

3,8 

3,8* 

Südl.  Hemisphäre 

20,» 

13,3 

7,i* 

7,3 

11,8 

11,3 

10,T  * 

Ein  gewisser  Parallelismus  mit  der  Verteilung  der  Bewölkung 
und  dem  allgemeinen  Kreisläufe  der  Luft  ist  unverkennbar,  nur  ist 
das  äquatoriale  Maximum  hier  beträchtlich  grösser,  als  das  der  mitt- 
leren Breiten,  und  das  polare  Minimum  übertrifft  wenigstens  auf 
unserer  Halbkugel  das  der  Rossbreiten  (subtropische  Hochdruckzonen) 
um  ein  bedeutendes.  Indeß  würde  sich  die  Niederschlagskurve  viel- 
leicht noch  enger  an  die  Bewölkungskurve  anschliessen,  wenn  wir  uns 
nicht  auf  die  kontinentalen  Regenmengen  beschränken  müssten.  Mittel- 
werte von  mehr  als  500  cm  sind  aus  der  gemässigten  Zone  nicht  be- 
kannt, und  über  100  cm  steigt  hier  die  Niederschlagshöhe  nur  an  den 
Windseiten  der  Gebirge,  während  sie  im  Äquatorialgürtel  nur  stellen- 
weise darunter  sinkt.  Die  arktischen  Gegenden  sind,  soweit  wir  sie 
kennen,  regenarme  Gebiete.  Dagegen  stehen  die  24stündigen  Maxima 
der  Regenhöhe  in  unseren  Breiten  den  tropischen  nicht  nach.8  Das 
grösste  bekannte  Maximum  (1036  mm)  weist  zwar  eine  tropische 
Station,  Tscharapundschi  in  Assam,  auf,  aber  nicht  sehr  viel  kleiner 
ist  das  zu  Joyeuse  am  Ostabhange  der  Cevennen  (792  mm).  Tägliche 
Regenmengen  von  200  mm  und  darüber  sind  auch  in  der  warmen 
Zone  nicht  allgemein,  und  andererseits  kommen  solche  auch  in  Eng- 
land, im  südöstlichen  Frankreich  und  in  den  Südalpen  vor  und  ver- 
ursachen plötzliche  Überschwemmungen. 

Wir  haben  oben  gesagt,  dass  der  atmosphärische  Dampfgehalt 
mit  der  Breite  abnimmt,  die  relative  Feuchtigkeit  aber  sich  steigert. 
Der  Regen  steht  also  wohl  zu  ersterem,  nicht  aber  zu  letzterem 
im  direkten  Verhältnisse.  Noch  ein  anderes  Beispiel  zeigt  uns,  dass 
die  Luft  trotz  beträchtlicher  Feuchtigkeit  wenig  Regen  liefern  kann. 


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124 


Die  Lufthülle. 


Die  mittlere  relative  Feuchtigkeit  beträgt  in  Port  Said  am  Sueskanal 
ebenso  wie  in  Rom  67  Proz.,  trotzdem  fallen  dort  durchschnittlich 
nur  52  mm  und  hier  821  mm.  Im  Sommer  ist  die  Luft  in  Port 
Said  um  9 Proz.  feuchter,  als  in  Rom,  aber  trotzdem  ist  Port  Said 
regenlos,  während  Rom  80  mm  Niederschlag  aufweist  In  den 
polaren  Gegenden  ist  wenig  Veranlassung  zu  aufsteigenden  Luft- 
strömen vorhanden,  und  die  feuchte  Atmosphäre  überschreitet  selten 
den  Sättigungsgrad ; in  den  kontinentalen  Gebieten  der  niederen  Breiten 
können  Mangel  an  orographischen  Hindernissen  und  die  starke  Er- 
hitzung der  untersten  Luftschichten,  in  denen  die  Regentropfen  wieder 
verdunsten,  ehe  sie  den  Boden  erreichen,  den  Widerspruch  zwischen 
Feuchtigkeitsgehalt  und  Regenmenge  erklären.  Namentlich  für  den 
zuletzt  genannten  Umstand  sprechen  unmittelbare  Beobachtungen 
Pezewalskis  auf  dem  Alaschanplateau. 

Wenn  auch  die  fliessenden  und  stehenden  Gewässer,  sowie  die 
Pflanzendecke  des  Festlandes,  vor  allem  die  ausgedehnten  Urwälder 
mancher  Tropengegenden  durch  ihre  Verdunstung  der  Luft  Feuchtig- 
keit zuführen,  so  bleibt  doch  immer  das  Meer  die  Hauptquelle  derNieder- 
schläge,  und  die  letzteren  müssen  daher  von  der  Küste  landeinwärts 
abnehmen.  Dies  zeigt  sich  nicht  nur  im  allgemeinen  in  den  jähr- 
lichen Regensummen,  sondern  auch  in  der  Häufigkeit  der  Niederschläge 
und  in  der  mittleren  Dauer  der  nassen  und  trockenen  Perioden. 

Von  den  Küsten  müssen  wieder  jene  regenreicher  sein,  die  in  der 
Regel  von  Seewinden  getroffen  werden,  also  in  höheren  Breiten  die 
westlichen  und  im  Passatgebiete  die  östlichen.  Südamerika  illustriert 
dieses  Gesetz  in  prägnantester  Weise.  Aus  dem  auf  S.  120  Gesagten 
ergiebt  sich  ferner,  dass  das  Relief  des  Erdbodens  von  massgebendem 
Einflüsse  auf  die  Niederschlagsmenge  ist.  Sie  nimmt  mit  der  An- 
näherung an  das  Gebirge  zu  und  in  diesem  selbst  mit  der  Höhe, 
aber  nur  bis  zu  einer  gewissen  Grenze.  In  Hiudustan  liegt  nach 
Hill  die  Maximalregion  des  Regens  in  1270  m Höhe,  d.  h.  dort,  wo 
im  Mittel  eine  von  der  Ebene  aufsteigende  Luftmasse  den  Sättigungs- 
punkt des  Wasserdampfes  erreicht.  Der  Mt.  Owen  Stanley  auf  Neu- 
guinea, nur  8°  vom  Äquator  entfernt,  ist  bis  2400  m feucht,  dann 
erst  trocken.  In  den  bayrischen  Alpen  erreicht  die  Maximalzone  im 
Winter  nur  eine  Höhe  von  600  bis  1000  m,  steigt  aber  mit  zuneh- 
mender Wärme  immer  höher.  Es  ist  daher  einleuchtend,  welche 
wichtige  Rolle  die  Gebirge,  besonders  in  sonst  regenarmen  Gegenden 
spielen.  Selbst  in  der  Sahara  vermögen  sie  noch  zeitweise  kräftige 
Flüsse  zu  entsenden,  im  regenlosen  Sommer  Südeuropas  werden  die 
Gebirge  immer  noch  benetzt,  und  in  der  Sandwüste  am  oberen 
Hoangho  ist  der  Alaschan  mit  einem  Waldgürtel  bekleidet. 


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Die  Verteilung  der  jährlichen  Niederschlagsmengen.  125 

Wenn  ein  Gebirgszug  mehr  oder  weniger  senkrecht  steht  zur 
Richtung  der  feuchten  Luftströmungen,  so  ist  die  Windseite  regen- 
reicher, als  die  Leeseite,  und  dieser  Kontrast  steigert  sich  mit  der 
Höhe  des  Gebirges.  Sein  Einfluss  reicht  auch  noch  weit  über  seine 
orographischen  Grenzen  hinaus,  indem  er  kleineren  oder  grösseren 
Strecken  des  im  Windschatten  gelegenen  Flachlandes  Regen  ent- 
zieht, bis  eine  abermalige  Erhebung  des  Bodens  eine  abermalige 
Steigerung  der  Niederschläge  hervorruft.  Darauf  beruht  die  Be- 
deutung so  vieler  Gebirge  als  Wetter-  und  Klimascheiden. x 

Nordkontinente  und  Sahara.  Halten  wir  uns  diese  wenigen 
Hauptsätze  vor  Augen  und  erinnern  wir  uns  an  die  Verteilung  der 
Winde,  so  wird  uns  das  Bild  auf  Karte  XI  sofort  verständlich 
werden.  Für  Europa  und  Asien  nördlich  vom  Hochlandgürtel  ist 
der  Atlantische  Ozean  der  Regenspender.  Daher  die  Abnahme 
der  Niederschläge  von  Westen  nach  Osten,  ein  Gesetz,  das  ebenso 
zutage  tritt,  wenn  wir  den  ganzen  Festlandkomplex  betrachten,  wie 
wenn  wir  die  West-  und  Ostküsten  der  Halbinseln  und  Inseln  mit- 
einander vergleichen.  Die  größten  Mengen  finden  wir  an  den  west- 
lichen Küstengebirgen  (Dommesten  in  Norwegen  195,  Glenquoich  in 
Inverness,  Schottland,  275,  Sierra  Estrella  310  cm),  an  den  Alpen- 
rändern, besonders  am  südlichen  (Hermsburg  in  Krain  317  cm) 
und  im  dalmatinischen  Gebirge  (Crkvice  429  cm).  Da  die  Terrain- 
gestaltung in  der  europäischen  Westhälfte  so  mannigfaltig  ist,  so 
wechselt  natürlich  auch  die  Regenhöhe  auf  kurze  Distanzen,  aber 
im  allgemeinen  beträgt  sie  mehr  als  50  cm.  Unter  dieses  Maß 
sinkt  sie  nur  in  einigen  Teilen  von  Schweden,  im  östlichen  Teile  des 
Seinebeckens,  im  gebirgsumschlossenen  Böhmen  und  südlichen  March- 
gebiete, vor  allem  aber  in  den  inneren  Plateaulandschaften  (Sala- 
manca  27  cm)  und  an  der  SO.-Küste  Spaniens,  dem  nieder- 


x Wie  dieser  Gegensatz  auch  innerhalb  eines  Gebirgssystems  sieh  geltend 
macht,  zeigt  folgendes  Beispiel.  Der  Regen  kommt  hier,  wie  in  ganz  Europa, 
vom  Westen. 


Westseite 

| Ostseite 

o 

'V 

3 

s 

O 

'S 

S 

.o 

s 

Langen 

a 

1 

3 

tc 

© 

TZ 

ja 

V 

«i 

CO 

a 

5 

3 

^ 1 
35 

u 

3 

I 

Gerade  Entfernung 

von  | 

I 

Arlberg  in  km  . . 

30,t 

10,, 

9,0 

5,, 

i,* 

3,8 

26, e 

Seehöbe  m . . . . 

560 

1062 

1220 

1405 

l 1790 

1280 

810 

Niederschlag  cm  . . 

‘ ’ 1 

119 

151 

183 

185 

189 

119 

i 

61 

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126 


Die  Lufthülle. 


schlagsärmsten  Gebiete  von  Westeuropa,  wo  nach  Willkomm  drei 
und  mehr  Jahre  ohne  einen  einzigen  anhaltenden  Regen  vergehen, 
die  Bewölkung  saliarisch  gering  ist,  und  die  Dattelpalme  ihre  Früchte 
reift. 

In  Osteuropa  beträgt  die  jährliche  Niederschlagsmenge  fast  allent- 
halben unter  60  cm,  im  mittleren  Westsibirien  ca.  40,  im  Lena- 
gebiete  meist  unter  30  und  am  Ochotskischen  Eismeere,  soweit  nicht 
das  Gebirge  an  die  Küste  herantritt,  unter  20  cm.  Mit  der  Ab- 
nahme nach  Osten  verbindet  sich  im  russischen  Reiche  aber  auch 
eine  Abnahme  nach  Norden  und  Süden,  und  die  Regenmenge  er- 
reicht ihr  Minimum  im  turanischen  Tieflande  bis  zum  Kaspisee, 
einem  echt  kontinentalen  Gebiete,  das  von  allen  Meeren  entweder 
durch  weite  Flachlandstrecken  oder  Hochgebirge  getrennt  ist 
(Astrachan  16  cm,  Petro  Alexandrowsk  am  Amu  Darja  6 cm). 

Jenseits  des  asiatischen  Hochlandgürtels  liegt  das  pazifisch- 
indische Monsungebiet.  Das  östliche  Kamtschatka,  Japan,  China 
südlich  vom  Jangtse-Kiang  und  fast  ganz  Ostindien  haben  eine 
Niederschlagsmenge  von  mehr  als  100  cm.  Da  an  der  pazifischen 
Seite  der  sommerliche  SO.-Wind  der  Regenbringer  ist,  so  nimmt  der 
Niederschlag  in  nordwestlicher  Richtung  ab.  Für  die  beiden  in- 
dischen Halbinseln  ist  der  SW.-Monsun  der  Regen  wind,  daher  die 
Westküsten  2—3  mal  mehr  Niederschläge  empfangen,  als  die  Ostküsten. 
In  Hindustan  weht  dieser  Monsun  aus  dem  bengalischen  Golfe  thal- 
aufwärts  und  in  gleicher  Richtung  nehmen  die  Niederschläge  ab. 
Im  östlichen  Bengalen  beträgt  ihre  jährliche  Höhe  überall  über 
200  cm;  am  Südabhange  des  Khassiagebirges  liegt  in  1250  m Höhe 
der  einzige  bekannte  Ort  der  Erde  mit  mehr  als  10  m Regenhöhe 
(Tscharapundschi  1204  cm).  Im  westlichen  Bengalen  schwankt  die 
Niederschlagshöhe  zwischen  1 — 200  cm,  in  der  Ebene  am  mittleren 
Ganges  und  an  der  Dschamuna  beträgt  sie  durchschnittlich  85  cm, 
im  südlichen  Pandschab  und  am  mittleren  Indus  sinkt  sie  schon 
unter  20  cm  herab.  Auf  dem  Plateau  von  Dekan  dürfte  sie  im 
Mittel  etwas  über  70  cm  betragen. 

Zwischen  dem  atlantisch  - arktischen  und  pazifisch  - indischen 
Regengebiete  schieben  sich  die  niederschlagsarmen  Plateauflächen 
von  Zentralasien,  Iran  und  zum  Teil  auch  Kleinasien  ein,  deren  Ge- 
birgsumrahmung  allseitigen  Windschatten  erzeugt.  Regenlos  sind 
freilich  auch  die  mongolischen  Wüsten  und  Steppen  nicht,  wie 
Pbzewalski  bezeugt,  aber  selbst  der  nördliche  Gebirgsrand  hat  nur 
ca.  20  cm  Niederschlag,  und  nur  über  das  nordöstliche  Tibet  ver- 
breitet der  Sommermonsun  noch  reichlichere  Benetzung.  Im  Innern 
von  Iran  erreicht  die  jährliche  Regenmenge  nach  St.  John  nicht 


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Die  Verteilung  der  jährlichen  Niederschlagsmengen.  127 

viel  mehr  als  12 — 13  cm.  Dagegen  verdankt  jenes  Wüstengebiet, 
das  sich  von  Mesopotamien  über  Syrien,  Arabien  und  die  Sahara 
bis  zum  Atlantischen  Ozean  ausdehnt,  seine  Regenarmut  lediglich 
den  beständigen  Nordwinden,  die,  wenn  sie  auch  vom  Meere  kommen 
— wie  im  Sommer  in  der  Sahara  — , wegen  der  höheren  Tempe- 
ratur der  Wüstenluft  relativ  trocken  sind.  Nur  der  Nordabhang  des 
Atlas  und  die  Libanonküste  werden  etwas  ausgiebiger  benetzt  Von 
den  Rändern  dieses  Gebietes  (Biskra  20,  Alexandrien  22,  Jerusalem 
55  cm)  nimmt  die  Regenmenge  nach  dem  Innern  rasch  ab:  Bagdad  15, 
Port  Said  5,2,  Kairo  3,4,  Sues  2,8  cm.  Es  zeigt  sich  also,  daß  selbst 
die  unmittelbare  Nachbarschaft  des  Meeres  dieses  Schicksal  nicht 
zu  wenden  vermag. 

In  Nordamerika  gestaltet  sich  die  Regenverteilung  infolge 
verschiedener  orographischer  Verhältnisse  wesentlich  anders.  Der 
pazifische  Regenbezirk,  der  dem  atlantischen  der  alten  Welt  ent- 
spricht, reicht  nur  bis  zur  Küstencordillere,  dagegen  ist  der  des 
mexicanischen  Golfs  und  des  Atlantischen  Ozeans  verhältnismäßig 
viel  weiter  ausgedehnt,  als  die  entsprechenden  südlichen  und  öst- 
lichen Gebiete  Asiens.  Das  Hauptreservoir  für  die  nordamerikanische 
Ostabdachung  ist  der  Golf  von  Mexico,  dessen  warme  und  dampf- 
reiche Luft  einerseits  durch  die,  die  Vereinigten  Staaten  durch- 
querenden Minima,  anderseits  durch  die  kontinentale  Barometer- 
depression im  Sommer  landeinwärts  gezogen  wird,  da  keine  Gebirge 
mit  äquatorialer  Richtung  hindernd  in  den  Weg  treten.  Daher  ist 
das  Areal,  das  trotz  des  Vorherrschens  der  Ebene  über  100  cm 
jährlichen  Niederschlags  empfangt,  hier  größer,  als  irgendwo  in  der 
alten  Welt  nördlich  vom  30.  Breitengrade.  Erst  von  Virginia  an 
beginnt  das  eigentliche  Regengebiet  des  Atlantischen  Ozeans.  In  den 
nördlichen  Territorien  der  Union  und  westlich  von  der  Hudsonbai 
sinkt  die  Niederschlagshöhe  unter  25  cm,  entsprechend  den  trocke- 
nen Gegenden  von  Turan  und  Ostsibirien.  Auch  Vertreter  der  beiden 
anderen  Arten  regenarmer  Gebiete  finden  wir  hier.  Wo  an  der 
pazifischen  Küste  die  Aquatorialwinde  aufhören,  werden,  wie  an  der 
atlantischen  Küste  Nordafrikas,  die  Niederschläge  immer  seltener 
und  dürftiger.  Mogador  an  der  marokkanischen  und  S.  Diego  an 
der  califomi8chen  Küste,  nahezu  unter  gleicher  Breite,  haben  auch 
fast  gleichviel  Regen  (27  und  26  cm).  Es  ist  das  eine  allen  West- 
küsten im  Rücken  des  Passates  eigentümliche  Erscheinung,  aber 
trotzdem  auffallend,  weil  hier  Länderstriche  angesichts  des  Ozeans 
verdursten.  Die  subtropischen  Anticyclonen  scheiden  sie  ebenso  wirk- 
sam, wie  ein  hohes  Gebirge,  vom  regenspendenden  Meere:  und  wenn 
auch  Seewinde  in  das  Küstenland  eindringen,  so  kommen  sie  doch 


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128 


Die  Lufthülle. 


nicht  von  weit  her  und  müssen  eine  Zone  kalten  Küstenwassers 
überwehen,  so  daß  sie  relativ  trocken  im  wärmeren  Lande  anlangen. 
Mit  Ausnahme  der  Sahara,  deren  klimatische  Verhältnisse  etwas 
komplizierter  sind,  dehnen  sich  diese  subtropischen  Trocken- 
gebiete nirgends  weit  landeinwärts  aus;  die  nahen  Küstengebirge 
setzen  ihnen  bald  eine  Grenze.  So  auch  in  Nordamerika;  hier 
aber  schließt  sich  unmittelbar  daran  eine  von  bedeutenden  Boden- 
erhebungen eingeschlossene  Windschattenregion,  die  nördlich  über 
Nevada  und  östlich  bis  zum  Felsengebirge  sich  ausdehnt.  In  der 
Coloradowüste  ist  der  Niederschlag  kaum  reichlicher  als  in  der 
Sahara,  denn  Fort  Mohave  hat  nur  6 cm  und  selbst  Fort  Yuma  in 
der  Nähe  des  Meeres  nur  9 cm. 

Südkontinente.  Die  Landstriche  zu  beiden  Seiten  des 
Äquators  haben  mit  wenigen  Ausnahmen  eine  jährliche  Nieder- 
schlagshöhe von  mehr  als  100  cm,  so  1)  der  ostindische  Archipel  und 
der  nördlichste  Teil  von  Australien  bis  15 l/s°  B.  am  Überlandstele- 
graphen und  bis  1 8 x/2 0 B.  in  Queensland;  2)  das  mittlere  Afrika, 
wo  wahrscheinlich  die  ganze,  in  tropischer  Pflauzenfülle  prangende 
Aquatorialzone  sehr  regenreich  ist,  da  die  Messungen  in  der  öst- 
lichen Seenregion  kaum  minder  hohe  Resultate  ergaben,  als  an  den 
Küsten;  endlich  3)  in  der  neuen  Welt  Zentralamerika,  der  größte 
Teil  von  Westindien,  das  nördliche  Südamerika,  mit  Ausnahme  der 
zentralen  Gegenden,  die  ganze  Amazonasebene  und  sogar  die  äqua- 
torialen Hochthäler  der  Andes.  Jenseits  des  Gleichers  ändert  sich 
die  Regenverteilung  aber  bald  und  zwar  auf  allen  drei  Kontinenten  in 
demselben  Sinne.  Niederschläge  bringt  hier  der  Passat,  teils  der  regel- 
mäßige, teils  der  rückläufige ; die  Hauptregenquelle  ist  daher  für  Austra- 
lien die  Südsee,  für  Südafrika  der  Indische  und  für  Südamerika  der 
Atlantische  Ozean.  Überall  nimmt  die  Niederschlagshöhe  nach  Westen 
ab,  doch  ruft  die  ungleiche  Terrainbildung  der  drei  Festländer  tief- 
greifende Unterschiede  hervor.  Südamerika,  das  seine  lange  Ab- 
dachung nach  Osten  kehrt,  ist  bis  an  den  Fuß  der  Andes  wohl  bewässert 
und  nur  das  Innere  des  brasilianischen  Massivs,  die  sogenannten 
Campos  dürften  etwas  trockener  sein.  Weiter  als  sonst  dehnt  sich 
hier  das  subtropische  Trockengebiet  aus;  der  ganze  pazifische  Küsten- 
strich von  5 — 30°  S.  ist  ein  fast  absolut  niederschlagsloses  Gebiet, 
wo  Jahre  ohne  einen  Tropfen  Regen  verfließen,  was  aber  ebenso- 
wenig, wie  in  anderen  Wüsten,  gelegentliche  wolkenbruchartige 
Regengüsse  (z.  B.  im  Winter  1881  in  der  Atacamawüste)  aus- 
schließt Das  kalte  Küstenwasser  erzeugt  im  Winter  dichte  Nebel 
(garüas),  die  aber  nach  Woeikows  Angabe  auf  die  Region  von 
300 — 1000  m Seehöhe  beschränkt  sein  sollen. 


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Die  Verteilung  der  jährlichen  Niederschlagsmengen.  129 

Einen  schroffen  Gegensatz  zu  Südamerika  bildet  Australien. 
Die  Lage  des  Gebirges  am  Ostrande  beraubt  die  inneren  Ebenen  bis 
gegen  die  Westküste  hin  der  pazifischen  Feuchtigkeit.  Zwar  hat 
das  Flußgebiet  des  Darling  und  Murray  noch  immer  eine  mittlere 
Niederschlagsmenge  von  40  cm  und  erst  in  den  zentralen  Niederungen 
zwischen  25  und  30°  B.  sinkt  sie  unter  20  cm,  aber  Mittelwerte 
geben  hier  kein  ganz  zutreffendes  Bild  von  den  Regenverhältnissen. 
Der  eigentliche  Charakterzug  derselben  ist  vielmehr  die  Unregel- 
mäßigkeit, der  Wechsel  von  oft  jahrelangen  Dürreperioden  und  ver- 
heerenden Gewitterregen. 

Auch  Südafrika  senkt  sich  nach  Westen,  aber  der  östliche 
Hochrand  ist  zwischen  den  Drakeubergen  und  dem  Seenplateau 
mehrfach  unterbrochen.  Daher  hat  erst  die  Westhälfte  Regen- 
mengen unter  50  cm,  und  selbst  die  Kalahariwüste  erhält  regel- 
mäßigere und  nachhaltigere  Niederschläge,  als  z.  B.  die  Sahara. 
Fast  regenlos  ist  nur  die  Küstenterrasse  vom  Kap  Negro  (16°  S.) 
bis  über  den  Oranje  hinaus;  das  ist  die  subtropische  Wüste,  der  nur 
die  dichten  Winternebel  etwas  Feuchtigkeit  bringen. 

Wie  mit  einem  Zauberschlage  verändert  sich  die  Situation,  so- 
bald wir  über  die  Hauptwindscheide  in  das  Gebiet  der  vorherrschenden 
NW.-  und  W.- Winde  treten.  In  Südamerika  x wird  nun  die  West- 
seite der  Andes  regenreich  und  die  Ostabdachung  kommt  in  den 
Windschatten.  An  der  Südküste  des  Kaplandes  ist  ebenfalls  eine 
Regenabnahme  nach  Osten  bemerkbar,  und  auf  Neuseeland  kommt 
der  Gegensatz  zwischen  dem  niederschlagsreicheren  Westen  und 
niederschlagsarmeren  Osten  zur  vollen  Geltung. 

Mittlere  Regenwahrscheinlichkeit.4  Wir  haben  bisher  nur  von 
den  jährlichen  Regenmengen  gesprochen,  ohne  auf  die  Regendauer 
oder  Regenwahrscheinliclikeitxx  Rücksicht  zu  nehmen.  Da 
Menge  und  Dauer  der  Niederschläge  aber  nicht  gleichmäßig  wachsen 
und  abnehmen,  so  müssen  wir  — soweit  es  das  Beobachtungsmaterial 
gestattet  — wenigstens  einen  flüchtigen  Blick  auf  die  geographische 

x Den  raschen  Übergang  an  der  chilenischen  Küste  macht  folgende 
Tabelle  ersichtlich: 

Copiapo  27  0 8.  0,8  cm  jährl.  Regenmenge 

Serena  29,8  4 

Valparaiso  33,2  34 

Tal  ca  35,»  50 

Conception  36,8  237 

x x Der  Quotient  aus  der  Anzahl  der  Regentage  einer  Periode  (Monat, 
Jahr  u.  s.  w.)  dividiert  durch  die  Gesamtzahl  der  Tage  der  betreffenden  Periode. 
Eine  Regenwahrscheinlichkeit  von  0,u>  sagt  also,  daß  von  100  Tagen  50  Regen- 
tage sind. 

Scpan,  Physische  Erdkunde.  2.  AuH.  9 


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130 


Die  Lufthülle. 


Verteilung  der  Regenwahrscheinlichkeit  werfen.  Es  erscheint  dies 
utn  so  notwendiger,  als  nur  auf  diesem  Wege  ein  Vergleich  der 
Niederschlagsverhältnisse  auf  dem  Meere  und  Festlande 
möglich  ist:  ein  Vergleich,  bei  dem  man  freilich  stets  im  Auge  be- 
halten muß,  daß  die  marinen  Mittelwerte  auf  ganz  anderen  Grund- 
lagen beruhen,  als  die  kontinentalen,  die  aus  regelmäßigen,  mehr- 
jährigen Beobachtungen  an  einem  und  demselben  Orte  hervor- 
gehen. 

Auf  dem  Atlantischen  wie  auf  dem  Indischen  Ozean  nimmt  die 
Regenwahrscheinlichkeit  von  der  äquatorialen  Kalmenzone  nach 
Norden  und  Süden  ab,  jenseits  der  Passatgrenze  im  Gebiete  der 
Äquatorialwinde  wieder  zu,  im  Norden  der  subarktischen  Cyklone 
aber  jedenfalls  wieder  ab.  Die  Abhängigkeit  von  der  Windverteilung 
tritt  somit  ganz  deutlich  hervor,  und  — was  besonders  beachtens- 
wert ist  — am  öftesten  regnet  es  nicht  in  der  Äquatorialzone,  son- 
dern in  den  mittleren  Breiten.  Man  darf  auch  die  Vermutung  aus- 
sprechen, daß  die  südlichen  Ozeane  mehr  Niederschläge  erhalten, 
als  die  nördlichen,  und  angesichts  der  sehr  viel  grösseren  Wasser- 
bedeckung der  Südhalbkugel  ist  dies  auch  nicht  auffallend. 


Atlantischer  Ozean  nach  Klippen  und  Sprung-.5  Mittlere  Regen- 
wahrscheinlichkeit 

Gebiet  der  Westwinde  (40 — 50°  N.) 0,«t 

Übergangsgebiet  (20 — 40°  N.) 0,j-> 

Permanentes  NO. -Passatgebiet  (10 — 20°  N.) 0,2? * 

Übergangsgebiet  (5 — 10°  N.) 0,« 

Kalmenzone  (0 — 5°  N.) 0,so 

Gebiet  des  permanenten  SO.-Passates 0,22* 

Gebiet  des  zeitweilig  rückläufigen  SO.-Passates  ....  0,a4 

Jenseits  30°  S über  0,40 

Jenseits  50°  S über  0,50 

SUdatlantischer  Ozean  nach  Schlee.8 

Dampferroute  * Scgelroute  x 

0 — 5 0 S.  0,52  0 — 71/,  0 S.  0,49 

5 — 12'/,  0,5i  7l/a — 15  0,50 

121/,— 17‘/t  0,53  15  —25  0,5# 

17*/,— 30  0,45  25  —32'/,  0,55* 

30  —35  0,43»  32*/s — 42'/*  0,54 

42'/,- 55  0.7S 


x Die  Dampferroute  von  Europa  nach  La  Plata  geht  dicht  bei  Amerika 
vorbei,  die  Segelroute  nach  der  Magellanstraße  liegt  etwas  östlich  davon, 
aber  doch  nicht  im  eigentlichen  Passatgebiete.  Es  ist  zu  beachten,  daß 
die  Berechnungen  von  Schlee  viel  höhere  Werte  ergaben,  als  die  von  Koppen; 
und  da  sie  auf  reichlicherem  Material  beruhen,  so  darf  man  annehmen,  daß 
sie  der  Wirklichkeit  näher  kommen. 


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Die  Verteilung  der  jiihrlichen  Niederschlagsmenge». 


131 


Östlicher  Indischer  Ozean  (80—120°  0.)  nach  v.  Danckelinan. 7 

Mittlere  Regen- 
wahrscheinlicnkcit 


Äquatorialgürtel  (8 — 0°  N.)  . . . • 0,6» 

Äquatorialgürtel  (0—8°  S.) 0,«* 

Passatzone  (8 — 20°  S.) 0,m 

Passatzone  (20 — 80°  S.) 0,45* 

Übergangsgebiet  (80 — 36°  8.) 0,6» 

Gebiet  der  Westwinde  (86 — 50“  8.) 0,oj 


Auf  den  Kontinenten  finden  wir  den  marinen  Typus  der  mit 
der  Breite  erst  ab-,  dann  zu-  und  endlich  wieder  abnehmenden  Regen- 
wahrscheinlichkeit nur  an  den  Westseiten  vollkommen  ausgebildet, 
während  an  den  Ostseiten  eine  ziemlich  gleichmäßige  Abnahme  gegen 
die  Pole  stattfindet.  Zwischen  40°  N.  und  etwa  ebensoviel  S.  sind 
eben  die  regenarmen  Küstengebiete  nur  auf  die  Westseite  beschränkt. 

Auch  auf  dem  Festlande  ist  die  Aquatorialzone  durch  eine 
Regenwahrscheinlichkeit  von  mehr  als  0,40,  stellenweise  von  über 
0,so  ausgezeichnet  Dann  folgt  in  der  alten  Welt  eine  Zone  von 
0,3o — 0,40  Regenwahrscheinlichkeit,  wozu  die  oberen  Nilgegenden,  die 
Malabarküste,  das  östliche  Hinterindien  und  Südchiua  gehören.  In 
Oberguinea,  Bengalen  und  Nipon  schwankt  die  Regenwahrschein- 
lichkeit zwischen  0,ao  und  0,3o  und  sinkt  in  Senegambien,  in  Vorder- 
indien mit  Ausnahme  der  genannten  Teile  und  des  Pandschab  und 
in  den  Ebenen  von  Peking  auf  0,io — 0,20  herab.  Im  Wüstengebiete 
beträgt  sie  weniger  als  0,io,  steigt  aber  von  da  wieder  in  nordwest- 
licher Richtung.  Die  Zone  0,io — 0,zo  umfaßt  Syrien,  Kleinasien, 
Mesopotamien  und  Turan;  die  von  0,so — 0,30  das  mediterrane  Europa, 
Südrußland,  die  Kirgisensteppe  und  Sibirien;  die  Zone  0,9o  bis  0,4o 
das  mittlere  und  südliche  Frankreich,  den  Nordrand  der  Alpen 
und  die  Karpaten,  ferner  Nord-  und  Zentralrußland;  endlich  che 
Zone  0,4o  bis  0,so  Britannien,  fast  ganz  Deutschland  und  Nor- 
wegen. 

Eine  ähnliche  Anordnung  finden  wir  an  der  schmalen  Westab- 
dachung Nordamerikas,  eine  wesentlich  andere  aber  im  Osten.  In 
Zentralamerika  und  an  der  Golfküste  von  Mexico  beträgt  die  Regen- 
wahrscheinlichkeit 0,3o  bis  0,40,  auf  dem  mexicanischen  Tafellande 
und  in  den  Vereinigten  Staaten  östlich  vom  Felsengebirge  0,20 — 0,30, 
stellenweise,  wie  in  Virginien,  Georgia  und  Carolina,  sogar  weniger 
als  0,20.  Unter  diesem  Mittelwerte  bleibt  sie  auch  im  ganzen  arktischen 
Gebiete.  Auf  den  Südkontinenten  erreicht  sie  nur  in  der  Zone  der 
Äquatorialwinde  (Chile  und  westliches  Neuseeland)  0,4o  und  mehr, 
sonst  hält  sie  sich  fast  überall  unter  0,30  und  in  den  regenarmen 
Gegenden  unter  0,io. 

9 * 


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132 


Die  Lufthülle. 


Schon  aus  dieser  kurzen  Beschreibung  ergeben  sich  zwei 
wichtige  Gesetze:  1.  Zwischen  ca.  35°  N.  und  S.  ist  der  Regen  an 
der  Westküste  seltener  als  an  der  Ostküste,  jenseits  dieser  Grenz- 
parallelen werden  aber  die  Westküsten  häufiger  von  Regen  heim- 
gesucht. Die  beiden  Küsten  verhalten  sich  also  in  Bezug  auf  die 
Häufigkeit  (wie  im  allgemeinen  auch  bezüglich  der  Menge)  der 
Niederschläge  ebenso  zu  einander,  wie  in  Bezug  auf  die  Erwärmung. 
2.  Die  Regenwahrscheinlichkeit  ist  im  allgemeinen  auf  dem  Meere 
größer,  als  auf  dem  Festlande  in  gleicher  Breite.  Ganz  besonders 
gilt  dies  von  der  ozeanischen  Passatzone  im  Vergleiche  zu  den  Wüsten. 
Auf  dem  Atlantischen  Ozean  regnet  es  in  diesem  Gürtel  ebenso 
häufig  wie  in  Südeuropa,  und  im  südindischen  sogar  ebenso  oft, 
wie  in  Norddeutschland.  An  und  für  sich  ist  allerdings  der  Pas- 
sat als  ein  aus  höheren  Breiten  kommender  Wind  trocken,  aber 
man  darf  nicht  vergessen,  daß  seine  Polargrenze  von  einem  Tage 
zum  anderen  bedeutenden  Schwankungen  unterliegt,  daß  gelegentlich 
(besonders  im  südindischen  Ozean)  Cyklonen  diesen  Gürtel  durch- 
schneiden,  und  daß  seine  Aquatorialgrenze  ebenfalls  jahreszeitlichen 
Verschiebungen  unterworfen  ist.  Der  Passatzone  der  Südsee  könnte 
man  zwar  geneigt  sein,  wüstenähnliche  Regenarmut  zuzuschreiben, 
denn  auf  der  Backerinsel  (0,2°  N.)  beträgt  die  Regen  Wahrscheinlich- 
keit nur  0,i6  (4 '^monatliche  Beobachtung)  und  auf  der  Maldeninsel 
(4°  S.)  nach  mehr  als  zweijähriger  Beobachtung  nur  0,io.  Aber 
Hague  erzählt,  wie  oft  ein  der  Insel  sich  nähernder  Regenguß  in 
zwei  Arme  sich  teilte,  indem  die  Wolke  durch  die  vom  weißen 
Korallensand  aufsteigende  erhitzte  Luft  gespalten  wurde.  Es  regnete 
also  auf  dem  Meere  öfter  als  auf  der  Insel. 

Über  die  Niederschlagsmenge  des  Passatgürtels  wissen  wir  frei- 
lich nichts  sicheres.  Anhaltender  Regen  kommt  nicht  vor,  sondern 
nur  vorübergehende  „Passatschauer1,  wie  sie  der  deutsche  Seemann 
nennt.  Die  Messungen  der  „Novara“  zwischen  6 und  1 2 0 N„  die 
ein  durchschnittliches  Maximum  von  5,3  mm  pro  Stunde  ergaben, 
beziehen  sich  leider  nicht  auf  die  eigentliche  Passatzone,  und  auch 
die  Beobachtungen  auf  den  Inseln  geben  uns  keine  unzweideutige 
Antwort  auf  unsere  Frage,  da  orographische  Verhältnisse  die 
Regenmenge  beeinflussen.  St  Helena  hat  auf  der  Leeseite  13 
und  auf  der  Windseite  105  cm,  Ascension  hat  8,  Praia  auf  den 
Capverdeschen  Inseln  32,  Maiden  34  cm.  Es  ist  also  wahrschein- 
lich, daß  auch  die  Regenmengen  der  ozeanischen  Passatzone  die  der 
regenarmen  Gebiete  des  Festlandes  übertreffen. 

ln  den  außerpassatischen  Breiten  ist  dagegen  die  Regendichtig- 
keit auf  dem  Festlande  infolge  mannifaltiger  Terraingestaltung  und 


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Die  jahreszeitliche  Verteilung  der  Niederschläge.  133 

sommerlicher  Platzregen,  auf  die  wir  noch  zurückkommen  werden, 
wohl  durchwegs  größer  als  auf  den  Inseln.  * In  den  mittleren  und 
höheren  Breiten,  wo  die  Zahl  der  Regentage  auf  dem  Meere  selbst 
die  in  den  Tropen  übertrifft,  ist  die  Niederschlagsmenge  doch  ver- 
hältnismäßig gering.  Dem  Ozean  fehlen,  wie  in  Bezug  auf  die 
Temperatur,  so  auch  in  Bezug  auf  die  Niederschläge  die  Extreme 
des  Festlandes. 

Litteraturnachweise.  1 Alle  bisherigen  Darstellungen  beruhen  auf 
Loomis,  Mean  annual  Rainfall  for  different  countries  of  the  globe,  im  American 
Journal  of  Science  1882,  Bd.  I,  und  1883,  Bd.  I.  — * Murray,  The  total  annual 
Rainfall  on  the  land  of  the  globe,  im  Scottish  Geographical  Magazine  1887.  — 
3 Zieher,  Die  größten  Regenmengen  eines  Tages.  Petekmanns  Mitteilungen 
1881.  — * Koppen,  Die  jährliche  Periode  der  Regenwahrscheinlichkeit  in  der 
nördlichen  Hemisphäre,  in  der  Zeitschrift  der  Österreichischen  Gesellschaft  fiir 
Meteorologie  1876.  — 6 Köpper  und  Sprung,  Die  Regenverhältnisse  des  Atlan- 
tischen Ozeans,  in  den  Annalen  der  Hydrographie  und  maritimen  Meteorologie 
1880.  — 6 Schlee,  Niederschlag  etc.  in  einem  Teile  des  Atlantischen  Ozeans, 
in  der  Meteorologischen  Zeitschrift  1892.  — 7 v.  Dakckelman,  Die  Regen- 
häufigkeit auf  dem  Indischen  Ozean,  in  der  Zeitschrift  der  Gesellschaft  für 
Erdkunde,  Berlin  1886. 


Die  jahreszeitliche  Verteilung  der  Niederschläge. 

(Siehe  Karte  XII.) 

Neben  der  mittleren  Menge  und  Dauer  der  Niederschläge  ist 
ihre  jahreszeitliche  Verteilung  namentlich  für  das  Pflanzenleben  von 
größter  Bedeutung.  Karte  XII  stellt  ihre  Haupttypen  dar.  Auf 
dem  Atlantischen  Ozean,  nach  dessen  Muster  sich  wahrscheinlich 
auch  die  Regenverhältnisse  auf  der  Südsee  regeln,  und  auf  dem 
südindischen  Ozean  folgt  auf  eine  schmale,  äquatoriale  Zone  mit 
Regen  zur  Zeit  des  Zenithstandes  der  Sonne  (Tropenregen)  eine 
Zone  vorherrschender  Winterregen,  und  zwar  in  zwei  Modifikationen: 
im  Westen  bis  ca.  35 — 40°  B.  ist  der  Sommer  arm  an  Niederschlägen 
(subtropischer  Regen),  während  in  den  übrigen  Teilen  des  Meeres 
keine  Jahreszeit  durch  besondere  Trockenheit  sich  auszeichnet.  Auf 


X 

Hegen  Wahr- 
scheinlichkeit 

Jährliche 

Regenmenge 

min  pro  Tag 
( Regendichtig- 
keit) 

Insel  St.  Paul  im  Beringmeer 

0,8» 

109  cm 

3,5 

Thorshavn,  Färöer  .... 

0,82 

181 

6,7 

Stanleyhafen,  Falklandinseln  . 

0,64 

52 

2,2 

New-York  

0,s« 

113 

8,9 

Florenz  

0,27 

108 

11,0 

Viktoria,  Hongkong  .... 

0,22 

233 

20,2 

Tscharapundschi 

0,52 

1204 

63, » 

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134 


Die  Lufthülle. 


den  Kontinenten  ist  die  Zone  der  Tropenregen  mächtig  entwickelt, 
und  daran  schließt  sich  gegen  die  Pole  hin  die  Zone  des  Regens 
zu  allen  Jahreszeiten  mit  dem  Maximum  im  Sommer. 

Winterregen  sind  also  der  ozeanische,  Somraerregen 
der  kontinentale  Typus.  Im  Westen  schiebt  sich  das  ozeanische 
Regime  in  die  Kontinente  hinein,  im  Osten  das  kontinentale  in  das 
Meer  hinaus.  Dieseits  wie  jenseits  des  Äquatorialgürtels  begegnen 
wir  also  auch  hier  wieder  einem  scharfen  Gegensätze  der  west- 
lichen und  östlichen  Küsten. 

Im  allgemeinen  kann  man  als  Regel  feststellen,  daß  für  jede 
Gegend  dann  Regenzeit  eintritt,  wenn  Gelegenheit  zu  aufsteigenden 
Luftströmen  durch  die  Bildung  von  Cyklonen  oder  bei  labilem 
Gleichgewichtszustände  der  Atmosphäre  gegeben  ist.  Auf  dem 
größten  Teile  des  Meeres  wird  diese  Bedingung  besonders  im  Winter 
und  Herbst  erfüllt,  während  in  der  warmen  Jahreszeit  der  baro- 
metrische Gradient  sich  verflacht  Die  Hauptmassen  der  Kontinente 
haben  dagegen  im  Winter  hohen  Barometerstand,  während  die 
sommerliche  Luftauflockerung  die  Seewinde  weit  in  das  Land  hinein- 
zieht, und  die  Erhitzung  des  Bodens  an  windstillen,  heiteren  Tagen 
zu  einem  labilen  Gleichgewichte  der  Luft  führt,  das  örtlich  be- 
schränkte, kurz  dauernde,  aber  oft  heftige  Gewitterregen  erzeugt 

Periodische  Regen.  Die  Tropenregen  sind  streng  periodisch, 
so  daß  darauf  die  Bewohner  jener  Zone,  in  der  die  gleichmäßige 
Wärme  den  Gegensatz  von  Winter  und  Sommer  verwischt,  die  klima- 
tologische  Einteilung  des  Jahres  in  eine  trockene  und  eine  Regenzeit 
gründen.  Der  Regen  tritt  im  allgemeinen  mit  dem  Zenithstande 
der  Sonne  ein,  also  in  der  Nähe  des  Äquators  zweimal  und  gegen 
die  Wendekreise  hin  einmal;  hier  beschränkt  er  sich  auf  ein  paar 
Monate,  dort  dehnt  er  sich  über  einen  größeren  Teil  des  Jahres 
aus,  umsomehr,  da  die  Zeit  zwischen  den  beiden  Regenperioden 
auch  nicht  ganz  der  Niederschläge  entbehrt.*  So  kommt  es,  daß 

* Als  Beispiel  diene  Loanda  an  der  Westküste  Afrikas  unter  8°  49'  s.  B., 
wo  mehrjährige  Beobachtungen  vorliegen.  Die  Sonne  steht  hier  am  26.  Februar 
und  17.  Oktober  im  Zenith;  dem  ersteren  Stande  entspricht  die  kleine,  dem 
letzteren  die  große  Regenzeit. 


» . Beginn  der  kleinen 

Regenzeit 

Beginn  der  großen  Beginn  der  großen 

Trockenzeit  Regenzeit 

Beginn  der  kleinen 
Trockenzeit 

1879 

? 

6.  Mai 

5.  Okt. 

21.  Dez. 

1880 

18.  Febr. 

29.  April 

4.  Sept 

29.  Dez. 

1881 

5.  Febr. 

10.  April 

2.  Dez. 

27.  Dez. 

1882 

8.  Febr. 

23.  Mai 

8.  Okt 

— 

1883 

— 

5.  Mai 

29.  Nov. 

? 

Die  mittlere 

Dauer  der 

vier  Perioden 

berechnet  sich  folgendermaßen:  große 

Trockenzeit 

164,  große  Regenzeit  107,  kleine  Trockenzeit  35, 

kleine  Regenzeit 

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Die  jahreszeitliche  Verteilung  der  Niederschläge.  1 35 

in  einigen  äquatorialen  Gegenden,  besonders  in  der  Amazonasebene, 
auf  Sumatra  und  an  der  Südspitze  von  Malacca  die  Regenverteilung 
einen  Charakter  annimmt,  der  ihr  sonst  nur  in  höheren  Breiten 
eigen  ist. 

Die  Tropenregen  hängen  stets  mit  einer  Änderung  der  Wind- 
richtung zusammen;  der  Passat  hört  auf  und  westliche  Strömungen 
erhalten  das  Übergewicht  Insofern  sind  alle  Tropenregen  Monsun- 
regen, wenn  man  auch  diese  Bezeichnung  gewöhnlich  nur  auf  die 
periodischen  Niederschläge  Ostindiens  und  Australiens  anwendet, 
d.  h.  auf  diejenigen  Tropenländer,  die  äquatorwärts  an  ein  Meer 
grenzen.  Hier  ist  der  Monsuncharakter  mit  typischer  Schärfe  aus- 
gebildet; in  ganz  Indien  ist  Nordost  der  trockene,  und  Südwest 
der  Regenwind.  Im  Pandschab  dauert  die  Regenzeit  von  Juli  bis 
September,  an  der  Malabarküste  von  Mai  bis  Oktober  (dagegen  an 
der  Coromandelküste  von  Juli  bis  Dezember),  und  auf  Ceylon  finden 
wir  schon  eine  doppelte  Regenzeit  im  Frühjahr  und  Herbst.  Regen- 
los sind  im  allgemeinen  die  Monate  von  November  bis  März,  nur 
im  Pandschab  bringt  der  niedersinkende  Antipassat  auch  im  Winter 
Niederschläge. 

Orographische  Eigentümlichkeiten  beeinflussen  die  jahreszeit- 
liche Regenverteilung  in  den  Tropen  viel  mehr  als  in  unseren 
Breiten.  Wo  Küstengebirge  vom  marinen  Passat  getroffen  werden, 
kommt  es  niemals  zur  Ausbildung  einer  völligen  Trockenzeit,  weil 
da  auch  im  Winter  die  Möglichkeit  zu  Steigungsregen  geboten  ist. 
Der  Ostrand  des  tropischen  Afrika  ist  daher  ungleich  bevorzugter, 
als  der  westliche,  wo  in  der  Regel  drei,  vier  oder  noch  mehr  Monate 
lang  kein  Tropfen  Regen  fällt.  Ja  unter  Umständen  kann  der  tropische 
Regencharakter  ganz  unterdrückt  werden,  wenn  ein  Küstenort  im 
Windschatten  des  sommerlichen  Monsuns,  aber  dem  winterlichen  Passat 
offen  liegt  Finschhafen  an  der  Nordostküste  von  Neuguinea  z.  B. 
bekommt  dadurch  eine  ganz  anormale  Regenperiode,  die  der  des 
Hatzfeldhafens  an  derselben  Küste  gerade  entgegengesetzt  verläuft.  * 

Während  sonst  das  tropische  Regensystem,  wie  schon  der  Name 
besagt,  den  30.  Parallel  nirgends  beträchtlich  überschreitet,  reicht 


59  Tage.  Man  beachte  besonders  die  große  Unregelmäßigkei  im  Beginne  der 
Hauptregenzeit,  den  zeitweiligen  Wechsel  beider  Regenzeiten  (1881  dauerte  die 
„große“  Regenzeit  nur  25  Tage,  die  darauf  folgende  „kleine“  aber  104)  und 
das  vollständige  Fehlen  der  kleinen  Perioden  im  Jahre  1882—83.  Das  alles 
zeigt  deutlich,  welchen  Schwankungen  der  Tropenregen  unterworfen  ist. 
x Sommer  Herbst  AVinter  Frühling 

Hatzfeldhafen  41,3  30, j 8,4  19,«  Proz. 

Finschhafen  9,8  18,«  46, 0 26, 1 „ 


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136 


Die  Lufthülle. 


es  in  Ostasien  mit  allen  seinen  Eigentümlichkeiten  bis  über  die 
Amurmündung  hinaus.  Die  Bodenständigkeit  der  winterlichen  Anti- 
cyklone  in  Ostsibirien  bewirkt  eine  ebenso  große,  nahezu  passatische 
Konstanz  jener  NW.- Winde,  die  nicht  bloß  die  peripherischen  Länder, 
sondern  auch  einen  großen  Teil  von  Zentralasien  fast  von  aller  Zu- 
fuhr ozeanischer  Feuchtigkeit  abschneiden,  während  sich  in  Nord- 
amerika aus  schon  erörterten  Gründen  die  Verhältnisse  wesentlich 
anders  gestalten.  In  Japan  hat  der  NW.-Wind  schon  etwas  von 
seiner  Beständigkeit  eingebüßt,  und  außerdem  auf  seinem  Wege  über 
das  Meer  Feuchtigkeit  aufgenommen.  Hier  weist  also  die  jährliche 
Verteilung  der  Niederschläge  keine  strenge  Periodizität  mehr  auf. 

Ebenso  periodisch,  wie  die  tropischen  Regen,  sind  die  subtro- 
pischen, nur  im  umgekehrten  Sinne.  Am  reinsten  ist  dieser  Typus 
in  den  subtropischen  Trockengebieten  ausgeprägt,  wo  der  Sommer 
ganz  regenlos  ist  und  nur  der  Winter  einige,  wenn  auch  ungenügende 
Feuchtigkeit  bringt  Das  hängt  mit  den  Verschiebungen  der  sub- 
tropischen Anticyklonen  zusammen;  im  Sommer  rücken  diese  in 
höhere  Breiten  und  die  besagten  Trockengebiete  gelangen  dann 
unter  die  strenge  Herrschaft  des  Passates.  Äquatorwärts  sind  die 
Subtropenregen  von  den  tropischen  scharf  abgegrenzt,  polarwärts 
findet  aber  ein  Übergang  zu  den  ozeanischen  Regen  höherer  Breiten 
statt,  indem  die  Sommerregen  immer  reichlicher  werden,  aber  ohne 
das  Winter-  und  Herbstmaximum  zu  überflügeln. 

Während  der  subtropische  Regen typus  sonst  überall  auf  die 
Westküsten  im  polaren  Grenzbezirke  des  Passates  beschränkt  ist,  er- 
streckt er  sich  zu  beiden  Seiten  des  Mittelmeers  weit  landeinwärts, 
über  die  Sahara,  Arabien,  Syrien,  bis  nach  Iran  und  Turan,  woran 
sich  in  Kleinasien  und  in  den  Südhalbinseln  Europas  ein  Übergangs- 
gebiet zu  dem  mittel-  und  westeuropäischen  Regentypus  anschließt. 
Das  ist  eine  Anomalie,  die  ihres  Gleichen  nur  in  der  weiten  Aus- 
dehnung der  Tropenregen  in  Ostasien  findet.  Doch  hat  es  sich  bei 
genauerer  Untersuchung1  herausgestellt,  daß  dieses  weite  Gebiet 
keinen  einheitlichen  Charakter  besitzt.  Gemeinsam  sind  nur  die 
Winterregen  und  der  trockene  Sommer,  in  den  übrigen  Jahreszeiten 
verhalten  sich  aber  die  Küsten-  und  Binnenlandschaften  ganz  ab- 
weichend voneinander.  Die  ersteren  haben,  wie  alle  Küsten  mittlerer 
und  höherer  Breiten,  Herbstregen,  die  letzteren  Frühjahrsregen,  und 
wir  glauben  in  diesen  ein  Äquivalent  der  Sommerregen  höherer 
Breiten  gefunden  zu  haben.  In  Vorderasien,  im  Inneren  der  pyre- 
näischen  Halbinsel,  von  Algier  etc.  steigt  die  Temperatur  im  Früh- 
jahr sehr  rasch;  die  Luft  hat  noch  vom  Winter  her  einige  Feuchtig- 
keit bewahrt,  und  damit  ist  die  Möglichkeit  zu  Gewitterregen  gegeben, 


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Die  jahreszeitliche  Verteilung  der  Niederschläge.  137 

wie  wir  sie  in  unseren  Gegenden  im  Sommer  häufig  erleben.  Die 
heißeste  Jahreszeit  dörrt  hier  die  Luft  so  aus,  daß  diese  selbst  in 
aufsteigenden  Strömen  keinen  Regen  mehr  zu  erzeugen  vermag,  und 
die  gleichmäßig  wehenden  Polarwinde  führen  keine  neue  Feuchtig- 
keit zu. 

Gleichmäfsige  Niederschläge.  Den  periodischen  Regen  der 
niederen  Breiten  stehen  die  gleichmäßigen  Niederschläge  der 
mittleren  und  höheren  Breiten  gegenüber,  und  zwar  gleichmäßig  nur 
in  dem  Sinne,  daß  keine  Jahreszeit  völlig  trocken  ist,  wobei  aber 
eine  jährliche  Periode  mit  dem  Maximum  im  Winter-  oder  Sommer- 
halbjahr überall  deutlich  hervortritt.  Auch  in  der  warmen  Zone 
sind  gewisse  Gegenden  durch  gleichmäßige  Niederschläge  ausge- 
zeichnet; aber  hier  bleibt  dieser  Regentypus  stets  eine  Ausnahme, 
während  er  im  allgemeinen  jenseits  des  30.,  in  der  alten  Welt  jen- 
seits des  40.  Parallels  und  auf  dem  Meere  sogar  in  noch  niedererer 
Breite  fast  allein  herrscht.  Ob  auch  in  den  polaren  Gegenden,  ist 
noch  unentschieden.  Jedenfalls  empfiehlt  es  sich  nicht  die  Umgebung 
der  winterlichen  Kältezentren  als  selbständige  Gebiete  mit  trockenem 
Winter  auszuscheiden;  die  wenigen  Beobachtungen  berechtigen  nicht 
dazu,  ja  der  kälteste  Ort,  Werchojansk,  zeichnet  sich  besonders 
durch  reichliche  Schneefälle  aus. 

Die  einzelnen  Typen  gehen  langsamer  oder  schneller  ineinander 
über,  aber  ganz  unvermittelt  stoßen  vielleicht  nur  Tropen-  und  Sub  tropen- 
regen zusammen.  Wenn  wir  uns  vom  ostasiatischen  Monsunbezirke  nach 
Westen  begeben,  so  wird  das  sommerliche  Maximum  immer  kleiner, 
es  verschiebt  sich  endlich  auf  den  Herbst  und  am  atlantischen  Ge- 
stade auf  den  Winter.  In  gleicher  Weise  wächst  das  winterliche 
Minimum  und  wird  endlich  in  den  Frühling  verlegt.  Die  folgende 
Tabelle  zeigt  auch,  daß  der  Unterschied  zwischen  Maximum  und 
Minimum  gegen  Westen  immer  kleiner  wird,  d.  h.  daß  die  Nieder- 
schläge sich  immer  gleichmäßiger  über  die  Jahreszeiten  verteilen. 


Winter  j Frühling  | Sommer  Herbst 

Prozente  der  Jahresmenge 

Max.  — 
Min. 

Sibirien 

9* 

16  53 

22 

44 

Zentral-Rußland 

16* 

21  37 

26 

21 

Östliches  Norddeutschland  . . . 

19* 

20  36 

25 

17 

Westliches  Norddeutschem!  . . 

22 

20*  31 

27 

11 

England 

24 

20*  26 

30 

10 

Irland 

28 

21’  | 24 

27 

7 

Jenseits  des  Atlantischen  Ozeans  mit  seinem  ausgesprochenen  Winter- 
maximum finden  wir  in  den  östlichen  Vereinsstaaten  von  Nordamerika 


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138 


Die  Lufthülle. 


eine  Regenverteilung  ähnlich  derjenigen  in  der  westlichen  Hälfte  von 
Norddeutschland,  und  erst  allmählich  bildet  sich  das  Sommermaxi- 
mum  schärfer  aus.  Begeben  wir  uns  von  Mitteleuropa  über  die 
Alpen  in  das  subtropische  Gebiet,  so  gelangen  wir,  wie  die  zweite 
Tabelle  uns  lehrt,  fast  unvermerkt  aus  dem  Bezirke  der  Sommerregen 


I Winter  Frühling  ! Sommer  Herbst  ' ^ 
Pror.onte  der  Jahreemenge  1 ^Ad* 


Nordalpeu  vou  Wien  bis  Bregenz 

16*  , 

24 

38 

22 

24 

Südfuß  der  Zeutralkette  . . . 

13* 

22 

36 

29 

23 

Südalpen 

n* 

24 

28 

31 

14 

Oberitalienische  Ebene  . . . . 

19* 

25 

25 

31 

12 

Emilia 

21* 

23- 

24 

32 

11* 

Toskana,  Umbrien  und  die  Marken 

26 

22 

20* 

32 

12 

Latium  und  Neapel 

32 

23 

10* 

35 

25 

Sicilien 

38 

24 

3* 

35 

35 

Malta 

72 

18 

0,** 

10 

72 

in  den  der  Winterregen.  Nur  werden  wir  gewahr,  daß  höhere  Ge- 
birge, wie  die  Alpen  und  der  Apennin,  den  Übergang  beschleunigen. 
Am  Südfuße  der  ersteren  beginnen  schon  die  Herbstregen,  und 
südlich  vom  letzteren  wird  plötzlich  der  Sommer  die  trockenste 
Jahreszeit. 

Nur  nebenbei  sei  erwähnt,  daß  die  höheren  Stationen  des  deut- 
schen und  zentralfranzösischen  Gebirges  dem  ozeanischen  System 
der  Wiuterregen  angehören.  Eingehendere  Untersuchungen  werden 
lehren,  ob  die  Seehöhe  überall  im  Gebiete  der  Sommerregen  ihren 
Einfluß  in  gleicher  Weise  äußert.  Es  wäre  dies  ein  weiterer  Beleg 
dafür,  daß  das  Bergklima  dem  marinen  ähnlich  ist. 

Regengebiete.  Überblicken  wir  noch  einmal  das  in  diesem  und 
dem  früheren  Abschnitte  Vorgetragene,  so  gelangen  wir  zu  folgender 
Einteilung  der  Erdoberfläche: 

1.  Gebiete  dauernder  Regenarmut: 

a)  Arktische  Gebiete, 

b)  Innerkontinentale  Gebiete, 

c)  Windschattengebiete, 

d)  Gebiete  beständiger  Polarwinde  (subtropische  Wüsten); 

2.  Gebiete  periodischer  Regenarmut: 

a)  Gebiet  der  Tropen-  (Monsun-)  Regen, 

b)  Gebiete  der  Subtropenregen; 

3.  Gebiete  gleichmäßiger  Niederschläge: 

a)  Maximum  im  Sommerhalbjahr, 

b)  Maximum  im  Winterhalbjahr. 


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Die  jahreszeitliche  Verteilung  der  Niederschläge.  139 

Die  geographische  Verteilung  dieser  Gebiete  ist  ziemlich  regel- 
mäßig. An  den  Westküsten  gelangen  wir,  wenn  wir  vom  Äquator 
gegen  die  Pole  fortschreiten,  aus  den  Tropenregen  mit  strenger 
Periodizität  in  die  subtropischen  Wüsten,  dann  in  das  Gebiet  der 
subtropischen  Regen,  endlich  in  das  Gebiet  gleichmäßiger  Regen 
mit  winterlichem  Maximum.  An  den  Ostküsten  gehen  die  Tro- 
penregen, die  zum  Teil  wenigstens  einen  mehr  gleichmäßigen 
Charakter  annehmen,  ohne  subtropische  Zwischenglieder  in  das 
Gebiet  gleichmäßiger  Niederschläge  mit  sommerlichem  Maximum 
über.  Im  Inneren  der  Festländer  vollzieht  sich  der  Ausgleich 
des  westlichen  und  östlichen  Typus,  aber  so  daß  der  letztere  als 
kontinentaler  weitaus  vorherrscht,  während  der  erstere  Küstentypus 
bleibt  Die  innerkontinentalen  Gebiete  dauernder  Regenarmut  sind, 
wie  schon  der  Name  besagt,  auf  die  zentralen  Gegenden  des  Fest- 
landes beschränkt,  die  Windschattengebiete  können  aber  überall  Vor- 
kommen, nicht  bloß  im  Inneren,  sondern  oft  unmittelbar  an  der 
Küste.  Sie  sind  orographische,  nicht  meteorologische  Erscheinungen. 

Gewitter.  Aus  der  geographischen  Verteilung2  und  jährlichen 
Periode  der  Gewitter  kann  man  den  Schluß  ziehen,  daß  sie  Begleit- 
erscheinungen des  Kondensationsprozesses  des  Wasserdampfes  sind. 
Die  rein  physikalische  Frage,  wie  hei  dieser  Gelegenheit  eine  so 
hohe  elektrische  Spannung  zu  Stande  komme,  harrt  noch  der  Lösung, 
ist  aber  glücklicherweise  für  unsere  Zwecke  nicht  von  Belange. 

WTie  die  Regenmenge,  nehmen  auch  die  Gewitter  mit  der  Breite 
ab.  Nirgends  tritt  dieses  Phänomen,  das  in  seiner  schauerlichen  Schön- 
heit auf  den  Menschengeist  stets  einen  tiefen  Eindruck  gemacht  hat, 
häufiger  und  großartiger  auf,  als  in  den  Tropen.  In  Abessinien 
sind  jährlich  im  Mittel  424  Gewitter,  die  sich  auf  216  Tage 
verteilen.  Auf  den  Hochebenen  von  Mexico,  Bogota  und  Quito  ist 
durchschnittlich  jeder  dritte  Tag  ein  Gewittertag.  Natürlich  ist  die 
Regenperiode  auch  die  gewitterreichste  Zeit,  aber  die  Beobachtungen 
lehren  zugleich,  daß  nicht  jeder  Regenguß  von  Gewitter  und  nicht 
jedes  Gewitter  von  Regen  begleitet  ist.  In  Europa,  wo  die  Ver- 
teilung dieses  Meteors  am  besten  gekannt  ist,  zeigt  sich  neben  der 
Abnahme  nach  Norden  auch  eine  solche  gegen  Westen.  Das  legt  uns 
die  Frage  nahe,  ob  es  auf  dem  Meere  überhaupt  weniger  wettere, 
als  auf  dem  Festlande  — eine  Frage,  die  Arago  einst  mit  Ja  be- 
antwortete. Klein,  v.  Danckelman3  u.  a.  haben  diese  Ansicht  be- 
richtigt Für  den  tropischen  Teil  ist  sie  entschieden  zurückzuweisen; 
nur  im  Passatgebiete  sind  Gewitter  selten,  was  mit  der  relativen 
Regenarmut  dieser  Gegenden  übereinstimmt.  In  den  höheren  Breiten 
sind  sie  nach  der  allgemeinen  Ansicht  der  Seefahrer  hauptsächlich 


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140 


Die  Lufthülle. 


an  die  warmen  Meeressströmungen  gebunden.  Ziemlich  frei  von 
elektrischen  Entladungen  der  Atmosphäre  sind  die  Wüsten  und  die 
polaren  Gegenden,  aber  es  ist  eine  Fabel,  daß  sie  dort  ganz  un- 
bekannt seien.  Lima  an  der  peruanischen  Küste,  das  besonders 
in  diesem  Rufe  stand,  erlebte  am  31.  Dezember  1877  ein  heftiges 
Gewitter,  und  Unterägypten  und  die  algerische  Sahara  sind  sogar 
gewitterreicher  als  Norwegen.  Lokale  Verhältnisse  sind  in  dieser 
Beziehung  von  großem  Einflüsse,  sonst  wäre  es  nicht  zu  verstehen, 
warum  es  z.  B.  an  der  Südspitze  der  iberischen  Halbinsel  so  außer- 
ordentlich selten  wettert.  Allgemein  ist  bekannt,  daß  dieses  Phä- 
nomen in  der  Ebene  minder  häufig  auftritt,  als  im  Gebirge,  wo 
besonders  der  Bergwind  an  ruhigen  Sommernachmittagen  Regen  mit 
Gewitter  erzeugt  Bis  zu  einer  Höhe  von  1300 — 1400  m nehmen 
sie  zu,  dann  wieder  ab. 

Auf  dem  Meere  der  mittleren  und  höheren  Breiten  wiegen  die 
Winter-,  auf  dem  Festlande  die  Sommergewitter  vor.  Doch  zeigt 
sich  eine  solche  Übereinstimmung  mit  der  jährlichen  Niederschlags- 
periode nicht  in  jedem  einzelnen  Falle.  Madrid  und  Biskra  mit 
regenarmen  Sommern  haben  doch  in  dieser  Jahreszeit  am  meisten 
Gewitter  und  dasselbe  gilt  von  Schottland,  trotzdem  daß  auch  hier  das 
Maximum  der  Niederschläge  in  die  kälteste  Jahreszeit  fällt.  Ander- 
seits nehmen  aber  die  Wintergewitter  entschieden  ab,  je  weiter  wir 
uns  vom  atlantischen  Gestade  in  das  Gebiet  der  Sommerregen  begeben, 
und  in  Osteuropa  und  Sibirien  sind  sie  bereits  ganz  verschwunden. 

Die  Unterscheidung  von  Wärme-  und  Wirbelgewitter,  wie  sie 
Mohn  aufgestellt  hat,  muß  auch  jetzt  noch  aufrecht  erhalten  werden,4 
wenn  auch  bei  den  ersteren  auf  sehr  detailliert  gezeichneten  Wetter- 
karten manchmal  eine  örtliche  beschränkte  cyklonale  Anordnung  der 
Isobaren  hervortritt.  Die  Wärmegewitter  sind  Folgeerscheinungen 
des  latenten  Gleichgewichtszustandes  der  Luft;  ihnen  gehört  die 
überwiegende  Mehrzahl  der  Sommergewitter  des  Festlandes  an,  die 
weitaus  am  häufigsten  in  den  Nachmittagsstunden  eintreten  und 
in  der  Regel  nicht  weit  über  ihren  Ursprungsort  sich  verbreiten. 
Dagegen  sind  alle  Wintergewitter  und  überhaupt  alle  elektrischen 
Phänomene  in  den  außertropischen  Teilen  des  Ozeans  Begleiter  der 
großen  Cyklonen,  mit  denen  sie  wandern  und  dadurch  oft  zu  einer 
weiten  Verbreitung  gelangen. 

Hagel.  Nur  kurz  sei  der  Verteilung  des  Hagels  gedacht,  da 
dieser  wegen  seiner  verderblichen  Wirkungen  auch  geographisches 
Interesse  bietet.  Freilich  ist  die  Statistik  desselben  ziemlich  mangel- 
haft, und  überdies  werden  nur  von  wenigen  Beobachtern  Hagel 
(Eiskörner)  und  Graupen  (kleine  Schneeballen)  auseinander  gehalten, 


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Verbreitung  des  Schnees. 


141 


was  freilich  auch  schwer  möglich  ist,  da  beide  Formen  vielfach  in- 
einander übergehen.  So  ist  es  noch  nicht  einmal  mit  Sicherheit 
festgestellt,  ob  die  mittleren  Breiten  die  eigentliche  Heimat  dieses 
Phänomens  sind,  denn  auch  in  den  Tropen  ist  es  nicht  selten. 
Humboldts  Ansicht,  daß  der  Hagel  hier  nur  in  größerer  Höhe  vor- 
komme, da  in  den  tieferen  Niveaus  die  Eiskörner  von  der  Hitze 
rasch  aufgezehrt  werden,  hat  wohl  für  das  äquatoriale  Südamerika 
Giltigkeit,  aber  weder  für  die  Küstenebene  von  Guatemala,  noch 
für  die  tiefer  gelegenen  Flußthäler  der  brasilianischen  Provinz  Minas 
Geraes,  noch  endlich  für  Java  und  den  Sudan,  die  heißeste  Gegend 
der  Erde,  oder  für  das  Innere  von  Australien  im  Sommer. 

Als  die  Hauptbedingung  der  Hagelbildung  erscheint  eine  größere 
Menge  von  Wasserdampf.  Daher  schließt  sich  die  jährliche  Periode 
des  Hagels  enge  an  die  des  Regens  an,  enger  sogar  als  die  der 
Gewitter.  Daher  nimmt  auch  in  Europa  der  Hagel-  und  Graupen- 
fall mit  dem  Regen  von  West  nach  Ost  ab,  aber  die  Zahl  der  reinen 
Hagelfälle  steigt  in  derselben  Richtung.  Selten  ist  dieses  Phänomen 
in  den  polaren  Gegenden  und  Wüsten.  Lokale  Einflüsse  sind  ganz 
besonders  maßgebend,  daher  in  jeder  Gegend  neben  den  Hagel- 
strichen Land  liegt,  das  nur  selten  unter  dieser  Heimsuchung  zu 
leiden  hat.  Das  Beobachtungsmaterial  genügt  noch  nicht  zur  Fest- 
stellung allgemein  gütiger  Gesetze,  doch  läßt  es  sich  jetzt  schon 
aussprechen,  daß  es  im  Gebirge  häufiger  hagelt  als  in  der  Ebene, 
und  im  Mittelgebirge  häufiger  als  im  Hochgebirge.  Vom  Kaukasus 
(vielleicht  der  hagelreichsten  Gegend  der  Erde)  sagt  Abich,  daß  alle 
zum  Gebirge  herbeiziehenden  Ungewitter  den  Charakter  verheerender 
Hagelstürme  erst  dort  annehmen,  wo  die  weiten  Thäler  in  die 
Ebene  münden,  und  von  da  ab  gerne  der  Zone  der  niedrigen 
Vorberge  folgen.  Ähnlich  ist  es  auch  in  den  Alpen.  In  der  Schweiz 
wird  die  Hochebene  und  der  Jura  am  meisten  durch  Hagelfälle 
geplagt,  in  Kärnten  das  niedrige  Bergland  der  Osthälfte,  und  ebenso 
in  Steiermark  das  Hügelland  gegen  die  ungarische  Grenze  hin. 

Litteraturnach weise.  * Sopan,  Die  jahreszeitliche  Verteilung  der 
Niederschliige  in  Europa,  Westasien  und  Nordafrika;  in  I’etermanns  Mit- 
teilungen 1890.  — * Dürftige  Tabellen  von  Ki.ein  und  Fritz  in  Petermanns 
Mitteilungen  1870  (S.  427)  und  1871  (8.  115).  Das  Beobachtungsmaterial  ist  in 
den  letzten  Jahren  bedeutend  gewachsen,  aber  noch  nicht  einheitlich  verarbeitet 
worden.  — 3 v.  Danckelman,  Kegen,  Hagel  und  Gewitter  im  Indischen  Ozean, 
im  Archiv  der  Deutschen  Seewarte  1880.  — 4 v.  Bezolo  in  der  Meteorologischen 
Zeitschrift  1895,  S.  121. 


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142 


Die  Lufthülle. 


Verbreitung  des  Schnees. 

Verbreitung1.  Unsere  Gegenden  gehören  der  Zone  der  ge- 
mischten Niederschläge  an:  in  der  kälteren  Jahreszeit  schneit 
es,  in  der  wärmeren  regnet  es.  Schon  im  mittleren  Italien  sind 
Schneefälle  in  den  Niederungen  selten,  aber  immerhin  hat  noch  Rom 
durchschnittlich  1,4  Schnee  tage  im  Jahr.  Jenseits  des  Atlasgebirges 
und  der  Südgrenze  von  Syrien  ist  der  Schnee  in  der  Ebene  un- 
bekannt, an  der  Ostseite  der  alten  Welt  aber  rückt  seine  Aquatorial- 
grenze,  den  Winterisothermen  folgend,  weiter  nach  Süden,  bis  über 
Canton  hinaus  (23°  B.),  und  eine  ähnliche  Anordnung  wiederholt 
sich  auch  in  Nordamerika. 

Begeben  wir  uns  nach  Norden,  so  wird  die  feste  Niederschlagsform 
in  der  .Ebene  immer  häufiger.  Mit  Ausnahme  von  Norwegen  dürfte  die 
Grenze  der  sommerlichen  Schneefälle  sich  in  der  Nähe  des  Polar- 
kreises halten;  schon  auf  Boothia  Felix  unter  70°  B.  betragen  sie 
von  Juni  bis  August  40  Proz.  der  Niederschläge,  und  auf  ähnliche 
Verhältnisse  deuten  die  Beobachtungen  Nordenskiölds  in  der 
Nähe  der  Beringstraße.  Auf  der  Südhemisphäre  scheint  die  Grenze 
des  Sommerschnees  schon  in  der  Nähe  des  50.  Parallels  zu  liegen. 
Aber  überall,  soweit  man  auf  den  Polarkalotten  vorgedrungen  ist, 
regnet  es  auch  in  den  warmen  Monaten;  und  es  ist  ganz  ungewiß, 
ob  eine  Zone  des  festen  Niederschlags  überhaupt  existiert3 

Wie  in  horizontaler,  so  verändert  sich  auch  in  vertikaler  Rich- 
tung mit  der  abnehmenden  Temperatur  die  Form  der  Niederschläge. 
Während  in  unseren  Gegenden  die  steigende  Sonne  den  winterlichen 
Schnee  in  der  Ebene  und  in  den  unteren  Gebirgsregionen  aufzehrt, 
bleibt  er  in  den  höheren  Partieen  das  ganze  Jahr  liegen  und  wird 
noch  durch  gelegentliche  sommerliche  Schneefälle  vermehrt.  Über 
die  Veränderungen,  welche  die  Schneedecke  eines  Gebirges  im  Laufe 
eines  Jahres  durchmacht,  haben  wir  langjährige  Beobachtungen  nur 
vom  Säntis  in  der  Schweiz  und  vom  Innthale  bei  Innsbruck.3  Die 
letzteren  sind  insofern  wichtiger,  als  sie  sich  sowohl  über  das  Nord- 
wie  das  Südgehänge  des  Thaies  ausdehnen,  doch  berücksichtigen  sie 
nur  die  steilen  Böschungen,  wo  der  Schnee  leichter  schmilzt,  als  in 
den  Mulden  des  Hochgebirges.  Im  Winter  ist  das  ganze  Thal 
(570  m über  See)  mit  Schnee  bedeckt,  dann  zieht  sich  seine,  untere 
Grenze  bis  zum  Spätsommer  in  immer  größere  Höhen  zurück,  um 
im  Herbste  sich  rasch  wieder  zu  Thal  zu  senken. x 


X 

Mürz 

April 

Mai 

Juni 

Juli 

Aug. 

Sept. 

Okt. 

Nov. 

Südabhang 

960 

1270 

1700 

2190 

2680 

3130 

3210 

2150 

1300  m 

Nordabhang 

720 

1110 

1540 

2030 

2470 

2930 

2760 

1890 

1010  m 

Unterschied 

240 

160 

160 

160 

210 

200 

450 

260 

290  m 

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Verbreitung  des  Schnees. 


143 


Im  heißesten  Monat  (Juli)  kommen  Schneefälle  nur  oberhalb 
2100  m vor,  aber  auch  in  dieser  oberen  Region  regnet  es  noch 
ziemlich  häufig.  Die  meteorologische  Station  auf  dem  Sonnblick- 
gipfel in  den  Tauern  (3100  m Höhe)  verzeichnete  im  Sommer  1887 
17  und  im  Sommer  1888  10  Regentage.  Es  ist  also  auch  zweifel- 
haft, ob  ein  Gebirge  in  die  Region  beständig  fester  Niederschläge 
hineinragt. 

Die  Schneegrenze4.  Der  pulverig  trockene  Schnee,  der  in  den 
höchsten  Regionen  unserer  Alpen  fällt,  bleibt  auf  den  steilen  Graten 
und  Abhängen  nicht  lange  haften.  Das  Spiel  der  Winde  und  die 
eigene  Schwere  führen  ihn  jenen  großen  Mulden  und  kesselförmigen 


Fig.  26.  Firnfeld  des  Gurgier  Gletschers. 


"Vertiefungen  zu,  mit  denen  die  Thäler  nach  oben  enden,  und  häuft 
ihn  hier,  zusammen  mit  dem  an  Ort  und  Stelle  gefallenen  Schnee 
zu  gewaltigen  Massen  an,  die  an  den  sanfteren  Böschungen  des  um- 
gebenden Höhenkranzes,  stellenweise  bis  an  den  Kamm  desselben  hinauf- 
ziehen, jedoch  so,  daß  aus  der  weißen  Fläche  noch  immer  schneefreie 
Felseninseln  aufragen  (Fig.  26).  Der  Hochschnee  nimmt  hier  unter 
dem  Einflüsse  wechselnden  Abtauens  an  Sommertagen  und  nächtlichen 
Wiedergefrierens  eine  graupenförmig-kömige  Beschaffenheit  an,  er 
wird  zum  Firn.  Nach  unten  geht  dieser  durch  den  Druck  seiner 
eigenen  Masse  in  Eis  über;  die  Schneedecke,  die  darüber  lagert, 
wird  thalabwärts  immer  dünner  und  endet  an  jener  Linie,  wo  die 
Sommerwärme  schon  hoch  genug  ist,  um  die  Schneemenge  des  vorigen 


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144 


Die  Lufthülle. 


Winters  und  gelegentlichen  Neuschnee  aulzuzehren.  Diese  Linie  ist 
die  Schnee-  oder  Firnlinie;  beide  Begriffe  können  in  unseren  Hoch- 
gebirgen thatsächlich  als  identisch  betrachtet  werden,  denn  die 
Schneegrenze  wird  immer  an  den  Firnfeldern  gemessen.  Oberhalb 
derselben  herrscht  Anhäufung,  unterhalb  Abschmelzung  vor. 

Firnfeld  reiht  sich  an  Firnfeld;  es  ist  selten  eine  auf  weite 
Strecken  zusammenhängende  Schneedecke,  aber  es  sieht,  von  ferne 
betrachtet,  fast  so  aus.  Wir  können  die  einzelnen  Firnlinien  über 
die  trennenden  Kämme  hinweg  zu  einer  einzigen  Linie  verbinden, 
die  dem  Gebirge  entlang  laufend,  im  Sommer  das  vorwiegend  schnee- 
bedeckte von  dem  vorwiegend  schneefreien  Lande  trennt.  Das  ist 
die  wirkliche  Schneelinie. 

Aber  diese  Linie  fällt  nicht  mit  einer  bestimmten  Isohypse  zu- 
sammen, denn  die  Bedingungen  zu  dauernder  Schneeanhäufung  sind 
nicht  überall  gleich.  Die  Höhe  der  Grenze  hängt  allerdings  zu- 
nächst von  zwei  klimatischen  Faktoren  ab:  von  der  Sommerwärme 
und  von  der  Niederschlagsmenge;  aber  selbst  wenn  innerhalb  eines 
Gebirges  von  beschränkter  Ausdehnung  diese  beiden  Faktoren  nicht 
erheblich  variieren,  schwankt  doch  die  Schneegrenze  infolge  orogra- 
phischer  Verschiedenheiten,  die  in  der  Lage  und  im  Baue  der  Firn- 
mulden begründet  sind.  Maßgebend  ist  vor  allem  die  Lage  an  der 
Sonnen-  oder  Schattenseite  eines  Gebirges  und  die  Lage  gegenüber 
der  herrschenden  Windrichtung.  Am  Finsteraarhorn-Massiv  z.  B. 
hat  die  Schneegrenze  an  der 

Nordabdachung  eine  Seehöhe  von  2850  m 
Ostabdachung  „ ,.  „ 2860  „ 

SUdabdachung  „ „ „ 3010  „ 

Westabdachung  „ „ „ 2900  „ 

Der  Gegensatz  von  Nord-  und  Südabdachung  tritt  in  den  Alpen 
überall  deutlich  hervor,  obwohl  im  allgemeinen  der  Niederschlag 
auf  der  Südseite  größer  sein  dürfte.  Aber  erst  dann,  wenn  die 
Südseite  sehr  erheblich  feuchter  ist,  kehrt  sich  der  Gegensatz  um. 
Wir  werden  noch  später  davon  zu  sprechen  haben. 

Selbst  bei  benachbarten  Gletschern  von  gleicher  Lage  kann 
die  Höhe  der  Fimgrenze  sehr  verschieden  sein.  Wählen  wir  wieder 
ein  Beispiel  aus  dem  Finsteraarhorn-Massiv.  Dem  großen  Aletsch- 
gletscher fließen  rechts  der  Mittelaletsch-,  der  Triest-  und  der  Ober- 
aletschgletscher zu;  bei  dem  ersten  liegt  die  Schneegrenze  in  3060, 
bei  dem  zweiten  in  3210,  bei  dem  dritten  in  2830  m Seehöhe.  Sie 
alle  fließen  nach  SO.  und  doch  schwankt  die  Schneegrenze  um  volle 
380  m!  Ein  näheres  Eingehen  auf  den  Bau  der  Firnmulden  er- 
klärt uns  freilich  diese  Unterschiede;  die  Triester  Mulde  liegt  der 


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Verbreitung  des  Schnees. 


145 


Mittagssonne  ganz  offen,  während  der  Ober-Aletschfirn  durch  hohe 
Kämme  beschattet  wird. 

Als  klimatisches  Phänomen  ist  die  Fimgrenze  natürlich  auch 
Schwankungen  von  Jahr  zu  Jahr  unterworfen.  Eine  einzige  Messung 
hat  daher  nur  beschränkten  Wert.  Aber  Messungen  sind  in  den 
alpinen  Gebirgen  überhaupt  schwierig  und  bieten  nicht  im  entfern- 
testen jene  Gewähr,  wie  an  den  Vulkankegeln  des  tropischen  Süd- 
amerikas, wo  die  Schneelinie  durch  Regelmäßigkeit  und  Beständig- 
keit schon  frühe  die  Aufmerksamkeit  der  Forschungsreisenden  auf 
sich  gelenkt  hat  Man  versuchte  daher,  ihre  Seehöhe  zu  be- 
rechnen, zunächst  auf  direktem  Wege  durch  Einstellung  klimatischer 
Mittelwerte,  wie  es  v.  Sonklar  in  umfassender  Weise  gethan  hat. 
Aber  diese  Methode  konnte  zu  keinem  befriedigenden  Resultate 
führen,  weil  die  Grundlagen  nicht  gesichert  sind.  Die  ältere  Vor- 
stellung, daß  dip  Schneegrenze  mit  der  Höhenisotherme  von  0°  Zu- 
sammenfalle, wurde  bald  als  unhaltbar  erkannt.  In  den  letzten 
Jahren  sind  drei  indirekte  Methoden  mit  Erfolg  angewendet  worden. 
Die  älteste  derselben6  giebt  eigentlich  nur  Grenzwerte;  die  obere 
Grenze  stellen  die  Gipfelhöhen  jener  Bergmassen  dar,  die  Gletscher 
entsenden,  die  untere  bezeichnen  jene  benachbarten  Gipfelhöhen,  die 
trotz  günstiger  Lage  keine  großen  Schneefelder  mehr  beherbergen. 
Man  kann  die  Frage  auch  so  stellen:  weiche  Isohypse  muß  ein  Berg 
übersteigen,  um  Gletscher  bilden  zu  können?  Diese  Isohypse  ist  dann 
annähernd  die  Schneegrenze  innerhalb  eines  größeren  Gebirgs- 
abschnittes.  Um  zu  Vorstellungen  über  die  Seehöhe  der  eiszeitlichen 
Schneegrenze  zu  gelangen,  ist  dies  die  einzige  bisher  bekannte 
Methode  und  hat  in  dieser  Beziehung  schon  gute  Dienste  geleistet 
Die  orometrische  Methode  Brückners6  geht  von  der  Annahme 
aus,  daß  mindestens  3/4  einer  Gletscherfläche  über  der  Schneegrenze, 
d.  h.  im  Sammelgebiete  liege,  und  bestimmt  nun,  welcher  Isohypsen- 
fläche dieses  Firnareal  an  Größe  gleichkommt.  Die  betreffende 
Isohypse  stellt  die  Maximalhöhe  der  Schneelinie  dar;  die  Maximal- 
höhe insofern,  als  das  Verhältnis  der  Eiszunge  zum  Firnfelde  mit 
Ausnahme  der  großen  Thalgletscher  sicher  überschätzt  ist,  und  weil 
innerhalb  des  ewigen  Schnees  schneefreie  Partien  sich  befinden,  die 
nicht  in  das  Gletscherareal  einbezogen  werden.  Die  Ausdehnung 
dieser  Partieen,  die  ihre  Schneefreiheit  nur  ihrer  Steilheit  verdanken, 
kann  aber  unter  Umständen  eine  sehr  beträchtliche  sein;  für  den 
Ankogel  z.  B.  fand  Richter7  innerhalb  der  Höhenlinie  von  2700  m 
41  Proz.  schneefrei.  Als  dritte  Methode  gesellt  sich  endlich  die 
von  Kurowski6  hinzu.  Wenn  — so  schließt  er  — der  Niederschlag 
proportional  der  Höhe  wächst  und  die  Abschmejzung  in  gleichem 

Sofas,  Pbjraiache  Erdkunde.  2.  Aufl.  10 


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146 


Die  Lufthülle. 


Verhältnisse  abnimmt,  so  muß  die  mittlere  Höhe  des  Gletschers 
(Eiszunge  und  Firn)  diejenige  Linie  sein,  wo  sich  beide  Faktoren 
das  Gleichgewicht  halten,  d.  h.  die  Schneegrenze.  In  Wirklichkeit 
ist  die  gemachte  Voraussetzung  allerdings  nicht  ganz  erfüllt,  aber 
trotzdem  ist  erfahrungsgemäß  die  mittlere  Gletscherhöhe  zwar  etwas, 
aber  nur  wenig  größer  als  die  Höhe  der  Schneegrenze. 

Allein  mag  die  Berechnungsmethode  noch  so  fein  sein,  so  sind 
wirkliche  Schneegrenzen  ebensowenig  vergleichbare  Größen,  wie  die 
Temperaturen  von  Orten  in  verschiedener  Seehöhe.  Man  hat  daher 
einen  neuen  Begriff  aufgestellt,  den  der  klimatischen  Schnee- 
grenze, d.  h.  jener  idealen  Schneegrenze,  die  lediglich  durch  die 
klimatischen  Faktoren  bedingt  ist  Aber  leider  ist  die  Ausscheidung 
der  störenden  orographischen  Momente  schwieriger,  als  die  Reduktion 
der  Temperatur  auf  das  Meeresniveau.  Man  muß  sich  mit  Mittel- 
werten behelfen,  indem  man  voraussetzt,  daß  sich  die  Gunst  und 
Ungunst  der  örtlichen  Verhältnisse  innerhalb  eines  grösseren  Ge- 
birgsabschnittes  ausgleichen.  Es  liegt  aber  auf  der  Hand,  daß  dies 
nur  zufällig  geschehen  kann,  und  erst  die  Heranziehung  eines  sehr 
großen  Zahlenmaterials  wird  uns  in  dieser  Beziehung  vor  Fehl- 
schlüssen einigermaßen  bewahren.  Man  ist  indeß  auch  noch  immer 
nicht  darüber  einig,  was  alles  als  orographisches  Moment  anzusehen 
sei.  Richtkb,  Bbückner,  Kubowski  u.  a.  faßen  die  klimatische 
Schneegrenze  als  die  Schneegrenze  auf  einer  supponierten  horizon- 
talen Fläche  auf,  wo  der  Gegensatz  von  Sonnen-  und  Schatten- 
seite wegfällt,  und  suchen  diesem  Begriffe  dadurch  gerecht  zu  werden, 
daß  sie  bei  der  Mittelziehung  sämtliche  Lagenverhältnisse  berück- 
sichtigen. In  der  Finsteraarhomgruppe  z.  B.  schwanken  die  wirk- 
lichen Schneegrenzen  nach  der  Berechnung  von  Kubowski  zwischen 
2490  und  3210  m.  Der  Mittelwert  ist  2950  m,  und  man  nimmt 
an,  daß  an  dieser  Stelle  ein  Hochplateau  mit  ewigem  Schnee  bedeckt 
wäre,  wenn  es  sich  über  diese  Grenze  erhöbe.  Es  ist  aber  klar, 
daß  man  dabei  auch  voraussetzt,  daß  die  klimatischen  Faktoren  auf 
allen  Abdachungen  die  gleichen  seien,  und  wir  haben  keinen  Beweis, 
daß  diese  Voraussetzung  richtig  ist  Es  ist  möglich,  daß  die  Süd- 
seite niederschlagsreicher  ist,  und  daß  dort  die  Schneegrenze  noch 
höher  liegen  würde,  wenn  die  Schneeanhäufung  nur  ebenso  groß 
wäre,  als  am  Nordabhange.  Wo  die  klimatischen  Gegensätze  zwischen 
den  beiden  Seiten  eines  Gebirges  sich  erheblich  steigern,  wie  in  vielen 
Gebieten  der  Erde,  da  wird  das,  was  man  als  klimatische  Schnee- 
grenze annimmt,  nicht  bloß  ein  idealer,  sondern  geradezu  ein  ima- 
ginärer Wert  Allein  nicht  bloß  der  Niederschlagsfaktor  kann  dabei 
zu  kurz  kommen,  auch  der  Einfluß  des  Temperaturfaktors  wird 


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Verbreitung  des  Schnees. 


147 


unserer  Ansicht  nach  nicht  richtig  geschätzt.  Was  wir  Temperatur 
nennen,  ist  Luft-  d.  h.  Schattentemperatur;  darnach  berechnen 
wir  auch  die  vertikale  Wärmeabnahme  und  berücksichtigen  dabei 
die  intensive  Sonnenstrahlung  an  hochgelegenen  Orten  ganz  und  gar 
nicht  Die  Temperatur  wirkt  als  klimatischer  Faktor  auf  die  Schnee- 
grenze also  nur  an  der  Schattenseite  eines  Gebirges;  die  Verhält- 
nisse an  der  Sonnenseite  sind  dagegen  durchaus  abnorme  und  nähern 
sich  den  normalen  nur  zur  Zeit  dichter  Bewölkung.  Wir  definieren 
daher  die  klimatische  Schneegrenze  als  die  mittlere  Schneegrenze 
auf  der  Schattenseite  eines  Gebirgsabschnittes  mit  mög- 
lichst gleichartigen  Temperatur-  und  Niederschlagsver- 
hältnissen, und  glauben  uns  damit  auch,  wenigstens  der  Haupt- 
sache nach,  mit  der  Auffassung  Ratzels  in  Übereinstimmung  zu 
befinden.  Wir  müssen  aber  später  noch  eine  wichtige  Einschränkung 
machen. 

Ratzel9  unterscheidet  übrigens  noch  eine  orographische 
Schneegrenze.  Dauernde  Schneeanhäufungen,  teils  wirkliche  Firn- 
flecke, teils  Lawinenreste  kommen  nämlich  unter  abnorm  günstigen 
Bedingungen,  an  beschatteten  Orten  mit  kellerartiger  Temperatur, 
auch  unterhalb  der  Schneegrenze  vor.  Die  untere  Grenze  dieser 
vereinzelten  Vorkommnisse  nennt  Ratzel  die  orographische  Schnee- 
grenze im  Gegensätze  zur  klimatischen. 

Verteilung  der  Schneegrenze.10  Die  Liste  der  gemessenen  und 
geschätzten  Schneegrenzen  in  verschiedenen  Teilen  der  Erde  ist 
ziemlich  reichhaltig,  aber  so  außerordentlich  ungleichmäßig,  daß 
man  am  besten  thut,  auf  eine  Reproduktion  derselben  zu  verzichten. 
Daß  vereinzelte  Messungen  nur  problematischen  Wert  haben,  wurde 
schon  oben  erörtert,  und  die  schätzungsweisen  Angaben  lassen  sich 
nicht  immer  auf  den  Grad  ihrer  Zuverlässigkeit  prüfen.  Berechnungen 
auf  indirektem  Wege  sind  nur  für  unsere  Alpen  geliefert  worden 
und  überhaupt  nur  möglich  in  Ländern,  von  denen  genaue  Höhen- 
schichtenkarten existieren.  Noch  bedauerlicher  ist  aber  die  Verwirrung, 
die  bis  in  die  neueste  Zeit  in  Bezug  auf  den  Begriff  der  Schneegrenze 
bestand,  sodaß  man  oft  nicht  weiß,  ob  sich  eine  Zahl  auf  die  oro- 
graphische oder  wirkliche  oder  klimatische  oder  eine  andere  Schnee- 
grenze bezieht,  und  in  welcher  Weise  die  klimatische  Schneegrenze 
aufgefaßt  wird.  Ja  bei  manchen  Gebirgen  ist  es  überhaupt  schwer 
zu  entscheiden,  ob  man  es  mit  rein  orographisch  oder  mit  kli- 
matisch bedingtem  Firn  zu  thun  hat  Aber  trotz  aller  Mängel  des 
Zahlenmaterials  lassen  sich  doch  schon  einige  allgemeine  Gesetze 
aufstellen. 

Wenn  wir  von  den  Niederschlägen  vorerst  ganz  absehen,  so 

10* 


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148 


Die  Lufthülle. 


müssen  wir  voraussetzen,  daß  die  Schneegrenze  von  dem  thermischen 
Äquator  nach  beiden  Polen  sich  senkt  und  zwar  rascher  nach  dem 
Südpole,  weil  auf  der  Südhemisphäre  die  Sommertemperatuf  niedriger 
ist,  als  unter  entsprechenden  nördlichen  Breiten.  Das  ist  auch  in 
der  That  der  Fall.  Im  Kaskadengebirge  Oregons  ist  die  Schnee- 
grenze auf  2100 — 2400  m festgesetzt,  in  den  südchilenischen  Andes 
unter  44 0 B.  liegt  sie  schon  in  1 400  m.  Im  streng  ozeanischen 
Klima  Südgeorgiens  fand  die  deutsche  Polarexpedition  in  der  Breite 
des  nordenglischen  Gebirges  am  Roßgletscher,  der  an  der  Ostküste 
bis  an  das  Meer  herabsteigt,  die  Firngrenze  schon  in  360  m Höhe,  also 
beträchtlich  tiefer  als  auf  Jan  Mayen  unter  71"  N.  Aber  in  keinem 
Polarlande,  das  man  bisher  besser  kennen  gelernt  hat,  sinkt  die 
klimatische  Schneelinie  bis  an  den  Meeresspiegel  herab,  wohl  aber 
überall  die  orographische. 

Die  höchste  Seehöhe  erreicht  die  Schneegrenze  zwar  stets  inner- 
halb der  innem  Zone,  wo  das  Landklima  wärmer  ist  als  das  See- 
klima, aber  nicht  unter  dem  Äquator,  sondern  in  den  trockensten 
Gegenden.  Im  westlichen  Hochgebirgswalle  Amerikas,  der  sich  wegen 
seiner  Erstreckung  durch  alle  Klimagürtel  am  besten  zu  Gletscher- 
studien eignet,  aber  in  dieser  Beziehung  leider  noch  wenig  bekannt 
ist,  liegt  der  Scheitelpunkt  der  Schneegrenzenkurve  unter  18°  10'  S., 
6120  m über  dem  Meeresspiegel.  Die  gemessene  Stelle  befindet  sich 
am  Nordostabhange  des  Vulkans  Pauchata;  der  benachbarte  Vulkan 
Sajama  (18°  T S.)  hat  seine  Fimgrenze  in  5925  m,  sodaß  wir 
ca.  6000  m als  maximalen  Näherungswert  für  die  sudamerikanische 
Westcordillere  annehmen  dürfen.  Auf  der  Ostcordillere  aber,  die 
schon  dem  subtropischen  Wüstenklima  entrückt  ist,  liegt  die  Schnee- 
grenze um  ca.  1000  m tiefer,  trotzdem  daß  der  Sommer  hier  heißer  ist 
Es  muß  übrigens  darauf  aufmerksam  gemacht  werden,  daß  innerhalb 
des  Tropengürtels  die  Feststellung  der  klimatischen  Schneegrenze 
mit  großen  Schwierigkeiten  verknüpft  ist,  weil  keine  Abdachung  ohne 
besondere  orographische  Schutzmittel  das  ganze  Jahr  hindurch  im 
Schatten  liegt.  Die  alte  Welt  hat  ihre  höchste  Schneegrenze  im 
trockenen  Tibet.  Das  Karakorum gebirge  unter  35y2°  N.  trägt  auf 
der  Nordseite  erst  über  5700  m,  auf  der  Südseite  sogar  erst  über 
5900  m ewigen  Schnee;  die  erstere  Zahl  repräsentiert  nach  unserer 
Auffassung  die  klimatische  Firnlinie.  Für  den  Himalaja  reicht  aber 
unsere  Definition  dieser  Linie  nicht  aus.  Er  trennt  zwei  Klima- 
extreme,  der  Süden  ist  enorm  feucht,  der  Norden  enorm  trocken. 
Daher  der  außergewöhnliche  Fall,  daß  die  Schneegrenze  am  Nord- 
abhange  (5300  m)  viel  höher  liegt  als  am  Südabhange  (4900  m).  Bei 
solchen  klimatischen  Unterschieden  darf  natürlich  nicht  die  nördliche 


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Gletscher. 


149 


Schneelinie  als  die  des  ganzen  Gebirges  betrachtet  werden,  aber 
ebensowenig  die  südliche,  vorausgesetzt,  daß  hier  nicht  Firnmulden 
gefunden  werden,  die  durch  besonders  günstigen  Bau  vor  dem 
direkten  Einflüsse  der  Sonnenstrahlen  stets  geschützt  sind. 

Am  genauesten  kennen  wir  jetzt,  dank  den  sorgfältigen  Unter- 
suchungen Eduard  Richters,  die  Verteilung  der  klimatischen  Schnee- 
grenze in  den  Ostalpen.  Sie  liegt  hier 


in  den  nördlichen  Kalkalpen 

in 

2500  in 

H. 

in  der  Silvretta 

2650  „ 

im  Innern  der  Otzthaler  Alpen 

» 

2900  „ 

11 

in  den  nördlichen  Verzweigungen  derselben 

?» 

2800  „ 

11 

im  Ortlergebiete 

n 

2900  „ 

11 

im  Venediger  und  Glöckner-Massiv .... 

ii 

2600  „ 

11 

im  Adamello 

2800  „ 

in  der  Brentagruppe 

unter 

2700  „ 

11 

in  der  Marmolata 

in 

2650  „ 

11 

Überraschend  ist  hier  die  Senkung  der  Schneegrenze  nach  Osten, 
während  man  früher  das  Entgegengesetzte  annahm,  und  ferner  ihre 
hohe  Lage  in  den  Otzthaler  und  Ortleralpen,  deren  massiger  Bau  die 
vertikale  Wärmeabnahme  verlangsamt  und  deren  zentrale  Lage  ver- 
mutlich eine  geringere  Niederschlagsmenge  bedingt. 

Literaturnachweise.  1 Hans  Fischeb,  Die  Äquatorialgrenze  des  Schnee- 
falls, Mitteilungen  d.  Vereins  für  Erdkunde,  Leipzig  1888.  — ’ M.  Friedrich, 
Niederschläge  u.  Schneelagerung  in  der  Arktis.  Leipzig  1891.  — s v.  Kerner, 
Die  Schneegrenze  im  Gebiet  des  mittleren  InnthalSs,  in  d.  Denkschr.  d.  Wiener 
Akad.  d.  Wiss.  1887.  — 4 F.  Klengel,  Die  historische  Entwicklung  des  Begriffs 
der  Schneegrenze,  Mitteilungen  d.  Vereins  für  Erdkunde,  Leipzig  1889.  — 
5 E.  Brückner,  Die  Vergletscherung  des  Salzachgebiets,  Wien  1886.  — * Brückner, 
Die  Hohen  Tauern  u.  ihre  Eisbedeckung,  in  der  Zeitschrift  d.  D.  u.  O.  Alpen- 
vereins 1886.  — 7 E.  Richter,  Die  Gletscher  der  Ostalpen,  Stuttgart  1888.  — 
* L.  Kcrowski,  Die  Höhe  d.  Schneegrenze,  in  d.  Arbeiten  d.  geographischen  In- 
stituts der  Universität  Wien,  1891.  — * Fr.  Ratzel,  Zur  Kritik  der  natürlichen 
Schneegrenze,  in  der  Leopoldina,  1886.  — 10  Heim,  Handbuch  der  Gletscher- 
kunde, Stuttgart  1885. 


Gletscher.* 

Wenn  auch  in  der  Region  des  ewigen  Schnees  der  Verdunstungs- 
prozeß nicht  stille  steht,  so  fällt  ihm  doch  nur  ein  geringer  Bruch- 
teil der  jährlichen  Niederschlagsmenge  zum  Opfer,  und  das  Wachs- 
tum der  Schneemassen  wird  dadurch  nur  wenig  gehindert.  Es  giebt 
aber  ein  wirksameres  Gegenmittel:  die  Bewegungsfähigkeit  des  Schnees. 
Er  wird  dadurch  den  wärmeren  Regionen  zugeführt  und  hier  auf- 


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150 


Die  Lufthülle. 


gelöst,  um  entweder  in  den  mütterlichen  Schob  des  Meeres  zurück- 
zukehren oder  in  Dampfform  seinen  Kreislauf  wieder  zu  beginnen. 
Die  übliche  Bezeichnung  „ewiger  Schnee“  ist  demnach  insofern  eine 
unrichtige,  als  nicht  die  einzelne  Schneelage,  sondern  nur  die  Schnee- 
bedeckung eine  dauernde  ist. 

Plötzlich  gleitende  Schneemassen  nennt  man  Lawinen.  Nament- 
lich im  Frühjahr  sind  solche  häufig,  wenn  der  erweichte  Schnee  an 
den  steileren  Hängen  nicht  mehr  haften  kann.  Der  Schuß  eines 
Jägers,  der  Pfiff  einer  Lokomotive,  das  Jauchzen  eines  sangfrohen 
Älplers  genügt  dann,  um  den  auf  das  Äußerste  gespannten  Gleich- 
gewichtszustand aufzuheben.  Aber  so  gewaltige  Massen  auch  dadurch 
dem  Thale  zugeführt  werden,  so  verheerend  auch  eine  solche  Kata- 
strophe wirken  kann,  so  trägt  doch  die  langsame,  aber  stetige  Thal- 
bewegung des  Gletschers  unendlich  mehr  zur  Entlastung  der  Hoch- 
gebirge bei  und  ist  auch  in  ihren  sonstigen  Wirkungen  eines  der 
wichtigsten  erdphysikalischen  Phänomene. 

Begriff  und  Einteilung  der  Gletscher.  Wir  müssen  uns  zunächst 
über  den  Begriff  des  Gletschers  verständigen,  denn  dieser  Ausdruck  wird 
in  sehr  verschiedener  Weise  gebraucht,  und  dies  giebt,  wie  es  nicht 
anders  sein  kann,  zu  vielen  Mißverständnissen  Veranlassung.  Überall, 
wo  dauernde  Schneeansammlungen  vorhanden  sind,  kommt  es  auch 
zur  Eisbildung,  denn  der  Schnee  geht  in  seinen  unteren  Schichten 
schon  vermöge  seiner  eigenen  Schwere  in  Eis  über,  und  verschieden 
ist  nur  die  Tiefe,  in  welcher  dieser  Übergang  sich  vollzieht.  Aber 
nicht  überall  tritt  das  feis  aus  der  Schneehülle  zutage,  oder  mit 
anderen  Worten,  nicht  überall  dringt  das  Eis  aus  der  Region  des 
ewigen  Schnees,  wo  es  sich  dauernd  in  der  Tiefe  befindet,  in  die- 
jenige Region  ein,  wo  die  winterliche  Schneehülle  im  Sommer  schmilzt 
Firn-  und  Eisgrenze  fallen  dann  zusammen,  und  wenn  wir  auch  aut 
diese  Eisbildung  den  Begriff  Gletscher  anwenden,  so  können  wir  sie 
passend  als  Firngletscher  bezeichnen.  Wir  finden  sie  überall, 
wo  nur  einzelne  regelmäßig  gestaltete,  ungegliederte  Gipfel  in  die 
Schneeregion  hineinreichen,  vorausgesetzt,  daß  die  Abhänge  sanft 
genug  sind,  um  überhaupt  eine  Schneedecke  tragen  zu  können. 
Anders  in  jenen  Gebirgen,  die  mit  einem  langgestreckten  Kamme 
über  die  Schneegrenze  emporsteigen.  Wir  haben  da  große,  hoch- 
gelegene Sammelbecken,  wie  wir  sie  in  den  Firnmulden  kennen  ge- 
lernt haben,  und  ein  ausgebildetes  Thalsystem,  das  dem  Eisstrome  den 
Weg  in  die  Tiefe  weist.  Deutliche  Scheidelinien  grenzen  hier 
die  einzelnen  Gletscher  voneinander  ab;  jeder  Gletscher  ist  ein 
Individuum  für  sich,  eine  hydrographische  Einheit;  jeder  besteht  aus 
zwei  Teilen,  aus  Firn  und  Eiszunge,  ja  wir  können  sogar  noch 


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Gletscher.  151 

als  dritten  Teil  den  dazu  gehörigen  Hochschnee  anfügen.  Je  nach- 
dem die  Eiszunge  entwickelt  ist,  unterscheiden  wir  Gletscher 
erster  und  zweiter  Ordnung.  Die  ersteren  können  wir  als  Thal- 
gletscher bezeichnen,  denn  ihre  ausgebildete  Eiszunge  bewegt  sich 
stromartig  thalabwärts  oft  bis  in  die  Wald-,  ja  sogar  bis  in  die 
Kulturregion.  Die  anderen  besitzen  nur  eine  wenig  entwickelte  Eis- 
zunge, sie  scheinen  hoch  oben,  an  den  Abhängen  der  Thäler  zu  kleben, 
und  man  hat  sie  daher  Hängegletscher  benannt.  Diese  und  die  Thal- 
gletscher sind  Unterarten  der  alpinen  Gletscher. 

Wieder  eine  andere  Gestaltung  gewinnt  das  Gletscherphänomen, 
wenn  eine  breite,  plateauartige  Gebirgsmasse  mit  ewigem  Schnee  sich 
bedeckt.  Hoch-  und  Firnschnee  verschmelzen  dann  zu  ausgedehnten 
Schneefeldern,  die  entweder  in  gleicher  Weise  wie  die  Firngletscher 
als  Eismauer  abbrechen  oder  Eiszungen  in  der  Form  von  Thal- 
und  Hängegletschem  nach  verschiedenen  Seiten  entsenden.  Das  ist 
die  Erscheinungsform  des  Inlandeises.  Der  Unterschied  vom  alpinen 
Typus  besteht  darin,  daß  beim  Inlandeise  die  Individualisierung  ver- 
loren geht;  es  besteht  aus  einer  Gletscherfamilie,  die  von  einem 
gemeinsamen  Schneefelde  ohne  erkennbare  Firnscheiden  gespeist  wird. 
Den  alpinen  Gletscher  können  wir  einem  Gebirgssee  mit  einseitigem 
Abflüsse  vergleichen  — der  See  entspricht  in  diesem  Falle  der  Firn- 
mulde — das  Inlandeis  ist  einem  See  gleich,  der  eine  flache  Wasser- 
scheide bedeckt  und  nach  verschiedenen  Seiten  hin  entwässert. 

Als  eine  Mittelform  zwischen  dem  alpinen  Gletscher  und  dem 
Inlandeise  bezeichnet  Russell 2 den  Vorland-Gletscher  des 
Mount  Elias  in  Alaska,  den  einzigen  noch  lebenden  Repräsentanten 
einer  Form,  die  in  der  Eiszeit  weit  verbreitet  war.  Die  Gletscher- 
zungen verschiedener  alpiner  Firnfelder  erstrecken  sich  hier  über  den 
Fuß  des  Gebirges  hinaus  und  verschmelzen  im  Vorlande  zu  einem 
3900  qkm  großen  Eisfelde,  den  Malaspina-Gletscher.  Sein  Nähr- 
gebiet hat  also  alpinen  Bau,  er  selbst  aber  gleicht  dem  In- 
landeise. 

Nach  diesen  Erörterungen  können  wir  zu  unserem  Ausgangs- 
punkte zurückkehren.  Der  Ausdruck  „Gletscher“  wird  für  drei  ver- 
schiedene Dinge  gebraucht: 

1.  Für  alle  aus  dem  Schnee  hervorgehenden  dauernden  Eis- 
bildungen auf  dem  Lande.  In  diesem  Sinne  spricht  man  z.  B. 
von  einer  Vergletscherung  Grönlands  oder  Norddeutschlands  zur 
Eiszeit  u.  s.  w.; 

2.  für  die  alpinen  Gletscher  und  setzt  dann  Gletscher  in 
bestimmten  Gegensatz  zum  Inlandeise.  Unsere  Firngletscher  werden 
dann  nicht  als  Gletscher  angesehen,  und  in  diesem  Sinne  ist  es 


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152 


Die  Lufthülle. 


zu  verstehen,  wenn  z.  B.  vereinzelten  hohen  Vulkankegeln  Gletscher 
abgesprochen  werden; 

3.  für  die  Eiszungen  der  alpinen  Gletscher  und  des  Inland- 
eises, und  man  unterscheidet  dann  streng  zwischen  Gletscher  und  Firn. 

Aus  unseren  Auseinandersetzungen  dürfte  schon  hervorgegangen 
sein,  dass  wir  uns  für  den  weitesten  Begriff  entschieden  haben; 
wir  werden  aber  der  nachfolgenden  Schilderung  hauptsächlich  die 
alpinen  Verhältnisse  zu  gründe  legen,  weil  diese  am  besten  bekannt 
und  am  eingehendsten  erforscht  sind. 

Die  Gletscherzunge.  Wenn  man  Gletscher  als  Eisströme  be- 
zeichnet, so  denkt  man  dabei  zunächst  an  die  großen  Thalgletscher. 


Fig.  27.  Mer  de  Glace. 


Wie  die  Flüsse  vereinigen  sich  mehrere  derselben  zu  einem  einzigen 
Eisstrome.  Wir  nennen  als  Beispiel  die  berühmte  Mer  de  Glace 
in  der  Montblanc-Gruppe,  die  den  Arveiron  zur  Arve  entsendet 
Bei  der  Vereinigung  ist  der  Eisstrom  2000  m breit,  später  wird  er 


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Gletscher. 


153 


auf  ca.  lüüü  m eingeengt.  Sein  Ende  erreicht  dieser  vielbesuchte 
Gletscher,  der  bis  zu  den  Eiskatarakten  des  Göant  9800  m mißt, 
in  1125  m Seehöhe,  also  nur  75  m über  Chamonix.  Das  Sammel- 
gebiet hat  eine  Gesamtfläche  von  3013  ha.  (nämlich  Glacier  du 
Göant  1600,  G.  de  Löchaux  569,  G.  de  Talefre  844);  die  Mer  de 
Glace  eine  solche  von  1165  ha.;  das  Verhältnis  der  Eiszunge  zum 
Firn  ist  also  1 : 2,e  oder  rund  1:3,  und  dies  darf  man  auch  als 
das  durchschnittliche  Verhältnis  bei  allen  großen  Thalgletschern  der 
Alpen  ansehen,  wenn  auch  Schwankungen  innerhalb  ziemlich  weiter 


Fig.  28.  Goruer  Gletscher. 


Grenzen  selbst  bei  benachbarten  Gletschern  Vorkommen.  Bei  Hänge- 
gletschern ist  das  Verhältnis  natürlich  ein  anderes.  Man  kann  hier 
1:8  als  Kegel  annehmen. 

Meist  ist  der  Eisstrom  in  der  Mitte  etwas  höher  als  an  den 
Ufern,  wo  er  unter  dem  Einflüsse  der  erwärmten  Berggehänge 
rascher  schmilzt.  Beim  Aletschgletscher  in  den  Berner  Alpen 
betrug  die  Erhöhung  der  Mitte  über  dem  Rande  im  August  1872 
nahezu  60  m.  Wo  aber  die  Ränder  eine  dichte  Schuttdecke  tragen, 
während  der  mittlere  Teil  schutzlos  der  Wirkung  der  Sonnenstrahlen 


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154 


Die  Lufthülle. 


preisgegeben  ist,  da  ist  der  letztere  tiefer  eingesenkt,  wie  dies  z.  B. 
beim  Vernagtgletscker  in  Tirol  der  Fall  ist.  ln  unseren  Alpen  beträgt 
die  Mächtigkeit  des  Gletschers  in  seinen  oberen  Partien  mehrere 
hundert  Meter,  am  Ende  aber,  besonders  wenn  es  in  die  Kultur- 
region hineinreicht,  übersteigt  sie  kaum  Baumeshöhe.  Niemals  aber 
läuft  der  Gletscher  allmählich  aus,  sondern  bricht  stets  als  eine  mehr 
oder  weniger  hohe  Eismauer  ab,  die  aus  einem  gewölbten  Thore 
den  Schmelzwasserbach  entläßt.  Am  reichlichsten  ist  dieser  natür- 
lich in  der  heißen  Jahreszeit,  aber  bei  den  großen  Gletschern  der 
Alpen  versiegt  er  selbst  im  Winter  nicht  und  ist  in  Grönland  sogar 
kaum  schwächer  als  im  Sommer.  Auch  auf  der  Oberfläche  des 
Gletschers  ruft  die  Sommersonne  zahlreiche  Bäche  und  Seen  hervor, 
aber  die  Nacht  legt  sie  wieder  in  Eisfesseln,  die  erst  der  folgende 
Tag  wieder  sprengt. 

Oletscherkorn.  Wenn  wir  nach  dem  wissenschaftlichen  Sp rach- 
gebrauche unter  Gletscher  Firn  und  Eiszunge  zusammenfassen,  so 
unterscheiden  wir  doch  streng  zwischen  Firn-  und  Gletschereis 
und  beschränken  den  letzteren  Ausdruck  auf  das  Material  der  Zunge. 
Yom  Hochschnee  zum  Firn  und  vom  Firn  zum  Firneis  lassen  sich 
alle  Übergänge  beobachten;  der  Firn  wird  nach  unten  immer  grob- 
körniger, und  das  Firnkorn  erscheint  auch  noch  im  Firneise  der 
tiefen  Schichten  eingebettet  in  eine  Masse  trüben,  mit  Luftbläschen 
angefüllten  Eises.  Ganz  anders  ist  das  Gletschereis  beschaffen.  Die 
ganze  Masse  ist  von  einem  dichten  Netze  von  Haarspalten  durch- 
zogen und  zerfällt  dadurch  in  unzählige  eckige  Eisstückchen,  die 
man  Gletscherkörner  nennt.  Es  sind  Eiskrystalle,  die  sich  in 
ihrer  Ausbildung  gegenseitig  hemmten,  also  etwas  ganz  anderes  als 
das  Firnkorn,  obwohl  das  Gletschereis  durch  Umformung  aus  dem 
Firneis  hervorgeht:  ein  Prozeß,  der  freilich  noch  nicht  der  Beobach- 
tung zugänglich  gemacht  wurde.  Die  Gletscherkörner  werden  immer 
größer,  je  mehr  wir  uns  dem  Ende  des  Eisstromes  nähern,  oder  mit 
anderen  Worten:  sie  wachsen  mit  dem  Alter  — eine  Erscheinung, 
die  bisher  noch  keine  allseitig  befriedigende  Erklärung  gefunden 
hat.  Die  letzte  Phase  in  dem  Streite  um  das  Gletscherkorn  bezeichnet 
die  Behauptung  Hagenbach-Bischoffs,8  daß  alle  größeren  Eis- 
krystalle die  benachbarten  kleineren  in  sich  aufnehmen,  mag  nun 
das  Eis  in  Ruhe  oder  in  Bewegung  sein.  Bislang  hatten  viele 
Forscher  die  Kömerstruktur  mit  der  Bewegung  in  ursächlichen 
Zusammenhang  gebracht. 

Gletscherbewegung.  Die  einseitige  Bewegung  des  Gletschers 
setzt  eine  Neigung  des  Bettes  voraus,  die  wir  aber  in  der  Regel 
nicht  messen,  sondern  nur  nach  der  Neigung  der  Gletscheroberfläche 


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Gletscher. 


155 


beurteilen  können.  Jedenfalls  ist  die  letztere  größer,  weil  die  Mächtig- 
keit nach  unten  abnimmt.  Sie  beträgt  bei  den  Thalgletschern  3 — 6°, 
doch  ist  der  Firn  in  der  Regel  etwas  steiler.  Geringere  Neigungen 
scheinen  in  außeralpinen  Gebirgen  sogar  noch  häutiger  zu  sein.  Wie 
in  den  Flußthälem  unterbricht  auch  in  den  Gletscherthälem  oft  eine 
steile  Stufe  die  sanfte  Abdachung;  der  Eisstrom  löst  sich  bei  seinem 
Sturze  in  ein  Trümmermeer  auf,  aber  unterhalb  schließen  sich  die 
Spalten  wieder,  und  in  majestätischer  Ruhe  zieht  er  weiter.  Häuge- 
gletscher  haben  eine  viel  größere  Neigung  als  Thalgletscher,  und  es 
kommt  nicht  selten  vor,  daß  große  Eisstücke  abbrechen  und  als 
Gletscherlawine  in  das  Thal  herabstürzen.  Geschieht  dies  regel- 
mäßig und  ist  die  Materialzufuhr  ausreichend,  so  wachsen  die  Eis- 
trümmer am  Fuß  der  Gletscherwand  wieder  zusammen  und  bilden 
einen  bewegungsfähigen  regenerierten  Gletscher,  der  keinen  Zu- 
sammenhang mit  der  Firnregion  hat.  Vielleicht  gehören  die  „halb- 
ausgebildeten“  Gletscher  Tibets,  welche  A.  Schuster  als  zusammen- 
gefrorene Schneemassen  mit  äußerst  geringer  Bewegung  charakterisiert, 
in  diese  Kategorie.  Auch  Firnlager  unterhalb  der  klimatischen  Schnee- 
grenze können  vereisen,  wie  beispielsweise  das  Blaueis  am  Hoch- 
kalter bei  Berchtesgaden. 

Eine  eigentümliche  und  noch  nicht  ganz  aufgeklärte  Erscheinung 
sind  die  Nieve  penitente,  d.  h.  der  Büßerschnee  der  argentinischen 
Cordilleren.  Es  sind  ausgedehnte  Schnee-  oder  Eisfelder  unterhalb 
der  Fimgrenze,  die  durch  Sonne  und  Wind  in  merkwürdig  aus- 
gezackte Figuren  verwandelt  sind.  Von  ferne  betrachtet,  nehmen  sie 
sich  wie  ein  Chor  stehender  oder  knieender,  in  weiße  Schleier  gehüllter 
Frauengestalten  aus.  „Figur  — so  schildert  sie  Güssfeld  — reiht 
sich  an  Figur,  jede  hoch  und  starr  aufgerichtet,  übermenschlich  groß, 
eine  jede  von  ihrem  Nachbar  verschieden,  und  alle  scheinen,  ver- 
steinerten Sündern  gleich,  auf  ein  erlösendes  Zauberwort  zu  harren.“ 
Nach  Brackebüsch4  kommen  sie  nur  auf  lockerem,  wasserdurch- 
lässigem Boden  vor,  und  er  schließt  daraus,  daß  sie  nicht  nach  Art 
normaler  Gletscher  auf  ihrer  Unterlage  sich  abwärts  bewegen,  sondern 
passiv  von  der  rutschenden  Unterlage  zu  Thale  gebracht  werden. 
Dabei  löst  sich  das  Eis  vom  Firnfelde  los,  es  entstehen  Spalten  und 
Klüfte,  und  die  Eismasse  zerfällt  in  Blöcke,  die  nun  von  den 
meteorischen  Kräften  in  so  seltsamer  Weise  modelliert  werden. 

Von  derartigen  abnormen  Erscheinungen  abgesehen,  befinden 
sich  Firn  und  Gletscher  in  ununterbrochener  Bewegung  thal- 
abwärts;  unregelmäßige  Bewegungen,  wie  sie  aus  den  Messungen 
von  Pfaff,  Klocke  und  Koch  hervorzugehen  schienen,  können  nicht 
als  erwiesen  gelten,  weil  die  Abweichungen  noch  innerhalb  der  Grenzen 


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156 


Die  Lufthülle. 


der  Beobachtungsfehler  liegen.  Dabei  folgt  das  anscheinend  spröde  Eis 
genau  den  Gesetzen  des  fließenden  Wassers.  Die  Geschwindigkeit 
hängt  auch  hier  von  der  Neigung  des  Bettes  und  von  der  Größe 
und  Konzentration  des  Querschnittes  ab.  Sie  wechselt  daher  inner- 
halb eines  und  desselben  Gletscherkörpers  und  nimmt  bei  normalem 
Thalbaue  gegen  die  Mitte  zu  und  dann  gegen  das  Ende  wieder 
ab.  Die  Thalgletscher  bewegen  sich  schneller  als  die  Hänge- 
gletscher, obwohl  die  letzteren  eine  größere  Neigung  besitzen;  aber 
die  Thalgletscher  sind  mächtiger  und  überwinden  leichter  die  Rei- 
bung am  Untergründe.  Wird  die  Eismasse  in  dem  sich  verengenden 
Bette  zusammengepreßt,  so  wird  die  Reibung  vermindert,  während 
der  Querschnitt  sich  gleich  bleibt,  und  die  Geschwindigkeit  steigert 
sich.  Zahlreiche  Beobachtungen  haben  ferner  gelehrt,  daß  sie  von 
den  Rändern  nach  der  Mitte  zunimmt,  daß  sie  in  gekrümmten 
Thälern  am  konvexen  Rande  stärker  ist  als  am  konkaven,  und  daß 
dann  die  Liuie  größter  Geschwindigkeit  nicht  genau  in  der  Mitte, 
sondern  näher  dem  konvexen  Rande  liegt  Auch  gelang  es  Tyndall 
am  Glacier  de  Göant  nachzu weisen,  daß  die  Bewegung  von  der 
Oberfläche  nach  dem  Grunde  abnimmt. 

Aber  das  Maß  der  Bewegung  hält  keinen  Vergleich  aus  mit  dem 
des  fließenden  Wassers.  In  den  Alpen  wie  in  Norwegen  rücken  die 
Gletscher  durchschnittlich  in  24  Stunden  nur  0,i  bis  höchstens  0,4  m vor. 
Heim  hat  berechnet,  daß  ein  Schneeteilchen  etwa  450  Jahre  braucht, 
um  vom  Gipfel  der  Jungfrau  bis  zum  Ende  des  Aletschgletschers 
zu  gelangen!  Die  gewaltigen  Gletscher  des  Himalaja  bewegen  sich 
allerdings  viel  rascher,  im  Sommer  täglich  2 — 3,?  m,  doch  übersteigt 
in  dieser  Jahreszeit  — wie  wir  sehen  werden  — auch  die  Ge- 
schwindigkeit mancher  alpinen  Eisströme  1 m.  Die  lebhafteste 
Bewegung  herrscht  im  nordwestlichen  Grönland;  Geschwindigkeiten, 
wie  sie  von  Steenstbuf , Helland,  Hammeh,  v.  Dbygalski  u.  a.  an 
den  Ausläufern  des  Inlandeises  nordwärts  der  Diskobai  gemessen 
wurden,  übersteigen  noch  weit  das  himalajische  Maß,  wenn  sie 
auch  noch  immer  nicht  größer  sind,  als  die  Geschwindigkeit  kleiner 
Schnecken!  Ein  Fortschreiten  von  10,  20  bis  32m  in  der  Mittel- 
linie für  je  24  Stunden  ist  sonst  noch  nirgends  im  normalen  Zu- 
stande beobachtet  worden.  Hier  wirkt  die  gewaltige  Masse  des 
Binneneises  als  Treibkraft;  im  äußersten  Süden,  im  Bezirke  Juliane- 
haab,  wo  das  Inlandeis  schon  beträchtlich  sich  verschmälert,  kon- 
statierte Steensteuf  eine  alpine  Langsamkeit  der  Ausläufer,  und 
dasselbe  berichtet  man  von  den  selbständigen  Gletschern  der  Rand- 
zone. Unter  außergewöhnlichen,  noch  gänzlich  unaufgeklärten  Be- 
dingungen nehmen  aber  manche  alpine  Gletscher  plötzlich  eine  uu- 


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Gletscher. 


157 


heimliche  und  verderbliche  Geschwindigkeit  an,  um  dann  wieder  in  ihre 
gemächliche  Gangart  zurückzufallen.  Der  Vernagtgletecher  in  Tirol 
und  der  Dewdarokgletscher  im  Kaukasus  sind  durch  derartige  Aus- 
brüche bekannt.  Der  erstere  rückte  z.  B.  in  der  Zeit  vom  19.  Mai 
bis  1.  Juni  1845  täglich  um  12,7m  vor,  am  1.  Juni  sogar  um  1,9m 
in  der  Stunde! 

Auch  darin  unterscheidet  sich  der  Gletscher  vom  Fluß,  daß  seine 
Bewegungsfähigkeit  einer  strengen  jahreszeitlichen  Periode  unter- 
worfen ist.  Diese  Thatsache  steht  fest,  wenn  wir  auch  nur  wenige 
vollständige  Jahresbeobachtungen  haben. x 

Auch  von  Jahr  zu  Jahr  wechselt  die  Geschwindigkeit.  Sie 
betrug  nach  Seelands  Beobachtungen  auf  der  Pasterze,  einem  der 
mächtigsten  Eisströme  der  Ostalpen,  von  1883 — 86  konstant  50,4  m 
pro  Jahr,  fiel  1887  auf  41, i,  1888  sogar  auf  30,6,  stieg  dann  wieder 
1889 — 90  auf  41,4  und  1891  auf  51, o,  und  sank  1892  auf  48,7  m. 
Die  mittlere  tägliche  Geschwindigkeit  dieser  zehnjährigen  Periode 
ist  nur  0,mm. 

Gletschertheorie.  Die  Thatsachen,  die  wir  vorgeführt  haben, 
beweisen,  daß  der  Gletscher  nicht  als  Ganzes  auf  geneigtem  Boden 
herabgleitet,  sondern  daß  er  fließt,  d.  h.  daß  die  kleinsten  Massen- 
teilchen ihre  gegenseitige  Lage  fortwährend  verändern.  Das  setzt  bei 
diesem  anscheinend  starren  Körper  einen  hohen  Grad  von  Plastizität 
voraus,  und  man  kann  sich  davon  überzeugen,  wenn  man  sieht, 
wie  er  sich  den  wechselnden  Formen  seines  Bettes  anschmiegt 
An  der  Westküste  Grönlands  reicht  unter  62°  40'  B.  ein  Ausläufer 
des  Binneneises  in  einen  schmalen,  nordöstlich  streichenden  See,  den 
er  in  T-Form  ausfüllt.  Von  den  Gletschern  des  Franz- Josef-Landes 
berichtet  Payeb,  daß  die  durch  Bergvorsprünge  geteilten  Arme  am 
Fuße  der  ersteren  wieder  zusammenfließen.  Vielleicht  den  drasti- 


x Als  Beispiel  mögen  die  Beobachtungen  von  Fokbes  an  der  Mer  de  Glace  dienen: 


Jahr  1844-45 

Mittlere  tägl.  Gesc 

2.  Okt.  — 1.  Nov. 

0,747  m 

2.  Nov.  — 3.  Dez. 

0,4«e  „ 

4.  Dez.  — 6.  Jan. 

0,3»O  „ 

7.  Jan.  — 17.  Febr. 

0,36T  „ 

18.  Febr. — 17.  März 

0,431  „ 

18.  März  — 16.  April 

0,430  „ 

17.  April — 16.  Mai 

0,571  „ 

17.  Mai  — 18.  Juni 

0,960  „ 

19.  Juni  — 8.  Juli 

1,01»  „ 

4.  Juli  — 5.  Aug. 

1,278, , 

6.  Aug.  — 7.  Okt. 

0,90«  „ 

Jahresmittel  0,«is  (Summe  251,«  m) 


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158 


Die  Lufthülle. 


schesten  Beweis  liefert  aber  der  kleine  norwegische  Gletscher  von 
Kaagan  (70°  B.),  in  dem  Fokbes  die  Form  einer  herabrinnenden 
Thräne  so  schön  ausgebildet  fand. 

Auch  darüber  sind  die  meisten  Forscher  jetzt  einig,  daß  das 
leitende  Motiv  der  Gletscherbewegung,  ebenso  wie  des  fließenden 
Wassers,  die  Schwerkraft  ist,  nicht  — wie  man  vielfach  gemeint 
hat  — Kräfte,  die  im  Eise  selbst  thätig  sind.  Nach  Heims  Auf- 
fassung gehört  das  Gletschereis  in  die  Kategorie  der  dickflüssigen 
Körper,  die  auf  Druck  plastisch  ausweichen  und  auf  Zug  zerreißen. 
Den  Druck  übt  hier  die  eigene  Masse  aus,  den  Zug  die  thalabwärts 
gerichtete  Komponente  der  Schwerkraft.  Die  Art  der  Plastizität 
bedarf  aber  doch  noch  einer  Erläuterung.  Allerdings  ist  das  Eis, 
wenn  seine  Eigentemperatur  in  der  Nähe  des  Schmelzpunktes  liegt, 
plastisch  und  kann  sich  ohne  Bruch  umformen,  aber  diese  Eigen- 
schaft reicht  zur  Erklärung  nicht  aus.  Eine  Bewegung,  wie  die  des 
Gletschers,  ist  mit  Zerreißungen  und  Verschiebungen  verbunden, 
und  der  Eiskörper  müßte  sich  endlich  in  ein  Haufenwerk  auflösen, 
wenn  nicht  eine  zweite  Eigenschaft  zu  Hilfe  käme,  die  der  Rege- 
lation. Sie  besteht  darin,  daß  tauende  Eisstückchen  an  ihren  Be- 
rührungsstellen sofort  wieder  zusammenwachsen.  Sie  ist  es,  die  alle 
Wunden  heilt,  die  die  kleinen  Brüche  wie  die  großen  Spalten  ver- 
schwinden läßt,  die  zwei  Gletscher  zu  einem  einzigen  Strome  verbindet 
Struktur.  Mit  der  Bewegung  des  Gletschers  hängt  auch  dessen 
Struktur  zusammen.  Das  Gletschereis  ist  keine  gleichförmige 

Masse,  es  besteht  viel- 
mehr aus  wechseln- 
den, mehr  oder  we- 
niger dicht  gedräng- 
ten Bändern  oder 
Streifen  von  w e i ß e m 
Eis,  das  seine  Farbe 
den  kleinen  Luftbla- 
sen verdankt,  mit 
denen  es  angefüllt 
ist  und  von  blauem 
Eis,  aus  dem  die 
Luftblasen  ausgetrie- 
ben sind  (Fig.  29). 
Das  erstere  schmilzt  wegen  seiner  größeren  Porosität  leichter  und 
bildet  Vertiefungen,  das  letztere  dagegen  Erhöhungen.  Überblickt 
man  den  Eisstrom  von  einem  erhabenen  Standpunkte  aus  und  bei 
günstiger  Beleuchtung,  so  scheinen  die  zahllosen  kleinen  Erhebungen 


' f 


Fig.  29.  Ein  Stück  Gletschereis,  (a  die  Tischplatte,  auf 
der  das  aus  blauem  und  weißem  Eis  zusammengesetzte 
Eisstück  ruht.) 


Gletscher. 


159 


zu  Linien  (Ogiven)  zu  verschmelzen,  die  quer  über  den  Gletscher 
hinlaufen,  und  in  der  Nähe  des  Firns  kaum  merkbar  gekrümmt 
sind,  nach  abwärts  aber,  entsprechend  der  schnelleren  Bewegung  der 
Gletschermitte,  immer  spitzere  Bogen  beschreiben.  Jeder  Zufluß 
bringt  sein  eigenes  Ogi-  r t n 

vensystem  mit  sich,  so  A 

daß  nach  der  Vereinigung 
mehrere  solche  Systeme 
nebeneinander  laufen,  bis 
sie  endlich  verschmelzen 
oder  bis  die  stärkere  Ogi  ve 
die  schwächere  verdrängt 
(Fig.  30). 

Die  gebänderte  Struk- 
tur tritt  mit  voller  Klar- 
heit an  den  Spaltenwän- 
den zu  Tage.  Daß  die 
Bänder  ganz  verschieden 
sind  von  den  Firnschich- 
ten, beweist  eine  Stelle 
am  Furkagletscher,  die 
Tvndall  entdeckte.  Hier , 
beobachtete  er  deutliche 
horizontale  Schichtung 
des  Eises,  die  offenbar 
aus  der  Firnschichtung 
hervorging,  und  in  lot- 
rechter Richtung  verlau- 
fend die  blauen  Adern.  Diese  Entdeckung  bewog  ihn  hauptsächlich, 
die  Gletscherstruktur  als  eine  Wirkung  des  Druckes  zu  erklären. 
Es  ist  eine  Thatsache,  daß  der  Schmelzpunkt  des  Eises  durch  Druck 
erniedrigt  wird.  Innerhalb  des  Gletschers  übt  jede  nachfolgende 
Partie  auf  die  vorhergehende  einen  Druck  aus,  es  treten  Verflüssi- 
gungen ein,  die  Luftblasen  werden  ausgetrieben,  und  das  Wasser 
erstarrt  dann  wieder  zu  luftfreiem  Eis.  Daher  stehen  die  blauen 
Bänder  senkrecht  auf  der  Druckrichtung  und  nimmt  ihre  Zahl  und 
Größe  thalabwärts  zu.  Reicheren  Aufschluß  könnten  die  nordischen 
Gletscher  bieten,  da  hier  die  Bandstruktur  besonders  schön  aus- 
gebildet ist.  So  bemerkt  man  z.  B.  auf  Spitzbergen  an  frischen 
Querschnitten  tiefblaue  Adern  bis  zu  1 1/8  m Dicke  und  2 — 4 m 
Länge,  die  in  verschiedenen  Richtungen  sich  kreuzen,  wobei  jedoch 
die  horizontale  vorherrscht 


ß*  gl | Schrcfbtrmgel 


JUnterer  Scclenkogeb 
mioT 


Mittlerer  Seele nkogel  » 

iw" 


Ogii 

W8S'-.'.i;ÄlflS  J (itranen.. 


Fig.  30.  Rotmoosgletscher  nach  V.  Sonklar. 


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1 (iO  Die  Lufthülle. 

Der  Gletscher  ist  oben  als  dickflüssiger  Körper  bezeichnet  worden, 
der  dem  Zuge  gegenüber  sich  spröde  verhält;  die  Folge  davon  ist  die 
Spaltenbildung,  der  Ausdruck  des  Kampfes  der  Kohäsion  mit 
der  Streckung,  und  daher  stets  senkrecht  zur  Spannungslinie.  Vom 
Bergschrunde  an,  jener  Spalte,  die  die  Schneemasse  des  Firn  von 
der  des  Gipfelkörpers  trennt,  bis  zum  Gletscherende  ist  der  Fim- 
und  Eiskörper  in  allen  Gegenden  vielfach  zerklüftet,  wenn  auch 
im  allgemeinen  die  nordischen  Gletscher  elastischer  erscheinen,  als 
unsere  alpinen.  Querspalten  werden  durch  die  verschiedene  Neigung 
des  Bettes  hervorgerufen,  vernarben  aber  wieder,  wenn  das  Gefalle 
sich  vermindert.  Eine  eigentümliche  Art  der  Querspalten  sind  die 
ßandspalten  (s.  Fig.  28,  r in  Fig.  31),  die  einen  Winkel  von  30 
bis  ca.  45°  mit  den  Seiten  einschließen  und 
durch  die  schnellere  Bewegung  der  Mitte  er- 
zeugt werden.  Infolge  dessen  nimmt  in  Fig.  3 1 
das  Stück  A nach  einer  gewissen  Zeit  die 
Form  Ä an,  und  das  Quadrat  a wird  zu  a' 
verzerrt.  Dadurch  erfährt  die  Linie  xy  eine 
Streckung  (x'  y\  der  das  Eis  nicht  folgen  kann. 
Es  muß  reißen  und  zwar  senkrecht  zur  Linie 
der  größten  Spannung  (Spalte  ss).  Ist  das 
Bett  gekrümmt,  so  .ist  die  Spaltung  an  der 
konvexen  Seite  stets  größer,  als  an  der  kon- 
kaven. Längsspalten  bilden  sich,  wenn  der 
Gletscher  aus  einem  engen  in  ein  weites  Bett 
tritt,  denn  dann  wirkt  die  Spannung  in  der 
Querrichtung  des  Gletschers. 

Wenn  im  Sommer  die  an  der  Oberfläche 
des  Gletschers  entstehenden  Bäche  in  eine 
Spalte  hinabstürzen  (sog.  Gletschermühlen), 
so  höhlen  sie  mit  der  Zeit  tiefe  und  beinahe 
zylindrische  Löcher  im  Eise  aus,  die  manchmal  bis  auf  den  Grund 
reichen.  Gelangen  Steine  in  ein  solches  Loch,  so  werden  sie  von  den 
Sturzbächen  in  kreisende  Bewegung  gesetzt  und  können  unter  gün- 
stigen Verhältnissen  in  dem  Boden  Vertiefungen,  sog.  Riesentöpfe 
ausschleifen.  Bekndt  fand  zwei  solche  von  0,8  und  1,*  m Durchmesser 
im  verlassenen  Bette  des  Rosenlauigletschers.  Allerdings  wandert  die 
Gletschermühle  mit  der  Spalte  abwärts,  aber  an  gewissen  Stellen 
erzeugt  die  Unebenheit  des  Bodens  immer  wieder  Spalten,  und  die 
Ausarbeitung  des  Riesentopfes,  die  die  eine  Kaskade  begonnen,  setzt 
einige  Tage  nachher  eine  andere  fort.  Die  schönsten  Riesentöpfe, 
aus  der  Eiszeit  stammend,  sieht  man  im  Gletschergarten  in  Luzern. 


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Gletscher. 


161 


Moränen.  Eine  andere,  mit  der  Gletscherbewegung  zusammen- 
hängende Erscheinung  sind  die  Moränen.  Die  Oberflächen- 
moränen werden  durch  die  größeren  und  kleineren  Gesteinsstücke 
gebildet,  die  von  den  Felsen  sich  losbröckeln  und  auf  den  Gletscher 
herabfallen.  Wallartig  häufen  sie  sich  an  den  beiden  Seiten  des 
Eisstromes  an.  Fließen  zwei  Gletscher  zusammen,  so  vereinigen 
sich  ihre  inneren  Seitenmoränen  zu  einer  Mittelmoräne, 
und  die  Anzahl  der  letzteren  giebt  uns  somit  Aufschluß  über  die 
Zahl  der  Zuflüsse  (Fig.  31  und  32).  Erniedrigt  sich  die  Oberfläche 


Fig.  32.  Moränen  und  Gletschertische. 


des  Gletschers  durch  Abschmelzung,  so  können  die  Seitenmoränen 
ganz  oder  zum  Teil  auf  Felsgrund  zu  liegen  kommen  und  werden 
damit  dem  Transporte  entzogen.  In  diesem  Stadium  bezeichnet  man 
sie  als  Ufermoränen. 

Nicht  alle  Gletscher  haben  ausgebildete  Oberflächenmoränen, 
wenn  diese  auch  den  Thalgletschern  unserer  Breiten  nie  ganz  fehlen. 
Dagegen  sind  sie  — wie  wir  später  eingehender  besprechen  werden 
— in  den  polaren  Gegenden  selten.  Keinem  Gletscher  fehlt  aber 
die  Grundmoräne.  Dringt  man  durch  die  Höhle,  aus  der  der 
Gletscherbach  kommt,  unter  die  Eismasse  ein,  so  findet  man,  daß 
diese  nicht  unmittelbar  auf  dem  Felsboden  aufruht,  sondern  von 

Sufax  , Physische  Erdkunde.  2.  Aufl.  1 1 


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162 


Die  Lufthülle. 


demselben  durch  eine  Lage  von  Sand,  Grus  und  Schlamm  mit  ein- 
gebetteten Gesteinsblöcken  von  verschiedener  Größe  getrennt  ist. 
Die  letzteren  sind  mehr  oder  weniger  gerundet,  ihre  Oberfläche  ist 
geglättet  und  — wenn  das  Gestein  nicht  besonders  hart  ist  — mit 
Schrammen  und  Kritzen  bedeckt.  In  gleicher  Weise  findet  man, 
wenn  man  die  Grundmoräne  entfernt,  den  Felsboden  poliert  und  mit 
geradlinigen  Kritzen  in  der  Richtung  der  Gletscherbewegung  bedeckt. 
Dasselbe  Phänomen  beobachtet  man  auch  an  den  Seitenwänden  des 
Eisstromes;  ihre  ursprünglichen  Unebenheiten  sind  abgerundet  und 
ihre  Oberfläche  ist  blank  gescheuert  und  geschrammt  Durch  diese 
Thatsachen  sieht  sich  Heim  genötigt,  neben  der  fließenden  Gletscher- 
bewegung auch  eine  gleitende  anzunehmen,  die  aber  gegenüber  der 
ersteren  nur  eine  untergeordnete  Rolle  spielt 

Aber  selbst  solche,  die  dem  Gletscher  die  Kraft  zuschreiben, 
Seebecken  auszuschaufeln,  sprechen  ihm  ausdrücklich  die  Fähigkeit 
ab,  selbst  abschleifend  zu  wirken.  Dieses  Geschäft  besorgen  viel- 
mehr nach  einer  weitverbreiteten  Ansicht  teils  jene  Gesteinstrümmer, 
die  zwischen  der  Thalwand  und  dem  Gletscherrande  auf  den  Grund 
gelangen,  teils  Stücke  der  Oberflächenmoräne,  die  durch  Spalten  immer 
tiefer  und  tiefer  sinken  und  endlich  den  Grund  erreichen.  Man  denkt 
sich  mit  anderen  Worten  die  Seiten-  und  die  Unterfläche  des  Glet- 
schers mit  eingebackenen  Gesteinsblöcken  wie  mit  Zähnen  besetzt, 
und  diese  polieren  und  kritzen  die  Felsen  und  werden  dabei  selbst 
zermalmt.  Das  Endprodukt  dieses  Prozesses  ist  eine  schlammig- 
sandige Masse,  die  zum  Teil  die  Grundmoräne  bildet,  zum  Teil  durch 
den  Gletscherbach  („Gletschermilch“  wegen  seiner  trüben  Farbe) 
herausbefördert  wird. 

Wir  werden  später  sehen,  daß  diese  Theorie  zur  Erklärung  der 
Grundmoränen  der  polaren  Gletscher  nicht  ganz  ausreicht. 

Während  der  Gletscher  die  Oberflächenmoräne  auf  seinem 
Rücken  thalabwärts  trägt,  schiebt  er  unter  sich  auch  die  Grund- 
moräne vorwärts.  An  seinem  Ausgange  lagert  er  beide  als  End- 
moräne ab,  die  bald  als  ein  schmaler  niedriger  Stein  wall,  bald 
als  eine  weite  Schlamm-  und  Kiesfläche  uns  entgegentritt,  in  der 
mächtige  Felstrümmer  zwischen  kleinen  unregelmäßigen  Schutthügeln 
zerstreut  liegen.  Mit  dem  transportierten  Material  vermischt  sich 
manchmal  der  vom  Gletscher  zusammengeschobene  lockere  Boden 
des  Vorlandes. 

Abschmelzung.  Außer  der  Bewegung  ruft  auch  die  Abschmel- 
zung Veränderungen  im  Eiskörper  hervor,  und  zwar  Abschmelzung 
von  oben  durch  die  Sonnenstrahlen,  warme  Winde  und  Regen  und 
von  unten  wahrscheinlich  durch  die  Erdwärme.  Oberflächliche 


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Gletscher. 


163 


Massenanhäufungen  schützen  Teile  des  Gletschers  vor  diesem  Zer- 
störungsprozesse. Die  Mittelmoräne  befindet  sich  auf  einem  Eiswulste; 
einzelne  größere  Steinblöcke  scheinen  gleichsam  aus  dem  Eise  her- 
vorzuwachsen. So  entstehen  die  bekannten,  stets  nach  der  Mittagsseite 
geneigten  Gletschertische  (Fig.  32).  denen  freilich  auch  nur  eine 
vergängliche  Existenz  beschieden  ist  Die  Sandkegel,  die  oft  eine 
Höhe  von  mehreren  Metern  erreichen,  ruhen  ebenfalls  auf  geschützten 
Eiserhöhungen.  Dagegen  sind  dünne  Sand-  und  Schlammlagen,  wie 
sie  von  den  Abhängen  herabgeschwemmt  oder  durch  den  Wind  her- 
beigeführt werden,  nicht  nur  kein  Schutzmittel,  sondern  geradezu 
Beförderer  der  Abschmelzung.  Sie  sammeln  sich  als  sogenannte 
Schmutzbänder  in  den  Ogiven  und  in  den  Vertiefungen,  welche 
die  zusammengewachsenen  Querspalten  unterhalb  eines  Gletscher- 
falls bezeichnen,  und  verharren  in  ihrer  Lage,  indem  sie  sich  immer 
tiefer  in  das  Eis  hineinfressen.  Allgemein  herrscht  in  den  Alpen- 
ländern die  Überzeugung,  daß  der  Gletscher  fremde  Körper  aus- 
stoße; und  dies  ist  auch  insofern  richtig,  als  jeder  Körper,  der  in 
eine  Spalte  fällt,  an  einem  thalabwärts  gelegenen  Punkte  infolge 
der  Abschmelzung  wieder  an  die  Oberfläche  kommt.  Auf  diese 
Weise  können  sich  auch  Teile  der  Grundmoräne  den  Oberflächen- 
moränen beigesellen. 

Die  Abschmelzung  nimmt  mit  der  Temperatur  thalabwärts  zu. 
Wo  sie  durch  die  Zufuhr  von  oben  nicht  mehr  ersetzt  wird,  dort 
muß  der  Gletscher  enden.  Ist  die  Zufuhr  bedeutend,  so  rückt  der 
Gletscher  immer  weiter  vor;  übersteigt  der  Betrag  der  Abschmelzung 
schon  weiter  oben  den  der  Zufuhr,  so  wird  das  Gletscherende  immer 
weiter  thalaufwärts 
verlegt  : der  Eisstrom 
zieht  sich  zurück,  er 
schrumpft  ein. 

ln  diesem  Zu- 
stande befinden  sich 
seit  dem  Beginne  der 
fünfziger  Jahre  die 
Gletscher  der  Alpen, 

Pyrenäen, des  Kauka- 
sus,Norwegens,  über- 
haupt alle  Gletscher, 
von  denen  genauere 
geschichtliche  Nach- 
richten vorliegen.  Über  die  Alpen  sind  wir  am  besten  unterrichtet; 
hier  sind  die  Gletscher  unter  strenge  Aufsicht  gestellt;  der  Khöne- 

11* 


Fig.  33.  Rückgang  des  Rbönegletschers  (nach  A.  Heim). 


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164 


Die  Lufthülle. 


gletscher  wird  seit  1874  regelmäßig  vermessen.  Den  älteren  Stand 
zeigen  die  Moränen  an;  wirersehen  aus  Fig.  33,  wie  beträchtlich  der 
Gletscher  seit  1856  zurückgegangen,  und  eine  wie  große  Fläche  nun 
eisfrei  geworden  ist.  Es  ist  aber  weder  die  Längen-,  noch  die 
Arealabnahme  entscheidend  für  das  Maß  des  Rückganges,  sondern 
nur  der  Volumverlust,  und  dieser  nimmt  absolut  mit  der  Größe 
des  Gletschers  zu;  doch  scheinen  auch  relativ  die  großen  Gletscher 
mehr  Einbuße  erlitten  zu  haben,  als  die  kleinen.  * 

Die  Periode  allgemeinen  Gletscherrückganges  nähert  sich  be- 
reits ihrem  Ende  und  auch  aus  der  früheren  Zeit  wissen  wir,  daß 
Vorstoß-  und  Rückzugsperioden  miteinander  wechselten.  Der  Witte- 
rungscharakter des  einzelnen  Jahres  ist  darauf  ohne  Einfluß;  es 
findet  ebenso  oft  in  kalten  und  nassen  Jahren  ein  Rückzug,  wie  in 
warmen  und  trockenen  Jahren  ein  Vorstoß  statt. 

Nach  Fobel6  hängt  die  Länge  des  Gletschers  von  seiner  Ge- 
schwindigkeit ab,  und  diese  wieder  von  der  Mächtigkeit  des  Eises. 
Je  dicker  es  ist,  desto  schneller  fließt  es.  Wir  haben  also  nach 
den  Ursachen  der  wechselnden  Mächtigkeit  des  Gletscherkörpers  zu 
fragen,  und  diese  sind  offenbar  die  Abschmelzung  und  die  Speisung 
durch  den  Firn.  Die  erstere  wird  zwar  durch  die  Mitteltemperatur 
des  Sommers  bedingt,  aber  diese  wirkt  nicht  sogleich  auf  die  Dicke 
des  ganzen  Eisstromes  ein.  Ist  sie  nur  vorübergehend  sehr  groß 
oder  sehr  gering,  so  wird  sie  auf  die  Lage  des  Gletscherendes  am 
Schlüsse  des  betreffenden  Sommers  wenig  Einfluß  haben;  vielmehr 
entscheidet  darüber  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen  der  durch- 
schnittliche Gesamtcharakter  einer  größeren  Reihe  früherer  Sommer. 

In  zweiter  Linie  kommt  die  Niederschlagsmenge  in  Betracht, 
denn  von  ihr  hängt  die  Mächtigkeit  des  Firns  und  damit  der  Be- 
trag der  Zufuhr  ab.  Fobel  zeigte,  daß  diese  Ursache  von  oben 
nach  unten  ihre  Wirkung  steigert.  Nur  mit  etwas  geminderter 
Mächtigkeit  gelangt  z.  B.  das  Fimeis  bis  zu  einem  gewissen  Punkte 

x Einer  Zusammenstellung  von  Finsterwai.der  und  Schünck®  entnehmen 
wir  folgende  ostalpine  Fälle  mit  Angabe  des  Rückgangs  in  allen  Dimensionen 
seit  dem  Maximalstande  bis  zum  Beobachtungsjahr: 


Fische 

LAngcnabnahme 

Arealverlust 

Volumrerluat 

ha 

m 

ha 

M01.  cbm 

Gliederferner  ( — 1887) 

893 

806 

47 

29 

Hornkees  ( — 1884) 

497 

350 

ca.  17 

34 

Alpeinerferner  ( — 1886) 

720 

200—650 

46 

40 

Suldenerferner  ( — 1886) 

9S3 

1350 

68 

50 

Obersulzbachferner  ( — 1880) 

1570 

500 

46 

65 

Gepatschferner  ( — 1887) 

2200 

460 

72 

129 

Pasterzc  ( — 1882) 

3015 

unter  100 

gering 

218 

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Die  geographische  Verteilung  der  Gletscher. 


1G5 


des  oberen  Gletscherthaies.  Die  Folge  davon  ist  Abnahme  der  Ge- 
schwindigkeit und  Zunahme  der  Abschmelzung.  Schon  stärker  ver- 
mindert fließt  die  betreffende  Eispartie  weiter  tlialabwärts  und  zwar 
mit  noch  geringerer  Geschwindigkeit  und  daher  noch  mehr  dem 
Abschmelzungsprozesse  preisgegeben.  In  einer  gewissen  Anzahl  von 
Jahren  kann  diese  eine  Ursache  die  ganze  Länge  des  Gletschers 
durchwandert  haben  und  dann  erst  auf  die  Lage  des  Gletscher- 
endes bestimmend  einwirken.  Nicht  die  Niederschlagsmenge  des 
betreffenden  Jahres  ist  also  dafiir  maßgebend,  ob  der  Eisstrom 
vorrückt  oder  zurückgeht,  sondern  das  Mittel  der  Schneemassen, 
die  in  den  letzten  Jahrzehnten  gefallen  sind.  Wir  werden  darauf 
noch  später  zurückkommen. 

Auffällig  ist  das  ungleiche  Verhalten  selbst  benachbarter  Glet- 
scher, aber  Forel,  der  seit  einer  Reihe  von  Jahren  regelmäßige 
Beobachtungen  über  die  Veränderungen  der  Alpengletscher  sammelt, 
gelang  es  auch  diesen  Widerspruch  zu  lösen.7  Je  größer  der  Gletscher 
und  je  geringer  seine  Neigung,  desto  beständiger  ist  er.  Die 
kleinen  und  stark  geneigten  passen  sich  zuerst  den  veränderten 
klimatischen  Bedingungen  an.  Schon  1875  zeigte  im  Montblanc- 
Massiv  der  Glacier  des  Bossons  den  Beginn  der  Vorstoßperiode  an, 
aber  15  Jahre  dauerte  es,  bis  alle  Gletscher  dieses  Gebirges  von 
der  neuen  Bewegung  ergriffen  wurden,  und  zuletzt  der  größte  der- 
selben, der  Glacier  des  Bois. 

Litteraturnach weise.  1 Hauptwerk  Heims  Gletscherkunde,  eit.  S.  149. 
Ferner  Richter,  Ostalpen,  eit.  S.  149.  — * Russell,  The  Malaspina  Glacier,  im 
Journal  of  Geology,  Chicago  1893.  — 3 Hagenbach-Bischoff,  Weiteres  über 
Gletschereis,  in  den  Verhandlungen  der  Naturforschenden  Gesellschaft  in  Basel, 
1889.  — * Brackebuscu,  Die  Penitentesfclder,  im  Globus,  1893,  Bd.  LXIII.  — 
6 Finsterwalder  u.  Schunck,  Der  Gepatschfemer,  in  der  Zeitschrift  d.  D.  u.  O. 
Alpenvereins,  1888.  — 3 Forel,  Essai  sur  les  variationes  periodiques  des  glaciers, 
in  d.  Archives  des  Sciences  physiques  et  naturelles,  Genf  1881.  — s Forel  im 
Jahrbuch  des  Schweizer  Alpenklub,  1893—94,  S.  243. 


Die  geographische  Verteilung  der  Gletscher. 

(Siehe  Karte  XIII.) 

Die  Tropen.  Die  beiliegende  Karte  zeigt,  daß  die  Gletscher 
vorzugsweise  ein  polares  Phänomen  sind.  Penck  schätzt  die  vereisten 
Gebiete  der  Nordhemisphäre  auf  2*/4  und  die  der  südlichen  Halb- 
kugel auf  etwa  14  Mill.  qkm,  die  Existenz  eines  antarktischen  Kon- 
tinentes vorausgesetzt.  Aber  die  Gletscher  sind  an  keine  Zonen  ge- 
bunden; man  kann  nur  sagen,  daß  ihre  orographischen  Ansprüche 
um  so  größer  werden,  je  höher  die  klimatische  Schneegrenze  sich 


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Die  Lufthülle. 


erhebt.  Auch  in  den  Tropen  fehlen  sie  nicht;  da  aber  hier  nur 
einzelne  Yulkanriesen  in  die  Region  des  ewigen  Schnees  hineinragen, 
so  ist  das  Gletscherphänomen  meist  nur  in  der  Form  der  Firn- 
gletscher entwickelt.  Der  Kibo,  der  6000  m hohe  Westgipfel  des 
Kilimandscharo  (3°  s.  B.)  hüllt  sich  nach  Hans  Meyers1  Schil- 
derung in  einen  Eismantel,  der  auf  der  Nordostfianke  nur  bis  5750, 
auf  der  Südwestseite  aber  bis  3800  m herabreicht.  Hoch-  und  Firn- 
schnee vereinigen  sich  zu  einem  einzigen  Gürtel.  Nur  dort,  wo 
tiefere  Mulden  sich  einsenken,  entwickeln  sich  kleine  Gletscherzungen 
nach  Art  der  alpinen  Hängegletscher,  ein  längerer  nur  im  Südwesten, 
der  aus  der  großen  Kraterspalte  herauszukommen  scheint.  Einer 
ähnlichen  Ausbildungsweise  begegnen  wir  im  tropischen  Amerika.2 
Die  Forschungen  von  Reiss,  Stübel,  Whymper  u.  a.  haben  uns  auch 
hier  eine  verhältnismäßig  reiche  Schneewelt  enthüllt,  aber  meist  sind 
es  nur  Eismäntel,  die  sich  den  höchsten  Vulkankegeln  anschmiegen, 
zum  Teil  geschützt  durch  eine  Aschendecke,  dann  kleine  Hänge- 
gletscher, und  nur  unter  besonders  günstigen  orographischen  Ver- 
hältnissen Eisströme  von  alpinem  Typus,  wie  am  nicht  vulkanischen 
Sara  urcu  in  Ecuador,  wo  sie  bis  4200  m Seehöhe  herabsteigen. 

Gemäßigte  Zonen.  In  den  gemäßigten  Zonen  sind  schon  viele 
Kammgebirge  mit  ewigem  Schneebedeckt,  und  der  alpineGletscher- 
typus  gelangt  dadurch  zu  einer  fast  ausschließlichen  Herrschaft. 
Dies  gilt  wenigstens  für  die  Hochländer  bis  in  die  Nähe  des  60.  Pa- 
rallels;  darüber  hinaus  entwickeln  sich  schon  Übergangsformen,  von 
denen  später  die  Rede  sein  soll.  Der  Alpengürtel,  der  die  alte  Welt 
durchzieht,  ist  in  allen  seinen  höheren  Teilen  eine  Stätte  hervor- 
ragender Gletscherbildungen.  Auf  der  iberischen  Halbinsel  finden 
wir  allerdings  erst  rudimentäre  Anläufe.  Selbst  die  Pyrenäen 
beherbergen  meist  nur  Hängegletscher  und  vorwiegend  nur  auf  der 
Nordseite;  der  Maladettagletscher  endet  hier  schon  in  2300  m Höhe. 
Ein  kleines  Eisfeld  soll  auch  die  Sierra  de  Gredos  besitzen.  Der 
südlichste  Eisstrom  unseres  Erdteiles  ist  der  Corralgletscher  am  Nord- 
abhange  der  Sierra  Nevada  in  2800 — 2900  m Höhe.  Unser  herr- 
lichstes Schneegebirge  sind,  von  Skandinavien  abgesehen,  die  Alpen, 
ln  der  Schweiz  sind  1839,  in  den  Ostalpen3  1462  qkm  vergletschert; 
die  kristallinische  Zone,  als  das  höchste  und  kompakteste  Gebirge, 
ist  die  eigentliche  Heimat  der  Eiswelt, x und  hier  vor  allem  die 
Montblanc-Gruppe,  das  Berner  Oberland,  die  Penninischen  und  Ötz- 
thaler  Alpen.  Dreizehn  Gletscherzungen  sind  über  10  km  lang; 


* In  den  Ostalpen  haben  die  Centralalpen  nach  Richte«  141  807  ha,  die 
nördlichen  Kalkalpen  2693,  die  südlichen  1687  ha  Gietachcrareal. 


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Die  geographische  Verteilung  der  Gletscher. 


167 


weitaus  alle  übertrifft  der  Aletschgletscher  mit  16,6  (samt  Firn  24)  km 
Länge;  er  bedeckt  in  seiner  Gesamtheit  129  qkm,  d.  h.  mehr  als 
das  Doppelte  der  Fläche  von  San  Marino.  Sein  Nachbar  auf  der 
anderen  Seite  des  Fiescher  Grates,  der  untere  Grindelwaldgletscher, 
hat  den  Ruhm,  unter  allen  alpinen  Eisströmen  am  tiefsten  in  die 
Kulturregion  herabzusteigen;  er  endet  jetzt  in  der  Nähe  des  Dorfes 
Grindelwald  in  1080  m Seehöhe,  1818  reichte  er  noch  bis  zur  Höhen- 
linie von  983  m.  Sonst  liegt  das  Ende  der  großen  alpinen  Thal- 
gletscher durchschnittlich  schon  in  1900  m Höhe. 

Das  nächste  Gletschergebirge  ist  der  Kaukasus,4  vor  allem 
der  zentrale  Teil  desselben.  Er  kann  sich  vielleicht  mit  den  Alpen 
messen;  jedenfalls  ist  seine  Eisbedeckung  bis  auf  die  neueste  Zeit 


Fig.  34.  Die  Gletscher  des  Karakorum-Gebirges. 

N = Nagar,  H — Hispar,  H.P.  — Hisparpaß,  K — Korofan,  K*  = Dapsang,  8620  m hoch. 


unterschätzt  worden.  Der  Karagamgletscher  in  der  Adai-Choch- 
Gruppe  ist  16 — 19  km  lang  und  steigt  bis  1740  m Seehöhe  herab. 
Am  gewaltigsten  entwickelt  sich  das  Gletscherphänomen  in  den  hohen 
Randgebirgen  Zentralasiens,  im  Himalaja,  Karakorum,  Hindukusch, 
Tian-schan,  und  schon  bedeutend  schwächer  im  Altai.  Im  Himalaja 
enden  die  meisten  Thalgletscher  in  3400 — 4200  m,  der  des  Nanga 
Parbat  in  Kaschmir  sogar  erst  in  2900  m Höhe.  Noch  gletscher- 
reicher ist  der  Karakorum,  wo  die  Eisströme  nicht  nur  den  Hinter- 
grund der  Querthäler  einnehmen,  sondern  auch  in  die  Längsthäler 
herabsteigen  und  indenseiben  sogar  flache  Wasserscheiden  überfluten. 
Das  merkwürdigste  Beispiel  hat  uns  Conways  Expedition  i.  J.  1892 
genauer  kennen  gelehrt  (Fig.  34).®  Wenn  wir  von  Nagar  in  einem 
Seitenthale  des  Gilgit  aufwärts  gehen,  so  erreichen  wir  bei  Hispar 
in  3145  m Seehöhe  das  Ende  des  gleichnamigen  Gletschers  (60  km 
lang),  der  am  Hisparpasse  (5380  m hoch)  ohne  Unterbrechung  in  den 


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Die  Lufthülle. 


nach  der  entgegengesetzten  Seite  abfließenden  Biafogletscher(51  km  lang) 
übergeht  Dieser  endet  bei  Korofan  in  3000  m Seehöbe.  Die  Gesamt- 
länge dieses  gewaltigen  Doppelgletschers  ent  spricht  dem  Rhönethale  vom 
Rhönegletscher  bis  Martigny.  Das  Hauptfirngebiet  des  Biafogletschers 
bezeichnet  Conway  wegen  seiner  anscheinend  völligen  Flachheit  als 
„Firn-See“  (Schneesee  in  Fig.  34);  er  bedeckt  ein  Areal  von  ca.  300  qkm, 
auf  dem  das  Fürstentum  Reuß  ä.  L.  oder  das  Gebiet  der  Hansastadt 
Lübeck  bequem  Platz  hätten.  Die  tibetanischen  Gebirge  sind,  mit 
Ausnahme  des  zentralen  Kuenlun,  zu  trocken,  um  große  Eisströme 
zu  erzeugen.  Am  pazifischen  Rande  Asiens  sind  die  orographischen 
Verhältnisse  der  Gletscherbildung  nirgends  günstig;  wie  es  scheint, 
selbst  in  Kamtschatka  nicht,  wo  doch  gewaltige  Vulkankegel  sich 
erheben.  Kleine  Firnfelder  wurden  vom  nördlichen  Korea  und  vom 
Ostabhange  des  japanischen  Berges  Tateyama  (36°  35'  N.,  2900  m 
hoch)  gemeldet.  Wir  müssen  uns  auf  die  amerikanische  Seite  be- 
geben, um  wieder  echte  Gletschergebirge  zu  finden.  Die  pazifische 
Küstenkette  wird  von  Alaska  bis  zur  Südgrenze  von  Britiscli-Colum- 
bia  durch  reichliche  Niederschläge  benetzt,  die  die  Schneegrenze 
stark  herabdriicken.  Noch  im  Takufjord  in  58  0 B.  gehen  die  Eis- 
ströme bis  ans  Meer  herab,  und  unter  55  0 B.,  also  in  der  Polhöhe 
des  südschottischen  Gebirges,  endet  einer  erst  bei  400  m Seehöhe. 
Ein  Hauptzentrum  sind  die  St.  Elias- Alpen  an  der  Ostgrenze  Alaskas ; 
des  Malaspina-Gletschers  haben  wir  schon  auf  S.  151  gedacht. 
Würdig  reiht  sich  ihm  der  Muirgletscher  an,  den  Reid°  in  den  letzten 
Jahren  eingehend  studiert  hat.  Er  bedeckt  ein  Areal  von  900  qkm, 
das  siebenfache  der  Aletschfläche,  und  tritt  mit  einer  Gesamtmächtig- 
keit von  280  m in  das  Meer  hinaus.  Dieser  gewaltigen  Masse  ent- 
spricht auch  eine,  weit  über  alpine  Verhältnisse  hinausgreifende  Ge- 
schwindigkeit von  2,19  m pro  Tag  in  der  Mittellinie.  In  den  Ver- 
einigten Staaten  sind  die  dem  pazifischen  Gestade  zunächst  liegenden 
höheren  Gebirge  das  Kaskaden-Gebirge  und  die  Sierra  Nevada.  Auch 
über  die  Eiswelt  dieser  Höhenzone  haben  uns  erst  die  Forschungen 
der  letzten  Zeit  Aufklärung  verschafft.7  Die  mächtigen  Vulkanberge 
des  Kaskadenzuges  tragen  echte  Gletscher,  der  Mt.  Shasta  (in  41 0 B., 
4423  m hoch)  z.  B.  fünf  zwischen  2,7  und  0,s  qkm  Flächeninhalt,  von 
denen  der  Witungletscher  erst  in  2400  m Seehöhe  endet.  Selbst  die 
schon  ziemlich  trockene  Sierra  Nevada  beherbergt  zwischen  36y2 
und  38°  B.  nicht  weniger  als  17  Gletscher,  freilich  alle  sehr  klein 
und  unentwickelt,  und  nur  bis  ca.  3500  m herabreichend.  Nach 
Osten  nehmen  Niederschläge  und  Eisentwicklung  rasch  ab.  Jeff 
Davis  Peak  im  Großen  Becken  hat  nur  einen  kleinen  Firnfieck  in 
besonders  günstiger  Lage,  und  auch  das  Felsengebirge  scheint  inner- 


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Die  geographische  Verteilung  der  Gletscher.  1 69 

halb  der  Vereinigten  Staaten  in  der  Gegenwart  nur  wenig  bedeu- 
tende Hängegletscber  zu  erzeugen.  Erst  auf  canadischem  Boden, 
in  den  Quellgebieten  des  Saskatchewan  und  Athabaska  treten  echte 
Thalgletscher  von  alpinen  Dimensionen  auf,  und  auch  die  inneren 
Parallelketten , das  Selkirk-  und  Goldgebirge , entbehren  dieses 
Schmuckes  nicht. 

Das  niederschlagsreiche  Seeklima  der  südlichen  Hemisphäre  ist 
der  Gletscherentwicklung  besonders  günstig,  ln  den  Breiten  von 
Triest  bis  Hamburg  steigen  von  den  kaum  2600  m hohen  An  des 
Eisströme  bis  zum  Meeresspiegel  herab,  an  den  Abhängen  begleitet 
von  Hochwäldern  der  antarktischen  Buche  und  Birke.  Kolibri  und 
Papageien,  die  wir  als  tropische  Vögel  zu  betrachten  gewohnt  sind, 
bewohnen  hier  Gletscherlandschaften.  An  der  Westseite  der  neu- 
seeländischen Alpen  enden  der  Franz-Josef-  und  Prinz-Alfred- 
Gletscher  in  der  Breite  von  Florenz  erst  in  215  (bezw.  214)  m Höhe, 
wo  die  mittlere  Jahrestemperatur  (10°)  der  von  Wien  gleicht,  und 
eine  üppige  Tieflandvegetation  von  Nadelhölzern,  Buchen,  Baum- 
farnen und  Fuchsiabüschen  gedeiht.  An  der  trockeneren  Ostseite 
liegt  das  Gletscherende  durchschnittlich  in  1200  m Höhe,  also  auch 
hier  noch  immer  700  m tiefer  als  in  unseren  Alpen.  Auf  den 
Kerguelen-Inseln  in  der  Breite  von  Nürnberg  und  Prag  senkt 
sich  der  Zevegletscher  bis  ca.  210,  der  Lindenberggletscher  bis 
ca.  75  und  der  Naumanngletscher  bis  ca.  60  m Seehöhe  herab. 

Polare  Zonen.  Wie  in  der  heißen  Zone  der  Firngletscher,  in 
der  gemäßigten  der  alpine  Gletscher,  so  herrscht  auf  der  polaren 
Kalotte  das  Inlandeis  vor.  Trotzdem  sind  diese  verschiedenen 
Formen  zunächst  orographisch  bedingt,  und  nur  daß  die  Schnee- 
grenze gegen  die  Pole  sich  senkt,  hat  zur  Folge,  daß  zuerst  nur  die 
höchst  ragenden  Gipfel,  dann  auch  die  Kämme  der  Hochgebirge, 
endlich  auch  niedriger  gelegene  Plateaus  Eis  erzeugen.  Unter 
günstigen  Umständen  fehlt  auch  der  alpine  Typus  im  Polarlande 
nicht,  wie  z.  B.  auf  Spitzbergen,  ebensowenig  wie  die  Form  des 
Inlandeises,  allerdings  in  sehr  bescheidenen  Dimensionen,  den  mitt- 
leren Breiten  (z.  B.  auf  dem  Ewigen  Schneeberg  in  den  Salzburger 
Alpen).  Schärfer  ausgeprägt  finden  wir  ihn  allerdings  erst  im  skan- 
dinavischen Hochlande  von  60 0 B.  au.  Das  mächtigste  Gletscher- 
gebiet ist  hier  der  Jostedalsbrä  von  6 1 */3  bis  gegen  62°  B.  hin. 
Am  Nordabhange  des  Sognefjords  erhebt  sich  dieser  flachgewölbte 
Bergrücken,  ein  Fjeld,  wie  man  es  hier  nennt;  an  den  Rändern,  wo 
die  Thäler  einzuschneiden  beginnen,  1400 — 1800,  in  der  Mitte  2038  m 
hoch.  Den  ganzen  Rücken  bedeckt  ein  ununterbrochenes  Firnfeld, 
erst  an  den  Rändern  sehen  einige  steile  Gipfel  aus  demselben  hervor; 


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Die  Lufthülle. 


900  qkm,  eine  Fläche  so  groß  wie  eines  der  Schwarzburgischen 
Fürstentümer  in  Thüringen,  liegt  hier  unter  Schnee  begraben.  Nach 
allen  Seiten  steigen  Eiszungen  herab;  man  zählt  allein  24  Gletscher 
erster  Ordnung.  Sie  enden  in  300 — 600m  Seehöhe,  der  Boium- 
gletscher  reicht  aber  bis  150  m,  der  Suphellagletscher  sogar  bis 
50  m Seehöhe  herab. 

Die  denkwürdige  Reise  Nansens8  im  Jahre  1888  hat  uns  die 
Geheimnisse  der  grönländischen  Eiswelt,  der  umfangreichsten 
unserer  Halbkugel,  enthüllt.  Da  finden  wir  das  Inlandeis  in  seiner 
typischesten  Ausbildung.  Nur  die  Ränder  sind  eisfrei,  oder  eigent- 
lich nur  der  Westrand,  denn  im  Osten  tritt  das  große  Binneneis, 
das  Sermerssuak  der  Eskimos,  vielfach  bis  an  den  Küstenrand  heran 
und  bricht  hier  in  Steilmauern  ab.  Nach  Westen  sendet  es  große 
Eisströme  bis  ins  Meer  hinaus;  von  ihrer  außerordentlichen  Ge- 
schwindigkeit haben  wir  bereits  an  anderer  Stelle  gesprochen.  In 
der  Polhöhe  der  NANSENschen  Durchquerung  ist  diese  eisfreie  Zone 
etwa  100  km  breit.  Auf  das  Sermerssuak  entfallen  445  km,  davon 
50  auf  die  westliche,  15  auf  die  östliche  Randzone,  380  auf  das 
innere  Schneeplateau  in  Höhen  von  mehr  als  1000  m;  Nansen  über- 
schritt die  Scheide  zwischen  beiden  Abdachungen  in  2716  m Höhe. 
Das  Eismeer  wölbt  sich  also  flach  von  einer  Küste  zur  anderen, 
und  wie  man  vermuten  darf,  auch  von  Süden  nach  Norden.  Sein 
Ende  hat  Peary  in  ca.  82°  N.  erreicht. 

In  den  beiden  Randzonen  ist  der  Schnee  grobkörnig,  nach 
innen  zu  wird  er  immer  feiner,  endlich  so  „fein  wie  Staub“.  Bei 
Tage  taut  nur  die  Oberflächenschicht  etwas  auf,  um  bei  Nacht  wieder 
zu  einer  dünnen  Eiskruste  zu  gefrieren;  kein  Bächlein  entsteht,  nichts 
geht  durch  Abschmelzung  verloren,  alles  wird  durch  den  Nachtfrost 
wieder  festgehalten.  Die  Trockenheit  des  Schnees  verhindert  in 
Höhen  von  mehr  als  2300  m sein  Zusammenballen,  er  kann  daher 
erst  in  sehr  großer  Tiefe  in  Eis  übergehen.  Dieser  innerste  Teil 
war  auf  einer  Strecke  von  ca.  1 50  km  so  glatt  wie  ein  Spiegel,  ohne 
andere  Unebenheiten,  als  die  Spuren,  die  die  Reisenden  zurückließen; 
eine  unübersehbare  Schneefläche  ohne  Staub,  ohne  Schmutz,  ohne 
irgend  einen  fremden  Körper.  Mit  einem  Wort:  der  innere  Teil 
des  Sermerssuak  entspricht  dem  alpinen  Hochschnee,  die  Rand- 
zonen dagegen  den  alpinen  Firnmulden.  Nicht  bloß  der  Schnee  ist 
hier  timartig,  es  treten  auch  schon  Spalten  auf,  die  auf  lebhaftere 
Bewegung  hinweisen;  einzelne  Berggipfel,  hier  Nunatakken  genannt, 
ragen  inselartig  aus  dem  Schnee  hervor  (s.  Fig.  35).  Was  das  Inlandeis 
von  dem  alpinen  Gletscher  unterscheidet,  ist  die  ungeheuere  Aus- 
dehnung der  Hochschneeregion  im  Vergleiche  zur  Firn-  und  eigent- 


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Die  geographische  Verteilung  der  Gletscher. 


171 


liehen  Gletscherzone,  d.  h.  derjenigen  Zone,  wo  individualisierte 
Eisströme  in  das  eisfreie  Land  Vordringen.  Diese  sind  zwar  ungleich 
länger,  breiter  und  mächtiger,  als  die  alpinen  Thalgletscher,  aber 
doch  nur  zwergartige  Anhängsel  im  Vergleiche  zu  den  Dimensionen 
des  Inlandeises,  das  mit  seinem  Flächeninhalte  von  ca.  2 MUL  qkm 
ganz  Mittel-  und  Westeuropa  iiberHuten  würde.  An  und  für  sich 
sind  die  grönländischen  Gletscherzungen,  wie  gesagt,  gewaltige  Ge- 
bilde; der  größte  derselben,  der  Humboldt-Gletscher,  hat  eine  Länge 
von  110  km  und  endet  mit  einer  100  m hohen  Eiswand. 

Was  das  Inlandeis  ferner  noch  vom  alpinen  Typus  unterscheidet, 
ist  der  Mangel  an  Oberflächenmoränen,  die  höchstens  in  den  Rand- 
gebieten, aber  auch  da  nur  selten,  von  den  Nunatakken  erzeugt 


Fig.  35.  Grönländisches  Inlandeis  nach  Jbnsen. 


werden  können.  Dagegen  fehlt  die  Grundmoräne  nicht,  ein  deut- 
licher Beweis,  daß  fließendes  Eis  seine  Unterlage  zu  erodieren 
vermag. 

Die  Form  des  Inlandeises  verbreitet  sich  über  alle  größeren  Inseln, 
die  in  der  atlantischen  Öffnung  des  arktischen  Kalotte  liegen,  über 
Island  (Gletscherareal  nach  Tuoboddsen  13  400  qkm),  Spitzbergen, 
Franz- Josef-Land;  dagegen  ist  westlich  von  Grönland,  wo  kein 
warmer  Golfstrom  reichlichere  Niederschläge  erzeugt,  das  Gletscher- 
phänomen sehr  dürftig  entwickelt. 

Eisberge.  Wenn  ein  polarer  Gletscher  in  tieferes  Meer  hiuaus- 
tritt,  so  erfolgt  an  der  Stelle,  wo  das  Eis  leichter  wird,  als  das  von 
ihm  verdrängte  Wasser,  ein  Bruch  von  unten  nach  oben,  und  die 
abgerissenen  Gletscherstücke  setzen  nun  als  Eisberge  ihren  Weg 
im  Meere  fort,  häufig  auch  Erde  und  Felsblöcke  — Bruchstücke 
der  Moränen  — mit  sich  führend.  Zahlreiche  Luftblasen  verringern 
ihr  spezifisches  Gewicht,  so  daß  meist  noch  1/7  der  ganzen  Masse 
aus  dem  Meere  hervortaucht  Es  kann  dabei  leicht  geschehen,  daß 
sie  vollständig  umkippen,  und  dann  statt  der  ursprünglichen  wild 
zerklüfteten  Gletscheroberfläche  die  mehr  oder  weniger  ebene  Sohle 
nach  oben  kehren.  Durch  die  polaren  Meeresströme  nach  Süden 


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172 


Die  Lufthülle. 


entführt,  werden  diese  großen  Klötze  mit  meist  senkrechten  Wänden 
von  der  Sommersonne  zu  phantastischen  Gestalten  umgeformt,  bis 
sie  endlich,  in  Trümmer  zerfallen,  mit  dem  Meereise  verschmelzen, 
oder  im  offenen  Ozean  vergehen. 

Grönland  und  Franz- Josef-Land  sind  die  Hauptgeburtsstätten 
der  großen  arktischen  Eisberge,  deren  Masse  in  einzelnen  Fällen 
zu  21  Mill.  cbm  bestimmt  wurde.  Dagegen  fehlen  sie  an  der  ganzen 
West-  und  Nordküste  von  Nowaja  Semlja,  wie  an  der  Südspitze  von 
Spitzbergen,  weil  hier  das  Meer  an  den  Küsten  zu  seicht  ist,  und 
nur  kleine  Stücke  von  den  Gletschern  abbröckelt. 


Weitaus  häufiger  und  größer,  auch  anders  gestaltet,  als  im 
Nordpolarmeere,  sind  die  Eisberge  in  der  antarktischen  See.  Die 
Naturforscher  der  „Challenger “-Expedition  schildern  sie  als  ge- 
waltige Tafeln  von  400 — 1000  m Durchmesser  und  60  m Höhe.9 
Die  ebene,  horizontale  oder  geneigte  Oberfläche  ist  von  zahlreichen 
Spalten  durchschnitten,  die  senkrechten  Seitenwände  zeigen  wech- 
selnde Lagen  von  blauem  und  weißem  Eise  in  deutlichster  Schichtung. 
Nach  unten  werden  die  Schichten  dünner  und  sind  horizontal,  die 
oberen,  die  keinen  Druck  erlitten  haben,  sind  leicht  gebogen.  Sind 
diese  Tafelberge  Meer-  oder  Gletschereis?  Helm  hat  sich  für  das 
erstere  entschieden,  und  auch  Nansen  ist  der  Ansicht,  daß  über- 
einander getürmte  Treibeisschollen  Eisberge  formen  können.  Wir 
können  uns  aber  nicht  davon  überzeugen,  daß  jene  geschichtete, 
etwa  60  m hohe  Eismauer,  an  der  Ross  mehrere  hundert  Kilometer 


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Das  Klima. 


173 


weit  entlang  fuhr,  ohne  ihr  Ende  zu  erreichen,  etwas  anderes 
gewesen  sein  könnte,  als  die  Bruchfläche  eines  kolossalen  Gletschers. 

Litteraturnachweise.  1 Hans  Meter,  Ostafrikanische  Gletscherfahrten, 
Leipzig  1890.  — * Schwarze,  Verbreitung  der  Gletscher  in  den  Westgebirgen 
Amerikas,  im  „Ausland“  1891.  — * E.  Richter,  Ostalpen,  cit.  S.  149.  — * Fresh- 
field,  The  Peakes,  Passes  and  Glaciere  of  the  Caucasus,  in  den  Proceedings 
of  the  R.  Geographical  Society,  London  1888.  — 5 Conway,  Climbing  and  Ex- 
ploration in  the  Karakorum  Himalayas,  London  1894.  Die  Karte  wurde  1894 
von  der  R.  Geographical  Society  in  London  herausgegeben.  Unsere  Fig.  34 
ist  nach  einem  Kärtchen  im  Alpine  Journal  entworfen.  — * Reid,  Studies  of 
Muir  Glacier,  im  National  Geographical  Magazine,  Washington  1892.  — 7 Russell, 
The  existing  Glaciers  of  the  United  States  im  5.  Jahresbericht  des  Geological 
Survey  of  the  U.  S.,  Washington  1885.  — s Mohn  u.  Nansen  cit.  S.  77.  — 
* I.  Bd.  des  Challenger-Report:  Narrative  of  the  Cruise,  London  1885. 


Das  Klima. 

Klünaprovinzen  (s.  Karte  XIV).  Unter  Klima  eines  Ortes  ver- 
stehen wir  den  mittleren  Zustand  der  Atmosphäre,  wie  er  uns  durch 
langjährige  meteorologische  Durchschnittswerte  repräsentiert  wird.  Als 
die  Hauptfaktoren  haben  sich  Wärme  und  Niederschlag  erwiesen,  in- 
direkt auch  die  Winde  und  die  orographischen  Verhältnisse,  da  sie 
die  Verteilung  der  beiden  ersteren  Elemente  wesentlich  mitbedingen. 
Es  ist  nun  die  Aufgabe  der  physischen  Geographie,  das  Zusammenspiel 
dieser  vier  Faktoren  in  den  einzelnen  Lokalitäten  zu  untersuchen, 
gemeinsames  zusammenzufassen,  und  nach  dem  vorherrschenden 
Witterungstypus  Klimaprovinzen  aufzustellen.  In  jeder  dieser 
großen  Abteilungen  lassen  sich  noch  eine  Reihe  von  Klimabezirken, 
oder  wie  man  sie  sonst  nennen  will,  unterscheiden,  und  in  manchen 
Gegenden  wird  das  Beobachtungsmaterial  noch  eine  weitere  Unter- 
einteilung gestatten.  Es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  daß  über  die 
Zahl  und  Grenzen  der  Haupt-  und  Unterabteilungen  wohl  niemals 
eine,  alle  Zweifel  ausschließende  Übereinstimmung  erzielt  werden 
dürfte;  und  auch  Karte  XIV,  die  sich  nur  auf  die  Darstellung 
der  Provinzen  beschränkt,  ist  lediglich  als  ein  Versuch  aufzufassen.1 

Von  den  34  Klimaprovinzen  — unter  diese  Zahl  dürfte  keine 
Einteilung  herabgehen  — entfallen  21  auf  die  östliche  Landfeste 
mit  Polynesien,  12  auf  die  neue  Welt  und  1 auf  die  Nordpol-Zone. 
"Wir  müssen  uns,  um  Wiederholungen  zu  vermeiden,  auf  eine  kurze, 
aphoristische  Schilderung  derselben  beschränken. 

1.  Östliche  Kontinente  und  Inseln. 

1.  Westeuropäische  Provinz.  Milde  Wintertemperatur  unter  dem  Ein- 
flüsse der  westlichen  Winde  und  des  Golfstromes.  Jährliche  Wärmeschwankung 


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174 


Die  Lufthülle. 


unter  15°.  Keichliche  Niederschläge  mit  ziemlich  gleichmäßiger  Verteilung  über 
die  Jahreszeiten.  Summen  sehr  variabel,  da  die  Terraingestaltung  außerordent- 
lich wechsclvoll  ist  Überhaupt  wechseln  die  klimatischen  Verhältnisse  oft  auf 
kurze  Distanzen,  und  es  wird  daher  eine  eingehende  Untersuchung  zur  Auf- 
stellung zahlreicher  Unterabteilungen  führen. 

2.  Osteuropäische  Provinz.  Es  beginnt  schon  das  Gebiet  des  Land- 
klimas. Vorherrschen  der  Ebene,  daher  Unterschiede  hauptsächlich  nur  von 
der  geographischen  Breite  abhängig.  Die  Niederschläge  sind  geringer,  als  in 
der  1.  Provinz,  und  nehmen  nach  Südosten  ab;  ausgeprägtes  Sommermaximum. 

3.  Westsibirische  Provinz.  Die  Grenze  gegen  die  osteuropäische 
Provinz  liegt  dort,  wo  die  positive  Jahresanomalie,  die  Europa  auszeichnet, 
aufhört  ; und  es  ist  zu  betonen,  daß  sie  fast  genau  mit  der  Urallinie  zusammen- 
föllt.  Im  übrigen  unterscheidet  sich  diese  Provinz  von  der  vorhergenannten 
nur  durch  ein  schärferes  Hervortreten  aller  Charaktereigentümlichkeiten.  Große 
Temperaturveränderlichkeit. 

4.  Ostsibirische  Provinz.  Jenseits  des  Jenissei  beginnt  eine  all- 
gemeine Hebung  des  Landes,  Tiefebene  nur  an  den  Flüssen.  Gebiet  eines 
winterlichen  Kältezentrums.  Jährliche  Wärmeschwankung  am  größten.  Nieder- 
schläge im  allgemeinen  gering. 

5.  Kamtschatka-Provinz.  Das  Meer  mildert  die  Temperaturextreme 
und  führt  reichlicheren  Regen  zu. 

6.  Chinesisch-japanische  Provinz.  Auf  dem  Festland  relativ  be- 
deutende Winterkälte  und  streng  periodische  Regen.  In  Japan  treten  diese 
Eigentümlichkeiten  etwas  gemildert  auf. 

7.  Die  Asiatische  Hochlandprovinz  umfaßtalle  gebirgsumschlossenen 
Hochländer,  die  im  allseitigen  Windschatten  liegen ; daher  sehr  trocken.  Winter- 
kälte durch  die  bedeutende  Seehöhe  gesteigert,  Sommerwärme  durch  die  kon- 
tinentale Lage.  Tägliche  Wärmeschwankung  sehr  bedeutend. 

8.  Aral-Provinz.  Trockenes  Tiefland;  Niederschlagsmaximum  im  Norden 
im  Sommer,  im  Süden  im  Winter.  In  Turan  strenge  Winter  und  sehr  heiße 
Sommer. 

9.  Indus  - Provinz , durch  Trockenheit  und  Hitze  ausgezeichnetes 
Tiefland. 

10.  Mittelmeer-Provinz.  Große  Mannigfaltigkeit  wegen  reicher  hori- 
zontaler Gliederung  und  wechselnder  Oberflächenbeschaffenheit.  Mild  ist  das 
Klima  überall  mit  Ausnahme  der  inneren  Hochländer.  Winterregen. 

11.  Sahara-Provinz,  bis  nach  Mesopotamien  reichend,  Gebiet  der 
trockenen  Nordwinde,  wahrscheinlich  regenärmste  Gegend  der  Erde.  Kon- 
tinentalität  und  vegetationsarmer  Boden  steigern  die  Sommerhitze  außerordent- 
lich, jährliche  und  tägliche  Wärmeschwankung  beträchtlich. 

12.  Tropische  Provinz  von  Afrika.  Wärme  auf  dem  inneren  Hoch- 
land durch  die  Seehöhe  gemildert,  desto  größer  aber  auf  den  schmalen  Küsten- 
ebenen. Tropenregen,  nach  Westen  abnehmend. 

13.  Kalahari-Provinz,  umfaßt  das  ganze  regenarme  Gebiet  von  Süd- 
west-Afrika. 

14.  Kap-Provinz,  subtropisch. 

15.  Ostindisch-australische  Monsunprovinz.  Mit  Ausnahme  einiger 
Gegenden  im  Archipel  streng  periodischer  Regen  mit  SW.-Wind,  bezw.  NW.- 
Wind.  Temperatur  ziemlich  gleichmäßig  trotz  beträchtlicher  Ausdehnung  der 
Provinz;  Jahresschwankung  sehr  mäßig. 


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Da«  Klima. 


175 


16.  Australische  Binnenprovinz.  Große  Temperaturextreme;  unregel- 
mäßige Niederschläge,  vorherrschend  trocken. 

17.  Australische  Südwest-Provinz,  subtropisch. 

18.  Australische  Ost-Provinz,  bis  an  die  Wasserscheide  auch  die 
SO.-Küste  und  Tasmanien  umfassend.  Niederschläge  ergiebig  und  ziemlich 
gleichmäßig.  Wärmeschwankung  mäßig. 

19.  Neuseeländische  Provinz,  wahrscheinlich  auch  die  kleineren  Inseln 
in  der  Umgebung  umfassend.  Mildes  Klima  mit  ziemlich  gleichmäßigem  Kegen. 

20.  Polynesische  Tropenprovinz.  Tropenklima,  durch  die  See  ge- 
mildert, eigentlich  das  ganze  Jahr  ein  milder  Sommer.  Regen  auf  den  hohen 
Inseln  reichlich  und  mit  tropischer  Periodizität. 

21.  Hawaii-Provinz.  Temperatur  ebenfalls  gleichmäßig  mild.  Regen 
subtropisch. 

2.  Amerika. 

1.  Hudson-Provinz.  Zum  größten  Teile  extremes  Landklima  und  wenig 
Niederschläge. 

2.  Nordwestliche  Küstenprovinz.  Regenreiches,  mildes,  gleich- 
mäßiges Klima. 

3.  Californischc  Provinz.  Verhältnismäßig  kühl,  besonders  im  Sommer. 
Streng  subtropische  Regenperiode. 

4.  Hochlandprovinz.  'Trocken,  große  jährliche  und  tägliche  Wärme- 
schwankung. 

5.  Atlantische  Provinz.  Im  Winter  großer  Temperaturgegensatz 
zwischen  Norden  und  Süden,  Landklima  auch  an  der  Küste.  Regen  reichlich 
und  gleichmäßig  über  das  Jahr  verteilt  Große  Veränderlichkeit. 

6.  Westindische  Provinz,  auch  den  Südrand  von  Nordamerika  um- 
fassend. Gleichmäßige  Wärme,  Niederschläge  zu  allen  Jahreszeiten,  aber  mit 
ausgesprochenem  Sommermaximum. 

7.  Tropische  Cordillerenprovinz.  Im  inneren  Tafelland  wegen 
beträchtlicher  Seehöhe  ewiger  Frühling.  In  Mexico  und  Zentralamerika  aus- 
geprägte Zenithairegen,  in  Südamerika  gleichmäßige  Niederschläge. 

8.  Tropenprovinz  von  Südamerika.  Der  Gegensatz  von  Gebirgs- 
und  Tiefland  dürfte  eine  ziemliche  Mannigfaltigkeit  des  Klimas  hervorrufen, 
doch  wissen  wir  darüber  nichts  Sicheres. 

9.  Peruanische  Provinz,  auch  einen  Teil  von  Chile  bis  zum  30.°  B. 
umfassend.  Regenlos  und  abnorm  kühl. 

10.  Nordchilenische  Provinz,  subtropisch. 

11.  Südchilenische  Provinz,  außerordentlich  niederschlagsreich.  Tem- 
peratur gleichmäßig,  Sommer  kühl. 

12.  Pampas-Provinz.  Regen  nicht  reichlich;  jährliche  Temperatur- 
schwankung, wenigstens  im  Norden,  ziemlich  groß. 

Arktische  Provinz.  Die  Eigentümlichkeiten  des  polaren  Klimas  wurden 
schon  mehrfach  erörtert  Auch  hier  lassen  sich  viele  Unterabteilungen  unter- 
scheiden. Als  Südgrenze  auf  den  Kontinenten  kann  man  die  10  °- Isothermen 
des  wärmsten  Monats,  die  annähernd  mit  der  Baumgrenze  übereinstimmt,  an- 
nebmen. 

Die  35jährigen  Schwankungen.  Man  hat  schon  lange  darüber 
gestritten,  ob  das  Klima  eines  Ortes  konstant  oder  veränderlich  ist 
Der  Begriff  der  Veränderlichkeit  muß  aber  schärfer  gefaßt  werden; 


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176 


Die  Lufthülle. 


wir  haben  zwischen  dauernden  Veränderungen  nach  einer  Richtung 
und  periodischen  Schwankungen  zu  unterscheiden,  und  es  ist  auch  die 
Frage  zulässig,  ob  Bewegungen  beider  Art  nebeneinander  stattfinden. 

Belehrt  durch  vielerlei  Erfahrungen,  sind  wir  jetzt  zu  der  Auf- 
fassung geneigt,  daß  die  meteorologischen  Prozesse  regelmäßigen 
Schwankungen  unterliegen,  und  zwar  in  der  Weise,  daß  jede  Periode 
wieder  in  eine  Reihe  von  Perioden  kürzerer  Dauer  zerfällt  Wenn 
wir  diese  Schwankungen  im  Sinne  ihrer  gewöhnlichen  graphischen 
Darstellung  (vgl.  z.  B.  Fig.  37)  als  Wellen  auffassen,  so  können  wir 
auch  sagen,  daß  jede  Welle  sich  in  kleinere  auflöst,  diese  wieder 
in  kleinere  u.  s.  w.,  daß  aber  dabei  niemals  ganz  regelmäßige  Ge- 
stalten entstehen. 

Wir  haben  die  tägliche  und  jährliche  Periode  der  Temperatur 
bereits  kennen  gelernt.  Wir  können  die  erstere  unterdrücken,  wenn 
wir  die  mittleren  Tagestemperaturen  berechnen,  und  die  Aneinander- 
reihung der  letzteren  läßt  uns  die  jährliche  Periode  erkennen.  Wir 
können  auch  diese  ausschalten,  wenn  wir  das  Jahresmittel  berechnen. 
Das  zweite  maßgebende  Klimaelement,  der  Regen,  ist  in  seiner 
Periodizität  schwieriger  zu  behandeln,  weil  er  nirgends  eine  dauernde 
Erscheinung  ist;  doch  ist  auch  er  deutlichen  jährlichen  Schwankungen 
unterworfen,  wenn  diese  auch  in  verschiedenen  Gegenden  bald 
stärker,  bald  schwächer  hervortreten. 

In  der  täglichen,  wie  in  der  jährlichen  Temperaturperiode  sind 
zwei  Elemente  deutlich  zu  unterscheiden.  Das  periodische  be- 
wirkt stetige  Zunahme  vom  Minimum  zum  Maximum  und  dann 
wieder  ebenso  stetige  Abnahme,  und  nur  die  unperiodischen, 
nicht  an  bestimmte  Zeiten  gebundenen  Veränderungen  rufen  in  dem 
streng  regelmäßigen  Verlaufe  der  Temperaturkurve  Störungen  her- 
vor. In  noch  höherem  Grade  ist  das  bei  der  Regenkurve  der  Fall. 
Gerade  dieses  unperiodische  Element  suchen  wir  durch  langjährige 
Mittelwerte  zu  beseitigen,  indem  wir  — wenn  auch  nicht  ganz  zu- 
treffend — annehmen,  daß  es  ebenso  oft  im  positiven  wie  im  nega- 
tiven Sinne  wirkt. 

Reihen  wir  nun  die  klimatologischen  Jahresmittel  eines  Ortes 
an  einander.  Kalte  und  warme,  nasse  und  trockene  Jahre  wechseln 
mit  einander  ab,  scheinbar  ohne  Gesetzmäßigkeit.  Sind  diese 
Schwankungen  von  Jahr  zu  Jahr  nur  unperiodische,  oder  steckt  auch 
ein  periodisches  Element  darin? 

Daß  man  das  letztere  so  lange  vergeblich  suchte,  hat  seinen 
Grund  offenbar  darin,  daß  die  unperiodischen  Veränderungen  mit 
der  Länge  der  Periode  an  Bedeutung  wachsen.  Zunächst  fand  man 
Beziehungen  zu  der  elfjährigen  Sonnenfleckenperiode,8  die  auf 


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Das  Klima. 


177 


den  Erdmagnetismus  und  die  Polarlichter  von  so  entscheidendem 
Einflüsse  ist.  Dagegen  ist  sie  in  den  meteorologischen  Erscheinungen 
nur  schwach  ausgeprägt  oder  gänzlich  verwischt  Am  klarsten  tritt 
sie  noch  in  den  Niederschlägen  hervor,  die  mit  der  Zahl  der  Sonnen- 
flecken steigen  und  fallen;  aber  nur  in  den  Tropen  ist  diese  Ab- 
hängigkeit von  praktischer  Bedeutung,  insofern  die  Zeit  der  Flecken- 
minima  Därre  und  häufig  sogar  Hungersnot  bringt.  Dagegen  lassen 
die  Temperaturbeobachtungen  es  noch  immer  im  Zweifel,  ob  die 
fleckenarme  Sonne  der  Erde  mehr  Wärme  zusendet  als  die  flecken- 
reiche; und  außerdem  ist  diese  Schwankung  zu  gering,  als  daß  sie 
mehr  als  bloß  theoretisches  Interesse  erwecken  könnte. 

Die  Schwankungen  der  Gletscher  und  des  Niveaus  abflußloser 
Seen  wiesen  aber  doch  allzu  deutlich  auf  meteorologische  Perioden 
höherer  Ordnung  hin,  die  mit  den  Sonnenflecken  nicht  in  Einklang 
zu  bringen  sind.  Hier  setzte  E.  Brückner  3 den  Hebel  an.  Er 
untersuchte  die  Wasserstandsschwankungen  einer  größeren  Zahl  von 
abflußlosen  Seen,  Flußseen  und  Flüssen  aus  allen  Gegenden  der 
Erde,  die  Temperatur-  und  Regenmessungen,  die  bis  in  die  Mitte, 
bezw.  den  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  hinaufführen;  die  Eisver- 
hältnisse der  russischen  Flüsse,  deren  Aufzeichnungen  ebensoweit 
(betreffs  der  Düna  bei  Riga  sogar  bis  1556)  hinaufreichen;  die 
sorgfältigen  Aufzeichnungen  über  das  Datum  der  WTeinemte  in 
Westeuropa,  die  sich  bis  zum  Ende  des  14.  Jahrhunderts  zurück- 
verfolgen lassen,  und  endlich  die  Nachrichten  über  kalte  Winter, 
die  das  Material  bis  ca.  1000  n.  Chr.  ergänzen. 

Das  Ergebnis  war  die  Entdeckung  einer  durchschnittlich  35jäh- 
rigen  Periode,  die  zu  der  Häufigkeit  der  Sonnenflecken  in  keinen 
Beziehungen  steht.  Jede  Periode  zerfällt  in  eine  kalte  und  eine 
warme  Hälfte;  die  Jahrestemperaturen  steigen  bis  zu  einem  Maxi- 
mum an  und  sinken  dann  bis  zu  einem  Minimum  herunter,  freilich 
noch  unregelmäßiger,  als  die  Tagestemperaturen  innerhalb  der  Jahres- 
periode, weshalb  es  Brückner  vorgezogen  hat,  fünfjährige  Durch- 
schnittszahlen zu  verwerten,  die  in  ihrem  Wesen  genau  den  Monats- 
mitteln entsprechen.  Die  Zeit  zwischen  zwei  Temperaturminima 
schwankt  zwischen  20  und  50  Jahren,  ebenso  wie  auch  die  Zeit 
zwischen  zwei  jährlichen  Minima  nicht  immer  365  Tage  beträgt; 
das  Mittel  von  35  Jahren  ergiebt  sich  aber  aus  verschiedenen  An- 
sätzen, so  daß  es  wenigstens  vorläufig  als  wahrscheinlichster  Wert 
festgehalten  werden  muß. 

Die  Schwankung  erscheint  auf  den  ersten  Blick  nicht  beträcht- 
lich, nach  der  Tabelle  auf  S.  1 78  nur  höchstens  1 0 C.,  in  der  Periode 
1836 — 70  sogar  nur  0,s°.  Aber  man  muß  beachten,  daß  bei  der 

Süpan  , Physische  Erdkunde.  2.  Aufl.  1 2 


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178 


Die  Lufthülle. 


Klimaschwankungen.  * 


Jahre 

Temperatur 

Regen 

(Prozente) 

I 

Seen 

Beginn 

der  Gletscher- 
bewegungen 

1731—1735 

- 0,3.° 

- 4 

i 

1735  Vorstoß 

1736—1740 

- 0,43  * 

+ » 

1740  Max. 

1741—1745 

— 0,85 

- 6* 

1746—1750 

+ 0,45 

+ 5 

1750  Rückzug 

1751—1755 

+ 0,1« 

+ 5 

1756—1760 

— 0,08 

- 3 

1760  Min. 

1761—1765 

— 0,10 

+ 0 

1766—1770 

- 0,43* 

- 4* 

1767  Vorstoß 

1771—1775 

+ 0,34 

+ 7 

1776—1780 

+ 0,15 

- 2 

1780  Max. 

1781—1785 

+ 0,18 

- 2 

1786—1790 

— 0,11 

+ 2 

1791—1795 

+ 0,48 

- 2 

1796—1800 

+ 0,07 

- 1 

1800  Min. 

1800  Rückgang 

1801—1805 

+ 0,3« 

- 4* 

1806—1810 

— 0,18 

+ 3 

1811—1815 

- 0,4«* 

+ 0 

1814  Vorstoß 

1816—1820 

— 0,35 

+ 0 

1820  Max. 

1821—1825 

+ 0,66 

- 2 

1823  Rückgang 

1826—1830 

+ 0,14 

- 0 

1831—1835 

+ 0,03 

- 8* 

1835  Min. 

1836—1840 

- 0,33* 

- 5 

1840  Vorstoß 

1841—1845 

— 0,oo 

+ 1 

1846—1850 

— 0,08 

4*  3 

1850  Max. 

1851—1855 

+ 0,u 

+ 1 

1855  Rückgang 

1856—1860 

+ 0,o« 

- 4 

1861—1865 

— 0,06 

- 5* 

1865  Min. 

1866—1870 

+ 0,n 

-1 

1871—1875 

— 0,04 

+ 2 

1876—1880 

— 0,o: 

+ 7 

1880  Max. 

1881—1885 

— 0,08* 

1 

+ 6 

x Mittel  aus  sämtlichen  Gruppen  der  Erde;  die  positiven  und  negativen 
Werte  stellen  Abweichungen  von  der  mittleren  Temperatur  bezw.  Jahres- 
menge  des  Regens  dar,  im  letzten  Falle  in  Prozenten  der  mittleren  Jahres- 
menge. 


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Das  Klima. 


179 


S 00 


Zusammenfassung  der  Beobachtungsreihen  einzelner  Orte  zu  Gruppen- 
mitteln und  dieser  wieder  zu  einem  Mittel  für  die  ganze  Erde  viele 
Gegensätze  sich  ausgleichen.  Wir 
können  vermuten,  daß  im  konti- 
nentalen Klima  die  Amplituden 
größer  werden  (im  südwestlichen 
Rußland  z.  B.  bis  2°),  und  mög- 
licherweise findet 'auch  eine  Steige- 
rung mit  der  Breite  statt.  Die 
DovEschen  Werte  für  die  mittlere 
Abweichung  (s.  S.  87)  geben  viel- 
leicht auch  hierfür  einen  Anhalts- 
punkt, wenn  sie  auch  für  unsere 
Frage  nur  mit  großer  Vorsicht  zu 
benutzen  sind. 

Diese  Temperaturschwankun- 
gen treten  gleichzeitig  auf  der 
ganzen  Erde  ein,  die  Ursache 
muß  daher  außerhalb  der  Erde 
liegen,  und  wir  sind  geneigt,  sie 
in  periodischen  Veränderungen  des 
Strahlungsvermögens  der  Sonne  zu 
suchen,  obwohl  es  den  Astronomen 
bisher  noch  nicht  gelungen  ist, 
einen  positiven  Anhaltspunkt  für 
diese  Hypothese  zu  gewinnen.  Mit 
der  Temperatur  schwankt  auch  der 
Niederschlag,  aber  im  Gegen- 
sätze zur  ersteren  nicht  überall  in 
dem  gleichen  Sinne.  Auf  den  Land- 
flächen sind  die  kalten  Hälften  der 
35jährigen  Perioden  zugleich  naß, 
die  warmen  zugleich  trocken;  auf 
dem  nordatlantischen  Ozean  und 
wahrscheinlich  auf  allen  Meeren 
findet  ein  entgegengesetzter  Zu- 
sammenhang statt.  Dies  hängt 
mit  den  periodischen  Veränderun- 
gen des  Luftdruckes  zusammen. 

Er  sinkt  in  der  trocken- warmen  Hälfte  auf  dem  nordatlantischen 
Ozean  und  steigt  über  Europa;  dort  vertieft  sich  das  subpolare 
Minimum,  hier  entsteht  eine  Anticyklone,  die  wirksamer  als  ein 

12* 


a 

- 

Ui 


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180 


Die  Lufthülle. 


hohes  Randgebirge  uns  von  der  Zufuhr  feuchter  Meeresluft  ab- 
schneidet. In  der  feucht-kühlen  Hälfte  gleichen  sich  die  Gegensätze 
etwas  aus;  über  dem  nordatlantischen  Ozean  steigt  das  Barometer, 
über  Europa  sinkt  es. 

Die  feuchten  und  trockenen  Periodenhälften  decken  sich  nicht 
ganz  genau  mit  den  kalten  und  warmen.  Für  Süddeutschland  finden 
wir  z.  ß.  auf  graphischem  Wege  (vgl.  Fig.  37): 


Temperatur 

Max.  1777,  warm  1773 — 1781  x 
Min.  1785,  kalt  1781  — 1788  * 
Max.  1796,  warm  1788— 1809  X 
Min.  1816,  kalt  1809—1824 
Max.  1830,  wann  1824 — 1836 
Min.  1854,  kalt  1836—1859 
Max.  1866,  warm  1859  — 1876 


Regen 


— 1815  feucht,  1809  Max. 
1815—1839  trocken,  1824  Min. 
1839—1851  feucht,  1844  Max. 
1851 — 1869  trocken,  1862  Min. 


Auch  in  der  Tabelle  für  die  ganze  Erde  zeigen  sich  Verschie- 
bungen und  Unregelmäßigkeiten,  namentlich  scheint  sich  die  Periode 
1756 — 1805  durch  fast  permanente  Trockenheit  ausgezeichnet  zu 
haben.  Wir  können  aber  noch  nicht  sagen,  ob  diese  Anomalie 
thatsächlich  begründet  ist,  oder  ob  sie  nur  in  der  bedauerlichen 
Mangelhaftigkeit  des  Beobachtungsmaterials  ihre  Erklärung  findet 
Von  der  Größe  der  Regenschwankungen  giebt  uns  jene  Tabelle  kein 
richtiges  Bild,  weil  in  dem  Mittel  für  die  ganze  Erde  die  euro- 
päischen Stationen  wegen  ihrer  großen  Anzahl  naturgemäß  domi- 
nieren und  auch  die  nordatl  an  tischen  Gebiete  einbezogen  sind,  ln 
Europa  beträgt  die  Schwankung  nur  14 — 20  Proz.  in  den  echt 
kontinentalen  Gebieten  Asiens  aber  schon  bis  36  Proz.,  in  Barnaul 
in  Sibirien  z.  B.  über  100  Proz.  der  mittleren  Jahressumme  (1861 
bis  1865  durchschnittlich  150,  1881 — 85  460mm!).  Solche  Gegen- 
den, die  ja  an  und  für  sich  schon  au  Wasserarmut  leiden,  verändern 
in  der  Trockenzeit  in  der  That  ganz  ihr  Aussehen,  und  hier  greifen 
die  Klimaschwankungen  noch  viel  tiefer  als  bei  uns  in  die  mensch- 
lichen Verhältnisse  ein.  Und  doch  fühlen  wir  ihren  Einfluß  selbst 
in  Deutschland  schon  schwer  genug. 

Von  den  in  die  physische  Geographie  einschlägigen  Erschei- 
nungen werden  die  Wasserstände  der  Seen  und  Flüsse,  das  Meeres- 
niveau, die  Eisbildung  auf  den  nordischen  Flüssen  und  die  Bewegung 
der  Gletscher  am  meisten  beeinflußt;  der  Zusammenhang  tritt  schon 
in  der  Haupttabelle  deutlich  hervor,  noch  besser  aber,  wenn  wir  die 

x Möglicherweise  muß  auch  in  der  Haupttabelle  (S.  178)  die  lange  Periode 
1756 — 1805  in  zwei  Perioden  1756 — 1785  und  1786—1805  aufgelöst  werden. 


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Das  Klima. 


181 


Alpengletscherepochen  mit  den  Schwankungen  in  Süddeutschland  in 
Vergleich  setzen.4  Wir  legen  auf  das  Verhalten  der  Seen  und  Glet- 
scher das  Hauptgewicht,  weil  sich  darin  auch  noch  größere  Klima- 
perioden widerspiegeln.  Ehe  wir  aber  darauf  eingehen,  wollen  wir 
nur  noch  eine  wichtige  Schlußfolgerung  ziehen. 

Wir  haben  schon  wiederholt  über  die  Ungleichmäßigkeit  der 
klimatologischen  Mittelwerte  geklagt.  Aus  unseren  Erörterungen 
über  die  35jährige  Periode  geht  klar  hervor,  erstens  daß  nur 
gleichzeitige  Mittelwerte  miteinander  vergleichbar  sind,  zweitens 
daß  kurze  Beobachtungsreihen  selbst  in  den  Tropen  ganz  un- 
genügende Werte  ergeben,  weil  sie  dem  auf-  oder  abwärtssteigenden 
Aste  der  Klimawelle  angehören  können.  Mittel,  die  wirklich  das 
Klima  repräsentieren,  sog.  Normalwerte,  müssen  eine  ganze  Klima- 
periode umfassen,  also  auf  etwa  30 — 35jährige  Beobachtungen  sich 
stützen.  Aber  wir  werden  noch  sehr  lange  warten  müssen,  bis  diese 
Forderung  auf  der  ganzen  Erde  erfüllt  ist;  bis  dahin  müssen  wir 
alle  unsere  Isothermen-,  Isobaren-,  Wind-  und  Regenkarten  als  ziem- 
lich rohe  Skizzen  betrachten. 

Säkulare  Perioden.  Aus  den  Normalmitteln  ist  die  35jährige 
Periode  eliminiert,  wie  aus  den  Jahresmitteln  die  jährliche,  aus  den 
Tagesmitteln  die  tägliche.  Es  entsteht  nun  die  Frage,  ob  die  Nor- 
malmittel, aneinander  gereiht,  eine  ähnliche  Schwankung  zeigen, 
wie  die  Jahresmittel;  ob  noch  Perioden  höherer  Ordnung  bestehen. 
Ziffermäßig  lassen  sich  diese  nicht  mehr  nach  weisen,  denn  wenn 
auch  manche  Temperaturreihen  bis  in  die  Mitte  oder  den  Anfang 
des  18.  Jahrhunderts  hinaufreichen,  so  sind  sie  doch  selten  homogen 
und  überdies  zu  spärlich  verteilt,  um  Rückschlüsse  auf  Bewegungen 
auf  der  ganzen  Erde  zu  gestatten.  Aber  mancherlei  Anzeichen 
haben  wir  doch  in  den  Aufzeichnungen  Uber  die  Wasserstände  des 
Kaspisees,  die  Eisbedeckung  der  Flüsse,  die  Weinernte,  die  Glet- 
schervorstöße, daß  die  35jährigen  Perioden  nur  Auszackungen 
größerer  Wellen  sind,  die  sich  vielleicht  über  ein  Jahrhundert  und 
mehr  ausdehnen  und  daher  mit  Recht  säkulare  genannt  zu  werden 
verdienen. x Es  ist  auch  wahrscheinlich,  daß  es  säkulare  Perioden 
verschiedener  Ordnung  giebt;  diejenigen,  die  uns  Blytt  an  der 
Vegetationsfolge  in  Norwegen  und  Schweden  kennen  gelehrt  hat, 
dürften  die  der  höchsten  Ordnung  darstellen.5 

„Die  Torfmoore  des  südlichen  Norwegens,“  sagt  Blytt,  „be- 
stehen, wenn  sie  über  der  höchsten  marinen  Stufe  liegen,  aus  vier 


x Brückner  hat  ursprünglich  seine  35jährigen  Schwankungen  säkulare 
genannt;  es  liegt  aber  auf  der  Hand,  daß  dies  schon  etymologisch  unrichtig  ist. 


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182 


Die  Lufthülle. 


Torfschichten  mit  drei  zwischengelagerten  Waldschichten,  und  sie 
sind,  seit  sie  sich  anfingen  zu  bilden,  jetzt  zum  vierten  Male  mit 
Wald  bewachsen.  Auf  eine  ähnliche  Anzahl  wechselnder  Perioden 
deuten  auch  die  dänischen  Torfmoore  mit  ihren  vier  Torfschichten, 
welche  zuweilen  von  Wurzelschichten  geschieden  werden.  Torfmoore 
mit  allen  drei  Wurzelschichten  sind  aus  Dänemark  bekannt,  gleich- 
falls aus  einzelnen  Teilen  Schwedens,  Södermanland,  Smaaland  und 
Dalsland.  Moore  mit  drei  Wurzelschichten  kennt  man  aus  Schlesien, 
aus  England  und  Schottland  und  aus  dem  Juragebirge.“ 

Im  norwegischen  Gudbrandsdalen,  unter  61°  45'  N.,  finden  wir 
einen  mehrfachen  Wechsel  von  Tuffen  und  Lehmschichten,  die  Blytt 
in  folgender  Weise  mit  den  Moor-  und  Wurzelschichten  des  süd- 
lichsten Norwegens  und  Dänemarks  zu  identifizieren  versuchte: 


Südlichste  Gegenden  Gudbrandsdalen 

4.  Periode. 

Wald  der  Gegenwart  Erde 

Subatlantischer  Torf  (Buchen,  Erlen)  — 


3.  Periode. 

Subboreale  Wurzelschicht  — 

Atlantischer  Torf  (Eichen)  Kiefemtuff 


2.  Periode. 

Boreale  Wurzelschicht  Lehm  und  Dryastuff 

Infraborealer  Torf  (Kiefern)  Birkentuff 


1.  Periode. 

Subarktische  Wurzelschicht  Lehm 

Subglazialer  Torf  (Birken,  Espen)  Moräne. 


Wir  haben  also  hier  einen  Wechsel  von  langen  trocken-warmen 
Zeiträumen  mit  Waldbildung  und  Lehmanhäufung  und  feucht-kühlen 
Zeiträumen  mit  Moor-  und  Tuffbildungen.  Sie  stellen  vier  große 
Klimawellen  dar,  die  von  der  Eiszeit  bis  in  die  unmittelbare  Gegen- 
wart hineinreichen,  denn  der  subglaziale  Torf  ruht  auf  Lehm  mit 
alpiner  Silberwurz  (Dryas),  Polarweide  u.  dergl.,  und  dieser  wieder 
auf  der  glazialen  Grundmoräne.  Aber  jene  südnorwegischen  und 
dänischen  Profile  deuten  zugleich  auch  auf  Perioden  noch  höherer 
Ordnung  hin.  Die  zweite  Periode  scheint  wärmer  gewesen  zu  sein 
als  die  erste,  die  dritte  wärmer  als  die  zweite;  in  der  letzteren 
hat  aber  die  Temperatur  nach  der  Ansicht  Blytts  einen  Höhepunkt 
erreicht,  von  dem  sie  in  der  vierten  Periode  wieder  herabsanfc. 

Geologische  Perioden.  Die  BLYTTschen  Perioden  füllen,  wie  ge- 
sagt, die  geologische  Gegenwart,  das  Alluvium,  aus.  Die  vorher- 
gehende Epoche,  das  Diluvium,  zeigt  uns  in  den  Spuren,  die  sie  hinter- 


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Das  Klima. 


183 


lassen  hat,  noch  weit  größere  Klimawellen.  Mit  der  Mehrzahl  der 
heutigen  Forscher  nehmen  wir  in  Europa  drei  Eiszeiten  an,  die 
durch  wärmere  Interglazialzeiten  getrennt  wurden.  Die  erste 
Eiszeit  war  die  intensivste;  jede  folgende  war  milder  als  die  vorher- 
gehende, aber  auch  die  thermischen  Gegensätze  von  Glazial-  und 
Interglazialzeit  scheinen  sich  successive  abgestumpft  zu  haben.  An- 
knüpfend an  die  erste  BLYTTsche  Periode  haben  wir: 

VI.  Dritte  Eiszeit, 

V.  Zweite  Interglazialzeit, 

IV.  Zweite  Eiszeit, 

III.  Erste  Interglazialzeit, 

II.  Erste  (Haupt-)  Eiszeit, 

I.  Gemäßigte  (pliocäne)  Periode. x 

In  Amerika  unterscheidet  man  zwei,  nach  anderer  Auffassung 
aber  ebenfalls  drei  Eiszeiten. 

Im  Höhepunkte  der  Glazialperiode  war  das  Gletscherphänomen 
mächtig  entwickelt.  Wie  heutzutage  nur  noch  Grönland,  war  da- 
mals ganz  Nord-Europa  unter  einer  Eisdecke  begraben  (vgl.  Taf.  XIII), 
deren  mächtigster  Ausgangspunkt  Skandinavien  war.  In  der  zweiten 
Eiszeit  war  diese  Decke  schon  erheblich  zusammengeschrumpft,  in 
der  dritten  hatte  sich  das  britische  Gletscherzentrum  vom  skandi- 
navischen bereits  losgelöst  In  Nordamerika  füllte  den  Raum  zwischen 
der  canadischen  Küstenkette  und  dem  Felsengebirge  ein  gewaltiger 
Gletscher  aus,  der  von  ca.  52—59°  N.  nach  Nordwesten  und  Süd- 
osten floß.  Ööstlich  vom  Felsengebirge  strahlte  das  Inlandeis  von  der 
Gegend  zwischen  dem  Mackenzie  und  der  Hudsonbai  und  von 
Labrador  aus  und  ergoß  sich  sogar  bis  in  die  nördlichsten  Vereins- 
staaten, in  Ohio  und  Indiana  bis  über  den  40.  Parallel,  also  weiter 
wie  in  der  alten  Welt,  wo  selbst  in  Rußland  der  49.  Breitenkreis 
wohl  nirgends  überschritten  wurde.  Alle  Gebirge,  die  jetzt  noch 
Gletscher  tragen,  waren  damals  bis  in  die  Hauptthäler  herab 

x Von  den  schottischen  Verhältnissen  ausgehend,  hat  J.  Geikie8  kürzlich 
sechs  Eiszeiten  unterschieden.  Die  erste  ist  älter,  als  die  erste  unserer  Tabelle; 
ob  damals  große  Landeisbildungen  stattgefunden  haben,  erscheint  uns  aber  noch 
nicht  ausgemacht.  Unsere  erste,  zweite  und  dritte  Eiszeit  entsprechen  der 
zweiten,  dritten  und  vierten  Geikies;  die  fünfte  und  sechste  fällt  mit  den  älteren 
BLvrrschen  Perioden  zusammen.  Daß  die  feuchten  Hälften  dieser  Perioden 
kälter  waren,  als  die  Gegenwart,  lehren  schon  die  Funde  im  südlichen  Norwegen; 
Schottland  erzeugte  damals  noch  Gletscher,  aber  die  Schneehöhe  hob  sich  immer 
mehr  (in  der  vierten  Eiszeit  lag  sie  in  300 — 500,  in  der  fünften  in  760,  in  der 
sechsten  in  1070  m Seehöhe).  Der  GBiKiEschen  Auffassung  entspricht  es,  wenn 
man  sagt,  die  heutigen  Gletschergebiete  haben  die  Eiszeit  noch  nicht  ganz  über- 
wunden. Zwischen  Diluvium  und  Alluvium  giebt  es  eben  keine  scharfe  Grenze. 


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184 


Die  Lufthülle. 


vereist;  unsere  alpinen  Gletscher  rückten  bis  an  die  nördlichen  und 
südlichen  Ebenen  vor  und  lagerten  hier  ihre  Moränen  ab.  Auch 
Gebirge,  die  jetzt  schneefrei  sind,  erzeugten  damals  Gletscher,  wenn 
auch  nicht  sehr  mächtige;  man  hat  berechnet,  daß  die  Schneegrenze 
damals  500 — 1300  m tiefer  lag,  was  einer  Temperaturerniedrigung 
von  3—4°  entspricht  Man  braucht  also  nicht  zu  ungeheueren 
Wärmeschwankungen  seine  Zuflucht  zu  nehmen,  um  die  Eiszeit 
zu  erklären.  Jedenfalls  war  aber  der  Niederschlag  beträchtlich 
größer,  als  in  der  Gegenwart,  wenigstens  auf  den  Landflächen. 
Hulls?  „Pluvialperiode“,  die  das  Tote  Meer  so  anschwellen  ließ, 
daß  es  das  ganze  Ghör  erfüllte,  trat  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
gleichzeitig  mit  der  Glazialperiode  ein;  wir  wissen  auch,  daß  die 
Sahara  einst  wasserreicher  war,  daß  Flüsse  damals  Thäler  ausfurchten 
und  in  der  Oase  Chargeji  Steineichen  wuchsen.  In  Zentralasien 
hatten  die  Seen  sich  mächtig  ausgebreitet,  der  Kaspisee  stand  noch 
mit  dem  Schwarzen  Meere  in  Verbindung.  Die  schlagendsten  Be- 
weise für  die  Gleichzeitigkeit  der  Pluvial-  und  Eisperioden  liefern 
aber  die  großen  Seen  auf  dem  trockenen  Hochlande  der  westlichen 
Vereinigten  Staaten,  der  Bonneville-See,8  dessen  kümmerlicher  Über- 
rest der  Große  Salzsee  ist,  der  Lahontan-See9  am  Fuße  der  Sierra 
Nevada  u.  a.,  die  so  deutliche  Strandlinien  hinterlassen  haben , daß 
man  ihre  einstige  Fläche  — 109  300  qkm  gegen  15  400  qkm  in  der 
Gegenwart  — ziemlich  genau  ermitteln  konnte.  Entscheidend  ist, 
daß  hier  zwei  Schwellungsperioden,  entsprechend  zwei  Eiszeiten, 
deutlich  erkennbar  sind,  und  daß  in  der  Zwischenzeit  die  Seen- 
bedeckung wahrscheinlich  unter  das  gegenwärtige  Maß  herabsank. 
Die  Interglazialzeiten  werden  jetzt  vielfach,  wenn  auch  in  nicht 
ganz  unanfechtbarer  Weise,  als  Trockenperioden  aufgefaßt,  die  selbst 
Mitteleuropa  in  Steppen,  ähnlich  den  heutigen  südrussischen,  um- 
schufen. Die  Fauna  des  mitteleuropäischen  Löß,  für  dessen  inter- 
glaziales Alter  vieles  spricht,  ist  von  Neu  ring  als  eine  echte  Steppen- 
fauna erkannt  worden. 10 

Wir  bewegen  uns  bei  allen  diesen  Untersuchungen  freilich  noch 
auf  unsicherem  Boden.  Zunächst  entsteht  ja  die  Frage,  ob  die 
Eiszeit  wirklich  ein  wiederkehrendes  Phänomen  ist,  oder  ob  sie  bis- 
her einzig  in  der  Geschichte  der  Erde  dasteht  Und  auch  in  letz- 
terem Falle  sind  die  Aussichten  in  die  Zukunft  schwankend.  Nach 
Biebmanns11  Ansicht  haben  wir  keine  neue  Gletscherperiode  mehr 
zu  befürchten,  weil  die  Sonne  mit  fortschreitender  Kontraktion  in 
einen  wärmeren  Zustand  übergeht,  der  den  Ausfall  der  Eigenwärme 
unseres  Planeten  zur  Genüge  deckt  Zu  einem  ganz  anderen  Schlüsse 
gelangt  Dubois,  12  trotzdem  daß  auch  er  die  Ursache  der  geologischen 


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Dax  Klima. 


185 


Klimaänderungen  in  die  Sonne  verlegt  Bis  zur  Tertiärzeit  war 
unsere  Wärmespenderin  ein  weißer  Stern,  dessen  heißere  Strahlen 
ein  üppiges  organisches  Leben  auf  der  ganzen  Erdoberfläche  ins 
Dasein  riefen.  Dann  folgte  eine  verhältnismäßig  kurze  Übergangs- 
periode aus  dem  weißen  ins  gelbe  Stadium,  der  die  sich  vollziehende 
Abkühlung  der  Erdoberfläche  in  der  Tertiärzeit  entspricht  Am 
Beginne  haben  wir  in  Mitteleuropa  noch  tropisches  Klima,  Grönland 
trug  noch  unter  70°  B.  eine  reiche  Waldflora  von  Sequoien,  Cypressen, 
Eichen,  Wallnußbäumen  u.  s.  w.,  und  diese  verbreitete  sich  auch  über 
Island  und  Spitzbergen.  In  der  Mioeänzeit  ist  das  mitteleuropäische 
Klima  schon  subtropisch,  in  der  Pliocänzeit  schon  gemäßigt,  gleich 
dem  gegenwärtigen.  Nun  ist  die  Sonne  im  gelben  Stadium  an- 
gelangt. Eigentümlich  sind  dieser  Entwickelungsphase  gewisse  Schwan- 
kungen, die  durch  das  Auftreten  chemischer  Verbindungen  erzeugt 
werden.  Dann  erhält  die  Sonne  eine  rötliche  Farbe,  ihr  Strahlungs- 
vermögen nimmt  ab,  es  beginnt  die  Eiszeit.  Im  Diluvium  trat 
dieses  Phänomen  zum  ersten  Male  auf,  aber  nun  gehört  es  zum 
dauernden  Inventar  der  Erde.  Eiszeiten  und  Interglazialzeiten  werden 
wechseln,  bis  die  Sonne  endlich  dauernd  rot  geworden  ist  und  end- 
lich ganz  verdunkelt.  Dann  kommt  die  Nacht,  auf  die  kein  Tag 
mehr  folgt. 

Dieses  Lehrgebäude  würde  Zusammenstürzen,  wenn  es  gelänge, 
für  die  vielfach  behauptete  Eiszeit  gegen  Ende  der  paläozoischen 
Epoche  mehr  Anhaltspunkte  zu  gewinnen,  als  es  bisher  leider  der 
Fall  war.  Sie  würde  uns  lehren,  daß  auch  die  tertiäre  Tropen- 
periode, von  der  wir  oben  sprachen,  nur  eine  Welle  war,  der  nicht 
bloß  eine  tiefe  Depression  folgte,  sondern  auch  voranging,  und  wir 
dürften  erwarten,  daß  die  Erde  wieder  einmal  von  einer  warmen 
Hauptwelle  überflutet  werde.  Dann  würde  das  Wort  Ben  Akibas 
eine  höhere  Bedeutung  gewinnen:  „Es  ist  alles  schon  dagewesen.“ 

Aber  wie  gesagt,  zu  der  Kette  dieser  Schlußfolgerungen  fehlen 
noch  viel  mehr  Glieder,  als  wir  in  Händen  haben. 

Übersicht  der  Schwankungen.  Als  erwiesen  mögen  dagegen 
folgende  Ordnungen  von  Klimaschwankungen  gelten: 

Erster  Ordnung  sind  die  geologischen  Wellen,  wie  sie  sich 
von  der  Pliocänzeit  bis  in  die  Gegenwart  deutlich  verfolgen  lassen. 
Wir  können  annehmen,  daß  jede  dieser  primären  Wellen  wieder  in 
eine  Reihe  untergeordneter  Schwankungen  zerfällt,  nachweisbar  ist 
dies  aber  nur  bei  der  letzten,  zu  der  die  Gegenwart  gehört. 

Zweiter  Ordnung  sind  die  säkularen  Wellen,  von  denen 
die  BLYTTschen  wohl  den  höchsten  Rang  einnehmen;  daß  auch 
kürzere  noch  existieren,  ist  höchst  wahrscheinlich,  aber  bisher  weder 


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186 


Die  Lufthülle. 


geognostisch  noch  ziffernmäßig  sicher  nachgewiesen,  so  daß  wir  vor- 
läufig als  Schwankungen 

Dritter  Ordnung  die  35jährigen  oder  BßüCKNEEschen  be- 
zeichnen müssen. 

Vierter  Ordnung  sind  dann  die  jährlichen  und 

Fünfter  Ordnung  die  täglichen  Schwankungen. 

In  einer  Beziehung  sind  aber  die  täglichen  und  jährlichen 
Schwankungen  ganz  anderer  Art,  als  die  längerdauemden.  Da  sie 
nämlich  durch  die  verschiedene  Stellung  der  Erde  zur  Sonne  her- 
vorgerufen werden,  so  tritt  jede  Phase  immer  nur  auf  der  einen  Erd- 
hälfte auf,  nicht  gleichzeitig  auf  der  ganzen  Erde,  wie  wir  es  wenig- 
stens von  der  35jährigen  Temperaturperiode  annehmen  müssen. 
Die  säkularen  Schwankungen  sind  bisher  überhaupt  nur  für  einen  eng- 
begrenzten Raum  nachgewiesen  worden,  und  was  die  großen  Eiszeiten 
betrifft,  so  können  wir  zwar  wohl  sagen,  daß  sie  überall  diluvial 
sind,  aber  nur  vermuten,  daß  der  Höhepunkt  der  Vergletscherung  auf 
beiden  Halbkugeln  wirklich  gleichzeitig  eintrat.  Die  bisherigen 
kosmischen  Theorien,  von  denen  die  von  Cboll13  die  bekannteste 
ist  und  auch  jetzt  noch  viele  Anhänger  zählt,  erklären  die  Eiszeit 
durch  das  Zusammenwirken  der  periodischen  Störungen  der  Erd- 
bahn, nämlich  der  Exzentrizität,  der  Schiefe  der  Ekliptik  und  des 
Vorrückens  des  Perihels. x Darnach  wäre  die  Eiszeit  zwar  eine 
periodisch  wiederkehrende  Erscheinung,  aber  auf  der  nördlichen 
und  südlichen  Halbkugel  alternierend,  wie  die  Jahreszeiten.  Wir 


x Die  für  die  Vergletscherung  einer  Halbkugel  günstigsten  Verhältnisse 
sollen  dann  eintreten,  wenn  sie  den  Winter  bei  größter  Exzentrizität  im  Aphel  hat. 
Sie  ist  dann  160,32  Mill.  km  von  der  Sonne  entfernt  und  hat  200  Tage  Winter 
(35  Tage  mehr  als  das  Sommerhalbjahr).  Jetzt  hat  die  Südhemisphäre  den 
Winter  im  Aphel,  aber  bei  der  gegenwärtigen  geringen  Exzentrizität  (Entfernung 
von  der  Sonne  151,12  Mill.  km)  ist  ihr  Winterhalbjahr  nur  7 Tage  länger  als  das 
Sommerhalbjahr.  Übrigens  betrachtet  Crom,  die  kosmischen  Veränderungen 
nur  als  indirekte  Ursachen  der  geologischen  Klimaschwankungen.  Sie  bewirken 
eine  Verschiebung  des  Kalmeugürtels,  der  jetzt  zum  großen  Teil  auf  unserer 
Halbkugel  liegt,  nach  jener  Hemisphäre,  die  den  Winter  im  Perihel  hat,  und  damit 
auch  eine  Änderung  im  Regime  der  Winde  und  Meeresströmungen,  die  das 
Landklima  in  so  hohem  Grade  beeinflussen.  Es  ist  beachtenswert,  daß  Blytt,14 
der  den  Grundgedanken  der  Caouschen  Theorie  völlig  teilt,  wenigstens  für  den 
Atlantischen  Ozean  zu  einer  geradezu  entgegengesetzten  Ansicht  gelangt.  Hier 
erzeugt  nicht  der  perihelische , sondern  der  aphelische  Winter  höhere  Wärme, 
denn  er  verschärft  den  Gegensatz  von  Land-  und  Seeklima  und  steigert  dadurch 
die  Windgeschwindigkeit  und  den  Golfstrom.  Freilich  betrachtet  Bj.ytt  die  Eiszeit 
nur  als  ein  lokales  atlantisches  Phänomen,  zu  dessen  Erklärung  er  noch  die 
Absperrung  des  Golfstroms  durch  eine  Landbrücke  von  Europa  nach  Grönland 
zu  Hüfe  ruft. 


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Das  Klima. 


187 


haben  aber  bereits  (S.  46)  erfahren,  daß  trotz  aller  Schwankungen 
der  Erdbahn  jede  Halbkugel  immer  gleich  viel  Wärme  erhält;  und 
wenn  sich  die  CaoLLsche  Theorie  trotzdem  erhält,  so  findet  dies 
darin  seine  Erklärung,  daß  sie  mit  bekannten  Faktoren  rechnet, 
während  periodische  Veränderungen,  die  auf  die  ganze  Erde  gleich- 
zeitig ein  wirken,  sich  unserer  Beobachtung  und  Messung  noch  ent- 
ziehen. 

Klimaänderungen.  Unter  dem  Gesichtspunkte  der  Klimaschwan- 
kungen betrachtet,  gewinnen  auch  die  verschiedenen,  immer  wieder 
auftauchenden  Nachrichten  über  die  Änderung  des  Klimas  einzelner 
Gegenden  eine  ganz  neue  Beleuchtung.  Es  wurde  darüber  ein 
zeitweise  erbitterter  Streit  geführt,  aber  Gegner  und  Verteidiger 
können  sich  heute  die  Hand  reichen,  ohne  ihre  Ansichten  gänzlich 
ändern  zu  müssen.  Nur  müssen  die  ersteren  zugeben,  daß  das 
Klima  in  der  That  nichts  konstantes  ist,  daß  Änderungen  von  ver- 
schiedener Dauer  stattfinden,  und  daß  jede  Generation  solche  Ände- 
rungen erfährt,  die  ihr  bei  oberflächlicher  Betrachtung  dauernd 
erscheinen  können.  Früher  sagte  man,  das  Klima  ändere  sich 
lokal,  aber  dauernd;  jetzt  sagen  wir:  die  Klimaänderungen  sind 
zeitlich  beschränkt,  aber  allgemein.  Da  wir  nur  mit  Normalwerten 
operieren,  so  können  wir  die  Grenzen  der  Klimaprovinzen  im 
großen  und  ganzen  als  konstant  betrachten,  vom  Standpunkt 
der  säkularen  Schwankungen  betrachtet,  sind  sie  es  aber  wahrschein- 
lich nicht  Nur  muß  man  in  dieser  Beziehung  größte  Vorsicht  walten 
lassen,  weil  die  Nachrichten,  aus  verschiedenen  Zeiten  stammend, 
sehr  leicht  nur  die  BnCcKNEEschen  Perioden  widerspiegeln  können, 
und  daher  nicht  einfach  aneinander  gereiht  werden  dürfen.  Es 
könnte  dann  leicht  geschehen,  daß  wir  nur  die  absteigenden  Äste 
aufeinander  folgender  Klimawellen  wahrnehmen,  nicht  aber  die  da- 
zwischen liegenden  aufsteigenden,  und  dieß  könnte  zu  ganz  falschen 
Schlüssen  führen.  Selbst  solche  Zeugnisse,  die  gut  in  den  Rahmen  der 
säkularen  Klimaschwankungen  Blytts  hineinpassen,  müssen  sorgfältig 
geprüft  werden,  und  selten  gelingt  es,  die  Ursachen  einer  Veränderung 
reinlich  voneinander  zu  scheiden.  Hat,  wie  man  von  Zeit  zu  Zeit 
immer  wieder  behauptet,  stetige  Regenabnahme  Griechenland,  Klein- 
asien, Syrien  und  andere  Kulturstätten  des  Altertums  zur  Verödung 
und  Barbarei  verurteilt,  oder  ist  nur  die  Untüchtigkeit  der  jetzigen 
Bewohner  dafür  verantwortlich  zumachen?  Wahrscheinlich  das 
letztere,  denn  einerseits  hat  Unger  schon  vor  Jahren  nachge- 
wiesen, daß  jene  Länder  auch  im  Altertume  au  Wassermangel 
litten,  und  andererseits  blüht  die  alte  Fruchtbarkeit  wieder  auf,  wenn 
— wie  bei  Urfa,  Aintab,  Mess’r  u.  a.  a.  0.  — der  Boden  durch  ein 


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188 


Die  Lufthülle. 


ausgebreitetes  Kanalsystem  genügend  benetzt  wird.  Für  die  Gebiete 
an  der  Äquatorialgrenze  der  Subtropenzone  glauben  viele  Forscher, 
wie  G.  Fkitsch,  Loew,  Fraas,  Theobald  Fischer  u.  a.,  eine  Klima- 
änderung im  Sinne  zunehmender  Trockenheit  nachweisen  zu  können; 
allein  alle  Erzählungen  laufen  doch  nur  darauf  hinaus,  daß  die 
Quellen  und  Flüsse  an  Wasserreichtum  abgenommen  haben  oder 
ganz  versiegt  sind;  und  wir  werden  später  sehen,  daß  auch  die  Ver- 
nichtung von  Waldbeständen  und  die  Abnahme  der  Bodenkultur  zu 
diesem  traurigen  Resultate  führen  kann,  ohne  daß  die  mittlere  jährliche 
Niederschlagsmenge  sich  wesentlich  zu  verändern  braucht.  Es  kann 
dies  namentlich  der  Fall  sein  in  Ländern,  wo  keine  winterliche 
Schneedecke  allmählich  das  Wasser  in  den  Boden  versinken  läßt, 
und  der  Regen  sich  nur  auf  wenige  Monate  beschränkt.  Allen 
Zeugnissen  gegenüber  steht  die  durch  Baudenkmäler  verbürgte  That- 
sache  fest,  daß  der  tunesische  Schott-el-Djerid  in  der  römischen 
Kaiserzeit  ebenso  spärlich  mit  Wasser  gefüllt  war,  wie  heutzutage. 
Wie  Reichelt15  urkundenmäßig  nachwies,  hatte  der  Weinbau  in 
Deutschland  um  das  Jahr  1000  seine  größte  Ausbreitung  erreicht, 
selbst  nach  Niederbayern,  Thüringen  und  Brandenburg  war  er  vor- 
gedrungen. Hat  sich  seitdem  das  Klima  verschlechtert?  Nichts 
zwingt  uns  zu  diesem  Schlüsse.  Der  kirchliche  Gebrauch  des 
Weines  bei  der  Messe  ließ  es,  besonders  den  Klöstern,  wünschens- 
wert erscheinen,  ihn  überall  anzubauen,  wo  er  in  günstigen  Jahren 
eben  noch  fortkommt;  die  Güte  des  Erzeugnisses  spielte  dabei 
keine  Rolle.  Je  mehr  sich  aber  der  Geschmack  und  die  Verkehrs- 
mittel verbesserten,  desto  mehr  zog  sich  der  Weinbau  in  Gegenden 
zurück,  wo  er  noch  als  ein  lohnender  Zweig  der  Landwirtschaft 
betrieben  werden  kann.  Sehr  oft  werden  Kulturen  aufgegeben,  weil 
sich  ihr  Erträgnis  aus  äußeren  Gründen  vermindert.  So  verschwindet 
allmählich  der  Maulbeerbaum  aus  Südtirol,  weil  die  Konkurrenz  der 
ostasiatischen  Seide  zu  mächtig  geworden  ist,  und  in  einigen  Jahr- 
hunderten könnte  ein  Gelehrter  daraus  eine  Klimaänderung  folgern, 
wenn  ihn  nicht  die  zahlreichen  Geschichtsquellen  der  Gegenwart 
über  die  wahren  Ursachen  belehren  würden.  Ganz  in  das  Gebiet 
der  Sage  gehören  die  Nachrichten  vom  einstigen  Kornreichtume 
Islands,  von  skandinavischen  Ansiedlungen  an  der  Ostküste  Grön- 
lands, von  der  Gangbarkeit  alpiner  Pässe,  die  jetzt  vergletschert 
sind  u.  s.  w.  Sie  sind  alle  teils  durch  Untersuchungen  an  Ort  und 
Stelle  — wie  in  Grönland  — , teils  durch  die  historische  Kritik 
widerlegt  worden,  was  natürlich  nicht  verhindern  wird,  daß  man 
sie  von  Zeit  zu  Zeit  immer  wieder  einem  leichtgläubigen  Publikum 
auftischen  wird. 


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Das  Klima. 


189 


Einfluß  des  Waldes.  Die  schwierigste  und  am  meisten  umstrittene 
Frage  ist  die  nach  dem  Einflüsse  des  Waldes  auf  das  Klima.  Dali 
er  als  Windbrecher  wirkt,  ist  eine  tägliche  Erfahrung;  er  bietet 
dadurch  ebenso  Schutz  wie  ein  Gebirge,  nur  in  geringerem  Grade. 
Alle  anderen  Einflüsse  werden  aber  vielleicht  überschätzt.  Jeden- 
falls haben  die  verschiedenen  Untersuchungsmethoden  verschiedene 
Ergebnisse  geliefert.  Wenn  man,  wie  es  z.  B.  Woeikow  that,  große 
Waldgegenden  mit  unbewaldeten  vergleicht,  so  scheinen  überall  die 
ersteren  sich  durch  niedrigere  Jahrestemperatur,  geringere  Wärme- 
schwankungen und  reichlichere  Niederschläge  vor  den  letzteren  aus- 
zuzeichnen. Diese  Methode  ist  aber  nicht  einwandfrei,  weil  man 
möglicherweise  dem  Walde  zuschreibt,  was  in  der  That  eine  Wir- 
kung anderer  Faktoren  ist  Es  ist  jedenfalls  auffallend,  daß  die 
forstlich-meteorologischen  Beobachtungen  in  Deutschland,  Österreich 
und  Schweden  einen  so  weit  reichenden  Einfluß  nicht  erkennen 
lassen.1“  Es  ist  zwar  festgestellt,  daß  die  Lufttemperatur  unter  den 
Baumkronen  etwas  niedriger  ist  als  in  den  Lichtungen  und  hier 
wieder  etwas  niedriger  als  an  den  benachbarten  Freilandstatiouen, 
aber  im  Jahresmittel  nur  um  etwa  1/4°.  Auch  sind  die  Schwan- 
kungen im  eigentlichen  Walde  geringer,  als  in  der  Lichtung  und 
im  Freilande,  denn  das  Laubdach  schützt  namentlich  in  der  Vege- 
tationszeit vor  intensiver  Ein-  und  Ausstrahlung,  und  das  echte  Wald- 
klima nähert  sich  in  dieser  Beziehung  dem  Seeklima.  Gerade  die 
Eigenschaft  des  Windbrechers  hindert  aber  das  Innere  des  Waldes 
in  klimatische  Wechselbeziehung  zum  entfernten  Freiland  zu  treten, 
nur  die  Temperaturverhältnisse  der  Baumkronen  können  durch  Ver- 
mittelung von  Luftströmungen  auf  größere  Entfernung  wirken,  und 
zwar,  wie  die  Erfahrung  gelehrt  hat,  besonders  in  der  kälteren 
Tageshälfte,  wenn  die  Baumkronen  bei  klarem  Himmel  rascher  er- 
kalten, als  der  nackte  Boden.  Im  großen  und  ganzen  ist  also  der 
Einfluß  des  Waldes  auf  die  Temperaturverteilung,  wenigstens  in 
den  Kulturländern  unserer  Breiten,  ein  sehr  mäßiger;  und  niemand 
wird  behaupten  wollen,  daß  sich  das  Isothermensystem  gänzlich 
umgestalten  würde,  wenn  Europa  und  Asien  von  Ozean  zu  Ozean 
ein  einziger  Wald  wäre.  Noch  zweifelhafter  ist  der  Einfluß  auf 
die  Regenmenge.  Es  ist  allerdings  wahrscheinlich,  daß  der  Wald 
das  Ansteigen  horizontaler  Luftströme  durch  Stauung  begünstigt, 
und  wir  wollen  auch  nicht  leugnen,  daß  die  Verdunstung  der  Pflanzen 
ebenso  wie  der  Landseen  etwas  zu  den  atmosphärischen  Nieder- 
schlägen beiträgt,  aber  das  ist  doch  wohl  nur  ein  ganz  kleiner 
Prozentsatz  jener  Feuchtigkeitsmenge,  die  das  Weltmeer  aushaucht. 
Wenn  es  anders  wäre,  könnte  der  Regen  nicht  mit  solcher  Gesetz- 


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190 


Die  Lufthülle.  Daa  Klima. 


maßigkeit  von  den  Küsten  gegen  das  Innere  der  Festländer  ab- 
nehmen. Es  ist  beachtenswert,  daß  die  forstlichen  meteorologischen 
Stationen  die  Lösung  dieser  Frage  noch  nicht  zu  fordern  ver- 
mochten; für  uns  ein  Beweis,  daß  es  sich  hier  nur  um  minimale 
Einflüsse  des  Waldes  handeln  kann.  Vielleicht  ist  es  in  den  Tropen 
anders.  Blanford  hat  die  Regenverhältnisse  eines  Gebietes  von 
ca.  160  000  qkm  in  den  indischen  Zentralprovinzen  vor  und  nach 
der  Bewaldung,  die  1875  begann,  untersucht,  und  um  den  Einfluß 
der  Perioden  dritten  Ordnung  auszuschließen,  mit  denen  von  ganz 
Indien  verglichen.  Das  Ergebnis  war  folgendes: 

1869—75  1875—83 

Wald  der  Zentralprovinzen  1215  1369  mm 

Ganz  Indien  1072  1074  „ 

Das  betreffende  Gebiet  war  also  vor  der  Bewaldung  um  13, 
nach  derselben  aber  um  27  Prozent  regenreicher  als  Indien  im 
Gesamtdurchschnitte.  14  Prozent  könnten  also  auf  Rechnung  der 
Bewaldung  gesetzt  werden.  Aber  auch  das  erscheint  uns  noch  nicht 
ganz  sicher,  denn  schon  1874,  also  vor  der  Wiederbewaldung, 
begann  dort  die  Regenkurve  stark  anzusteigen,  und  außerdem  ist 
die  mittlere  Regenmenge  eines  Landes  von  so  gewaltigen  Gegen- 
sätzen, wie  Indien,  ein  zu  schematischer  Wert,  als  daß  er  uns  als 
Vergleichsobjekt  ein  befriedigendes  Gefühl  der  Sicherheit  erwecken 
könnte. 

Litteraturnach  weise.  1 Von  anderen  Prinzipien  ausgehend,  als  ich, 
hat  Holt  eine  klimatische  Einteilung  entworfen  (in  den  Vetenskapliga  Mcd- 
delanden  af  gcografiska  foreningcn  i Finland,  I,  1892 — 93).  — * Hahn,  Die 
Beziehungen  der  Sonnenflecken  zu  meteorologischen  Erscheinungen,  Leipzig 
1877.  — * Brückner,  Klimaschwankungen  seit  1700,  Wien  1890.  — 4 Richter, 
Geschichte  der  Schwankungen  der  Alpengletscher,  in  der  Zeitschrift  des  D.  u. 
Ö.  Alpenvereins  1891.  — 4 Blvtt,  Zwei  Kalktuffbildungen  in  Gudbrandsdalen; 
Beiblatt  36  zu  Enolers  Botanischem  Jahrbuch  1892.  — 6 J.  Geikie,  The  great 
Ice  Age,  London  1894.  — 7 Hüll,  The  Survey  of  Western  Palestine,  London 
1886.  — * Gilbert,  Lake  Bonneville,  Washington  1890.  — 9 Russell,  Geological 
History  of  Lake  Lahontan,  Washington  1885.  — 10  Nehrino,  Über  Tundren 
und  Steppen  der  Jetzt-  und  Vorzeit,  Berlin  1890.  — 11  Biermann,  Zur  Frage 
nach  den  Ursachen  der  Eiszeit;  im  Gymnasialprogramm  Klagenfurt  1890.  — 
19  Dobois,  Die  Klimate  der  geologischen  Vergangenheit,  Leipzig  1893.  — 
15  Croll,  Climate  and  Cosmology,  Edinburgh  1885.  — 14  Blvtt,  Kurze  Über- 
sicht meiner  Hypothese  von  der  geologischen  Zeitrechnung,  in  den  schwe- 
dischen Geologiska  foreningens  förhandlingar,  1890,  Bd.  XII.  — 15  Reichelt, 
Beiträge  zur  Geschichte  des  ältesten  Weinbaues  in  Deutschland,  Reutlingen 
1886.  — 19  Ebermayer,  Die  klimatische  Wirkung  des  Waldes  auf  seine  Um- 
gebung, in  der  Meteorologischen  Zeitschrift  1895. 


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Zweiter  Abschnitt. 


Das  Meer.1 


Morphologie  des  Meeres.8 

Mit  der  Luft  teilt  das  Wasser  die  Eigenschaft  der  Beweg- 
lichkeit seiner  Teilchen,  aber  diese  Beweglichkeit  findet 
eine  Schranke  in  der  Gestaltung  des  Gefäßes,  das  das  Wasser  um- 
schließt. 

Gliederung  des  Weltmeeres.  Die  Gliederung  des  Landes  spiegelt 
sich  nur  zum  Teil  in  der  des  Meeres  wieder.  Wohl  entspricht  das 
Adriatische  Meer  der  langgestreckten  Gestalt  Italiens  und  der  Ben- 
galische Busen  der  Dreieckform  Vorderindiens,  aber  zwischen  der 
arabischen  Halbinsel  und  den  sie  begrenzenden  Meereseinschnitten 
finden  wir  keine  morphologischen  Beziehungen  mehr.  Ein  so  rudi- 
mentäres Glied,  wie  die  Somalihalbinsel  und  der  nordwestliche  Vor- 
sprung des  afrikanischen  Festlandes,  ist  der  Golf  von  Guinea.  Schärfer 
ausgeprägt  sind  schon  die  Arabischen  und  Bengalischen  Meerbusen; 
wir  können  sie  vergleichen  mit  jenen  Halbinseln,  deren  Bergzüge 
sich  ohne  Unterbrechung  im  Festlandsrumpfe  fortsetzen.  Während 
aber  der  Boden  der  genannten  Golfe  allmählich  zur  Tiefsee  sich 
absenkt,  ist  er  in  der  Baffinbai  trogförmig  gestaltet,  und  eine  Schwelle 
trennt  ihn  von  dem  Becken  des  offenen  Atlantischen  Ozeans.  Ein 
Gegenstück  dazu  finden  wir  in  jenen  gebirgigen  Halbinseln,  die  sich 
mittels  eines  Tieflandstreifens  an  den  Festlandsrumpf  angliedern. 
Macht  sich  die  Trennung  auch  überseeisch  geltend,  indem  sich  die 
Verbindungsstelle  zwischen  dem  offenen  Ozean  und  seinem  Neben- 
raume zu  einer  schmalen  Pforte  verengt,  so  entsteht  ein  Binnen- 
meer, das  unter  den  großen  Halbinseln  der  Gegenwart  nur  ein 
typisches  Seitenstück  findet:  die  Krim.  Im  übrigen  sind  auch  die 
Binnenmeere  sehr  verschieden.  Bald  ist  die  Verbindungsstelle  ein 
einziger  schmaler  Kanal,  wie  bei  dem  europäischen  Mittelmeere 
und  Persischen  Golf,  bald  ist  sie  durch  insulare  Mittelpfeiler  in 
mehrere  Eingänge  geteilt,  wie  bei  der  Ostsee,  Hudsonbai  und  dem 


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192 


Das  Meer. 


Roten  Meere;  bald  füllen  diese  Meere  tiefe  Einstürze  der  Erdkruste  aus, 
wie  im  Roten  und  Mittelländischen  Meere,  bald  Hach  schüsselförmige 
Einsenkungen,  wie  in  der  Ostsee  und  Hudsonbai.  Ganz  eigenartig 
sind  die  inselabgeschlossenen  Meere  in  dem  Bereiche  zer- 
trümmerter Faltenzüge.  Sie  sind  eine  charakteristische  Eigentüm- 
lichkeit der  pazifischen  Welt,  die  sie  am  West-  und  Nordrande 
umsäumen:  das  Bering-,  Ochotskische  und  Japanische  Meer,  die 
Ostchinesische  See,  das  Australasiatische  Mittelmeer  bilden  eine 
ununterbrochene  Übergangszone  zwischen  dem  größten  Festlande 
und  dem  größten  Meere.  Der  Atlantische  und  Indische  Ozean 
haben  nur  je  ein  Glied  dieser  Art:  das  amerikanische  Mittelmeer 
und  das  Andamanische  Meer. 

Die  Binnen-  und  inselabgeschlossenen  Meere  fassen  wir  unter 
dem  Namen  Nebenmeere  zusammen.  Sie  besitzen  im  Gegensätze 
zu  den  offenen  Busen  eine  gewisse  Selbständigkeit,  und  zwar  die 
Binnenmeere  in  noch  höherem  Grade  als  die  inselabgeschlossenen, 
weil  sie  von  den  großen  Meeresströmungen  nicht  berührt  werden. 
Sie  gleichen  geschlossenen  Häusern  mit  einem  einzigen  Thore, 
während  die  Meere,  die  durch  Inselketten  vom  Ozean  geschieden 
werden,  offenen  Säulenhallen  ähnlich  sind,  durch  deren  zahlreiche 
Eingänge  die  Meeresströme  ungehindert  ein-  und  ausfließen  können, 
sofern  nicht  die  Tiefenverhältnisse  Hindernisse  bereiten.  Die  Nord- 
see zählen  wir  nur  aus  konventionellen  Gründen  zu  diesen  Neben- 
meeren; in  Wirklichkeit  ist  sie  nur  ein  Meerbusen  mit  durchbohrter 
Rückwand,  der  auch  in  seinem  unterseeischen  Relief  keine  Spur 
von  Selbständigkeit  verrät. 

Das  Beringmeer  und  das  Australasiatische  Mittelmeer  unter- 
scheiden sich  von  den  übrigen  Nebenmeeren  dadurch,  daß  sie  als 
Durchgangsmeere  zwei  Ozeane  miteinander  verbinden.  Der 
Sueskanal  hat  diese  Eigenschaft  auch  dem  europäischen  Mittelmeere 
wieder  zuückgegeben  und  dadurch  dessen  Bedeutung  außerordentlich 
gesteigert  Überhaupt  muß  man  zugestehen,  daß  die  Nebenmeere, 
so  sehr  sie  auch  räumlich  hinter  dem  Ozean  zurücktreten  — sie 
machen  nur  6,4  Prozent  des  Weltmeeres  aus  — und  nur  als  gering- 
fügige Anhängsel  desselben  erscheinen,  die  menschliche  Entwicklung 
in  viel  höherem  Maße  beeinflußten;  gerade  ihre  verhältnismäßig 
kleinen  Dimensionen  befähigten  sie  dazu,  die  völkerverbindende  Kraft 
des  Meeres  früher  zur  Geltung  zu  bringen,  als  die  ungeheuere  Wasser- 
wiiste  des  offenen  Ozeans.  Je  gegliederter  diese  Nebenmeere  sind, 
um  so  besser  konnten  sie  ihre  Kulturaufgabe  erfüllen.  In  dieser 
Beziehung  wird  das  europäische  oder  das  Mittelmeer  schlechtweg  von 
keinem  übertroffen.  Durch  die  italienische  Halbinsel  zerfällt  es  in 


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Morphologie  des  Meeres. 


193 


zwei  Hauptbecken;  das  östliche  besitzt  im  Adriatischen  und  Ägäischen 
Meere  zwei  weitvorgreifende  Glieder  und  spielt  dem  Schwarzen  Meere 
gegenüber  selbst  wieder  die  Bolle  eines  Ozeans.  Einen  ganz  auderen 
Typus  repräsentiert  «las  Australasiatische  Mittelmeer.  Ohne  hervor- 
ragende Gliederung  zeichnet  es  sich  durch  weitgehende  Individuali- 
sierung seiner  Teile  aus;  namentlich  die  «östliche  Hälfte  gleicht  einem 
Zellengewebe,  das  uns  noch  deutlicher  wird,  wenn  wir  die  Tiefen- 
verhältuisse  berücksichtigen.  Die  senkrechten  und  wagrechten  Di- 
mensionen müssen  eben  stets  im  Zusammenhänge  betrachtet  werden. 


Ozeane  und  Nebeumeere 

Fläche  qkm 
nach 

Karstens 

Mittlere  Tiefe  m 
nach  nach 

Karstens  Murray 

Größte 

bekannte 

Tiefe 

m 

Arktisches  Meer 

12  795  850 

820 

4846 

Hudsonbai 

1 222  609 

130 

202 

Atlantischer  Ozean  . . . 

79  776  346 

3760 

4060 

8341 

Kanal  und  irische  See  . . 

213  381 

60 

80  x 

263 

Nordsee 

547  623 

90 

110 

808  xxx 

Ostsee ....  ... 

430  970 

70 

100 

427 

Europäisches  Mittelmeer  . 

2 963  035 

1430 

1310 

4400 

St.  Lorenz-Golf  . . . . ' 

219  298 

130 

— XX 

572 

Amerikanisches  Mittelmeer 

4 584  567 

2090 

1970 

6270 

Indischer  Ozean 

72  563  443 

3650 

3860 

6205 

Rotes  Meer 

448  810 

460 

690 

2271 

Persischer  Golf  . . . . j 

236  785 

35 

50 

90  y 

Andamanisches  Meer  . . j 

790  550 

800 

— XX 

3156 

Großer  Ozean 

161  137  973 

4080 

4420 

8515 

Australasiatisches  Meer  . j 

8 081  780 

980 

940 

5120 

Ostchinesisches  Meer  . . 

1 242  480 

140 

190 

nooy 

Japanisches  Meer  ... 

1 043  824 

1100 

950 

3000 

Ochotskisches  Meer  . . . ;i 

1 507  609 

1270 

530 

1300V 

Beringmeer 

2 264  664 

1110 

1160 

3926 

Golf  von  Californien  . . 

166  788 

990 

— XX 

2904 

Antarktisches  Meer . . . . 

15  630  000 

1500 

1150 

3612 

_ l| 

Offener  Ozean 

341  903  612 

3670 

4000 

8515 

Neben  meere 

1 

25  964  773 

1220 

1100 

6270 

x Nur  Kanal.  — x x Dem  offenen  Ozean  zugezählt.  — x*x  1» 

Skagerrak. 

Sofas  , Physische  Erdkunde.  2.  Aufl.  13 


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194 


Das  Meer. 


Unterseeische  Böschungen.  Der  ozeanographische  Zweig  der 
physischen  Erdkunde  war  bis  in  die  letzten  Jahrzehnte  ein  seltsames 
Gemisch  von  wahren  und  falschen  Vorstellungen,  guten  Beobach- 
tungen und  willkürlichen  Annahmen;  und  erst  die  wissenschaftlichen, 
mit  zuverlässigen  Apparaten  ausgerüsteten  Seeexpeditionen,  die  seit 
den  sechziger  Jahren  begannen,  und  unter  denen  die  des  britischen 
Kriegsschiffes  „Challenger'1  (1872 — 76)3  besonders  hervorragt,  haben 
eine  wissenschaftliche  Meereskunde  begründet.  Ihnen,  sowie  den 
zahlreichen  Kabellegungen  verdanken  wir  zunächst  eine  richtigere 
Vorstellung  von  der  Tiefe  und  Beschaffenheit  des  Meeresbodens. 
Aber  selbst  unsere  neuesten  und  besten  Isobathenkarten 4 lassen 
mehr  ahnen,  als  sie  wirklich  darstellen,  da  die  Lotungen  nicht  bloß 
verhältnismäßig  spärlich,  sondern  auch  sehr  ungleichmäßig  verteilt 
sind.  Sie  drängen  sich  dichter  in  der  Nähe  der  Küsten,  wo  das 
praktische  Bedürfnis  der  Schiffahrer  schon  früh  zu  Tiefenunter- 
suchungen führte,  während  die  weiten  Flächen  des  offenen  Ozeans 
nur  von  vereinzelten  Lotungsreihen  durchfurcht  sind.  Glücklicher- 
weise wird  dieser  Übelstand  dadurch  gemildert,  daß  der  Meeres- 
boden im  großen  und  ganzen  ebener  ist  als  die  Oberfläche 
des  Festlandes.  Es  fehlt  dort  das  mannigfaltige  Relief  unserer 
Gebirgslandschaften,  ja  es  ist  fraglich,  ob  die  faltende  Kraft,  die 
unsere  Hochgebirge  geschaffen  hat,  unter  dem  Wasser  überhaupt 
thätig  ist.  Zwei  andere  Faktoren,  die  die  Details  der  überseeischen 
Bodenformen  herausmodellieren,  die  Verwitterung  und  die  Erosion, 
fehlen  dem  Meeresboden  ganz  oder  wirken  doch  in  einer  anderen 
Weise.  Die  Verwitterung  fehlt,  denn  der  Meeresboden  ist  gänzlich 
vor  dem  Einflüsse  der  Atmosphärilien  geschützt:  und  wenn  auch  das 
Seewasser  eine  zersetzende  und  auflösende  Wirkung  auf  den  festen 
Meeresgrund  ausübt,  so  geht  dieser  chemische  Prozeß  doch  außer- 
ordentlich langsam  vor  sich,  und  seine  Produkte  werden  nicht  durch 
Winde  und  fließendes  Wasser  nach  fernen  Gegenden  entführt,  son- 
dern lagern  sich  an  Ort  und  Stelle  wieder  ab.  Zwar  ist  auch  das 
Meerwasser  bewegt,  aber  seine  mechanischen  Wirkungen  reichen 
nicht  tiefer  als  bis  200  m,  und  sind  auch  anderer  Art,  als  die  der 
Flüsse:  sie  gehen  ins  Breite  und  schaffen  keine  Rinnen.  Mit  Einem 
Worte:  die  tieferliegenden  Teile  des  Meeresbodens  sind  nicht  ein 
Reich  der  Zerstörung,  sondern  der  Ablagerung,  und  Ablagerung 
schafft  in  der  Regel  nicht  neue  Unebenheiten,  sondern  sucht  die 
vorhandenen  zu  mildern  und  auszugleichen. 

Daher  zeichnen  sich  die  submarinen  Erhebungen  durch  vor- 
wiegend sanfte  Böschungen  aus.  Von  der  Küste  sinkt  der  Meeres- 
boden gewöhnlich  langsam  bis  200  m Tiefe,  dann  steiler  bis  3000  m 


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Morphologie  des  Meeres. 


195 


und  verläuft  dann  ganz  allmählich  bis  zu  noch  größeren  Tiefen. 
Als  Beispiel  diene  ein  Durchschnitt  durch  den  Atlantischen  Ozean 
in  10°  s.  B.  von  Afrika  bis  zum  Rande  des  westlichen  Beckens. 


Tiefe 

Böschung 

Küste — 200  m 

0° 

14' 

200—1000  „ 

1 

50 

1000—2000  „ 

1 

9 

2000—3000  „ 

1 

9 

3000  -4000  „ 

0 

34 

4000-5000  „ 

0 

11 

Ostatlantisches  Becken 

— 

5000—4000  m 

0 

4 

4000—3000  „ 

0 

10 

Verbindungsrücken 

- 

3000—4000  m 

0 

23 

4000—  5000  „ 

0 

15 

5000—6000  „ 

0 

11 

Westatlautisches  Becken 

— 

Die  größten  Böschungen  am  afrikanischen  Sockel  entsprechen 
ungefähr  dem  Gefälle  mäßig  steiler  Alpenthäler  (Sillthal  in  Tirol 
z.  B.  1°  27'),  die  Abdachungsverhältnisse  der  Tiefsee  aber  denen 
unserer  Tiefebenen;  so  senkt  sich  z.  B.  die  Poebene  vom  Rande  der 
Alpen  unter  einem  mittleren  Winkel  von  0°  8'  gegen  die  mittlere 
Flußrinne,  und  die  durchschnittliche  Abdachung  der  westdeutschen 
Tiefebene  zwischen  dem  Wiehengebirge  und  der  Hadelnküste  er- 
reicht kaum  den  Wert  von  0°  1'.  Eine  so  völlige  Horizontalität 
mag  wohl  auch  das  ostatlantische  Becken  besitzen,  das  in  unserem 
Durchschnitte  so  breit  ist,  wie  Mitteleuropa  zwischen  Genua  und 
Schleswig;  als  größte  Tiefe  wurde  weiter  südlich  5600  m gelotet. 
Der  Verbindungsrücken  erhebt  sich  zwar  bis  zu  der  ansehnlichen 
Höhe  von  3000  m über  die  Becken,  aber  der  Anstieg  von  Osten  wie 
der  Abstieg  nach  Westen  verlaufen  ganz  allmählich,  wenn  auch  der 
letztere  etwas  steiler  ist.  Die  Breite  des  Rückens  selbst  ist  etwa 
gleich  der  Entfernung  Berlin- Braunschweig,  sein  höchster  bekannter 
Punkt  in  dieser  Gegend  liegt  2640  m unter  dem  Meeresspiegel. 

Steilere  Abfälle,  als  wir  hier  kennen  gelernt  haben,  kommen 
aber  an  den  Rändern  der  Festländer  und  ihrer  unterseeischen  Sockel 
häufig  vor.  Die  britischen  Inseln  ruhen  auf  einer  ausgedehnten 
Platte  von  200  m Tiefe.  Gehen  wir  von  der  westirischen  Küste  unter 
55°  B.  nach  Westen,  so  finden  wir  den  Rand  jener  Platte  erst  in 
102  km  Entfernung,  was  einem  Abfallswinkel  von  kaum  0°  7'  ent- 
spricht. Dann  ändern  sich  die  Verhältnisse  plötzlich;  von  200  bis 
500  m Tiefe  beträgt  die  Böschung  schon  1°  43',  von  500 — 1000m 

13* 


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19t> 


Das  Meer. 


2°  52',  von  1000 — 2000m  sogar  5°  43'.  Da  wir  diese  Abfälle  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  als  Bruchränder  zu  betrachten  haben,  an 
denen  die  marinen  Schollen  in  die  Tiefe  gesunken  sind,  so  müßten 
wir  eigentlich  noch  höhere  Böschungswerte  erwarten,  und  ursprüng- 
lich mögen  sie  wohl  auch  höher  gewesen  sein,  bis  die  ins  Meer 
hinausgeführten  festländischen  Sedimente  die  Bruclitlächen  verhüllten. 

Nach  Dietrichs  Untersuchungen5  hat  es  den  Anschein,  daß 
die  durch  Bruch  vom  Festlande  abgetrennten  Inseln  sich  rascher  ins 
Meer  senken,  als  die  Kontinente  seihst;  die  steilsten  unterseeischen 
Böschungswinkel  — über  50°,  wie  sie  selbst  in  den  Gebirgen  zu 
den  Seltenheiten  zählen  — finden  wir  aber  nur  hei  den  vulkanischen 
und  Koralleninseln.  Auch  mitten  im  Ozean  begegnen  wir  manchmal 
großen  Tiefenunterschieden  auf  kurze  Entfernung,  teils  an  Ein- 
brüchen, wie  im  Osten  des  Tongaarchipels  (bis  zu  7°),  teils  an  iso- 
lierten Bergen,  die  wahrscheinlich  vulkanische  oder  sedimentäre 
Aufschüttungen  auf  dem  Meeresboden  sind.  Der  Südabhang  der 
submarinen  felsigen  Faradayhügel  (49 0 N.,  29 0 W.),  senkt  sich  unter 
Winkeln  von  19  bis  35°,  und  die  Daciabank  an  der  marokkanischen 
Küste  (31°  N.,  1 31/,0  W.)  erhebt  sich  mit  einer  mittleren  Böschung  von 
27°  aus  dem  4000  m tiefen  Boden  bis  zu  90  m unter  dem  Meeresspiegel. 

Relief  des  Meeresbodens  (s.  Karte  I).  An  das  Festland  schließt 
sich  zunächst  der  Strand,  jener  amphibische  Gürtel,  der  bei  Hoch- 
wasser Meeresboden  und  bei  Niederwasser  Land  ist.  Murray 
schätzt  die  Länge  aller  Küsten  auf  200000  km  und  die  mittlere 
Strandbreite  auf  0,skm;  der  Strand  bedeckt  also  eine  Fläche  von 
IGO  000  qkm,  etwa  0,<h  Proz.  der  Meeresfläche  in  ihrer  weitesten 
Ausdehnung.  Dann  folgt  die  Kontinentalstufe  oder  Flachsee  bis 
200  m Tiefe,  endlich  die  Tiefsee  jenseits  der  Isobathe  von  200m. 
Der  Gegensatz  von  Flach-  und  Tiefsee  hat  eine  noch  höhere  Be- 
deutung, als  eine  rein  morphologische.  Wir  haben  schon  erwähnt, 
daß  bis  200  m die  mechanischen  Wirkungen  des  bewegten  See- 
wassers reichen,  und  wir  können  noch  hinzufügen,  daß  auch  das 
Licht  noch  bis  zum  Boden  der  Flachsee  eindringt  und  damit  ganz 
andere  Lebensbedinguugen  für  Pflanzen  und  Tiere  schafft,  als  sie 
in  der  Tiefsee  vorhanden  sind. 

Es  ist,  wenn  auch  nicht  Gesetz,  so  doch  Regel,  daß  die  tiefsten 
Einsenkungen  nicht  in  der  Mitte,  sondern  am  Rande  der  Meeres- 
becken liegen.  Im  Pazifischen  Ozean  wurden  Tiefen  von  mehr  als 
8000  m nur  im  Westen  gelotet: 

44°  55'  N.  152°  26'  O.  8515  m 

11°  24'  „ 143"  16'  „ 8367,, 

17°  4'  S.  172°  14'  W.  8284,, 


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Morphologie  des  Meeres. 


197 


Im  Atlantischen  Ozean  liegt  die  tiefste  Lotungsstelle  mit  8341  m 
dicht  unter  den  Antillen  in  19®  39'  N.,  66°  26'  W.,  im  Indischen 
(6205m)  ebenso  dicht  an  den  Suda-Inseln  unter  11° 22' S.,  116°  50'  0. 

Die  allerdings  spärlichen  Lotungen  südlich  von  60°  slidl.  B. 
lassen  vermuten,  daß  der  Boden  des  antarktischen  Meeres  ein  Plateau 
von  kaum  mehr  als  1000 — 1500  m Tiefe  bildet.  Größere  Tiefen 
wurden  nur  südlich  vom  Indischen  Ozean  gefunden,  südlich  vom 
Großen  Ozean  übersteigt  nur  eine  Messung  2000  m,  und  jenseits 
des  Polarkreises  lotete  Ross  nur  Tiefen  von  350 — 1100  m.  Von 
diesem  antarktischen  Plateau  senkt  sich  der  Boden  nach  Norden 
zu  den  eigentlichen  ozeanischen  Tiefbecken.  Am  einfachsten  ist  der 
Bau  des  indischen  Beckens,  das  zwischen  1883  und  1887  mehr- 
fach durchquert  wurde.  Die  4000  m Linie  umschließt  beinahe  den 
ganzen  Ozean,  soweit  er  vom  Festlaude  eingerahmt  ist;  die  Osthälfte 
liegt  sogar  unter  5000  m. 

Nach  der  pazifischen  Seite  sendet  das  antarktische  Plateau 
zwei  große  Ausläufer  von  weniger  als  4000  m Tiefe;  das  westliche 
schließt  sich  an  Australien  an  und  trägt  die  Mehrzahl  der  polyne- 
sischen  Inseln,  das  östliche  schließt  sich  an  Südamerika  an  und 
ist  nahezu  inselleer;  nur  im  Westen  scheint  es  mit  dem  Sockel  der 
Paumotu-Eilande  zusammenzuhängen.  Beide  südpazifische  Pla- 
teaus bergen  Einsenkuugen,  aber  das  westliche  viel  mehr,  wie  es 
überhaupt  ein  mannigfaltigeres  Relief  besitzt,  als  irgend  ein  anderer 
Teil  des  offenen  Weltmeeres.  Auf  dem  Ostplateau  sind  namentlich 
die  tiefen  Einsenknngen  in  25  und  26°  S.,  unmittelbar  an  der 
chilenischen  Küste,  bemerkenswert;  da  mehr  als  7000  m gelotet 
wurden,  muß  die  Böschung  des  südamerikanischen  Kontinental- 
massivs hier  eine  ganz  ungewöhnliche  Steilheit  erreichen. 

Zwischen  den  Plateaus  liegt  das  pazifische  Tiefbeckeu,  das 
sich  nördlich  von  10®  N.  beträchtlich  erweitert  und  nun  von  Amerika 
bis  zu  den  asiatischen  Inseln  sich  ausbreitet.  Am  Nordrande  senkt 
es  sich  unter  6000,  am  Westrande  sogar  unter  8000  m. 

Zwischen  25°  N.  und  19"  S.  und  östlich  vom  145.  Meridian 
w.  v.  Gr.  fehlten,  mit  Ausnahme  der  Küstengewässer,  bis  1884  Lotungen 
gänzlich.  Einige  Andeutung  gab  nur  der  Verlauf  der  Flutwellen, 
die  bei  den  Erdbeben  von  Arica  (1868)  uud  von  Iquique  (1877)  von 
der  peruanischen  Küste  ausgingen,  durch  den  fraglichen  Meeresraum 
sich  fortpffanzten  und  endlich  die  hawaiischen  Inseln  erreichten. 
Aus  der  Geschwindigkeit  dieser  Wellen  läßt  sich  mit  Hilfe  der 
Formeln  von  Lagrange  und  Rüssel  die  mittlere  Tiefe  des  durch- 
wanderten Meeres  berechnen.  Die  von  F.  v.  Hochstf.ttek6  und 
Geinitz7  gefundenen  Werte  sind  folgende: 


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198 


Das  Meer. 


Mittlere  Tiefe 

Arica — Hawaiische  Inseln  (Mittel  aus  zwei  Berechnungen)  4691  m 

Iquique— Hilo 4252  „ 

Iquique — Honolulu 4060  „ 

Die  Durchquerung  dieses  ausgedehnten  Meeresteiles  durch  das 
italienische  Kriegsschiff  „Vettor  Pisani“  hat  die  Richtigkeit  dieser 
indirekten  Messung  völlig  bestätigt,  denn  das  Mittel  seiner  Lotungen 
zwischen  Peru  und  Hawaii  beträgt  4569  m.  Uber  4000  m steigt  der 
Boden  nur  westlich  von  den  Galapagosinseln  an  und  unter  5000  m 
sank  das  Lot  nur  an  einer  Stelle. 

Im  Atlantischen  Ozean  trennt  ein  zusammenhängender 
Rücken,  der  die  S-förmige  Gestalt  des  Ozeans  wiederholt  und  der 
Träger  der  meisten  vulkanischen  Inselbildungen  ist,  die  beiden  west- 
lichen vom  östlichen  Becken.  Meist  beträgt  seine  Tiefe  nicht  er- 
heblich mehr  als  2000m,  und  nur  im  Norden,  wo  er  sich  stark 
verbreitet,  birgt  er  einige  Einsenkungen.  Eine  Abzweigung  dieses 
Rückens,  die  in  der  Nähe  von  Tristan  d’Acunha  vom  Hauptkörper 
sich  loslöst  und  zum  afrikanischen  Festlande  hiniiberzieht,  scheidet 
das  Kapbecken  vom  ostatlantischen. x Wir  werden  später  sehen, 
wie  wichtig  diese  Anordnung  für  die  ozeanische  Wärmeverteilung  ist. 
Tiefen  von  mehr  als  6000  m sind  in  allen  Becken  mit  Ausnahme  des 
südöstlichen  gefunden  worden,  die  meisten  und  die  ausgedehnteste 
aber  im  nordwestlichen.  Es  läßt  sich  schon  jetzt  mit  Bestimmtheit 
aussprechen,  daß  der  nördliche  Seeboden  ein  mannigfaltigeres  Relief 
besitzt,  als  der  südliche,  und  daß  in  gleicher  Weise  der  westliche 
vor  dem  östlichen  ausgezeichnet  ist. 

Der  nordatlantische  Rücken  geht  endlich  in  das  breite  islän- 
dische Plateau  Uber,  das  von  der  flachen  Nordsee  nach  Grön- 
land hinüberzieht;  seine  höchsten  Teile,  südlich  von  den  Färöer 
und  in  der  Dänemarkstraße,  nähern  sich  bis  auf  649,  bezw.  660  m 
dem  Meeresspiegel.  Jenseits  dieser  Erhebung  setzt  sich  das  at- 
lantische Thal  im  Eismeerbecken  fort,  das  zwischen  Spitz- 
bergen und  Grönland  seine  größte  bekannte  Tiefe  erreicht.  Diese 
atlantische  Tiefenlinie  ist  die  wahre  Grenze  zwischen  der 
alten  und  neuen  Welt,  während  im  Beringmeere  eine  Flachsee 
beide  Landfesten  verbindet.  Die  größte  Tiefe  der  Beringstraße  be- 
trägt auf  Dalls  Messungslinie  nur  52  m und  damit  hängt  wohl  auch 
ihre  geringe  Breite  im  Vergleiche  zu  den  drei  isländischen  Kanälen 
zusammen. 


x Da  auf  Karte  I die  Isobathen  nur  in  Abständen  von  2000  m gezeichnet 
sind,  kommen  einige  Erhebungen  nicht  zur  Darstellung. 


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Morphologie  des  Meeres. 


199 


Von  den  Reliefverhältnissen  des  übrigen  arktischen  Meeresbodens 
wissen  wir  nur  wenig,  aber  dieses  wenige  läßt  uns  vermuten,  daß 
die  Flachsee  hier  außerordentlich  große  Räume  einnimmt.  Da  nur 
verhältnismäßig  schmale  Meeresströme  das  polare  Wasser  nach  Süden 
entführen,  so  häufen  sich  die  von  den  großen  Flüssen,  hauptsäch- 
lich Sibiriens,  herbeigeführten  Sedimente  auf  dem  arktischen  Meeres- 
boden wie  in  einem  See  an  und  erhöhen  ihn  beständig.  Dazu  kommen 
noch  die  Moränenlasten  der  Eisberge,  über  deren  Massen  man  freilich 
nichts  Näheres  weiß,  und  Fetzen  des  Meeresbodens,  die  an  das 
Grundeis  anfrieren,  mit  ihm  in  die  Höhe  steigen  und  wandern.  Doch 
dürften  die  Eisberge  für  das  antarktische  Meer  von  größerer  Be- 
deutung sein,  als  für  das  nordpolare.  Die  über  700  km  lange  Neu- 
fundlandbank, die  sich  genau  an  der  Stelle  befindet,  wo  das  von  der 
polaren  Meeresströmung  mitgeführte  Eis  mit  dem  warmen  Golfstrome 
zusammentrifft,  wurde  nach  Rodman8  mehr  durch  den  Detritus  des 
Feldeises  aufgehäuft,  und  wächst  noch  in  die  Höhe.  Andere 
Meeresräume  mögen,  wie  Hahn  auseinandergesetzt  hat,  ihre  Flach- 
heit den  Gletschern  der  Eiszeit  direkt  oder  indirekt  (durch  Eisberge) 
verdanken.  Dieser  Gesichtspunkt  mag  auf  die  Ostsee,  auf  die  Hud- 
sonbai, auf  das  Meer  bei  Patagonien  und  vielleicht  auch  auf  das 
Beringmeer  und  die  Nordsee  Anwendung  finden  (wenn  sich  auch 
wohl  nie  mit  Bestimmtheit  wird  ermitteln  lassen,  bis  zu  welchem 
Grade  diese  Anwendung  gestattet  ist),  aber  keinesfalls  auf  die  austra- 
lischen Flachseen,  auf  die  Sundasee,  das  Ostchinesische  und  Per- 
sische Meer,  zu  deren  Gestaden  keine  diluvialen  Gletscher  herab- 
stiegen. 

Den  soeben  genannten  flachen  Nebenmeeren  stehen  die 
tiefen  gegenüber,  doch  sind  auch  diese  weniger  tief,  als  die  ozea- 
nischen Becken,  und  nur  an  wenigen  Stellen  sank  das  Lot  über 
4000  m.  In  der  Regel  sind  sie  trogartig  gestaltet,  so  daß  die  ozea- 
nischen Ausgangspforten  flacher  sind,  als  der  innere  Raum;  ein 
Umstand,  der  für  die  vertikale  Wärmeverteilung  besonders  wichtig 
ist.  Am  typischsten  ist  die  Trogform  im  Roten  Meere  ausgeprägt; 
die  tiefste  Stelle  liegt  fast  genau  in  der  Mitte.  In  anderen  Meeren 
ist  der  Boden  unebener;  am  mannigfaltigsten  ist  das  Relief  des 
australasiatischen,  amerikanischen  und  vor  allem  des  europäischen 
Mittelmeeres.  Das  Eingangsthor  zwischen  den  Kaps  Trafalgar  und 
Spartel  ist  meist  weniger  als  200  m tief,  und  nur  einige  Durchfahrten 
reichen  unter  400m  hinab;  aber  schon  zwischen  Gibraltar  und  Ceuta 
erreicht  die  Tiefe  800  m und  darüber.  Das  Mittelmeer  selbst  gliedert 
sich  in  drei  Becken  von  mehr  als  2000m  Tiefe;  das  westliche  er- 
reicht eine  Maximaltiefe  von  3149m,  das  tyrrhenische  eine  solche 


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200 


Das  Meer. 


von  3731  m,  das  östliche  eine  solche  von  4400  m.  Corsica  mit  Sar- 
dinien und  Italien  mit  Sizilien  und  dem  tunesischen  Landvorsprunge 
bilden  die  Scheidewände;  in  der  sizilischen  Straße  beträgt  selbst  die 
größte  Tiefe  nur  454  m.  Das  zur  Hälfte  Hache  Adriatische  Meer 
{Maximaltiefe  1590  m)  und  der  Pontus  (2618  m)  sind  echte  Binnen- 
meere. das  Marmarameer  (größte  Tiefe  1344  m)  ein  solches  mit  zwei 
Ausgängen,  das  Agäische  Meer  (größte  Tiefe  2250m)  eine  durch 
Inseln  abgeschlossene  Bandbildung.  Auch  hier  bestätigt  sich  somit 
das  Gesetz,  daß  die  Bandmeere  Haclier  sind  als  das  Hauptmeer. 

Das  amerikanische  Mittelmeer  zerfällt  durch  Land vorsprünge 
und  Inseln,  nämlich  durch  Yukatan — Cuba  und  Mosquitoland — 
Jamaica — Haiti,  in  drei  Becken,  von  denen  das  mittlere  eine  Tiefe 
von  6270  m erreicht.  Ganz  eigenartig  ist  das  Belief  des  austral- 
asiatischen Mittelmeeres.  Zwischen  den  größeren  Inseln  und  Insel- 
gruppen sinkt  der  Boden  zapfenförmig  zu  isolierten  Tiefen  von  4300 
bis  5120m  hinab,  während  die  Tiefe  der  sie  untereinander  und  mit 
dem  Ozean  verbindenden  Meeresteile  nur  zwischen  700  und  1800  m 
schwankt.  Rasche  Bodensenkungen  von  geringer  Ausdehnung  sind 
zwar  dem  ganzen  westpazifischen  Ozean  eigen,  aber  nirgends  ist 
dieser  Charakterzug  schärfer  ausgeprägt,  als  zwischen  Formosa, 
Borneo  und  Neuguinea. 

Bedeckung  des  Meeresbodens.1'  Nur  an  wenigen  Stellen  berührt 
das  Lot  Felsboden,  meist  ist  der  Grund  des  Meeres  mit  lockerem 
Material  bedeckt.  Die  geologische  Arbeit  nimmt  eben  ungestörten 
Fortgang;  die  Ablagerungen  in  den  Meeren  sind  die  eigentlichen 
Alluvionen.  Nach  Ursprung  und  Beschaffenheit  unterscheidet  man 
kontinentale  und  pelagische  Ablagerungen.  Das  Material  zu 
den  ersteren  liefert  teils  die  von  den  Meereswogen  beständig  benagte 
Küste,  teils  das  Innere  der  Festländer,  deren  Zerstörungsprodukte 
durch  die  Flüsse  dem  Meere  zugeführt  werden.  Stets  wird  das  Material 
einem  natürlichen  Schlemmprozesse  unterworfen.  Die  gröberen  Stücke 
bleiben  in  der  nächsten  Nachbarschaft  der  Küste,  der  Sand  wird 
etwas  weiter  hinausgeführt,  der  Schlamm  am  weitesten.  Die  Küsten 
werden  also  in  der  Regel  von  Sandablagerungen  begleitet.  Dort 
wo  sich  zwei  einander  entgegenkommende  sand-  und  schlamm- 
beladene Strömungen  treffen,  lassen  sie  ihre  Last  zu  Boden  fallen 
und  bauen  jene  für  die  Schiffahrt  so  gefährlichen  Sandbänke  oder 
Barren  auf,  die  oft  auf  viele  Kilometer  Erstreckung  den  Küsten 
entlang  ziehen.  Manche  steigen  dauernd  Uber  den  Seespiegel  em- 
por, manche  nur  zur  Ebbezeit,  manche  — und  diese  sind  die  ge- 
fürchtetsten  — verbergen  sich  stets  unter  dem  Meeresspiegel. 
Häutig  werden  sie  von  Einsenkungen  unterbrochen,  die  den  Schiffen 


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Morphologie  des  Meeres. 


201 


als  Durchfahrten  dienen,  aber  die  Lage  und  Tiefe  dieser  Kanäle  ist 
vielfachen  Veränderungen  unterworfen.  Andere  Barren  sind  nur  zur 
Flutzeit  und  auch  dann  oft  nur  mit  kleinen  Fahrzeugen  passierbar. 

Kies,  Sand  und  Schlamm  bedecken  den  Strand  und  die  Flach- 
see, die  feinsten  erdigen  Massen  oder  der  Schlick, x an  deren  Zu- 
sammensetzung sich  bereits  auch  Meeresorganismen  in  hervorragen- 
dem Maße  beteiligen,  treten  aller  schon  in  die  Tiefsee  hinaus,  umsäumten 
die  submarinen  Abdachungen  der  Festländer  und  Inseln  und  erfüllen 
den  Boden  der  tieferen  Nebenmeere  mit  Ausnahme  des  amerikanischen. 
Es  ist  besonders  beachtenswert,  daß  nicht  bloß  im  nördlichen  Eis- 
meere, soweit  es  Hach  ist,  sondern  auch  im  südlichen  nur  solcher 
Schlick  gefunden  wird,  denn  er  kündet  deutlich  die  Nähe  eines  antark- 
tischen Festlandes  an  Weitaus  am  verbreitetsten  ist  der  blaue 
Schlick,  der  seine  Farbe  der  Beimengung  von  organischer  Substanz 
und  Eisensulfid  verdankt.  Große  Mengen  von  Glaukonitkömem.  die 
meist  Steinkeme  von  Foraminiferen  bilden,  färben  den  Schlick  grün; 
die  ockerhaltigen  Sedimente,  die  die  großen  südamerikanischen 
Ströme  in  das  Meer  führen,  geben  den  Schlickablagerungen  an  der 
brasilianischen  Küste  eine  rote  Farbe.  Vulkanische  Gestade  liefern 
grauen  Schlamm  und  Sand,  Korallenriffe  eine  amorphe  kalkige  Masse, 
in  der  organische  Bestandteile  in  der  Form  von  Korallentrümmern 
und  Schalen  größerer  und  kleinerer  Meerestiere  bereits  überwiegen 
(vgl.  Tab.  S.  205). 

Den  eigentlichen  Boden  der  Ozeane  — eine  Fläche,  doppelt 
so  groß  als  das  gesamte  Festland  — bedeckt  organischer  Schlamm 
und  roter  Thon.  Auch  in  Bezug  auf  die  Verbreitung  der  marinen 
Lebewesen  haben  die  Untersuchungen  in  den  letzten  Jahrzehnten 
zu  überraschenden  Resultaten  geführt  Allerdings  erlischt  das  Pfianzeu- 
leben  mit  dem  Sonnenlichte  schon  ca.  200 — 250  m unter  dem  See- 
spiegel, aber  das  Tierleben  kennt  keine  Tiefengrenzen,  wenn  es  auch 
am  reichlichsten  in  der  obersten  und  in  der  untersten  Region  ent- 
wickelt ist  Die  Tierleichen  fallen  zu  Boden,  uud  ihre  festen  Be- 
standteile schichten  sich  hier  in  so  enormen  Massen  auf,  daß  z.  B. 
der  „Travailleur“  an  der  tiefsten  Stelle  des  biskayschen  Meerbusens 
(5100  m)  in  einem  Kubikcentimeter  Schlamm  116  000  Foraminiferen 
und  Radiolarien  fand.  Diese  mikroskopischen  Wurzelfüßer  sind  auch 
hauptsächlich  die  Baumeister  des  organischen  Tiefseeschlammes,  an 
dessen  Zusammensetzung  sich  aber  auch  unorganische  Massen,  Mineral- 
partikelchen und  feinster  Schlamm,  beteiligen.  Diese  Massen  stammen 

x Die  Engländer  unterscheiden  Ooxe  und  Mud.  Meist  übersetzt  man 
ersteres  mit  Schlamm,  letzteres  mit  Schlick;  andere  bezeichueu  Ooxe  als  Erde 
und  Mud  als  Schlamm. 


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202 


Das  Meer. 


zum  Teil  noch  vom  Festlande,  ja  nach  Gümbels  Untersuchungen 
der  von  der  „Gazelle“10  mitgebrachten  Bodenproben  scheint  sogar 
noch  feinster  Flußdetritus  mit  Hilfe  der  Meeresströmungen  weit 
in  den  offenen  Ozean  hinaus  zu  gelangen.  Auch  den  Winden  fällt 
eine  wichtige  Vermittlerrolle  zu,  indem  sie  Staub  und  vulkanische 
Asche  weit  über  die  Ursprungsstätte  hinaus  verbreiten.  Wohl  nirgends 
spielen  die  ozeanischen  Staubfälle  eine  größere  Rolle,  als  im  Gebiete 
der  C'apverdischen  Inseln;  aber  gelegentlich  werden  auch  westlichere 
Gegenden  heimgesucht.  Der  küstenfernste  Punkt,  von  dem  bisher 
roter  Passatstaub  gemeldet  wurde,  liegt  in  40, b°  N.  und  37, a°  W.; 
der  Staubfall  am  12.  Februar  1882  bedeckte  ein  Areal  von  ca. 
527  300  qkm,  fast  von  der  Ausdehnung  des  Deutschen  Reiches.  Wirk- 
liche Staubfälle  kommen  allerdings  durchschnittlich  nur  acht  bis  neun- 
mal im  Jahre  vor,  aber  häutig  ist  die  Luft  über  den  capverdischen 
Gewässern  mit  Staub  erfüllt,  und  weiter  gegen  die  afrikanische 
Küste  zu  sind  die  unerwünschten  trockenen  Nebel  eine  beständige 
Erscheinung.  Seit  Hellmanns  und  Dinklages11  Untersuchungen 
kann  es  keinem  Zweifel  mehr  unterliegen,  daß  der  nordatlantische 
Passatstaub  aus  der  Sahara  stammt,  nicht  wie  seiner  Zeit  Ehbenbebu 
annahm,  aus  Südamerika. 

Einer  noch  größeren  Verbreitung  ist  die  feine  Asche  fähig,  die 
bei  vulkanischen  Ausbrüchen  oft  in  kolossalen  Mengen  in  die  Luft 
geschleudert  wird.  Man  schätzt  die  Totalmenge  der  Auswurfstoffe 
bei  dem  berühmten  Krakatau-Ausbruche  im  Jahre  1883  auf  18  Mil- 
louen  cbm.  Der  Aschenfall,  der  bis  zu  60  mm  Mächtigkeit  anschwoll, 
erstreckte  sich  von  Singapore  im  Norden,  bis  zu  den  Cocosinseln 
im  Süden,  und  von  Benkulen  (Sumatra)  im  Westen  bis  Patuha  (Java) 
im  Osten,  d.  h.  über  ein  Gebiet  von  827  000  qkm.  Ganz  unver- 
gleichlich ausgedehntere  Wanderungen  unternahmen  aber  jene  feinsten 
Aschenmengen,  die  in  die  oberen  Luftströmungen  gelangten  und 
von  diesen  zunächst  über  den  ganzen  Aquatorialgürtel  und  dann 
polwärts  getragen  wurden.  Namentlich  auf  der  Nordhalbkugel  war 
die  Luft  nahezu  vollständig  mit  Asche  durchsetzt,  und  erzeugte 
dadurch  die  prächtigen  Dämmerungserscheinungen  und  sonstigen 
optischen  Phänomene  im  Herbste  und  Frühwinter  1883,  wie  ähnliche 
auch  schon  früher  nach  großen  vulkanischen  Ausbrüchen  (1818  und 
1831)  beobachtet  wurden.1* 

Solche  gelegentliche  kontinentale  Spenden  stehen  aber  in  ihrer 
Bedeutung  für  die  pelagischen  Ablagerungen  jedenfalls  zurück  gegen 
die  Stoftmengen,  die  die  vulkanischen  Ausbrüche  auf  dem  Meeres- 
boden selbst  liefern.  Aus  Rudolphs  Untersuchungen,13  von  denen 
wir  bei  einer  anderen  Gelegenheit  ausführlicher  sprechen  werden,  geht 


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Morphologie  des  Meeres. 


203 


mit  Bestimmtheit  hervor,  daß  solche  submarine  Ausbrüche  überall 
Vorkommen,  in  der  Flach-,  wie  in  der  Tiefsee,  auf  den  Rücken  und 
Plateaus,  wie  in  den  Becken  des  Meeresgrundes.  Asche  und  Bims- 
stein bedecken  oft  weithin  die  Meeresfläche,  manchmal  in  solchen 
Massen,  daß  sie  Schiffe  am  Weiterfahren  hindern,  und  sinken  nur 
sehr  langsam  zu  Boden.  Erwähnt  wurde  schon,  daß  das  Seewasser 
den  Felsengrund  des  Meeres  chemisch  zersetzt;  auch  diese  Zer- 
störungsprodukte, die  der  Verwitterungserde  des  Festlandes  ent- 
sprechen, beteiligen  sich  am  Aufbaue  der  anorganischen  pelagischen 
Ablagerungen;  und  endlich  gesellt  sich  dazu  auch  noch  etwas  kos- 
mischer Staub  in  der  Form  kleiner  Kügelchen  mit  metallischem 
Kern  oder  kristallinischer  Struktur.  Das  Wachstum  dieser  Sedimente 
geht  äußerst  langsam  vor  sich,  jedenfalls  viel  langsamer,  als  das 
der  kontinentalen  Ablagerungen,  und  langsamer  auch,  als  die  Auf- 
schüttung auf  den  Erhebungen  des  Tiefseebodens.  Denn  hier  tritt 
ja  noch  das  organische  Element  hinzu.  Allerdings  bevölkern 
jene  Myriaden  winziger  Organismen,  die  man  jetzt  unter  dem  Namen 
Plankton  zusammenfaßt,  * gleichmäßig  die  tiefsten,  wie  die  seichteren 
Gewässer,  und  ununterbrochen  geht  ein  Regen  von  Kalkgehäusen 
zu  Boden.  Aber  je  tiefer  sie  gelangen,  desto  rascher  verfallen 
sie  der  Zerstörung,  da  der  Kohlensäuregehalt  des  Meerwassers  mit 
der  Tiefe  zunimmt,  und  außerdem  kohlensäurehaltiges  Wasser  unter 
hohem  Drucke  mehr  kohlensauren  Kalk  aufnimmt,  als  unter  dem 
gewöhnlichen  Luftdrucke.  Daraus  erklärt  es  sich,  daß  der  Kalk- 
schlamm nur  die  mäßiger  tiefen  Abgründe  des  offenen  Ozeans 
bedeckt.  Die  größte  Verbreitung  hat  der  Globigerinenschlamm, 
besonders  im  Atlantischen  Ozean  (58  Mill.  qkm);  auch  im  Indischen 
Ozean,  wo  er  den  Westen  und  Norden  einnimmt,  herrscht  er  noch 
vor,  während  er  im  Großen  Ozean  der  Hauptsache  nach  auf  die 
polynesischen  Plateaus  beschränkt  ist  Seinen  Namen  führt  er  von 
der  Foraminiferengattung  Globigerina,  deren  Schalen  weitaus  über- 
wiegen. Besonders  gerne  folgt  sie  den  warmen  Meeresströmungen, 
und  ihre  weite  polare  Verbreitung  im  Atlantischen  Ozean  verdankt 
sie  nur  dem  Golfstrome. 


* Hackel  teilt  die  Salzwasserorganismen  nach  ihrer  Lebensweise  in  drei 
Klassen:  das  Benthos  (ßer&o;  — die  Tiefe)  umfaßt  alle  festliegenden,  laufenden 
und  kriechenden  Organismen,  die  also  an  den  Meeresboden  gebunden  sind ; das 
Plankton  (nlaväco  = umherschweifeu)  alle  schwimmenden  Organismen,  die 
widerstandslos  den  Bewegungen  des  Meeres  folgen;  das  Nekton  (ri?xröc  = 
schwimmend)  endlich  die  kräftigeren  Schwimmer,  die  auch  gegen  die  Strömung 
sich  bewegen  können.  Zu  den  pelagischen  Ablagerungen  trägt  das  Plankton 
am  meisten  bei. 


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204 


Das  Meer. 


Auf  dem  mittleren  Rücken  des  sudatlantischen  Ozeans  nimmt 
der  Globigerinenschlamm  durch  die  massenhafte  Anhäufung  von 
Molluskenschalen,  besonders  von  Pteropodeu  und  Heteropoden,  einen 
besonderen  Charakter  an.  Man  hat  diese  lokal  beschränkte  Abart 
des  Kalkschlammes  als  Pteropodenschlanun  bezeichnet. 

In  den  höheren  antarktischen  Breiten  scheinen  die  feinen  Kiesel- 
panzer der  mikroskopischen  Algenordnung  der  Diatomaceen  dieselbe 
Rolle  zu  spielen,  wie  die  Globigerinenschalen  in  den  übrigen  Meeren. 
Freilich  ist  es  noch  sehr  fraglich,  oh  der  Diatomeenschlamm, 
der  übrigens  auch  einen  großen  Prozentsatz  kohlensauren  Kalkes  ent- 
hält, wirklich  ein  ununterbrochenes  breites  Band  um  das  südliche 
Eismeer  schlingt,  wie  es  Mübsats  marine  Bodenkarte  darstellt,  da 
er  ja  nur  an  fünf  Stationen  des  „Challenger“  beobachtet  wurde.  Sonst 
hat  man  ihn  nur  noch  in  der  Nähe  der  Kurilen  gefunden. 

In  allen  diesen  Ablagerungen  bilden  die  anorganischen  Bestand- 
teile nur  ca.  */3,  im  roten  oder  Tiefseethon  aber  ®/10  der  Proben. 
Im  Atlantischen  Ozean  bedeckt  dieser  die  tiefsten  Einsenkungen  der 
Becken,  während  die  Rücken  und  Plateaus  — wie  schon  erwähnt  — 
Globigerinenschlamm  einnimmt;  im  Indischen  Ozean  nimmt  der  rote 
bis  schokoladenbraune  Thon  den  tieferen  Osten  ein;  im  Pazifischen 
Ozean  gewinnt  er  aber  seine  größte  Verbreitung  (106  MUL  qkm), 
im  Nord-  und  Ostbecken  herrscht  er  nahezu  ausschließlich.  Er 
besitzt  alle  physikalischen  und  chemischen  Eigenschaften  eines  echten 
Thones;  er  ist  weich,  plastisch,  schmierig;  seinem  Hauptbestandteile 
nach  kann  man  ihn  als  ein  Thonerde-Silikat-Hydrat  bezeichnen,  wie 
es  aus  der  chemischen  Zersetzung  vulkanischer  Auswürflinge  hervor- 
geht. An  einigen  der  tiefsten  Stellen  des  Indischen  und  Großen 
Ozean  mischen  sich  mit  ihm  die  kugeligen  Kieselgerüste  der  Ra- 
diolarien  oder  Gittertierchen  in  solchen  Mengen,  daß  man  sich 
genötigt  gesehen  hat,  ihn  als  eigene  Art  unter  dem  Namen  Radio- 
lar i e n s c h 1 am  m auszuscheiden. 


Übersicht  der  Meeresablagerungen. 


Pelagische 

Ablagerungen 

Bestandteile  in  Prozenten 

Tiefengrenze 

m 

Areal 

Mill.qkin 

Kalk- 

haltige 

Organismen 

Kieselsäure- 

haltige 

Organismen 

Anorgau. 

Alt- 

lagerungen 

Roter  Thon 

7 

2 

91 

4100—7200 

133,4 

Radiolarienschlamm  . . 

4 

54 

42 

4300-8200 

5,e 

Diatomeenschlamm . . . 

23 

41 

36 

1100-3600 

28,3 

Globigerinenschlamm  . . 

64 

2 

34 

700—5400 

128,3 

Pteropodenschlamm  . . 

79 

3 

18 

700—2800 

i,o 

Summe  d.  pelag.  Ablag.  . 

- 

— 

- 

— 

296.» 

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Morphologie  des  Moore«.  205 


Kontinentale 

Ablagerungen. 

Bestandteile  in  Prozenten 

Tiefen  grenze 
m 

Areal 

Mill.qkm 

Kalt,- 

haltige 

Organismen 

Kieselsäure-  Anorgan. 

haltige  , Ab- 

Org  an  Ismen  i lagerungen 

Blauer  Schlick  .... 

13 

3 1 

84 

200—  3100 

37,6 

Köter  Schlick  .... 

32 

i 

67 

200—2200 

C,s 

Grüner  Schlick  .... 

25 

14 

fit 

200—2800 

1 ■) .. 

Grüner  Sand 

50 

8 i 

42 

unter  1600 

( ’ 

Vulkanischer  Schlamm 

20 

o 

78 

600—5100 

l 

Vulkanischer  Sand  . . . 

20 

i 

70 

200  - Mio 

1 

Korallenschlarom  . . . 

86 

1 

18 

200  — 3300 

'1  7,o 

Korallcusand 

87 

5 

8 

unter  500 

1 

Summe  d.koutinent.  Ablag. 

— 

- 1 

40,4 

Permanenz  der  ozeanischen  Becken.  Da  es  auf  dem  Festlande 
keinen  Punkt  giebt,  der  nicht  ein  oder  mehrere  Male  Meeresboden 
gewesen  ist;  da  nachweisbar  nach  längeren  Kontinentalperioden  das 
Meer  weite  Festiftndsrüume  überflutete  (Transgression),  so  muß  man 
erwarten,  unter  den  Schichten,  die  unseren  Hoden  zusammensetzen, 
sämtliche  Vertreter  der  heutigen  Meeresablagerungen  wiederzufinden. 
Pas  ist  bis  zu  einer  gewissen  Grenze  in  der  That  auch  der  Fall. 
Soweit  unsere  Sedimentgesteine  nicht  auf  festländische  Bildungen 
zurückzuführeu  sind,  lassen  sie  sich  nicht  nur  als  alte  Strand-  und 
Flachsee-,  sondern  auch  als  alte  Kontinentalablagerungen  der  Tiefsee 
ohne  Schwierigkeit  erkennen.  Schreibkreide  und  Nummulitonkalke 
sind  höchstwahrscheinlich  alte  pelagische  Ablagerungen,  die  sich 
unter  denselben  Verhältnissen  niederschlugen,  wie  heutzutage  der 
Globigerinenschlamm.  Nur  dem  roten  Thone  ist  man  in  keiner  For- 
mation wiederbegegnet,  und  es  ist  dies  um  so  auffallender,  als  er 
fast  ein  Drittel  des  ganzen  Meeresbodens  einnimmt.  Man  hat  daraus 
geschlossen,  daß  die  ozeanischen  Becken,  wenigstens  die  von 
mehr  als  4000  m Tiefe,  von  jeher  mit  Meer  bedeckt  waren;  der 
Wechsel  von  Land  und  Wasser  würde  sich  also  nur  auf  ca.  (13  Pro- 
zent der  Erdoberfläche  vollzogen  haben  und  wohl  auch  in  Zukunft 
darauf  beschränkt  bleiben. 

Diese  Annahme  würde  an  Festigkeit  gewinnen,  wenn  es  sich 
bestätigen  sollte,  daß  die  ozeanischen  Krustenteile  dichter  sind,  als 
die  kontinentalen  (vgl.  S.  12). 

Anderseits  sprechen  dagegen  sowohl  Thatsacheu  der  Tier-  und 
Pflanzenverbreitung,  wie  auch  geologische  Gründe.  Die  erstcren 
lassen  zum  Teil  wenigstens  auch  eine  Deutung  im  Sinne  der  Per- 
manenz der  Ozeane  zu,  zwingender  sind  dagegen  die  letzteren.  Die 
Bruchränder,  die  jetzt  die  Gestade  des  Atlantischen  und  westlichen 


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206 


Das  Meer. 


Indischen  Ozeans  bilden,  weisen  darauf  hin,  daß  Teile  alter  Fest- 
länder in  das  Meer  gesunken  sind,  und  die  Verteilung  der  oberjuras- 
sischen Organismen  verlangt  anscheinend  ebenso  gebieterisch  eine 
von  der  gegenwärtigen  wesentlich  abweichende  Anordnung  von 
Wasser  und  Land.  Von  so  verschiedenen  Gesichtspunkten  aus- 
gehend, gelangten  Süss14  wie  Neumayr15  zu  demselben  Schlüsse, 
daß  sowohl  der  Atlantische,  wie  der  Indische  Ozean  jugendlichen 
Alters  sind  und  wenigstens  in  der  Jurazeit  zum  großen  Teil  noch 
von  Land  eingenommen  wurden.  Neumayrs  kartographische  Dar- 
stellung der  Verteilung  von  Wasser  und  Land  in  der  Juraperiode 
zeigt  an  Stelle  des  nord-  und  südatlantischen  Ozeans  zwei  Fest- 
länder, in  denen  Teile  der  alten  und  neuen  Welt  miteinander  ver- 
schmelzen. Sie  werden  in  der  Gegend  jener  großen  Bruchzone, 
die  noch  heute  einer  der  charakteristischesten  Züge  im  Antlitze  der 
Erde  ist  (s.  Fig.  7 S.  25),  durch  das  zentrale  Mittelmeer  geschieden, 
von  dem  nur  in  den  europäischen  und  amerikanischen  Mittelmeeren 
noch  dürftige  Reste  und  auch  diese  nur  in  vielfacher  Umgestaltung 
erhalten  sind. 

Die  Anhänger  der  Lehre  von  der  Permanenz  der  Ozeane  stellen 
sich  die  geologische  Entwicklung  der  Erdoberfläche  meist  in  der 
Weise  vor,  daß  die  heutigen  Kontinente  im  Laufe  der  Zeit  aus 
immer  größer  und  zahlreicher  werdenden  Inseln  zusammenschmolzen. 
Es  läßt  sich  übrigens  auch  die  Annahme,  daß  das  Verhältnis  von  Wasser 
und  Land  stets  das  gleiche  geblieben  sei,  mit  dem  Lehrsätze  der 
Permanenz  sehr  wohl  vereinigen,  denn  es  giebt  genug  seichte  Meeres- 
räume, besonders  auf  den  Polarkalotten,  die  über  den  Wasserspiegel 
emporsteigen  konnten,  wenn  das  jetzige  Land  unter  denselben  versank, 
und  umgekehrt.  Ja  selbst  die  Landkonstruktionen  von  Suess  und 
Neumayr  stehen  in  keinem  unlöslichen  Widerspruche  zu  der  That- 
sache,  daß  der  rote  Thon  in  den  geologischen  Formationen  nicht 
vertreten  ist,  denn  wir  kennen  weder  das  Maß  des  Wachstums 
und  die  Mächtigkeit  dieser  Tiefseeablagerung,  noch  die  Länge  der 
geologischen  Perioden.  Der  Schluß,  daß  diejenigen  Meeresteile,  die 
heute  im  Niveau  des  Tiefseethones  liegen,  immer  in  demselben  ge- 
legen haben  müssen,  ist  ein  ganz  willkürlicher.  Das  einzige,  was 
wir  folgern  dürfen,  ist  dies:  daß  der  Meeresboden  von  dem 
Zeitpunkte  an,  wo  er  sich  mit  rotem  Thone  zu  bedecken 
begann,  nicht  mehr  Land  wurde. 

Litteraturnach weise.  1 Hauptwerk  v.  Boouslawski  und  Krümmel, 
Handbuch  der  Ozeanographie,  Stuttgart  1884 — 87.  Von  fremdsprachigen  ist 
besonders  Thoulet,  Oeeanographie,  Paris  1890,  zu  nennen.  Berohads,  Atlas 
der  Hydrologie  und  Teile  des  Atlas  der  Geologie  (in  Bebghaus'  Physikalischem 


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Das  Meerwasser. 


207 


Atlas,  Gotha  1891  u.  92).  — * Krümmel,  Morphologie,  cit.  S.  40.  — * Das  Chal- 
lenger-Werk (Report  on  the  scientific  Results  of  the  Voyage  of  H.  M.  S. 
Challenger;  herausgegeben  von  C.  W.  Thomson  u.  J.  Murray),  1882 — 95,  umfaßt 
50  Bände,  von  denen  aber  40  zoologischen  Inhalt  haben.  Die  geographisch 
wichtigen  Teile  werden  an  den  geeigneten  Stellen  citiert  werden.  — * Die 
größten  Tiefenkarten  sind  1.  im  metrischen  Maße  die  „Weltkarte  zur  Übersieht 
der  Meerestiefen“,  herausgegeben  vom  Deutschen  Reichsmarineamt,  Berlin  1893; 
2.  im  englischen  Maße  die  drei  Karten  im  I.  Bde.  der  Summary  of  Results  des 
Challenger  Report,  1895.  Die  darin  eingefuhrte  Nomenklatur  können  wir  in 
keiner  Weise  billigen.  — 6 Dietrich,  Untersuchungen  über  die  Böschungsver- 
hältnisse  der  Sockel  ozeanischer  Inseln,  Greifswald  1892.  — * v.  Hochstetteb 
in  Petermanns  Mitteilungen  1869,  S.  222.  — 7 Geinitz  ebendort  1877, 

S.  454.  — 9 Rodman,  Report  on  Ice  and  Ice  Movcments  in  the  North  Atlantic 
Ocean,  Washington  1890.  (Nr.  93  der  Publikationen  des  U.  S.  Hydrographie 
Office.)  — 8 Murray  u.  Renard,  Deep-Sea  Deposits  (Challenger  Report),  London 
1891.  — 10  Die  Forschungsreise  S.  M.  S.  Gazelle,  Berlin  1889  u.  1890.  Bd.  II 
enthält  die  ozeanographischen  Ergebnisse.  — 11  Dinklaof.  in  den  Annalen  der 
Hydrographie  und  maritimen  Meteorologie  1886,  S.  69  u.  113.  — 11  Symons, 
The  Eruption  of  Krakatoa,  London  1888;  Kiesslino,  Untersuchungen  über 
Dämmerungserscheinungen,  Hamburg  1888.  — 18  Rudolph,  Über  submarine 
Erdbeben  und  Eruptionen,  in  Gerlands  Beiträgen  zur  Geophysik,  1887.  — 
14  Süss , Antlitz  der  Erde,  cit.  S.  23.  — 15  Neumayr,  Verbreitung  der  Jura- 
formation, in  den  Denkschriften  der  Wiener  Akademie  der  Wissenschaften, 
Mathem.-naturwiss.  Klasse,  1885,  Bd.  L. 


Das  Meerwasser. 

Das  Meeresniveau.  Im  Gegensätze  zu  den  starren  Teilen  der 
Erdkruste  ordnen  sich  die  leicht  verschiebbaren  Teilchen  des  Meeres 
nach  dem  Verhältnisse  von  Schwer-  und  Fliehkraft;  seine  Oberfläche 
repräsentiert  die  wahre  Erdgestalt  (das  Geoid),  während  die  Land- 
fläche unter  dem  Einfluß  ganz  anderer  Kräfte  in  unregelmäßigen 
Erhebungen  und  Vertiefungen  verläuft.  Allerdings  wird  auch  der 
Meeresspiegel  von  Wellen  bewegt,  aber  dies  ist  immer  nur  ein  vor- 
übergehender Zustand,  den  wir  durch  eine  zweckmäßige  Pegelauf- 
stellung an  der  Küste  eliminieren  können.  Ferner  unterliegt  das 
Meer  auch  der  Anziehungskraft  von  Mond  und  Sonne,  seine  Ober- 
fläche hebt  und  senkt  sich,  was  wir  freilich  nur  an  der  Küste,  wo 
Bewegtes  und  Festes  aneinander  grenzen,  beobachten  können;  aber 
aus  den  Ablesungen  des  wechselnden  Wasserstandes  am  Pegel  können 
wir  das  mittlere  Niveau  oder  das  Mittelwasser  berechnen,  und 
auf  dieses  beziehen  wir  unsere  Höhenmessungen,  während  die 
Tiefenmessungen  von  dem  augenblicklichen  Meeresniveau  ausgehen. 
Die  daraus  entspringende  Ungleichheit  der  Tiefen  ist  indeß  ohne 
Belang,  weil  der  Unterschied  zwischen  Hoch-  und  Niedrigwasser  im 


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208 


Das  Meer. 


offenen  Ozean  äußerst  gering  ist  Endlich  ist  noch  zu  beachten, 
daß  das  Meer  infolge  seiner  eigenen  Zusammendrückbarkeit  nach 
Taits  Untersuchungen1  eine  durchschnittliche  Niveauerniedrigung 
um  35  m erleidet 

Wäre  die  Erde  ein  regelmäßiges  Rotationsellipsoid,  wie  man 
es  bei  allen  Berechnungen  ihrer  Größe  voraussetzt,  so  müßte  das 
Mittelwasser  überall  im  gleichen  Niveau  liegen.  Das  könnte  aber 
nur  unter  der  Bedingung  einer  ganz  gleichmäßigen  Massenverteilung 
der  Fall  sein,  denn  jede  Störung  derselben  verursacht  eine  Ver- 
schiebung des  Schwerpunktes  und  dadurch  eine  Ablenkung  des  Blei- 
lotes, die  sich  aus  der  Differenz  der  astronomisch  und  geodätisch 
gemessenen  Entfernungen  zweier  Oberflächenpunkte  ermitteln  läßt. 
Nun  bestellt  aber  die  Erdoberfläche  aus  tiefen  wassergefüllten  Becken 
und  mächtigen  kontinentalen  Anschwellungen  aus  festem  Gestein. 
An  der  Grenze  dieser  verschiedenen  Teile  wird,  wie  man  zunächst 
voraussetzen  muß,  das  Lot,  das  uns  die  Richtung  der  Schwerkraft 
anzeigt,  gegen  das  Festland  abgelenkt,  und  der  Meeresspiegel,  der  als 
Niveaufläche  senkrecht  zur  Lotlinie  sich  stellen  muß,  wird  hier  in 
die  Höhe  gezogen,  was  zur  Ausgleichung  natürlich  eine  Senkung 
anderer  Teile  der  Meeresfläche  zur  Folge  hat.  Denken  wir  uns  der 
Einfachheit  wegen  alle  Kontinente  entfernt  bis  auf  Europa-Asien 
und  das  Meer  durch  Kanäle  unter  dieses  Festland  fortgesetzt  Im 
Zentrum  des  Kontinentes  (48°  N.,  73°  0.)  würde  das  Geoid,  bezw. 
der  Meeresspiegel  am  höchsten  ansteigen,  aber  auch  an  dem  ent- 
gegengesetzten Punkte  würde  eine  Niveauerhöhung  eiutreten,  denn 
liier  wirkt  die  Anziehungskraft  der  Festlandmasse  am  wenigsten; 
gleichzeitig  wird  aber  auch  der  Schwerpunkt  der  Erde  von  dem 
Mittelpunkt  gegen  das  kontinentale  Zentrum  hin  verschoben,  so 
daß  an  dem  entgegengesetzten  Meridian  der  Abstand  zwischen 
Oberfläche  und  Schwerpunkt  größer  wird,  als  er  es  vor  Ein- 
schaltung des  Festlandes  war.  Zwischen  den  beiden  Erhebungen 
liegen  die  Senkungen  der  Meeresfläche.  Hel.meht2  fand  hierfür 
folgende  Werte: 


Abstand 

vom 

Festlandszentrum 

Meridian 

(Greenwich) 

Lage  der  deformierten 
Niveaufläche  über(  + ) 
und  unter  ( — | dem  nor- 
malen Niveau 

0° 

( 

73°  O. 
143°  0. 

+ 504 

1 \ 

70° 

3°  0. 

- 188 

180“ 

107°  W. 

+ 201 

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Das  Meerwasser. 


209 


In  Wirklichkeit  liegen  mehrere  Festländer  unregelmäßig  zer- 
streut im  Meere,  und  ihre  Wirkungen  auf  das  Geoid  interferieren 
miteinander.  Helmert  hat  nach  seinen  Berechnungen  eine  Karte 
der  Geoiddeformationen  entworfen,  die  aber  nur  ein  theoretisches 
Interesse  in  Anspruch  nehmen  darf.  Unsere  Kenntnis  von  der 
Massenverteilung  ist  viel  zu  gering,  als  daß  sich  daraus  schon  ziffer- 
mäßige Ermittlungen  jener  Deformationen  ableiten  ließen;  und  da 
die  Zahlen  aller  reellen  Bedeutung  entbehren,  so  schweben  natür- 
lich auch  alle  jene  weittragenden  Schlüsse,  die  man  vor  einigen 
Jahren  darauf  baute,  in  der  Luft.  Die  Pendelbeobachtungen,  auf 
die  schon  einmal  (S.  12)  hingewiesen  wurde,  haben  nach  Anwendung 
der  Kondensationsmethode  Helmebts  es  im  höchsten  Grade  wahr- 
scheinlich gemacht,  daß  durch  Massendefekte  in  den  Kontinenten 
einerseits,  durch  größere  Dichtigkeit  der  ozeanischen  Kruste  anderer- 
seits eine  Ausgleichung  angestrebt,  wenn  auch  vielleicht  noch  nicht 
erreicht  wird;  und  1891  konnte  Helmebt  seine  Überzeugung  dahin 
aussprechen,  daß  die  Abweichungen  des  Geoids  von  dem  Normal- 
ellipsoide  nirgends  + 200m  übersteigen3. 

Welche  Gestaltsveränderungen  auch  immer  der  Meeresspiegel 
dadurch  erleiden  möge,  sein  Charakter  als  Niveaufläche  wird  nicht 
berührt  Wohl  geschieht  dies  aber  durch  eine  Reihe  anderer  Ur- 
sachen, einerseits  durch  die  Verschiedenheiten  des  Salzgehaltes, 
andererseits  durch  meteorologische  Einflüsse.  Eine  genauere  Kenntnis 
dieser  Art  von  Störungen  verdanken  wir  Mohns  klassischen  Unter- 
suchungen über  das  europäische  Nordmeer  zwischen  Norwegen,  Schott- 
land, Island,  Grönland  und  Spitzbergen.1  Es  ist  ohne  weitere  Erklärung 
verständlich,  daß  das  Meer,  sobald  es  durch  äußere  Kräfte  in  seiner 
Gleichgewichtslage  gestört  wird,  bestrebt  ist,  durch  Strömungen  seinen 
ursprünglichen  Zustand  wiederherzustellen,  und  daß,  wTenn  jene  Kräfte 
dauernd  wirken,  auch  die  Strömungen  dauernd  erhalten  werden.  Den 
größten  Einfluß  üben  die  vorherrschenden  Winde  und  die  dadurch 
bewirkten  Strömungen  aus,  die  das  nordatlantische  Luftdruckminimum 
umkreisen.  Hier,  von  68 0 N.  1 0 W.  bis  7 1 1 /2 11  N.  3 0 0.,  hat  auch  die 
Windfläche,  d.  h.  die  durch  den  Wind  allein  deformierte  Meeres- 
fläche, ihren  tiefsten  Stand,  über  den  sie  bis  0,sm  an  der  europäi- 
schen Küste,  bis  0,nm  bei  Grönland,  bis  0,6  m bei  Spitzbergen  und 
bis  0,3  m bei  Island  ansteigt.  Das  zweite  Störungsmoment  sind  die 
Dichtigkeitsunterschiede,  die  von  der  Verteilung  der  Temperatur  und 
des  Salzgehaltes  abhängen.  Es  ist  bekannt,  daß  verschieden  dichte 
Flüssigkeiten  in  kommunizierenden  Röhren  verschiedene  Niveaus 
einnehmen,  und  zwar  die  dichteste  das  tiefste.  Im  Meere,  wo  die 
Gewässer  von  verschiedener  Dichte  sich  vermischen  können,  wird 

Supaj?  , Physische  Erdkunde.  2.  Aufl.  14 


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210 


Das  Meer. 


ein  oberflächliches  Stromgefälle  von  dem  höheren  Niveau  nach  dem 
tieferen  entstehen.  Auch  die  Dichtigkeitsfläche  (d.  h.  die  durch  die 
Dichteunterschiede  allein  deformierte  Meeresfläche)  steigt  im  Nord- 
meere nach  den  Rändern  an.  Die  Hauptdepressionen  liegen  nördlich 
von  Färöer,  östlich  von  Island  (größte  Einsenkung,  0,n  m unter  dem 
Normalniveau),  östlich  von  Jan  Mayen  und  westlich  von  der  Bären- 
insel. d.  h.  dort,  wo  niedere  Temperatur  und  hoher  Salzgehalt  sich 
vereinigen.  Bei  Grönland  steigt  die  Dichtigkeitsfläche  auf  0,2 — 0,6, 
bei  Spitzbergen  auf  0,6,  bei  Norwegen  auf  0,2 — 0,6  m über  die 
Normalfläche.  Aus  Wind-  und  Dichtigkeitsfläche  setzt  sich  nun  die 
wirkliche  Stromfläche  zusammen;54  dazu  kommt  noch  als  wenig 
bedeutendes  Störungsmoment  der  verschiedene  Luftdruck,  der  den 
anderen  Faktoren  sogar  entgegenarbeitet,  weil  er  von  der  Mitte 
des  Meeres  gegen  die  Küsten  hin  steigt.  Das  Enderzeugnis, 
die  wirkliche  Meeresoberfläche,  weicht  nur  wenig  von  der  Strom- 
ffäche  ab:  sie  bildet  eine  Mulde,  deren  tiefster  Punkt  in  681/2°  N. 
1 0 W.  liegt  und  dann  nach  allen  Seiten,  zuerst  langsam,  dann 
schneller  ansteigt.  Das  Küstenwasser  bei  den  Färöer  liegt  0,4, 
bei  Island,  Jan  Mayen  und  Spitzbergen  0,e,  bei  Finmarken  0,», 
bei  Schottland  1 — l,i,  bei  Nowaja  Semlja  l,i,  bei  Grönland,  Jüt- 
land und  im  südlichen  Norwegen  1,4  m über  jener  tiefsten  Ein- 
senkung. 

Wenn  meteorologische  Vorgänge  auf  den  Wasserstand  bestim- 
mend einwirken,  so  muß  letzterer  notwendig  auch  periodischen 
Schwankungen  unterworfen  sein.  Eine  jährliche  Periode  ist  für 
die  Ostsee  und  das  Schwarze  Meer  nachgewiesen.  In  der  ersteren 
fällt,  das  Maximum  in  den  August,  das  Minimum  in  den  April;  das 
Schwarze  Meer  hat  den  höchsten  Wasserstand  im  Mai  und  Juni, 
den  niedrigsten  im  Februar.  Die  Anschwellung  an  den  Küsten 
erfolgt  also  in  der  Regenzeit,  wenn  die  Flüsse  mehr  Süßwasser  ins 
Meer  führen  und  auf  diese  Weise  nicht  nur  jene  fast  abgeschlossenen 
Becken  stärker  füllen,  sondern  auch  indirekt  durch  Verringerung 
des  Salzgehaltes  das  Niveau  in  die  Höhe  treiben.  Die  sekundären 
Maxima,  das  baltische  im  November  und  das  pontische  im  Dezember, 


x AU  Beispiele  dienen  folgende  Stationen: 


Beobachtungsstation 


Windflfiche  . . . 

DichtigkeitsflSche  . 
Stromflfiche  . . . 


I 69°  18'  N.  64°  36'  N.  68*  21'  N. 

I 14°  33'  0.  10"  22'  W.  2°  5'  W. 

Höhe  über,  bez.  unter  ( — ) dem  Normalniveau. 
. 0,58o  m 0,io«  m 0,oi«m 

. 0,213  „ — 0,112  „ — 0,oi«  „ 

. 0.703  ,,  0,08«  „ — 0,001  „ 


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Da«  Meerwasser. 


211 


bleiben  freilich  noch  unerklärt.  Brückner6  fand  auch  seine  35jährige 
Periode  in  den  Pegelablesungen  an  der  Ostsee  und  im  Schwarzen 
Meere  ausgeprägt;  ja  selbst  das  Küstenwasser  des  offenen  Ozeans 
steigt,  wie  die  Beobachtungen  an  nordwestlichen  Hafenplätzen  Frank- 
reichs zeigen,  in  der  feuchten  Periodenhälfte  an  (in  Havre  bis 
0,05  m)  und  senkt  sich  in  der  trockenen.  Hier  ist  offenbar  die  Ver- 
ringerung des  Salzgehaltes  durch  das  Flußwasser  das  entscheidende 
Moment. 

Die  Thatsache,  daß  das  Mittelwasser  an  den  Küsten  in  ver- 
schiedenen Niveaus  liegt,  hat  auch  eine  große  praktische  Bedeutung. 
Die  Höhenmessungen  der  einzelnen  Länder  hören  damit  auf,  streng 
vergleichbare  Werte  zu  sein.  Ja  sogar  innerhalb  eines  und  desselben 
Staates  können  sich  diese  Unzukömmlichkeiten  fühlbar  machen.  In 
Preußen  wurden  vor  1866  alle  Höhenangaben  in  den  östlichen  Pro- 
vinzen auf  den  Nullpunkt  des  Pegels  zu  Swinemünde,  und  in  den 
westlichen  Provinzen  auf  den  Nullpunkt  des  Amsterdamer  Pegels 
bezogen.  Als  sich  nun  Preußen  durch  die  Einverleibung  Hannovers 
zu  einer  kompakten  Ländermasse  zusammenschloß,  war  jener  hypso- 
metrische Dualismus  unhaltbar  geworden.  Man  verlegte  den  Aus- 
gangspunkt des  Nivellements  der  Landesaufnahme  seit  1879  in  die 
Berliner  Sternwarte,  wo  auf  dem  tief  fundierten  Nordpfeiler  der 
„Normalhöhenpunkt“  angebracht  ist;  genau  37  m unter  demselben 
befindet  sich  die  „Normalnull“,  auf  die  alle  neuen  Höhenmessungen 
bezogen  werden.  Man  glaubte  ursprünglich,  daß  sie  genau  im  gleichen 
Niveau  mit  dem  Nullpunkte  des  Amsterdamer  Pegels  liege,  in  der 
That  liegt  sie  aber  nach  den  letzten  Berechnungen  0,ot  m unter 
demselben  und  0,212  m über  der  Swinemünder  Null.  Die  Schweiz, 
die  keine  Meeresgrenzen  hat,  wählte  als  Basis  ihres  Nivellements 
den  Pierre  du  Niton  bei  Genf,  dessen  mittlere  Seehöhe  noch  nicht 
mit  Sicherheit  ermittelt  ist;  man  nimmt  jetzt  als  solche  373,54  m 
an.  In  den  übrigen  Staaten  geht  man  vom  Mittel-  oder  Nieder- 
wasser an  der  betreffenden  Küste  aus,  und  die  Aussicht  auf  eine 
gemeinsame  europäische  Normalnull  dürfte  sich  nicht  so  bald  ver- 
wirklichen, seit  sich  auch  die  internationale  Erdmessungskommission 
dagegen  ausgesprochen  hat  Denn  unter  allen  Umständen  müßte 
diese  Normalnull  an  das  Meer  verlegt  werden,  sonst  würde  man 
auf  jeden  Vergleich  der  europäischen  Höhen  mit  jenen  anderer 
Festländer  und  der  Inseln  verzichten;  aber  mit  der  Wahl  eines 
einzigen  Pegelnullpunktes  würde  man  für  die  entfernteren  Länder 
noch  größere  Fehlerquellen  eröffnen,  als  diejenigen  sind,  unter  denen 
man  jetzt  leidet  Selbst  unsere  feinsten  Nivellements  unterliegen 
nach  Börsch  noch  einem  mittleren  Fehler  von  ±4,42  mm  auf  das 

14* 


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212 


Das  Meer. 


Kilometer,  und  andererseits  sind  die  Niveauunterschiede  des  Mittel- 
wassers an  den  verschiedenen  Küsten  jedenfalls  nicht  so  groß,  als 
man  früher  annahm.  Sie  dürften  in  den  europäischen  Meeren  wohl 
selten  0,5  m überschreiten  und  in  den  meisten  Fällen  nicht  einmal 
0,i  m erreichen,  doch  lassen  sich  genauere  Zahlen  bis  jetzt  nur  für 
wenige  Punkte  geben. x 

Salzgehalt  und  spezifisches  Gewicht.  32  Elemente  sind  bis- 
lang im  Meerwasser  nachgewiesen  wrorden  und  es  unterliegt  keinem 

Zweifel,  daß  künftige  Unter- 
suchungen diese  Zahl  noch 
vermehren  werden.  Sie  er- 
scheinen als  Bestandteile  teils 
des  Wassers  selbst,  teils  der 
absorbierten  Luft  und  Koh- 
lensäure, zum  größten  Teil 
aber  der  aufgelösten  chemi- 
schen Verbindungen.  Die 
letzteren  bezeichnet  man  in 
ihrer  Gesamtheit  als  Salz- 
gehalt; dieser  ist  es,  der  dem 
Meerwasser  den  eigentüm- 
lich salzig  bittem  Geschmack 
und  das  hohe  spezifische  Ge- 
wicht verleiht.  Im  allgemei- 
nen kaun  man  35  Promille 
als  den  normalen  Salzgehalt 
des  offenen  Ozeans  betrach- 
ten. Seine  Zusammensetzung 
ist,  wie  auch  die  zahlreichen  Analysen  der  Challenger-Proben  neuer- 
dings wieder  bestätigten,  unter  allen  Breiten  und  Längen  die  gleiche, 
und  nur  der  Kalkgehalt  nimmt  mit  der  Tiefe  etwas  zu.  Fobch- 
hammeb  fand  im  Durchschnitte  in  1000  Teilen  Wasser: 


x Helmkrt  sagt  darüber:  „Das  Resultat  dieser  Arbeit  (Kritik  von 
48  Nivellementspolygonen  in  Mittel-  und  Westeuropa)  bat  gezeigt,  daß  das  mittlere 
Niveau  im  Mittelländischen  und  Adriatischen  Meer  ca.  13  cm  tiefer  liegt,  als 
in  der  Ostsee,  Nordsee  und  im  Kanal,  aber  auch,  daß  Differenzen  von  der- 
selben Ordnung  entlang  der  nördlichen  und  südlichen  Küsten  Vorkommen. 
Ein  Teil  dieser  Differenzen  ist  sicherlich  reell,  wie  z.  B.  die  bis  zu  15  cm 
betragenden  für  die  Punkte  an  der  holländischen  Küste.  Allein  sobald  es 
sich  um  große  Entfernungen  von  Stationen  handelt,  kann  diese  Realität  noch 
nicht  als  erwiesen  betrachtet  werden.“ 


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Das  Meerwasser. 


213 


Kochsalz 

. 26,9  Teile  i 

Chlorverbindungen 

Chlormagnesium  . . 

• 3,3  » 

,30,7  oder  89, s Proz. 

Chlorkalium  .... 

0,6  „ I 

des  Rückstandes. 

Bittersalz 

• 2,6  „ 1 

Schwefelsäuresalze 

Gips 

■ 1.»  „ 1 

3,s  oder  10,3  Proz. 

Kohlensäuresalze  etc. 

. 0,.  ., 

oder  0,3  Proz. 

Salzgehalt  .... 

. 34,3  Teile 

Der  Unterschied  zwischen  dem  Meer-  und  Flußwasser  besteht  aber 
nicht  nur  in  dem  weitaus  größeren  Salzgehalt  des  ersteren,  sondern 
auch  in  der  Zusammensetzung  desselben.  Im  Meerwasser  herrschen 
die  Chlorverbindungen,  im  Flußwasser  die  Kohlensäuresalze  ent- 
schieden vor;  der  Salzgehalt  des  ersteren  kann  also  kaum  von  dem 
letzteren  abgeleitet  werden. 

Die  Ermittlung  des  Salzgehaltes  durch  feinere  Methoden  ist 
nur  im  Laboratorium  möglich.  Weitaus  die  meisten  Untersuchungen 
sind  aber  an  Bord  des  Schiffes  angestellt  worden,  und  hier  ist  man  im 
wesentlichen  auf  drei  Methoden  angewiesen:  auf  die  Bestimmung  des 
spezifischen  Gewichtes  mittels  des  Aräometers,  auf  die  Feststellung 
des  Chlorgehaltes,  der  in  einem  nahezu  konstanten  Verhältnisse  zum 
ganzen  Salzgehalte  steht,  und  auf  die  Untersuchung  des  optischen 
Brechungsexponenten  des  Seewassers,  der  ebenfalls  vom  Salzgehalte 
abhängigt.  Die  wichtigste  und  am  meisten  angewandte  Methode 
ist  die  erstgenannte;  ihr  seien  daher  einige  Worte  gewidmet. 

Das  in  der  deutschen  Marine  und  auch  sonst  gebräuchlichste 
Aräometer  giebt  unmittelbar  das  spezifische  Gewicht  des  Seewassers 
bei  seiner  augenblicklichen  Temperatur  (t °),  bezogen  auf  destilliertes 

Wasser  von  17,6°  (14  °R),  oder  um  es  kurz  auszudrücken  0j  • 

Das  spezifische  Gewicht  des  Meerwassers,  das  man  gewöhnlich, 
wenn  auch  nicht  ganz  korrekt,  mit  seiner  Dichte  identifiziert,  ist 
außer  vom  Salzgehalte  auch  von  der  Temperatur  abhängig,  da  das  Meer- 
wasser, wie  alle  Körper,  bei  steigender  Temperatur  sich  ausdehnt 
und  dadurch  leichter  wird.  Das  spezifische  Gewicht  ist  daher 
periodischen  und  unperiodischen  Schwankungen  unterworfen  wie  die 
Temperatur  selbst  Wir  können  den  Einfluß  der  Temperatur  aus- 
scheiden,  wenn  wir  alle  Aräometerangaben  auf  gleiche  Temperatur 
reduzieren,  z.  B.  auf  1 7,s °,  wie  es  bei  uns  üblich  ist. x Dieses 


* Die  Engländer  berechnen,  um  wieviel  mal  Seewasser  von  der  Temperatur 
15,»#°  (60°  F.)  schwerer  ist,  als  ein  gleich  großes  Volumen  destilliertes  Wasser 

(15  ,#\  / o°\  / 20°\ 

•^uc^ere  Reduktionen  sind  S j ^-(l  1 und  S I -jy  I . Eine 
internationale  Regelung  ist  dringend  erwünscht. 


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214 


Das  Meer. 


(1 7 5 

wird  allein  vom  Salzgehalte 

bestimmt  und  kann  direkt  in  denselben  verwandelt  werden, x doch 
ziehen  es  manche  Darsteller  vor,  in  ihre  Karten  nur  Linien  gleicher 
Dichte,  bezw.  gleichen  reduzierten  spezifischen  Gewichtes  ein- 
zuzeichnen. 8 

Obwohl  sich  das  Aräometer  auch  schon  auf  Handelsschiffen 
eingebürgert  hat,  so  haben  doch  eigentlich  nur  die  wenigen  wissen- 
schaftlichen Expeditionen  wirklich  brauchbares  Material  geliefert, 
und  unsere  Kenntnis  von  der  Verteilung  des  Salzgehaltes  in 
den  Oberflächenschichten  ist  daher  noch  eine  recht  mangel- 
hafte; selbst  die  Karten  des  Atlantischen  Ozeans  von  Krümmel7 
und  Schott8  sind  noch  für  viele  Gegenden  hypothetisch  (Fig.  38). 
Indes  tritt  das  Grundgesetz  doch  schon  deutlich  hervor.  Im  offenen 
Ozean  steigt  der  Salzgehalt  von  der  Äquatorialzone  bis  gegen  15 
bis  30°  Breite  und  sinkt  dann  wieder  polwärts,  wobei  wir  es  natür- 
lich unentschieden  lassen  müssen,  ob  sich  dieses  Verhalten  bis  in 
die  innersten  Polarkalotten  fortsetzt  Man  erkennt  sofort,  daß  Salz- 
gehalt und  Luftdruck  im  inneren  Zusammenhänge  stehen,  wenn  auch 
nicht  im  direkten,  sondern  durch  Vermittlung  der  Winde.  Daher 
fallen  die  Maximalgebiete  des  Salzgehaltes  und  Luftdruckes  nicht 
zusammen,  sondern  die  ersteren  liegen  in  der  Zone  lebhaftester 
passatischer  Luftbewegung,  weil  hoher  Salzgehalt  durch  starke  Ver- 
dunstung bedingt  ist,  und  nichts  so  sehr  die  Verdunstung  befördert, 
als  regelmäßige,  frische,  trockene  Winde.  Die  äquatoriale  Minimal- 
zone des  Atlantischen  Ozeans  liegt  im  Windstillengürtel  zwischen 
5 und  10°  N.  und  erstreckt  sich  nur  an  der  afrikanischen  Küste 
weiter  nach  Süden.  Ob  hier  die  ergiebigen  Regengüsse  der  Äquato- 
rialzone für  die  Verdünnung  des  Seewassers  verantworlich  zu  machen 
seien,  mag  noch  als  unentschieden  gelten.  Dafür  spricht  jedenfalls 
die  Thatsache,  daß  in  diesen  äquatorialen  Meeresgegenden  die  salz- 
arme Schicht  nur  einen  verhältnismäßig  dünnen  Überzug  bildet, 
während  in  etwas  höheren  Breiten  der  Salzgehalt  normal  mit  der 
Tiefe  abnimmt.  Schott  hat  in  neuester  Zeit  auf  Grund  seiner  Er- 
fahrungen den  Einfluß  des  Regens  bestritten:  nach  seiner  Ansicht 
ist  hier  der  Salzgehalt  vielmehr  der  normale  und  erfährt  nur  darum 
keine  Steigerung,  weil  unregelmäßige,  schwache  Winde  oder  Stillen 
und  feuchte  Luft  die  Verdunstung  hindern.  Aus  einem  ähnlichen 


X Salzgehalt  in  Promille  ist  = 1310 

f 1 5,56' 

T° 


lischen  Reduktion  = 1353  I 


oder  nach  der  eng- 


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Das  Meerwasser. 


215 


Grunde  verringert  sich  der  Salzgehalt  stetig  nach  den  mittleren  und 
höheren  Breiten  zu,  denn  in  gleicher  Richtung  sinkt  auch  die  Ver- 
dunstung infolge  abnehmender  Temperatur  und  zunehmender  relativer 
Luftfeuchtigkeit.  Die  Meeresströmungen  vermögen  dieses  Gesetz 
nicht  völlig  zu  durchbrechen,  aber  sie  rufen  doch  Störungen  hervor, 
die  sich  in  starken  Krümmungen  der  Linien  gleichen  Salzgehaltes 
kundgeben.  Wo  polare  Ströme,  wie  an  den  Ostküsten  Amerikas, 
weit  in  niedere  Breite  Vordringen,  verringern  sie  den  Salzgehalt 
merklich,  während  warme  Ströme  ihr  salzreicheres  Wasser  mehr 
oder  minder  weit  in  höhere  Breiten  führen.  Am  weitesten  der  Golf- 
strom, in  dessen  Bereiche  ein  Salzgehalt  von  35  Promille  noch  den 
70.  Parallelkreis  überschreitet.  Nichts  Ähnliches  weist  sonst  die 
Meereskunde  unserer  Tage  auf.  Im  südatlantischen  Ozean  reicht 
die  35-Linie  nur  im  Brasilstrome  bis  43°  B.  und  zieht  sich  sonst  bis 
gegen  36°  B.  zurück,  und  ein  gleiches  Verhalten  zeigen,  soweit  unsere 
Kenntnisse  reichen,  auch  die  übrigen  Südozeane.  Im  nordpazifischen 
Ozean  liegt  die  äußerste  Polargrenze  dieses  Salzgehaltsgrades  ebenfalls 
in  36°  B.  Schon  dies  vermag  uns  eine  Vorstellung  zu  geben  von  der 
Macht  des  Golfstromes,  dem  in  der  That  kein  anderer  gleichkommt. 

Wir  haben  bisher  die  Küstenzone  von  unserer  Betrachtung  aus- 
geschlossen. Wo  große  Ströme  einmünden,  zeigt  sich  ihre  ver- 
dünnende Wirkung  oft  noch  in  ziemlich  großer  Entfernung  von  der 
Küste.  Oft,  aber  nicht  immer.  Daß  das  äquatoriale  Minimum  im 
Atlantischen  Ozean  an  der  afrikanischen  Seite  so  weit  nach  Süden 
herabreicht,  ist,  wenigstens  zum  Teil,  dem  Niger  und  noch  mehr 
dem  Kongo  zuzuschreiben;  aber  Orinoko  und  Amazonas  führen  noch 
größere  Mengen  Süß wassers  dem  Meere  zu,  und  doch  erlahmt  ihr 
Einfluß  schon  knapp  an  der  Küste,  gegen  die  die  Passatströmungen 
salzreiches  Wasser  hin  wälzen.  In  den  polaren  Zonen  gelangt  d<»s 
festländische  Süßwasser  in  der  Form  von  Eisbergen  noch  weiter  in 
das  Meer  hinaus,  aber  auch  das  schmelzende  Meereis  ist  nur  schwach 
salzig  und  kann  zur  Verdünnung  der  Oberflächenschichten  beitragen. 

Die  geographische  Verbreitung  des  Salzgehaltes  im  Indischen 
und  Pazifischen  Ozean  weicht  in  den  Grundzügen  von  dem  atlan- 
tischen Bilde  nicht  ab.  Auch  daß  der  Indische  Ozean  nur  ein 
Maximalgebiet,  nördlich  von  30°  S.,  besitzt,  kann  uns  nicht  über- 
raschen, wenn  wir  beachten,  daß  er  nur  in  seinem  südhemisphärischen 
Teile  von  beständigem  Passat  überweht  wird.  Die  Verteilung  ist 
also  in  allen  Ozeanen  dieselbe,  aber  in  den  absoluten  Werten  be- 
stehen große  Unterschiede.  Der  nordatlantische  Ozean  ist  weitaus 
der  salzreichste,  der  nordpazifische  sicher  der  salzärmste  Ozean. 10 
Als  Maxirna  werden  angenommen  im  nordatlantischen  Ozean  37,«, 


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216 


Das  Meer. 


im  südatlantischen  ebenfalls  37, e,  im  Indischen  36,4,  im  nordpazitischen 
35,7  Promille. 

Die  Nebenmeere  zeigen  ein  sehr  verschiedenes  Verhalten. 
Zunächst  ist  entscheidend,  ob  sie  von  den  großen  Meeresströmungen 
berührt  werden  oder  nicht.  Im  ersteren  Falle  ist  der  Salzgehalt 
von  dem  Charakter  der  Strömung  abhängig,  aber  immer  etwas 
geringer  als  im  benachbarten  offenen  Ozean,  weil  Nebenmeere  ver- 
hältnismäßig mehr  Flußwasser  empfangen.  Die  inselabgeschlossenen 
Meere  am  Ostrande  Asiens  haben  34  bis  34, s Promille  Salzgehalt, 
wenn  sie  von  warmen,  und  30 — 32  Promille,  wenn  sie  von  kalten 
Strömungen  durchzogen  werden.  Im  australasiatischen  Mittelmeere 
ist  der  Unterschied  zwischen  der  verhältnismäßig  salzarmen  Banka- 
und  Javasee  und  den  salzreichern  Gewässern  im  Norden  und  Nord- 
osten besonders  auffallend,  und  die  Annahme  Schotts,  daß  die 
letzteren  noch  pazifisches  Wasser  erhalten,  scheint  uns  das  Richtige 
zu  treffen.  Dagegen  ist  der  geringe  Salzgehalt  der  Javasee  (ca.  32 
Promille)  auffallend,  wenn  man  die  niedere  Breite  berücksichtigt, 
und  wir  können  die  Vermutung  nicht  zurückweisen,  daß  reichliche 
Zufuhr  von  Regenwasser  hier  auch  mit  im  Spiele  ist  In  den 
Binnenmeeren  regelt  sich  der  Salzgehalt  der  Oberfiächenschichten 
ausschließlich  nach  dem  Verhältnisse  von  Verdunstung  und  Süßwasser- 
Zufluß.  In  einem  warmen  und  trockenen  Klima  erreicht  er  eine 
Höhe,  wie  selbst  im  Ozean  nicht  Das  Rote  Meer  ist  wohl  das 
salzreichste  (40  Promille),  aber  selbst  das  europäische  Mittelmeer 
bat  noch  über  37  Promille.  Das  Schwarze  Meer  wird  dagegen 
schon  stark  durch  die  einmündenden  großen  Flüsse  ausgesüßt  (ca.  18 
Promille),  und  noch  weit  mehr  die  Ostsee,  wo  auch  die  niedere 
Temperatur  der  Verdunstung  hinderlich  ist.  Während  die  Nordsee, 
die  mit  dem  Ozean  in  offener  Verbindung  steht,  noch  im  Osten 
32,6  Promille  Salzgehalt  besitzt,  sinkt  dieser  im  Skagerak  schon 
auf  29,  im  westlichen  Teile  der  Ostsee  auf  8,  im  nördlichen  Bottnischen 
Busen  schon  unter  3 Promille.  Auch  noch  in  einem  anderen  Punkte 
unterscheiden  sich  die  Binnenmeere  wesentlich  vom  offenen  Ozean: 
in  den  ersteren  nimmt  der  Salzgehalt  mit  der  Tiefe  zu,  im  letzteren 
aber  ab,  wenigstens  bis  gegen  2000m  Tiefe;  und  wenn  er  dann 
auch  wieder  etwas  zu  steigen  scheint,  so  ist  er  doch  stets  am  Grunde 
geringer  als  in  den  Oberfiächenschichten.  Die  Konzentration  des 
Seewassers  unter  dem  Einflüsse  der  Verdunstung  vollzieht  sich  ja 
nur  an  der  Oberfläche.  Aber  da  das  Wasser  dadurch  schwerer 
wird,  so  sinkt  es  unter  und  kann  in  den  Binnenmeeren  unter  den 
hier  obwaltenden  Temperaturverhältnissen  (von  denen  später  aus- 
führlicher die  Rede  sein  soll)  wirklich  bis  zum  Boden  gelangen, 


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Das  Meerwasser. 


217 


während  im  kalten  Ozean  schon  in  Tiefen  von  etwa  200  m eine 
Dichtigkeit  herrscht,  die  kein  weiteres  Einsinken  des  salzreichen 
OberHächenwassers  gestattet 

Indem  wir  vom  Salzgehalte  sprachen,  sprachen  wir  zugleich  auch 
von  den  Verbreitungsgesetzeu  des  reduzierten  spezifischen  Gewichtes. 
Anderen  Gesetzen  unterliegt  das  absolute  spezifische  Gewicht,  das 
nicht  nur  vom  Salzgehalte,  sondern  auch  von  der  Temperatur  ab- 
hängig ist  und  auf  destilliertes  Wasser  von  4°  bezogen  wird  (also 

S I ) . Leider  hat  man  es  bisher  selten  in  den  Kreis  der  Unter- 


suchungen gezogen,  obwohl  es  als  einer  der  Faktoren  der  Meeres- 
strömungen sicher  die  größte  Beachtung  verdient.  Soviel  wir  wissen, 
nimmt  es  von  der  Aquatorialzone  gegen  die  Pole  und  an  jedem 
Orte  mit  der  Tiefe  zu.  Die  Wirkungen  des  sich  verringernden  Salz- 
gehaltes werden  also  durch  die  Temperaturerniedrigung  mehr  als 
ausgeglichen. 


Farbe.  Mit  dem  Salzgehalte  und  der  Temperatur  hängt  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  auch  die  Farbe  des  Meeres  zusammen. 
Wenn  man  absieht  von  allen  jenen  Reflexerscheinungen  an  der  Ober- 
fläche des  Seespiegels,  die  die  Himmelsfarbe,  die  wechselnde  Be- 
wölkung, die  Sonnenhöhe  und  das  Mondlicht  hervorrufen,  so  kann 
man  die  Meeresfarbe  als  blau  bis  grün  bezeichnen.  In  kleinen 
Mengen  betrachtet,  ist  allerdings  das  Seewasser  ebenso  farblos,  wie 
destilliertes  Wasser;  jene  Färbung  kommt  nur  dem  Meere  als  ganzes 
zu,  und  schon  daraus  kann  man  schließen,  daß  auch  sie  eine  Reflex- 
erscheinung ist,  die  aber  in  größeren  Tiefen  ihren  Sitz  hat.  Daher 
erscheinen  auch  weiße  Gegenstände,  wenn  man  sie  in  das  Meer 
taucht,  zuerst  grün  und  nehmen  eine  immer  blauere  Färbung  an, 
je  tiefer  man  sie  versenkt,  bis  sie  dem  Auge  gänzlich  entschwinden. 
Die  größte  Sichttiefe,  die  man  bisher  beobachtet  hat,  betrug  66  m 
(in  31°  44'  N.,  43°  38' W.).  Daß  aber  die  chemisch  wirksamsten 
Strahlen  der  blauen  und  violetten  Seite  des  Spektrums  noch  tiefer 
eindringen,  lehren  Untersuchungen  mittels  der  photographischen 
Camera.  Die  sorgfältigsten  wurden  von  Fol11  zwischen  Corsica  und 
der  Riviera  angestellt;  photographische  Platten  wurden  in  461  m 
Tiefe  noch  belichtet,  in  480  m aber  nicht  mehr;  zwischen  diesen 
Niveaus  muß  also  für  jene  Strahlen  die  Grenze  liegen.  Dagegen 
werden  die  roten  und  gelben  Strahlen  sehr  bald  vom  Wasser  ab- 
sorbiert, und  dies  ist  unzweifelhaft  der  Grund,  weshalb  Meer  und 
Seen,  wenn  sie  nicht  verunreinigt  sind,  blau  oder  grün  erscheinen. 
Die  blauen  Strahlen  werden  wahrscheinlich  durch  die  auch  im  an- 
scheinend reinen  Wasser  vorkommenden  feinen  Trübungen  reflektiert; 


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218 


Das  Meer. 


je  weiter  sie  in  das  Meer  eindringen,  desto  blauer  ist  die  Farbe; 
je  kürzer  ihr  Weg  ist,  desto  mehr  gelbe  Strahlen  sind  ihnen  bei- 
gemengt, d.  h.  desto  grüner  ist  die  Farbe. 

Es  ist  daher  ohne  weiteres  verständlich,  daß  an  der  Küste  oder 
über  Bänken  das  Wasser  grün  ist,  und  in  der  tiefen  See  die  Farbe 
umsomehr  dem  Blau  sich  nähert,  je  reiner  und  durchsichtiger  das 
Wasser  ist.  Hier  ist  der  Punkt,  wo  Salzgehalt  und  Temperatur  als 
maßgebende  Faktoren  eingreifen.  Mehrfache  Untersuchungen  haben 
ergeben,  daß  die  Trübung  um  so  rascher  zu  Boden  sinkt,  je  salz- 
reicher und  wärmer  das  Wasser  ist 

Daß  ein  solcher  Zusammenhang  wirklich  besteht,  lehrt  auch 
die  Farbenkarte  des  nordatlantischen  Ozeans  von  Krümmel,  die 
einzige  dieser  Art,  die  bisher  gezeichnet  wurde.7  Möglich  wurde 
eine  solche  Darstellung  erst  durch  die  FoRELsche  Skala,  die 
alle  Abstufungen  vom  tiefsten  Kobaltblau  bis  zum  dunkelsten  Grün 
durch  das  prozentische  Verhältnis  einer  blauen  und  einer  gelben 
Lösung  in  exaktester  Weise  unterscheiden  läßt.  Ule  hat  diese  Skala 
noch  erweitert,  indem  er  dem  Grün  (Forels  Nr.  XI,  35  Proz.  blau 
und  65  Proz.  gelb)  noch  verschiedene  Prozentsätze  einer  braunen 
Lösung  hinzufügte. 12 

Zwischen  10°  S.  und  40°  N.  ist  der  Atlantische  Ozean  kobalt- 
blau, doch  bestehen  einige  Ausnahmen.  Grünlich-blau  sind  die 
Küstengewässer  um  die  Canarischen  Inseln  und  der  östliche  Teil  der 
Aquatorialzone,  in  den  noch  Ausläufer  des  kalten  Benguelastromes 
einzudringen  scheinen;  tief  kobaltblau  und  von  größter  Transparenz 
ist  die  sog.  Sargassosee,  die  nur  zum  Teil  mit  dem  Maximalgebiete 
des  Salzgehaltes  zusammenfällt.  Zwischen  40  und  50°  N.  herrscht 
die  grünlich-blaue,  jenseits  50°  im  Gebiete  des  Golfstromes  schon 
eine  ausgeprägt  grünblaue  Farbe,  während  die  Polarströme  an  der 
amerikanischen  Seite  und  die  seichte  Nord-  und  Ostsee  dunkelgrünes 
Wasser  führen.  Im  großen  und  ganzen  ist,  wie  oben  bemerkt,  ein 
Zusammenhang  zwischen  Farbe  einerseits  und  Salzgehalt  und  Tem- 
peratur andererseits  wohl  vorhanden,  aber  im  einzelnen  giebt  es  doch 
viele  Ausnahmen,  die  noch  ihrer  Erklärung  harren.  Wir  dürfen  auch 
nicht  vergessen,  daß  es  kalte  Süßwasserseen  giebt,  die  sich  durch 
herrliche  blaue  Färbung  auszeichnen. 

Außergewöhnliche  Meeresfärbimgen,  wie  milchweiß,  blutrot,  gelb- 
lich- oder  schiefergrau,  olivenbräunlich,  nennt  der  Seemann  bezeich- 
nenderweise „Miß-“  oder  „Verfärbung“.  Sie  treten  immer  nur  spo- 
radisch und  örtlich  begrenzt  auf  und  werden  meist  von  massenhaft 
auftretendem  Plankton  erzeugt.  Mancher  Meeresname  mag  damit 
Zusammenhängen.  So  heißt  das  Gelbe  Meer  sicher  von  den  Löli- 


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Die  Wellenbewegung. 


219 


massen,  die  der  Hoangho  ihm  zuführt,  während  andere  Namen,  wie 
Weißes  und  Schwarzes  Meer,  ebenso  sicher  mit  der  Färbung  nichts 
zu  thun  haben.  In  Bezug  auf  das  Rote  Meer  sind  die  Ansichten 
geteilt.  Milliarden  mikroskopischer  Tierchen  sind  es  auch,  welche 
jenes  wunderbar  schöne,  besonders  den  Tropenmeeren  eigentümliche 
Phänomen  erzeugen,  das  als  Meeresleuchten  bekannt  ist. 

Litteraturnach weise.  1 Challenger  Report,  Physics  and  Chemistry, 
Bd.  II,  1889.  — * Helmert  eit.  S.  6.  — 9 Helmert  eit.  S.  13.  — * Mohn, 

Nordhavets  Dybder,  Temperatur  og  Ströminger,  Kristiania  1887.  — 6 Brückner 
cit.  S.  190.  — 9 Hei-mebt,  De  Zero  des  altitudes,  in  den  Verhandlungen  der 
permanenten  Kommission  der  internationalen  Erdmessung  in  Florenz  1891.  — 
7 Kbümmei-,  Geophysikalische  Beobachtungen  der  Plankton-Expedition,  Kiel  1893. 
— 9 Schott,  Wissenschaftliche  Ergebnisse  einer  Forschungsreise  zur  See  1891 
und  1892,  Gotha  1893.  (109.  Ergänzungsheft  zu  Petermanns  Mitteilungen.)  — 
9 Buchan,  Report  on  the  Oceanic  Circulation  (Appendix  zum  Challenger-Report), 
1895.  — 10  Makarow,  Le  „Vitiaz“  et  l’Ocean  pacifique,  St.  Petersburg  1894. 
Vergl.  auch  Krümmel  in  Petermanns  Mitteilungen  1893,  S.  85.  — 11  Fol  in  den 
Comptes  rendus  de  l’Academie  des  Sciences  de  Paris  1889,  Bd.  CIX,  S.  323.  — 
11  Ule  in  Petermanns  Mitteilungen  1892,  S.  70;  vergl.  dazu  die  Bemerkungen 
v.  Drygalskis,  ebendas.  S.  286. 


Die  Wellenbewegung, 

Windwellen.  Von  der  strömenden  unterscheidet  sich  die  Wellen- 
bewegung dadurch,  daß  nur  die  Form  der  Bewegung,  der  Wechsel 
von  Berg  und  Thal,  fortschreitet,  während  das  einzelne  Wasser- 
teilchen seine  Lage  im  Raume  wenig  oder  gar  nicht  verändert.  Wir 
können  uns  durch  den  Augenschein  davon  überzeugen,  wenn  wir 
irgend  einen  leichten  Gegenstand  auf  das  Wasser  werfen:  er  hebt 
und  senkt  sich  nur,  während  Berg  und  Thal  unter  ihm  hinwegeilen. 
Jedes  Wasserteilchen  bewegt  sich  dabei  wie  ein  sich  drehendes  Rad 
in  einer  kreisähnlichen  Vertikalebene;  aufwärts  und  zugleich  in  der 
Richtung  der  bewegenden  Kraft  nach  vorwärts,  dann  hinunter  und 
zugleich  gegen  die  Richtung  der  bewegenden  Kraft  nach  rückwärts. 
Man  nennt  dies  eine  Orbitalbewegung.  Das  Profil  fortschrei- 
tender Wellen  ist  am  besten  mit  einer  Troclioide * vergleich- 
bar, und  die  Erfahrung  hat  gelehrt,  daß  die  Trochoidenformeln 
auch  auf  die  Wellen,  wenigstens  auf  solche  in  tiefem  Wasser,  sich 
anwenden  lassen.  Die  Hauptmaße;  die  Wellenlänge  ( L ) oder  die 
Entfernung  von  einem  Wellenkamme  zum  andern,  die  Periode  ( T ) 


x Rollt  ein  Rad  auf  einer  horizontalen  Fläche  weiter,  so  beschreibt  ein 
beliebiger  Punkt  der  Peripherie  eine  Cykloide,  ein  solcher  an  einer  Rad- 
speiche aber  eine  flachere  Kurve  oder  eine  Trochoide. 


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220 


Das  Meer. 


oder  die  Zeitdauer  zwischen  zwei  aufeinanderfolgenden  Wellenbergen, 
und  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  (C)  der  Welle  in  der  Sekunde 
stehen  im  inneren  Zusammenhänge,  so  daß,  wenn  eines  dieser  Ele- 
mente durch  die  Beobachtung  gegeben  ist,  die  anderen  sich  durch 
die  Trochoidengleichuugen  rechnungsmäßig  ableiten  lassen. x Nur 
ist  dabei  nicht  zu  vergessen,  daß  Beobachtungen  auf  einem  fahrenden 
Schiffe  die  eigene  Geschwindigkeit  und  den  Winkel  zwischen  Kiel- 
linie und  Wellenrichtung  berücksichtigen  müssen.  Das  vierte  der 
Hauptmaße,  die  Wellenhöhe  oder  der  Vertikalabstand  zwischen  Berg 
und  Thal,  kann  dagegen  nur  durch  unmittelbare  Beobachtung  fest- 
gestellt werden,  und  da  man  dafür  leider  noch  kein  sicheres  Meß- 
verfahren ausfindig  gemacht  hat,  so  ist  begreiflicherweise  auch  der 
geübteste  Seemann  vielfachen  Täuschungen  ausgesetzt,  und  es  erklärt 
sich  daraus  zur  Genüge,  daß  Höhe  und  Steilheit  der  Meereswellen 
in  Wort  und  Bild  so  häutig  übertrieben  werden. 

Es  ist  nicht  schwer,  zu  erklären,  warum  um  irgend  einen  Gegen- 
stand, der  die  Wasserfläche  trifft,  konzentrische  Wellen  entstehen. 
An  dieser  Stelle  wird  das  Wasser  herabgedrückt,  seine  leicht  ver- 
schiebbaren Teilchen  weichen  aus,  und  indem  sie  dadurch  einen 
Druck  auf  alle  benachbarten  Wasserteilchen  ausüben,  wird  um  die 
Depressionsstelle  eine  Erhöhung  des  Wasserspiegels,  ein  Wellenberg 
erzeugt.  Dieser  sinkt  wieder  in  sich  zusammen,  schwingt  aber  ver- 
möge des  Gesetzes  der  Trägheit  noch  über  seine  Gleichgewichtslage 
hinaus,  und  so  entsteht  an  der  Stelle  des  früheren  Wellenberges 
ein  kreisförmiges  Wellenthal,  das  au  seiner  äußeren  Peripherie  wieder 
einen  Wellenberg  erzeugt.  Auf  diese  Weise  pflanzt  sich  die  Be- 
wegung fort,  bis  die  Eeibung  die  bewegende  Kraft  aufgezehrt  hat. 
Der  Wind  dagegen  ist  eine  kontinuierlich  und  horizontal  wirkende 
Kraft  und  sollte  die  Wasserteilchen  vor  sich  herschieben.  Und  dies 
ist  in  der  That  auch  der  Fall,  der  Wind  erzeugt  ebenso  Strömungen 
wie  Wellen,  und  die  Frage  ist  nur  die,  wann  erzeugt  er  die  eine, 
wann  die  andere  Bewegungsart,  und  wie  gehen  beide  ineinander  über? 
Sobald  die  völlig  rubige  See  von  einem  Winde  mit  mehr  als  0,2  m 
Geschwindigkeit  in  der  Sekunde  getroffen  wird,  entsteht  eine  leichte 


Fügen  wir  für  51  (LucoLPische  Zahl  = 3, na)  und  g (Beschleunigung  der 
Schwere  = 9, so«)  die  Werte  ein,  so  erhalten  wir  nach  Schott  folgende  einfache 
Gleichungen: 

C = 1 ,25  = 1 ,56  T 

L = Ü,tu  C\  = 1,66  T* 

T = 0,80  ]//'  = 0,64  C. 


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Die  Wellenbewegung. 


221 


Kräuselung  des  Wasserspiegels.  Die  Oberflächenschicht,  die  sich 
bei  jeder  Flüssigkeit  in  mancherlei  Hinsicht  wie  eine  selbständige 
Membran  verhält,  legt  sich  in  Falten,  wie  die  Haut  am  Handrücken, 
wenn  man  mit  dem  Finger  über  denselben  hinwegstreicht.  Die 
glättende  Wirkung  des  Öles  auf  die  Wellenbewegung  beruht  nur 
darauf,  daß  die  Ölschicht,  die  sich  über  das  Wasser  ausbreitet,  neue 
Spannungsverhältnisse  schafft.  Die  oben  beschriebenen  Fältehen  oder 
die  kapillaren  Wellen,  wie  Scott  Russell  sie  nannte,  sind  es 
nun,  die  dem  Winde  neue  Angriffspunkte  bieten  und  immer  höher 
zu  wirklichen  Wellen  Anwachsen.  Je  größer  der  Raum  und  die 
Wassermasse  ist,  desto  ungehinderter  kann  diese  Entwicklung  vor 
sich  gehen;  das  Meer  ist  daher  der  eigentliche  Schauplatz  großer 
Wellenbildungen.  Dabei  wird,  wenn  der  Wind  lang  genug  aus  einer 
und  derselben  Richtung  weht,  die  Tendenz  immer  größer,  die  Wasser- 
teilchen in  dieser  Richtung  auch  wirklich  weiterzubewegen,  so  daß 
die  Orbitalbahnen  nicht  mehr  geschlossene  Kurven  bilden,  und  jedes 
Wasserteilchen  am  Ende  einer  Schwingung  von  seiner  früheren  Lage 
etwas  abgerückt  ist.  Daraus  entstehen  die  Triftströmungen,  auf  die 
wir  bei  einer  andern  Gelegenheit  noch  zurückkommen  werden. 

Aus  Schotts  Wellenmessungen  heben  wir  folgende  beobachtete 
Werte  hervor: 


Geogr. 

Breite 

Geogr, 

Länge 

Wind- 

stärke 

0—12 

| Geschwin- 
digkeit 
m pro  Sek. 

Länge 

m 

Periode 

Sek. 

Höhe  ; 
m 

1 I 

Böschung 

Atlantische 

s Passatgebiet. 

7® 

S. 

15° 

W. 

5 

I U 

36,4 

4,8 

1,0 

5® 

11 

J» 

10 

11 

4 — 5 

7,» 

37,s 

5,o 

1,8 — 2,0 

9 

29 

11  | 

9 

0. 

5 

8,« 

58,8 

6,e 

4,0 

11 

29 

11 

I * 

11 

5 

10,2 

61,6 

6,o 

4,5 

13 

Indisches 

Passatge 

biet. 

26° 

S. 

48° 

0. 

& 

7,« 

32,8 

4,6 

0,8 

4» 

26 

11  1 

48 

11  ( 

6 

8,2 

44,2 

5,4 

2,5 

10 

17 

11 

72 

11 

8—9 

14,2 

130,4 

8,8  I 

7—8 

10 

Je  stärker  der  Wind  ist,  desto  größer  sind  alle  Wellendimen- 
sionen, aber  auch  bei  gleichbleibender  Windstärke  entwickeln  sie 
sich  immer  voller,  wofür  die  beiden  Beobachtungen  Schotts 
in  29°  S.  9°  0.,  die  am  gleichen  Tage  gemacht  wurden,  ein  gutes 
Beispiel  bieten.  Aber  diese  Abhängigkeit  tritt  bei  den  einzelnen 
Dimensionen  in  verschiedenem  Grade  zu  Tage.  Am  veränderlichsten 
ist  jedenfalls  die  Höhe,  aber  sie  bildet  sich  nicht  ruhig  bis  zu  dem 
der  Windstärke  entsprechenden  Maximum  aus,  weil  bei  zunehmender 


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222  Das  Meer. 

Luftbewegung  die  Kämme  abbrechen  und  sich  in  das  vor  ihnen 
liegende  Thal  stürzen.  Auf  stürmischem  Meere  sind  diese  „Sturz- 
seen“ den  Schiffen  äußerst  gefährlich.  Gleichzeitig  verändert  sich 
mit  der  Windstärke  auch  das  Verhältnis  von  Höhe  und  Länge,  oder 
mit  anderen  Worten  der  Böschungswinkel  der  Wellenberge,  der  um 
so  steiler  wird,  je  heftiger  der  Wind  wehtx  TJber  das  Verhältnis 
der  Wind-  und  Wellengeschwindigkeit  sind  die  Ansichten  geteilt; 
nach  den  einen  laufen  die  Wellen  schneller,  nach  den  anderen  lang- 
samer als  der  Wind.  Dieser  Widerspruch  rührt  davon  her,  daß  man 
bei  der  Umwandlung  der  beobachteten  Windstärke  in  Windgeschwin- 
digkeit verschiedene  Reduktionsfaktoren  anwendet.  Bei  mäßigem 
Winde  bewegen  sich  die  Wellen  nicht  schneller,  als  die  großen 
Segelschiffe  und  die  meisten  Dampfer,  und  selbst  bei  Sturm  erreichen 
sie  nur  selten  die  Geschwindigkeit  von  Schnellzügen  (ca.  19  m pro 
Sekunde  im  deutschen  Flachlande).  In  Schotts  Beispielen  sind 
freilich  nur  die  ruhigeren  Passatgebiete  vertreten,  und  es  unterhegt 
keinem  Zweifel,  daß  die  Zonen  der  Westwinde,  besonders  die  süd- 
liche, viel  ausgebildetere  Wellen  besitzt,  wie  aus  den  zahlreichen 
Messungen  von  Paris  hervorgeht. x x Als  höchste  beglaubigte  Dimen- 
sionen können  folgende  angesehen  werden: 


Geschwindigkeit  ...  28  m in  der  Sek. 

Länge 500  m 

Periode 18  Sek. 

Höhe 15  m,  jedenfalls  nicht  über  18  m. 


Wie  das  Wasser,  in  das  wir  einen  Stein  geworfen  haben,  zu- 
folge seines  großen  Trägheitsmomentes  und  seiner  geringen  inneren 

x Nach  Schott  beträgt  bei 

Windstärke  5 (mäßig)  6—7  (stark)  9 (Sturm) 

Wellenböschung  6°  10°  11° 

xx  Beobachtete  Mittelwerte: 


Geschw. 

m 

Lftnge 

in 

Periode 

Sek. 

Höhe  m 

Mittel  Maxitnum 

Mittlere 

Böschung 

Atlantisches  Passatgebiet . 

n.» 

65 

5,8 

1,0  6 

5° 

Indisches  Passatgebiet  . . 

12,s 

96 

7,0 

2,8  ! 5 

5 

Südatlantische  Westwinde  . 

14,o 

133 

9,5 

4,3  7 

6 

Indische  Westwinde  . . . 

15,o  1 

114 

7,« 

5,3  11,0 

8 

Ostchinesisches  Meer  . . 

11,  < 

79 

6,9 

3.2  I 6,5 

7 

Westpazifiseher  Ozean  . . 

12,4 

102 

8,o 

3,1  7,5 

i 

5*/a 

Es  darf  indes  nicht  verschwiegen  werden,  daß  in  neuester  Zeit  gegen  die 
allgemeine  Zuverlässigkeit  der  Messungen  von  Paris  schwerwiegende  Bedenken 
erhoben  wurden. 


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Die  Wellenbewegung. 


223 


Reibung  nur  allmählich  zur  Ruhe  kommt,  so  wogt  (las  Meer  auch 
dann  noch,  wenn  sich  der  Wind  schon  gelegt  hat.  Diese  Bewegung 
nennt  der  Seemann  Düuung,  im  Gegensätze  zu  den  unmittelbaren 
Windwellen  oder  „Seen“.  Nichts  bietet  dem  Neuling  ein  geheimnis- 
volleres Schauspiel,  als  wenn  auf  windstiller  Fläche  Welle  auf  Welle 
heranrollt,  von  den  Seen  durch  nichts  unterscliieden,  als  durch  sanf- 
tere Böschung  und  abgerundete  Form  der  Kämme.  Die  alte  Be- 
wegung dauert  manchmal  noch  fort,  wenn  schon  neuer  Wind  aus 
anderer  Richtung  sich  erhoben  hat;  alte  und  neue  Wellen  durch- 
kreuzen sich  dann  nach  den  Gesetzen  der  Interferenz,  als  ob  jede 
nur  für  sich  da  wäre;  und  es  steigert  sich  bis  zum  tollen  Wirrwarr, 
wenn  eine  tiefe  Cyklone  mit  ihrer  rasch  wechselnden  Windrichtung 
über  das  Meer  zieht.  Dann  kann  die  Dünung  dem  Schiffer  schon 
einige  Zeit  vorher  den  kommenden  Sturm  verkündigen.  Am  reinsten 
und  großartigsten  gelangt  die  Dünung  in  den  Zonen  der  regelmäßigen 
Passate  und  im  äquatorialen  Kalmengürtel  zur  Ausbildung;  die  ge- 
waltigen Wellen,  die  die  Weststürme  höherer  Breiten  erregen,  dringen 
sogar  nicht  selten  von  einer  Halbkugel  in  die  andere  vor. x 

Brandung.  Nach  den  experimentellen  Untersuchungen  der  Ge- 
brüder Weber  reicht  die  Wellenbewegung  bis  zu  einer  Tiefe,  die 
dem  350fachen  Betrage  der  Wellenhöhe  gleichkommt  Bei  den 
höchsten  Wellen  würde  also  erst  das  Wasser  jenseits  der  Isobathe 
von  6300  m in  Ruhe  verharren.  Aber  mit  der  Tiefe  nimmt  die 
Wellenhöhe  rasch  ab,  die  Orbitalbahnen  nehmen  eine  elliptische 
Gestalt  mit  immer  mehr  sich  verkürzender  Vertikalachse  an,  so  daß 
in  größeren  Tiefen  die  Wellenbew'egung  eigentlich  nur  mehr  in  einem 
Hin-  und  Herschieben  der  Wasserteilchen  besteht.  Schon  in  einer 
Tiefe,  die  gleich  ist  der  Wellenlänge,  beträgt  nach  der  Theorie  die 
Wellenhöhe  nur  mehr  den  öOOsten  Teil  der  oberflächlichen.  Indeß 
genügt  diese  Bewegung,  um  den  festsitzenden  Tiefentieren  fort- 
während Nahrung  zuzuführen,  ja  sie  ist  in  mäßiger  Tiefe  bis  circa 
200  m noch  im  stände,  feste  Teilchen  in  Bewegung  zu  setzen,  wie  man 
aus  den  Kräuselungen  des  Sandes  nachweisen  kann.  Auf  seichtem 
Grunde  wird  also  ein  Teil  der  lebendigen  Kraft  in  Arbeit  umgesetzt, 
und  dieser  Vorgang  wird  noch  dadurch  beiordert,  daß  liier  die 


* Beispiele  zweier  starker  Dünungen  nach  den  Beobachtungen  von  Schott: 


Südl. 

Breite 

Ösü. 
Länge  1 

Wind- 

Richtung  ! Stärke 

D Einung 
aus 

| Geschw.  , 
| m pro  Sek. , 

Länge 

ra 

Periode 

Sek. 

Höbe 

m 

Böschung 

19° 

0° 



0 

sw. 

17,4 

174,o  1 

10,o 

4,o  ! 

4“ 

28 

39 

so. 

5 

SW. 

23,5 

341,7 

14,5 

7,, 

4 

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224 


Das  Meer. 


Orbitalgeschwindigkeit  nicht  bloß  mit  der  Wellenhöhe,  sondern  auch 
mit  der  Verminderung  der  Wassertiefe  zunimmt,  wenn  sie  wohl  auch 
kaum  jemals  ihr  theoretisches  Maximum,  den  halben  Wert  der  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit der  Wellenform,  erreichen  dürfte.  Zugleich 
wird  die  Welle,  wenn  sie  aus  tiefem  Wasser  in  flaches  tritt,  kürzer,x 
und  diese  doppelte  Umgestaltung  macht  sich  auch  dann  schon 
geltend,  wenn  die  Seen  über  eine  Bank  im  offenen  Ozean  rollen. 
Wenn  sie  dagegen  an  sanft  ansteigenden  Küstenabdachungen  hinauf- 
laufen, so  erleiden  die  untersten  Wasserschichten  außerdem  durch 
Reibung  eine  wesentliche  Verzögerung;  die  Kämme  verlieren  ihre 
symmetrische  Form,  neigen  sich  nach  vom  und  stürzen  über. 
Man  bezeichnet  diesen  Vorgang  als  Brandung;  sie  tritt  an  allen 
Küsten  auf,  die  allmählich  in  das  Meer  verlaufen,  am  großartigsten 
aber  wohl  an  der  Guineaküste  Afrikas,  wo  sie  unter  dem  Namen 

Kalema  bekannt  ist  und  durch  die 
heftige  und  häufige  Westdünung  des 
südatlantischen  Ozeans  erzeugt  wird. 
Aber  nicht  bloß  die  Form,  sondern 
auch  die  Richtung  der  Wellen  ändert 
sich  etwas  infolge  ungleicher  Reibung, 
wie  dies  Fig.  39  schematisch  dar- 
stellt. Die  Wellen  ab,  die  in  einiger 
Entfernung  vom  Ufer  in  der  Richtung 
des  Windes  verlaufen,  machen  in  der 
Nähe  des  Landes  eine  Schwenkung, 
weil  die  a-Hälften  sich  auf  tieferem 
Grunde  und  daher  rascher  bewegen, 
als  die  fr-Hälften.  Bei  heftigen  und 
lange  andauernden,  gegen  das  Land  gerichteten  Stürmen  verbindet 
sich  mit  der  Brandung  der  Windstau,  eine  Erhebung  des  Wasser- 
spiegels, die  besonders  in  trichterförmig  sich  verengenden  Buchten 
den  Betrag  von  mehreren  Meter  erreichen  kann  und  die  Flüsse  oft 
zwingt,  aufwärts  zu  fließen.  Solche  Sturmfluten  setzen  flache 
Küstenländer  oft  weithin  unter  Wasser  und  gehören  daher  zu  den 
verheerendsten  Phänomenen. 

Wesentlich  verschieden  von  der  Strandbrandung  ist  die 
Klippenbrandung.  Trifft  die  Woge  eine  steil  bis  zu  größerer 


Fig.  39.  Wellen  am  Ufer. 


x Die  Formeln  von  Laorange  (manchmal  auch  als  Airys  Formeln  bezeichnet) 
für  flaches  Wasser,  in  denen  ein  neuer  Faktor  fr  - Wassertiefe  eintritt,  lauten: 


c = \'gh,  l = t\gh,  t = 

Über  eine  weitere  Anwendung  dieser  Formel  s.  S.  197. 


/ 

Vs1' 


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Die  Wellenbewegung. 


225 


Tiefe  abfallende  Wand,  so  wird  sie  von  dieser  zurückgeworfen,  d.  h.  sie 
erfährt  eine  Gegenwirkung,  als  ob  eine  Welle  von  gleicher  Form 
und  Geschwindigkeit  ihr  entgegenliefe.  Dadurch  wird  sie  gleichsam 
zusammengepreßt;  sie  erhebt  sich,  da  sie  nur  nach  aufwärts  aus- 
weichen  kann,  zu  beträchtlicher  Höhe  (bis  zu  30  m),  und  ein  Wogen- 
chaos macht  dann  das  Ufer  oft  unnahbar.  Einsame  Felseninseln 
und  Leuchttürme  sind  vor  allem  dieser  Klippenbrandung  ausgesetzt, 
aber  nur  wenn  der  Wind  stark  und  auflandig  ist,  entfaltet  sie  sich 
in  ihrer  ganzen  furchtbaren  Größe. 

Stoß-  und  Explosionswellen.  Zu  don  fortschreitenden  Wellen  des 
Meeres  gehören  außer  den  Windseen  auch  jene  Fluterscheinungen, 
die  häufig  im  Gefolge  von  heftigen  Erderschütterungen  auftreten  und 
die  man  daher  als  Erdbebenfluten  bezeichnet  hat.  Die  bekanntesten 
Vorkommnisse  dieser  Art  knüpfen  sich  an  die  beiden  peruanischen 
Beben  von  Arica  (13.  August  1868)  und  Iquique  (9.  Mai  1877); 
mehrere  Wellen  durcheilten  den  Pazifischen  Ozean  von  Amerika 
bis  nach  Australien,  im  Jahre  1877  sogar  bis  zu  den  japanischen 
Inseln  und  richteten  stellenweise  bedeutende  Verwüstungen  an.  Von 
den  Windseen  unterscheiden  sie  sich  durch  ihre  gewaltigen  Dimen- 
sionen; die  Geschwindigkeit- steigert  sich  auf  150 — 200  m und  dar- 
über, die  Länge  auf  400 — 900  km,  die  Periode  erweitert  sich  auf 
eine  halbe  Stunde  und  darüber;  nur  die  Höhe  ist  verhältnismäßig 
gering  und  übersteigt  jedenfalls  nicht  beträchtlich  die  der  Windseen. 
Dieser  eigentümliche  Charakter  gestattet  nicht  mehr  die  Anwendung 
der  Trochoidenformeln ; da  die  Wellenlänge  die  Wassertiefe  bedeutend 
übertrifft,  so  ist  hier  (wie  schon  einmal,  S.  224,  bemerkt  wurde)  die 
Geschwindigkeit  nur  von  der  letzteren  abhängig.  Einen  tieferen 


Fig.  40.  Wasserstandsveränderungen  in  Sydney  14. — 16.  August  1868  nach  den  Auf- 
zeichnungen des  selbstregistrierenden  Flutmessers.  (Reduktion  nach  d.  Taf.  in  den 
Sitz.-Ber.  d.  Wien.  Akad.  d.  Wisa.,  Math.-nat.  Kl.  Bd.  LX.  1869.)  (Höhen  in  engl.  Fuß.) 


Einblick  in  das  Wesen  dieser  Wasserbewegung  gewähren  die  Auf- 
zeichnungen selbstregistrierender  Flutmesser,  die  durch  ihre  Auf- 
stellung ja  nur  dem  Einflüsse  der  kurzen  Windwellen  entrückt  sind. 
Wir  ersehen  aus  der  Flutkurve  von  Sydney  (Fig.  40),  daß  die  in 

Scpan  , Physische  Erdkunde.  2.  Aufl.  1 5 


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226 


Das  Meer. 


Frage  stehenden  Wellen  durchaus  nicht  mächtig  genug  sind,  den 
Wechsel  der  Gezeiten  zu  unterdrücken,  sondern  nur  als  unter- 
geordnete Störungen  erscheinen,  die  der  Kurve  ein  gezähntes  Aus- 
sehen verleihen.  Am  14.  August  ist  die  Kurve  noch  ziemlich  regel- 
mäßig; am  15.  August  nach  2 Uhr  morgens  beginnt  die  Wellen- 
bewegung, gegen  7 Uhr  tritt  die  Hauptstörung  ein:  eine  Welle 
von  etwa  1/2  m Höhe  und  einer  Periode  von  40  Minuten.  Dann  folgten 
bis  zum  19.  August  noch  eine  ganze  Reihe  von  Oszillationen  mit 
gelegentlichen  Ruhepausen;  die  Zahl  sämtlicher  Wellen  belief  sich 
auf  ungefähr  170. 

Die  Hauptwelle  wurde  von  F.  von  Hochstettek  direkt  als  eine 
Wirkung  des  Erdbebenstoßes  in  Arica  aufgefaßt,  aber  schon  Schmick 
hat  die  Unhaltbarkeit  dieser  Annahme  dargethan.  In  letzter  Zeit 
hat  Rudolph3  alle  Phänomene  dieser  Art  einer  kritischen  Prüfung 
unterzogen  und  ist  dabei  zu  folgendem  Ergebnisse  gelangt  Eben- 
sowenig wie  alle  heftigen  Erdbeben  in  Küstengegenden,  sind  alle 
Seebeben,  d.  h.  Erschütterungen  des  Meeresbodens,  von  Flutwellen 
begleitet.  Es  ist  durch  zahlreiche  Beobachtungen  erwiesen,  daß 
Schiffe  plötzlich  einen  Stoß  verspürten,  als  ob  sie  auf  Grund  auf- 
gefahren wären,  auch  daß  sie  emporgehoben  wurden  und  dann  wieder 
einsanken,  ohne  daß  der  Meeresspiegel  irgend  welche  Veränderung 
erlitt.  Die  Stoßwelle  pflanzt  sich  also  vom  Meeresboden  durch 
die  ganze  Wassermasse  fort,  erzeugt  aber  keine  Oberflächenwcllen. 
Dazu  bedarf  es  noch  eines  anderen  Faktors,  und  diesen  findet 
Rudolph,  namentlich  durch  die  Beobachtungen  bei  den  großen 
Sprengarbeiten  im  Hafen  von  San  Francisco  geleitet,  in  den  vul- 
kanischen Eruptionen  auf  dem  Meeresboden  und  in  den  damit  ver- 
bundenen Gas-  und  Dampfexplosionen,  so  daß  wir  jetzt  nicht  mehr 
von  Erdbeben-,  sondern  von  Explosions fluten  zu  sprechen  haben. 
Man  hatte  zwar  früher  auch  an  plötzliche  Einstürze  auf  dem  Meeres- 
gründe gedacht,  nach  denen  das  Wasser  von  allen  Seiten  hin- 
drängt, aber  kein  einziger  zuverlässiger  Schift’sbericht  läßt  eine  solche 
Deutung  ungezwungen  zu.  Auch  für  die  Krakatauwelle  (August 
1883)  scheint  sie  nicht  zuzutreffen.  Diese  Explosionsflut  — eine 
der  großartigsten,  die  die  Geschichte  kennt  — überschwemmte  ver- 
heerend alle  Küsten  der  Sundastraße,  und  machte  sich  nicht  bloß 
im  ganzen  Umkreise  des  Indischen  Ozeans  bemerkbar,  sondern  trat 
auch  in  den  Atlantischen  Ozean  ein,  wo  sie  an  so  entfernten  Orten, 
wie  in  Südgeorgien,  an  der  Panamaenge  und  an  der  französischen 
Küste  (Rochefort)  von  den  Flutmessem  verzeichnet  wurde. 

Stehende  Wellen.  Plötzliche  Anschwellungen  des  Wassers  an 
den  Ufern  ohne  sichtbare  Ursache  kommen  in  Binnenseen  und 


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Die  Wellenbewegung. 


227 


abgeschlossenen  Meeresteilen  häutig  vor.  Man  nennt  sie  im  Genfer 
See  Seiches  — ein  Name,  der  sich  jetzt  allgemein  für  diese  Er- 
scheinungen eingebürgert  hat  — , an  der  Ostsee  Seebär  (Verstümme- 
lung von  Bare  = Woge),  an  der  sizilianischen  Küste  Marrobbio, 
in  Nordspanien  Resaca  u.  s.  w.  Soweit  es  sich  um  die  Seiche  der 
Binnenseen  handelt,  kann  das  Problem  — dank  besonders  den  Be- 
mühungen Forels4  — als  gelöst  betrachtet  werden.  Rasche  Ver- 
änderungen des  Luftdruckes,  plötzliche  Windstöße  von  den  Bergen 
herab,  Stürme  und  andere  gewaltsam,  aber  lokal  wirkende  atmo- 
sphärische Störungen  rufen  sowohl  in  der  Längs-  wie  in  der  Quer- 
achse des  Genfer  Sees  stehende  Wellen  hervor,  eine  eigentümliche 
Schaukelbewegung  des  Wassers,  so  daß  das  Niveau,  während  es  am 
einen  Ufer  steigt,  an  dem  entgegengesetzten  fällt.  Wird  bei  B ein 
plötzlicher  Druck  ausgeübt,  so  nimmt  der  Seespiegel  ( AKB ) die 
Form  ÄKB',  dann  die  Form  Ä'KB"  an, 
wie  die  Wasseroberfläche  in  einem  Gefäße,  A 

das  man  bald  auf  die  eine,  bald  auf  die  A 

andere  Seite  neigt  Dieses  Spiel  kann  sich  A 
stundenlang  wiederholen.  K ist  der  Ruhe-  A 
punkt  oder  Knoten ; die  Mehrzahl  der  Seiches  A 
sind  wohl  einknotige  (uninodale)  Wellen  von  A 
dem  oben  beschriebenen  Typus,  doch  kommen  Fjg  41  stehende  Wellen, 
auch  zweiknotige  (binodale)  vor,  bei  denen 

sich  der  Spiegel  A CB  in  ÄC'B',  dann  in  A"  C" B"  u.  s.  w.  de- 
formiert. 

Ob  apch  auf  jene  marinen  Flutwellen,  die  ihrem  ganzen  Wesen 
nach  nicht  als  Dünung  gedeutet  werden  können,  entweder  weil  ihre 
Periode  zu  lang  ist,  oder  weil  sie  (wie  der  baltische  Seebär)  nach 
kurzer  Zeit  ebenso  plötzlich  verschwinden,  wie  sie  erschienen  waren, 
— ob,  sage  ich,  auch  auf  diese  Wellen  die  Seichetheorie  in  ihrem 
ganzen  Umfange  Anwendung  findet,  muß  noch  als  offene  Frage 
gelten.  Nur  soviel  darf  als  sicher  betrachtet  werden,  daß  jene  Wellen 
nicht  Explosionswellen  sind,  sondern  ebenfalls  atmosphärischen  Ein- 
flüssen ihr  Dasein  verdanken.  Für  den  Seebären  hat  R.  Credner 
diese  Ursache  wenigstens  sehr  wahrscheinlich  gemacht.6 

Eine  befriedigende  Erklärung'  durch  die  Seichetheorie  haben 
die  rätselhaften  Bewegungen  im  Euripus  gefunden.8  Nach  den 
Wasserstandsbeobachtungen  im  Nordhafen  von  Chalkis  treten  zur 
Zeit  der  Mondviertel  anstatt  der  regelmäßigen  Gezeiten  8 — fl  Wellen 
innerhalb  12  Stunden  mit  einer  Durchschnittshöhe  von  5 — 6 cm  und 
einer  mittleren  Periode  von  1 h 25 rn  auf ; und  diese  letztere  stimmt,  wie 
die  Seichetheorie  es  verlangt,  mit  den  Dimensionen  des  talantischen 

15* 


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228 


Das  Meer. 


Euripus  gut  überein. x Im  Südhafen  sind  die  Niveauschwankungen 
permanent;  man  zählt  in  12  Stunden  7 — 8 Wellen  von  8 — 18  cm  Höhe 
und  einer  mittleren  Periode  von  1 h 36 m.  Sind  auch  diese  letzteren 
stehende  Wellen,  so  muß  man  sich  den  chalkidischen  und  eretrischen 
Euripus  als  ein  einheitlich  bewegtes  Becken  vorstellen,  um  die  nötigen 
Maße  zu  erhalten. 

Litteraturnachwcise.  1 Schott,  cit.  S.  219.  — * PAais  in  der  Revue 
maritime  et  coloniale,  Paris  1871,  Bd.  XXXI,  S.  111.  — * Rudolph,  cit.  S.  207. 
— 1 Forel,  Die  Formel  der  Seiches,  in  den  Archives  des  Sciences,  Genf  1876 
u.  1885.  — 5 R.  Cbbdner,  Über  den  Seebär  der  westlichen  Ostsee,  im  Jahrbuch 
der  Geographischen  Gesellschaft  in  Greifswald  1887 — 88.  Günther,  Über  die 
rhythmischen  Schwankungen  des  Spiegels  geschlossener  Meeresbecken,  in  den 
Mitteilungen  der  Geographischen  Gesellschaft  in  Wien  1888.  — 8 Krümmel, 
Das  Problem  des  Euripus,  in  Petermanns  Mitteilungen  1888. 


Die  Gezeiten. 

Das  Meeresniveau  ist  einem  periodischen  Schwanken  unter- 
worfen, indem  es  innerhalb  eines  Mondtages  von  24h  50m  zweimal 
fallt  und  zweimal  steigt.  Beistehende  Figur  versinnlicht  uns  Beob- 
achtungen am  Pegel  von  Cuxhaven  zwischen  5h  früh  und  8h  abends. 


Der  höchste  Wasserstand  (Hochwasser)  tritt  ein,  wenn  der  Mond 
den  Meridian  des  Ortes  passiert  (obere  Kulmination)  und  wenn  er 
180°  davon  entfernt  ist  (untere  Kulmination),  das  Niedrigwasser 


x Die  halbe  Schwingungsdauer  (in  Sekunden)  t = ■■■  ; l = Länge  des 

\gh 

Beckens  (in  m),  h = mittlere  Tiefe  desselben  (in  m),  g (Beschleunigung  der 
Schwere)  = 9, so«. 


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Die  Gezeiten. 


229 


aber  ungefähr  zur  Zeit  <les  Mondauf-  und  -Unterganges.  Daher  hatte 
Cuxhaven  am  19.  August  1866  Hochwasser  früh  und  abends,  und 
Niedrigwasser  mittags  und  um  Mitternacht,  während  sieben  Tage 
später  der  umgekehrte  Fall  eintrat.  Das  Steigen  des  Wassers  nennt 
man  Flut,  das  Fallen  Ebbe;  beide  Bewegungen  zusammen  Tiden 
oder  Gezeiten.  Aus  dem  angeführten  Beispiele  ersieht  man,  daß 
die  Zeitdauer  von  Ebbe  und  Flut  nicht  immer  gleich  ist,  ebenso 
wie  Hoch-  und  Niedrigwasser  nicht  immer  den  gleichen  Punkt  am 
Pegel  berühren.  Von  größter  Wichtigkeit  für  die  Schiffahrt  ist  die 
Bestimmung  1)  der  Hafenzeit,  d.  i.  des  Zeitunterschiedes  zwischen 
dem  Meridiandurchgange  des  Voll-  und  Neumondes  und  dem  darauf- 
folgenden Hochwasser,  und  2)  der  Flutgröße  oder  des  Höhenunter- 
schiedes zwischen  Hoch-  und  Niedrigwasser. 

Theoretische  Gezeiten.  Nach  dem  Newton  sehen  Gesetze  besitzen 
alle  Körper  Anziehungskraft,  die  im  geraden  Verhältnisse  zu  ihrer 


Masse  und  im  umgekehrten  zum  Quadrate,  ihrer  Entfernung  steht 
So  wird  nicht  bloß  der  Mond  von  der  Erde,  sondern  auch  die  Erde 
vom  Monde  angezogen;  und  die  Gezeitenbewegung  wäre  eine  ebenso 
einfache  als  regelmäßige  Erscheinung,  wenn  die  Erde  flüssig  oder 
von  einem  Meer  von  gleichmäßiger  Tiefe  bedeckt  wäre,  das  den 
anziehenden  Kräften  sofort  Folge  zu  leisten  vermöchte.  Befindet 
sich  der  Mond  in  der  Aquatorialebene  (Fig.  43),  so  wird  der  Punkt  A 
am  meisten,  C weniger,  B am  wenigsten  angezogen.  A wird  also 
von  C,  und  C von  B entfernt,  oder  mit  anderen  Worten:  der  Durch- 
messer AB  zu  A'  B verlängert.  Dadurch  wird  notwendigerweise  der 
Durchmesser  OW  verkürzt,  und  die  Aquatorialebene  A OB  W nimmt 
die  Gestalt  ÄO BW'  an.  Nördlich  und  südlich  von  A und  B werden 


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230 


Das  Meer. 


die  Teilchen  nicht  bloß  von  C entfernt,  sondern  auch  nach  A und  B 
hinübergezogen,  so  daß  z.  B.  D nach  D gelangt;  und  infolge  dessen 
muß  auch  eine  Verkürzung  der  Achse  NS  eintreten.  A und  B be- 
wegen sich  also  nur  in  vertikaler  Richtung,  alle  übrigen  Punkte 
aber  auch  horizontal  gegen  A und  B hin,  und  die  horizontale 
Bewegungskomponente  nimmt  von  A und  B gegen  0,  W,  N und  S 
immer  mehr  auf  Kosten  der  vertikalen  zu.  Das  Niedrigwasser  in 
den  Meridianen  NOS  und  NWS  und  das  Hochwasser  in  den  Meri- 
dianen NAS  und  NB S bedingen  sich  ebenso  gegenseitig,  wie  Thal 
und  Berg  in  der  Windwelle.  In  der  That  haben  wir  es  auch  hier 
mit  zwei  großen  Wellen  zu  thun,  die  dem  scheinbaren  Mondumlaufe 


folgend,  in  24“  50 m einmal  (he  Erde  umkreisen,  so  daß  in  A auf 
das  Hochwasser  das  Niedrigwasser  ö,  dann  das  Hochwasser  B', 
endlich  das  Niedrigwasser  W'  folgt.  Dasselbe  geschieht  auf  allen 
Parallelkreisen,  und  nur  an  den  Polen x bleibt  der  Wasserstand 
unverändert 

Neben  dem  Monde  übt  aber  auch  die  Sonne  eine  merkliche 
Anziehungskraft  auf  die  Erde  aus,  aber  wegen  ihrer  387  mal  größeren 
Entfernung  verhält  sich  das  von  ihr  erzeugte  Hochwasser  zu  dem 
vom  Monde  erzeugten  nur  wie  4:9,  obwohl  ihre  Masse  um  circa 
2Ö1/,  millionmal  die  des  Mondes  Ubertrifft.  In  24 h umkreisen  also 


* In  der  Figur  43  ist  Hoch-  und  Niedrigwasser  der  Deutlichkeit  wegen  in 
übertriebener  Größe  dargestellt. 


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Die  Gezeiten. 


231 


zwei  Sonnenwellen  und  in  24 h 50m  zwei  Mondwellen  von  Ost  nach 
West  die  Erde.  Mond-  und  Sonnenwelle  vereinigen  sich  zu  einer 
einzigen  Welle,  deren  Höhe  und  Eintrittszeit  von  der  wechselnden 
Stellung  beider  Gestirne  zu  einander  abhängt  (Fig.  44).  In  der  Phase 
des  Neumondes  passieren  diese  gleichzeitig  den  Meridian,  und  das 
Sonnenhochwasser  tritt  gleichzeitig  mit  dem  Mondhochwasser  ein. 
Das  wirkliche  Hochwasser  stellt  die  Summe  beider  dar,  und  ebenso 
das  wirkliche  Niedrigwasser  die  Summe  beider  Niedrigwasser.  Der 
umgehrte  Fall  tritt  im  ersten  Viertel  ein;  wenn  A Sonnenhochwasser 
hat,  hat  es  Mondniedrigwasser 
und  umgekehrt,  und  die  wirk- 
lichen Gezeiten  sind  gleich  dem 
Unterschiede  der  Mond-  und 
Sonnentiden.  Zur  Zeit  des  Voll- 
mondes trifft  die  untere  Kul- 
mination des  Mondes  mit  der 
oberen  der  Sonne  zusammen, 
und  das  Resultat  muß  das- 
selbe sein  wie  bei  Neumond. 

Innerhalb  eines  Monats  erreicht 
also  die  Fluthöhe  zweimal  ihren 
höchsten  (Springtiden)  und 
zweimal  ihren  niedersten  Wert 
(taube  oder  Nipptiden  *) ; 
die  Übergänge  zwischen  diesen 
Extremen  steht  Fig.  45  dar. 

Man  hat  die  Mondflut  theo- 
retisch zu  563  mm,  die  Son- 
nenflut zu  246  mm  berechnet; 
die  Springflut  steigt  daher  zu 
563  + 246  = 809  mm,  die  taube 
Flut  aber  nur  bis  563  — 246  = 317  mm  an.  Den  Unterschied  zwischen 
den  Fluthöhen  zur  Zeit  der  Syzygien  und  Quadraturen  nennt  man 
die  halbmonatliche  Ungleichheit 

Die  größte  Fluthöhe  fallt  stets  in  die  durch  che  Mittelpunkte 
der  Erde  und  des  Mondes,  bezw.  der  Sonne  gelegte  Ebene,  in 
Fig.  43  also  in  die  äquatoriale.  Da  aber  die  Mondbahn  um  ca.  28° 
und  die  Ekliptik  um  ca.  23  720  gegen  die  Ebene  des  Äquators  geneigt 
sind,  so  muß  das  Maximum  der  Mondfluthöhe  innerhalb  eines  halben 


x Der  Ausdruck  „Nipptiden“  ist  eine  Verstümmelung  der  englischen  Be- 
zeichnung neop  tirles. 


•pätwr 


Fig.  45.  Sonne-  und  Mondwelle. 


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232 


Das  Meer. 


Monats  zwischen  0 und  28°  B.  und  das  der  Sonnentiuthöhe  inner- 
halb eines  halben  Jahres  zwischen  0 und  231/2°  B.  oszillieren.  Wir 
betrachten  hier  nur  den  einfachsten  Fall:  die  Deklination  beider 
Himmelskörper  betrage  231/2°  N.  (Fig.  46).  Am  Äquator  ist  (im 
Vergleich  nzu  Fig.  43)  zwar  die  Fluthöhe  gesunken,  aber  Ebbe  und 
Flut  dauern  noch  immer  gleichlang  (HlNl  = NlH2  = H2N2  = N2Hl). 
Wesentlich  anders  gestalten  sich  aber  die  Verhältnisse  nördlich  und 
südlich  davon.  In  40  u n.  Br.  z.  B.  ist  das  Hochwasser  bei  der 
oberen  Kulmination  (ff1)  größer  als  bei  der  unteren  (ff2)  und  ebenso 
differieren  die  niedrigsten  Wasserstände.  Ferner  ist  die  Dauer  der 
Ebbe  zwischen  ff1  und  Nl  bedeutend  länger,  als  die  der  darauf- 
folgenden Flut  ( N 1ff2),  worauf  dann  wieder  eine  kurze  Ebbe  (H2N2) 


Mond  Sonne 


Fig.  46.  Tägliche  Ungleichheit  der  Gezeiten. 

und  eine  lange  Flut  (IV2#1)  folgen.  Man  nennt  diese  Unterschiede 
die  tägliche  Ungleichheit. 

Endlich  hängt  die  fluterzeugende  Kraft  der  Sonne  und  des 
Mondes  auch  von  ihrer  wechselnden  Entfernung  von  der  Erde  ab. 
Die  Mondflut  schwankt  nach  der  theoretischen  Berechnung  zwischen 
647  und  465  mm,  die  Sonnenflut  nur  zwischen  259  und  234  mm. 
Die  höchste  Springflut  ist  also  906,  die  niederste  taube  Flut  231  mm. 
Diesen  Unterschied  nennt  man  die  parallaktische  Ungleichheit. 

Fassen  wir  das  bisher  Gesagte  noch  einmal  in  Kürze  zusammen. 
Die  Flutgröße  und  die  Hafenzeit  hängen  ab:  1)  von  der  Stellung 
des  Mondes  zur  Sonne,  2)  von  der  Deklination  beider  Gestirne,  und 
3)  von  der  Entfernung  derselben  von  der  Erde.  Die  theoretischen 
Gezeiten  ändern  sich  ferner  mit  der  Breite.  Am  Äquator  findet  keine 
tägliche  Ungleichheit  statt,  unter  den  übrigen  Breiten  aber  nur  dann 


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Die  Gezeiten. 


233 


nicht,  wenn  die  Deklination  von  Mond  und  Sonne  = 0 ist  Jenseits 
der  Breiten  28°  N.  und  S.  nimmt  die  Flutgröße  stetig  gegen  die 
Pole  ab.  An  den  Polen  selbst  wechseln  Ebbe  und  Flut  innerhalb 
eines  halben  Monats  einmal. 

Wirkliche  Gezeiten.  Die  Bedingungen,  die  die  Theorie  stellt, 
werden  aber  in  der  Natur  nicht  erfüllt  Die  Trägheit  gestattet  dem 
Wasser  nicht,  den  anziehenden  Kräften  sofort  Folge  zu  leisten.  Die 
Ungleichmäßigkeit  der  Meerestiefen  erlaubt  es  ferner  der  Flutwelle 
nicht,  mit  dem  scheinbaren  täglichen  Umlaufe  der  Sonne  und  des 
Mondes  gleichen  Schritt  zu  halten.  Von  noch  entscheidenderem 
Einflüsse  ist  die  Unterbrechung  der  ozeanischen  Fläche  durch  Fest- 
landmassen, und  die  theoretischen  Entwicklungen  von  Newton  und 
Laplace,  die  von  der  Voraussetzung  einer  allgemeinen  Meeres- 
bedeckung ausgehen,  haben  insofern  keinen  praktischen  Wert,  als 
sich  daraus  für  keinen  Ort  der  Erde  Hafenzeit  und  Fluthöhe  rech- 
nerisch ableiten  lassen. 

Whewell  war  der  erste,  der  seine  Theorie  den  beobachteten 
Hafenzeiten  anzupassen  suchte.  Wenn  man  die  gleichen  Hafenzeiten, 
bezogen  auf  den  Meridian  von  Greenwich,  durch  Linien  (Cotidal 
lines,  Flutstunden-  oder  bloß  Flutlinien)  miteinander  verbinde,  so 
müssen  diese  — das  war  Whewells  Ansicht  — die  Kämme  der 
fortschreitenden  Flutwellen  darstellen.  Für  seichtes  Meer  ist  diese 
Annahme  zulässig,  und  für  die  britischen  Gewässer  ist  seine  Dar- 
stellung, wie  wir  sehen  werden,  auch  heute  noch  giltig,  aber  die 
Verlängerungen  dieser  Flutlinien  in  das  offene  Meer  hinaus  ist  — 
wie  der  Autor  später  selbst  zugab  — lediglich  ein  Phantasie- 
gemälde. Auch  war  Whewell  der  Ansicht,  daß  die  Südsee  die 
eigentliche  Geburtsstätte  der  Gezeitenbewegung  sei,  und  die  Flut- 
welle erst  von  da  aus  in  den  Atlantischen  Ozean  eindringe,  und 
suchte  damit  zu  erklären,  daß  hier  in  der  That  die  Springtiden 
erst  1 */2 — 2*/2  Tage  nach  den  Syzygien  eintreten.  Aber  auch  diese 
Hypothese  ist  durch  die  Erfahrung  widerlegt,  daß  nicht  nur  Binnen- 
meere, wie  das  Mittelländische  und  die  Ostsee,  sondern  auch  von 
aller  ozeanischen  Verbindung  abgeschlossene,  große  Becken,  wie  der 
Michigansee,  Ebbe  und  Flut  besitzen. 

Die  atlantischen  Gezeiten.  Die  neueren  Theorien  suchen  vor 
allem  die  Unregelmäßigkeiten  der  atlantischen  Gezeiten  zu  er- 
klären. Ost-  und  Westküste  zeigen  einen  auffallenden  Mangel  an 
Übereinstimmung,  namentlich  im  nordatlantischen  Becken.  Die  Flut- 
höhe ist  selbst  unmittelbar  am  ozeanischen  Gestade  überraschend 
hoch,  und  auf  der  Ostseite  höher  als  an  der  westlichen,  während  in  der 
südhemisphärischen  Hälfte  das  umgekehrte  Verhältnis  stattzuhaben 


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234 


Das  Meer. 


scheint.  Die  Hafenzeit  verspätet  sich  an  der  Ostküste,  je  weiter 
wir  von  Süd  nach  Nord  fortschreiten,  immer  mehr,  als  ob  die  Flut- 
welle in  dieser  Richtung  fortschreiten  würde,  oder  vielmehr  als  ob  zwei 
Wellen  sich  nach  Norden  bewegten,  denn  Orte,  die  um  60 — 65  Breiten- 
grade von  einander  entfernt  sind,  haben  gleiche  Hafenzeit.  An  der 
Westküste  begegnen  wir  nur  bis  zu  den  kleinen  Antillen  einer 
ähnlichen  Anordnung,  von  den  Jungfem-Inseln  bis  Neu-Schottland  — 
24  Breitengrade  Unterschied!  — schwankt  aber  die  Hafenzeit  nur 
zwischen  0h  3m  und  lh  47“,  tritt  also  die  Springflut  fast  überall 
gleichzeitig  ein. x 

Auf  die  ungleichmäßige  Ausbildung  der  periodischen  Gezeiten- 
schwankungen an  beiden  Gestaden  werden  wir  noch  später  zurück- 
kommen. 

Nach  Fitzroy,  Dove  und  Ferrel  lassen  sich  die  Gezeiten  des 
nordatlantischen  Ozean  durch  die  Annahme  einer  meridionalen 
stehenden  Welle,  einer  Seiche  im  großartigsten  Maßstabe  erklären. 
Eine  solche  konnte  unter  günstigen  Umständen  durch  Interferenz 
zustande  kommen,  indem  die  ursprüngliche,  von  den  Gestirnen  er- 
zeugte Flutwelle  von  den  Küsten  zurückgeworfen  wurde.  Das  Wesen 
einer  solchen  stehenden  Welle  besteht  — wie  schon  dargelegt 
wurde  — darin,  daß  die  beiden  Ufer  abwechselnd  Hoch-  und 
Niederwasser  haben.  Das  amerikanische  Gestade  hat  in  der  That 

x Auszug  aus  einer  Tabelle  von  Borgen  *.  Nur  Orte  mit  möglichst  freier 
Lage  wurden  gewählt.  Die  Hafenzeiten  sind,  um  vergleichbar  zu  sein,  auf 
Greenwicher  Zeit  reduziert. 


Breite 

Westküste 

Ostküste 

Hafenzeit 

Fluthölie 

Hafenzeit 

Fluthöhe 

(Greenwich) 

m 

(Greenwich) 

m 

58°  N. 

- 



— 

St  Kilda  . . 

6h  4ra 

4,1 

46—48  „ 

Kap  Racc 

106  32m 

1,8 

Ouessant  . . 

3 52 

5,o 

41  „ 

Block  Insel  . 

0 22 

1,0 

Oporto  . . . 

3 4 

2,’ 

36—37  „ 

Kap  Henry  . 

0 44 

1,2 

Lagos  . . . 

2 42 

4,o 

31—32  „ 

Ossabaw  Sd. . 

1 43 

2,3 

Funchal  . . . 

1 56 

2,. 

26-27  „ 

Abaco  . . . 

1 9 

0,9 

Ferro  .... 

1 42 

2,o 

14  „ 

Martinique  . 

8 5 

0,4 

Gorree  . . . 

9 18 

1,5 

4-  5 „ 

Cayenne  . . 

7 45 

1,» 

Kap  Palmas  . 

5 1 

1,* 

6—  7 S. 

Paraliyba . . 

7 29 

8,0 

Kongo  . . . 

3 41 

1,9 

12  „ 

Bahia  . . . 

7 0 

2,4 

Benguela  . . 

2 51 

1,0 

26-27  „ 

S.  Catherina. 

5 59 

1,6 

Angra  Pequena 

1 30 

2,. 

34—40  „ 

Rio  Negro  . 

3 11 

3,6 

Tafelbai  . . . 

1 27 

1,9 

54  „ 

Staten  Island 

8 45 

2,4 

— 

— 

— 

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Die  Gezeiten. 


235 


nahezu  überall  gleichzeitig  Flut,  am  europäischen  aber  müßte  sich 
nach  der  Ansicht  Fekrels  die  stehende  Welle  infolge  der  wechseln- 
den Tiefenverhältnisse  in  eine  fortschreitende  verwandeln. 

Wir  haben  oben  (S.  228)  die  Seicheformel  kennen  gelernt.  Wir 
können  berechnen,  ob  die  Länge  und  mittlere  Tiefe  des  atlantischen 
Beckens  mit  der  Periode  der  Flutwelle  (12  h 25  m)  übereinstimmt,  und 
darnach  den  Wert  der  Theorie  bemessen.  Die  Prüfung,  die  Borgen 
vorgenommen  hat,  ergab  kein  günstiges  Resultat. 

Airy  hat  in  seiner  Kanal-  oder  Wellentheorie  den  maßgebenden 
Einfluß  der  Reibung  auf  das  Gezeitenphänomen  würdigen  gelehrt, 
ln  einem  gleichmäßig  tiefen  Kanal  erzeugt  die  Anziehungskraft  des 
Mondes  eine  Welle  von  der  Periode  eines  halben  Mondtages  und 
von  der  Länge  des  halben  Erdumfangs  (A  WO  in  Fig.  43),  die  Höhe 
ist  aber  abhängig  von  der  Tiefe  des  Kanals  und  steht  zu  dieser  im 
geraden  Verhältnisse.  Sobald  an  irgend  einer  Stelle  des  Kanals  die 
Breite  oder  Tiefe  sich  ändert,  so  daß  die  primäre  Welle  in  ihrer 
Fortbewegung  gehindert  wird,  entsteht  als  Ausdruck  der  neuen 
Gleichgewichtsstörung  eine  sekundäre  Welle  von  derselben  Periode 
wie  die  primäre,  aber  von  verschiedener  Länge,  die,  weil  sie  unter 
allen  Umständen  die  Tiefe  weit  übertrifft,  nach  der  LAGEANGESchen 
Formel  im  direkten  Verhältnisse  zur  Tiefe  steht  * 

Die  Annahme  eines  regelmäßigen  Kanals  ermöglicht  die  Rech- 
nung, entspricht  aber  natürlich  nicht  den  Formen  der  Meeresbecken. 
Trotzdem  läßt  sich  die  Theorie  bis  zu  einem  gewissen  Grade  auch  auf 
die  natürlichen  Verhältnisse  anwenden;  jedenfalls  ist  sicher,  daß  die 
an  den  Küsten  beobachteten  Gezeiten,  wenn  sie  wirklich  fort- 
schreitende Wellen  sind,  nur  sekundäre  Wellen  sein  können. 

Darauf  baut  Bürgen  weiter.  Die  atlantischen  Hafenzeiten  deuten 
an,  daß  die  Flutwelle  von  S.  nach  N.  fortschreitet  Zwei  Orte  im 
N.  und  S.  mit  gleicher  oder  ähnlicher  Hafenzeit,  wie  z.  B.  St  Catherina 
in  Brasilien  und  St.  Kilda  in  Schottland  sind  dann,  wie  man  an- 
nehmen darf,  nur  eine  Wellenlänge  von  einander  entfernt.  Stimmt 
die  wirkliche  Entfernung  mit  der  aus  der  Periode  und  mittleren  Tiefe 
berechneten  überein  oder  doch  wenigstens  nahezu  überein,  so  wird 
man  für  jene  Annahme  eine  wesentliche  Stütze  gewonnen  haben. 
Kreidel, 2 glaubt  sogar,  dass  es  einst  möglich  sein  werde,  aus  den 
Tiefen  und  Hafenzeiten  die  Lage  der  Flutlinien  im  offenen  Ozean 
zu  berechnen;  für  die  südatlantische  12  Uhr-Linie  hat  er  einen 


x Man  nennt  die  primären  Wellen  auch  gezwungene,  weil  sie  unter 
der  unmittelbaren  Herrschaft  der  wellenerzeugenden  Kraft  stehen,  die  sekun- 
dären dagegen  freie.  Windseen  sind  z.  B.  gezwungene,  Dünungen  freie  Wellen. 


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236 


Das  Meer. 


solchen  Versuch  bereits  gewagt  Ihr  Kamm  verläuft  wegen  der 
wechselnden  Tiefe  nicht  den  Breitenkreisen  parallel,  sondern  eilt  im 
tieferen  Wasser  schneller  vorwärts,  als  im  seichteren.  Unter  12°  O. 
verlegt  ihn  Kreldel  nach  35  */2  0 B.,  unter  44°  W.  aber  nach  43l/2°  B. 

Es  darf  übrigens  nicht  verschwiegen  werden,  daß  auch  diese 
neuesten  Versuche,  dem  Gezeitenphänomen  theoretisch  beizukommen, 
nur  in  verhältnismäßig  wenigen  Fällen  wirklich  befriedigende  Resul- 
tate erzielt  haben.  Das  kann  auch  nicht  wunder  nehmen,  denn  die 
Flutwelle  unterliegt  auch  noch  anderen  Einflüssen  außer  dem  der 
Tiefe.  Zunächst  dem  der  Erdrotation,  die  sie  nach  links  drängt; 
und  es  mag  damit  wohl  auch  Zusammenhängen,  daß  im  südatlan- 


tischen  Ozean  das  Westufer,  im  nordatlantischen  das  Ostufer  die 
bedeutendere  Fluthöhe  aufweist.  Noch  entscheidender,  namentlich 
auf  die  Hafenzeit,  wirken  die  verschiedenen  Interferenzen  ein. 
Borgen  nimmt  neben  der  großen  Flutwelle,  die  von  S.  nach  N.  verläuft, 
auch  eine  kleinere  an,  die  in  ostwestlicher  Richtung  sich  fortpflanzt; 
und  außerdem  kann  die  Hauptflutwelle  selbst  unter  gewissen  Um- 
ständen, namentlich  durch  den  Verlauf  der  Küsten  gezwungen,  eine 
rückläufige  Bewegung  annehmen.  Genauer  sind  eine  Reihe  solcher 
Interferenzen  in  den  britischen  Gewässern  und  in  der  Nordsee 
bekannt;  die  auffallende  Verteilung  der  Hafenzeiten  in  dieser  Gegend 


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Die  Gezeiten. 


237 


gab  Whewkll  zuerst  Veranlassung,  Flutlinien  zu  konstruieren,  die 
sich  hier  auch  bewährt  haben  und  durch  die  neuesten  Erfahrungen 
nur  im  Einzelnen  korrigiert  wurden  (Fig.  47).  Nach  dieser  Dar- 
stellung erreicht  die  Flutwelle  zuerst  die  iberischen,  dann  die  fran- 
zösischen Küsten,  dringt  sodann  in  den  Kanal  und  in  die  Irische 
See  ein  und  umzieht  Irland  und  Schottland,  so  daß  sie  an  der  nord- 
östlichen Küste  Schottlands  und  in  der  Themse  gleichzeitig  (Green- 
wicher Mittag)  eintrifft.  Zwischen  diesen  beiden  Punkten  ist  aber 
die  Hafenzeit  kleiner  und  nimmt  von  Norden  nach  Süden  zu. 
Wheweli,  erklärte  dies  durch  die  Annahme,  daß  die  Flutwelle  in 
dieser  Gegend  nur  eine  Fortsetzung  der  vom  nördlichen  Schottland 
kommenden  sei.  An  der  Themsemündung  trifft  also  die  Kanal- 
welle mit  der  zwölf  Stunden  älteren  schottischen  Welle  zusammen, 
oder  mit  anderen  Worten:  in  der  Zeit,  als  eine  Flutwelle  Schottland 
umzieht,  um  bis  London  zu  gelangen,  passieren  zwei  Wellen  die 
Straße  von  Dover.  In  ähnlicher  Weise  treffen  sich  zwei  Flut- 
wellen in  der  Irischen  See,  während  die  norwegische  Welle  in  den 
Skagerak  eindringt,  ohne  für  die  deutschen  Küsten  Bedeutung  zu 
gewinnen. 

Gezeitenströme.  Wenn  die  Auffassung  des  Gezeitenphänomens 
als  fortschreitende  Welle  richtig  ist,  so  ergibt  sich  daraus  die  Er- 
klärung der  Gezeitenströme.  Man  braucht  sich  nur  vor  Augen 
zu  halten,  daß  jedes  Wasserteilchen  eine  Orbitalbewegung  ausführt 
und  dazu  genau  soviel  Zeit  braucht,  als  die  Wellenperiode  beträgt;  in 
unserem  Falle  also  sechs  Stunden  nach  vorne  und  sechs  Stunden 
nach  rückwärts  sich  bewegt.  Die  gleichzeitige  Bewegung  nach  oben 
und  unten  macht  sich  nicht  fühlbar;  überdies  nimmt  auch  die 
Orbitalbahn  umsomehr  die  Gestalt  einer  flachen  Ellipse  an,  je 
länger  die  Welle  ist 

In  einem  Punkte  scheinen  aber  die  Gezeitenströme  der  Wellen- 
theorie zu  widersprechen.  Man  muß  nämlich  voraussetzen,  daß 
der  Stromwechsel  oder  das  Kentern  des  Stromes  jedesmal  statt- 
findet, wenn  das  Niveau  des  Mittelwassers  (mm  in  Fig.  48)  er- 
reicht wird;  in  Wirklichkeit  aber  vollzieht  er 
sich  meist  bald  nach  Hoch-  und  Niederwasser 
(H  und  N in  Fig.  48),  nachdem  eine  kurze 
Zeit  völliger  Stillstand  geherrscht  hat  Dieses 
abnorme  Verhalten  läßt  sich  auf  den  Einfluß 
des  ansteigenden  seichten  Meeresgrundes  zu- 
rückführen, wodurch  der  vordere  Schenkel 
der  Welle  eine  Verkürzung  erleidet  Das  Einsetzen  des  Ebbestromes 
unmittelbar  nach  Hochwasser  entspricht  dem  Branden  der  Windseen. 


// 


Fig.  48.  Bahn  der 
Wasserteilchen  in  der 
Flutwelle. 


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238 


Das  Meer. 


Wo  günstigere  Verhältnisse  obwalten,  nähert  sich  der  Zeitpunkt  des 
Kenterns  auch  mehr  der  theoretischen  Fordening. 

Wie  wir  ebenfalls  im  vorigen  Kapitel  schon  hervorgehoben  haben, 
biegt  der  Wellenkamm,  wenn  er  eine  sanfte  Böschung  hinauf  läuft, 
parallel  zur  Küste  um.  Daher  geht  der  Flutstrom  stets  senkrecht 
auf  das  Land  zu  und  fließt  der  Ebbestrom x ebenso  vom  Lande  ab, 
welche  Richtung  sie  auch  immer  in  größerer  Entfernung  von  der 
Küste  verfolgen  mögen. 

Fluthöhe.  Mit  dem  Wellencharakter  der  Gezeiten  hängt  es 
ferner  auch  zusammen,  daß  die  Fluthöhe  an  den  Küsten  des  Fest- 
landes viel  beträchtlicher  ist,  als  auf  dem  offenen  Meere;  erreicht 
sie  doch  selbst  an  den  ozeanischen  Eilanden  Hawaii  und  Tahiti  nur 
0,3  bis  0,6  und  auf  St  Helena  nur  0,»  m.  Besonders  günstig  erweisen 
sich  dreieckige  Buchten,  deren  Boden  allmählich  ansteigt,  indem 
hier  die  Flutwelle  an  Höhe  gewinnt,  was  sie  an  Breite  verliert 
So  sind  an  der  europäischen  Küste  besonders  der  Bristol-Kanal 
und  die  Bai  von  St.  Michel  durch  hohe  Flutwellen  (15,8,  bezw. 
lim)  ausgezeichnet,  und  auf  der  amerikanischen  Seite  erreicht 
die  Flutgröße  in  der  Fundybai  sogar  21,3  m.  In  trichterförmige 
Flußmündungen  eindringend,  schiebt  sich  das  schwere  Salzwasser 
keilförmig  unter  das  Flußwasser  ein,  so  daß  dieses  thatsächlich  einige 
Stunden  aufwärts  fließt.  Die  Vorderseite  der  Flutwelle  ist  hier  be- 
sonders steil,  daher  die  Flut  kürzer  dauert  als  die  Ebbe.  Schwellen 
günstige  orographische  Verhältnisse  die  Flutgröße  beträchtlich  an 
und  finden  sich  ausgedehnte  Untiefen  vor,  so  entwickelt  sich  die 
imposante  aber  gefährliche  Flutbrandung.  (Bore  des  Ganges, 
Mascaret  der  Seine  vor  ihrer  Regulierung,  Pororoca  des  Amazonen- 
stroms). In  mächtiger  Brandung  stürzt  sich  das  Wasser  über  die 
Hachen  Uferbänke,  während  in  der  Mitte  des  Stromes  die  Flutwelle 
als  ungebrochener  mauerartiger  Wall  aufwärts  fortschreitet.  Dort 
wo  die  Gezeitenbewegung  aufhört,  ist  die  eigentliche  Grenze 
zwischen  Fluß  und  Meer;  an  ihr  haben  sich  zahlreiche  der  be- 
deutendsten Handelsstädte  entwickelt.  Sie  liegt  z.  B.  in  der  Weser 
67,  in  der  Elbe  148,  in  den  Hauptarmen  des  Ganges  ca.  250,  am 
Jangtse-Kiang  über  800,  am  Amazonas  nahezu  1000  km  landeinwärts. 

An  den  Tiden  nehmen  aber  nur  die  ozeanischen  Flüsse  teil, 
ln  den  Binnenmeeren  ist  die  Fluthöhe  so  gering,  daß  man  ihnen 
dies  Phänomen  früher  sogar  ganz  abgesprochen  hat.  An  der  Ostküste 
der  Adria  beträgt  sie  z.  B.  durchschnittlich  nur  0,ie  m und  in  Triest 


* Die  Küstenbewohner  gebrauchen  dafür  kurzweg  die  Ausdrücke  Flut 
und  Ebbe. 


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Die  Gezeiten. 


239 


und  Venedig  0,7  m;  nur  in  den  Syrien  steigt  sie  bis  2 m.  In  den 
Belten  und  im  Sund  schwankt  sie  zwischen  0,oe — 0,«2  ni  und  an  der 
deutschen  Ostseeküste  sogar  zur  Zeit  der  Syzygien  nur  zwischen 
U,ot  und  0,n  m.  Bei  Chicago  am  Michigansee  erreicht  die  Spring- 
flut 0,o7  m.  Es  muß  übrigens  nochmals  betont  werden,  daß  auch 
Stürme  den  Wasserstand  wesentlich  beeinflussen,  indem  sie  Wasser 
zur  Küste  hintreiben  (Windstau)  oder  von  ihr  entfernen;  die 
beobachtete  mittlere  Flutgröße  ist  also  nicht  allein  das  Resultat  der 
Gezeitenbewegung. 

Die  periodischen  Veränderungen  der  Fluthöhe  vollziehen 
sich  nicht  überall  in  gleicher  Weise;  aber  unsere  Theorien  sind  zu 
unvollkommen,  als  daß  es  ihnen  bereits  gelungen  wäre,  diese  merk- 


Fig.  49.  Gezeiten  zu  Liverpool  nach  LENTZ.  * 


würdigen  örtlichen  Verschiedenheiten  aufzuhellen.  So  ist  z.  B.  im 
nordatlantischen  Ozean  die  halbmonatliche  Ungleichheit  an  der  ameri- 
kanischen Seite  nur  halb  so  groß,  als  an  der  europäischen.  Die  täg- 
liche Ungleichheit  ist  an  beiden  Gestaden  gering;  am  amerikanischen 
wächst  sie  aber  rasch  nach  S.  zu,  und  im  Golf  von  Mexico  ist  die  kleine 
Ebbe  schon  völlig  verschwunden  und  innerhalb  24  Stunden  wechseln 
Flut  und  Ebbe  nur  einmal.  Solche  Eintagstiden  haben  auch 
die  Golfe  von  Tongking  und  Manila.  Im  nordpaziflachen  Ozean  ist 
die  tägliche  Ungleichheit  ebenfalls  kräftig  entwickelt,  wie  der  Ver- 
gleich der  Fig.  49  und  50  lehrt.  Die  halbmonatliche  Ungleichheit 


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240 


Das  Meer. 


ist  an  beiden  Orten  gut  erkennbar,  die  tägliche  ist  aber  in  Liver- 
pool (nordatlantischer  Typus)  kaum  merkbar,  obwohl  der  Mond  am 
1.  Mai  das  Maximum  der  Deklination  erreicht,  dagegen  sehr  be- 
deutend in  Peterpaulowsk  (nordpazifischer  Typus),  obwohl  die  Mond- 
deklination am  21.  Juni  = 0 ist. x Bis  zum  19.  Juni  ist  das  vor- 
mittägige Hoch-  und  Niedrigwasser  das  größere,  vom  19.  Juni  an 
aber  das  nachmittägige.  Man  beachte  auch,  wie  an  beiden  Orten 
die  Eintrittszeit  von  Hoch-  und  Niedrigwasser  sich  allmählich  ver- 
schiebt. 

Daß  wir  das  Wasser  an  den  Kästen  steigen  und  fallen  sehen, 
beweist  schon,  daß  es  der  Anziehungskraft  des  Mondes  unendlich 
leichter  folgt,  als  die  feste  Erde.  Aber  deshalb  darf  die  letztere 
doch  nicht  als  gänzlich  gezeitenlos  betrachtet  werden,  wie  schon 
auf  S.  17  erörtert  wurde,  und  der  Nullpunkt  des  Pegels,  auf  den 
man  Hoch-  und  Niedrigwasser  bezieht,  ist  daher  selbst  kein  fixer 
Punkt.  Wenn  am  26.  August  1866  der  Wasserstand  zu  Cuxhaven 
von  1,88  auf  4,95  m stieg  (s.  Fig.  42),  so  entfernte  sich  das  Meeresniveau 
nicht  bloß  um  3,13  m vom  Erdmittelpunkte,  sondern  um  3,13  m plus 
dem  Betrage,  um  welchen  der  Pegelnullpunkt  selbst  gestiegen  war. 

Die  beobachtete  Flutgröße  ist  also  gleich  der  wirklichen  Flut- 
größe des  Wassers  weniger  der  Flutgröße  der  festen  Erde,  oder  mit 
anderen  Worten:  die  beobachteten  Tiden  sind  Differential- 
tiden. Wie  groß  die  Erdflut  ist,  läßt  sich  vielleicht  einmal  in 
Bezug  auf  die  halbmonatlichen  Schwankungen  ermitteln;  bedeutend 
ist  sie  jedenfalls  nicht  und  kann  nur  theoretisches  Interesse  bean- 
spruchen. 

Litteraturweise.  1 Segelbandbuch  des  Atlantischen  Ozeans,  herausgeg. 
von  der  deutschen  Seewarte,  Hamburg  1885.  — * Kreidet.,  Untersuchungen 
über  den  Verlauf  der  Flutwellen  in  den  Ozeanen,  Frankfurt  a.  M.  1889.  — 
* Lentz,  Flut  und  Ebbe,  Hamburg  1879. 


Die  Meeresströmungen. 

(Siebe  Karte  XV.) 

Strömungen  können  durch  verschiedene  Ursachen  bewirkt  werden. 
Von  den  sogenannten  Gezeitenströmungen  wurde  bereits  ge- 
sprochen; sie  beherrschen  das  Meer  oft  bis  in  beträchtliche  Ent- 
fernung von  der  Küste,  wie  in  den  britischen  Gewässern,  in  der 
Hudsonstraße  und  im  Lorenzgolf,  in  den  seichten  Gebieten  des 

x Die  tägliche  Ungleichheit  ist  nach  der  Theorie  proportional  dem  Sinus 
der  doppelten  Deklination. 


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Die  Meeresströmungen. 


241 


australasiatischen  Mittelmeeres  oder  im  Golf  von  Carpentaria.  ln 
engen  Meeresstraßen  geben  sie  Veranlassung  zu  Wirbelbildungen, 
von  denen  der  Maelstrom  bei  den  Lofoten  und  die  Scylla  und 
Charybdis  in  der  Meerenge  von  Messina  die  bekanntesten  Bei- 
spiele sind.  Zwischen  Binnenmeeren  und  dem  Ozean  entstehen 
Strömungen  zur  Ausgleichung  des  Salzgehaltes.  Vom  salz- 
reicheren  Meere  geht  ein  Unterstrom  zum  salzarmeren  und  zum 
Ersatz  dafür  ein  Oberstrom  in  entgegengesetzter  Richtung.  So  fließt 
das  Wasser  der  Ostsee  oberflächlich  zur  Nordsee  ab,  während  ein 
Tiefstrom  aus  der  Nordsee  in  die  Ostsee  eindringt,  der  in  der 
Kadettenrinne  zwischen  Darßerort  und  Gjedser  sein  Ende  findet 
Atlantisches  und  pontisches  Wasser  strömt  oberflächlich  in  das  salz- 
reiche Mittelmeer  ein,  von  dem  wieder  Tiefströme  zum  Ozean  und 
zum  Schwarzen  Meere  gehen. 

Wesentlich  anderer  Art  sind  die  großen  ozeanischen  Strö- 
mungen, die  im  Haushalte  der  Natur  eine  so  bedeutsame  Rolle 
spielen.  Flußartig  und  scharf  begrenzt,  wie  sie  in  der  schematischen 
Darstellung  der  meisten  Karten  erscheinen,  sind  sie  freilich  nicht; 
meist  werden  wir  — wie  bei  Flüssen  von  sehr  schwachem  Gefälle  — 
nur  durch  indirekte  Anzeichen  belehrt,  daß  die  Wasserteilchen  in 
einer  bestimmten  Richtung  fortschreiten.  Amerikanisches  Treibholz 
gelangt  z.  B.  nach  Island  und  Norwegen;  Flaschen,  welche  einen 
Zettel  mit  genauer  Angabe  der  Stelle  und  Zeit  des  Aussetzens  ent- 
halten, werden  an  weit  entlegenen  Orten  wieder  aufgefunden.  Die 
Geschichte  erzählt  uns,  daß  Cabkal  im  Jahre  1500,  als  er  nach 
Ostindien  segeln  wollte,  von  den  Strömungen  nach  Westen  entführt 
und  so  der  unfreiwillige  Entdecker  Brasiliens  wurde.  Vor  allem  aber 
ist  die  Temperatur-  und  zum  Teil  auch  die  Salzgehaltsverteilung  im 
Meere  ein  sicherer  Beweis  für  das  Vorhandensein  von  Strömungen 
sowohl  an  der  Oberfläche,  wie  in  der  Tiefe  des  Ozeans. 


Auf  dem  offenen  Meere  ermittelt  man  die  Strom- 
versetzung des  Schiffes  durch  den  Vergleich  des  aus 
dem  Kurs  und  der  Fahrgeschwindigkeit  berechneten 
(„gegißten“  d.  h.  geschätzten)  Standortes  mit  dem 
astronomisch  bestimmten  („Besteck“)  im  Verlaufe  eines 
„Etmals“  (Zeitraum  von  einem  Mittag  zum  anderen). 
Folgendes  Beispiel,  einer  Abhandlung  von  Schott1 
entnommen,  wird  uns  über  das  Wesen  dieser  Be- 
stimmung aufklären.  Ein  Schiff  befindet  sich  an  einem 
Mittag  in  0.  (Fig.  51);  31°  15'  N.,  136°  20'  0.  Am 


Fig.  51.  Die 
Strom  Versetzung. 


nächsten  Mittag  sollte  es  sich  nach  der  Schiffsrechnung  in  A.  (29u  29'  N., 


134°  20'  0.)  befinden,  ist  aber,  wie  die  astronomische  Beobachtung 


Süpan,  Physische  Erdkunde.  2.  Aufl. 


16 


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242 


Das  Meer. 


zeigt,  thatsächlich  in  B.  (29 u 48'  N.,  134°  47'  0.),  wurde  also  wäh- 
rend seiner  Fahrt  durch  eine  Strömung  (AB)  etwas  nach  NO.  ah- 
gelenkt.  Der  Breitenunterschied  zwischen  dem  gegißten  und  astro- 
nomischen Besteck  (BC)  beträgt  19'  oder  19  Seemeilen,  der  Längen- 
unterschied ( A C)  27'  oder  (nach  der  mittleren  Breite  von  A und  B 
berechnet)  23  Seemeilen.  Tn  dem  rechtwinkeligen  Dreiecke  ABC1  sind 
nun  die  beiden  Katheten  bekannt;  daraus  läßt  sich  ermitteln  1.  der 
Weg  AB,  den  die  Strömung  in  24  Stunden  zurückgelegt  hat,  oder 
ihre  Geschwindigkeit,  2.  der  Winkel  ABC  - dem  Winkel  a,  den 
die  Stromrichtung  mit  dem  Meridian  (NS)  einschließt.  Im  vorliegen- 
den Falle  ergiebt  sich  für  die  Strömung  die  Richtung  N.  52°  0.  und 
eine  Geschwindigkeit  von  30  Seemeilen  pro  Tag  = 0,a  m pro  Sek., 
also  eine  bedeutend  geringere  als  die  Wellengeschwindigkeit.  Eben 
dadurch  entzog  sie  sich  der  direkten  Beobachtung. 

Es  ist  klar,  daß  diese  Methode,  die  Stromversetzung  zu  be- 
stimmen, an  großen  Übelständen  leidet,  denn  das  Resultat  hängt 
ganz  von  der  Zuverlässigkeit  der  Schiffsreclmung  und  der  astrono- 
mischen Positionsbestimmung  ab.  Temperatur-  und  Salzgehalts- 
messungen  müssen  daher  immer  ergänzend  mitwirken;  namentlich 
letztere  betrachtet  Schott  als  das  sicherste  Mittel,  um  über  die 
polare  oder  äquatoriale  Herkunft  einer  Wasserprobe  zu  entscheiden. 
Aber  jede  Beobachtung  gilt  zunächst  nur  für  die  Jahreszeit,  in  der 
sie  gemacht  wurde;  stellt  man  alle  zusammen,  so  erkennt  man,  daß 
sowohl  die  Richtung  wie  die  Stärke  der  Meeresströmungen  stellen- 
weise erheblichen  jahreszeitlichen  Schwankungen  unterworfen 
sind.  Auch  aus  diesem  Grunde  sind  unsere  Stromkarten  nur  sehr 
schematisch. 

Nordatlantischer  Ozean.  Am  besten  kennt  man  begreiflicher- 
weise die  Strömungen  im  Atlantischen  Ozean.  In  der  Zone 
zwischen  ca.  20°  N.  und  10°  S.  Hießen  die  beiden  Aquatorial- 
strömungen  nach  Westen,  die  nördliche  in  ihren  Grenzen  etwas 
schwankend,  die  südliche  stets  über  den  Äquator  auf  unsere  He- 
misphäre übersetzend.  Ihre  Geschwindigkeit  ist  am  größten,  wenn 
die  Sonne  in  den  Wendekreisen  steht,  nimmt  aber  stets  vom  Äquator 
gegen  die  Ränder  ab.  Im  Mittel  beträgt  sie  in  der  nördlichen  Strö- 
mung 24,  in  der  südlichen  30  km  pro  Tag.  Zwischen  beiden  bewegt 
sich  die  Guineaströmung  mit  einer  durchschnittlichen  Geschwin- 
digkeit von  28  km  in  entgegengesetzter  Richtung.  Stets  breitet  sie 
sich  fächerartig  gegen  Osten  aus;  ihr  Anfang  liegt  nach  Khümmkl 
im  Jahresmittel  in  35'/2°  W.,  schwankt  aber  zwischen  25  und  50°  W., 
und  ebenso  schwankend  ist  ihre  Breite  im  Osten. 

Über  den  weiteren  Verlauf  der  Äquatorialströmungen  und  ihren 


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Die  Meereströmungen. 


243 


Zusammenhang  mit  dem  Golf-  oder  Floridastrome  x haben  die  syste- 
matischen Untersuchungen  der  amerikanischen  Marine  seit  1883,  die 
an  verschiedenen  Punkten  von  einem  verankerten  Schiffe  aus  vor- 
genommen wurden,  helles  Licht  verbreitet.  * Am  südamerikanischen 
Kap  S.  Roque  teilt  sich  der  südliche  Aquatorialstrom.  Der  Nordarm 
vereinigt  sich  mit  der  nördlichen  Aquatorialströmung,  und  beide  fließen 
nun  teils  als  Antillenstrom  an  der  Außenseite  der  westindischen 
Inseln  nach  NW.,  teils  dringen  sie  durch  die  vielen  Passagen  zwischen 
den  Inseln  St.  Vincent  und  Antigua  in  das  Karibische  Meer  ein,  kehren 
aber  zum  Teil  als  Unterstrom  wieder  in  den  Ozean  zurück.  Am 
kräftigsten  ist  der  Strom  zwischen  St.  Vincent  und  St.  Lucia;  süd- 
lich von  Grenada  herrschen  wechselnde  Strömungen,  westlich  von 
Antigua,  im  Umkreise  der  Großen  Antillen,  nur  Gezeitenströme.  Aber 
nicht  die  ganze  Wassermenge,  die  durch  die  Floridastraße  in  den 
Ozean  sich  ergießt  (89872  Mill.  Tons  pro  Stunde),  stammt  von  jenen 
Zuflüssen  der  Aquatorialströmung  her;  auch  nordhemisphärisches 
Wasser,  das  der  Passat  durch  die  Antillenpassagen  in  das  Karibische 
Meer  hineintreibt,  mag  einen  erheblichen  Beitrag  leisten.  In  diesem 
Meere  ist  der  Strom  im  Anfänge  an  der  Oberfläche  kaum  erkennbar, 
wächst  aber  nach  W.  zu  rasch  an  Geschwindigkeit  und  tritt  endlich 
durch  die  Yucatan -Straße  in  den  Golf  von  Mexico  ein.  Auch  hier 
verliert  sich  wieder  der  oberflächliche  Zusammenhang,  die  Strö- 
mungen sind  schwach  und  wechselnd;  erst  am  Eingänge  in  die  Flo- 
ridastraße, etwa  in  85°  L.,  ist  die  östliche  Richtung  deutlich  aus- 
geprägt. Diese  Straße  durcheilt  der  herrliche,  55  km  breite  und  800  m 
mächtige  Floridastrom  mit  einer  mittleren  täglichen  Geschwindig- 
keit von  134  km,  die  sich  zeitweise  bis  zu  220  km  steigert,  also  die 
des  Oberrheins  bei  mittlerem  Wasserstande  sogar  noch  übertrifl't 
Auch  darin  bleibt  die  Analogie  mit  den  festländischen  Flüssen  ge- 
wahrt, daß  die  Geschwindigkeit  in  oder  nahe  der  Mitte  am  größten 
ist  und  gegen  die  Ränder  abnimmt.  In  den  periodischen  Schwan- 
kungen der  Richtung,  Breite,  Geschwindigkeit  und  Temperatur  zeigt 
sich  aber  ein  deutlicher  Zusammenhang  mit  dem  Gezeitenphänomen. 
Mit  steigender  Deklination  des  Mondes  breitet  sich  der  Strom  aus, 
wird  aber  flacher;  die  Geschwindigkeit  nimmt  an  den  Rändern  zu, 
in  der  Mitte  aber  ab,  wodurch  sich  auch  die  Temperaturgegeusätze 
zwischen  diesen  Stromteüen  abschwächen. 

ln  den  Ozean  hinaustretend,  bewegt  sich  der  Floridastrom, 

x Der  Name  Floridastrom  war  bis  Franklin  (1772)  allein  üblich,  und 
KrCmmel  hat  in  neuester  Zeit  versucht,  ihn  wieder  einzubürgern,  weil  man 
unter  dem  Namen  Golfstrom  vieles  zusammenfaßt,  was  nicht  strenge  zusammen- 
gehört. 

16* 


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244 


Das  Meer. 


durch  bedeutenden  Salzgehalt,  tiefblaue  Färbung  und  hohe  Tempe- 
ratur von  der  Umgebung,  besonders  im  W.,  scharf  sich  abhebend, 
entlang  der  200  m -Linie  und  parallel  mit  der  nordamerikanischen 
Küste,  nach  NW.  bis  zum  Kap  Hatteras.  Von  da  entfernt  er  sich, 
seine  frühere  Richtung  beibehaltend,  immer  weiter  vom  Festlande  und 
endet  ungefähr  in  40°  oder  45°  W.  Dabei  wird  er  immer  breiter, 
flacher,  langsamer,  kälter; x am  Ende  zerfasert  er  sich  in  kalte  und 
warme  Bänder.  Ein  solches  Vorkommen  deutet  aber  nicht  not- 
wendiger Weise  darauf  hin,  daß  hier  Strömungen  von  verschiedener 
Temperatur  auf  einander  stoßen  und  sich  gegenseitig  durchdringen; 
ein  solcher  Schluß  ist  vielmehr  erst  dann  völlig  gerechtfertigt,  wenn 
sich  zu  den  Gegensätzen  der  Temperatur  auch  solche  des  Salzgehaltes, 
vielleicht  auch  der  Färbung  gesellen. 

Die  Antillenströmung  bewegt  sich  parallel  mit  dem  Floridastrome 
nach  Nordwest  und  dann  nach  Nordost.  Als  eine  Fortsetzung  beider 
kann  jener  Arm  betrachtet  werden,  der  in  östlicher  Richtung  den 
Ozean  durchquert,  an  der  afrikanischen  Küste  nach  Süden  umbiegt, 
und  endlich  in  die  nordatlantische  Äquatorialströmung  einläuft.  Da 
der  meridionale  nordafrikanische  Strom  von  höheren  in  niedere 
Breiten  fließt,  wirkt  er  abkühlend  auf  die  Meeresoberfläche. 

Innerhalb  des  großen  nordatlantischen  Stromwirbels  breitet  sich 
eine  verhältnismäßig  ruhige  See  aus.  Hier  sammeln  sich  die  von 
den  westindischen  und  karibischen  Felsenküsten  losgerissenen  und 
von  Flüssen  herbeigeführten  Tange  vom  Sargassumgeschlechte  an,  die 
sich  vermöge  ihres  Reichtums  an  Luftblasen  in  ihren  oberen  Teilen 
im  Wasser  aufrecht  erhalten. 

Jene  beiden  Krautbänke,  die  nach  Humboldts  Ansicht  seit 
Jahrhunderten  an  ihrer  Stelle  verharren,  sucht  der  Seefahrer  freilich 
vergebens,  aber  ebensowenig  entspricht  es  den  Thatsachen,  wenn 
Kdntze  die  Existenz  eines  Sargassomeeres  kurzweg  leugnet. 
Kbümmel3  wendet  diesen  Namen  auf  jenes  Gebiet  an,  wo  treibende 
Tangmassen  in  10  und  mehr  Prozent  aller  untersuchten  Fälle  ange- 
troffen wurden;  es  erstreckt  sich  von  39  bis  75°  W.  und  von  21  bis 
34°  N.,  umfaßt  also  eine  Fläche  von  nahezu  4'/2  MilL  qkm. 

* Temperaturen  nach  v.  Booüslawski: 


N.  B. 

Floridastraß© 

25° 

Kap  Hatteras 
35° 

Södl.  v.  Neuschottland 

43° 

Winter 

25,o° 

22.s° 

16, T° 

Frühling 

25,6 

22,8 

19,4 

Sommer 

28,3 

26, J 

25,6 

Herbst 

27,s 

24,4 

20,o 

Jahre 

26,t 

24,o 

20,4 

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Die  Meeresströmungen. 


245 


Unmittelbar  au  den  Floridastrom  und  die  Ausläufer  der  Antillen- 
strömung schließt  sich  jene  berühmte  nordöstliche  * Strömung  an, 
die  für  das  Klima  unseres  Kontinentes  so  außerordentlich  wichtig 
ist,  und  auf  die  wir  nach  Peter manns  Vorgänge  den  Namen  Golf- 
strom beschränken.  Ihr  Zusammenhang  mit  den  tropischen  Ge- 
wässern ist  durch  Treibprodukte  aus  Westindien,  ja  sogar  aus  dem 
Meerbusen  von  Guinea  außer  allem  Zweifel  gestellt  Auch  Hießt  nicht 
bloß  eine  oberflächliche  Schicht  warmen  Wassers  dem  arktischen 
Meere  zu;  liegt  doch  noch  beim  Felseneilande  Rokall  (57,6°  B.)  die 
Tiefenisotherme  von  5°  um  650  m tiefer  als  im  atlantischen  Äqua- 
torialgürtel. Im  Sommer  erreicht  der  Golfstrom  seine  größte  Aus- 
dehnung. Ein  Ausläufer  dringt  vielleicht  in  die  Baffinbai  ein,  aber 
höchstens  bis  zum  75.  Parallel;  ein  zweiter  bespült  die  West-  und 
Nordküste  Spitzbergens  und  gelangt  dann  nach  Kükenthal4  von  N. 
her  in  die  Hinlopenstraße ; ein  dritter  erreicht  NowajaSemlja,  hat  aber 
(nach  einer  Messung  im  Jahre  1881)  am  Eingänge  in  die  Matotsclikin- 
straße  nur  mehr  eine  Mächtigkeit  von  höchstens  2 m.  Dieß  ist  wohl 
der  östlichste  Punkt  des  Golfstromes,  denn  wenn  auch  im  Spätsommer, 
wenigstens  im  September,  eine  eisfreie  Rinne  die  Schifffahrt  vom 
Jenissei  bis  zum  Kap  Tscheljuskin  ermöglicht,  so  verdankt  man  dies 
den  großen  sibirischen  Flüssen,  deren  Gewässer  nach  dem  Austritte 
in  das  Meer  durch  die  Erdrotation  nach  Osten  abgelenkt  werden. 

Im  Winter  erlischt  der  Golfstrom  schon  in  geringerer  Polhöhe, 
aber  noch  immer  umgiebt  er  Island  und  Norwegen  mit  einem  warmen 
Mantel. 

An  drei  Stellen  trifft  er  mit  Polarströmen  zusammen,  die  im 
Sommer  Eisberge  und  Meereis  nach  Süden  entführen.  Der  Labra- 
dorstrom, der  aus  der  Baffinbai  kommt  und  durch  zahlreiche  Zu- 
flüsse aus  dem  arktischen  Archipel  von  Nordamerika  verstärkt  wird, 
begegnet  dem  Floridastrome  bei  Neufundland,  und  weicht  ihm,  durch 
die  Erdrotation  abgelenkt,  nach  links  aus.  Er  bildet  den  sogenannten 
„kalten  Wall“  an  der  Ostküste  der  Vereinigten  Staaten  und  dringt 
auch  — wie  der  Verlauf  der  Tiefenisothermen  in  Fig.  54  (S.  262) 
lehrt  — unter  die  warme  Strömung  ein.  Daß  übrigens  ein  Teil  des 
kalten  Wassers  schon  bei  Neufundland  unter  den  Floridastrom  unter- 
taucht und  direkt  nach  Süden  fließt,  ergiebt  sich  daraus,  daß  ge- 
legentlich Eisberge  den  letzteren  durchqueren.  Ähnlich  verhält  sich 
die  ostgrönländische  Strömung,  ehe  sie  an  der  Südspitze  Grönlands 
nach  Norden  umbiegt,  zum  Golfstrome  bei  Island,  nur  daß  hier  im 


x Im  Gegensätze  zur  Richtung  der  Winde  bezeichnet  inan  die  der  Meeres- 
strömungen nach  der  Himmelsgegend,  nach  welcher  sie  Hießen. 


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246 


Das  Meer. 


Sommer  das  kalte  Wasser  nicht  bloß  unterseeisch  unter  das  wanne 
eindringt,  sondern  auch  oberflächlich  dasselbe  überflutet,  weil  sein 
spezifisches  Gewicht  durch  das  Schmelzwasser  des  Eises  verringert 
wird.  Eine  dritte  arktische  Strömung  begegnet  dem  Go'lfstrome  im 
Sommer  bei  der  Bäreninsel  und  teilt  ihn  in  zwei  Arme.  Über  das 
Verhalten  dieses,  sowie  des  vorhergenannten  Polarstromes  im  Winter 
wissen  wir  nichts  Sicheres. 

Die  übrigen  Ozeane.  Der  südliche  Arm  der  atlantischen  Aqua- 
torialströmung  Hießt  nach  den  Untersuchungen  von  Krümmei.  als 
Brasilstrom  der  Küste  von  Südamerika  entlang  bis  48°  S.  und 
biegt  dann  nach  Osten  um,  um  im  Vereine  mit  einem  Ausläufer 
der  großen  antarktischen  Ostströmung  als  Benguelastrom  in  die 
Äquatorialströmung  wieder  einzumünden.  Zwischen  dem  Brasilstrome 
und  der  Küste  zieht  der  Falklandstrom,  ein  Ausläufer  der  ant- 
arktischen Strömung  und  somit  ein  Gegenstück  des  Labradorstromes, 
bis  Rio  Janeiro. 

Demselben  Kreisläufe  begegnen  wir  auch  in  den  übrigen  Ozeanen 
zwischen  50°  N.  und  8.:  zwei  äquatoriale  Strömungen,  die  durch 
eine  Gegenströmung  getrennt  werden;  warme  Ströme,  die  als  Aus- 
läufer der  äquatorialen  an  den  Ostküsten  der  Kontinente  höheren 
Breiten  zueilen  (der  Kuro  Sch  io  entspricht  dem  Florida-,  die 
ostaustralische  und  Agulhasströmung  dem  Brasilstrome);  Um- 
biegung dieser  Ausläufer  nach  0.  und  Stauung  an  den  östlichen 
Festländern,  an  deren  Westseiten  kühle  Ströme  gegen  den  Äquator 
Vordringen,  um  sich  mit  der  äquatorialen  Strömung  zu  vereinigen 
(californiscli-mexicanische  Strömung,  Perustrom  und  west- 
australische Strömung,  letztere  aber  ausnahmsweise  durch  einen 
warmen  Stromarm  von  der  Küste  getrennt).  In  der  Mitte  der  Strom- 
ringe dehnen  sich  verhältnismäßig  ruhige  Gebiete  aus. 

Ist  aber  auch  diese  Anordnung  allen  Ozeanen  gemeinsam,  so 
hat  doch  jeder  wieder  seine  Eigentümlichkeiten.  Im  Indischen 
Ozean  und  in  der  Chinasee  ist  die  nördliche  Äquatorialströmung 
und  die  Gegenströmung  nur  zur  Zeit  des  Nordost- Monsuns  ausge- 
bildet, im  Sommer  bleibt  aber  von  dem  regelmäßigen  System  nur 
noch  der  südliche  Äquatorialstrom  übrig,  der,  sobald  er  in  nördliche 
Breiten  Übertritt,  dem  Südwest-Mönsun  folgt  und  nach  Nordost  um- 
hiegt.  Im  Pazifischen  Ozean  fällt  namentlich  die  streifenartige  Ent- 
wicklung des  Gegenstromes  gegenüber  der  keilartigen  im  Atlantischen 
Ozean  auf,  aber  wir  dürfen  nicht  vergessen,  daß  die  Beobachtungen 
dort  mangelhaft  sind.  Im  Osten  finden  wir  manche  Anklänge  an 
atlantische  Verhältnisse.  Der  Kuro-Schio  ist  wie  der  Florida- 
strom eine  kräftige,  warme,  salzreiche,  blaue  Strömung.  Wie  aus 


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Die  Meeresströmungen. 


247 


den  Arbeiten  von  Schott  hervorgeht,  tritt  die  Äquatorialströmung 
bei  Formosa  in  die  nördliche  Chinasee  ein  und  Hießt  westlich  von  den 
Riu-Kiu-Inseln  bis  zur  Van  Diemenstraße,  wo  sie  sich  teilt.  Ein 
Nebenarm  begleitet  die  Westküste  Japans,  der  Hauptarm  aber,  der 
eigentliche  Kuro-Schio,  ergießt  sich  in  den  Ozean,  verfolgt  zunächst 
die  Ostküste  Japans  und  wendet  sich  dann  nach  Osten.  Wie  der 
Florida-  mit  dem  Labradorstrome  an  der  Neufundland-Bank,  so  stößt 
der  Kuro-Schio  mit  der  kalten  Kurilen-Strömung  zusammen; 
nur  verschiebt  sich  hier  die  Berührungsstelle  mit  den  Jahreszeiten, 
von  38°  B.  im  Februar  bis  50°  B.  im  August.  Auch  ein  Gegenstück 
der  Antillenströmung  fehlt  nicht;  wir  erblicken  es  im  Boninstrome 
östlich  von  der  Riu-Kiu-Kette.  Was  dem  Großen  Ozean  aber  fehlt, 
ist  ein  Golfstrom;  ein  solcher  kann  sich  hier  nicht  entwickeln,  denn 
in  der  Breite,  in  welcher  jener  im  Atlantischen  Ozean  erst  beginnt, 
hegen  die  Aleuten  und  jenseits  derselben  steigt  der  Meeresboden 
rasch  zur  seichten  Beringenge  an.  Kein  Ausläufer  des  Kuro-Schio 
dringt  über  den  Aleutengürtel  vor,  wie  Dali,  nachgewiesen  hat,  und 
ebenso  wenig  dringt  ein  Strom  aus  dem  arktischen  Meere  durch  die 
Beringstraße  in  den  Stillen  Ozean  ein.  Wohl  kommen  aber  kalte 
Strömungen  aus  dem  Bering-  wie  aus  dem  Ochotskischen  Meere,  die 
im  Winter  weit  nach  Süden  ausgreifen:  der  schon  genannte  k uri- 
lisch e längs  den  Küsten  von  Kamtschatka  bis  nach  Nipon,  der 
sachalinische  an  der  Ostseite  Sachalins  und  die  Amur-Liman- 
Strömung,  die  an  der  Festlandsküste  wahrscheinlich  bis  nach  Korea 
gelangt  Seihst  das  Gelbe  Meer  sendet  einen  kühlen  Strom  bis  in 
die  südliche  Chinasee. 

Theorie  der  ozeanischen  Strömungen5.  Man  hat  als  erzeugende 
Kraft  der  Meeresströmungen  bald  die  Erdrotation,  bald  die  Winde 
angenommen. 

Denken  wir  uns,  eine  von  Meer  bedeckte  Erde  ohne  atmosphä- 
rische Hülle  und  ohne  Temperaturunterschiede  beginne  sich  um 
ihre  Achse  zu  drehen.  In  diesem  Moment  werden  unzweifelhaft 
Strömungen  beginnen,  aber  nur  solange  dauern,  bis  überall  das 
Gleichgewicht  zwischen  Schwer-  und  Fliehkraft  hergestellt  ist.  Das 
Endergebnis  ist  die  sphäroldale  Gestalt;  es  ist  aber  nicht  einzusehen, 
wie  die  heutigen  Strömungen  mit  der  Erdrotation  als  primäre 
Ursache  Zusammenhängen  sollen.  Ihr  Einfluß  beginnt  erst  wieder, 
sobald  aus  irgend  einer  anderen  Ursache  das  Gleichgewicht  gestört 
wird,  wie  wir  bei  der  Erörterung  der  modernen  Windtheorie  ge- 
sehen haben. 

Solche  Störungsmoinente  finden  sich  auch  im  Ozean,  nämlich  Un- 
gleichheiten der  Erwärmung  und  des  Salzgehaltes,  mit  einem  Worte, 


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248 


Das  Meer. 


Dickteunterschiede.  Daß  diese  eine  Deformation  der  Meeres- 
oberfläche und  damit  auch  Strömungen  erzeugen,  haben  wir  im  An- 
schlüsse an  Mohns  Monographie  des  europäischen  Nordmeeres  schon 
auf  S.  209  dargethan.  Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  daß  — abgesehen 
von  den  Gezeiten  — der  Ozean  auch  dann  keine  bewegungslose 
Masse  wäre,  wenn  die  Lufthülle  in  ewiger  Ruhe  verharrte;  aber 
ebenso  unzweifelhaft  geht  aus  Mohns  Rechnungen  hervor,  daß  diese 
Ausgleichsströmungen  in  ihrer  Kraft  und  Bedeutung  weit  zurück- 
treten hinter  die  W indströmungen.  In  diesem  Sinne  darf  man  sagen, 
der  Wind  ist  der  Hauptmotor  der  ozeanischen  Ströme.  Daß 
zwischen  beiden  Phänomenen  ein  innerer  Zusammenhang  bestehen 
müsse,  drängt  sich  schon  bei  der  vorurteilslosen  Betrachtung  einer 
Karte  der  Meeresströmungen  auf  und  war  schon  längst  die  Über- 
zeugung der  Seefahrer  und  seekundigen  Männer. 

Es  ist  dabei  freilich  noch  nicht  ganz  klar,  wie  zwei  so  ver- 
schiedenartige Bewegungen,  wie  die  wellenförmige  und  strömende, 
durch  eine  und  dieselbe  Kraft  in  einem  und  demselben  Medium 
hervorgerufen  werden  können,  lins  erscheint  die  Strömung  als  eine 
Steigerung  der  Wellenbewegung,  etwa  in  dieser  Reihenfolge:  kapil- 
lare Wellen,  ausgebildete  Wellen,  oberflächliche  Trift,  tiefer  greifender 
Meeresstrom;  über  die  Art  und  Weise,  wie  die  eine  Bewegungsform 
sich  in  die  andere  umsetzt,  liegen  aber  unseres  Wissens  noch  keine 
Beobachtungen  vor.  Zunächst  müssen  wir  uns  mit  der  Thatsaclie 
begnügen,  daß  Winde  Strömungen  erzeugen.  Sehr  lehrreich  sind  in 
dieser  Beziehung  die  Beobachtungen  auf  dem  deutschen  Feuerschiffe 
„Adlergrund“  zwischen  Rügen  und  Bomholm,  die  ersten  Beobach- 
tungen dieser  Art  von  einem  festen  Punkte  aus  und  in  genügender 
Entfernung  vom  Lande 8.  In  86  Prozent  aller  Fälle  lief  die  Strömung 
mit  dem  Winde  des  betreffenden  Tages,  und  der  Einfluß  des  Windes 
erstreckte  sich  schon  in  kurzer  Zeit  bis  5 m Tiefe.  Die  Strom- 
richtung fiel  aber  nicht  genau  mit  der  Windrichtung  zusammen, 
sondern  wich  im  Durchschnitte  um  30°  nach  rechts  ab.  Waren  die 
Winde  veränderlich,  so  war  die  Strömung  für  das  ganze  Etmal  die 
Resultante  aller  Winde;  und  nur  dann,  wenn  die  Luftbewegung 
schwach  war,  konnte  es  Vorkommen,  daß  der  Strom  nicht  mit  dem 
Winde  oder  sogar  gegen  denselben  lief. 

Was  der  allgemeinen  Anwendung  der  Trifttheorie  auf  die 
Meeresströmungen  hindernd  im  Wege  stand,  war  die  Ansicht,  daß 
der  Wind  nur  die  Oberflächenschicht  des  Wassers  in  Bewegung 
setzen  könne,  aber  nicht  in  die  Tiefe  dringe.  Diesen  Irrtum  be- 
seitigt zu  haben,  ist  das  unsterbliche  Verdienst  von  Zöppbitz.  In 
seiner,  1878  erschienenen  Abhandlung7  gelangte  er  — allerdings 


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Die  Meeresströmungen. 


249 


unter  der  Voraussetzung  eines  unbegrenzten  und  gleichmäßig  tiefen 
Ozeans  — zu  folgendem  Ergebnisse.  Wenn  sich  die  oberste  Wasser- 
schicht aus  irgend  einem  Grunde  mit  gegebener  Geschwindigkeit  in 
ihrer  eigenen  Ebene  fortbewegt,  so  erhält  die  zweite  Schicht  infolge 
ihres  molekularen  Zusammenhanges  mit  der  obersten  einen  Antrieb 
zur  Bewegung  in  gleicher  Richtung,  und  ihre  Geschwindigkeit  muß 
sich  der  der  ersten  Schicht  immer  mehr  nähern,  wenn  die  gleich- 
förmige Bewegung  fortdauert  In  gleicher  Weise  pflanzt  sich  die 
Bewegung  bei  genügend  langer  Dauer  auf  die  dritte,  dann  auf  die 
vierte  Schicht  fort,  und  endlich  bis  zum  Boden.  In  einem  4000  m 
tiefen  Ozean  wird  unter  der  Voraussetzung,  daß  der  Wind  an  der 
Oberfläche  mit  konstanter  Richtung  und  Geschwindigkeit  weht,  die 
Schicht  in  100  m Tiefe  in  41  Jahren  1/l0  und  in  239  Jahren  die 
halbe  Obertiächengeschwindigkeit  erreichen.  In  ca.  200000  Jahren 
wird  der  stationäre  Zustand  hergestellt  sein,  in  welchem  die  Ge- 
schwindigkeit von  der  Oberfläche  bis  zum  Boden  proportional  der 
Tiefe  abnimmt 

In  Wirklichkeit  bleibt  sich  allerdings  weder  die  Richtung  noch 
die  Geschwindigkeit  des  Windes  immer  gleich.  Aber  auch  die  Ver- 
änderungen pflanzen  sich  nur  mit  großer  Langsamkeit  nach  der  Tiefe 
fort,  sodaß  rasch  vorübergehende  nur  die  obersten  Schichten  beein- 
flussen. Die  tieferen  Schichten  werden  dagegen  im  Laufe 
der  Zeit  eine  Bewegung  in  der  Richtung  der  vorherrschen- 
den Winde  annehmen,  und  ihre  Geschwindigkeit  wird  durch 
die  mittlere  Geschwindigkeit  an  der  Oberfläche  bestimmt. 
Mit  anderen  Worten:  Die  großen  Meeresströmungen  der  Gegenwart 
sind  ein  Produkt  aller  Winde,  die  seit  ungezählten  Jahrtausenden 
über  die  betreffenden  Gegenden  des  Ozeans  hinweggestrichen  sind. 

Diese  durch  den  Wind  an  Ort  und  Stelle  erzeugten  Strömungen 
nennt  Kbümmel  gezwungene.  * Infolge  der  ihm  eigenen  Bewe- 
gungsenergie setzt  aber  jedes  Wasserteilchen  seinen  einmal  einge- 
schlagenen Weg  fort,  solange  die  Reibung  mit  den  ruhigen  Wasser- 
teilchen, die  es  ebenfalls  in  Bewegung  setzen  muß,  seine  Geschwindigkeit 
nicht  aufgezehrt  hat.  Die  durch  einen  bestimmten  Wind,  z.  B. 
den  Passat,  erzeugte  Bewegung  kann  sich  also  auch  außer- 
halb seines  Bereiches  fortsetzen.  Dieser  Fall  tritt  ein,  wenn 
der  Strom  auf  ein  festes  Ufer  stößt.  Nehmen  wir  mit  Zöpphitz  der 
Einfachheit  wegen  eine  Vertikalwand  an,  so  muß  sich  der  Strom  in 
zwei  teilen,  die  dieselbe  Geschwindigkeit,  wie  die  Mntterströmung, 
aber  nur  mehr  ihre  halbe  Breite  besitzen.  Diese  Ströme  nennt 


x Vgl.  dazu  S.  235  Anm. 


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250 


Das  Meer. 


Krümmel  freie.  Umgekehrt  vereinigen  sieh  zwei  gleiche  Ströme, 
die  entlang  einer  Wand  einander  zufließen,  zu  einem  einzigen,  der 
mit  der  Geschwindigkeit  und  doppelten  Breite  der  Stammströmungen 
im  rechten  Winkel  von  der  Wand  abtließt. 

So  weittragend  aber  auch  die  Schlußfolgerungen  der  Trifttheorie 
sind,  so  erschöpfen  sie  doch  nicht  die  Fülle  des  natürlich  Gegebenen. 
Sie  bedürfen  einer  Ergänzung,  und  diese  gab  Krümmel.8 

Das  Wasser  ist  nämlich  eine  zusammenhängende,  unelastische 
Flüssigkeit,  die  jeden  Mangel  an  einer  Stelle  durch  Zufluß  von  allen 
Seiten  auszugleichen  strebt.  Der  Satz  des  alten  Vahenius:  Wenn 
ein  Teil  des  Ozeans  sich  bewegt,  so  bewegt  sich  der  ganze  Ozean, 
gilt  in  seinem  vollen  Umfange.  Hier  knüpfte  Krümmel  mit  seinen 
ebenso  einfachen  wie  sinnreichen  Experimenten  an.  In  dem  vier- 
eckigen Wassergefäße  in  Fig.  52a  rufen  die.  beiden  Triftströme,  die 


durch  kräftige  Pfeile  dargestellt  sind,  ein  ganzes  System  anderer 
Ströme  hervor,  die  alle  nach  der  Stelle  hineilen,  wo  Wasser  weg- 
geblasen wurde.  Der  Gegenstrom  in  der  Mitte  und  die  Stromringe 
zu  beiden  Seiten  der  Triftströme  sind  deutlich  zu  erkennen.  Durch 
eingesetzte  Blechwände  lassen  sich  ähnliche  unregelmäßige  Ufer- 
gestaltungen erzielen,  wie  sie  in  der  Natur  Vorkommen;  Fig.  52b 
giebt  z.  B.  den  Äquatorialansschnitt  aus  dem  Atlantischen  Ozean, 
und  die  Strömungen  zeigen  in  der  That  auch  eine  überraschende 
Ähnlichkeit  mit  unserem  Kartenbilde  auf  Taf.  XV. 

Das  System  der  Windströmungen  besteht  also  stets  aus 
2 Teilen: 

1.  Ströme  der  direkten  Wirkung,  primäre  oder  Triftströmungen, 


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Die  Meeresströmungen. 


251 


a)  gezwungene  Ströme, 

b)  freie  Ströme; 

2.  Ströme  der  indirekten  Wirkung,  sekundäre  oder  Kompen- 
sationsströme. 

Auf  jeden  Strom  wirkt  die  Erdrotation  ablenkend;  über  das 
Maß  dieser  Ablenkung  gehen  aber  die  Ansichten  auseinander.  Jeden- 
falls ist  zu  beachten,  daß  die  Geschwindigkeit  der  Strömungen  um 
sehr  vieles  geringer  ist,  als  die  der  Winde;  so  berechnete  Mohn, 
daß  im  Durchschnitte  ein  Wind  von  10  m pro  Sekunde  nur  eine 
Strömung  von  O.os  m erzeugen  könne!  Eine  so  langsame  Bewegung 
ist,  so  sollte  man  meinen,  dem  Einflüsse  der  Erdrotation  nicht  in  hohem 
Grade  unterworfen.  Andererseits  ist  aber  doch  ein  starkes  West- 
drängen der  polaren  und  ein  starkes  Ostdrängeu  der  äquatorialen 
Strömungen  unverkennbar;  wir  werden  indeß  sogleich  sehen,  daß 
hierbei  zum  Teil  auch  andere  Umstände  mitwirken. 

Anwendung  der  Trifttheorie  auf  die  beobachteten  Strömungen. 
Etwa  zwischen  40°  N.  und  ebensoviel  S.B.  vollzieht  sich  die  strö- 
mende Bewegung  des  Meeres  in  einer  Weise,  die  allen  Anforderungen 
der  Trifttheorie  entspricht.  Die  Äquatorialströmungen  stehen  ganz 
unter  dem  Einflüsse  der  Passate;  der  südliche  ist  kräftiger  entwickelt 
und  tritt  im  Atlantischen  Ozean  über  den  Äquator  hinüber,  genau 
so  wie  der  Passat;  im  nordindischen  Ozean  wechseln  die  Ströme 
mit  den  Monsunen.  Wie  die  Äquatorialströmungen  typische  Bei- 
spiele gezwungener  Triften  sind,  sind  die  Gegenströmungen  reine 
Kompensationsströme.  An  den  Westküsten  der  Ozeane  entwickeln 
sich  aus  den  Äquatorialströmungen  durch  Teilung  freie  Ströme,  aber 
diese  nehmen  bald  einen  gemischten  Charakter  an.  Einerseits  ge- 
langen sie  in  die  Gebiete  des  rückläufigen  Passates  — wie  man 
besonders  deutlich  im  südatlantischen  Ozean  sieht  — und  werden 
dadurch  zu  gezwungenen  Strömen,  andererseits  wirkt  das  Kompen- 
sationsbedürfnis an  der  Ursprungsstätte  der  Passate  anziehend  auf 
die  nach  Osten  sich  umbiegenden  Ströme.  Aus  diesem  Ineinander- 
greifen verschiedener  Kräfte  erklärt  es  sich,  daß  die  Kerne  der 
Stromringe  nicht  mit  den  subtropischen  Anticvklonen  zusammenfallen. 

In  den  mittleren  und  höheren  Breiten  herrschen  äquatoriale 
Südwest-,  bezwr.  Nordwestwinde  vor.  Von  dem  nordpaziüschen  Ozean 
sehen  wir  aus  schon  erörterten  Gründen  hier  ab;  im  nordatlantischen 
Ozean  folgt  aber  der  Golfstrom  in  der  That  der  vorwaltenden  Wind- 
richtung; seine  Herkunft  aus  den  Tropen  ist,  wie  wir  wissen,  außer 
Zweifel  gestellt  Auch  liier  haben  wir  also  allem  Anscheine  nach 
eine  wirkliche  Trift. 

Die  Nordwestwinde  der  mittleren  südlichen  Breiten  sind  noch 


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252 


Das  Meer. 


stärker,  noch  regelmäßiger  als  die  nordischen  Südwestwinde.  Hier 
sollten  wir  also  auch  Golfströme  erwarten,  die  Wärme  in  die  ant- 
arktische Zone  hinein  tragen;  und  doch  werden  wir  enttäuscht.  Aller- 
dings umspannt  eine  gewaltige,  zusammenhängende  Ostströmung 
den  ganzen  circumterranen  Ozean  jenseits  des  40.  Parallels,  aber 
sie  stammt  nicht  aus  dem  warmen  Erdgürtel.  Wenn  auch  die  Ost- 
richtung im  großen  und  ganzen  den  Winden  entspricht,  so  ist  doch 
von  den  beiden  anderen  Komponenten  die  nördliche  entschieden  die 
kräftigere,  nicht  die  südliche,  wie  die  Trifttheorie  es  erfordert.  Auf 
weite  Strecken  hin  sind  nordöstliche  Versetzungen  durchaus  die 
herrschenden.  Noch  überzeugender  spricht  für  die  Beimischung 
eines  polaren  Stromelementes  die  Wassertemperatur x und  das  ant- 
arktische Treibeis,  das  bis  40°  B.,  ja  stellenweise  sogar  darüber 
hinaus  gelangt.  Nichts  ähnlichem  begegnen  wir  in  den  nordischen 
Meeren,  mit  einziger  Ausnahme  der  Neufundlandbank,  wo  Golf-  und 
Labradorstrom  sich  begegnen.  Aber  ungleich  großartiger,  wahrschein- 
lich einzig  in  seiner  Art  ist  das  Schauspiel  des  fingerförmigen  In- 
einandergreifens warmer  und  kalter  Strömungen,  das  uns  der  west- 
liche Indische  Ozean  in  40°  S.  bietet.  Verschiedener  Salzgehalt  und 
abwechselnd  blaue  und  grüne  Färbung  beweisen,  daß  liier  wirklich 
Tropen-  und  Polarwasser  um  die  Herrschaft  ringen.  Als  Schott 
im  Sommer  1891  diese  Gegend  durchfuhr,  beobachtete  er  zwischen 
10  und  70°  O.  nicht  weniger  als  16  wrarme  und  kalte  Bänder  von 
170  bis  850  km  Breite,  in  denen  Temperatursprünge  bis  zu  6°  vor- 
karnen.  An  ein  paar  Stellen  scheinen  warme  Ströme  wirklich  in 
höhere  Breiten  durchzubrechen,  wie  man  es  vom  Kerguelenstrome 
sicher  annimmt,  aber  wie  ärmlich  ist  auch  dieser  gegenüber  dem 
Golfstrome ! 


* Die  nachstehende  Tabelle,  aus  KbChmels  Karten  der  Meeresisothermen9 
abgeleitet,  liefert  dafür  das  Beweismaterial  in  übersichtlicher  Form.  Es  sind 
die  arktischen  Augusttemperaturen  mit  den  antarktischen  Februartemperaturen 
und  umgekehrt  in  Vergleich  gesetzt. 


Sommertemperatur 

Wintertemperatur 

Breite 

30° 

40°  50° 

Pazifischer  Ozean 

30  9 

40° 

50° 

N.  B.  (+) 

24,7° 

19,7°  11,4° 

18,o° 

10,4  9 

4,2° 

S.  B.  (-) 

22,8 

17,a  9,o 

17,8 

12.» 

7,5 

Diff.  "hlj9  *1*2,4  "bl,5  "hl,1  — 1,4  — 3,s 

Atlantischer  Ozean 

N.  15.  (+)  25,8  22,7  15,o  20,i  15,8  7,» 

K 15.  (-)  22,» 17> 17,»  ll,o 8^ 

Diff.  +2,o  +5,7  +8,»  +2,o  +3,o  +4,8 


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Die  Meeresströmungen. 


253 


Ein  Erklärungsversuch  dieser  anscheinend  abnormen  Verhält- 
nisse auf  der  südlichen  Halbkugel  wäre  verfrüht,  solange  unser  Wissen 
von  dieser  Erdzone  noch  in  seiner  gegenwärtigen  Dürftigkeit  ver- 
harrt. Namentlich  muß  zunächst  festgestellt  werden,  ob  polares. 
Wasser  sich  gleichmäßig  dem  Oststrome  beimengt,  oder,  wie  es  den 
Anschein  hat,  nur  in  einzelnen  Strömen  in  die  mittleren  Breiten 
gelangt.  Da  wir  auch  von  den  Winden  der  südpolaren  Zone  so  gut 
wie  nichts  wissen,  so  ist  es  immerhin  möglich,  daß  jene  hypothe- 
tischen Ströme  mit  der  Trifttheorie  ebenso  in  Übereinstimmung 
stehen,  wie  der  ostgrönländische  und  Labradorstrom,  deren  Richtung 
übrigens  wohl  auch  durch  das  Kompensationsbedürfnis  und  die  Erd- 
rotation mitbestimmt  wird. 

Daß  polares  Wasser  aus  dem  antarktischen  Ozean  entlang  den 
Westküsten  der  Festländer  bis  in  die  äquatoriale  Zone  gelangt,  ist 
eine  traditionelle  Vorstellung,  die  auf  allen  Strömungskarten  zum 
Ausdrucke  gelangt.  Allerdings  sind,  wie  die  Isothermen  der  Meeres- 
oberfläche zeigen  (vgl.  z.  B.  Fig.  55  auf  S.  262)  innerhalb  des  tro- 
pischen Stromwirbels  die  Ostseiten  kälter,  als  die  Westseiten,  aber 
dieß  gilt  auch  für  die  nördliche  Hemisphäre,  obwohl  wir  doch  be- 
stimmt wissen,  daß  weder  der  nordafrikanische  noch  der  californische 
Strom  vom  Pole  kommen.  Sie  sind  die  Fortsetzungen  der  relativ 
warmen  östlichen  Verbindungsströme,  verändern  aber  ihren  ther- 
mischen Charakter,  sobald  sie  sich  aus  höheren  in  niedere  Breiten 
bewegen,  indem  sie  dann  im  Vergleiche  zu  ihrer  Umgehung  als  kühl 
erscheinen.  Groß  kann  aber  dieser  Unterschied  nicht  sein,  weil  die 
Ströme  sich  langsam  bewegen  und  dadurch  Zeit  gewinnen,  sich  den 
neuen  Wärmeverhältnissen  anzupassen.  Als  die  bedeutendsten  Ströme 
gelten  der  Peru-  und  Benguelastrom.  In  Bezug  auf  den  ersteren 
hat  schon  Hettneb10  nachgewiesen,  daß  er  an  der  westpatagonischen 
Küste  keine  Temperaturemiedrigung  bewirkt,  was  doch  der  Fall  sein 
müßte,  wenn  er  aus  dem  Eismeere  käme.  Gegen  die  polare  Ab- 
stammung des  Benguelastromes  spricht  sein  hoher  Salzgehalt  (35  bis 
36  Promille);  man  vergleiche  ihn  nur  mit  dem  Falklandstrome,  dessen 
Salzgehalt  34  Promille  nicht  übersteigt. 

Es  giebt  aber  für  die  Westküsten  zwischen  40°  N.  und  S.  eine 
viel  wirksamere  Kältequelle:  das  aufsteigende  Tiefenwasser. 
Es  ist  ein  allgemeines  Gesetz,  daß  an  den  Luvküsten  Wasser  aus 
der  Tiefe  aufsteigt,  um  das  vom  Winde  weggetriebene  Wasser  zu 
ersetzen.  In  der  Passatzone  liegen  die  kontinentalen  Westküsten 
an  der  Luvseite;  eine  Kompensation  findet  nicht  nur  oberflächlich 
von  den  Seiten  her  statt,  sondern  auch  von  unten.  So  leicht  ver- 
ständlich auch  dieser  Vorgang  ist,  so  wenig  wurde  er  beachtet, 


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254 


Das  Meer. 


obwohl  Dinklage  schon  1875  darauf  aufmerksam  gemacht  hatte. 
Vollgiltige  Beweise  brachten  erst  die  Beobachtungen  an  Uferstellen 
mit  zeitweise  ablandigen  Winden,  wie  wir  solche  in  den  letzten 
Jahren  an  der  afrikanischen  Ostküste  kennen  gelernt  haben. 11  Zur 
Zeit  der  Südwestmonsune  haben  liier  weite  Küstenstrecken  auffallend 
kaltes  Wasser,  wie  zwischen  Warschekh  und  dem  Kap  Guardafui, 
im  N.  und  0.  der  Insel  Sokotra,  und  an  ein  paar  Stellen  der  ara- 
bischen Südküste.  Bei  Nordostmonsun  verschwinden  diese  kalten 
Zonen,  aber  im  Golf  von  Aden,  wo  die  Strömung  nach  W.  und  NW. 
geht,  erscheint  eine  neue  zwischen  Kap  Guardafui  und  Bäs- Allula. 
An  polares  Wasser  ist  in  allen  diesen  Fällen  natürlich  nicht  zu 
denken.  Noch  überzeugender  sind  die  Beobachtungen  Mckkays  in 
den  Fjorden  und  Süßwasserseen  Schottlands. 18  Wir  greifen  nur  ein 
Beispiel  heraus:  den  Loch  Locliy,  der,  von  NO.  nach  SW.  sich 
erstreckend,  den  südwestlichen  Teil  des  caledonischen  Grabens  erfüllt 
Die  nachfolgenden  Zahlen  sprechen  von  selbst:  das  warme  Wasser 
zieht  mit  dem  Winde;  es  sammelte  sich  am  7.  September  1887  mit 
Nordostwinde  (Stärke  1)  am  Südwestende  und  zwei  Tage  später  bei 
Westsüdwestwind  (Stärke  5 — 6)  am  Nordostende  an. 


7.  September 

9.  September 

Tiefe 

Nähe  des 

Nähe  des 

Nähe  des 

Nähe  des 

Faden 

SW.-Endes 

Mitte 

1 

NO.-Endes 

i 

! SW.-Endes 

NO.-Endes 

1 ^ 

" 

«HC«  -w 

0 

13,7° 

13,:«“ 

12,«° 

! 12,1° 

12,.» 

5 

13,* 

13, i 

12,4 

12,6 

10 

13,4 

12,. 

12,i 

11* 

12,8 

20 

8,. 

8,. 

9,o 

— 

30 

7,» 

7,8 

7,8 

- 

Daß  es  sich  bei  dieser  Wärmeschichtung  wirklich  um  Aufsteigen 
von  Tiefenwasser  handelt,  zeigte  am  deutlichsten  das  Verhalten  im 
Fjord  (Loch)  Striven  im  Dezember,  wo  die  Temperatur  in  abnormer 
Weise  mit  der  Tiefe  zunimmt,  denn  hier  war  die  Luvseite  warm 
und  die  Leeseite  kalt. 

Auch  in  anderer  Richtung  sind  diese  Beobachtungen  sehr  lehr- 
reich. Man  stellt  sich  die  Vertikalzirkulation  häufig  so  vor,  daß 
das  Tiefenwasser  nur  unmittelbar  an  der  Luvküste  aufquelle,  wäh- 
rend man  niedere  Temperaturen  etwas  abseits  davon  immer  noch 
geneigt  ist,  kalten  OberHächenströmen  zuzuschreiben.  Die  Isothermen 
im  Loch  Loehy  am  7.  September,  wo  auch  in  der  Mitte  gemessen 
wurde,  biegen  aber  nicht  am  Nordostende  plötzlich  in  die  Höhe, 
sondern  steigen  bis  gegen  20  Faden  Tiefe  allmählich  von  SW. 


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Die  Meeresströmungen. 


255 


nach  NO.  an.  Genau  denselben  Verlauf  linden  wir  im  Nordatlan- 
tischen Ozean  zwischen  20  und  40°  B.,  bis  zu  ca.  1000  m Tiefe: 


Faden: 

100 

200 

300 

400 

500 

600 

West 

32°  54  N. 

63°  22'  W. 

23,  »8 

18,.° 

17,.» 

16,»° 

12,3» 

7,3» 

Ost 

33  46  „ 

19  17  „ 

15,» 

14,3 

12,. 

10, < 

10,« 

9,6 

Eine  kalte  Küstenzone  zeichnet  die  Ostseiten  aller  Passatmeere 
aus,  mit  einziger  Ausnahme  von  Westaustralien.  Krümmel  erklärt 
dies  durch  die  geringe  meridionale  Entwicklung  dieses  Erdteiles, 
die  ihm  gestattet,  das  fortgeführte  Meerwasser  durch  eine  Strömung 
von  N.  her  zu  ersetzen.  Wahrscheinlich  sind  auch  die  rätselhaften 
Stromkabelungen,  heftige  und  geräuschvolle,  kurzwellige  Wasser- 
bewegungen, auf  solches  Aufsteigen  von  Tiefenwasser  zurück/ ufüliren. 

In  seinen  klimatischen  und  sonstigen  Eigenschaften  unterscheidet 
sich  das  kalte  Auftriebwasser  durchaus  nicht  von  kalten  Oberflächen- 
strömungen. Es  erzeugt  ebenfalls  ein  rauhes,  wenn  auch  ziemlich 
gleichmäßiges  Küstenklima,  indem  es  besonders  die  Sommertempe- 
raturstark herabsetzt;  es  hüllt  sich  in  dichte  Nebel,  während  es  gleich- 
zeitig die  Regenbildung  hindert x Wie  alles  kühlere  Meerwasser, 
beherbergt  es  auch  eine  ungeheure  Planktonfülle,  die  eine  reiche 
Fischfauna  ernährt  Das  „Dunkelmeer"  an  der  afrikanischen  Nord- 
westküste ist  wahrscheinlich  ein  nicht  minder  ergiebiger  Fischerei- 
grund, wie  die  Neufuudlandbank  oder  das  Gebiet  der  Falkland- 
strömung. 

Litteraturnachweise.  'Schott  cit.  S.  219.  — * Pillbbukv,  The  Gulf 
Stream,  im  Report  der  N.  S.  Coast  and  Geodetic  Survey  für  1889—90.  Washing- 
ton 1892.  — 8 Kbümmel,  Die  nordatlantische  Sargassosee,  in  Petermanns  Mit- 
teilungen 1891.  — * KOkenthal,  Bericht  über  die  Reise  nach  Ostspitzbergen 
1889,  in  Petermanns  Mitteilungen  1890.  — 6 Eine  gute  Übersicht  gibt  Pahde, 
Die  theoretischen  Ansichten  über  die  Entstehung  der  Meeresströmungen,  im 
Jahresberichte  des  Realgymnasiums  zu  Krefeld  1888.  — 8 Dinklage,  Die  Ober- 
flächenströmungen im  südwestlichen  Teil  der  Ostsee,  in  den  Annalen  der 
Hydrographie  und  maritimen  Meteorologie  1888.  — 7 Zöppritz,  Zur  Theorie 
der  Meeresströmungen,  in  den  Annalen  der  Physik  1878,  Bd.  III.  — 8 Krümmel, 
cit  S.  206.  — * Krümmel,  Die  Temperaturverteilung  in  den  Ozeanen,  in  der 
Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Geographie,  Bd.  VI,  1887.  — 18  Hettnbr,  Das 
Klima  von  Chile  und  Westpatagonien,  Bonn  1881.  — " Pupp,  Das  kalte  Auf- 
triebwasser, Marburg  1890.  — ,s  Murrav,  im  Scottisch  Geographical  Magazine 
1888,  S.  345. 

Die  Wärme  Verteilung  im  Wasser. 

Die  Oberflächentemperatur  des  Meeres. 1 Die  Oberfiächentempe- 
ratur  des  Meerwassers  ist  im  allgemeinen  etwas  höher  als  die  der 
untersten  Luftschichten,  namentlich  stets  über  warmen  Strömungen 

X Vgl.  S.  66  u.  127. 


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256 


Das  Meer. 


und  im  Winter  auch  meist  über  kalten.  *x  In  einzelnen  Tages-  und 
Jahreszeiten  kann  dieser  Unterschied  ziemlich  beträchtlich  werden, 
weil  die  Wassertemperatur  viel  geringeren  Schwankungen  unterworfen 
ist,  als  die  Lufttemperatur;  im  Jahresdurchschnitte  ist  er  aber  doch 
gering,  wie  bei  der  innigen  Berührung  von  Luft  und  Wasser  und  bei 
der  großen  Wärmekapazität  des  letzteren  nicht  anders  zu  erwarten 
ist  Genügt  doch  die  Temperaturerniedrigung  eines  cbm  Wasser 
um  1°,  um  die  Temperatur  von  3000  cbm  Luft  um  1°  zu  erhöhen. 
Die  Luftisothermen  haben  daher  überall  das  Bestreben,  sich  mög- 
lichst enge  den  Wasserisothermen  anzuschließen;  die  letzteren  sind 
aber,  außer  von  der  geographischen  Breite  auch  von  der  hori- 
zontalen und  vertikalen  Wasserzirkulation  abhängig  (vgl.  Fig.  53). 
Daher  ist  zwischen  ca.  40°  N.  und  40°  S.  das  Meer  im  Osten  kälter 
und  jenseit  dieser  Parallelen  wärmer  als  im  Westen.  Die  Mächtig- 
keit des  Golfstromes  verrät  sich  durch  die  weit  nach  Norden  ge- 
schwungenen Isothermenkurven,  und  das  Zusammenrücken  der 
Wärmelinien  bei  Neufundland  ist  ein  Werk  der  Labradorströmung. 
Für  den  Atlantischen,  wie  für  den  Großen  und  Indischen  Ozean 
gilt  das  gemeinsame  Gesetz,  daß  die  nördlichen  Partien  wärmer  sind 
als  die  entsprechenden  südlichen. xx  Dieser  Gegensatz  ist  in  letzter 

x Als  Mittel  der  Differenz  Luft  minus  Wasser  aus  je  vier  Beispielen 
können  angeführt  werden: 

Winter  Fühling  Sommer  Herbst  Jahr 
Warme  Strömungen  — 2,i°  —0,9°  —0,3°  — 1,7»  — l,s° 

Kalte  ,,  — 0,4  +0,3  + 0,6  +0,i  + 0,05 

xx  Die  nachfolgenden  Durchschnittstemperaturen  der  Meeresober- 
fläche zwischen  50°  N.  u.  S.  sind  aus  dem  Isothermenkarten  von  Krümmei.  ab- 
geleitet. Als  jährliche  Temperatur  wurde  annähernd  das  Mittel  aus  den 
extremen  Monaten  angenommen. 


Breite 

Februar 

August 

Jahr 

Atlaut. 

Ozean 

Pazif. 

Ozean 

Ind. 

Ozean 

Atlant. 

Ozean 

Pazif. 

Ozean 

Ind. 

Ozean 

Atlant. 

Ozean 

Pazif. 

Ozean 

Ind. 

Ozeau 

50°  N. 

7,9» 

4,3» 

— 

15,o» 

11,4° 

— 

11,4» 

7,8» 

— 

40 

15,3 

10,4 

— 

22,7 

19,7 

— 

19,0 

15,0 

— 

30 

20,1 

18,9 

— 

25,a 

24,7 

— 

23,o 

21,8 

— 

20 

24,6 

23,5 

24,s» 

27,3 

26,8 

27,o« 

26,o 

25,3 

25,7» 

10 

25,3 

26,7 

26,5 

27,5 

28,5 

27,i 

26,5 

27,6 

26,8 

0 

27,3 

27,o 

28,i 

24,9 

26,7 

27,6 

26,o 

26,9 

27,9 

10  S. 

26,4 

26,9 

28,7 

22,7 

25,8 

26,. 

24,6 

26,i 

27,. 

20 

23,s 

25,9 

26,3 

20,o 

22,e 

22,7 

21,9 

24,3 

24,5 

30 

22,9 

22,8 

22,9 

17,3 

17,8 

18,3 

20,0 

20,s 

20,6 

40 

17,o 

17,3 

16,i 

11,6 

12,3 

12,7 

14,3 

14,7 

14,4 

50 

6,8 

9,9 

5,8 

3,i 

7,5 

4,0 

5,0 

8,7 

4,8 

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Die  Wärme  Verteilung  im  Wasser. 


257 


Linie  eine  Folge  der  stärkeren  Entwicklung  des  Südostpassates.  Die 
südliche  Äquatorialströmung,  die  im  Atlantischen  Ozean  beständig, 
im  Indischen  aber  nur  zur  Zeit  des  Südwestmonsuns  den  Äquator 
überschreitet,  führt  unserer  Hemisphäre  eine  Menge  erwärmten  Wassers 
zu,  und  dieses  ernährt  wieder  die  mächtigen  warmen  Ströme  der 
nördlicheren  Breiten.  Die  Ozeane  der  südlichen  gemäßigten  Zone 
erhalten  dagegen  nicht  nur  weniger  Tropenwasser,  sondern  stehen 
überdies  noch  mit  dem  Eis- 
meere in  offener  Verbindung. 

Dies  ist  wahrscheinlich  auch 
der  Grund  der  ziemlich  gleich- 
mäßigen Temperatunertei- 
lung jenseits  des  30.  Süd- 
parallels.  Diesseits  desselben 
sind  die  Gegensätze  bedeutend 
größer.  Innerhalb  des  Tropen- 
gürtels (20°  N.  bis  30°  S.)  ist 
der  Indische  Ozean  am  wärm- 
sten, der  Atlantische  am 
kältesten.  Dagegen  ist  nörd- 
lich von  20°  N.  der  Atlan- 
tische Ozean  beträchtlich 
wärmer  als  der  Pazifische,  ob- 
wohl dieser  vom  Eismeere 
abgesperrt  ist:  wieder  ein 
Beweis  für  den  hohen  Vor- 
rang des  Golfstromes  vor  dem 
Kuro  Schio. 

Tiefentemperatur  in  Süß- 
wasserseen. Wie  in  der  Luft- 
hülle unseres  Planeten  die 
Temperatur  mit  der  Höhe  abnimmt,  so  in  der  Wasserhülle  mit  der 
Tiefe.  In  derselben  Sichtung  vermindert  sich  auch  die  Wärme- 
schwankung, die  in  den  Schweizer  Seen  in  150  m Tiefe  völlig  er- 
lischt,3 sodaß  in  den  tieferen  Schichten  das  ganze  Jahr  hindurch 
eine  gleichmäßige  Temperatur  herrscht. 

Während  aber  die  Atmosphäre  hauptsächlich  von  unten  erwärmt 
wird,  empfängt  das  Wasser  seine  Wärme  von  oben,  und  die  Tempe- 
raturverteilung in  einer  Wassersäule  gestaltet  sich  daher  wesentlich 
anders,  als  in  einer  Luftsäule  von  gleicher  Höhe.  Die  Süßwasser- 
seen erwärmen  sich  am  Tage  und  im  Sommer  durch  Durchstrahlung 
und  Leitung  und  kühlen  sich  nachts  und  im  Winter  durch  Leitung 

Süpas,  Physische  Erdkunde.  2.  Aull. 


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258 


Das  Meer. 


und  vertikale  Wasserzirkulation  ab.  Die  direkte  Sonnenwirkung  be- 
einflußt nur  eine  dünne  Obertlächenschicht ; nach  Grissingers  Mes- 
sungen im  kärtniscken  Weißensee  * reichte  sie  anfangs  September 
nur  bis  12  in  Tiefe.  Die  vertikale  Zirkulation  wird  dadurch  hervor- 
gerufen, daß  das  Obertlächenwasser  sich  abkühlt,  dadurch  schwerer 
wird  und  untersinkt,  bis  es  eine  Schicht  von  gleicher  Temperatur 
und  Dichte  erreicht  hat.  Wärmere  Tiefenschichten  steigen  auf, 
kühlen  sich  wieder  ab,  sinken  wieder  unter,  und  dieses  Spiel  dauert 
solange,  bis  das  gestörte  Gleichgewicht  wieder  hergestellt  ist.  Wäre 
die  Dichte  des  Süßwassers  nur  von  der  Temperatur  abhängig,  so 
müßte  in  jenen  Tiefen  unserer  Seen,  in  welche  die  Sommerwärme 
durch  Leitung  nicht  mehr  einzudringen  vermag,  das  Wasser  eine 
Temperatur  besitzen  gleich  der  mittleren  Januartemperatur  der  be- 
treffenden Gegend.  Bekanntlich  erreicht  aber  das  Süßwasser  seine 
größte  Dichte  schon  bei  4°  Uber  Null,  und  in  der  That  finden  wir 
diese  Temperatur  auch  in  allen  unseren  tieferen  Alpenseen,  voraus- 
gesetzt daß  sie  nicht  durch  warme  Quellen  auf  dem  Grunde  gespeist 
werden.  In  der  Regel  steht  aber  die  Tiefentemperatur  einige  Zehntel 
Grad  über  4;  es  ist  dieß  dem  Einflüsse  der  Erdwärme  und  dem 
wärmeerzeugenden  Fäulnisprozesse  der  auf  dem  Boden  lagernden 
Organismen  zuzuschreiben. 

In  den  Sommermonaten  nimmt  die  Temperatur  beständig  von 
oben  nach  unten  ab;  beständig,  aber  nicht  gleichmäßig.  Wir  haben 
vielmehr  5 scharf  getrennte  Schichten  zu  unterscheiden,  die  aller- 
dings nur  hei  sehr  detaillierten  Messungen  erkennbar  sind.  Als  Bei- 
spiel mögen  die  beiden  Temperaturreihen  Grissingers  im  Weissensee 
am  7.  September  1 80 1 dienen: 


85  a. 

m. 

4h  p.  m. 

Oberflächentemperatur 

18,8 

0 

19,8° 

Schicht 

Tiefe 

Abnahme 

Tiefe 

Abnahme 

m 

ganze 

pro  m 

m 

ganze 

pro  m 

I. 

0—  8 

i,,» 

0,2° 

0—  8 

1,9° 

0,2° 

II. 

8—10 

5,t 

2,9 

8—11 

V 

2,8 

III. 

10—15 

4,9 

1,# 

11—14 

3,6 

1,» 

IV. 

15—10 

2,i 

0,i 

14—34 

2,5 

0,2 

V. 

40 — Grund 

0,o 

0,o 

34— Grund 

0,o 

0,o 

Das  größte  Interesse  nimmt  die  Schicht  II  oder  die  Sprungschicht, 
wie  sie  ihr  Entdecker,  En.  Richter  nannte,®  in  Anspruch.  Daß  sie 
täglichen  Verschiebungen  unterliegt,  zeigt  schon  das  obige  Beispiel, 
noch  größer  sind  natürlich  die  jahreszeitlichen,  wie  aus  den  Messungen, 
im  elsässischen  Weissensee6  hervorgebt,  ja  zeitweise  verschwindet  sie 


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Die  Wärmeverteilung  im  Wasser. 


259 


ganz.  Jedenfalls  ist  sie  im  Sommer  am  schärfsten  ausgebildet  und 
nimmt  das  höchste  Niveau  ein.  Ihre  obere  Grenze  bezeichnet  den 
Endpunkt  der  vertikalen  Zirkulation,  die  durch  die  nächtliche  Ab- 
kühlung der  Oberflächenschicht  erzeugt  wird  und  bis  zu  jener  Tiefe 
sich  erstreckt,  in  der  die  Temperatur  gleich  ist  der  nächtlichen 
Oberflächentemperatur.  Die  auf-  und  absteigenden  Schichten  ver- 
mischen sich  nun  so  innig,  daß  sie  am  darauffolgenden  Morgen  eine 
gleichmäßige  Temperatur  annehmen.  Diese  ist  natürlich  an  der 
oberen  Grenze  der  Zirkulationsschicht  tiefer  als  die  Temperatur  des 
vorhergehenden  Tages,  an  der  unteren  aber  höher,  und  statt  der 
früheren  gleichmäßigen  Abnahme  findet  nun  ein  Sprung  statt.  So 
trägt,  so  paradox  es  auch  klingen  mag,  die  nächtliche  Abkühlung 
die  Wärme  in  die  Tiefe,  und  zwar  um  so  tiefer,  je  größer  die  täg- 
liche Wärmeschwankung  ist 

Den  sommerlichen  Zustand  nennen  wir  mit  Forel7  die  regel- 
mäßige Wärmeschichtung;  im  Winter  dagegen  herrscht  in  den 
tieferen  Seen  unserer  Alpen  die  umgekehrte  Schichtung.  Im 
Momente  des  Überganges  hat  die  ganze  Wassersäule  ca.  4°.  Werden 
die  oberflächlichen  Schichten  kälter,  so  sinken  sie  nicht  mehr  ein. 
Die  Temperatur  der  tieferen  Schichten  erniedrigt  sich  nur  durch 
Ausstrahlung ; sie  nimmt  nach  der  Tiefe  zu,  bis  die  konstante  Schicht 
von  4°  erreicht  ist.  * Die  Eisbildung  beginnt  daher  stets  an  der 
Oberfläche  und  schreitet  langsam  nach  unten  fort.  Aber  niemals 
können  unsere  tieferen  Landseen  bis  auf  den  Grund  gefrieren,  und 
so  kann  ihr  organisches  Leben  auch  den  Winter  überdauern. 

Auf  diese  Verhältnisse  hat  Forel  seine  thermische  Ein- 
teilung der  Süßwasserseen  gegründet.  Im  tropischen  Typus 
herrscht  das  ganze  Jahr  hindurch  die  regelmäßige,  im  polaren 
die  umgekehrte  Schichtung.  Der  gemäßigte  Typus  hat  im  Sommer 
die  erstere,  im  Winter  die  letztere  Schichtungsart.  Jede  Haupt- 
kategorie zerfällt  in  tiefe  und  seichte  Seen,  je  nachdem  sie  über  die 
Tiefengrenze  der  jährlichen  Wärmeschwankung  hinabragen  oder  nicht. 

Tiefentemperaturen  im  Salzwasser.  In  zw'ei  Punkten  unter- 
scheiden sich  hinsichtlich  ihres  thermischens  Verhaltens  die  salzigen 
von  den  Süßwrasserbecken.  Mit  steigendem  Salzgehalte  verschiebt  sich 
nämlich  auch  der  Gefrierpunkt  und  das  Dichtigkeitsmaximum  nach 


x Die  Temperaturverteilung  im  Züricher  See  war  am  25.  Januar  1SS0 
nach  Forel  folgende: 

Tiefe  m 0 20  40  60  80  100  120  138 

Temp.  0,2°  2,9°  3,5°  3,i°  3,8»  3,s°  4,o»  4,o° 

17* 


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260 


Das  Meer. 


abwärts, x und  damit  ändert  sich  das  Minimalmaß  der  Tiefentempe- 
ratur. Sie  kann  im  Süßwasser  nur  bis  + 4°,  in  1 prozentigem  Salz- 
wasser aber  schon  auf  + 2°,  im  2prozentigen  auf  — 0,5°  sinken, 
natürlich  immer  vorausgesetzt,  daß  die  klimatischen  Verhältnisse  die 
Erzeugung  so  niedriger  Wärmegrade  gestatten.  Sobald  aber  — 
und  dieser  Fall  tritt  schon  bei  einem  Salzgehalte  von  30  Promille 
ein  — das  Dichtigkeitsmaximum  tiefer  liegt,  als  der  Gefrierpunkt, 
wird  die  untere  Temperaturgrenze  der  Tiefenschichten  nur  mehr 
von  dem  letzteren  bestimmt.  Die  Eisdecke,  mit  der  sich  der  Wasser- 
spiegel überzieht,  schützt  als  schlechter  Wärmeleiter  jene  Schichten 
vor  intensiverer  Erkaltung,  und  daher  kann  selbst  das  Bodenwasser 
polarer  Meere  nicht  kälter  sein  als  —2  bis  —3°. 

Der  zweite  Unterscheidungspunkt  ist  folgender.  Die  tieferen 
Süßwasserschichten  erwärmen  sich  hauptsächlich  durch  Leitung,  da 
die  vertikale  Zirkulation  nicht  weit  hinabreicht.  Um  Wasser  von 
der  Oberfläche  in  die  Tiefe  zu  führen,  giebt  es  hier  nur  ein  Mittel: 
die  Abkühlung;  im  Salzwasser  dagegen  noch  ein  zweites:  die  Er- 
wärmung. Indem  das  erhitzte  Oberttächenwasser  verdunstet,  wird 
es  relativ  salzreicher,  schwerer,  und  sinkt  unter.  Um  die  ungeheuere 
Bedeutung  dieses  Faktors  zu  würdigen,  vergleiche  man  nur  die 
Temperaturen  im  Mittelmeere  und  in  den  oberitalienischen  Seen.  Hier 
unter  150  m Tiefe  schon  überall  Temperaturen  von  4,o  bis  6°,  dort 
selbst  an  den  tiefsten  Stellen  noch  eine  Temperatur  von  13°!xx 
Dieser  Wärmegrad  entspricht  ungefähr  der  mittleren  Januartempera- 
tur der  Luft  in  diesen  Gegenden  und  herrscht  mit  geringen  Schwan- 
kungen in  der  ganzen,  mehrere  1000  m mächtigen  Wasserschicht 
jenseits  der  500  in-Isobathe.  Die  vertikale  Temperaturabnahme  be- 
trägt hier  nur  ein  paar  Zehntel  Grad. 

Das  Mittelmeer  ist  ein  nahezu  abgeschlossenes  Becken.  Aller- 
dings empfängt  es  einen  atlantischen  Unterstrom,  aber  die  Gibraltar- 


schwelle  ist  zu  seicht,  als 

daß 

das  kalte  ozeanische  Tiefenwasser 

x Karsten  (Gazellewerk, 

n, 

S.  53)  gibt  als 

wahrscheinlichste  Werte 

folgende  an: 

Salzgehalt  (Promille) 

0 

10 

20  30 

Gefrierpunkt 

0° 

-0,9° 

-1,5°  -2,9° 

Dichtigkeitsmaximum 

+ 4° 

+ 2° 

-0,5  -4° 

x x Zwischen  Korfu  und 

Ben  Ghäsi  (Tripolis) 

war  die  durchschnittliche 

vertikale  Wärmeverteilung  nach  den  Messungen  der 

„Pola“  im  September  1891 

folgende: 

Tiefe  0 10 

50 

100  500 

Boden  (bis  3700  m) 

Temperatur  24, s“  23,9° 

18,»° 

15,5°  14,1° 

13,9—13,7  °. 

An  der  tiefsten  bekannten  Stelle  des  Mitlelmeeres  (4400  m)  fand  die 
„Pola“  13,5°. 8 


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Die  Wärmeverteilung  im  Wasser. 


261 


eintreten  könnte.  Maßgebend  für  die  Tiefentemperatur  der 
Nebenmeere  ist  also  die  Tiefe  und  auch  die  Breite  der 
Kanäle,  die  sie  mit  dem  Hauptmeere  verbinden.  Daß  wir 
auch  die  Breite  als  einen  Faktor  für  den  Grad  der  Vermischung 
zweier  Gewässer  anführen,  bedarf  keiner  weiteren  Erörterung. 

Im  Gebiete  des  Schwarzen  Meeres  ist  das  Klima,  besonders 
das  winterliche,  beträchtlich  kälter  als  im  Mittelmeere,  und  dement- 
sprechend müssen  wir  hier  Tiefentemperaturen  von  etwa  6°  erwarten. 
Das  ist  in  der  That  auch  der  Fall.  Die  russische  Forschungsexpe- 
dition im  Sommer  1890  fand  nordöstlich  von  der  Donaumündung 
6°  in  38  m Tiefe,  an  der  Südküste  der  Krim  6,?°  in  60  m Tiefe,  in 
der  Nähe  des  Bosporus  6,r°  in  57  m Tiefe  und  in  dem  tiefsten 
Becken  des  Pontus  7,3°  in  55  m Tiefe.  Von  da  ab  nimmt  aber  die 
Temperatur  bis  zum  Boden  wieder  um  2°  zu,x  offenbar  erwärmt 
durch  das  Mittelmeerwasser,  das  als  Unterstrom  durch  den  Bosporus 
in  das  Schwarze  Meer  fließt.  Aber  auch  die  auffallend  rasche 
Wärmeabnahme  in  den  obersten  Schichten  ist  lehrreich;  je  geringer 
che  Verdunstung  ist-,  desto  matter  ist  die  vertikale  Zirkulation.  Sie 
erlischt  hier  schon  in  55  m Tiefe,  d.  h.  in  der  Schicht  der  niedrigsten 
Temperatur. 

Auch  im  Ozean10  verlangsamt  sich  die  Wärmeabnahme  gegen 
den  Boden  zu.  Selbst  die  Messungen  in  Abständen  von  100  bis 
200  m lassen  eine  Dreiteilung  fast  überall  erkennen:  rasche  Abnahme 
in  der  Oberflächenschicht,  die  bis  200  oder  auch  bis  400  m hinab- 
reicht; langsamere  zwischen  200  bezw.  400  und  ca  1000  m Tiefe, 
aber  immerhin  noch  im  Betrage  von  V,  bis  1°  pro  100m;  endlich  sehr 
langsame,  fast  unmerkliche  Abnahme  jenseits  der  1000  m-Tiefe,  kaum 
Ü,i°  pro  100  m.  Soweit  reicht  die  Analogie  mit  den  Nebenmeeren. 
Aber  zum  Unterschiede  von  diesen  erstreckt  sich  der  Ozean  über 
alle  Klimagürtel,  und  seine  einzelnen  Teile  stehen  in  mehr  oder 
minder  freier  Verbindung  mit  einander.  Diese  beiden  Momente 
wirken  sich  entgegen;  an  der  Oberfläche  herrscht  noch  der  Unter- 
schied der  Breite,  und  die  Temperatur  bewegt  sich  noch  in  Diffe- 
renzen von  33°,  zwischen  30°  in  einigen  wenigen  Teilen  des  tro- 
pischen Ozeans  und  — 3°  im  Polarmeere.  Das  Bodenwasser  der  tieferen 
Becken  ist  dagegen  überall  nahezu  gleich  kalt  und  schwankt  nur 
zwischen  + 2 und  — 2,s°. 

x Nach  Woeikows  Bericht“  ist  die  Wärmeschichtung  über  dem  Tiefbecken 
folgende: 

Tiefe  m 0 10  55  100  500  1000  2158 

28,3°  21,3°  7,3°  8,o°  8,»°  9,»»  9,3° 


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262 


Das  Meer. 


Vertikale  Temperaturverteilung  im  Atlantischen  Ozean. 

(Nach  den  Beobachtungen  des  „Challenger“,  1872—73  u.  1876.) 


Fig.  55.  Tiefenisothennen  des  Atlantischen  Ozeans  zwischen  30  und  40°  S. 


Atlantischer  Ozean.  Berücksichtigt  man  die  Durchschnittstempe- 
ratur  der  ganzen  Wassermasse,  so  ist  der  Atlantische  Ozean x 


x Vergleichende  Übersicht  der  Temperatur  der  Ozeane. 


Atlantischer  Ozean. 

Tiefe:  Faden 

0 

50 

100 

200 

300 

500 

1000 

1500 

Meter 

0 

91 

183 

366 

549 

914 

1829 

2743 

40—20°  N. 

21,2° 

17,8° 

16,9° 

14,5° 

12,7° 

7,7° 

3,6° 

2,5° 

20-0  „ 

25,4 

16,4 

14,i 

10,3 

7,* 

4,9 

3,8 

2,6 

0-20  S. 

24,8 

18,3 

13,2 

9,2 

6,5 

4,3 

3,4 

2,8 

20-40  „ 

19,i 

16,3 

14,. 

10,8 

6,8 

3,6 

2,o 

2,2 

Stiller  Ozean 

40-20°  N. 

20,8° 

16,8° 

13,9° 

9,8° 

6,2° 

3,8« 

1,9° 

1,4° 

20-0  „ 

26,7 

24,3 

17,3 

9,8 

7,4 

4,8 

2,3 

1,‘ 

0—20  S. 

26,8 

25,8 

21,2 

11,5 

7,* 

4,* 

2,< 

1,5 

20-40  „ 

20,2 

18,3 

16,5 

12,4 

8,4 

5,8 

2,o 

d,3) 

Indischer  Ozean. 

10—20°  S. 

25,4° 

— 

18,2° 

12,2° 

8,2° 

5,2° 

— 

— 

20-40  „ 

20,4 

— 

15,0 

10,8 

9,4 

5,8 

— 

— 

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Die  Wärmeverteilung  im  Wasser. 


263 


(s.  Fig.  54 — 56)  zwischen  30  und  40°  N.  der  wärmste  Teil  des  ganzen 
Weltmeeres.  Über  einer  Fläche  von  ca.  4 Mill.  qkm  lagert  eine  500  m 
mächtige  Schicht  von  mehr  als  lö'/g0  mittlerer  Temperatur.  Hier 
ist  die  Gehurtsstätte  jener  allgemeinen  nordöstlichen  Wasserbewegung 
zu  suchen,  die  wir  als  Golfstrom  bezeichnen.  Selbst  im  Tropen- 
gürtel ist  das  Wasser  schon  in  200  m Tiefe  beträchtlich  kälter,  ja 
in  den  mittleren  Schichten  der  südlichen  Hälfte  (0 — 20°  S.)  sogar 


kälter,  als  zwischen  20  und  40°  S.  Auf  die  Gegensätze  zwischen  West 
und  Ost  haben  wir  schon  aufmerksam  gemacht.  Bis  zu  einer  Tiefe 
von  rund  500  m ist  der  nordatlantische  Ozean  im  Gebiete  des  Aus- 
läufers der  Äquatorialströmung  wärmer,  als  im  Osten;  in  den  unteren 
Schichten  aber  kälter,  weil  durch  die  untergesunkenen  Polarströme 
abgekühlt.  Auch  im  südatlantischen  Ozean  sind  die  oberen  Partien 
der  Westhälfte  durch  höhere  Wärme  ausgezeichnet.  Anderer  Art 
sind  die  merkwürdigen  Gegensätze,  die  die  Bodentemperaturen  der 
westlichen  und  östlichen  Becken  zeigen: 

NW.-Becken  Nordhälfte  des  Ost-Beckens 

1,3°  bis  1,8°  1,6°  bis  2,t° 


SW.-Becken 
Norden  0,2°  bis  0,»° 
Mitte  0,«  „ 0,8 

Süden  0,4  „ —0,6 


Südhälfte  des  Ost-Beckens 
2,i°  bis  2,«° 

Kap-Becken 
0,5°  bis  l,o° 


Es  ist  klar,  daß  diese  niederen  Temperaturen  nicht  an  Ort  und 
Stelle  entstanden  sein  können.  Ein  anderes  Beispiel  wird  dies  noch 
besser  zeigen.  Nur  neun  Bogenminaten  nördlich  vom  Äquator  (unter 
30,s°  W.)  beobachtete  der  „Challenger“  folgende  Temperaturen: 


Oberfläche 

25,3° 

Tiefe 

500  Faden  914  m 

4,3' 

Tiefe  50 

Faden 

91  m 

19,4 

1000 

77 

1829 

3,6 

„ 100 

77 

183 

13,4 

1500 

7» 

2743 

2,t 

„ 200 

»7 

366 

8,2 

»7 

2275 

77 

4160 

1,» 

„ 300 

77 

549 

5,6 

(Boden) 

Wir  haben  hier  eine  Wassermasse  von  fast  4000  m Mächtigkeit, 
deren  Temperatur  niedriger  ist,  als  die  tiefste  hier  mögliche  Luft- 


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264 


Das  Meer. 


temperatnr.  Wir  schließen  daraus,  daß  das  Tiefenwasser  vom 
Polarmeere  stammt  und  daß  es  durch  eine  dauernde  unter- 
seeische Strömung  beständig  erneuert  wird,  da  es  ja  sonst 
bereits  eine  höhere  Temperatur  hätte  annehmen  müssen 

Es  kann  auch  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  das  äquatoriale 
Tiefenwasser  antarktischen  Ursprungs  ist,  denn  nur  nach  Süden 
sinkt  die  Bodentemperatur,  während  sie  nach  Norden  hin  steigt. 
Wir  werden  hier  aufmerksam  auf  die  hohe  Bedeutung  des  unter- 
seeischen Reliefs.  Am  ungehindertsten  ergießt  sich  das  polare  Wasser 
in  das  südwestliche  Becken,  wobei  noch  zu  beachten  ist,  daß  diese 
Strömung  infolge  der  Ablenkung  durch  die  Rotation  der  Erde  über- 
haupt die  Tendenz  hat,  sich  nach  Westen  zu  wenden.  Auch  in  das 
Kap-Becken  gelangt  noch  Wasser  von  weniger  als  1°,  in  die  anderen 
Becken,  die  durch  zusammenhängende  Bodenanschwellungen  von  dem 
südwestlichen  geschieden  sind,  aber  nur  das  wärmere  Wasser  jener 
Schicht,  die  mit  dem  submarinen  Rücken  in  gleicher  Höhe  liegt. 
Aus  demselben  Grunde  bleiben  die  nordatlantischen  Tiefen  vor  dem 
Eindringen  des  arktischen  Wassers  geschützt,  wie  die  von  Kbümmkl11 
berechneten  Zugangsdimensionen  beweisen: 

Zugangsbreite  Zugangstiefe  Zugangsquerschnitt  * 
Arktische  1521  km  585  m 890  qkm 

Antarktische  9186  2740  25170 

Nördliches  Eismeer.  In  der  Fortsetzung  des  atlantischen  Thaies 
liegt  das  nördliche  Eismeerbecken.  Die  Temperatur  nimmt  in 
den  Polarmeeren  — wenigstens  im  Sommer  — nicht  überall  regel- 
mäßig mit  der  Tiefe  ab ; häufig  ist  eine  kalte  Schicht  zwischen  zwei 
wärmeren x x oder  auch  eine  warme  Schicht  zwischen  zwei  kälteren 
eingeschlossen. x x x Nachstehende  Durchschnitte  werden  uns  über  die 
vertikale  Wärmeverteilung  Aufschluß  geben.  Im  Süden  des  Grenz- 
plateaus, das  hier  bis  649  m aufsteigt,  breitet  sich  das  warme  atlan- 
tische Wasser  aus,  während  im  Eismeerbecken  und  in  dessen  süd- 
licher Fortsetzung,  der  Färöer-Shetlands-Rinne,  die  warme  Schicht, 
die  offenbar  aus  dem  Atlantischen  Ozean  stammt,  verhältnismäßig 
dünn  ist  (Fig.  57).  Unter  ihr  hat  das  Meer  Minus -Temperaturen, 
aber  ohne  den  Gefrierpunkt  des  Salzwassers  zu  erreichen;  die 

s Die  Breite  multipliziert  mit  der  Tiefe. 

xx  Z.  B.  68, a°  N.,  15, t 0.  (19.  Juni  1878,  nach  Mohn) 

Tiefe  m 0 18  37  73  110  146  183  366  624  (Boden; 

Temp.  0 10,7  8,o  5,t  4,4*  5,i  5,9  5,«  6,4  6,0 

xxx  Z.  B.  76,4 0 N.,  45,i°0.  (31.  Juli  1878,  Beob.  „W.  Babents“) 

Tiefe  m 17  34  51  68  85  102  119  136  153  170  187  204  221 

Temp.  0 2,o  1,5  0,5  -0,i  -0,5  -0,6*  -0,4  0,o  0,9  0,5  0,2  0,o  -0,s* 


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Die  Wärmeverteilung  im  Wasser. 


265 


Bodentemperaturen  schwanken  zwischen  — l,t°  und  — 1,7°.  Eine 
Vermischung  beider  verschieden  warmen  Wassermassen  verhindert 
das  Plateau.  Im  folgenden  Durchschnitt  (Fig.  58),  der  senkrecht 
zum  ersten  gezogen  ist,  selten  wir,  wie  die  warme  Golfstromschicht 
von  Westen  nach  Osten  an  Mächtigkeit  zunimmt.  Die  0°-lsotherme 


liegt  in  der  östlichen  Hälfte  zwischen  500  und  1200  m und  im  Mittel 
in  860  m Tiefe.  Dieser  Gegensatz  erklärt  sich  dadurch,  daß  der 
Golfstrom  sowohl  durch  die  westlichen  Winde  wie  durch  die  Erd- 
rotation nach  Osten  gedrängt  wird. 

Der  norwegischen  Küste  sind  mehr  oder  weniger  breite  Bänke 
vorgelagert,  in  die  der  beckenartige  Boden  der  Fjorde  eingesenkt 

VM  Olt 


Fig.  58.  Vertikale  Teinperaturverteilung  im  europäischen  Nordmeer  nach  Mohn. 


ist.  Niemals  gefriert  das  Wasser  der  letzteren,  selbst  nicht  unter 
den  höchsten  Breiten.  Ihre  Bodentemperatur  ist  durchschnittlich 
um  8,7°  höher  als  die  mittlere  Januartemperatur  der  Luft,  ja  nörd- 
lich vom  62.  Parallel  sogar  um  2,2°  höher,  als  die  mittlere  Jahres- 
temperatur. Es  ist  dies  wieder  ein  augenscheinlicher  Beweis  dafür, 
daß  das  norwegische  Küstenwasser  seinen  Wärmevorrat  aus  niederen 
Breiten  bezieht;  die  Bänke  schützen  aber  die  Fjorde  vor  dem  Eiu- 


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266 


Das  Meer. 


dringen  des  kalten  Wassers  des  Eismeerbeckens.  Auf  so  mannig- 
fachen Bedingungen  beruht  also  die  abnorme  klimatische  Begünstigung 
des  nordwestlichen  Europa. 

Die  warme  Oberflächenschicht  wurde  an  der  Westküste  von 
Spitzbergen  bis  über  den  60.  Parallel  und  östlich  von  der  Bären- 
insel bis  ca.  75°  B.  verfolgt,  ln  der  Barentsee  sinkt  die  0°-lsotherme 
nur  noch  an  einer  Stelle  bis  200  m Tiefe  herab,  nähert  sich  aber 
im  Norden  schon  bis  auf  12  m dem  Meeresspiegel.  Nördlich  und 
nordöstlich  von  Nowaja  Semlja  ist  das  ganze  Meer  unter  0°  abgekühlt. 
Nur  an  einigen  Stellen  wird  bei  Windstille  die  Oberfläche  durch  die 
Sommersonne  vorübergehend  stärker  erwärmt,  aber  schon  von  50  m 
an  findet  man  eine  nahezu  konstante  Temperatur  von  — 2,o  bis  — 2,s°, 
und  merkwürdigerweise  im  Winterhalbjahr  um  ca.  0,7°  höher  als  im 
Sommer.  Im  sibirischen  Eismeere  beobachtete  man  schon  in  30 — 50  m 
Tiefe  — 1 bis  — 2,4°. 

Es  liegt  also  der  Schluß  nahe,  daß  das  kalte  Wasser  des  Eis- 
meerbeckens und  der  Färöer-Binne  arktischen  Ursprungs  ist.  Dem 
widerspricht  aber  der  für  polares  Wasser  erfahrungsgemäß  zu  hohe 
Salzgehalt  und  andererseits  der  geringe  Stickstöflgehalt x desselben; 
denn  wir  wissen,  daß  die  Luftmenge,  welche  das  Seewasser  von  der 
Atmosphäre  aulnimmt,  im  umgekehrten  Verhältnisse  zu  seiner  Tempe- 
ratur steht.  In  der  That  finden  wir  auch  im  Gebiete  der  unzweifel- 
haft polaren  ostgrönlöndischen  Strömung  geringeren  Salz-  und  höheren 
Stickstoffgehalt,  als  am  Boden  des  Eismeerbeckens.  Wir  müssen 
daher  annehmen,  daß  das  kalte  Wasser  des  letzteren  wenigstens  zum 
Teil  aus  dem  Atlantischen  Ozean  stammt,  oder  mit  anderen  Worten, 
daß  hier  der  Golfstrom  in  einer  absteigenden  Bewegung  begriffen  ist. 

Übrige  Ozeane.  Im  Großen  Ozean  ist  die  vertikale  Tempe- 
raturverteilung im  allgemeinen  zwar  ähnlich  der  im  Atlantischen 
Ozean,  doch  bestehen  auch  einige  wichtige  Unterschiede.  Der  kälteste 
Teil  ist  der  außertropische  nördliche  Ozean.  Am  wärmsten  -ist  in 
den  oberen  Schichten  die  äquatoriale  Zone  und  in  den  mittleren  der 
südliche  Teil  jenseits  von  20°  südl.  B.  In  größeren  Tiefen  herrscht 
weitaus  mehr  thermische  Übereinstimmung  als  im  Atlantischen  Ozean. 
Ebenso  fehlen  auch  die  verhältnismäßig  bedeutenden  Extreme  der 
atlantischen  Bodentemperaturen,  denn  im  nördlichen  Teil  schwanken 
sie  im  allgemeinen  nur  zwischen  0,5  und  l,e°  und  in  der  Südsee 
zwischen  0,«  und  1°. 

Wie  sehr  die  Mächtigkeit  der  nordatlantischen  w’armen  Strö- 

X Die  Stickstoftmenge  des  Wassers  nimmt  man  als  Maß  der  gesamten 
Luftmenge,  da  der  Sauerstoffgehalt  zum  Teil  von  Zufälligkeiten  abhängig  ist 


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Die  Wärmeverteilung  im  Wasser. 


267 


niung  die  der  nordpazifischen  übertrifft,  zeigen  die  Beobachtungen 
des  „Challenger“  in  beiden  Meeren  zwischen  32  und  38°  N. 

Mittlere  Tiefe  der  Isothermen 
20"  15°  10° 

Atlantischer  Ozean  20 — 70 “W.  40  m 430  m 790  m 

Stiller  Ozean  170°  W.  — 140"  O.  20  120  350 

Dagegen  ist  bis  ca.  1000  m Tiefe  der  tropische  und  südliche 
Stille  Ozean  wärmer  als  der  Atlantische  in  gleicher  Breite,  in  größeren 
Tiefen  aber  entschieden  kälter,  wenn  auch  nirgends  so  tiefe  Boden- 
temperaturen  gefunden  wurden,  wie  zwischen  Südamerika  und  Tristan 
d’Acunha. 

Eigentümlich  ist  die  Wärmeverteilung  in  den  isolierten  Boden- 
senkungen der  westlichen  Südsee  und  des  austral-asiatischen  Mittel- 
meeres. In  der  Celebessee  (zwischen  dem  Sulu-Archipel  und 
Celebes)  beträgt  z.  B.  die  Temperatur  von  1460  m bis  zum  Boden 
(in  4755  m Tiefe)  gleichmäßig  3,8°.  Eine  Barriere  von  1190  m Tiefe 
sperrt  nämlich  das  kältere  Tiefenwasser  des  offenen  Ozeans  von 
dieser  Bodensenkung  ab.  In  der  benachbarten,  allseitig  abgeschlosse- 
nen Sulusee,  die  nur  indirekt  durch  die  China-  und  Celebessee  mit 
dem  Ozean  in  Verbindung  steht,  hat  die  Wassersäule  von  730  bis 
4664  m Tiefe  (Boden)  sogar  eine  konstante  Temperatur  von  10,3°. 
Das  sind  weitere  Beweise  für  die  Annahme,  daß  die  ozeanische 
Tiefenkälte  vom  Südpol  stammt. 

Auch  im  Indischen  Ozean  erreicht  kaltes  Bodenwasser  den 
Aquatorialgürtel.  Weiter  als  irgendwo  anders  drang  hier  der 
„Challenger“  gegen  die  antarktische  See  vor.  Zwischen  52  und 
54°  B.  beträgt  die  Temperatur  an  der  Oberfläche  selbst  im  Sommer 
nur  3°,  in  200  m Tiefe  nie  mehr  als  1°,  und  am  Grunde  in  3566  m 
Tiefe  — 0,a°.  Welcher  Gegensatz  zwischen  dem  südlichen  und  nörd- 
lichen Ozean!  Selbst  in,  dem  verhältnismäßig  kalten  nordpazifischen 
Ozean  fand  man  unter  gleichen  Breiten  an  der  Oberfläche  um  5,7° 
und  in  200  m Tiefe  um  2,i°  wärmeres  Wasser,  und  auch  die  Boden- 
temperatur ist  dort  höher.  Es  müssen  also  die  warmen  Strömungen 
in  den  höheren  südlichen  Breiten  — wenigstens  im  Süden  des 
Indischen  Ozeans  — viel  unbedeutender  sein,  als  in  den  nördlichen 
Meeren.  Gerade  dieser  Umstand  regt  eine  Reihe  hochwichtiger 
Fragen  an,  die  noch  ihrer  Lösung  harren.  Es  ist  Thatsache,  daß 
eine  Wasserzirkulation  zwischen  dem  Nordpol  und  dem  Äquator 
durch  das  atlantische  Thor  mittels  Oberflächenströmungen,  die 
allerdings  auch  in  beträchtliche  Tiefen  hinabreichen,  stattfindet.  Ob 
außer  dem  Falklandstrom  noch  andere  echte  südpolare  Oberfläclien- 


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268 


Das  Meer. 


Strömungen  bis  in  die  Tropenzone  hinaufgehen,  ist  zweifelhaft;  aber 
sicher  ist,  daß  eine  submarine  antarktische  Strömung  den  Äquator 
erreicht  und  auch  auf  die  nördliche  Hemisphäre  hinübertritt.  Sie 
ist  zwar  außerordentlich  langsam  und  verrät  sich  nur  dem  Thermo- 
meter, aber  jedenfalls  verdient  sie  den  Namen  einer  Strömung,  denn 
sie  bewirkt  eine  Wasserversetzung.  In  welcher  Beziehung  steht  sie 
nun  zu  den  Oberflächenströmen?  Und  auf  welche  Weise  erhält  das 
südliche  Polarmeer  Ersatz?  Denn  nur  dann,  wenn  ebensoviel  Wasser 
zufließt,  als  abfließt,  kann  sieb  eine  konstante  Strömung  entwickeln. 
Ist  es  endlich  wahrscheinlich,  daß  die  schwachen  warmen  Oberflächen- 
strömungen der  Südhemisphäre  diesen  Ersatz  leisten? 

Wyville  Thomson,  der  Leiter  der  „Challenger“-Expedition, 
stellte  die  Hypothese  auf  daß  auf  der  Wasserhalbkugel  die  Nieder- 
schläge größer  seien  als  die  Verdunstung,  während  auf  den  Meeren 
der  Landhalbkugel,  auf  dem  Atlantischen,  nordindischen  und  nord- 
pazifischen  Ozean  die  Verdunstung  den  Niederschlag  überwiege.  Die 
antarktische  Strömung  gleiche  nun  dieses  Mißverhältnis  aus.  So 
bestechend  auch  diese  Erklärung  auf  den  ersten  Blick  erscheint,  so 
erweist  sie  sich  doch  bei  näherer  Betrachtung  als  ziemlich  haltlos,  da 
sie  auf  ganz  willkürlichen  Annahmen  beruht.  Nach  dem  „Challenger“- 
Hauptwerke 12  stammt  das  tropische  Tiefenwasser  von  der  Oberfläche 
zwischen  40  und  55°  S.,  und  die  aus  den  warmen  Gegenden  kom- 
mende Ersatzströmung  glaubt  man  in  jener  warmen  Schicht,  die  sich 
unter  65°  S.  in  550  m Tiefe  fand,  entdeckt  zu  haben. 

Das  Meereis.  Während  die  übrigen  Meere  die  Kontinente  mehr 
verbinden  als  trennen,  sind  die  Polarmeere,  als  der  Schauplatz  einer 
ausgedehnten  und  regelmäßigen  Eisbildung,  auch  für  das  tauglichste 
Schiff  ein  ernstliches  Verkehrshindernis,  das  jeder  Berechnung  spottet. 
Wie  viele  Opfer  hat  es  gekostet,  ehe  man  den  Gedanken  aufgab, 
durch  die  Nordwestpassage  in  den  Stillen  Ozean  zu  gelangen;  und 
wenn  auch  die  Nordostpassage  von  Noedenskiöld  glücklich  über- 
wunden wurde,  so  ist  doch  auch  diese  ruhmreiche  That  ohne  prak- 
tische Folgen  für  den  atlantisch -pazifischen  Verkehr.  Die  marine 
Eisbildung  ist  überdies  auch  von  hoher  klimatischer  Bedeutung, 
denn  das  Eis  verhält  sich  gegen  die  Wärme  wie  Land,  erkaltet  also 
im  Winter  durch  Ausstrahlung  rasch  und  intensiv,  und  ruft  Baro- 
metermaxima  und  polare  Winde  hervor,  während  es  in  der  sommer- 
lichen Tauperiode  Wärme  verbraucht  und  dadurch  ebenfalls  abküh- 
lend auf  die  Umgebung  wirkt. 

Eisbildung  von  polarem  Charakter  findet  auch  im  Bering-  und 
Oehotskisclien  Meere  statt.  Auch  das  Asowsche  Meer  und  die 
Ostsee  nördlich  von  der  Linie  Stockholm-Osel  gefrieren  jeden  Winter 


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Die  Wärmeverteilung  im  Wasser. 


269 


teilweise  oder  ganz,  was  offenbar  durch  den  geringen  Salzgehalt 
begünstigt  wird. 

Das  Eis  der  Polarmeere  besteht  aus  Eisbergen,  Flußeis, 
das  aber  nur  in  den  sibirischen  Küstengegenden  einige  Bedeutung 
gewinnt,  und  Eisfeldern.  Die  erstereu  stammen  fast  ausschließlich 
von  Gletschern  her  (s.  S.  171),  doch  können  auch  Teile  der  auf- 
gebrochenen Eisdecke  eines  Flusses  durch  Aufeinanderpressung  wahre 
Berge  bilden  und  wie  das  Gletschereis  Gesteinsmaterial  mit  sich 
führen.  Das  Eisfeld  ist  marinen  Ursprungs;  Stücke  desselben  nennt 
man  je  nach  ihrer  Größe  Flarden,  Schollen  oder  Brocken.  Die 
Torposten  gegen  das  offene  Meer  bilden  lose  Eismassen,  das  sog. 
Treibeis,  während  das  innere  Polarmeer  mit  schwerem  Packeis 
besetzt  ist,  das  aber  freilich  auch  nicht  eine  ununterbrochene  Eis- 
masse bildet.  Vielmehr  werden  die  einzelnen  größeren  und  kleineren 
Felder  durch  Stellen  offenen  Wassers,  sog.  Wacken,  von  einander 
getrennt. 

Verfolgen  wir  nun  die  Bildung  und  Umformung  des  Polareises 
an  der  Hand  der  klassischen  Schilderung  von  Wkyprecht.  13  Beim 
Beginne  der  kalten  Jahreszeit  ist  noch  altes  Eis  vorhanden,  dazu 
kommt  nun  neue  Eisbildung.  Vom  Sommer  her  hat  das  Polarmeer 
ein  gewisses  Wärmequantum,  das  ihm  durch  warme  Strömungen, 
durch  das  Schmelzwasser  des  Eises,  und  (auf  unserer  Hemisphäre) 
durch  die  Flüsse  zugeführt  wurde.  Die  erkalteten  Oberflächen- 
schichten sinken  unter,  die  warmen  steigen  in  die  Höhe.  Eigentlich 
könnte  die  Eisbildung  erst  beginnen,  wenn  die  ganze  Wassermasse 
unter  — 2,/2°  abgekühlt  ist,  aber  in  der  Tliat  gefriert  das  Wasser 
an  der  Oberfläche  schon,  ehe  die  warmen  Schichten  heraufkommen. 
Bei  rascher  Eisbildung  au  der  Oberfläche  wird  nur  ein  Teil  des 
Salzgehaltes  ausgeschieden,  bei  langsamer,  nach  unten  fortschreitender 
aber  der  ganze ; dadurch  werden  die  nächsten  Schichten  salzreicher, 
ihr  Gefrierpunkt  wird  herabgesetzt  und  die  vertikale  Zirkulation  geht 
rascher  vor  sich.  Erfahrungsgemäß  beträgt  die  größte  Dicke  des  in 
einem  arktischen  Winter  gebildeten  Eises  nur  1 — 2l/3  m.  Ursprüng- 
lich hat  es  eine  glatte  Oberfläche,  aber  bald  entstehen  infolge  der 
Bewegung  der  Felder  durch  Wind  und  Strömungen,  infolge  von 
Gleichgewichtsstörungen  und  Temperaturdifferenzen  zwischen  Luft 
und  Wasser  Risse  und  Sprünge.  Sofort  schießt  in  den  Öffnungen 
Wasser  empor  und  treibt  die  Stücke  des  Feldes  auseinander,  wird 
aber  bald  selbst  von  jungem  Eise  bedeckt.  Die  bin  und  her  ge- 
triebenen Felder  schieben  sich  über  und  unter  einander  (Eis- 
pressung, Fig.  59),  und  verwachsen  endlich  durch  Regelation  und 
Ausfrieren  der  Zwischenräume  zu  einer  kompakten  Masse.  Aber 


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270 


Das  Meer. 


auch  jetzt  sind  dem  Wachstum  Grenzen  gesteckt  : nach  unten,  wenn 
das  Eis  den  Taupunkt  erreicht,  und  auch  nach  oben,  denn  je 
massenhafter  es  wird,  desto  seltener  werden  Brüche  und  Über- 
schiebungen. Nach  Weypbecht  kann  Salzwassereis  nur  eine  Mächtig- 
keit von  10  m erreichen,  und  wenn  höheres  beobachtet  wurde  (z.  B. 
25  m hohes  im  Smithsund),  so  war  es  nur  durch  unterschobene  lose 
Massen  gehoben  worden. 

Von  dieser  Art  ist  also  das  winterliche  Packeis:  ein  beständig 
sich  bewegender  und  umformender  Trümmerhaufen  aus  altem  und 
jungem  Eis,  dessen  Oberfläche  noch  dazu  durch  Schneestürme  fort- 
während verändert  wird.  Ihre  Unebenheit  macht  auch  weite  Schlitten- 
reisen unmöglich. 


Fig.  59.  Eispressung  nach  Payek. 


Ende  Mai  beginnt  es  in  den  arktischen  Gegenden  zu  tauen. 
Die  steigende  Temperatur,  vor  allem  aber  Nebel  und  Regen  be- 
schleunigen diesen  Prozeß.  Es  entstehen  Seen  und  Flüsse,  die  dem 
Meere  Süßwasser  zuführen.  Die  Wacken  erweitern  sich,  und  Schollen 
und  Brocken  schwimmen  darin  herum.  Die  Polarströmungen  führen 
die  losen  Massen  in  wärmere  Gegenden.  Die  äquatoriale  Treib- 
eisgrenze (s.  Karte  XIII)  schwankt  auf  der  südlichen  Halbkugel 
zwischen  56°  B.  im  Süden  von  Amerika  und  35°  B.  am  Kap  der 
guten  Hoffnung,  selbst  das  Packeis  überschreitet  unter  dem  Green- 
wicher Meridian  den  50.  Parallel,  d.  h.  die  Breite  von  Prag!14  Echtes 
arktisches  Treibeis  betritt  nur  den  westlichen  Atlantischen  Ozean, 
während  den  Golfstrom  bis  über  den  70.  Breitengrad  hinauf  kein 


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Die  Wärme vertciluug  im  Wasser.  271 

Eisstück  zu  passieren  vermag.  Nach  einer  allerdings  nicht  ganz 
sicheren  Berechnung  von  Borgen  ist  am  Ende  der  warmen  Jahres- 
zeit 1/3  der  Gesamtoberfläche  des  Eisgebietes  eisfrei.  Aber  der 
kurze  Sommer  vermag  nicht  alles  zu  zerstören,  was  der  lange  Winter 
geschaffen  hat.  Es  müßte  sich  daher  in  den  Polarmeeren  immer 
mehr  Eis  anhäufen,  wenn  es  nicht  thatsäehlich  nur  so  lange  wachsen 
würde,  bis  die  winterliche  Zunahme  genau  gleich  ist  dem  sommer- 
lichen Verluste. 

Die  Geschichte  der  Polarfahrten  lehrt,  daß  die  Eisgrenzen  von 
Jahr  zu  Jahr  großen  Schwankungen  unterworfen  sind.  Sie  sind 
weniger  von  der  Sommerwärme,  als  von  den  Wind-  und  Strömungs- 
verhältnissen innerhalb  des  ganzen  Polarbeckens  abhängig;  daher 
sind  im  arktischen  Meer  die  Ostküsten  stärker  belagert  als  die  west- 
lichen, die  Nordküsten  stärker  als  die  südlichen.  Traurige  Erfah- 
rungen haben  den  Glauben  an  ein  offenes  Polarmeer  zerstört.  Doch 
hält  Nordenskiöed  noch  daran  fest,  daß  es  kaum  jemals  bis  in  be- 
deutendere Tiefen  und  abseits  vom  Lande  dauernd  gefriert.  Jenseit 
des  sibirischen  Küsteneises  wurden  auch  im  Winter  breite  eisfreie 
Stellen  (sog.  Polynia)  beobachtet.  Aber  von  praktischem  Werte 
sind  idle  diese  Öffnungen  nicht,  denn  launenhaft  verschließen  sie 
sich  dem  einen  Schifte,  während  sie  sich  dem  anderen  öffnen.  Viel- 
leicht ist  es  dem  Luftballon  noch  Vorbehalten,  in  diesen  Gegenden 
eine  große  Rolle  zu  spielen. 

Literaturnachweise.  ' Krümmel,  cit.  S.  255,  n.  9.  — * Kuppen,  Das 
Verhältnis  der  Temperatur  des  Wassers  u.  der  Luft  an  der  Oberfläche  des  Ozeans, 
in  den  Annalen  der  Hydrographie  n.  Maritimen  Meteorologie  1890.  — 9 Fokei,, 
La  faune  profonde  des  lacs  Suisses,  Basel  1885.  — 4 Grissinger  in  Petermanns 
Mitteilungen,  1892,  S.  153.  — 6 Richter,  Die  Temperaturverhältnisse  der  Alpen- 
seen, in  den  Verhandlungen  des  IX.  Deutschen  Geographentages  in  Wien 
1891.  — 9 Hergesell,  Laxgenbeck  u.  Rudolph,  Die  Seen  der  Siidvogesen,  in 
den  Geographischen  Abhandlungen  aus  Elsaß-Lothringen,  1892,  Bd.  I.  — 
7 Forkl,  Classification  thermique  des  lacs  d'eau  douce,  in  den  Comptes  rendns 
de  l'academie  des  Sciences  de  Paris,  18.  März  1889.  — 8 Berichte  der  Com- 
mission für  Erforschung  des  östlichen  Mittelmeeres,  in  den  Denkschriften  der 
Wiener  Akademie  der  Wissenschaften,  Mathem.-naturwiss.  Classe,  Bd.  LIX — LXI, 
1892 — 94.  — 9 Woeikow  in  Petermanns  Mitteilungen  1891,  S.  33.  — 10  Buchan, 
Report  on  Oeeanic  Circulation,  Appendix  zum  Challenger- Report,  1895. 
Temperaturkarteu  von  0—1000  Faden  Tiefe  für  je  100  Faden,  dann  für  1500 
und  2200  Faden  und  größere  Tiefen.  — 11  Krümmel,  cit.  S.  40.  — 18  Narrative, 
Bd.  I.  — 19  Weyprecht,  Die  Metamorphosen  des  Polareises,  Wien  1881.  — 
14  Fricker,  Die  Entstehung  und  Verbreitung  des  antarkischen  Treibeises, 
Leipzig  1893. 


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Dritter  Abschnitt. 


Die  Dynamik  des  Landes.1 

Die  Hauptformen  der  Dislokationen.2 

Als  endogene  Wirkungen,  d.  h.  als  Wirkungen  von  Kräften, 
die  ihren  Sitz  im  Erdinnem  haben,  wurden  auf  S.  14 
Niveauveränderungen  und  vulkanische  Ausbrüche  genannt 

Die  Niveauveränderungen,  oder  um  genauer  zu  sprechen, 
die  endogenen  Niveauveränderungen  können  wir  nach  verschiedenen 
Gesichtspunkten  einteilen: 

1.  der  Zeit  nach  in  instantane,  die  plötzlich  eintreten,  und 
in  säkulare,  deren  Wirkungen  erst  nach  längeren  Zeiträumen  zur 
Wahrnehmung  gelangen ; 

2.  der  Ausdehnung  nach  in  regionale  oder  ausgedehnte  und 
in  lokale  oder  örtlich  beschränkte.  Eine  scharfe  Grenze  ist  zwischen 
beiden  in  der  Theorie  nicht  zu  ziehen,  in  der  Praxis  aber  wird  man 
selten  im  Zweifel  sein,  welcher  Kategorie  man  die  beobachtete 
Niveauveränderung  zuzählen  soll; 

3.  die  Niveauveränderungen  können  sich  mit  oder  ohne  sicht- 
bare Schichtenstörung  (Dislokation)  vollziehen;  die  ersteren  nennen 
wir  kurzweg  Dislokationen,  und  mit  diesen  haben  wir  uns  hier 
zu  beschäftigen. 

Die  Dislokationen  lassen  sich  auf  horizontal  oder  vertikal  wirkende 
Kräfte  zurückftihren.  Über  die  beiden  Formen  der  Horizontal- 
dislokationen, E’altung  und  Blatt,  können  wir  rasch  hinwegeilen. 
Zwar  ist  es  hauptsächlich  die  Faltung  der  Oberflächenschichten, 
die  die  meisten  und  wichtigsten  Kettengebirge  der  Erde  geschaffen 
hat,  aber  bei  der  Besprechung  der  letzteren  wird  sich  uns  bequemere 
Gelegenheit  bieten,  auf  die  verschiedenen  Arten  der  Falten  näher 
einzugehen.  Von  geringem  Einflüsse  auf  die  Beschaffenheit  des  Ge- 
ländes scheint  dagegen  das  Blatt  zu  sein.  Man  versteht  darunter 
eine  Horizontalverschiebung  der  Schichten  entlang  einer  Bruchspalte; 
ein  Vorgang,  der  besonders  deutlich  bei  dem  großen  zentral- 


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Die  Hauptformen  der  Dislokationen. 


japanischen  Erdbeben  vom  28.  Oktober  1891  beobachtet  wurde. 3 Bei 
Midori  z.  B.  schnitt  die  Spalte  eine  Chaussee  entzwei,  und  die  Ost- 
hälfte wurde  um  4 m nach  N.  verschoben ; damit  verband  sich  auch  eine 
Senkung  oder  Verwerfung  des  West- 
Hügels  um  6m  (Fig.  61).  Besonders 
auffällig  tritt  das  Blatt  dann  her- 
vor,  wenn  sich  entlang  der  Spalte 
ein  Thal  entwickelt  hat,  und  die 
Gehänge  nun  nicht  mehr  zusammenpassen, 
diese  Dislokationsform  an  gefaltete  Gegenden 

Die  Hauptform  der  Vertikal dislokation  ist  die  Verwerfung, 
worunter  man  jede  Vertikalverschiebung  ursprünglich  zusammen- 
hängender Schichtenteile  entlang  einer  Bruchspalte  versteht  (Fig.  62). 
Sie  kann  in  liori-  , _ 

wie  das"  Maß  der- 
selben — die  sog. 

Sprunghöhe  — 

kann  ebenfalls  sehr  verschieden  sein.  Häutig  treten  Verwerfungsspalten 
in  beträchlicher  Ausdehnung  und  in  großer  Zahl  auf  und  zerlegen 
einen  Schichtenkomplex  in  einzelne  Schollen.  Sie  können  dabei 
mehr  oder  weniger  parallell  verlaufen,  als  sog.  Tafelbrüche  (Fig.  63), 
oder  sie  bilden  Bruchnetze,  die  aus 
einem  System  sich  durchkreuzender  peri-  £ g-jggL 
pherischer  Brüche  und  Radialsprünge  C ~ ~~  y~  \ 
bestehen  (Fig.  64).  Auch  die  einzelnen 
Schollen  können  sich  verschieden  ver- 
halten. In  Fig.  62  fallen  sie  z.  B.  gleich- 
sinnig nach  einer  Richtung  ab,  und  wir 
sprechen  dann  von  einem  Staffelbruche; 
häufig  ragt  aber  eine  Scholle  als  sog.  Horst  über  die  Umgebung  hervor 
(Fig.  65),  oder  senkt  sich  als  Graben  unter  die  Nachbarschollen 
hinab  (Fig.  66).  Diese  Erscheinungen  gehören  hauptsächlich  den  Ge- 
bieten der  Tafelbrüche  an,  während  die  Einstürze  von  rundlichem 

Supam,  Physische  Erdkunde.  2.  Aufl.  18 


Fig.  60.  Falten, 


Fig.  61.  Verschiebung  (Blatt)  und  Verwerfung  bei  Midori, 
nach  Koto. 


Fig.  62.  Verwerfung. 


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274 


Die  Dynamik  des  Landes. 


oder  polygonalem  Umrisse,  die  man,  wenn  sie  klein  sind,  als  Kessel- 
brüche, und,  wenn  sie  größeren  Umfang  besitzen,  als  Senkungs- 
becken bezeichnet,  durch  Bruchnetze  erzeugt  werden. 

Manchmal  kommt  es  nicht  zum  Bruche,  obwohl  die  Teile  eines 
Schichtenkomplexes  ebensolche  oder  ähnliche  Niveau  Veränderungen 


^ Pfjiphfrlüöv  JJrOc/lr 
I JtiUttalapaUen 
Fig.  64. 

Bruchnetze  nach  Heim. 


erleiden,  wie  bei  der  Verwerfung.  Statt  des  Bruches  entsteht  dann  eine 
Schichtenbiegung,  weshalb  man  diese  Form  der  Vertikaldislokation 


als  Flexur  bezeichnet  (Fig.  67).  Sie  tritt  mit  Verwerfungen  vergesell- 
schaftet auf,  und  zwischen  beiden  Arten  bestehen  mannigfache  Über- 


Fig.  67.  Fig.  68. 

Flexnr  nach  Heim.  Zerrissene  Flexur  nach  Heim. 


gange,  von  denen  Fig.  68  die  häufig  vorkommende  zerrissene  Flexur 
mit  „geschleppten“  Schichtenenden  an  der  Biegungsstelle  yorführt. 


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Die  Hauptformen  der  Dislokationen. 


275 


Wir  haben  also,  wenn  wir  noch  einmal  rückwärts  blicken,  im 
Ganzen  vier  Hauptformen  der  Dislokation: 

Durch  vorwiegend  horizontal  ^ 1.  Falte, 
wirkende  Kräfte  entstanden:  j 2.  Blatt, 

Durch  vorwiegend  vertikal  1 3.  Verwerfung, 
wirkende  Kräfte  entstanden:  / 4.  Flexur. 

In  der  Regel  treten  diese  Dislokationsformen  regional  auf.  Es 
giebt  weite  Gebiete,  wo  die  Schichten  ihre  ursprüngliche  horizontale 
Lagerung  beibehalten  haben,  und  Störungen  nur  eine  untergeordnete, 
örtlich  beschränkte  Rolle  spielen.  Es  giebt  weite  Gebiete,  wo  die 
Schichten  in  Falten  gelegt,  und  wieder  andere,  wo  sie  in  Schollen 
aufgelöst  sind.  Wohl  kommen  neben  Falten  auch  Verwerfungen, 
neben  Verwerfungen  auch  Falten  vor,  aber  immer  ist  es  Eine  von 
diesen  beiden  Hauptformen,  welche  einer  bestimmten  Gegend  ihr 
Gepräge  verleiht,  so  daß  wir  mit  Recht  von  Falten-  und  Schollen- 
ländern sprechen  dürfen.  Dieser  regionalen  Anordnung  der  Schichten- 
störungen ist  es  zu  danken,  daß  Berge  und  Ebenen  nicht  wirr 
durcheinander,  sondern  in  geschlossener  Weise  auftreten,  und  daß 
geographische  Provinzen  entstehen,  die  durch  ihren  einheitlichen 
Bau  auch  die  Entwicklung  ihrer  menschlichen  Bewohner  beeinflussen. 

Theorieen.  Dem  Geographen  genügt  es,  wenn  es  ihm  gelingt,  eine 
bestimmte  Oberflächenforni  aus  ihrer  Bauart  zu  erklären ; den  letzten 
Grund  der  endogenen  Erscheinungen  aufzusuchen,  überläßt  er  neidlos 
den  Geschichtsschreibern  der  Erde.  Aber  ganz  können  auch  wir  nicht 
den  theoretischen  Erörterungen  nicht  aus  dem  Wege  gehen;  wir 
können  nun  einmal  nicht  des  geistigen  Bandes  entbehren,  das  die 
beobachteten  Thatsachen  zusammenhält.  Doch  beschränken  wir  uns 
hier  nur  auf  einige  allgemeine  Gesichtspunkte,  die  uns  später  das 
Verständnis  der  Einzelphänomene  erleichtern  sollen. 

Daß  Bodenbewegungen  und  vulkanische  Ausbrüche  in  irgend 
einem  ursächlichen  Zusammenhänge  mit  dem  heißen  Erdkern  stehen, 
ist  jetzt  die  vorherrschende  Ansicht  der  Geologen.  Nur  vereinzelt 
taucht  noch  die  Meinung  auf,  daß  Veränderungen  innerhalb  der 
Kruste  selbst,  außergewöhnlicher  Wärmeverlust  oder  außer- 
gewöhnliche Wärmeerhöhung  durch  mechanische  oder  chemische 
Vorgänge,  genügen,  um  Hebungen  und  Senkungen,  Gebirgsbildung 
und  Eruptionen  zu  erklären.4  Aber  diese  Stimmen  verhallen  fast 
ungehört.  Jahrzehnte  hindurch  herrschte  die  plutonistische 
Theorie,  die  dem  heißflüssigen  Erdinnem  eine  aktive  Wirksamkeit 
zuschrieb  und  alle  tektonischen  und  vulkanischen  Phänomene  als  Re- 
aktion des  exjdosiven  Erdkerns  gegen  die  erstarrte  Kruste  auffaßte. 

18* 


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276  Die  Dynamik  des  Landes. 

Das  genauere  Studium  der  Faltengebirge  hat  diese  Anschauung  er- 
schüttert und  der  Kontraktionstheorie  den  Weg  gebahnt.  Diese 
beruht  auf  der  Voraussetzung,  daß  das  Erdinnere  rascher  erkaltet 
lind  sich  zusammenzieht,  als  die  Kruste,  so  daß  zwischen  beiden 
ein  Hohlraum  entsteht.  Wie  ein  Gewölbe  an  seiner  schwächsten 
Stelle  sich  senkt  und  endlich  zusammenbricht,  so  auch  die  Kruste ; aber 
da  ihr  Umfang  zu  groß  ist  für  den  zusammengeschrumpften  Erdkern, 
so  muß  durch  die  Zusammenpressung  oder  Faltung  schwacher  Par- 
tien erst  Kaum  geschaffen  worden  für  die  starreren  Schollen,  die 
nun  ebenfalls  dem  Zuge  der  Schwerkraft  folgen  können.  Süss,  der 
diese  Theorie  bis  in  ihre  äußersten  Konsequenzen  ausgebildet  hat, 
kennt  nur  Einen  Fundamentalakt:  die  Senkung.  Ungleichmäßige 
Senkung  der  Krustenstücke  schuf  Festländer  und  Meere.  Es  giebt 
nur  Eine  Art  der  Hebung,  die  durch  Faltung,  aber  auch  diese  ist 
nur  eine  Wirkung  der  Schwerkraft,  die  sich  örtlich  in  eine  tangen- 
tial wirkende  Kraft  umsetzt  Die  vulkanischen  Ausbrüche  sinken 
zu  untergeordneten  Begleiterscheinungen  des  großen  Zusammen- 
bruches der  Erdrinde  herab,  denn  dieser  Vorgang  öffnet  die  Spalten, 
durch  die  die  Dämpfe  und  die  Lava  ihren  Weg  nach  der  Ober- 
fläche finden. 

Im  Gegensätze  zu  Süss  hält  de  Lappakknt  die  Faltungf  ür  die 
ursprüngliche  Folge  der  Erdkontraktion  und  den  Bruch  und  die 
Schollensenkung  für  den  sekundären  Vorgang.®  Auch  die  Verein- 
barkeit faltungsloser  Hebung  mit  der  Schrumpfungstheorie  wird  neuer- 
dings behauptet.“ 

Immer  mehr  häufen  sich  die  Beweise  dafür,  daß  unter  den 
Hochgebirgen  ein  Massendefekt  vorhanden  ist,  der  entweder  durch 
Hohlräume  oder  durch  eine  geringere  Dichtigkeit  der  Tiefengesteine 
bewirkt  sein  kann.  Diese  Thatsache  bereitet  der  Kontraktionstheorie 
allerdings  einige  Schwierigkeiten,  denn  man  erwartet,  daß  die  Faltung 
eine  größere  Dichtigkeit  in  der  Tiefe  erzeugt.  Dies  ist  hauptsächlich 
der  Grund,  weshalb  Rothpletz  die  Kontraktionstheorie  durch  ihr 
Gegenteil,  die  Expansionstheorie,  ersetzt  wissen  will.7  Seltsam 
klingt  es  freilich,  daß  die  Erde  sich  durch  Wärmeverlust  ausdehne, 
wie  Wasser  und  Wismut;  man  will  es  damit  begründen,  daß  feste 
Massen  weniger  zusammpreßbar  sind  als  flüssige.  Die  Aktion  geht 
von  der  mittleren  Zone  zwischen  Kruste  und  Kern  aus;  indem 
diese  erstarrt,  dehnt  sie  sich  aus  und  ist  bestrebt,  die  Kruste  zu 
heben.  Die  Vorgänge,  die  nun  folgen,  spielen  sich  in  derselben 
Weise  ab,  wie  bei  der  Kontraktion,  nur  daß  wir  statt  „Senkung“ 
„Hebung“  zu  setzen  haben.  Schwächere  Teile  der  Mittelzone  dehnen 
sich  stärker  aus  und  bewirken  Hebung  der  aufgelagerten  Krustenscholle 


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Die  Hrtuptformen  der  Dislokationen.  277 

und  Streckung  und  Zerreißung  derselben.  In  die  Spalten  dringen 
eruptive  Gesteinsmassen  ein.  Durch  die  Ausdehnung  spezifisch 
leichter  geworden,  erleiden  jene  Partieen  der  Mittelzone  nun  aber 
auch  einen  seitlichen  Druck  durch  die  sich  fortgesetzt  ausdehnenden 
stärkeren  Partieen  und  dadurch  soll  auch  Faltung  in  den  gehobenen 
Krustenschollen  eintreteu  können. 

Ein  anderer  Gegner  der  Kontraktionslehre,  0.  Fisher,8  hat  in 
letzter  Zeit  eine  eigenartige  Theorie  entwickelt,  die  freilich  fast  nur 
auf  Hypothesen  aufgebaut  ist,  aber  doch  nicht  mit  völligem  Still- 
schweigen übergangen  werden  darf. 

Wie  schon  auf  S.  12  dargethan  wurde,  denkt  sich  Fisher  die 
Erdkruste  als  eine  verhältnismäßig  dünne  Schicht  auf  einer  leicht- 
flüssigen Unterlage.  Ozeanische  Becken  und  kontinentale  Massen  sind 
von  Anfang  an  gescliieden,  wenn  auch  mancherlei  Grenzverschiebungen 
im  Laufe  geologischer  Zeiträume  stattgefunden  haben.  Die  ozeanische 
Kruste  sinkt  tiefer  in  das  Magma  (die  leichtflüssige  Unterlage)  ein 
und  ist  dichter  als  die  kontinentale,  wobei  die  Dichte  mit  der  Tiefe 
zunimint.  Dagegen  ist  das  Magma  unter  den  Ozeanen  weniger  dicht 
als  unter  den  Festländern.  Diese  Unterschiede  geben  Veranlassung 
zu  Ausgleichsströmungen,  die  fortwährend  Wärme  von  unten  nach 
oben  führen,  und  eine  Umlagerung  der  Massen  bewirken.  Unter 
den  Ozeanen,  gegen  deren  kalte  Tiefen  eine  starke  Wärmeabgabe 
.stattfindet,  steigen  im  Magma  fortwährend  Ströme  auf,  um  jenen 
Wärmeverlust  zu  ersetzen;  unter  den  Kontinenten  befinden  sich  ab- 
steigende Ströme.  Dieses  Spiel  auf-  und  absteigender  Ströme  erfordert 
einen  Ausgleich  durch  horizontale  Ströme;  in  den  oberen  Schichten 
der  Magmas  geht  eine  solche  Strömung  von  den  Ozeanen  gegen  die 
Ränder  der  Kontinente,  in  den  unteren  Schichten  von  den  Kontinenten 
zu  den  Ozeanen.  Die  ersteren  können  nun  vermöge  der  Reibung 
an  der  Unterseite,  der  Kruste,  besonders  dort,  wo  die  unteren  Aus- 
bauchungen des  Festlandes  Widerstand  leisten,  die  Kruste  zusammen- 
pressen, falten  — so  entstehen  Gebirge  an  der  Grenze  von  Land 
und  Meer  (die  amerikanischen  Cordilleren!).  Stellenweise  muß  die 
ozeanische  Kruste  dein  Anpralle  des  aufsteigenden  Magmas  nach- 
geben; es  bilden  sich  Spalten  und  Vulkane  mitten  im  Weltmeere. 
Die  Ungleichmäßigkeit  jener  Ströme  giebt  auch  zu  vulkanischen  Er- 
scheinungen Veranlassung.  Unter  gewissen  Erdstellen  werden  sie 
energischer  und  schmelzen  die  Unterseite  der  Kruste  ab;  diese  wird 
dünner,  es  entstehen  Spalten,  und  die  betreffende  Gegend  wird  von 
vulkanischen  Ausbrüchen  heimgesucht. 

Neben  den  Strömungen  des  Magmas  wirkt  aber  noch  seine 
ungleiche  Belastung  als  formbildendes  Element.  Zwischen 


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278' 


Die  Dynamik  des  Landes. 


den  kontinentalen  und  ozeanischen  Krustenteilen  muß  Gleichgewicht 
herrschen  (vgl.  S.  1 3),  und  dieses  wird  durch  die  verschiedene  Dichte 
hergestellt.  Aber  das  Gleichgewicht  wird  sofort  gestört,  wenn  die 
Oberfläche  des  Festlandes  durch  die  zerstörenden  Kräfte  abgetragen 
und  Teile  desselben  durch  das  fließende  Wasser  in  das  Meer  ge- 
führt werden.  Die  belastete  ozeanische  Kruste  muß  tiefer  in  das 
Magma  einsinken,  das  entlastete  Festland  muß  steigen. 

Diesen  Gedanken  hat  Dutton"  zu  seiner  isostatischen  Theorie 
ausgebaut,  die  er  aber  nur  auf  die  Faltengebirge  angewendet  wissen 
will.  Wir  werden  daher  bei  einer  späteren  Gelegenheit  darauf  zu- 
rückzukommen  haben. 

Litteraturnachweise.  1 Hauptwerke:  Süss,  Das  Antlitz  der  Erde,  cit. 
S.  23;  v.  Richthofen,  Führer  für  Forschungsreisende,  Berlin  1886;  Penck,  Morpho- 
logie der  Erdoberfläche,  Stuttgart  1891;  Pkschei.,  Neue  Probleme  der  vergleichen- 
den Erdkunde,  3.  Aufl.,  Leipzig  1878;  zwar  inhaltlich  z.T.  veraltet,  aber  in  der  Dar- 
stellung noch  immer  unerreichtes  Muster.  Zu  den  auf  S.  22  genannten  Lehrbüchern 
der  Geologie  sind  hier  noch  hinzuzufügen  Reyer,  Theoretische  Geologie,  Stuttgart 
1888,  u.  Walther,  Lithogenesis  der  Gegenwart,  Jena  1894.  Berghaus,  Atlas 
der  Geologie,  Gotha  1892,  z.T.  auch  Atlas  der  Hydrographie,  1891,  in  Berguaus’ 
Physikalischem  Atlas.  — ’ De  Maroerie  u.  Heim,  Die  Dislokationen  der  Erd- 
rinde (französicher  u.  deutscher  Text;  Synonyma  in  französischer,  deutscher  u. 
englischer  Sprache;  unentbehrliches  Hilfsbuch),  Zürich  1888.  — 4 Koto,  The 
Cause  of  the  Great  Earthquake  in  Central  Japan , 1891,  im  Journal  of  College 
of  Science,  Univcrsity  of  Japan  1893.  — 4 Vgl.  z.  B.  v.  Fritsch,  Allgemeine 
Geologie,  Stuttgart  1888.  — 4 De  Lafpahest,  Le  sens  des  mouvements  de 
l’ecorce  terrestre,  im  Bulletin  de  la  Socicte  gdologique  de  France  1887,  Bd.  XV. 
— 4 Vgl.  Kavser,  Lehrbuch  d.  Geologie  I,  S.  458.  — Rothpletz,  Ein  geo- 
logischer Querschnitt  durch  die  Ostalpen,  Stuttgart  1894.  — 8 Fisher,  cit.. 
S.  13.  — • Dotton,  Some  of  the  greater  problems  of  physical  Geology,  im 
Bulletin  of  the  Philosophieal  Society,  Washington  1892,  Bd.  XI. 


Moderne  Niveauveränderungen. 

(Siehe  Karte  XVI.) 

Litorale  Niveauveränderungen.  Es  ist  eine  alte  Erfahrung,  daß 
die  Grenze  zwischen  Land  und  Meer  Verschiebungen  erleidet,  nicht 
bloß  periodische  durch  Ebbe  und  Flut,  sondern  auch  dauernde.  Hier 
ist  anscheinend  die  günstigste  Stelle,  um  endogenen  Niveauveränder- 
ungen nachzuspüren ; im  Meeresspiegel  glaubt  man  eine  sichere  Marke 
zu  haben,  an  der  sich  auch  kleine,  langsame  Höhenveränderungen 
des  Festen  messen  lassen.  Aber  es  bedarf  nur  einer  kurzen  Er- 
wägung, um  zu  erkennen,  daß  wir  auch  hier  mannigfachen  Täuschungen 
ausgesetzt  sind,  und  daß  die  Verschiebung  der  Strandlinie  ein  recht 
kompliziertes  Phänomen  ist. 


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Moderne  NiveauverSnderungen. 


279 


Das  Land  kann  nicht  nur  durch  Hebung  in  das  Meer  hinaus- 
wachsen, sondern  auch  durch  Anschwemmung;  Inseln  können  dadurch 
landfest  werden,  Häfen  versanden,  einstige  Seestädte,  wie  Ravenna, 
vom  Meere,  ihrem  Lebenselemente,  abgeschnitten  werden.  Wenn  das 
Meer  gegen  das  Land  vorrückt,  so  ist  man  noch  immer  nicht  ohne 
weiteres  zu  dem  Schlüsse  berechtigt,  daß  das  Land  sinke.  Die 
sturmbewegte  See  hat  genug  Küstenstriche  und  Hache  Inseln  ver- 
schlungen, ohne  daß  eine  Niveau  Veränderung  stattgefunden  hätte. 
Lange  Zeit  hindurch  galten  unterseeische  Wälder  und  Torfmoore 
als  untrügliche  Zeichen  der  Landsenkung;  heute  wissen  wir,  daß  sie 
auch  durch  einfache  Abrutschung,  durch  Einbrüche  der  Sturmfluten 
und  Zerstörung  natürlicher  Deiche  in  ihre  gegenwärtige  Lage  ver- 
setzt werden  können.  An  Schwemmlandküsten,  besonders  in  Deltas, 
wird  häufig  wirkliche  Senkung  beobachtet,  aber  diese  kann  nur 
eine  Folge  der  Zusammensackung  der  lockeren  Massen  sein  und  mit 
eigentlichen  Krustenbewegungen  nichts  zu  tliun  haben. 

Wo  wir  aber  Spuren  der  Zerstörung  durch  das  brandende 
Meer  oder  Ablagerungen  mit  marinen  Organismen  außerhalb  der 
Grenze  der  Sturmfluten  finden,  werden  wir  auf  eine  Niveauver- 
änderung schließen , dürfen.  Freilich  auch  da  ist  Vorsicht  nötig, 
denn  manche  Muschelhaufen  sind  nichts  anderes  als  Reste  mensch- 
licher Mahlzeiten  aus  vorgeschichtlicher  Zeit.  Und  am  Ende  werden 
wir  noch  immer  vor  die  Frage  gestellt  sein,  welches  Element  sein 
Niveau  verändert  habe,  die  Oberfläche  des  Landes  oder  der  Spiegel 
des  Meeres. 

Auch  das  Mittelwasser  des  Meeres  ist,  wie  wir  erfahren 
haben,  eine  veränderliche  Größe.  Lassen  wir  selbst  die  Geoid- 
veränderungen durch  die  Anziehungskraft  des  Festlandes,  auf  die 
man  einige  Zeit  so  großes  Gewicht  gelegt  hatte,  als  einen  noch  nicht 
abschätzbaren  Faktor  bei  Seite,  so  müssen  wir  doch  jene  Niveau- 
veränderungen berücksichtigen,  die  im  Gefolge  der  Klimaschwank- 
ungen nicht  nur  in  Binnenmeeren,  sondern  auch  an  ozeanischen  Küsten 
auftreten.  Das  sind  Ursachen,  die  den  Meeresspiegel  lokal  be- 
einflussen; Verminderung  der  Wassennenge  und  räumliche  Ver- 
änderungen der  Meeresbecken  sind  dagegen  Ursachen,  die  im  ganzen 
Weltmeere  gleichzeitig  sich  geltend  machen.  Verminderung  der 
Wassermenge  muß  überall  eine  Senkung  des  Spiegels  bewirken.  Es 
kann  nicht  geleugnet  werden,  daß  durch  die  Hydratisierung  der 
Eruptivgesteine,  durch  das  Eindringen  von  Wasser  in  die  Haar- 
spalten der  Felsen  und  durch  dauernde  Eisbildung  viel  Wasser 
teils  für  immer,  teils  auf  lange  Zeit  dem  Meere  entzogen  wird;  aber 
es  unterliegt  ebensowenig  einem  Zweifel,  daß  Tkautschold1  diese 


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280 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Faktoren  in  ihrer  Bedeutung  ganz  außerordentlich  überschätzt  hat. 
Kommt  der  vulkanische  Dampf,  wie  es  wahrscheinlich  ist,  nicht  aus 
dem  Meere,  so  führen  überdies  die  Ausbrüche  der  Feuerberge  auch 
wieder  Wasser  dem  Meere  zu.  Die  räumlichen  Veränderungen  der 
Meeresbecken  hat  Süss  als  eustatische  Bewegungen  bezeichnet. 
Senkt  sich  der  Meeresboden  oder  verschwindet  Festland  unter  dem 
Meere,  so  sinkt  überall  der  Meeresspiegel,  während  ihn  die  Aufhäufung 
von  Sedimenten  am  Meeresgründe  überall  hebt. 

Wir  haben  eine  Reihe  von  möglichen  Ursachen  kennen  gelernt, 
die  hei  der  Verschiebung  der  Strandlinie  mitwirken,  und  jede  der- 
selben kann  entgegengesetzte  Wirkungen,  sowohl  Landgewinn  wie 
Landverlust,  erzeugen.  Wir  haben  zunächst  diejenigen  Verschiebungen 
auszuscheiden,  die  nur  auf  mechanische  Ursachen,  auf  die  Thätig- 
keit  des  Meeres  und  der  Flüsse  zurückzuführen  und  mit  keiner 
eigentlichen  Niveauveränderung  verbunden  sind.  Wir  haben  ferner 
auszuscheiden  die  oberflächlichen  Niveau  Veränderungen 
durch  Gleitung  von  Küstenschollen  und  Zusammensackung  ange- 
schwemmter Massen,  und  erst  das,  was  übrig  bleibt,  können  wir 
als  wirkliche  litorale  Niveauveränderung  betrachten.  Und 
nun  haben  wir  zu  untersuchen,  ob  die  Niveauveränderung  auf  senk- 
rechten Verschiebungen  des  Meeresspiegels  oder  des  Landes  beruht 

Diese  Unterscheidung  ist  aber  in  vielen  Fällen  so  schwierig, 
dafs  man  überhaupt  darauf  verzichtet  mufs.  Man  wird  dann  eine 
Entscheidung  nur  auf  Grund  seiner  theoretischen  Ansichten  treffen 
können,  und  diese  Ansichten  sind  verschieden  und  haben  im  Laufe 
der  letzten  150  Jahre  schon  mehrfach  gewechselt.  Sükss  schlug 
daher  vor,  für  die  beiden  Arten  der  litoralen  Niveauveränderung 
neutrale  Bezeichnungen  zu  gebrauchen:  negativ  für  Senkung  des 
Meeresspiegels  oder  Hebung  des  Landes,  positiv  für  Steigung  der 
Meeresniveaus  oder  Senkung  des  Landes.  Diese  Namen  haben  seit- 
dem in  der  wissenschaftlichen  Litteratur  fast  überall  Eingang  ge- 
funden, obwohl  sie  nicht  ganz  so  neutral  sind,  wie  sie  aussehen, 
und  auch  keine  sinnlichen  Vorstellungen  erwecken.  Tn  beiderlei 
Hinsicht  wären  nach  unserer  Meinung  die  Ausdrücke  kontinentale 
Strandverschiebung,  wenn  diese  zu  Gunsten  des  Landes  erfolgt,  und 
marine  Strandverschiebung,  wenn  das  Meer  dabei  gewinnt,  vor- 
zuziehen. 

Theorieen.  Als  man  im  vorigen  Jahrhundert  zuerst  dem  Prob- 
leme der  schwedischen  Niveauveränderung  näher  trat,  nahm  man  an, 
der  Wasserspiegel  sinke  und  das  Land  bleibe  fest.  Diese  Theorie 
vertrat  besonders  Celsius.  Zu  Beginn  unseres  Jahrhunderts,  als 
die  plutonistische  Schule  ihre  Siegeslaufbahn  begann,  wurde  die 


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Moderne  Niveauveränderungen.  281 

entgegengesetzte  Theorie,  hauptsächlich  gestützt  durch  die  gewaltige 
Autorität  Leopold  v.  Büchs,  die  herrschende;  nun  wurde  der 
Meeresspiegel  konstant  und  das  Land  beweglich.  Die  dritte  Phase 
knüpft  sich  hauptsächlich  an  den  Namen  Süss.  Die  Veränderlich- 
keit des  Meeresniveaus  wird  wieder  anerkannt,  aber  auch  das  Land 
ist  beweglich.  Nur  Hebung  ohne  Faltung  sei  undenkbar,  und  was 
wir  bisher  als  Küstenhebung  gedeutet  haben,  müsse  in  Wirklichkeit 
auf  eine  Senkung  des  Meeresspiegels  zurückgeführt  werden. 

Für  uns  Geographen  ist  die  Frage  insofern  wichtig,  als  Ver- 
schiebungen der  Strandlinie  durch  Niveauveränderungen  noch  immer 
fortdauern;  für  den  Geologen  hat  sie  aber  eine  noch  viel  umfassen- 
dere Bedeutung,  denn  sie  ist  auf  das  innigste  verknüpft  mit  dem 
Problem  der  Transgressionen.  Süss  vermuthete  eine  Oszillation 
des  Ozeans  zwischen  den  Polen  und  dem  Äquator,  und  fügte 
schüchtern  hinzu,  daß  dies  vielleicht  mit  periodischen  Schwankungen 
der  Fliehkraft  Zusammenhänge. 2 Auch  Blytt  vertritt  diese  An- 
sicht.3 Es  sei  daran  erinnert,  daß  die  Gestalt  der  Erde  das  Pro- 
dukt von  Schwerkraft  und  Fliehkraft  ist.  Je  größer  die  Drehungs- 
geschwindigkeit, desto  größer  die  Fliehkraft,  desto  abgeplatteter  die 
Erde.  Die  Drehung  von  W.  nach  0.  wird  aber  verzögert  durch  die 
Fluthwelle,  die  sich  von  O.  nach  W.  bewegt.  Tn  den  Perioden  hoch- 
gradiger Exzentrizität  der  Erdbahn  soll  die  Flutwelle  verstärkt 
werden,  dadurch  wird  die  Drehung  verlangsamt,  die  Fliehkraft  ver- 
mindert, und  die  Gestalt  der  Erde  nähert  sich  wieder  der  Kugel. 
Der  deformirenden  Kraft  folgt  zunächst  das  Meer,  sein  Spiegel  sinkt 
in  der  Äquatorialzone  und  lieht  sich  gegen  die  Pole  hin.  ln  den 
Perioden  intensiv  entwickelter  Fliehkraft  wächst  dagegen  die  Abplat- 
tung. dann  erniedrigt  sich  das  Meeresniveau  in  den  Polargegenden  und 
steigt  im  Äquatorialgürtel.  Blytt  hält  es  sogar  für  möglich,  daß  mit 
der  Zeit  auch  die  feste  Erdkruste  der  Deformation  unterliegt. 

Zugegeben,  daß  die  Flutwelle  die  oben  geschilderte  Wirkung 
austtht,  so  weiß  man  doch  nichts  über  das  Maß  dieser  Wirkung. 
Thatsache  ist,  daß  sich  seit  den  Zeiten  des  Hipparch,  also  seit  zwei 
Jahrtausenden,  die  Dauer  des  Sterntages  sich  nicht  um  mehr  als  0,4 8 
verändert  haben  kann.  Die  Hauptfrage  lautet  aber:  bestellt  wirklich 
zwischen  dem  Äquator  und  den  Polen  ein  Gegensatz  der  Niveau- 
veränderuugen,  eine  Schaukelbewegung  im  großen  Stile?  Der  Be- 
weis dafür  kann  natürlich  nur  für  die  Gegenwart  erbracht  werden, 
aber  wir  werden  sehen,  daß  man  ihn  schuldig  geblieben  ist. 

Eustatische  Bewegungen  betrachtet  Süss  nur  als  von  neben- 
sächlicher Bedeutung,  während  Löwl  sie  zum  Mittelpunkte  seiner 
Theorie  machte.1  Die  ozeanischen  Becken  seien  durch  Einbruch 


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282 


Die  Dynamik  des  Landes. 


entstanden,  und  ihre  Sohle  sinke  fortwährend  tiefer  ein.  Wenn 
trotzdem  der  Meeresspiegel  nicht  an  allen  Küsten  gleichmäßig  sinke, 
an  manchen  in  Kühe  verharre,  an  andern  sogar  zu  steigen  scheine, 
so  sei  dies  dadurch  zu  erklären,  daß  nicht  bloß  jene  Scholle,  welche 
den  Meeresgrund  bildet,  sondern  auch  die  benachbarte  Küsten- 
scholle sich  senke,  und  daß  beide  Bewegungen  nicht  im  gleichen 
Tempo  sich  vollziehen.  Es  ist  klar,  daß  das  Vorhandensein  solcher 
Küstenschollen  und  ihr  eigenartiges  Verhalten  in  jedem  einzelnen 
Falle  festzustellen  ist,  ehe  man  zu  Löwls  Theorie  seine  Zuflucht 
nehmen  darf. 


Fig.  69.  Doppelte  Strandlinie  bei  Grötnes  mit  entsprechenden  Terrassen  an 
dem  Thalausgang  in  der  Mitte  nach  Mohk. 


Fig.  70.  Strandlinie  zwischen  Vang  und  Skaarliodden  nach  Mohn. 


Skandinavien.  Skandinavien  ist  das  klassische  Land  der  Strand- 
verschiebungen; hier  wurden  die  ersten  und  bis  auf  den  heutigen 
Tag  sorgfältigsten  Beobachtungen  angestellt,  hier  wurden  alle  Theorien 
zuerst  erprobt. 

An  der  steilfelsigen  ozeanischen  Westküste6  finden  wir  Muschel- 
bänke, Terrassen  und  „Seter“,  was  man  im  Deutschen  mit  der 
sonst  im  allgemeinem  Sinne  gebrauchten  Bezeichnung  „Strand- 
linien“  übersetzt  hat.  Man  versteht  darunter  horizontale  wege- 
artige Einschnitte  im  festen  Gestein,  die  an  den  Steilwänden  der 
Fjorde  und  Sunde  und  an  freiliegenden  Inseln  sich  hinziehen. 
Ihre  Länge  schwankt  zwischen  4/6  und  22  km.,  ihre  Seehöhe  reicht 
bis  180  m.  Häutig  treten  mehrere  über  einander  auf.  Richabd 


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Moderne  Niveauveränderungen.  283 


Lehmann  zählte  deren  bei  Kverve  (nördlich  von  Aalesund,  62l/2°N) 
nicht  weniger  als  fünf,  die  er  genau  gemessen  hat.8  Von  der  Ge- 


Seehöhe  des 

Ungefähre 

AbfaHswinkel 

unteren  Randes 

oberen  Randes 

Mittlere  Seehöhe 

Rroite 

zur 

der  Stufe 

der  Stufe 

der  Stufe 

nächsten  Stufe 

I. 

28,i  m 

31,i  m 

29,«  m 

66  m 

30° 

II. 

19,7 

21,7 

20,7 

40 

2 1 

III. 

— 

14,5 

12,« 

26 

IV. 

— 

9,* 

13 

40 

V. 

5,j 

4,7 

35 

ziemlich  steil  zur 

4,2 

See  hin. 

steinsbeschaffonheit  und  Schichtenstellung  zeigen  sie  sich  völlig  un- 
abhängig, im  Norden  sind  sie  aber  im  Allgemeinen  häufiger  und  besser 
ausgebildet,  als  im  Süden.  Wählend  die  Gehänge,  an  denen  sie  auf- 
treten,  mit  Gletscherstreifen  und  -Schrammen  bis  zum  Meeresspiegel 
bedeckt  sind,  tragen  sie  selbst  keine  Spuren  eiszeitlicher  Abschleifung, 
sind  also  jedenfalls  nachglazialen  oder  wenigstens  spätglazialen  Alters. 

In  inniger  Gesellschaft  mit  den  Seter  erheben  sich  stufenförmig 
an  den  Flußmündungen  die  Terrassen,  ebene,  sanft  gegen  das 
Meer  sich  neigende  Flächen,  aus  Sand-  und  Thouschichten  aufgebaut. 


Fig.  71.  Norwegische  Terrassen  nach  Kjerulf. 


Die  schematische  Darstellung  iu  Fig.  71  macht  die  Beziehung  der 
Terrassen  des  Hauptthaies  1 und  2 mit  der  des  Nebenthaies  und 
den  weißen  Strandlinien  klar.  Kjeeülf  deutet  sie  als  submariue 
Deltas,  deren  Bildung  sich  noch  unter  dem  gegenwärtigen  Meeres- 
spiegel als  Stufe  5 fortsetzt.  Die  Erosion  des  Flusslaufes  (die  ge- 
strichelte Linie  in  Fig.  71)  hat  die  Terrassen  entzweigeschnitten,  so 
daß  wir  sie  vom  heutigen  Thale  aus  hoch  oben  an  den  Gehängen 
erblicken. 

Strandlinien  und  Terrassen  sind  alte  Wasserstandsmarken.  Bis 
in  das  letzte  Jahrzehnt  war  auch  ihr  mariner  Ursprung  unangefochten, 
sie  galten  als  sichere  Beweise  einer  nachglazialen  Landhebung.  Aber 
schwierig  war  zu  erklären,  warum  diese  Marken  selbst  in  benach- 
barten Fjorden  in  verschiedenen  Seehöhen  auftreten,  und  warum 
das  Meer  nur  in  den  verhältnismäßig  ruhigen  Fjorden  und  Sunden 
die  Kraft  hatte  Strandliuien  in  den  Fels  zu  schneiden,  und  nicht 


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284 


Die  Dynamik  des  Landes. 


auch  an  der  freien  Küste,  inmitten  heftigster  Brandung.  Einen  ent- 
scheidenden Einfluß  gewann  die  Entdeckung  echter  Seter  im  süd- 
norwegischen Binnenlande  durch  Hansen  i.  J.  1885. 7 Sie  liegen 
zwischen  657  und  1090  m Seehöhe,  also  außerhalb  des  höchsten 
Meeresstandes.  Hansen  erklärte  sie  für  Uferlinien  eines  Sees,  der 
durch  Eis  abgedämmt  war,  und  diese  Hypothese  wandte  nun  Si’ESs 
auch  auf  die  Seter  an  der  Küste  an.  Die  Fjorde  und  Sunde  bil- 
deten darnach  in  der  zweiten  Eiszeit  Seen,  eingeschlossen  im  W. 
durch  die  Gletscher,  die  von  den  hohen  Inseln  und  Küsteugebirgen 
ausgingen,  im  0.  durch  das  Inlandeis,  dessen  Ausläufer  die  innern 
Ende  der  Fjorde  berührten.  Ähnliche  Verhältnisse  zeigt  noch  jetzt 
die  Westküste  Grönlands,  doch  finden  sich  hier  nur  an  einer 
einzigen  Stelle  Terrassen.  Für  den  Romsdulsfjord  hält  überdies 
Sandlek8  die  SuEsssche  Hypothese  nicht  für  zutreffend  und  ersetzt 
den  Eisdamm  durch  eine  gewaltige  Endmoräne,  die  jetzt  zu  Schären 
zerbrochen  ist. 

Wie  immer  es  sich  mit  der  Entstehung  der  Strandlinien  auch 
verhalten  möge,  so  scheint  in  ihrer  Anordnung  doch  eine  bestimmte 
Regelmäßigkeit  zu  bestehen.  Nach  Hansen9  lassen  sie  sich  nämlich 
in  zwei  Linien  einreihen,  die  gegen  das  Innere  des  Landes  an- 
steigen,  und  zwar  die  obere  Linie  mehr  als  die  untere *.  Das  ist 
genau  dasselbe,  was  Bravais  schon  vor  einem  halben  Jahrhundert 
von  Hammerfest  durch  den  Varö-Sund  bis  zum  Hintergründe  des 
Altenfjords  beobachtet  hatte,  und  dessen  Richtigkeit  später  so  viel- 
fach angezweifelt  wurde.  Wir  werden  später  noch  darauf  zurück- 
kommen. 

Als  drittes  Phänomen  der  norwegischen  Küste  wurden  oben  die 
Muschelbänke  bezeichnet.  Sie  sind  die  unantastbaren  Zeugen 


s Aus  den  Diagrammen  ergäbt  sich  folgendes: 


Fjorde 

Seehöhe  m 

Westliche  Neigung  in  Sek. 

Obere  Linie 

Untere  Linie 

Obere  Linie 

Untere  Linie 

Altenfjord-Hammerfest 

25—  68 

13-28 

122" 

50" 

Trornsöfjord  .... 

23-  G6 

1-5-25 

150 

51 

Romsdalstjord  . . . 

36—146 

28—54 

281 

74 

Söndmöre 

30—102 

1 7—32 

211 

40 

Nordfjord 

28—100 

— 

230 

— 

Söndfjord 

28—  52 

21—29 

102 

39 

Sognefjord  .... 

49—155 

30—55 

147 

36 

Eg  muß  übrigens  betont  werden,  daß  doch  recht  viele  Seter  sieb  dem 
Liniensysteme  nicht  fügen. 


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Moderne  Niveauveräuderungen. 


285 


einer  doppelten  Strandverschiebung.  Die  oberen  (in  170 — 140 — 
125  m Seehöhe)  sind  die  altern,  denn  sie  enthalten  nur  Organismen 
kälterer  Meere,  während  in  den  untern  (in  50 — 40 — 15  m Seehöhe) 
nur  Arten  der  jetzigen  Küstenfauna  Vorkommen.  Es  fand  also  in 
der  Eiszeit  oder  bald  darauf  eine  positive  Niveauveränderung  statt, 
dann  eine  negative,  dann  unter  den  gegenwärtigen  klimatischen  Ver- 
hältnissen eine  positive,  aber  von  größerem  Betrage  als  die  erste, 
und  endlich  wieder  eine  negative.  Denselben  Anzeichen  begegnen 
wir  auch  in  Schweden. 

Hier  hat  de  Geer10  eine  neue  Methode  angewendet,  die  zu 
überraschenden  Resultaten  führte.  Er  stellte  nicht  nur  — womit  man 
sich  bisher  begnügt  hatte  — die  Verbreitung  der  Meeresablageningen 
mit  quartären  Fossilien  fest,  sondern  auch  die  Höhe  des  Meeres- 
spiegels an  den,  den  betreffenden  Fossilfunden  benachbarten  Hügeln, 
deren  Moränendecke  noch  unverkennbare  Spuren  der  einstigen  Meeres- 
wirkung trägt.  Die  auf  diese  Weise  ermittelte  spätglaziale 
Strandlinie  steigt  gegen  das  Innere  des  Landes  an,  aber  — und 
dies  ist  der  entscheidende  Punkt  — ohne  Rücksicht  auf  die 
heutigen  Isohypsen.  An  der  baltischen  Küste  von  Schweden 
liegt  sie  z.  B.  bei: 


Burträsk  . 

. 64' 

30' 

N. 

in 

103  m 

Seehöhe 

Hudiksvall 

. 61 

50 

» 

» 

213  „ 

Norrköping 

. 58 

44 

»» 

130  „ 

Broms  . . 

. 56 

20 

>» 

65  „ 

»♦ 

Stenshufud 

. 55 

40 

32  „ 

Das  stimmt  mit  dem  Ergebnisse  von  Bravais  an  der  Küste 
von  Finnmarken  völlig  überein.  Die  höhere  Linie,  die  hier  in  Be- 
tracht kommt,  liegt  hei  Hammerfest  in  28,6  m und  im  Innern  des 
Altenfjords  in  67, v m Seehöhe.  Auch  die  neuesten  Untersuchungen 
Hansens,9  von  denen  ebenfalls  schon  die  Rede  war,  fügen  sich  völlig 
ein  in  den  Rahmen  des  neuen  Bildes. 

Nach  dem  Beispiele  Gilberts  wurden  die  Punkte  gleicher 
Strandhöhe  mit  Linien  verbunden,  die  de  Geer  Isohasen  oder 
Linien  gleicher  Deformation  nannte.  Die  Maximalzone,  von  der 
Isobase  von  180  m umschlossen,  fällt  mit  dem  Gebiete  größter 
Eisanhäufung  zusammen,  die  Isobase  von  0 in  schließt  sich  ziem- 
lich enge  den  Grenzen  der  skandinavisch  - finnischen  Urgebirgs- 
masse  an. 

Es  entsteht  nun  die  Frage:  ist  die  ungleiche  Höhe  der  Strand- 
linie ursprünglich  oder  war  die  Strandlinie  ursprünglich  horizontal 
und  erlitt  erst  später  Veränderungen?  Im  ersteren  Falle  muß  sich 


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286 


Die  Dynamik  des  Landes. 


der  Meeresspiegel  ungleichmäßig  gesenkt,  im  letzteren  das  Land 
ungleichmäßig  gehoben  haben. 

Den  erstem  Fall  hatte  Penck11  schon  1882  ins  Auge  gefaßt, 
indem  er  behauptete,  daß  die  Attraktion  der  skandinavischen  Eis- 
massen eine  ungleichmäßige  Anschwellung  des  Meeresspiegels  an 

den  Küsten  bis  zu  2U0  m be- 
wirkt habe.  Wir  brauchen 
uns  hei  dieser  Hypothese 
nicht  länger  aufzuhalten, 
weil  ihre  Unhaltharkeit  fast 
gleichzeitig  von  Herge- 
skli.  12  und  von  Drygal- 
ski  13  auf  Grund  der  neuen 
HELMEB'rschen  Untersuch- 
ungen dargethan  wurde. 
Beide  gelangten  zu  dem 
Schlüsse,  daß  auf  dem 
Höhepunkte  der  Eiszeit 
das  Meeresniveau  durch 
Bindung  beträchtlicher 
Wassermengen  eine  Sen- 
kung (nach  Hebgesell 
um  70  m)  erfuhr,  und  daß 
es  an  den  Küsten  der 
InlandeisHächen  sich  zwar 
hob,  aber  nur  um  einen 
nicht  nennenswerten  Be- 
trag (bei  einer  Mächtig- 
keit des  Eises  von  1 000  m an  der  skandinavischen  Küste  nach 
Hekgesell  um  4 m,  nach  v.  Dbygalski  um  6 m und  an  der  nord- 
amerikanischen Küste  um  etwa  12  m).  Damit  stimmen  auch  die 
Ergebnisse  der  Arbeiten  Woodwards  14  überein. 

Es  bleibt  also  nichts  übrig,  als  die  spätglaziale  Strandverschiebung 
Skandinaviens  und  Finnlands  als  wirkliche  und  zwar  ungleich- 
mäßige Landhebung  anzuerkennen.  Vielleicht  war  es  dieser 
Vorgang,  der  die  Ostsee  völlig  absperrte  und  in  einen  Süßwassersee 
verwandelte,  worauf  Ablagerungen  mit  der  gemeinen  Flußnapf- 
schnecke (Anoylus  Huviatilis)  hinweisen.  In  nachglazialer  Zeit, 
nach  Blytt  in  der  Epoche  der  Atlantischen  Torfbildung  (vergl. 
S.  182),  trat  wieder  eine  Senkung  ein,  der  eine  Hebung  folgte; 
für  die  südlichen  baltischen  Gegenden  hat  de  Geer  auch  die  Iso- 
basen dieser  Niveauschwankung  gezeichnet.  Sie  nehmen  denselben 


K is&chetdr. . 

Isobaren 

Fig.  72.  Spätglaziale  Isobasen  von  Skandinavien 
in  Abstanden  von  60  zu  60  m nach  DE  Geer. 


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Moderne  Niveauveränderungen. 


287 


Verlauf,  wie  die  spätglazialen,  aber  das  Maximum  der  Hebung  er- 
reicht hier  nur  mehr  60  m. 

So  gelangen  wir  in  die  Gegenwart.  An  den  finnischen  und 
schwedischen  Gestaden  dauert  die  kontinentale  Strandverschiebung 
noch  fort.  Schon  im  vorigen  Jahrhundert  war  man  darauf  aufmerk- 
sam geworden  und  hat  durch  Anbringung  von  Wassermarken  an 
geeigneten  felsigen  Küstenstellen  ein  ziffermäßiges  Maß  für  diese 
Bewegung  zu  erlangen  gesucht. 15  Mehr  Gewicht  legt  Sieger16 

mit  Recht  auf  die  Pegelaufzeichnungen  x , mit  denen  die  Höhe  der 
langjährigen,  meist  aus  dem  vorigen  Jahrhundert  stammenden  Wasser- 
marken über  dem  jetzigen  Seespiegel  eine  leidliche  Übereinstimmung 
zeigen.  Sieger  verarbeitete  das  ganze  kritisch  gesichtete  Beobachtungs- 
material zu  einer  lehrreichen  Isobasenkarte,  aus  der  wenigstens 
für  Schweden  und  Finnland  südlich  von  62°  B.  mit  großer  Wahr- 
scheinlichkeit hervorgeht,  daß  die  negative  Niveauveränderung 
von  der  Mitte  der  Ostsee  und  des  Kattegats  nach  der  Küste 
zunimmt  Die  Isobasen  schmiegen  sich  allen  Biegungen  der  Küste 
an  und  wenden  sich  im  Finnischen  Meerbusen  nach  0,  ähnlich  den 
Isobasen  de  Geers.  Diese  Bewegung  scheint  erst  in  der  geschicht- 
lichen Zeit  begonnen  zu  haben  und  seit  dem  Anfänge  des  vorigen 
Jahrhunderts  an  Intensität  abzunehmen.  Der  Hauptsitz  der  Be- 
wegung scheint,  wie  in  den  älteren  Zeiten,  im  Innern  der  Halb- 
insel zu  liegen. 

Dem  gegenüber  steht  die  ältere,  von  Süss  wieder  aufgenommene 
Hypothese  von  der  Entleerung  der  Ostsee.  Eine  solche  könnte 
nur  durch  eine  Klimaänderung  bewirkt  werden,  aber  keine  An- 
zeichen deuten  darauf  hin.  Die  schwedischen  Seen  zeigen  entweder 
gar  keine  Strandverschiebung,  oder  wo  eine  solche  vorhanden  ist, 
eine  beträchtlich  geringere,  als  an  der  Meeresküste.  Ferner,  wenn 
der  baltische  Spiegel  sinkt,  warum  nur  an  der  schwedischen  und 
finnischen,  und  nicht  auch  an  der  deutschen  Küste? 

Brückner17  hat  die  Pegelbeobachtungen  zu  Stockholm,  an  zwei 


x Streng  vergleichbar  sind  nachfolgende  aus  der  Periode  1852 — 75  (wir 
beginnen  mit  der  schwedischen  Westküste  und  gehen  dann,  von  S.  nach  N. 
fortschreitend,  auf  die  Ostküste  über.  Die  beigesetzten  Zahlen  geben  das  Sinken 
des  Seespiegels  in  cm  in  der  ganzen  Periode). 


Koster  . . . 

. 59°  B. 

11  cm 

Grönskär  . . 

59  */t0  B.  34  cm 

Hällö  .... 

• 58'/, 

81  „ 

Svartklubben  . 

60  7, 

22  „ 

Vinga  .... 

. 57  >/, 

*2  „ 

Djursten  . . . 

60  */, 

13  „ 

Utklippan  . . 

. 56 

67  „ 

Storjungfrun 

61  >/4 

54  „ 

Öland  .... 
Stockholm  . . 

. 57*/, 
• 59  >/, 

28  „ 
30  „ 

Maliin»  . . . 

65  */, 

13  „ 

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288 


Die  Dynamik  des  Landes. 


finnischen  und  acht  deutschen  Stationen,  zu  Lustrenmitteln  ver- 
einigt, graphisch  dargestellt.  In  Übereinstimmung  mit  der  von  ihm 
entdeckten  Periode  schwankt  der  Wasserstand  an  der  deutschen 
Küste  entsprechend  dem  Kegenfnlle  in  Deutschland  und  der  Zufuhr 
von  Flußwasser.  Ganz  anders  geartet  sind  die  schwedischen  und 
finnischen  Kurven,  sie  senken  sich,  wenn  auch  nicht  gleichmäßig, 
so  doch  fast  kontinuirlich.  Damit  ist  der  Beweis  erbracht,  daß  die 
Wasserschwankungen  hier  nicht  allein  vom  klimatischen  Elemente 
abhängig  sind,  wie  an  der  deutschen  Küste, 
sondern  daß  noch  ein  anderes,  fremdartiges 
hinzutritt.  Man  könnte  ja  zunächst  an  eine 
Zunahme  des  Salzgehaltes  an  der  schwedischen 
und  finnischen  Küste  denken,  aber  um  jenen 
Effekt  zu  erzielen,  müßte  hier  die  Ostsee  seit 
dem  Ende  der  50er  Jahre  mehr  Salz  aufge- 
nommen haben,  als  sie  im  Ganzen  besitzt  Es 
bleibt  also  nichts  übrig,  als  eine  selbständige 
Hebung  des  Landes  anzunehmen.  In 
trockenen  Perioden  wird  dieses  Element  durch 
das  klimatische  verstärkt,  in  nassen  wird  es 
abgeschwächt,  ja  stellenweise  sogar  völlig 
verschleiert. 

An  dieser  Hebung  muß  natürlich  auch 
Norwegen  teilnehmen.  Die  Pegelbeobachtungen 
lassen  hier  allerdings  eine  solche  Bewegung 
nicht  erkennen,  aber  das  erklärt  sieb  leicht 
aus  den  starken  Gezeiten.  Sobald  wir  im 
N.  in  die  ruhige  Bucht  des  Weissen  Meeres 
gelangen,  stellen  sich  sofort  wieder  die  Spuren  einer  kontinentalen 
Strandverschiebung  an  den  Solowezky-Inseln  ein. 

Die  skandinavische  Frage  kann  vorläufig  als  abgesddossen  be- 
trachtet werden,  ln  ein  neues  Stadium  wird  sie  erst  treten,  wenn 
das  neue,  durch  Nivellement  verknüpfte  und  mit  selbstregistrierenden 
Instrumenten  ausgerüstete  Pegelnetz  eine  genügende  Reihe  von 
Jahren  funktioniert  haben  wird. 

Höhere  arktische  Breiten.  Erhöhte  Bedeutung  gewinnt  das 
skandinavische  Phänomen  durch  seine  weite  Verbreitung  in  den 
höheren  Breiten  unserer  Halbkugel.  Die  britischen  Inseln  tragen 
vom  Kanal  bis  nach  Schottland  die  deutlichsten  Spuren  negativer 
Niveauveränderungen  in  vorgeschichtlicher  Zeit.  In  Schottland  reichen 
die  Muschelbänke  mit  arktischer  Fauna  bis  160,  auf  Island  bis 
40  m Seehöhe.  Spitzbergen,  Franz- Joseph-Land  uud  Nowaja-Semlja 


Fig.  73.  Wasserstandkurven 
von  Stockholm,  Hango  und 
Lokö  und  an  der  deutschen 
Ostseeküste  nach  Brückner. 
(Ein  Ansteigen  der  Kurve 
um  einen  Teilstrich  entspricht 
einem  Steigen  des  Wassers 
um  25  mm  u.  einer  Zunahme 
des  Kegen falles  um  5 Prozent. 
Die  oberen  Zahlen  bedeuten 
die  Jahre  1813—1887). 


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Moderne  Niveauveränderungen. 


289 


haben  prächtig  ausgebildete  Küstenterrassen.  In  Grönland  finden  sich 
Reste  noch  jetzt  hier  lebender  Muscheln  in  um  so  größeren  Höhen, 
je  weiter  wir  nach  Norden  fortschreiten:  unter  (il°H  in  3 — 5 m,  unter 
04°  B.  in  18  m,  unter  72°  B.  in  60  m Höhe.  In  Grinnellland  rücken 
sie  bis  300  m,  an  der  Polarisbai  unter  8 1 0 40  N.  sogar  bis  gegen  600  m 
Höhe  empor.  Im  östlichen  Teile  Nordamerikas  fand  de  Geer  die 
ihm  aus  der  schwedischen  Heimat  bekannten  Erscheinungen  genau 
wieder;  er  konnte  seine  Methode  auch  hier  anwenden  und  wenigstens 
Bruchstücke  von  Isobasen  in  die  Karte  einzeichnen. 18  Die  Boden- 
bewegung begann  fast  genau  an  der  Südgrenze  des  diluvialen  In- 
landeises und  nahm  sowohl  nach  Norden  wie  auch  vom  At- 
lantischen Ozean  gegen  das  Innere  des  Landes  rasch  an  Intensität 
zu.  Nördlich  vom  Ottawa  erreicht  die  Hebung  bereits  einen  Wert 
von  218  m. 

Auch  die  nordrussische  Ebene  war  in  nachglazialer  Zeit  bis  in  das 
Quellgebiet  der  Dwina  und  bis  an  den  Fuß  des  Ural  mit  Meer  bedeckt; 
wie  weit  diese  boreale  Transgression  nach  Westen  reichte,  ist  noch 
nicht  untersucht.  Die  thonigen  und  sandigen  Ablagerungen  ent- 
halten gekritzte  Geschiebe  und  eine  Fauna  ähnlich  derjenigen,  wie 
sie  noch  jetzt  an  der  murmanischen  Küste  lebt,  und  entsprechen  der 
spätglazialen  skandinavischen  Schicht  mit  Yoldia  arctica.  Die  Strand- 
linie hatte  eine  Verschiebung  um  ungefähr  150  m erlitten.1*  In 
Sibirien  sind  arktische  Konchylien  am  untern  Ob  und  Jenissei  ge- 
funden worden;  die  sog.  Holzberge,  die  die  höchste  Erhebung  an 
der  Südküste  Neusibiriens  bilden  und  von  Mibdendokff  einst  für 
diluviales  Treibholz  gehalten  wurden,  haben  sich  dagegen  als 
ältere  Ablagerungen  erwiesen  und  dadurch  ihre  Beweiskraft  für  eine 
Hebung  eingebüßt. an  Am  pazifischen  Gestade  Nordamerikas  sind 
spätglaziale  Meeresablagerungen  bis  nach  Vancouver  herab  bekannt; 
auf  dieser  Insel  erreichen  sie  noch  20  m Seehöhe. 

Diese  weite  Verbreitung  quartärer  negativer  Niveauveränderungen 
um  den  Pol  herum  war  es  hauptsächlich,  die  zu  dem  Glauben  einer 
großartigen  Wasseroszillation  zwischen  dem  Äquator  und  den  Polen 
verleitete.  Andere  Theorien  bringen  sie  in  direkte  Beziehungen  zum 
Inlandeise.  Ausgehend  von  der  Vorstellung  einer  hochgradigen 
Elastizität  der  Erdkruste,  haben  eine  Reihe  englischer  und  skandi- 
navischer Forscher  — auch  de  Gees  und  Hansen  zählen  zu  diesen 
— die  Ansicht  verfochten,  daß  das  diluviale  Inlandeis  die  Land- 
massen, die  es  bedeckte,  herabgedrückt  habe;  als  es  schwand, 
seien  diese,  von  einer  schweren  Last  befreit,  wieder  in  die  Höhe 
gestiegen.  E.  v.  Dryoalski21  schreibt  dagegen  die  Hebung  einer 
Änderung  der  Wärmeverhältnisse  der  obersten  Erdschichten  seit  dem 

Supan,  Physische  Erdkunde.  2.  Aufl.  19 


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290 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Rückzuge  des  Inlandeises  zu.  Die  Oberfläche  eines  vereisten  Landes 
nimmt  nämlich  die  konstante  Temperatur  von  0°  au,  die  Geoiso- 
thermen  senken  sich,  die  Erkaltung  bewirkt  Zusammenziehung,  der 
Boden  senkt  sich.  Nach  dem  Verschwinden  des  Eises  tritt  der 
umgekehrte  Vorgang  ein:  die  Ausstrahlung  der  Erdkugel  ist  an 
dieser  Stelle  nun  nicht  mehr  gehemmt,  die  Geoisothermen  steigen 
an,  und  die  allgemeine  Erwärmung  bewirkt  Ausdehnung  und 
Hebung. 

Auf  die  für  uns  wichtigere  Frage,  ob  an  den  arktiseben  Küsten 
auch  jetzt  noch,  wie  in  Schweden,  Bewegung  stattfinde,  können  wir 
leider  keine  Antwort  geben.  Für  Südengland  ist  es  z.  B.  entschieden 
verneint,  für  das  südwestliche  Grönland  dagegen  bejaht  worden. 
Hier  soll  sich  eine  positive  Niveauveränderung  bemerkbar  machen; 
ber  solange  ein  so  gründlicher  Kenner  der  grönländischen  Geologie, 
wie  Stkenstkui',  sich  gegen  diese  Annahme  skeptisch  verhält,  haben 
wir  keinen  Grund,  für  dieselbe  einzutreten. 

Mittlere  und  niedere  Breiten.  Wenn  wir  die  zahlreichen  An- 
gaben über  Niveauveränderungen,  wie  wir  sie  in  den  Sammlungen 
von  Hahn2*  und  Issel23  angehäuft  finden,  in  eine  Karte  eintragen, 
so  erhalten  wir  zwischen  ca.  50°  N.  und  30°  S.  ein  Bild,  in  dem 
positive  und  negative  Verschiebungen  in  buntester  Regellosigkeit  mit- 
einander abwechseln.  An  der  atlantischen  Küste  Frankreichs  ver- 
zeichnet Gibaed  nicht  weniger  als  3 Hebungs-  und  3 Senkungsfelder! 
Wenn  es  sich  in  Wirklichkeit  um  Bewegungen  so  eng  begrenzter 
Schollen  handeln  würde,  dann  müßte  doch  in  irgend  einer  Weise 
auch  das  Hinterland  merkbar  davon  beeinflußt  werden.  Davon  ist 
aber  keine  Rede. 

Zunächst  müssen  wir  alle  jene  Fälle  ausscheiden,  wo  mecha- 
nische Ursachen  zur  Erklärung  der  Strandveränderungen  ausreichen. 
Es  ist  das  freilich  nicht  immer  leicht,  es  werden  manche  zweifel- 
hafte Fälle  übrig  bleiben,  aber  besser  ist  es,  sie  als  solche  zu  be- 
zeichnen, als  sie  mit  Bestimmtheit  der  einen  oder  anderen  Kategorie 
zuzuweisen. 

Ist  diese  Arbeit  gethan,  so  wird  das  Bild  ebenso  einförmig,  wie 
es  früher  bunt  war.  Wir  sehen  dann  in  der  ganzen  Zone  fast  nur 
vereinzelte  oder  mehr  oder  minder  zusammenhängende  Spuren  einer 
negativen  Bewegung  in  der  Form  von  Terrassen  und  marinen  Ab- 
lagerungen, unter  denen  die  trocken  gelegten  Korallenriffe  des 
warmen  Erdgürtels  eine  besonders  wichtige  Rolle  spielen.  Selbst 
Ostaustralien,  das  noch  Süss  von  der  allgemeinen  Regel  ausnehmen 
zu  sollen  glaubte,  ist  von  solchen  Anzeichen  nicht  frei. 21  Ob  das 
Land  sich  gehoben,  ob  das  Meer  sich  gesenkt  hat,  ist  in  keinem 


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Moderne  Niveauveränderungen.  291 

Falle  mit  Sicherheit  erwiesen,  etwa  in  der  Weise,  wie  für  Skandi- 
navien und  das  nordöstliche  Amerika.  Wo  die  Meeresablagerungen  nur 
in  geringer  Seehöhe  auftreten  und  die  Beobachtungen  nicht  in  langen 
Zeiträumen  wiederholt  wurden,  ist  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen, 
daß  wir  es  nur  mit  einer  vorübergehenden  Erniedrigung  des  Meeres- 
spiegels zu  thun  haben.  Ebenso  schwierig  ist  die  Frage  nach  dem 
Alter  der  Bewegung.  Wir  können  die  tertiären  Vorkommnisse  aus- 
scheiden,  aber  wir  können  nicht  sagen,  daß  das,  was  wir  als  quartär 
bezeichnen,  auch  wirklich  gleichzeitig  ist.  Vom  streng  morphologi- 
schen Standpunkte  betrachtet,  mag  dies  gleichgültig  erscheinen,  aber 
um  so  schwerer  empfindet  es  der  Theoretiker.  In  den  niederen 
Breiten  fehlt  eine  so  feste  Marke,  wie  sie  die  Eiszeit  uns  für  die 
arktischen  Küsten  bietet.  Das  gilt  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
selbst  für  die  Gegenden  jenseits  des  30.  südlichen  Parallels,  ja  selbst 
für  diejenigen,  die  auch  eine  diluviale  Eiszeit  erlebt  haben.  Merk- 
würdig bleibt  es  allerdings,  daß  überall  an  den  Südenden  der 
Kontinente  die  Strandlinien  mit  ebensolcher  Regelmäßig- 
keit auftreten,  wie  im  hohen  Norden.  So  auf  Neuseeland,  in  der 
Victoria-Kolonie  Australiens,  im  Kaplande,  in  Patagonien  und  Chile. 
Südlich  vom  la  Plata  bis  zur  Südspitze  Amerikas  ist  der  Stufenbau 
fast  nicht  minder  scharf  entwickelt,  wie  in  Grönland;  oft  folgen 
5 bis  9 Terrassen  landeinwärts  aufeinander.  Die  nachglazialen 
Muschelbänke  — Doerings  querandinische  Stufe  — liegen  am  la 
Plata  20  bis  30  m über  dem  Meere  und  steigen  nach  Süden  immer 
höher  an  bis  100  m.  An  der  pazifischen  Küste  reichen  die  Terrassen 
von  Chile  bis  nach  Peru  hinein;  manche  haben  hier  eine  moderne 
Hebung  von  ein  paar  tausend  Meter  angenommen.  Soweit  es  sich  um 
einen  so  enormen  Betrag  handelt,  sind  die  Beweise  jedenfalls  un- 
zureichend, aber  am  Cerro  Gordo  unter  dem  Wendekreise  steigen 
quartäre  Muschelbänke  doch  bis  nahezu  500  m empor.  Sie  müssen 
ebenso  wie  die  übrigen,  in  weit  entlegener  Zeit  entstanden  sein,  aber, 
weil  sie  neben  Vertretern  der  heutigen  Fauna  auch  Arten  enthalten, 
die  hier  nicht  mehr  Vorkommen.  Genauere  Altersbeziehungen  zur 
nordischen  Eiszeit  lassen  sich  jedenfalls  nicht  feststellen. 

Wir  kennen  nicht  den  Zeitpunkt,  wo  die  Küstenfaunen  ihr 
heutiges  Gepräge  erhielten,  und  jedenfalls  vollzog  sich  diese  letzte 
Wandlung  in  verschiedenen  Meeren  zu  verschiedenen  Zeiten.  Eine 
sicherere  Basis  gewinnen  wir  aber,  wenn  uns  geschichtliche  Zeug- 
nisse zu  Hilfe  kommen.  Junge  Meeresablagerungen  wurden  z.  B. 
an  verschiedenen  Punkten  des  pontisehen  und  propontischen  Ge- 
stades gefunden;  am  Hellespont  enthielten  sie  ein  Feuersteinmesser: 
ein  Beweis,  daß  zu  jener  Zeit  schon  Menschen  hier  wohnten.  An- 

19* 


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292 


Die  Dynamik  des  Landes. 


dererseits  haben  sorgfältige  Untersuchungen  dargethan,  daß  die 
Niederungen  der  Krim  und  am  Asowschen  Meere  seit  der  Zeit,  da 
Polybiub  und  Strabo  sie  beschrieben,  keine  nennenswerten  Verän- 
derungen erlitten  haben.  Damit  ist  das  Alter  jener  marinen  Niveau- 
Veränderung  mit  genügender  Schärfe  festgestellt.  Aber  trotzdem 
daß  die  historische  Kunde  im  Mittelmeergehiete  weiter  in  das  Alter- 
tum zurückreicht,  als  irgendwo  sonst,  konnte  Suess  nur  zwei  Stellen 
bezeichnen,  wo  in  geschichtlicher  Zeit  unzweifelhafte  nega- 
tive Niveauveränderungen  stattgefunden  haben:  an  der  Küste 
von  Pozztioli  und  an  der  Ostküste  Kretas.  Von  der  erstem 
werden  wir  später  sprechen;  an  der  letzteren  entdeckte  Sprayt  neben 
zahlreichen  Strandlinien  und  Löchern  der  Bohrmuschel  die  Reste 
des  künstlichen  Hafens  von  Phalasarna,  den  der  Periplus  von  Skylax 
im  4.  Jahrhundert  v.  Ch.  erwähnte,  90  m von  der  Küste  entfernt  und 
7 m über  dem  Meeresspiegel  (Kig.  74).  Als  dritte  Stelle  können  wir 
die  westlichste  Insel  der  italienischen  Ponzagruppe,  Palmarola,  hin- 
zufügen. Vergleicht  man  die  Kartenbilder  und  Beschreibungen  von 
Scrope  i.  J.  1822  und  von  Dölter  i.  J.  1875  miteinander,  so 
wird  man  von  dem  außerordentlichen  Wachstume  dieses  nur  gelegent- 
lich bewohnten,  steilen  Felseneilandes  überrascht  sein.  Ehmons, 

der  es  1892  besuchte, 

HhemaJiyer  Meeresspiegel 
.KOS** 


Aller*  llaftn 


-prriic- 

Fig.  74.  Ruinen  von  Phalasarna,  nach  SPKATT. 


konstatierte  eine  negative 
Niveauveränderung  von 
64  m,  d.  h.  von  ca  1 m 
pro  Jahr.20  Daß  man  hier 
nur  von  Landhebung  sprechen  kann,  versteht  sich  von  selbst;  aber 
fast  nehmen  wir  Anstand,  sie  als  „säkulare“  zu  bezeichnen.  Hier 
scheinen  wohl  vulkanische  Kräfte  mit  im  Spiele  zu  sein. 

Positive  Niveau  Veränderungen  sind  anscheinend  viel  seltener 
als  negative,  aber  jedenfalls  nur  scheinbar.  Wir  dürfen  nämlich 
nicht  vergessen,  daß  negativ  verschobene  Strandlinien  vor  .aller 
Augen  liegen,  soweit  sie  nicht  durch  Wind  und  Wetter  zerstört 
worden  sind,  während  die  positiv  verschobene  Küstenlinie  sich  unter 
dem  Meere  verbirgt.  Nur  dort,  wo  ein  Gestade  unter  scharfer  Kon- 
trolle steht,  wird  sich  ein  langsames  Uutertauchen  erkennen  lassen. 
Es  ist  hier  auch  besonders  schwierig,  die  tektonischen  Verschiebungen 
von  den  mechanischen  zu  trennen.  Versunkene  Wälder  und  Torf- 
moore mit  Kulturresten  aus  der  jüngeren  Stein-  und  Bronzezeit, 
z.  T.  sogar  aus  der  römischen  Periode,  begleiten  die  Küste  der 
Nordsee  und  des  Kanals  von  Jütland  bis  zur  Normandie.  Suess  hat 
alle  diese  Vorkommnisse  auf  Rutschungen  und  Sturmfluten  zurück- 
geführt, und  zum  Beweise  dafür  sich  auf  die  Thatsache  berufen. 


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Moderne  Niveauverändcrungen. 


293 


daß  außerhalb  der  Dünen  römische  Bauwerke  in  Gegenden  ver- 
kommen, wo  Torfmoore,  die  mit  Meeressand  bedeckt  sind,  römische 
Münzen  bis  270  n.  Cb.  bergen.  Mit  Recht  macht  er  auch  geltend, 
daß  bei  langsamem  Vorrücken  des  Meeres  die  Brandung  den  Torf 
zerstört  und  die  Bäume  entwurzelt  hätte.  Ein  zweites  Gebiet,  wo 
unterseeische  Moore  und  Wälder  häufig  Vorkommen,  ist  die  atlan- 
tische Flachküste  der  Vereinigten  Staaten.  Wie  au  der  Nordsee- 
und  Kanalküste  hat  auch  hier  das  Meer  stellenweise  weite  Bezirke 
erobert,  aber  trotzdem  muß  man  billig  bezweifeln,  daß  hier  wirk- 
lich eine  positive  Niveauveränderung  im  Spiele  ist.  Denn  neben 
diesen  Senkungsspuren  begegnet  man  auch,  wie  schon  Cook2“  zugiebt, 
trocken  gelegten  Austernbänken ; und  Chestek,87  der  sonst  der  Senkungs- 
hypothese zustimmt,  macht  für  die  Delaware -Halbinsel  eine  ent- 
schiedene Ausnahme,  da  hier  die  Strandlinie  noch  jetzt  landeinwärts 
wandere.  Eine  zweifelhafte  Stelle  ist  ferner  das  Mündungsgebiet 
des  Amazonenstroms;  sollte  der  enorme  Landverlust  liier  wirklich 
nur  der  zerstörenden  Kraft  des  Meeres  zuzuschreiben  sein?  Wir 
können  darauf  keine  bestimmte  Antwort  geben,  selbst  dann  nicht, 
wenn  wir  berücksichtigen,  das  westlich*®  und  östlich  davon  negative 
Niveauveränderungen  bemerkbar  sind,  denn  es  ist  nicht  bekannt,  ob 
diese  nicht  einer  schon  längst  abgeschlossenen  Periode  angehören. 

Von  der  Zusammensackung  der  Schwemmstoffe  wurde  schon 
gesprochen.  Aus  dem  Podelta  werden  zahlreiche  Beispiele  solcher 
örtlichen  Senkungen  gemeldet. 

Auf  der  anderen  Seite  der  Adria,  an  der  istrischen  und  dalma- 
tinischen Küste  hört  man  Sagen  von  versunkenen  römischen  Städten 
und  Bauwerken.  Hilber89  hat  die  Strecke  zwischen  Grado  und 
Pola  sorgfältig  untersucht  und  kam  zu  dem  Schlüsse,  daß  eine  allge- 
meine Senkung  dieses  Küstenstriches  nicht  erw'eisbar  sei.  Allerdings 
hat  das  Meer  seine  Grenzen  erweitert,  aber  durch  eigene  Kraft. 
Die  so  häufig  zitierten  „versunkenen“  Molen  sind  nichts  anderes, 
als  die  unterseeischen  Fundamente  von  Molen,  deren  obere  Teile 
die  Brandung  zerstört  hat.  Örtliche  Senkungen  sind  dagegen  aller- 
dings vorgekommen  und  können  in  einem  so  jungen  Einsturzgebiete, 
wie  es  die  nördliche  Adria  ist,  und  auf  einem  von  Höhlen  so  sehr 
unterminierten  Boden  nicht  auffallen.  1890  wurden  2 — 300  m süd- 
lich vom  Felseneilande  St.  Giovanni  in  Pelago  bei  Rovigno,  26  m 
unter  dem  Meere,  durch  einen  Taucher  die  Reste  einer  Stadt  ent- 
deckt, die  man  mit  der  seit  679  verschollenen  Inselstadt  Cissa  iden- 
tifiziert30 hat.  Von  ähnlichen  Ereignissen  meldet  auch  die  griechische 
Geschichte;  Städte,  die  auf  Schwemmland  erbaut  wraren,  rutschten 
mit  diesem  in  die  Tiefe  der  See,  wenn  es  sich  infolge  von  Erd- 


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294 


Die  Dynamik  des  Landes. 


erschiitterungen  von  seiner  festen  Unterlage  losgelöst  hatte.  Das 
sind  aber  alles  instantane,  örtlich  beschränkte  Niveauveränderungen; 
in  vulkanischen  Gegenden,  wie  am  Golfe  von  Neapel,  sind  indes  seit 
dem  Altertum  auch  säkulare  Senkungen  vorgekommen  und  setzen  sich 
bis  in  unsere  Tage  hinein  fort.  Aber  auch  sie  sind  an  enge  Grenzen 
gebunden;  nirgends  ist  eine  moderne  positive  Niveauverände- 
rung auf  weite  Strecken  hin  mit  Sicherheit  nachgewiesen 
worden.  Damit  soll  aber  die  Möglichkeit  einer  solchen  nicht  geleug- 
net werden.  Wer  sich  zur  ÜARWiN’schen  Rifftheorie  bekennt,  findet  in 
den  Korallenmeeren  der  Südsee  und  des  Indischen  Ozeans  Senkungs- 
felder von  solcher  Ausdehnung,  daß  sie  den  Hebungszonen  wohl 
das  Gleichgewicht  halten.  Indes  sind,  wie  wir  später  sehen  werden, 
über  diesen  Punkt  die  Meinungen  sehr  geteilt.  Eine  andere  Streit- 
frage betrifft  die  sogenannten  unterseeischen  Thäler,  mehr  oder 
minder  scharf  eingeschnittene  Rinnen  im  Meeresboden,  die  genau  in 
der  Fortsetzung  überseeischer  Thäler  liegen.81  Man  kennt  sie  z.  B. 
am  Hudson,  am  Kongo,  an  der  ligurischen  Küste,  aber  auch  in  Siiß- 
wasserseen,  wie  im  Genfer-  und  Bodensee.  Die  einen  fassen  sie  als 
untergetauchte  Thalstücke  auf,  die  anderen  führen  sie  auf  Strömungen 
zurück,  die  das  Flußwasser  nach  seinem  Eintritte  in  das  Meer  oder 
in  den  See  verhindern,  gerade  in  seinem  Stromstriche  die  Sedimente 
abzulagern.  Allgemeinere  Zustimmung  finden  als  indirekte  Beweise 
positiver  Niveauveränderungen  die  Fjorde  und  die  ihnen  verwandten 
Erscheinungen,  ferner  die  abgegliederten  Halbinseln  und  endlich 
diejenigen  Inseln,  die  vermöge  ihres  geologischen  Baues  und  ihrer 
Lehewelt  als  einstige  Zugehörige  des  Festlandes  zu  betrachten  sind. 
Ebenso  werden  wir  später  die  angegliederten  Halbinseln  und  die 
echten  Reliktenseen  als  Anzeichen  negativer  Bewegungen  kennen  lernen. 

Schlußfolgerungen.  Es  ist  das  unbestreitbare  Verdienst  von 
Süss,  die  Nachrichten  von  Verschiebungen  der  Strandlinie  zum  ersten 
Male  einer  scharfen,  wissenschaftlichen  Kritik  unterzogen  zu  haben; 
und  es  muß  auf  das  nachdrücklichste  jeder  Versuch  bekämpft 
werden,  in  den  alten  Schlendrian  wieder  hineinzugeraten.  Die  Schluß- 
folgerungen, zu  denen  Süss  gelangte,  sind  aber  nicht  haltbar.  An 
vielen  Orten  mag  der  Meeresspiegel  sich  auf-  und  abwärts  bewegt 
haben,  wir  haben  aber  auch  unzweifelhafte  endogene  Niveauverände- 
rungen des  Landes  kennen  gelernt  und  zwar  von  verschiedener  Art: 
instantane  und  säkulare,  regionale  und  lokale.  Was  vor  der  Kritik 
nicht  Stand  hält,  sind  nur  die  Schaukelbewegungen,  die  einst 
eine  so  hervorragende  Rolle  in  den  Lehrbüchern  spielten.  Man 
glaubte  vielfache  Beweise  gefunden  zu  haben,  daß  Länder  an  der 
einen  Seite  sich  erheben  und  gleichzeitig  an  der  anderen  sich  senken; 


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Moderne  N i vean  veränd  ernngen . 


295 


Schweden,  Grönland,  Kreta,  Neuseeland  waren  besonders  beliebte 
Beispiele.  Aber  teils  beruhte  diese  Annahme  auf  falschen  oder  un- 
richtig gedeuteten  Beobachtungen,  teils  ging  sie  insofern  zu  weit, 
als  die  Gleichzeitigkeit  der  entgegengesetzten  Bewegungen  nicht  zu 
erweisen  ist. 

Viele,  vielleicht  die  Mehrzahl  der  quartären  Niveauveränderungen 
haben  sich  in  der  vorgeschichtlichen  Zeit  vollzogen  und  sind  zur 
Ruhe  gelangt,  andere  mögen  in  die  historische  Epoche  hineinreichen, 
wieder  andere  gehören  ganz  der  geschichtlichen  Gegenwart  an.  Ja 
eine  und  dieselbe  Erdstelle  hat  verschiedene  Phasen  durchgemacht. 
Skandinavien  erlebte  seit  der  Eiszeit  eine  Reihe  von  Oszillationen, 
die  vielleicht  durch  Ruhepausen  getrennt  waren.  Sombrero,  ein 
kleines  Felseneiland  Westindiens,  besteht  aus  sechs  Kalkbänken  mit 
rezenten  Konchvlien;  die  Spalten  sind  mit  Phosphaten  ausgefüllt, 
die  offenbar  von  alten  Guanolagern  herrühren.  Mindestens  dreimal 
müssen  solche  Guanobildungen  entstanden  sein  und  mindestens  ebenso 
.oft  muß  das  Inselchen  vor  seiner  letzten  negativen  Bewegung  über 
den  Meeresspiegel  emporgetaucht  und  wieder  unter  demselben  ver- 
schwunden sein.  Gerade  solche  drastische  Thatsachen  waren  es,  die 
der  Hebungstheorie  Gegner  erweckten,  denn  derartige  Oszillationen 
traut  man  leichter  dem  beweglichen  Element  des  Meeres  zu,  als  dem 
Boden,  mit  dem  man  unwillkürlich  den  Begriff  der  Festigkeit  verbindet. 
Indes  giebt  es  eine  Erdstelle,  wo  selbst  Süss  zur  Annahme  endogener 
Bodenbewegungen  sich  gezwungen  sieht.  Es  ist  der  vielbesprochene 
Serapistempel  von  Pozzuoli  am  Golf  von  Neapel.  Die  drei  auf- 
rechtstehenden  Säulen  sind  in  einer  Höhe  von  3 oder  3'/3  bis  6 m 
über  dem  Boden  des  Gebäudes  ringsum  von  Bohrmuscheln  angenagt. 
Nach  Süess  folgte  hier  auf  eine  langsame  Senkung  eine  plötzliche 
Hebung  bei  dem  Ausbruche  des  Monte  Nuovo  i.  J.  1538;  in  beiden 
Fällen  aber  war  die  Bewegung  eine  lokale.  Jetzt  soll  die  Küste 
wieder  in  langsamer  Senkung  begriffen  sein. x 

Auf  die  Frage,  ob  die  endogenen  Niveauveränderungen  der  Küste 
von  wahrnehmbaren  Schichtenstörungen  begleitet  sind,  können  wir 
eine  auf  Beobachtung  gegründete  Antwort  nicht  geben.  Indes  ist 
die  Bewegung  eines  Teiles  der  Erdkruste  geradezu  un- 
denkbar ohne  Schichtenbiegung  oder  ohne  Randspalten, 
es  kann  aber  in  dem  ersteren  Falle  die  Spannweite  der  Falte  solche 

x Nach  Brauns'  Ansicht  (Leopoldina  1888)  war  das  Serapeum  ein  Profan- 
bau zur  Zucht  von  Meerestieren  und  daher  mit  Seewasser  gefüllt.  Diese,  durch 
keine  äußeren  Gründe  unterstützte  Hypothese  würde  allerdings  die  negative 
Bodenbewegung  überflüssig  machen;  die  positiven  sind  aber  anderweitig  be- 
glaubigt. 


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Die  Dynamik  .des  Landes. 


296 

Dimensionen  annehmen  und  in  dem  letzteren  die  Scholle  so  groß  sein, 
daß  die  Dislokation  selbst  unserer  Beobachtung  entgeht.  Dieser  Art 
scheinen  die  regionalen  Hebungen  Skandinaviens  und  Nordamerikas 
zu  sein.  Dagegen  dürften  die  Spalten,  an  denen  eng  begrenzte  Küsten- 
schollen  in  die  Tiefe  fahren,  von  aufmerksamen  Beobachtern  wohl 
vielfach  noch  festgestellt  werden  können. 

Binnenländische  Niveauveränderungen.  Daß  im  Verlaufe  der 
Quartärzeit  auch  die  Oberfläche  des  Festlandes  mancherlei  Verände- 
rungen durch  endogene  Kräfte  erlitten  hat,  ist  schon  au  vielen  Orten 
durch  Beobachtung  festgestellt  oder  wenigstens  wahrscheinlich  ge- 
macht. So  sind  beispielsweise  nach  den  Ausführungen  v.  Körnens3* 
mehrere  Spalten  westlich  und  südwestlich  vom  Harz,  die  zur  Bildung 
von  Einbruchsthälern  und  Seebecken  Veranlassung  gegeben  haben,  erst 
nach  der  Eiszeit  entstanden;  ja  sogar  der  Abstand  zwischen  dem  Harz 
und  rheinischen  Schiefergebirge  und  die  Längsachse  des  Harzes  selbst 
sollen  durch  einen  Schub  von  Osten  nach  Westen  verkürzt  worden  sein. 
An  den  einstigen  Ufern  des  erloschenen  Bonneville-Sees,  von  dem  schon 
auf  S.  184  die  Rede  war,  lernen  wir  dieselben  Deformationen  der 
alten  Strandlinien  kennen,  die  uns  okGekb  an  der  schwedischen  Küste 
gezeigt  hat.  Auch  dort  haben  die  Strandlinien  ihre  horizontale  Lage 
verlassen  und  steigen  um  so  höher  an,  je  weiter  wir  uns  vom  Rande 
dem  Zentrum  des  alten  Sees  nähern;  der  Seeboden  hat  hier  an- 
scheinend eine  beulenartige  Auftreibung  von  etwa  40  m erfahren, 
und  man  hat  auch  dieselben  Theorien,  wie  bei  Skandinavien,  — Ent- 
fernung der  Wasserlast  oder  Ansteigen  der  Geoisothermen  — zur  Er- 
klärung herangezogen. 33 

Daß  ähnliche  Vorgänge  auch  in  unseren  Tagen  sich  abspielen, 
darf  man  voraussetzen,  seitdem  sieb  die  Ansichten  über  das  skan- 
dinavische Hebungsphänomen  geklärt  haben.  Würde  nur  die  Küste 
emporsteigen,  das  Innere  des  Landes  aber  stabil  bleiben,  so  müßten 
die  Flußläufe  schon  Verschiebungen  erlitten  haben.  Der  direkten 
Beobachtung  sind  aber  nur  örtlich  begrenzte,  instantane  Bewegungen, 
z.  B.  bei  Erdbeben,  zugänglich;  in  Bezug  auf  säkulare  Veränderungen 
ist  man  im  Binnenlande  aber  noch  mehr  Täuschungen  ausgesetzt, 
wie  an  der  Küste.  Namentlich  sind  alle  Nachrichten  Uber  Ver- 
änderungen der  Aussichtsweite  — z.  B.  in  der  Umgebung  von 
Jena34  und  im  Ainthale  im  französischen  Jura34  — mit  großer  Vor- 
sicht aufzunehmen.  Einen  gleichen  Fall  in  der  piemontesischen 
Provinz  Cuneo  konnte  Sacco  lediglich  auf  Gleitung  und  Rutschung 
zurückführen. 36  In  den  letzten  Jahren  machte  eine  scheinbar  exakte 
Beobachtung  von  Bewegungen  des  französischen  Bodens  Aufsehen. 
Aus  dem  Vergleiche  der  älteren  BourdalouEscIicu  Nivellierung,  dem 


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Moderne  NiveauvcHinderungen. 


297 


sog.  Nivellement  götiöral  de  la  France,  und  dem  neuen  Präzisions- 
nivellement glaubte  man  schließen  zu  dürfen,  daß  der  Boden  in  der 
Richtung  von  Marseille  nach  Calais  bis  zu  78  mm  sich  gesenkt 
habe;  jetzt  sind  aber  alle  beteiligten  Kreise  darüber  einig,  daß  diese 
Differenz  systematischen  Fehlern  zuzuschreiben  ist.  Auch  in  der 
Schweiz  glaubte  man  aus  den  bisherigen  Aufnahmen  kleine  Ver- 
schiebungen innerhalb  des  Gebirgsdreiecks  Rigi-Lägem-Napf  zu  er- 
kennen, aber  auch  diese  sind  in  den  Messungen  nicht  begründet37 
Allerdings  sind  geodätische  Arbeiten  zu  diesem  besonderen  Zwecke 
noch  nirgends  unternommen  worden.  Erfolg  würden  sie  namentlich 
in  denjenigen  Ländern  versprechen,  wo  man  fortdauernde  Gebirgs- 
bildung aus  anderen  Gründen  vermuten  kann ; vielleicht  wäre  keine 
Gegend  dazu  geeigneter,  als  die  turanische  Ebene,  gegen  die  nach 
Griesbachs  Ansicht  die  Faltung  vom  nördlichen  Afghanistan  her 
noch  jetzt  fortschreitet 38 

Litteraturnach weise.  1 Trautschold,  Ober  säkulare  Hebungen  und 
Senkungen,  im  Bulletin  de  la  Snciete  des  Naturalistes  de  Moscou,  1869.  — 
‘ Vgl.  Süss’  erste  Schrift  über  „die  vermeintlichen  säkularen  Schwankungen“  etc., 
in  den  Verhandlungen  der  Wiener  Geologischen  Itcichsanstalt  1H80.  — 
3 Blytt  eit.  S.  190  (u.  14).  — 4 Löwl,  Die  Ursache  der  säkularen  Verschiebungen  der 
Strandlinic,  Prag  1886.  — Kjerulf,  Die  Geologie  des  südlichen  und  mittleren 
Norwegen,  Bonn  1880.  — 6 R.  Lehmann,  Über  ehemalige  Strandlinien  in  Nor- 
wegen, Halle  a.  S.  1879.  --  ’ Hansen,  On  Seter  in  Central  Norway,  in  Nature, 
London  1886,  Bd.  XXXHI.  — 8 Sandler,  Strandlinien  und  Terrassen,  in  Peter- 
manns  Mitteilungen  1890.  — * Hansen,  Strandlinje-Studier,  im  Archiv  for 
Mathematik  og  Naturvidenskab,  Bd.  XIV  (1890)  und  XV  (1892).  — 10  De 
Geer,  Om  Skandinaviens  niv&forändringar  under  q vartärperioden , in  den  Ver- 
handlungen der  Stockholmer  Geologischen  Gesellschaft,  Bd.  X und  XII,  1888  und 
1 890.  Quatcmary  Changes  of  Level  in  Scandinavia,  im  Bulletin  der  Gcological 
Society  of  America  Bd.  III,  1891.  — 11  Pence,  Die  Schwankungen  des  Meeres- 
spiegels, im  Jahresbericht  der  Geographischen  Gesellschaft  in  München, 
Bd.  VII.  — 11  Heroksell,  Die  Änderung  der  Gleiehgewichtsfläehen  der  Erde 
durch  die  Bildung  polarer  Eismassen,  in  Gkri.ands  Beiträgeu  zur  Geophysik, 
Bd.  I.  1887.  — 18  v.  Dryualski,  Die  Geoiddeformationen  der  Eiszeit,  in  der  Zeit- 
schrift der  Berliner  Gesellschaft  für  Erdkunde  1887.  — 14  Woodwaru,  On  the 
form  and  position  of  the  Sea  Level,  im  Bulletin  of  the  U.  S.  Geological  Survey, 
Nr.  48,  1888.  — 15  Holmström,  Om  Strandliniens  forskjutning  a Sverigcs  Küster, 
in  d.  Abhandlungen  d.  schwedischen  Akademie  der  Wissenschaften,  Bd.  XXII, 
1888.  — 16  Sieoeh,  Seeachwankungeu  und  Strandverschiebungen  in  Skandinavien, 
in  der  Zeitschrift  der  Berliner  Gesellschaft  für  Erdkunde,  1893.  11  Brückner, 

Über  Schwankungen  der  Seen  und  Meere,  in  den  Verhandlungen  des  Deutschen 
Geograph entages  zu  Wien,  1891.  — 19  De  Geer,  Plcistoccne  Changes  of  Level 
in  Eastern  North  Ameriea,  in  the  Proeeedings  of  the  Boston  Society  of  Natural 
History,  1892.  — 19  Tschernyschbw,  Apercu  sur  les  depots  posttcrtiaircs  au  nord 
et  ä Test  de  la  Russie  d’Europe;  in  d.  Schriften  d.  kais.  Gesellschaft  für  Natur- 
wissenschaften in  Moskau  1892.  — *"  Schmalhausen  u.  v.  Toll,  Tertiäre  Pflanzen 
der  Insel  Neusibirien,  in  den  Memoiren  der  Russischen  Akademie  der  Wissen- 


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298 


Die  Dynamik  des  Landes. 


schäften  1890.  — 11  v.  Dryoalski,  Über  Bewegungen  der  Kontinente  znr  Eiszeit 
in  den  Verhandlungen  des  VIII.  deutschen  Geographentages  zu  Berlin,  1889.  — 
*’  Hahn,  Untersuchungen  über  das  Aufsteigen  und  Sinken  der  Küsten.  Leipzig 
1879.  — 83  Issel,  Le  oscillazioni  lente  del  suolo,  Genua  1883.  — 14  Vgl.  Jack 
und  ETitEBinuB,  Gcology  of  Queensland,  Brisbane  1892.  — 85  Emmons  im  Neuen 
Jahrbuch  für  Mineralogie  etc.  1892,  Bd.  II,  S.  83.  — 88  Cook,  Subsidence  along 
the  Sea  coast  of  New  Jersey,  im  Americal  Journal  of  Science  1857,  Bd.  II.  — 
" Cbester,  The  Gravels  of  the  Southern  Delaware  Peninsula;  ebendas.  1885, 
Bd.  I.  — 88  Für  Surinam  s.  Martin,  Reise  nach  den  niederländ.-westindischen 
Besitzungen  in  der  Revue  coloniale  internationale,  1885.  — ” Hilber,  Geolo- 
gische Küstenforschungen  zwischen  Grado  und  Pola,  in  den  Sitzungsberichten 
der  Wiener  Akademie  der  Wissenschaften,  Mathem.-Naturwiss.  Classe,  1889.  — 
80  Bericht  in  den  Mitteilungen  der  Wiener  Geographischen  Gesellschaft  1890, 
S.  333.  — 81  Eine  Zusammenstellung  des  Beobachteten  findet  man  in  Linhardt, 
Unterseeische  Flußrinnen,  im  Jahresbericht  der  Geographischen  Gesellschaft  in 
München,  1892.  — 88  v.Koenen,  Über  Dislokationen  westlich  und  südwestlich  vom 
Harz,  im  Jahrbuch  der  Preußischen  Geologischen  Landesanstalt  für  1884.  — 
83  Gilbert,  cit.  S.  190.  — 34  Berichto  von  Kahle,  Pfeiffer  u.  Gf.bkk  in  den 
Mitteilungen  der  Geographischen  Gesellschaft  in  Jena,  1886,  1887  u.  1888  — 
85  Berichte  von  Girardot  und  Romieüx  im  Bulletin  geographique  historique 
et  descriptive,  1890.  — 88  Sacco,  Des  phenomfines  altimetriqnes  dans  l'interienr 
des  continents,  im  Bulletin  der  französischen  geologischen  Gesellschaft  1885  86, 
Bd.  XIV.  — 87  Mepsersciimidt,  Die  wichtigsten  Beziehungen  zwischen  Geologie 
n.  Geodüsie,  im  Jahresbericht  der  physikalischen  Gesellschaft  in  Zürich  1892. 
Brückner,  Über  die  angebliche  Änderung  der  Entfernung  zwischen  Jura  und 
Alpen,  im  Jahresberichte  der  Geographischen  Gesellschaft  in  Bern  1893.  — 
38  Griesbach,  Field-Notes  from  Afghanistan,  in  den  Records  of  the  Geological 
Survey  of  India,  1886. 


Die  vulkanischen  Ausbrüche.1 

Kein  Phänomen  führt  uns  deutlicher  vor  Augen,  daß  die  Kräfte 
des  Erdinnern  noch  immer  thätig  sind,  als  der  Ausbruch  eines  Vul- 
kans. Aber  so  großartig  dieses  Schauspiel  auch  ist,  so  steht  es 
doch  in  seinen  Wirkungen  weit  zurück  hinter  den  langsam,  unmerkbar 
sich  vollziehenden  Veränderungen,  denen  die  Erdoberfläche  unaus- 
gesetzt unterworfen  ist  Für  die  geologische  Gegenwart  wenigstens 
gilt  der  Satz,  daß  der  Vulkanismus  nur  eine  Erscheinung  von  ört- 
licher Bedeutung  ist.  Aber  in  einem  Punkte  unterscheidet  er  sich 
von  allen  andern  Phänomenen:  er  schafft,  wo  er  zu  voller  Entfaltung 
gelangt,  wirkliche  Neubildungen,  während  sonst  überall  eine  Um- 
formung oder  Umlagerung  schon  vorhandener  Oberflächenmassen  statt- 
flndet  Aus  unbekannten  Tiefen  wird  neues  Material,  im  Schmelz- 
flüsse befindliches  Silikatgestein  oder  Magma,  wie  man  es  jetzt  all- 
gemein benennt,  zu  Tage  gefördert  Den  Ort,  wo  dieses  Magma 
bereitet  wird,  bezeichnet  man  als  Lavaheerd.  Wo  zwischen  einem 
Lavaheerde  und  der  Erdoberfläche  durch  einen  Kanal  eine  Verbindung 


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Die  vulkanischen  Ausbrüche. 


299 


hergestellt  ist,  entsteht  ein  Vulkan.  Zahlreiche  solcher  Kanäle 
aus  frühem  geologischen  Perioden,  mit  Eruptivgesteinen  ausgefüllt 
und  durch  die  Denudation  bloßgelegt,  sehen  wir  die  geschichteten 
Gesteine  durchbrechen.  Nicht  immer  erreichten  sie  die  Oberfläche, 
und  die  Eruption  spielte  sich  dann  in  der  Tiefe  ab;  ein  Vorgang, 
den  wir  am  besten  als  Krypto Vulkanismus  bezeichnen  können. 
Seine  Bildungen  gewinnen  erst  dann  geographische  Bedeutung,  wenn 
ihre  Decke  zerstört,  ist  und  sie  nun  unverhüllt  zu  Tage  treten.  Aber 
auch  oberirdische  Ausbrüche  führen  nicht  immer  zu  Neubildungen. 
Gelangen  sie  über  das  embryonale  Stadium  nicht  hinaus,  so  werden 
nur  die  Trümmer  der  durchbrochenen  Kruste  ausgeworfen;  an  der 
Oberfläche  bildet  sich  ein  kreisartiges  oder  ovales  Loch,  die  Trümmer- 
gesteine verstopfen  den  Kanal,  und  nach  diesem  einmaligen  Ver- 
suche stellt  der  Vulkan  seine  Thätigkeit  ein.  So  entstehen  die 
Maare,  über  deren  Bau  erst  jüngst  die  Untersuchungen  Brancos2 
im  Schwäbischen  Jura  helles  Licht  verbreitet  haben,  obwohl  man 
solche  Gebilde  aus  der  Eifel,  der  Auvergne,  Zentralamerika,  Ost- 
indien und  Japan  schon  lange  kannte.  Nur  heftigere  oder  wieder- 
holte Eruptionen  erzeugen  oberirdische  Anhäufungen  von  magmati- 
schem Material. 

Eruptivprodukte.  Das  Magma  ist  eine  Mischung  verschiedener 
Verbindungen,  unter  denen  die  Kieselsäure  stets  die  erste  Rolle 
spielt.  Aber  in  verschiedenen  Mischuugen  doch  in  verschiedenem 
Grade,  so  daß  man  danach  saure  und  basische  Eruptivgesteine  unter- 
scheiden kann.-  Die  tertiären  und  der  Gegenwart  angehörigen  ordnen 
sich  in  folgende  Reihe: 

Rhyolith,  Kieselsäuregehalt  mindestens  75  Proz., 

Trachyt,  „ 65  Proz.  und  darüber, 

Andesit,  „ über  50  Proz., 

Basalt,  „ 40 — 50  Proz. 

Diese  Reihenfolge  gilt  auch  für  den  Grad  der  Schmelzbarkeit. 
Basalt  schmilzt  unter  gewöhnlichem  Luftdrucke  schon  bei  einer  Tem- 
peratur von  1100 — 1370°  C. 

An  der  Erdoberfläche  erscheint  das  Magma  entweder  in  zu- 
sammenhängenden, heißflüssigen  Massen  als  Lava  — oder  in  locke- 
ren Auswürflingen,  die  auf  ihrem  Wege  durch  die  Luft  einen  großen 
Teil  ihrer  Wärme  einbüßen  und  meist  erkaltet  zu  Boden  sinken.  Je 
nach  der  Größe  unterscheidet  man  Blöcke,  die  bis  zu  1 m Durch- 
messer erreichen;  Bomben,  die  durch  Drehung  in  der  Luft  eine 
kugelige,  keulen-  oder  fladentormige  Gestalt  annehmen;  Lapilli  von 
Hasel-  oder  Wallnußgröße,  vulkanischen  Sand  und  endlich  Asche. 


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300 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Die  letztere,  ein  feines  Pulver,  vermischt  sich  mit  Wasser  zu  Schlamm, 
der  in  erhärtetem  Zustande  die  sogenannten  Tuffschichten  bildet; 
besser  ist  es  indes,  diese  Bezeichnung  nur  für  die  unterseeischen 
Schlammablagerungen  zu  gebrauchen,  für  die  Schlammströme  des 
Landes  aber  — wie  Löwl  rät  — den  in  der  Eifel  gebräuchlichen 
Namen  Trass  anzuwenden. 

Das  Magma  ist  kein  trockener  Schmelzfluß,  sondern  imprägniert 
mit  zahlreichen  (rasen,  von  denen  mindestens  99  Proz.  Wasser- 
dampf sind.  Unter  den  übrigen  Cfasen  nimmt  schweflige  Säure  die 
erste  Stelle  ein,  nicht  bloß  wegen  ihrer  Menge,  sondern  auch  des- 
halb, weil  sie  keinem  Vulkane  fehlt. 


Fig.  75.  Der  Vesuv  während  des  Ausbruches  im  Jahre  1822. 


Die  vulkanischen  Ausbrüche.  Es  darf  als  Regel  gelten,  daß 
die  Vulkane  intermittierend  thätig  sind,  sei  es,  daß  der  Kanal 
zeitweise  sich  verstopft,  sei  es,  daß  das  Eruptions-Material  sich  er- 
schöpft oder  auch,  daß  nicht  immer  diejenigen  Kräfte  wirksam  sind, 
die  das  Magma  zum  Aufsteigen  nötigen.  Nur  wenigen  Vulkanen 
.ist  eine  gleichmäßige  Thätigkeit  eigen,  und  auch  diese  bildet  eigent- 


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Die  vulkanischen  Ausbrüche. 


301 


lieh  nur  eine  vorübergehende  Phase.  Stromboli,  eine  der  Liparischen 
Inseln,  ist  das  bekannteste  Beispiel  dieser  Art.  Seit  den  frühesten 
Zeiten  des  Altertumes  ist  er  ununterbrochen  thätig.  Ähnlich  wie  hei 
Geysiren,  wiederholen  sich  die  Eruptionen  in  regelmäßigen  Pausen 
von  5 — 15  Minuten;  die  eine  Öffnung  des  Gipfelkraters  stößt  in 
Intervallen  von  wenigen  Minuten  Dampf  aus,  was  etwa  eine  Minute 
dauert,  während  in  der  anderen  Lava  in  Perioden  von  10 — 15  Mi- 
unten  steigt,  und  fällt  und  beim  Steigen  eine  Schlackengarbe  empor- 
schleudert. Erst  1889  machte  sich  eine  lebhaftere  Erregung  be- 
merkbar und  trat  Lava  aus.  Auch  der  Mt.  Yasowa  auf  Tana  (Neue 
Hebriden)  und  der  Izalco  in  Zentralamerika  zeigen  ein  ähnliches 
Verhalten,  und  seit  dem  vorigen  Jahrhunderte  ist  auch  der  Sang- 
uav  in  Quito  in  die  Phase  der  Strombolithätigkeit  eingetreten. 

Der  Charakter  der  Eruption  hängt  im  wesentlichen  einerseits 
von  der  chemischen  Zusammensetzung  und  dem  Dampfgehalte  des 
Magmas , andererseits  von  der  Beschaffenheit  des  vulkanischen 
Kanals  ab.  Wir  können  verschiedene  Typen  unterscheiden,  aber 
wir  können  noch  nicht  sagen,  welcher  der  normale  ist.  Indes  darf 
man  doch  den  Vesuvtypus  als  denjenigen  bezeichnen,  wo  die 
einzelnen  Akte  des  Eruptionsdramas  am  vollständigsten  und  gleich- 
mäßigsten entwickelt  sind. 


Fig.  7G.  Idealer  Durchschnitt  dt«  Vesuvs  mich  von  Hocifstktter. 

a die  Soniniu,  b gemischter  Kegel,  c Aschenkegel,  d kleine  parasitische  Schuttkegel, 
e hypothetischer  innerer  Lavnratim. 


Der  Vesuv  ist  ein  doppelgipfeliger  Vulkanberg.  Auf  der  rechten 
Seite  unseres  Bildes  (Fig.  75)  sehen  wir  den  jetzt  thätigen,  aus  Asche 
und  Lava  bestehenden  Vulkankegel,  gekrönt  von  einer  trichterförmigen 
Einsenkung  oder  einem  Krater,  der  das  obere  Ende  des  Haupt- 
eruptionskanals darstellt.  Der  Gipfel  oder  richtiger  die  wallartige  Er- 
hebung zur  linken  Hand,  die  Somma,  ist  der  Rost  eines  vorgeschicht- 
lichen Tuffkegels,  in  dessen  ausgeweitetem  Krater  sich  der  neue  Kegel, 
der  moderne  Vesuv  seit  d.  J.  79  aufgebaut  hat.  Einen  idealen  Durch- 
schnitt zeigt  obiges  Bild  (Fig.  76),  nur  muß  bemerkt  werden,  daß  das 
Innere  des  Vulkans  lediglich  hypothetisch  als  ein  weiter,  von  Lava 


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302 


Die  Dynamik  des  Landes. 


erfüllter  Kaum  eingezeichnet  ist.  Man  kann  sich  an  dessen  Stelle  auch 
einen  schlotförmigen  Eruptionskanal  vorstellen. 

Bis  zur  furchtbaren  Katastrophe  im  Jahre  79,  der  die  Städte 
Pompeji,  Herculanum  und  Stabiae  zum  Opfer  fielen,  galt  der  Ve- 
suv für  erloschen.  Bis  1631  meldet  die  Geschichte  nur  17  Aus- 
brüche, wiederholt  blieb  der  Berg  mehr  als  1 Jahrhundert,  zweimal 
sogar  mehr  als  2 Jahrhunderte  ruhig;  seit  dem  12.  Jahrhundert  be- 
deckte er  sich  wieder  mit  reicher  Wald  Vegetation.  Der  Ausbruch 
von  1631  übertraf  an  Schrecklichkeit  noch  jenen  zur  Zeit  des  Kaisers 
Titus,  und  seitdem  hat  der  Vulkan  seinen  Charakter  verändert.  Die 
Ruhepausen  wurden  kürzer,  aber  die  Thütigkeit  verlor  an  Intensität, 
wenn  auch  heftige  Eruptionen  — Paroxysmen,  wie  Scrope  sie  nennt 
— zeitweise  noch  immer  sich  ereignen  (1760,  1794,  1822,  1872). 
Auch  bei  anderen  Vulkanen  hat  man  diese  Erfahrung  gemacht;  es 
kann  als  Regel  gelten,  daß  je  länger  die  Ruhe,  desto  heftiger  die 
darauf  folgende  Eruption  ist.  Es  muß,  wie  man  vermuten  darf,  eine 
gewaltige  Dampfmenge  im  Lavaherde  sich  ansammeln,  um  durch  den 
in  der  Ruhezeit  verstopften  Kanal  oder  an  anderer  Stelle  einen  neuen 
Weg  sich  zu  bahnen.  Erdbeben  leiten  meist  als  äußere  Zeichen  dieses 
Kampfes  die  bevorstehende  Katastrophe  ein,  ja  manchmal  hebt  sich  der 
Boden,  um  dann  wieder  zu  sinken,  wie  durch  Beobachtungen  bei  dem 
Vesuvausbruche  im  Dezember  1861  festgestellt  wurde.  Immer  mächtigere 
Dampfmassen  entsteigen  dem  Krater,  bis  dieser  berstet,  und  eine  hohe 
Aschensäule,  die  sich  oben  pinienartig  ausbreitet,  emporsteigt  (Fig.  75). 
Ein  feiner  Aschenregen  beginnt,  der  durch  den  Wind  oft  weithin  ge- 
führt wird;  so  bei  dem  Ausbruche  des  Coseguina  (in  Nicaragua)  am 
20.  Januar  1835,  einem  der  schrecklichsten  Phänomene  dieser  Art  in 
den  letzten  Jahrhunderten,  2000  km  in  die  See  hinaus  und  bis  zu  dem 
350  km  entfernten  Guatemala  Nachts  erscheint  an  der  Stelle  der 
Rauchpinie  eine  imposante  Feuersäule  von  wechselnder  Helle.  Da  sie 
auch  im  heftigsten  Sturme  unbeweglich  bleibt  und  selbst  Sterne  von 
schwacher  Leuchtkraft  durchscheinen  läßt,  so  ist  sie  nur  als  der 
Wiederschein  der  glutflüssigen  Lava  im  Kanal  zu  betrachten.  Aber 
auch  wirkliche  Flammen,  erzeugt  von  brennbaren  Gasen,  wurden 
manchmal  beobachtet;  doch  sie  sind  schwach  und  von  geringer  Höhe. 
Gewaltige  Schlackenraketen  verkünden  das  Aufsteigen  der  Lava.  Der 
Cotopaxi  schleuderte  i.  J.  1533  Felsstücke  von  3 m Dicke  900  m hoch 
und  über  22  km  weit.  Heftige  Eruptionen  werden  von  Gewittern 
begleitet.  Die  Wasserdämpfe  erhalten  nämlich  — wie  Palmieri 
nachwies  — durch  schnelle  Verdichtung  positive,  die  Asche  aber 
beim  Fallen  in  diesem  Medium  negative  Elektrizität:  wahrscheinlich 
ist  auch  der  ganze  Berg  elektrisch  geladen.  Gewöhnliche  meteoro- 


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Die  vulkanischen  Ausbrüche. 


303 


logische  Begleiterscheinungen  sind  Sturm  und  Regengüsse;  diese 
oder  der  geschmolzene  Schnee  erzeugen,  mit  Asche  vermischt,  die 
Schlamm  ströme,  die  oft  verheerender  wirken  als  die  Lavaströme. 

Den  Schluss  des  Eruptionsaktes  bildet  meist  der  Austritt  von 
Lava,  seltener  aus  dem  Gipfelkrater  als  an  den  Abhängen,  wo  sich 
eine  radial  auf  die  Achse  des  Kegels  stellende  Spalte  öffnet;  ja,  oft 
spielt  sich  die  ganze  Eruption  am  Abhange  ah,  wie  1861  am  Vesuv, 
während  der  Hauptkrater  nur  durch  eine  intensivere  Gasentwick- 
lung daran  teilnimmt.  Meist  Hießt  die  Lava  in  ruhigen  Strömen, 
die  auch  bei  starker  Neigung  noch  zusammenhängende  Gesteins- 
schichten zu  bilden  vermögen.  Das  hängt  wesentlich  von  ihrer 
chemischen  Beschaffenheit  und  dem  Grade  ihrer  Durchtränkung 
mit  Wasserdampf  ah;  sie  kann  bei  35°  noch  erstarren  und  bis  10° 
Neigung  noch  Hießen.  Die  Masse  der  ausgeworfenen  Lava  ist  eine 
sehr  bedeutende;  sie  betrug  z.  B.  bei  der  Eruption  des  Vesuvs 
i.  J.  1872  20  und  bei  der  des  Bourbon-Vulkans  i.  J.  1787  900 
Mill.  chm.  Der  Skaptar  Jökull  auf  Island  sandte  im  Jahre  1783 
zwei  Ströme  aus,  von  denen  der  westliche  80,  der  östliche  45  km 
lang  wTar.  Sie  bedeckten  900  qkm,  eine  Fläche,  so  groß  wie  eines 
der  Fürstenthümer  Schwarzburg,  erfüllten  die  Skaptaschluclit  bis 
einer  Höhe  von  100 — 200  m und  erreichten  eine  mittlere  Mächtigkeit 
von  30  m.  Das  ergiebt  die  erstaunlich  große  Masse  von  27000 
Mill.  cbm.  Geht  der  Eruptionsprozeß  rasch  und  unter  bedeutender 
Dampfentwickelung  vor  sich,  so  zerfällt  der  Lavastrom  in  einen 
Trümmerhaufen  (Block-  oder  Schollenlava);  im  anderen  Falle 
geht  er  durch  das  Zwischenstadium  der  Zähflüssigkeit  aus  dem 
flüssigen  in  den  festen  Zustand  über  und  bildet  dann  die  zusammen- 
hängende Fladen-  oder  Gekröslava. 

Aus  manchen  Vulkanen,  wie  aus  einigen  javanischen  oder  aus 
dem  Demawend  in  vorgeschichtlicher  Zeit,  tritt  die  Lava  nicht  in 
flüssigem  Zustande,  sondern  halb  erkaltet  als  ein  Gewirr  von  Blöcken 
aus.  Dagegen  scheint  nach  Th.  Wolf  die  Nachricht  von  den  süd- 
amerikanischen „Kotlaven“  nur  auf  ungenauer  Beobachtung  zu  ba- 
sieren. Es  sind  einfache  Schlammströme,  die  am  Cotopaxi  neben 
echten  Lavaströmen  Vorkommen. 

Erdbeben,  Aschenauswurf,  Lavaerguß  sind  die  drei  Akte,  in 
die  gewöhnlich  das  Eruptionsschauspiel  beim  Vesuvtypus  vom 
Beginne  bis  zu  seinem  Höhepunkte  zerfällt.  Sie  können  sich  in 
verhältnismäßig  kurzer  Zeit  abspielen,  aber  auch  wochen-  und 
monatelang  mit  kurzen  Ruhepausen  wiederholen  und  wir  sprechen 
im  letzteren  Falle  von  einer  Eruptionsperiode,  wie  z.  B.  der 
Vesuv  eine  solche  vom  Januar  1871  bis  zum  April  1872  durchlebte. 


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304 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Das  veränderlichste  Moment  sind  die  Erdbeben.  Sie  fehlen  oft 
ganz,  wie  bei  den  meisten  Ausbrüchen  des  Cotopaxi  oder  stehen 
wenigstens  in  keinem  Verhältnisse  zur  nachfolgenden  Katastrophe, 
wie  bei  der  Krakatau-Eruption  i.  J.  1883.  Der  Atnaausbruch  i.  .1. 
1865  wurde  durch  gelinde  Erschütterungen  eingeleitet,  aber  — 
gegen  alle  Regel  — durch  eine  sehr  heftige  abgeschlossen. 

Von  viel  größerer  Wichtigkeit  ist  es  aber,  ob  das  Magma  über- 
haupt und  in  welcher  Form  es  an  die  Oberfläche  gelangt.  Bei  dem 
Vesuvtypus  geschieht  dies,  wie  wir  gesehen  haben,  sowohl  in  der 
Form  lockerer  Auswürflinge,  wie  in  der  von  Lavaströmen.  Aber 
gerade  die  Geschichte  der  letzten  Jahrzehnte  hat  uns  eine  Reihe 
anderer  Typen  kennen  gelehrt. 

Der  Bandaisan  in  Japan,  seit  Menschengedenken  erloschen, 
hatte  am  15.  Juli  1888  eine  furchtbare  Dampfexplosion,  die  die 
ganze  Nordseite  des  Gipfels  wegsprengte  und  an  deren  .Stelle  einen 


Fig.  77.  Profil  des  Bandaisan  vor  und  nach 
der  Eruption  nach  Sekiya. 

gewaltigen  Krater  von  383  ha  Flächeninhalt  schuf.  Beistehendes 
Profil  (Fig.  77),  in  dem  die  alte  Gestalt  durch  eine  punktierte  Linie  an- 
gedeutet ist,  veranschaulicht  diese  Veränderung.  Magma  trat  nicht 
zu  Tage;  das  ausgeworfene  Material,  das  man  auf  1213  Mill.  cbm 
schätzt,  entstammte  nicht  der  Tiefe,  sondern  dem  abgesprengten  Teile 
des  Berges,  dessen  Gesteine  schon  vorher  durch  Gasausströmungen 
zersetzt  worden  waren. 3 

Wasserdampf  spielte  offenbar  auch  die  Hauptrolle  bei  zwei 
anderen  Katastrophen  der  letzten  Jahre,  bei  den  Ausbrüchen  des 
Krakatau4,  eines  Inselvulkans  der  Sundastraße,  am  27.  August  1883 
und  des  Tarawera®  auf  der  Nordinsel  Neuseelands  am  10.  Juni 
1886.  Der  erstere  hatte  seit  1680  geruht,  der  letztere  war,  soweit 
die  Tradition  reicht,  nicht  mehr  thätig  gewesen.  In  beiden  Fällen 
hatte  die  Eruption  einen  explosiven  Charakter,  zum  Unterschiede 
vom  Bandaisan  wurden  gewaltige  Mengen  von  Asche  und  Bims- 
stein (schaumig  aufgeblähte  Lavafetzen)  ausgeworfen,  aber  kein 
Lavastrom  ergoß  sich  aus  den  Spalten. 


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Die  vulkanischen  Ausbrüche. 


305 


Viel  seltener  sind  dagegen  mehr  oder  weniger  reine  Lava- 
eruptionen. Hawaii  stellt  den  basaltischen,  Santorin  den  andesi- 
tischen  Typus  vor. 

Die  Inselgruppe  Santorin6  in  den  ägäischen  Gewässern  besteht 
aus  vulkanischen  Bildungen  verschiedenen  Alters.  Die  Hauptinseln 
Thera  und  Therasia  mit  dem  Eilande  Aspronisi  sind  die  Trümmer 
eines  zerbrochenen  Kraterwalles  aus  vorgeschichtlicher  Zeit.  Inner- 
halb desselben  entstanden  durch  neue  Ausbrüche  die  kleinen  Kameni- 
lnseln:  198  v.  Cb.  die  Palaea-Kameni,  1573  die  Mikra-Kameni, 
1707 — 12  die  Xea- 
Kameni,  1866  die 
Inseln  Georgios  und 
Aphroessa,  die  rasch 
anwachsend  mit  der 
Xea  - Kameni  ver- 
schmolzen. Diese 
letzte  Eruption  bot 
nun  zum  ersten  Male 
die  erwünschte  Ge- 
legenheit, die  Ent- 
stehung von  Andesit- 
bergen  zu  beobachten . 

Am  Beginne  vollzog 
sich  das  Schauspiel  in 
größter  Ruhe,  ohne 
Erdbeben,  ohne  Ex- 
plosionen, ohne 
unterirdisches  Ge- 
räusch. Erst  päter 
nahm  die  Eruption 
einen  heftigeren 
Charakter  an.  Steine 
wurden  emporgeschleudert  und  mächtige,  mit  Asche  geschwängerte 
Dampfsäulen  erhoben  sich,  aber  dies  alles  bildete  nur  nebensäch- 
liche Momente;  der  eigentliche  Charakter/ug  des  Santorin- Ausbruches 
besteht  darin,  daß  sich  über  der  unterseeischen  Öffnung  des  Kanals 
der  zähe  Lavabrei  wulstartig  anhäufte,  indem  immer  neue  Massen 
aus  der  Spalte  sich  hervordrängten  und  die  alten  in  die  Höhe 
und  zur  Seite  schoben.  Sehr  passend  wurden  die  neugebildeten 
Inseln  mit  „riesigen  Schwämmen“  verglichen.  „Mit  eigenen  Augen“, 
schreiben  Reiss  und  Stübel,  7 „haben  wir  eine,  an  manchen  Stellen 
bis  zu  200  m mächtige,  von  steilen  Böschungen  begrenzte  Lava- 

Süpaw,  Physische  Erdkunde.  2.  Auf!.  20 


Fig.  78.  Santorin  im  Jahre  1866  nach  v.  Sekbach. 


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306 


Die  Dynamik  des  Landes. 


masse  entstellen  sehen,  deren  Oberfläche  kaum  irgend  welche 
Schlackenbildung  zeigte,  und  der  jeder  Aschen-  oder  Schlacken- 
kegel fehlte.“  „Diese  Lava“,  heißt  es  an  einer,  anderen  Stelle, 
„war  so  zähflüssig  und  von  eiuer  so  mächtigen,  in  große  glasige 
Blöcke  zerteilten  Erstarrungskruste  bedeckt,  daß  die  flüssige 
Lava  selbst  niemals  an  der  Oberfläche  sichtbar  wurde.“  Während 
lockere  Massen  sich  wallartig  um  die  Ausbruchsöflhung  anhäuften, 
wurde  diese  verdeckt,  daher  war  auch  anfangs  ein  Krater  nicht 
bemerkbar;  erst  nach  der  Explosion  am  18.  Juli,  die  den  mitt- 
leren Teil  der  Georgsinsel  zerstörte,  enstand  an  dieser  Stelle  eine 
kraterähnliche  Vertiefung,  wo  sich  Lava  ansammelte  und  Ausbrüche 
stattfanden.  „Die  anfangs  flach  gewölbte  Gestalt  der  Insel  formte 
sich  allmählich  zu  einem  regelmäßigen  stumpfen  Kegel.“ 

Hawaii8  ist  eine  aus  vier  oder  fünf  Basaltkegeln  zusammen- 
geschweißte Insel.  Das  nordwestliche  Horn  bildet  die  Kohala-Kette 
(1678  m h.),  der  Überrest  des  ältesten  Vulkans;  im  Westen  erhebt  sich 
der  Hualalai  (2522  m h.),  seit  1801  ruhig;  die  Mitte  nehmen  die 
beiden  Bergriesen,  der  seit  langem  erloschene  Kea  (4208  m)  und 
der  noch  thätige  Loa  (4168  m),  ein.  Am  Ostabhange  des  letzteren 
öffnet  sich,  in  1231  m Seehöhe,  der  ungeheuere  Krater  Kilauea. 
der  ebenso,  wie  der  Krater  Mokuaweoweo  auf  dem  Loagipfel,  von 
den  senkrecht  abstürzenden  Bruchrändern  nahezu  horizontal  ge- 
schichteter Lavaströme  eingeschlossen  wird.  Dutton®  erklärt  diese 
großen  Vertiefungen  nicht  für  echte  Krater,  sondern  für  Einsturz- 
becken, und  will  dafür  den  Namen  Caldera  angewendet  wissen,  inner- 
halb derselben  liegen  die  berühmten,  mit  flüssiger  Lava  erfüllten 
Seen,  ein  einzig  dastehendes  Phänomen.  Es  muß  eine  gewaltige  und 
vor  allem  eine  kontinuierlich  wirkende  Kraft  sein,  die  die  Magma- 
säule beständig  in  dieser  Höhe  zu  erhalten  vermag.  Allerdings 
wirkt  sie  nicht  gleichmäßig;  auch  die  hawaiischen  Vulkane  sind  inter- 
mittierend thätig.  Aber  da  ihre  basaltische  Lava  sehr  dünnflüssig 
ist,  so  staut  sie  sich  nicht,  wie  die  andesitische  Santorins,  über  der 
Ausbrucbsötfnung  an,  sondern  fließt  ruhig  über.  Der  See  entleert 
sich  und  der  Bodeu  des  Kraters  stürzt  über  dem  Hohlraume  ein. 
Der  Dampf  kann  ohne  viel  Widerstand  entweichen,  er  vermag  daher 
die  Projektile  nur  wenige  Meter  in  die  Höhe  zu  werfen,  und  diese 
fallen,  ohne  sich  abzukühlen,  an  der  gleichen  Stelle  wieder  nieder 
und  bauen  Miniaturkegel  von  4 — 18  m Höhe  auf)  „Dribblet-cones“, 
wie  Dana  sie  bezeichnend  nennt.  Manchmal  finden  allerdings  hef- 
tigere Eruptionen  statt  und  dann  werden  glühende  Lavafontänen 
60 — 200  m hoch  emporgeschleudert.  Asche,  Lapilli,  Bomben  spielen 
auch  hier  nur  eine  untergeordnete  Rolle. 


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Die  vulkanischen  Ausbrüche. 


307 


Ein  Vulkan  ist  aber  durchaus  nickt  immer  an  einen  be- 
stimmten Eruptionstypus  gebunden.  Die  Kilauea  hatte  i.  J.  1789 
einen  gewaltigen  Aschen-  und  Steinausbruch;  der  Krakatau  ist  aus 
wechselnden  Lagen  von  Aschen-  und  Lavaschichten  aufgebaut  — 
ein  Beweis,  daß  er  früher  genau  nach  dem  Vesuvtypus  sich  verhielt. 
Richtig  ist  es  aber,  daß,  wenn  auch  ein  Vulkan  zeitweise  seinen 
Eruptionscharakter  ändert,  er  doch  in  der  Regel  einen  bestimmten 
Typus  bevorzugt. 

Ferner  haben  wir  zu  beachten,  daß  alle  diese  verschiedenen 
Eruptionsarten  ein  Moment  gemeinsam  haben,  indem  sie  nämlich 
alle  von  einem  Zentrum  ausgehen,  um  das  sie  die  Auswurfsmassen 
mehr  oder  minder  kreisförmig  anhäufen.  Das  Endprodukt  ist  in 
diesem  Falle  immer  ein  Berg.  Daneben  kennen  wir  aus  früheren 
Erdepochen  aber  auch  Lavaergüsse  aus  langgestreckten,  lippen- 
förmigen Spalten,  die  teils  Gebirgszüge,  teils  — wenn  die  Lava 
dünnflüssig  war  und  in  großen  Mengen  ausfloß  — ausgedehnte 
Tafeln  schufen.  Die  Hargita  in  Ungarn  ist  ein  Beispiel  eines 
solchen  Gebirgszuges,  die  Basaltdecke  im  nordwestlichen  Dekan,  die 
das  Königreich  Preußen  an  Flächeninhalt  übertrifft,  ein  Beispiel 
einer  vulkanischen  Tafel. 

Um  nun  den  Beweis  zu  führen,  daß  zwischen  den  Zentral- 
und  Labialeruptionen  kein  fundamentaler  Unterschied  besteht, 
müssen  wir  zunächst  an  die  Thatsache  erinnern,  daß  auch  die 
Zentralvulkane  in  der  Regel  eine  reihenweise  Anordnung  zeigen  und 
daß  man  diese  mit  Recht  auf  langgestreckte  Spalten  zurückgeführt 
hat.  Allerdings  sind  diese  Spalten  nicht  sichtbar,  aber  wir  über- 
tragen hier  nur  ins  große,  was  uns  die  Erfahrung  im  kleinen  wiederholt 
kennen  gelehrt  hat,  wie  bei  den  Atna-Ausbrüchen  i.  J.  1609  und  1865 
oder  bei  der  Tarawera-Eruption  i.  J.  1886.  In  dem  letzteren  Falle 
entstand  eine  von  Nordosten  nach  Südwesten  ziehende  Spalte  von 
14  km  Länge  und  innerhalb  derselben  eine  Reihe  von  Kratern,  die 
ebensovielen  Eruptionszentren  entsprachen.  Auch  die  dazwischenliegen- 
den unzerstörten  Brücken  wurden  von  engen  Vertikalspalten  durchsetzt. 
Wir  dürfen  also  mit  Thomas5  annehmen,  daß  zuerst  entlang  einer 
Linie  der  Boden  sich  spaltete  und  daß  dann  die  unterirdischen 
Kräfte  an  denjenigen  Punkten  einsetzten,  wo  entweder  die  Gesteins- 
beschaffenheit den  Ausweg  erleichterte,  oder  größere  Dampfzufuhr 
die  Explosionskraft  vermehrte.  Würde  sich  aus  den  eng  benach- 
barten Kratern  Lava  ergossen  haben,  so  hätten  sich  die  Ströme  leicht 
zu  einer  Gesamtmasse  vereinigen  können,  die  die  einzelnen  Ausbruchs 
stellen  verdeckt  hätte,  oder  es  hätten  auch  die  einzelnen  Zentren 
selbst,  wenn  sie  noch  näher  aneinander  gerückt  wären,  miteinander 

20* 


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308 


Die  Dynamik  des  Landes. 


verschmelzen  können.  Man  sieht  also,  zwischen  Zentral-  und 
Labialeruptionen  sind  Übergänge  vorhanden,  beide  beruhen 
im  wesentlichen  auf  demselben  Vorgänge. 

Besonders  lehrreich  ist  in  dieser  Beziehung  Island,  dessen 
Erforschung  wir  in  neuester  Zeit  hauptsächlich  Thoeoddsen  ver- 
danken 10.  Hier  finden  wir  verschiedene  Typen  vertreten : echte  ge- 
schichtete Vulkane,  aus  wechselnden  Tuffen  und  Lavaströmen  be- 
stehend, wie  der  Vesuv;  Lavavulkane,  ganz  nach  hawaiischem  Muster, 
nur  kleiner,  flache  schildförmige  Erhebungen  mit  einer  tellerartigen 
Vertiefung  am  Gipfel;  endlich  Labialbildungen  in  verschiedenen 
Stadien  ihrer  Entwicklung.  Am  häufigsten  ist  die  Anfangsform: 
entlang  einer  Spalte  treten  eine  Reihe  noch  wohl  individualisierter 
länglicher  Krater  auf;  seltener  sehen  wir  der  Spalte  entlang 
lange,  aber  doch  noch  an  vielen  Stellen  durchbrochene  Wälle  von 
Schlacken  und  Lavastücken;  am  seltensten  ist  die  ausgebildete  Form 
einer  völligen  Vereinigung  der  Zentren,  die  nach  beiden  Seiten  dünn- 
flüssige Lava  ergossen  haben. 

Überblick  der  Vulkanformen.  Jeder  Vulkan  ist  das  Produkt  seiner 
eigenen  Thätigkeit,  und  da  diese  Thätigkeit  sich  in  so  mannigfacher 
Art  äußert,  so  müssen  natürlich  auch  die  Produkte  mannigfach  sein. 
Lediglich  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  einmal  die  Vulkanformen 
zusammenzufassen,  empfiehlt  sich  deshalb,  weil  die  spätere  morpho- 
logische Betrachtungsweise  noch  andere  Momente  zu  berücksichtigen 
haben  und  damit  auch  zu  einem  anderen  Systeme  gelangen  wird. 

Wo  der  Ausbruch  lediglich  in  einer  Daiupfexplosion  besteht,  wie 
hei  dem  Bandaisan,  kann  natürlich  von  Neubildungen  keine  Rede 
sein,  sondern  findet  nur  Zerstörung  statt.  Wo  die  Eruption  zwar 
einen  explosiven  Charakter  zeigt,  zugleich  aber  auch  neues  Material 
zu  Tage  fordert,  wird  sowohl  zerstört  wie  geschaffen,  und  es  hängt 
ganz  von  den  näheren  Umständen  ah,  welche  Wirkung  die  Oberhand 
gewinnt.  Bei  dem  Ausbruche  des  Tarawera  wurden  zwar  1500  Mill. 
chm  Asche  ausgeworfen,  aber  etwa  230  Mill.  wurden  in  das  Meer 
getragen  und  1270  Mill.  verteilten  sich  auf  eine  Fläche  von  der 
Größe  Badens.  Die  Heftigkeit  der  Explosion  war  so  groß  und  es 
fand  eine  so  vollständige  Zerstäubung  statt,  daß  es  nicht  zur  Bildung 
eines  Aschenkegels  kommen  konnte.  Indes  ist  nicht  bloß  die  Ex- 
plosion an  sich  für  die  Zerstörung  verantwortlich  zu  machen.  Indem 
Material  aus  der  Tiefe  entfernt  wird,  entstehen  hier  Hohlräume  und 
der  darüber  befindliche  Boden  stürzt  ein.  Die  vier  Inseln  der 
Krakataugruppe  hatten  vor  der  Katastrophe  von  1883  ein  Areal  von 
4020  ha;  durch  Einsturz  verloren  sie  2291  ha,  durch  Neubildung 
gewannen  sie  1305  ha;  das  ergiebt  ein  Defizit  von  986  ha.  Ein  kleines 


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Die  vulkanischen  Ausbrüche. 


30!) 


Eiland,  das  den  sonderbaren  Namen  „Der  polnische  Hut“  trug,  ver- 
schwand ganz,  die  Hauptinsel  wurde  um  die  Hälfte  kleiner,  Verlaten 
Eiland  wuchs  dagegen  um  das  dreifache. 

Die  Eruptionen  können  wir  einteilen  in  einfache  und  ge- 
mischte. Die  einfachen  produzieren  entweder  nur  oder  doch  vor- 
herrschend nur  lockeres  oder  festes  Material.  Wir  unterscheiden 
demnach  Locker-  und  Lavaeruptionen. 

1.  Bei  zentralen  Lockereruptionen  ist  der  Grad  der  Fein- 
heit des  Auswurfsmaterials  von  Wichtigkeit.  Asche  kann,  wie  beim 
Tarawera,  lediglich  zur  Erhöhung  des  Bodens  beitragen,  während 
die  Ausbruchsstelle  selbst  nur  durch  eine  Vertiefung  im  Boden  ge- 
kennzeichnet wird.  Dasselbe  ist  auch  der  Fall,  wenn  nur  eine  ein- 
zige Eruption  an  der  betreffenden  Stelle  stattfindet  und  dabei  nicht 
beträchtliche  Mengen  von  Lockermaterial  ausgeworfen  werden.  Das 
Resultat  ist  also  eine  negative  Bodenform.  Dazu  gehören  auch 
die  Maare. 

Als  positive  Bodenformen  gehen  aus  diesen  Eruptionen  auf 
dem  festen  Lande  Aschen-  oder  Schlackenkegel,  auf  dem  Boden 
des  Meeres  Tuffkegel  hervor. 

2.  Als  Erzeugnisse  labialer  Lockereruptionen  sind  die 
langen  Schlackenwälle  in  Island  zu  betrachten. 

3.  Gemischte  Zentraleruptionen  schaffen  ebenfalls  ter- 
restrische oder  submarine  geschichtete  Kegel,  die  sich  von  den 
Aschenkegelu  nur  dadurch  unterscheiden,  daß  die  Beteiligung  von 
Lavaströmen  ihnen  größere  Festigkeit  verleiht.  Beiden  ist  ferner 
gemein,  daß  sie  einen  Krater  auf  ihrem  Gipfel  besitzen.  — Ge- 
mischte Labialeruptionen  sind  nicht  bekannt. 

4.  Zentrale  Lavaeruptionen  erzeugen  Berge  ohne  Krater 
oder  nur  mit  kraterförmigen  Vertiefungen  am  Gipfel.  Ihre 
Böschungsverhältnisse  hängen  wesentlich  von  dem  Flüssigkeitsgrade 
der  Lava  ab. 

5.  Labiale  Lavaeruptionen  führen  zur  Bildung  langgestreck- 
ter Gebirgszüge,  wenn  die  Lava  zähe,  und  zu  der  von  Tafeln 
oder  Plateaus,  wenn  die  Lava  dünnflüssig  ist. 

Erlöschen  der  Vulkane.  Nach  einer  Eruptionsperiode  versinken 
die  intermittierenden  Vulkane  wieder  einige  Zeit  in  einen  Zustand 
der  Erschöpfung,  der  durch  die  sogenannte  Solfatarenthätigkeit 
charakterisiert  wird.  Man  versteht  darunter  das  Ausströmen  von 
Wasserdampf  in  der  Gestalt  kleiner  Säulen  (Fumarolen)  und  von 
Gasen  sowohl  aus  dem  Krater,  wie  aus  den  Rissen  der  Abhänge. 
Manche  Vulkane,  wie  die  Solfatara  von  Pozzuoli,  der  Demawend  in 


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310 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Persien  u.  a.,  verharren  immer  in  diesem  Zustande.  Fluor  und 
Chlor,  die  das  intensivste  Eruptionsstadium  charakterisieren,  sind 
aus  den  Gasexlialatiouen  verschwunden;  endlich  verschwinden  auch 
die  schwefligen  Gase,  die  Temperatur  nimmt  ab,  die  Fumarolen 
hören  auf;  und  nur  die  Kohlensäure,  die  entweder  als  Gas  ausströmt 
(Mofetten)  oder  mit  Wasser  vermischt  erscheint  (Sauerquellen), 
und  manchmal  auch  Thermen  erinnern  an  die  einstige  vulkanische 
Thätigkeit  der  betreffenden  Erdstelleu. 

Da  aber  — wie  die  Geschichte  lehrt  — selbst  jahrhunderte- 
lange Ruhe  keine  Gewähr  für  die  Zukunft  bietet,  so  ist  es  ganz 
willkürlich,  wenn  z.  B.  Kahl  Fuchs  alle  jene  Vulkane,  die  seit  300 
Jahren  nicht  mehr  thätig  waren,  als  erloschen  bezeichnet.  Das 
gilt  wenigstens  für  Gegenden,  wo  neben  ruhenden  auch  thätige  Vul- 
kane Vorkommen.  Hier  ist  die  Ruhe  vielleicht  nur  Schlaf,  nicht 
Tod.  Dagegen  können  wir  den  Puy  de  Cöme  in  der  Auvergne  oder 
den  Förmerich  der  Eifel  mit  einigem  Rechte  erloschene  Vulkane 
nennen,  weil  die  vulkanischen  Gebiete,  in  denen  sie  liegen,  seit 
Menschengedenken  keinen  Ausbruch  mehr  erlebt  haben.  Statt  thäti- 
gen  und  erloschenen  Vulkanen  unterscheiden  wir  also  beser  thä- 
tige und  erloschene  Vulkangebiete;  die  ersteren  enthalten  zu- 
weilen nur  thätige,  in  der  Regel  aber  thätige  und  schlafende  Vul- 
kane, die  letzteren  dagegen  nur  erloschene  Vulkane. 

Geographische  Verbreitung  der  Vulkane  (s.  Karte  XVII).  Die 
Statistik  von  Kahl  Fuchs  zählt  325  Vulkane,  die  in  den  letzten 
drei  Jahrhunderten  thätig  waren:  eine  Zahl,  die  jedenfalls  zu  niedrig 
gegriffen  ist.  Von  diesen  kommen  102  auf  die  asiatische  und  113 
auf  die  amerikanische  Seite  des  Stillen  Ozeans,  und  25  sind  in  dem- 
selben zerstreut.  Das  ergiebt  eine  Summe  von  240  (74  Proz.);  die 
pazifische  Welt  ist  somit  in  der  Gegenwart  der  Hauptsitz 
der  vulkanischen  Thätigkeit.  Dagegen  kommen  auf  den  Atlan- 
tischen Ozean  nur  30,  auf  den  Indischen  5,  auf  das  südliche  Eis- 
meer 2,  auf  Europa  mit  dem  Mittelmeere  7,  auf  Afrika  27  und  auf 
das  asiatische  Festland  12. 

Die  älteren  Theorien  legten  besonders  darauf  Gewicht,  daß  die 
meisten  Vulkane  im  Meere  oder  in  der  Nähe  desselben  sich  befinden, 
und  brachten  dies  mit  der  Erfahrung,  daß  Wasserdampf  eines  der 
Hauptprodukte  der  Ausbrüche  ist,  in  ursächliche  Verbindung.  Meer- 
wasser, so  folgerte  man,  müsse  zu  den  unterirdischen  Feuerherden 
dringen,  um  das  Magma  eruptionsfähig  zu  machen.  Diese  Theorie 
läßt  aber  zweierlei  unerklärt  Erstens  die  Thatsache,  daß  Vulkane 
auch  fern  vom  Meere  Vorkommen.  Leider  wissen  wir  zu  wenig  von 
jenen  zentralasiatischen  Vulkanen,  die  Bonvalot  und  Prinz  Hf.inhich 


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Die  vulkanischen  Ausbrüche. 


311 


von  Orleans  in  87°  ö.  L.  und  35  bis  3672°  n.  ß.  entdeckten,  um 
uns  auf  sie  hier  berufen  zu  können;  dagegen  können  wir  anfiihren 
die  mandschurischen  Feuerberge  südöstlich  von  Mergen,  also  über 
800  km  von  der  Küste  gelegen,  die  nach  der  Angabe  v.  Richt- 
hofens noch  am  Anfänge  des  18.  Jahrhunderts  in  Thätigkeit  waren, 
ferner  die  in  jüngster  Zeit  von  L.  v.  JIöhnel  und  Stuhlmann  ent- 
deckten, noch  thätigen  Vulkane  Zentralafrikas:  den  Virungo,  südlich 
vom  Albert  Edward -See  und  den  Teleki -Vulkan  am  Südende  des 
Rudolfsees,  die  1100,  hezw.  750  km  vom  Meere  entfernt  sind.  Die 
zweite  Thatsache,  welche  die  ältere  Theorie  ignoriert,  ist  die,  daß 
ausgedehnte  Küstenstrecken  vulkanlos  sind.  Von  Grönland  bis  zum 
Feuerlande  fehlen  die  Vulkane  mit  einziger  Ausnahme  von  West- 
indien, und  das  gegenüberliegende  Gestade  des  Atlantischen  Ozeans 
hat  nur  einige  wenige  Vulkanbezirke  in  Afrika.  Gehen  wir  um  das 
Kap  der  guten  Hoffnung  herum,  so  finden  wir  dieselbe  Armut  bis 
nach  Hinterindien.  Hier  ändern  sich  die  Verhältnisse  mit  einem 
Male.  Der  große  vulkanische  Sundabogen  leitet  uns  in  den  Stillen 
Ozean  hinüber.  Nirgends  drängen  sich  die  Feuerberge  enger  an 
einander,  als  an  seiner  Westseite.  Von  der  Nordinsel  Neuseelands 
über  die  Neuen  Hebriden,  den  Bismarck -Archipel,  die  Philippinen, 
Formosa,  die  Riu-Kiu,  Japan,  die  Kurilen,  Kamtschatka  reiht  sich 
fast  ununterbrochen  Bogen  an  Bogen.  Den  Norden  schließt  die  Aleuten- 
reihe  ab,  dann  folgen  im  Osten  die  amerikanischen  Vulkane  innerhalb 
des  Hochlandsgürtels.  Die  thätigen  Hauptgebiete  der  Gegenwart  sind 
das  mexicanische,  zentralamerikanische,  äquatoriale,  peruanische  und 
chilenische.  Daß  aber  Nordamerika  einst  nicht  zurückstand,  beweist 
das  Kaskadengebirge,  das  zum  großen  Teil  aus  übereinandergelagerten 
Lavaströmen  von  stellenweise  mehr  als  1000  m Mächtigkeit  besteht, 
deren  Ausbruch  in  die  nachtertiäre,  zum  Teil  sogar  in  die  nach- 
glaziale Zeit  fallt;  und  nicht  minder  deutlich  spricht  das  große 
Lavafeld  des  Columbia  und  Snake-River,  das  sich  über  fünf  Längen- 
und  drei  Breitengrade  ausdehnt.  In  der  geschichtlichen  Gegenwart 
beschränkt  sich  die  — wie  es  scheint,  durchaus  gemäßigte  — Thätig- 
keit auf  die  Vulkane  der  Alaska- Halbinsel,  auf  den  Elias-  und 
Wrangell-Berg  und  auf  einige  Gruppen  am  Nordende  des  Kaskaden- 
gebirges und  der  Sierra  Nevada.  Der  jüngste  Aschenkegel  des 
Lassen  Peak-Gebietes  dürfte  erst  im  17.  Jahrhundert  entstanden  sein.11 

Diese  Verteilung  der  Vulkane  an  den  Festlandsrändern  wurde 
uns  erst  verständlich,  seit  Suess  den  inneren  Zusammenhang  der 
vulkanischen  Erscheinungen  mit  den  großen  Dislokationen  aufge- 
deckt hat.  Die  pazifischen  Ränder  werden  von  jungen  Faltengebirgen 
gebildet,  die  atlantischen  und  indischen  von  abgebrochenen  Schollen. 


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312 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Nur  Westindien  und  Hinterindien  mit  den  Sundainseln  machen  eine 
Ausnahme  im  pazifischen  Sinne,  und  wir  haben  gesehen,  daß  diese 
Gebiete  aucli  durch  lange  Vulkanreihen  ausgezeichnet  sind.  Wir 
können  somit  den  Satz  aussprechen,  daß  der  pazifische  Rand- 
typus den  Vulkanismus  fördert,  der  atlantische  ihn  hemmt. 

Thätige  und  erloschene  Vulkane  — letztere  allerdings  in  der 
Mehrzahl  — begleiten  auch  jene  jugendlichen  Faltengebirge,  die  die 
alte  Welt  in  westlicher  Richtung  durchsetzen,  aber  gerade  die  höch- 
sten asiatischen  Ketten,  vor  allem  der  Himalaja  sind  frei  davon.  In» 
Osten  beginnen  diese  Reihen  mit  dem  Demawend  des  Eibursgebirges, 
dann  folgen  die  kaukasischen,  armenischen,  kleinasiatischen  und 
griechischen  Vulkane,  endlich  die  der  einzelnen  Zweige  des  Alpen- 
systems. 

Die  Beziehungen  zwischen  den  Vulkanen  und  den  Faltenzügen 
sind  sehr  mannigfaltige.  Die  meisten  Cordillerenvulkane  sind 
dem  Gebirgskamme  aufgesetzt.  In  Quito,  südlich  von  2°S.,  liegen 
sie  zwischen  beiden  Cordilleren,  überlagern  aber  sowohl  das  krystal- 
linische  Schiefer-  wie  das  Porphyrgebirge,  und  Th.  Wolf  spricht  die 
Ansicht  aus,  daß  sie  erst  nach  dem  älteren  Diluvium  auf  den- 
selben Spalten  entstanden , aus  welchen  der  alteruptive  Porphyr 
aufgestiegen  war.  In  Mexico  durchziehen  die  Vulkane  quer  das 
Plateau,  und  in  Zentralamerika  schneidet  die  Vulkanreihe  zwischen 
8°  48'  und  16°  10'  die  Hauptachse  der  Cordilleren,  indem  sie  im 
Süden  auf  der  atlantischen  Abdachung,  dann  auf  dem  Scheitel  des 
Gebirges  und  endlich  auf  der  pazifischen  Seite  auftreten.  Die  vul- 
kanische Linie  ist  also  gegen  Nordwest  bis  Westnordwest  gerichtet, 
aber  die  Feuerberge  erheben  sich  in  Guatemala  auf  Querlinien,  die 
nahezu  senkrecht  die  Hauptlinie  schneiden;  und  auf  jeder  Querlinie  ist 
der  thätige  Vulkan  in  der  Regel  der  dem  Ozean  nächste.  Es  findet 
also  hier  eine  Verschiebung  der  Ausbruchsstellen  gegen  den  pazi- 
fischen Rand  statt.  In  Nordamerika  liegen  Lassen  Peak  und  Mount 
Shasta  zwar  im  Streichen  der  Sierra  Nevada,  aber  nicht  auf  dem 
Kamme,  sondern  an  jenen  Stellen,  wo  das  ganze  Gebirge  einen  Ein- 
bruch erlitten  hat. 

Ähnliche  Beispiele  liefert  auch  die  alte  Welt.  Die  kaukasi- 
schen Vulkane  sind  ebenso  dem  Gebirge  aufgesetzt,  wie  die  Deina- 
wend-Solfatara  dem  Elburs;  letzteres  Gebirge  wird  aber  nach  Tietzf. 
auch  an  seinem  südlichen  Bruchrande  von  trachytischen  Hügel- 
reihen begleitet.  Das  vulkanische  Gebiet  des  Hegaus  liegt  in  einem 
Einsturzfelde  des  Jura  zwischen  Thayngen  und  Arftingen.  Auch  die 
Canarischen  Inseln  liegen  im  Streichen  des  Atlas. 

In  Europa  waren  die  inneren  Senkungsfelder  jener  Kettenge- 


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Die  vulkanische»  Ausbrüche. 


313 


birge,  deren  krystallinische  Zone  nur  mehr  in  Bruchstücken  vor- 
handen ist,  ein  Hauptschauplatz  der  vulkanischen  Thätigkeit.  Am 
inneren  Rande  der  Apenninen  ziehen  Vulkane  von  Toskana  bis 
Sicilien.  Solche  sind  die  Trachytberge  Monte  Amiata  und  Monte 
Cimino,  die  Kraterseen  von  Bolsena,  Vico  und  Bracciano,  das  Albaner- 
gebirge bei  Rom,  das  vielleicht  noch  in  geschichtlicher  Zeit  thätig 
war;  die  acht  Vulkane  des  Hernikerlandes  bei  Frosinone,  deren 
Entstehung  nach  Bkanco  in  die  vor-  oder  altalluviale  Periode  fallt; 
die  Rocca  montina,  die  tertiären  Vulkane  der  Pontinischen  Inseln, 
die  phlegräische  Gruppe  mit  der  Solfatara  und  dem  Monte  nuovo, 
die  Inseln  Procida,  Vivara  und  Ischia  mit  dem  Epomeo,  der  1302 
den  letzten  Ausbruch  erlebte;  der  Vesuv  und  endlich  die  Liparischen 
Inseln,  von  denen  Stromboli,  Vulcano  und  Lipari  noch  thätig  sind. 
Nur  der  Ätna  und  der  erloschene  Vultur  liegen  an  der  Außenseite 
der  Apenninen  und  bilden  nach  Suess  die  Endpunkte  radialer  Erd- 
bebenlinien. Am  mediterranen  Bruchrande  des  Atlas  finden  sich 
ebenfalls  insulare  und  kontinentale  Vulkane,  und  in  gleicher  Weise 
ist  die  Innenseite  des  bätischen  Gebirgssystems  von  Cabo  de  Gata 
bis  Cabo  de  Palos  mit  jungen  Eruptivbilduugen  besetzt  Den  inneren 
Rand  der  Karpaten  begleiten  die  vorwiegend  trachytischen  Ge- 
birge von  Schemnitz  und  Kremnitz,  von  Gran,  der  Matrastock,  die 
weinberühmte  Hegyalja,  der  Vihorlat- Gutin -Zug  und  die  ketten- 
förmige Hargita.  Auf  der  östlichen  Bruchseite  der  Alpen  mangeln 
trachytische  und  basaltische  Ausbruchstellen  nicht  gänzlich,  und  die 
Wiener  Thermenlinie  ist  ein  anderer  Zeuge  des  gewaltigen  Einsturzes 
dieser  Gebirgskette.  An  der  Südseite  des  böhmischen  Erzgebirges 
fanden  mächtige  Basaltergüsse  in  der  Neogenzeit  statt  (böhmisches 
Mittelgebirge,  Duppauer  Gebirge),  und  hier  liegen  auch  die  welt- 
berühmten Thermen  von  Teplitz  und  Karlsbad.  Der  Balkan  hat 
ebenfalls  an  seiner  Bruchseite  junge  Eruptivgesteine  und  warme 
Quellen.  In  ähnlichen  Beziehungen  steht  wohl  die  erloschene 
Vulkanreihe  vom  Argäus  bis  zum  Kara-Dagh  zum  Taurus  und 
stehen  vielleicht  die  armenischen  Feuerberge  zum  Kaukasus. 

Genauere  Beziehungen  zwischen  dem  Auftreten  von  Vulkan- 
reihen und  den  orographisch-geologischen  Verhältnissen  lassen  sich 
auch  im  griechischen  und  westindischen  Archipel  nachweisen.  Die 
15  Cykladen-Vulkane,  die  sämtlich  trachytische  Laven  zu  Tage 
forderten,  ziehen  von  Nisyros  über  Santoriu  und  Milo  nach  Methana 
und  Ägina,  also  am  Außenrande  des  zu  Inseln  zerstückelten  Gebirges 
und  entlang  einer  Verwerfungsspalte,  wo  das  seichte  Agäische  Meer 
zu  bedeutenden  Tiefen  absinkt.  Wir  verdanken  diese  Deutung  dem 
österreichischen  Geologen  Necmaye;  dagegen  hat  die  Lage  der 


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Die  Dynamik  des  Landes. 


A ntillenvulkane  schon  L.  v.  Bich  richtig  aufgefaßt,  ohne  zu 
seiner  Zeit  viel  Beachtung  zu  finden,  obwohl  seine  Auflassung  die 
moderne  Theorie  schon  im  Keime  enthält.  Die  Vulkanreihe  zieht 
in  einem  Bogen  von  Grenada  über  Martinique  nach  St.  Christoph; 
an  der  konvexen  Außenseite  liegen  von  Tabago  im  Süden  bis  St. 
Martin  im  Norden  nur  Inseln,  die  aus  Kalkstein  bestehen.  Sie  sind 

die  Beste  eines  Gebirges,  an  dessen 
Innenrande,  wie  bei  den  Apenninen  oder 
Karpaten,  die  vulkanische  Thätigkeit 
sich  mächtig  entfaltete.  Schon  diese 
Beispiele  zeigen  uns,  wie  neben  Faltungs- 
zonen auch  Bruchfelder  von  vulkanischen 
Kanälen  durchzogen  werden.  Aber  auch 
jugendliche  Senkungen  allein,  ohne  Fal- 
tung, erweisen  sich  als  günstig. 

Eines  der  interessantesten  Ergebnisse 
der  jüngsten  Afrikaforschung  ist  die  Ent- 
deckung der  großen  ostafrikanischen 
Grabeneinstürze.  dieSuESS  in  genialer 
Weise  mit  den  ervthräischen  und 
Syrischen  Brüchen  verknüpft  hat. u 
Diese  Bruchzone,  die  größte,  die  wir 
kennen,  erstreckt  sich  über  60°  Breiten- 
grade, vom  Nordende  Syriens  bis  zum 
Sambesi.  Das  syrische  Glied  beginnt 
mit  der  Bekaä  zwischen  dem  Libanon 
und  Antilibanon,  setzt  sich  daun  fort  in 
der  typischen  Grabensenke  des  Ghor, 
die  unter  dem  Spiegel  des  Meeres  liegt, 
und  endet  mit  dem  Golfe  von  Akaba.  Hier 
stößt  der  Nordnordost  streichende  syrische 
Graben  auf  den  Nordwest  streichenden 
Fig.  79.  Schematische  Dar-  erythräischen,  der  durch  den  Golf  von 

Stellung  .1er  syrischen,  erythrä-  Sites  uütl  ,las  Rote  Meer  ausgefüllt  wird. 

ischen  u.  ostufrikanischen  Brüche.  i , n i 

f.;  Gräben,  ■ mit  Wasser  be-  i)azu  rechnet  büESs  auch  noch  die 

deckte  Grabenteiie,  o Vulkane),  niedrige  Landschaft  Afar,  die  neben  er- 

loschenen auch  noch  mehrere  thätige 
Vulkankegel  besitzt.  Auch  die  Inseln  sind  hier  vulkanische 
Schöpfungen,  und  die  gegenüber  liegende  Küste  Jemens,  sowie  die 
Hadramauts  an  dem  Grabeneinbruche  des  Golfes  von  Aden  sind 
ebenfalls  umfangreiche,  wenn  auch  zum  größten  Teil  erloschene 
Vulkangebiete.  Mit  steilem  Bruchrande  stürzt  das  abessinisehe 


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Die  vulkanischen  Ausbrüche. 


315 


Hochland  nach  Afar  ab:  vom  Vulkan  Dofaue  bei  Ankober  führt 
Scess  die  Bruchzone  hypothetisch  weiter  bis  zum  Rudolfsee,  wo  die 
Entdeckungen  v.  Höhnels  beginnen,  die  weiter  im  Süden  durch 
die  Baumanns  ergänzt  werden.  Der  große  ostafrikanische  Graben 
reicht  mindestens  von  5°  N.  bis  5°  S.,  vielleicht  noch  darüber  hinaus 
bis  zum  Njassasee.  Er  ist  durch  eine  Reihe  abflußloser  Seebecken 
ausgezeichnet,  hat  aber  den  orographischen  Charakter  einer  Graben- 
senke z.  T.  dadurch  eingebüßt,  daß  er  mit  jungeruptiven  Gesteinen 
ausgefüllt  wurde.  Der  thätige  Teleki-Vulkan  ist  schon  früher  ge- 
nannt worden;  erloschene  Vnlkaudome,  wie  der  Ngai,  lleru  und  die 
beiden  Bergriesen  Kenia  und  Kilimandscharo  erheben  sich  hier 
oder  auf  Seitenzweigen  des  Einsturzgrabens.  Noch  deutlicher  prägt 
sich  der  zentralafrikanische  Graben  in  der  Bodengestaltung 
aus;  er  enthält  die  Seen  Tanganika,  Albert  Edward-  und  Albert-See, 
und  zwischen  den  beiden  erstgenannten  liegt  die  schöne  Gruppe  der 
Mfumbiro-Vulkane,  von  denen  wir  den  Virungo  ebenfalls  schon  kennen 
gelernt  haben. 

Diese  eigenthümliche  Verteilung  der  Vulkane  auf  den  Fest- 
ländern und  an  deren  Rändern  und  ihr  Auftreten  in  Reihen  legen 
die  Vermutung  nahe,  daß  in  den  weitaus  meisten  Fällen  die  Erup- 
tionen praeexistirende  Spalten  benutzten.  Wir  dürfen  zwar  an- 
gesichts der  Experimente  DaubrEes  i3)  nicht  schlechtweg  läugnen, 
daß  hoher  Gasdruck  von  unten  allein  Kanäle  öffnen  könne,  aber 
in  der  Regel  wird  das  Magma  dort  aufsteigen,  wo-  durch  Dislo- 
kationen das  Gefüge  der  Erdkruste  zerüttet  ist.  Wo 
Schichten  auf  weite  Strecken  niemals  eine  Störung  erlitten  haben,  wie 
in  der  russichen  Ebene,  oder  wo  junge  Tiefländer  allmählich  in  das 
Meer  verlaufen,  wie  an  den  arktischen  Küsten,  da  fehlen  auch  Vulkane. 
Selten  sind  sie  auch  in  älteren  Dislokationsgebieten,  wo  die  meisten 
W unden  bereits  vernarbt  sind,  wie  uns  die  atlantischen  und  indischen 
Küsten  zeigen.  Beispiele,  wie  die  Vulkane  der  Eifel  und  des  fran- 
zösischen Zeutralplateaus,  deren  Ansbrüche  bis  in  die  geologische 
Gegenwart  hineinreichen,  z.  T.  vielleicht  noch  vom  Menschen  mit- 
erlebt wurden,  dürfen  nicht  als  Ausnahmen  betrachtet  werden,  denn 
wir  wissen,  daß  diese  Massive,  obwohl  Bruchstücke  alter  Gebirge,  noch 
in  der  Tertiärperiode  vielfachen  Bewegungen  unterworfen  waren. 

Wir  haben  bisher  die  ozeanischen  Vulkane  außer  Acht  ge- 
laßen, weil  uns  ihre  Beziehungen  zu  der  Tektonik  des  Untergrundes 
natürlich  verborgen  bleiben.  Aber  so  wenig  wir  auch  von  ihnen 
wissen,  so  dürfen  sie  in  einem  Gemälde  der  vulkanischen  Erscheinungen 
doch  nicht  fehlen,  denn  schon  der  gewaltige  Anteil,  den  lockere 
Eruptivmassen  an  der  Zusammensetzung  der  Tiefsee-Ablagerungen 


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316 


Die  Dynamik  des  Landes. 


nehmen,  spricht  für  ihre  Häufigkeit.  Wenn  sie  trotzdem  auf  unsern 
Karten  sehr  in  den  Hintergrund  treten,  so  erklärt  sich  dieß  einfach 
daraus,  daß  wir  von  unterseeischen  Ausbrüchen  nur  zufällig  durch 
ein  vorüberfahrendes  Schiff  Kenntnis  erhalten.  Die  spärlichen  Be- 
obachtungen in  dieser  Beziehung  hat  Rudolph  gesammelt.14  Wir 
ersehen  daraus,  daß  sich  diese-  Ereignisse  unter  dem  Meere  in  gleicher 
Weise  abspielen  wie  auf  dem  Lande;  die  eigentümlichste  Erscheinung, 
die  mehr  oder  weniger  hohen  Wassersäulen,  die  sich  über  der  Aus- 
bruchsstelle erheben,  ist  durch  die  Besonderheit  des  Schauplatzes 
bedingt.  Auch  Bodenerschütterungen  fehlen  nicht,  die  sich  dem  Schiff 
als  Stösse  fühlbar  machen;  dumpfes  Brüllen  macht  sich  vernehmbar, 
Rauch  und  Flammen  erheben  sich  über  das  Wasser,  Asche  und 


Fig.  80.  Submarine  Eruption  bei  Pantellaria  in  der  Straße  von  Sicilien 
im  Oktober  1891,  nach  Ricco. 


Bimssteinmassen  werden  herausgeschleudert,  manchmal  sieht  man 
auch  große  Stücke  Lava  umhertreiben  (Fig.  80).  Es  ist  schon  an 
früherer  Stelle  dargethan  worden,  daß  die  sog.  Erdbebenffutwellen 
von  unterseeischen  Eruptionen  herrühren. 

Auch  auf  dem  Boden  des  Meeres  bauen  die  zentralen  Aus- 
brüche Kegel  auf,  die  — wenn  die  Auswurfsmassen  in  einem  gün- 
stigen Verhältnisse  zur  Wassertiefe  stehen  — endlich  als  Inseln 
über  den  Meeresspiegel  emporsteigen.  Aschen-  und  Schlackenhaufen 
fällen  freilich  bald  wieder  der  Brandung  zum  Opfer,  wie  beispiels- 
weise die  Insel  Ferdinandea  i.  J.  1881,  und  nur  eine  Untiefe  erinnert 
dann  noch  au  ihren  einstigen  Bestand.  Lavaergüße  verleihen  ihnen 
aber  grössere  Festigkeit  und  sichern  ihre  Existenz.  Von  den  Inseln 


Diq 


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Die  vulkanischen  Ausbrüche. 


317 


der  liparischen  Gruppe  (bei  Sicilien)  entstanden  wahrscheinlich 
mehrere  in  der  geschichtlichen  Zeit;  mit  Bestimmtheit  weiß  man  dies 
freilich  nur  von  der  Insel  Vulcanello  (ca.  200  v.  dir.),  die  im  Mittel- 
alter  mit  Vulcano  verwuchs.  Andere  Beispiele  sind  die  Inseln  Joanna 
Bogoslowa  bei  den  Aleuten  (1796)  und  Didica  nördlich  von  den  Phi- 
lippinen (1856).  Die  jüngste  Inselbildung,  von  der  wir  Kenntnis 
haben,  die  1885  entstandene  Falkeninsel  in  der  Südsee  (20u  19'  S., 
175°  21 1/2'  W.),  dürfte  wohl  schon  wieder  verschwunden  sein. 

Gekland  hat  in  seinen  „Vulkanischen  Studien“15  nachzuwTeisen 
versucht,  daß  sich  die  vulkanischen  Kräfte  auf  dem  Meeresboden  in 
anderer  Weise  äußern,  als  auf  dem  Festlande.  Seine  Ausführungen 
beruhen  aber  hauptsächlich  nur  auf  der  Annahme,  daß  alle  Korallen- 
inseln auf  unterseeischen  Vulkanbergen  ruhen.  Zwingende  Gründe 
für  eine  solche  Annahme  sind  aber,  wie  wir  au  späterer  Stelle  sehen 
werden,  nicht  vorhanden,  und  damit  entfällt  auch  die  Folgerung, 
daß  die  Vulkane  des  Meeresbodens  in  einer  anderen  Beziehung  ziyn 
Erdinnern  stehen,  als  die  kontinentalen.  Auch  die  Frage,  ob  der 
Grund  des  offenen  Ozeans  oder  die  Ränder  der  Festlandsmassen  mit 
ihren  insularen  Vorposten  in  der  Gegenwart  der  Hauptschauplatz 
der  vulkanischen  Thätigkeit  seien,  muß  noch  als  völlig  unentschieden 
dahingestellt  bleiben. 

Theorie  des  Vulkanismus.  Über  zwei  Punkte  hat  die  Theorie 
Auskunft  zu  geben:  über  die  Herkunft  des  Magmas  und  über  die 
Kraft,  die  es  zum  Aufsteigen  in  der  Spalte  nötigt. 

Die  ältere  Theorie  betrachtet  das  Magma  einfach  als  den 
Ausffuß  des  heißflüssigen  Erdkerns.  Dieser  Ansicht  kann  auch  der- 
jenige beipflichten,  der  einen  festen  Zustand  des  Erdinnern  annimmt, 
denn  dieser  aktuelle  Zustand  ist  nur  eine  Folge  des  Druckes  der 
darüberliegenden  Gesteinsmassen  und  muß  in  den  flüssigen  über- 
gehen, sobald  Entlastung  durch  Spaltenbildung  eintritt16  Diese  Er- 
klärung wird  unterstützt  durch  die  geographische  Verteilung  der 
Vulkane,  nötigt  aber  dem  Magma  eine  ganz  passive  Rolle  auf  und 
betrachtet  die  Vulkane  lediglich  als  sekundäre  Begleiterscheinungen 
der  Dislokationen.  Viel  schwieriger  ist  es,  das  Magma  von  einem 
gasförmigen  Erdkern  abzuleiten.  Die  Hypothese  führt,  wie  wir  an 
früherer  Stelle  (S.  11)  auseinandergesetzt  haben,  zur  Annahme  eines 
allmählichen  Überganges  vom  festen  Zustande  an  der  Erdoberfläche 
durch  die  Zwischenstufen  des  plastischen  und  flüssigen  zum  gas- 
förmigen Zustande  im  Innern;  und  die  plastische  Zwischenstufe,  die 
keine  Spaltenbildung  gestattet,  schließt  den  Erdkern  von  jedweder 
Verbindung  mit  der  Oberfläche  ab.  Günther17  verlegt  daher  ganz 


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318 


Die  Dynamik  des  Landes 


folgerichtig  die  Lavaherde  in  die  Erdkruste  seihst.  Auch  aus  zwei 
anderen  Gründen  glaubte  man  abgesonderte  Lavaherde  an- 
nehraen  zu  müssen.  Zunächst  lehrt  die  Erfahrung,  daß  seihst  benach- 
barte Vulkane  sich  in  ihrer  Thätigkeit  gegenseitig  nicht  beeintlussen. 
Ein  drastisches  Beispiel  bieten  der  Loa  und  Kilauea,  die,  wie  wir 
gesehen,  doch  völlig  zu  einem  einzigen  Berge  verschmolzen  sind. 
Seit  1832  hatte  jeder  Vulkan  neun  Eruptionen,  von  diesen  waren 
aber  nur  drei,  der  i.  J.  1868  streng  und  die  i.  d.  J.  1832  und  1855 
nahezu,  gleichzeitig.  Sind  auch  diese  seltenen  Fälle  nur  Zufall  oder 
treten  beide  Lavaherde  zeitweilig  mit  einander  in  Verbindung?  Die 
letztere  Annahme  ist  bei  zwei  Kamtschatka -Vulkanen,  der  Klju- 
tschewskaja  Sopka  und  dem  Schiweljutsch,  trotz  ihrer  beträchtlichen 
Entfernung  von  einander,  unabweisbar.  Ihre  Eruptionen  i.  J.  1854 
wechselten  so  exakt  mit  einander  ab,  daß  man  keinen  Zweifel  hegen 
kann,  daß  die  Lava  bald  durch  den  einen,  bald  durch  den  anderen 
Schlot  einen  Auswreg  fand. 

Wurzeln  sämtliche  Vulkane  im  Erdkern,  so  liegt  der  Schluß 
nahe,  daß  Laven  der  gleichen  Periode  die  gleiche,  Laven  verschie- 
dener Perioden  aber  verschiedene  mineralogische  Beschaffenheit  be- 
sitzen müssen.  In  Wirklichkeit  findet  aber  das  gerade  Gegenteil 
statt.  „Erinnern  wir  uns“,  sagt  v.  Fritsch,  „daß  in  den  Jahren 
1865 — 67  auf  dem . engbegrenzten  Gebiete  des  Mittelmeeres  viererlei 
Lava  floß,  jede  von  der  anderen  wesentlich  abweichend,  jede  aber 
im  allgemeinen  dem  Charakter  der  letzten  Ausbrüche  desselben 
vulkanischen  Gebietes  entsprechend,  nämlich  die  Atnalava  von  1865, 
die  Santorinlava  von  1866,  die  Vesuvlava  vom  März  1866  und  von 
1867 — 68,  und  gleichzeitig  mit  allen  diesen  die  fortdauernden  kleinen 
Ergüsse  des  Stromboli.“  Der  Vesuv  hat  basaltische,  die  Phlegräi- 
sclien  Felder  haben  trachy tische  Lava;  von  den  beiden  eng  benach- 
barten Eruptionspunkten  des  Monte  Cimino  förderte  der  eine  augit- 
andesitische,  der  andere  nephelin-  und  leucithaltige  Gesteine  zutage. 
Die  Beweiskraft  solcher  Thatsachen  für  die  Annahme  gesonderter 
Lavaherde  wird  indes  etwas  vermindert  durch  die  andere  Thatsache, 
daß  auch  der  Lavacharakter  eines  und  desselben  Vulkans  in  man- 
chen Fällen  dem  Wechsel  unterworfen  ist.  Der  Vesuv  z.  B.  hatte 
früher  eine  trachytische  Periode,  ja  Hekla  und  Krafla  auf  Island 
werfen  abwechselnd  saure  und  basische  Laven  aus,  und  es  ist 
Bunsen  gelungen,  nachzu weisen,  daß  die  auf  Island  neben  normal- 
trachytischen  und  normalbasaltischen  Gesteinen  vorkommenden  Über- 
gänge sich  in  der  That  auf  Mischung  der  beiden  Normallaven  zu- 
rückführen lassen.  In  den  älteren  Eruptionen  entdeckte  v.  Richt- 
hofkn  das  seitdem  mehrfach  bestätigte  Gesetz,  daß  Propylitgesteine 


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Die  vulkanischen  Ausbrüche. 


319 


die  Ausbruchsthätigkeit  eröffneten,  darauf  Andesit  folgte,  endlich  bei. 
abnehmender  vulkanischer  Thätigkeit  Trachyt,  Rhyolitli  und  Basalt. 

Die  Annahme  abgeschlossener  Lavaherde  beseitigt  zwar  manche 
Schwierigkeiten,  giebt  uns  aber  dafür  neue  Rätsel  auf.  Wir  müssen 
uns  große  Hohlräume  in  verhältnismäßig  geringer  Tiefe,  gefüllt  mit 
Magma,  denken.  Ist  das  Magma  ein  Überrest  aus  der  Zeit  der 
Erstarrung,  und  aus  welchem  Grunde  konnte  es  sich  flüssig  erhalten? 
Oder  wird  es  an  Ort  und  Stelle  neu  gebildet,  und  durch  welche 
Vorgänge?  Sind  chemische  Prozesse,  an  die  man  besonders  gedacht 
hat.  oder  tektonische  Veränderungen  wirklich  ausreichend,  um  ört- 
lich solche  Wärmegrade  zu  erzeugen,  wie  sie  die  Lava  erfordert? 
Wir  müssen  leider  mit  diesen  Fragezeichen  schließen. 

ln  Bezug  auf  die  zweite  theoretische  Grundfrage  herrscht  mehr 
Übereinstimmung.  Von  den  meisten  wird  wenigstens  die  große  Rolle 
anerkannt,  die  der  Wasserdampf  bei  den  explosiven  Ausbrüchen 
spielt,  und  nur  vereinzelt  erheben  sich  noch  Stimmen,  die  auch  dies 
in  Abrede  stellen.18  Die  Spannkraft  des  Wasserdampfes  ist  es,  die 
die  ursprünglichen  Spalten  erweitert  oder  neue  öffnet  und  Teile  der 
Lava  mit  sich  fortreißt,  um  sie  als  Bomben,  Lapilli,  Saud  oder  Asche 
fallen  zu  lassen.  Zum  Teil  dürfte  das  Wasser  wohl  von  außen  stam- 
men, vom  Grundwasser,  vielleicht  auch,  aber  nur  bei  denjenigen 
Vulkanen,  die  sich  sehr  nahe  der  Küste  befinden,  vom  Meere.  Dazu 
bedarf  es  nicht  großer  Spalten,  es  genügen  auch  die  feinsten  Poren, 
wie  sie  jedes  Gestein  durchziehen.  Selbst  dann,  wenn  das  Wasser 
in  Tiefen  gelangt,  wo  es  vermöge  der  Hitze  sich  in  Dampf  verwan- 
deln muß,  kann  es  noch  durch  Diffusion  das  Magma  durchdringen, 
wie  uns  Versuche  mit  glühenden  Metallen  lehren.  Es  wird  dann 
vom  Magma  absorbiert,  während  kaltes  Wasser,  das  während  eines 
Ausbruches  mit  der  Lava  in  Berührung  kommt,  sich  sofort  von  ihr 
sondert  und  dann  explodiert.  Ein  Teil  des  Wassers  mag  vielleicht 
schon  ursprünglich  im  Magma  vorhanden  sein,  und  als  noch  wahr- 
scheinlicher gilt  dies  von  den  übrigen  Gasen.  Schon  der  Umstand, 
daß  sie  bei  dem  Erstarren  der  Lava  in  einer  bestimmten  Reihen- 
folge entweichen,  belehrt  uns,  daß  sie  sich  nicht  indifferent  gegen 
das  Magma  verhalten,  sondern  von  diesem  absorbiert  sind. 

Aber  weiter  dürfen  wir  wohl  nicht  gehen  und  dem  Dampfe  die 
Fähigkeit  zuschreiben,  eine  Lavasäule  aus  unergründlichen  Tiefen 
oft  mehrere  tausend  Meter  über  den  Meeresspiegel  emporzutreiben. 
Sind  doch  gerade  die  Lavaeruptionen  dadurch  ausgezeichnet,  daß 
dabei  verhältnismäßig  wenig  Dampf  mitwirkt!  Auch  hier  stehen  wir 
wieder  vor  einem  ungelösten  Rätsel.  Es  ist  die  Vermutung  aus- 
gesprochen worden,  daß  die  Kontraktion  der  Erdrinde  das  Magma 


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320 


Die  Dynamik  des  Landes. 


gewissermaßen  ausquetsche,  und  damit  wäre  eine  weitere  Erklärung 
dafür  gewonnen,  daß  Vulkane  besonders  häufig  an  den  Rändern  der 
Senkungsfelder  auftreten. 

Schlammsprudel.  Neben  den  echten  Vulkanen  nennt  der  Sprach- 
gebrauch auch  „Schlammvulkane“,  fiir  die  Gümbel19  die  passendere 
Bezeichnung  Schlammsprudel  (Eig.  81)  vorgeschlagen  hat. 
Man  versteht  darunter  Hügel,  die,  wie  die  echten  Vulkane,  das  Pro- 
dukt ihrer  eigenen  Thätigkeit  sind,  aber  nur  aus  thonigem  Schlamm 
bestehen,  der  bei  starkem  Regen  oft  so  völlig  erweicht  wird,  daß  der 
ganze  Hügel  zerfließt.  Auf  dem  Gipfel  befindet  sich  der,  zur  Zeit 
der  Ruhe  meist  mit  schlammigem  Wasser  gefüllte  Krater  mit  den 
Eraptionsötfnungen.  Die  Höhe  ist  in  der  Regel  außerordentlich  ge- 
ring im  Vergleiche  zum  Umfange,  auf  Trinidad  z.  B.  nur  1,3  m.  Zu 
den  höchsten  gehören  der  Macaluba  auf  Sizilien  (49  nx)  und  vor  allem 
die  Schlammvulkane  der  kaspischen  Region,  wo  dieses  Phänomen 
am  großartigsten  entwickelt  ist.  Neben  hunderten  von  kleinen  Erup- 
tionspunkten zählt  man  zwischen  Baku  und  der  Kurmündung  etwa 
30  große  Schlammberge  und  6 vulkanische  Inseln.  Der  Kegel  des 
Osinan  Dagh  mißt  sicher  300  m Höhe,  und  der  Krater  des  150  m 
hohen  Agh-Sibyr  hat  einen  Durchmesser  von  900  in.20  Perioden  der 
Ruhe,  in  denen  nur  Gas  ausströmt,  wechseln  mit  solchen  heftiger 
Thätigkeit.  Dann  steigen  in  dem  breiartigen  Schlamme  des  Kraters 
große  Blasen  auf,  und  zerspringen  unter  donnerartigem  Getöse, 
wobei  Schlamm,  manchmal  auch  Steine  ausgeworfen  werden.  Der 
Ausbruch  des  Lok-Botan  im  Bakugebiete  am  5.  Januar  1887  war  von 
einer  prächtigen  Lichterscheinung  begleitet,  indem  sich  die  entzün- 
deten Gase  zu  einer  Fenersäule  von  600  m Höhe  erhoben.  Der 
Schlammstrom,  der  sich  aus  dem  Krater  ergoß,  war  300  m lang, 
200  m breit  und  durchschnittlich  2 m mächtig.  Erdbeben  sind  als 
Begleiterscheinungen  nicht  selten,  auch  spaltet  sich  manchmal  der 
Boden,  und  es  tritt  sogar  Senkung  ein. 

Unter  dem  Begriff  „Schlammsprudel“  hat  man  zwei,  in  ihrer 
orographischen  Erscheinung  zwar  gleiche,  genetisch  aber  verschiedene 
Phänome  zusammengefaßt.  Die  eine  Art,  die  man  als  warme 
Schlammsprudel  bezeichnen  kann,  wird  durch  eine  beständig  hohe 
Temperatur  und  durch  das  Ausströmen  großer  Mengen  von  Wasser- 
dumpf  charakterisiert.  Sie  sind  nur  vulkanische  Begleiterscheinungen : 
Solfataren  in  der  thonreichon  Umgebung  von  Feuerbergen,  nament- 
lich im  Gebiete  der  Tuffschichten,  und  als  solche  nur  auf  vul- 
kanische Gegenden  (Island,  Zentralamerika,  Celebes,  Luzon,  Neusee- 
land) beschränkt. 

Die  kalten  Sehlannnspnidel  oder  Salsen  stehen  dagegen  mit 


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Die  vulkanischen  Ausbrüche. 


321 


dem  Vulkanismus  in  keinem  direkten  Zusammenhänge.  Ihre  Tem- 
peratur erhöht  sich  nur  zur  Zeit  heftiger  Eruptionen,  und  auch 
nur  dann  wird  Wasserdampf  in  größerer  Menge  ausgestoßen.  Sonst 
aber  bildet  Kohlenwasserstoff  90  bis  95°/0  aller  exbalierten  Gase. 
Solche  Schlammsprudel  sind  die  unter  dem  Namen  „Mudlumps“  be- 
kannten Inselchen  an  den  Mündungen  des  Mississippi,  die  der  Zersetzung 
der,  in  den  Deltaablagerungen  aufgehäuften  organischen  Substanzen 
und  der  damit  Hand  in  Hand  “gehenden  Gasentwicklung  ihre  Exi- 
stenz verdanken.  Andere  Schlammsprudel  sind  in  ihrem  Vorkommen 
an  das  Vorhandensein  von  Naptha  und  Thonschichten  gebunden; 
ihr  Hauptgebiet  finden  wir  am  Südabhange  des  Kaukasus,  auf  den 
Halbinseln  Taman  und  Kertsch  und  in  der  Umgebung  von  Baku. 

Das  Naphta,  ein  verschiedenartiges  Gemisch  flüssiger  Kohlen- 
wasserstoffe, entsteht  nach  der  herrschenden  Anschauung  dnreh  die 


Fig.  81.  Die  Schlammsprudel  von  Turbaco  bei  Carthagena  (Columbien) 
nach  A.  von  Humboldt. 


Verwesung  organischer,  zumeist  thierischer  Reste.  Die  Erfahrungen 
in  den  Petroleumdistrikten  der  alten  und  neuen  Welt  haben  aber 
gelehrt,  daß  im  gefalteten  Gelände  die  Aussichten  für  die  Erbohrung 
von  Naphtaquellen  auf  den  Schichtensätteln  viel  günstiger  sind,  als 
in  den  Schichtenmulden,  und  damit  steht  die  Thatsache  in  Ver- 
bindung, daß  die  kaspischen  Schlammvulkane  mit  Ausnahme  eines 
einzigen  alle  reihenweise  auf  Sattellinien  liegen.  So  stehen  also 
auch  die  Salsen,  wie  die  echten  Vulkane  und  die  solfatarischen 
Schlammsprudel  in  innigen  Beziehungen  zu  den  Dislokationen. 

Süpan,  Physische  Erdkunde.  2.  Anfl.  21 


S22 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Litteraturnach weise.  1 Scrope,  Über  Vulkane,  Berlin  1872  (noch 
immer  ein  klassisches  Werk);  C.  W.  Fuchs,  Vulkane  und  Erdbeben,  Leipzig 
1875;  Dana,  Characteristics  of  Voleanoes,  New  York  1890.  — * Bkanco, 
Schwabens  125  Vulkan-Embryonen,  Stuttgart  1894.  — * Sekiya  u.  Kikuchi,  The 
Eruption  of  Bandai-san,  im  Journal  of  the  College  of  Science,  Tokio  1889.  — 
4 Verbeek,  Krakatau,  Batavia  1884  (vgl.  auch  Petermanns  Mitteil.  1886,  S.  10).  — 
* Smith,  The  Eruption  of  Tarawera,  Wellington  1887;  Thomas,  Report  of  the 
Eruption  of  Tarawera  and  Rotomahana,  Wellington  1888.  — * Foudüt,  Santorin 
et  ses  eruptions,  Paris  1879.  — 7 Reiss  u,  Stübel,  Geschichte  u.  Beschreibung 
der  vulkanischen  Ausbrüche  bei  Santorin,  Heidelberg  1868.  — 8 Dana,  s.  o. 
Anm.  *.  — * Dutton,  Hawaian  Voleanoes,  im  4.  Jahresberichte  des  U.  S.  Geo- 
logical  Survey,  Washington  1884.  — 10  Thoroddsen  , Die  Vulkane  im  nord- 
östlichen Island,  in  den  Mitteilungen  der  Wiener  Geographischen  Gesellschaft, 
1891.  — 11  Dili.ek,  A late  Volcanic  Eruption  in  Northern  California.  Bulletin 
of  the  U.  S.  Geological  Survey  1891,  Nr.  79.  — ” v.  Höhnel,  Rosiwae,  Toula 
und  Süss,  Beiträge  zur  geologischen  Kenntnis  des  östl.  Afrika,  in  den  Denk- 
schriften d.  Wiener  Akad.  d.  Wiss.  1891.  Baumann,  Durch  Massailand  zur 
Nilquelle,  Berlin  1894.  — 19  Daubr£e,  in  Nature,  London  1893,  Bd.  XLV1II, 
S.  226.  — 14  Rubolph,  cit.  S.  207.  — 14  Gerland,  Vulkanische  Studieu,  in  den 
Beiträgen  zur  Geophysik  1894.  — 18  Reteu,  Physik  der  Eruptionen  u.  Eruptiv- 
gesteine, Wien  1877.  — 17  Günther,  Gedanken  über  das  Wesen  des  Vulkanis- 
mus, im  „Ausland“  1892.  — 18  Vgl.  Bornemann  (Über  Schlackenkegel  u.  Laven,  im 
Jahrbuch  der  preußischen  geologischen  Landesanstalt  1887),  der  sich  auf  analoge 
Vorgänge  beim  Schmelzprozesse  der  Schlacken  in  Hochöfen  beruft.  — 19  Gümbel, 
Das  Eruptiousmaterial  der  Schlammvulkane  von  Patemo,  in  den  Sitzungs- 
berichten der  bayerischen  Akademie  der  Wissenschaften,  Mathcm.-physik.  Klasse, 
1879.  — 20  Sjöoren,  Die  Thätigkeit  der  Schlammvulkane  in  der  kaspischen 
Region  1885 — 87,  in  den  Verhandlungen  der  russischen  mineralogischen  Gesell- 
schaft, St.  Petersburg  1887. 


Erdbeben.1 

Erschütterungen  der  Erdoberfläche  können  auch  durch  plötz- 
liches Niederfallen  großer  Massen  auf  dieselbe,  z.  B.  durch  Berg- 
stürze, erzeugt  werden;  aber  man  pflegt  nur  solche  Erschütterungen 
als  Erdbeben  zu  bezeichnen,  deren  Ursache  unter  der  Oberfläche 
gelegen  ist.  Halten  wir  daran  fest,  so  müssen  wir  auch,  vorläufig 
wenigstens,  jene  Zitterbewegungen  ausschließen,  die  sich  nur  an 
sehr  feinen  Instrumenten  bemerkbar  machen  und  die  man  daher  auch 
als  mikroseismische  Bewegungen  bezeichnet  hat  Man  kennt  sie 
noch  nicht  seit  langer  Zeit,  und  hat  ihnen  bisher  nur  in  Italien  und 
Japan  eiu  systematisches  Studium  gewidmet.  Die  Zahl  dieser  Er- 
zitterungen ist  außerordentlich  groß  — 1887  zählte  mau  z.  B.  in 
Tokio  222  mikroseismische  Tage  — ; es  scheint,  als  ob  die  Erd- 
oberfläche fast  fortwährend  in  Bewegung  ist,  während  die  landläufige 
Vorstellung  das  feste  auch  für  das  unbewegliche  hält.  Über  das 
Wesen  dieser  Oszillationen  sind  die  Ansichten  noch  geteilt;  während 


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Erdbeben. 


323 


italienische  Forscher  den  Ausgangspunkt  unter  die  Oberfläche  ver- 
legen und  zwischen  Erzitterungen  und  Beben x nur  einen  graduellen 
Unterschied  zulassen,  dabei  aber  auch  den  großen  Einfluß  der  Luft- 
druckschwankungen be- 
tonen, ist  man  in  Japan 
zur  Überzeugung  ge- 
langt, daß  der  Wind 
den  Erdboden  und  damit 
auch  das  Instrument 
(Tremometer)  inSchwin- 
gungen  versetzt.  Ist  Fig.  82.  Erdbebenwellen, 

diese  Theorie  richtig, 

so  gehören  die  mikroseismischen  Bewegungen  ausschließlich  in  die 
Kategorie  der  exogenen  Wirkungen. 

Wir  wenden  uns  nun  jenen  Erschütterungen  zu,  die  unzweifel- 
haft von  einer  Stelle  unter  der  Erdoberfläche  ausgehen.  Wir  nennen 
diese  Stelle  das  Zentrum  des  Erdbebens  oder  den  Erdbeben- 
herd. Die  Bewegung,  die  hier  plötzlich  eintritt,  pflanzt  sich  wellen- 
förmig nach  allen  Seiten  fort,  wie  Fig.  82  schematisch,  unter  der 
Voraussetzung,  daß  die  Erdkruste  eine  homogene  Masse  sei,  im 
Querschnitte  darstellt  Die  erste  Welle,  die  an  die  Oberfläche  (00) 
gelangt,  trifft  diese  genau  in  dem  Punkte  senkrecht  über  dem  Zen- 
trum, im  sog.  Epizentrum  (E).  Indem  dann  die  Wellen  fortschreiten, 
werden  die  Oberflächenpunkte  I,  II,  III  u.  s.  w.  berührt.  Die  Stoß- 
richtung wird  durch  die  Radien  der  Wellenkreise  repräsentiert;  der 
Winkel,  den  sie  mit  der  Erdoberfläche  einschließen,  heißt  der 
Emergenzwinkel  («',  t"  u.  s.  w.).  Dieser  erreicht  im  Epizentrum 
den  Wert  von  90°  und  wird  nach  Außen  hin  immer  kleiner.  Nur 
im  Epizentrum  ist  der  Stoß  vertikal,  in  jedem  andern  Punkte  des 
erschütterten  Gebietes  aber  läßt  sich  die  Stoßrichtung  in  zwei  hori- 
zontale (N.S.  und  O.W.)  und  eine  vertikale  Komponente  zerlegen,  und 
je  weiter  der  betreffende  Punkt  vom  Epizentrum  entfernt,  oder  mit 
anderen  Worten,  je  kleiner  der  Emergenzwinkel  ist,  desto  mehr  über- 
wiegen die  horizontalen  Komponenten  die  vertikale,  und  damit  ändert 
sich  der  Charakter  der  Bodenbewegung,  wie  er  an  der  Oberfläche  zur 
Wahrnehmung  gelangt.  Wo  die  vertikale  Komponente  noch  bedeutend 
ist,  ist  die  Bewegung  eine  stoßförmige  oder  sukkussorische, 
hei  spitzem  Emergenzwinkel  erscheint  sie  uns  wellenförmig  oder 
undulatorisch.  Die  erstere  macht  sich  als  Stoß  fühlbar,  wodurch 


* Tremors  und  Earthquakcs  nacli  dem  wissenschaftlichen  Sprachgebrauche 
der  Engländer. 


21* 


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324 


Die  Dynamik  des  Landes. 


oft  Häuser  und  Menschen  emporgeschnellt  und  Leichen  aus  den  Gräbern 
herausgeworfen  werden.  Die  wellenförmige  Bewegung  schreitet  nach 
einer  bestimmten  Richtung  fort,  manchmal  dem  Auge  direkt  sicht- 
bar, meist  aber  nur  erkennbar  aus  der  Richtung  der  Risse  und 
Spalten  in  Gebäuden,  aus  der  Lage  umgeworfener  Gegenstände  u.  dgL 
Aus  der  drehenden  Verschiebung  der  Steine  an  Pfeilern,  Obelisken 
u.  s.  w.  glaubte  man  früher  auch  auf  eine  rotatorische  Bewegung 
schließen  zu  müssen:  es  hat  sich  aber  herausgestellt,  daß  in  all 
diesen  Fällen  der  Schwerpunkt  und  der  Haftpunkt  der  Steine  nicht 
in  einer  senkrechten  Linie  lagen,  und  unter  solchen  Umständen  muß 
auch  ein  rein  seitlicher  Stoß  eine  Drehung  der  Steine  bewirken. 

Bisher  haben  wir  nur  die  seismische  Hauptwelle,  die  vom 
Zentrum  ausgeht,  berücksichtigt;  jeder  Punkt  der  Oberfläche,  der 
von  einem  Stoße  getroffen  wird,  wird  aber  dadurch  selber  wieder 
der  Ausgangspunkt  einer  neuen  Bewegung,  einer  Nebenwelle,  die 
sich  in  einer  homogenen  Masse  ebenfalls  kreisförmig  nach  allen 
Seiten  fortptianzt.  Sie  ist  in  Fig.  82  durch  Pfeile  gekennzeichnet, 
und  man  ersieht  daraus,  daß  das  Epizentrum  nicht  blos  Wellen 
aussendet,  sondern  auch  solche  empfängt. 

Instrumente.  Wir  sind  bisher,  um  einige  Hauptbegrifle  zu  er- 
örtern, unter  gewissen  vereinfachenden  Voraussetzungen  von  der 
Tiefe  ausgegangen  und  haben  daraus  die  Erscheinungen  an  der 
Erdoberfläche  konstruiert  Die  Erdbebenforschung  geht  aber  den 
umgekehrten  Weg,  denn  zur  Beobachtung  gelangen  nur  die  Ober- 
flächenphänomene, und  daraus  muß  man  auf  die  Vorgänge  in  der 
Tiefe  schließen.  Erst  in  neuester  Zeit  hat  man  angefangen,  in  dieser 
Beziehung  systematisch  vorzugehen.  Italien,  Japan,  die  Schweiz 
waren  die  ersten  Länder,  die  sich  mit  einem  Netze  seismischer  Be- 
obachtungsstationen überzogen,  und  immer  weiter  breitet  sich  der  Ge- 
brauch von  Instrumenten  aus,  die  allein  exakte  Daten  zu  liefern 
vermögen.  Die  älteren  Instrumente  beruhen  auf  der  Bewegung  von 
Flüssigkeiten.  Viel  empfindlicher  ist  aber  das  Pendel,  das  jetzt  den 
Hauptbestandteil  der  feineren  Instrumente  bildet.  Am  einfachsten 
sind  die  Seismoskope,  die  lediglich  die  Thatsache,  daß  ein  Erd- 
beben stattgefunden  hat  und  die  Richtung  desselben  anzeigen.  Das 
Seismometer  giebt  die  wichtigsten  Bewegungsmomente  nach  den 
drei  Komponenten  an  und  ist  in  der  Regel  mit  einem  Seismo- 
graphen verbunden,  der  die  aufeinanderfolgenden  Bewegungen 
selbstthätig  aufzeichnet.  Automatische  Vorrichtungen  an  Uhren 
dienen  dazu,  die  Eintrittszeit  der  Beben  genau  zu  fixieren. 

Das  wichtigste  Ergebnis  der  Instrumentalbeobachtung  ist  der 
Nachweis,  daß  die  seismische  Bewegung  eine  äußerst  komplizierte 


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Erdbeben. 


325 


ist  Bei  dem  Beben  in  Tokio  am  15.  Januar  1887,  das  wir  als 
Beispiel  anführeu  wollen,  waren  alle  drei  Komponenten  deutlich 
entwickelt,  aber  die  vertikale  und  die  horizontalen  erreichten  nicht 
gleichzeitig  ihren  Höhenpunkt,  ja  die  vertikale  Bewegung  hörte  nach 
72  Sekunden  beinahe  ganz  auf,  während  die  horizontalen  noch  fort- 
dauerten;  von  diesen  erlosch  zuerst  die  ostwestliche  und  erst  nach 
längerer  Zeit  auch  die  nordsüdliche.  Auch  ihre  Maxima  fielen  nicht 
immer  in  die  gleiche  Zeit,  und  die  östliche  bezw.  westliche  Bewegung 
war  bald  mit  der  nördlichen,  bald  mit  der  südlichen  verbunden. 
Sekiya  hat  nach  den  Aufzeichnungen  dieses  Seismographen  die  Bahn 
eines  Erdteilchens  während  der  ersten  72  Sekunden  des  Bebens  durch 
ein  Modell  in  großem  Maßstabe  dargestellt;  es  bildet  einen  höchst 
seltsam  verschlungenen  Knoten,  zu  dessen  Erklärung  das  Zusammen- 
und  Gegenwirken  von  Haupt-  und  Nebenwellen  kaum  ausreicht. 
Vor  allem  geht  daraus  hervor,  daß  die  Angaben  der  Stoßrichtung, 
auf  die  man  früher  so  großes  Gewicht  gelegt  hat,  in  der  Kegel  nur 
von  problematischem  Werte  sind. 

Dauer.  Die  Dauer  eines  Stoßes  beträgt  meist  nur  wenige 
Sekunden,  aber  es  vergehen  oft  mehrere  Minuten,  bis  das  Zittern 
des  Bodens  aufhört  und  die  Ruhe  völlig  wiederhergestellt  ist  Selten 
besteht  das  Erdbeben  aus  einem  einzigen  Stoße,  wie  das  rheinische 
im  Jahre  1846;  auch  das  berühmte  Beben  von  Caracas  am  26.  März 
1812,  wo  nur  drei  Stöße  unmittelbar  auf  einander  folgten,  gehört 
zu  den  seltensten  Ausnahmen.  In  der  Regel  treten  zahlreiche 
sekundäre  Erschütterungen  ein,  die  dem  Hauptstöße  teils  vorangehen, 
teils  folgen.  Erstrecken  sie  sich  auf  eine  größere  Zeitdauer,  so 
spricht  man  von  einer  Erdbebenperiode.  Eine  solche  war  das 
Jahr  1783  für  Calabrien;  ja,  die  schwachen  Erschütterungen  dauerten 
noch  über  ein  Jahrzehnt  fort.  Das  Großgerauer  Beben  am  Mittel- 
rhein dauerte  von  1869 — 1873;  vom  Oktober  bis  Ende  1869  zählte 
man  über  600  Stöße.  In  Yokohama  traten  vom  1.  bis  6.  Mai  1870 
123  Stöße  ein,  und  in  Hawaii  betrug  im  März  1868  allein  die  Zahl 
der  stärkeren  Stöße  über  2000. 

Über  die  Abgrenzung  einer  Erdbebenperiode  können  Zweifel 
entstehen.  In  Agram  erwachte  z.  B.  die  seismische  Thätigkeit  nach 
fünfjähriger  Ruhe  am  12.  November  1877.  Das  darauffolgende  Jahr 
verfloß  ohne  Erschütterung,  1879  brachte  aber  schon  drei  Beben. 
Am  9.  November  1880  trat  der  Hauptstoß  ein;  darauf  folgten  in 
demselben  Monat  noch  zehn  Erdbebentage.  Der  Dezember  hatte 
deren  acht,  der  Januar  1881  sieben,  der  Februar  zwei,  der  März  drei, 
der  April  einen.  Vom  9.  November  bis  zum  12.  April  dauerte  die 
längste  Pause  nur  23  Tage,  nachher  traten  solche  von  mehreren 


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326 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Monaten  ein,  aber  zeitweise  schwoll  die  unterirdische  Erregung  wieder 
an,  wie  im  August,  September  und  Oktober  1883.  Man  kann  in 
diesem  Falle  die  Periode  mit  dem  12.  April  1881  abschließen  oder 
sie  auch  auf  die  nächsten  Jahre  ausdehnen;  beide  Auffassungen 
lassen'  sich  verteidigen,  aber  die  erstere  ist  unzweifelhaft  die  stren- 
gere und  darf  daher  auf  allgemeinere  Zustimmung  rechnen.  Das 
Agramer  Beispiel  lehrt  uns  auch,  daß  innerhalb  einer  Periode  die 
Intensität  mehrfach  wechseln  kann. 

Intensität  und  Wirkungen.  Meßbar  ist  die  Intensität  nur  an 
den  Kurven,  die  der  Seismograph  zeichnet;  für  gewöhnlich  muß 
man  sich  auf  eine  rohe  Schätzung  nach  dem  Gefühl  und  nach  den 
Wirkungen  auf  bewegliche  und  unbewegliche  Gegenstände  beschrän- 
ken. Diesem  Zwecke  dient  die  FoBELSclie  Skala,  die  zehn  Inten- 
sitäten unterscheidet.  Der  erste  Grad  kommt  den  mikroseismischen 
Bewegungen  zu,  auch  der  zweite  macht  sich  nur  an  Instrumenten 
bemerkbar.  Grad  3 wird  von  dem  Menschen  nur  unter  besonders 
günstigen  Verhältnissen,  Grad  4 aber  auch  mitten  in  der  Thätigkeit 
beobachtet.  Beben  von  der  Intensität  5 sind  schon  im  stände,  be- 
wegliche Gegenstände  zu  verschieben;  der  sechste  Grad  äußert  sich 
im  Umwerfen  solcher  Gegenstände  und  in  der  Erzeugung  von  Rissen 
an  den  Wänden  und  Decken  der  Häuser.  Steigert  sich  die  Inten- 
sität bis  zum  siebenten  Grade,  so  werden  Gebäude  schon  in  ernst- 
licherer Weise  beschädigt  und  Kamine  stürzen  ein.  Bei  Erschüt- 
terungen vom  achten  Grade  werden  Hütten  und  Stadeln  umgeworfen, 
bei  solchen  vom  neunten  Grade  auch  fest  gebaute  Häuser  demoliert. 
Hier  liegt  der  wunde  Punkt  der  F< mm, sehen  Skala.  Die  Zerstörung 
von  Gebäuden  — ein  Merkmal,  das  überdies  nur  auf  bewohnte 
Gegenden  Anwendung  findet  — ist  nicht  allein  von  der  ursprüng- 
lichen Intensität  des  Stoßes,  sondern  auch  von  dem  Material  und 
der  Orientierung  der  Gebäude,  sowie  von  der  Beschaffenheit  des 
Untergrundes  abhängig.  Es  ist  ein  durch  zahlreiche  Erfahrungen 
gestütztes  Gesetz,  daß  Erdbeben  in  lockerem  Boden  viel  zerstörender 
wirken,  als  in  festem,  vorausgesetzt,  daß  die  Aufschüttungsmassen 
nicht  eine  bedeutende  Mächtigkeit  besitzen.  Ist  letzteres  der  Fall,  so 
wird  der  Stoß  gleichsam  gedämpft  und  dringt  nur  abgeschwächt  an 
die  Oberfläche.  Das  zeigte  sich  z.  B.  ganz  klar  bei  dem  Charlestoner 
Erdbeben  vom  31.  August  1886,  dem  größten,  das  die  Vereinigten 
Staaten  seit  ihrem  Bestehen  erlebt  haben.  Sobald  die  seismischen 
Wellen  das  Alluvialland  des  Mississippi  erreicht  hatten,  nahm  die 
Intensität  rasch  ab.  Ist  die  Erschütterung  schwach,  so  genügt  auch 
eine  leichte  Decke  lockeren  Materials,  um  den  Stoß  aufzuhalten,  so 
daß  man  sagen  kann:  Unter  sonst  gleichen  Verhältnissen  hat  Fels- 


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Erdbeben. 


327 


boden  mehr,  aber  schwächere  Beben,  als  seichter  Aufschüttungs- 
boden; Aufschüttungsboden  von  großer  Mächtigkeit  dagegen  wenig 
und  schwache  Beben. 2 

Erdbeben  vom  höchsten  Intensitätsgrade  (10)  lassen  auch  dauernde 
Spuren  im  Boden  zurück.  Spaltenbildung  ist  eine  gewöhnliche  Er- 
scheinung. Grundwasser  und  Schlamm  bricht  häufig  aus  den  Spalten 
hervor  und  baut  Schlammkegel  auf,  die  bei  Laien  die  Meinung  er- 
wecken, es  handle  sich  hier  um  vulkanische  Eruptionen.  Längs- 
spalten, oft  von  beträchtlichen  Dimensionen,  sind  am  häufigsten;  bei 
Einstürzen  unterirdischer  Hohlräume  bilden  sich  auch  Radialspalten. 
Wind  und  Wasser  füllen  diese  Öffnungen  zum  Teil  wieder  aus; 
manchmal  schließen  sich  diese  selbst,  wobei  eine  Horizontalverschie- 
bung der  Bänder  bemerkbar  wird.  Infolge  von  Spaltenbildungen 
versiegen  Quellen  oder  neue  brechen  hervor,  und  Thermen  verändern 
ihre  Temperatur.  Auch  zu  Bergstürzen  geben  Erderschütterungen 
häufig  die  letzte  Veranlassung.  Das  Beben  von  Wemoje  im  Jahre 
1887  entkleidete  die  Thalgehänge  ihrer  Verwitterungsdecke,  die  bei 
den  heftigen  Regengüssen  in  mächtigen  Schlammströmen  sich  über 
den  Thalboden  ausbreitete,  so  daß  nicht  bloß  die  Vegetation  ver- 
nichtet, sondern  auch  die  Physiognomie  der  Thäler  völlig  verändert 
wurde.  Beim  Erdbeben  von  Katsch,  1819,  sank  eine  Fläche  von 
ca.  520  qkm  und  wurde  in  einen  See  verwandelt,  teilweise  Ufer- 
senkungen traten  1865  am  Züricher  See  und  1867  am  Lago  Mag- 
giore ein.  und  1865  verschwand  bei  einem  Beben  plötzlich  eine 
Insel  der  Maledivenreihe.  Dies  sind  nur  einige  zufällig  herausge- 
griffene Beispiele  von  Bodensenkungen,  während  die  Nachrichten  von 
Hebungen  bei  Erdbeben  einer  schärferen  Kritik  nicht  Stand  halten. 

Höchstens  die  tropischen  Cyklonen  und  plötzliche  Überflutungen 
der  Küsten  bewirken  ähnliche  Verheerungen,  wie  die  Erdbeben. 
Nach  einer  amtlichen  Zusammenstellung  wurden  in  Italien  selbst  im 
verhältnismäßig  ruhigen  Jahre  1870  durch  Erdbeben  2225  Häuser 
zerstört,  98  Menschen  getötet  und  223  verwundet.  In  Südamerika 
verloren  1868  ca.  70  000  Menschen  bei  Erderschiitterungen  das 
Leben.  Noch  frisch  ist  die  Erinnerung  an  jene  furchtbare  Kata- 
strophe, die  am  28.  Oktober  1891  die  gartenähnliche  Ebene  von 
Owari-Mino  in  Zentral- Japan  betraf.  7279  Menschen  wurden  ge- 
tötet, 17  393  verwundet,  197  350  Gebäude  ganz,  78296  halb  zerstört, 
und  6379  gingen  dabei  durch  Feuer  zu  gründe.  Der  Gesamtschaden 
beziffert  sich  auf  mehr  als  90  Mill.  Mark.3  Das  alles  war  das  Werk 
weniger  Sekunden! 

Manche  Beobachtungen  sprechen  dafür,  daß  die  Intensität  mit 
der  Tiefe  abnimmt  In  den  Bergwerken  von  Essen  spürte  man 


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Die  Dynamik  des  Landes. 


328 

das  rheinische  Beben  vom  Jahre  1828  nicht,  und  das  große  Agramer 
Beben  im  Jahre  1880  machte  sich  in  den  Gruben  von  Wies  in 
Steiermark  nur  bis  zu  einer  Tiefe  von  28 — 30  m,  aber  nicht  mehr 
in  Tiefen  von  60—120  m fühlbar.  Um  diese  Frage  zur  Entscheidung 
zu  bringen,  wurden  1887 — 1890  an  der  Station  Tokio  und  in  einer 
unmittelbar  daneben  befindlichen  Grube  von  5*/j  m Tiefe  systema- 
tische Beobachtungen,  die  sich  aber  nur  auf  die  Horizontalkompo- 
nenten beziehen,  angestellt.  Bei  schwachen  Erschütterungen  ver- 
hielten sich  die  Instrumente  an  der  Oberfläche  und  in  der  Tiefe 
ganz  gleich,  und  auch  die  Hauptwellen  bei  stärkeren  Beben  machten 
sich  an  beiden  Stellen  in  gleicher  Weise  bemerkbar.  Ein  Unter- 
schied bestand  nur  in  Bezug  auf  die  kleinen  und  raschen  Vibrationen, 
die  den  Hauptstößen  vorangehen,  indem  sie  die  Tiefe  viel  weniger 
berührten,  als  die  Oberfläche.4 

Areal.  Das  Gebiet  größter  Intensität  an  der  Oberfläche  nennt 
man  das  pleistoseiste;  von  da  nimmt  die  Intensität  mehr  oder 
minder  regelmäßig  nach  allen  Seiten  ab.  Bei  dem  oben  erwähnten 
zentral-japanischen  Beben  von  1891  gelang  es,  die  Areale  der  ein- 
zelnen Intensitätsgrade  genauer  von  einander  zu  scheiden: 

Intensität  10  11111  qkm 

„ 7—9  44  907  „ 

„ 6 52  315  „ 

„ 4—5  134  722 

Grceamtarual  243  055  qkm 

Man  sieht,  die  Areale  wachsen  mit  abnehmender  Intensität  Da 
aber  die  zerstörende  Wirkung,  wie  wir  gesehen  haben,  von  verschie- 
denen Umständen  abhängt,  so  kann  es  uns  nicht  Wunder  nehmen, 
daß  selbst  nahe  benachbarte  Orte  in  verschiedener  Weise  betroffen 
werden,  und  auch  im  pleistoseisten  Gebiete  verhältnismäßig  ruhige 
Stellen  Vorkommen  können.  Man  nennt  solche  Örtlichkeiten,  wo 
sich  die  Gewalt  der  seismischen  Wellen  infolge  felsiger  Bodenbe- 
schafl'enheit,  vielleicht  auch  infolge  von  Interferenzerscheinungen 
gleichsam  bricht,  Erdbebeninseln  oder  -brücken. 

Die  wirklichen  Grenzen  eines  Erdbebenareals  lassen  sich  nicht 
mit  Sicherheit  ziehen,  denn  außerhalb  der  deutlich  erschütterten 
Fläche  giebt  es  immer  vereinzelte  Orte,  wo  das  Beben  noch  wahr- 
genommen wurde,  und  die  äußersten  Spuren  lassen  sich  nur  am 
empfindlichsten  aller  Instrumente,  am  Horizontalpendel,  wahrnehmen.6 
Erreichten  die  Ausläufer  der  japanischen  Beben  von  1891  und  1894 
doch  sogar  die  Observatorien  von  Wilhelmshaven  und  Potsdam!  Diese 
Unsicherheit  der  äußeren  Grenzen  macht  es  erklärlich,  daß  man  sich 
früher  in  Bezug  auf  die  Ausdehnung  mancher  Beben  übertriebenen 


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Erdbeben. 


329 


Vorstellungen  hingab.  So  soll  das  berühmte  Lissaboner  Beben  von 
1755  ein  Gebiet  von  B8l/S  Mill.  qkm  betroffen  haben;  hier  sind 
offenbar  auch  jene  Küstengegenden  mitgerechnet,  wo  nur  große  Flut- 
wellen beobachtet  wurden,  und  Hörnbs  reduziert  jene  enorme  Zahl 
mit  Recht  auf  ca.  16'/2  Mill.  qkm.  Aus  denselben  Gründen  ver- 
dient auch  die  Angabe  von  ca.  20  Mill.  qkm  für  das  Neuseeländer 
Beben  von  1855  kein  Vertrauen.  Das  ausgedehnteste  Erdbeben  der 
letzten  Jahre  war  das  Charlestoner  von  1886,  das  eine  Fläche  von 
2,s  Mill.  qkm,  viermal  so  groß  als  das  Deutsche  Reich,  in  Bewegung 
versetzte. 

Areal  und  Intensität  einer  Erschütterung  stehen  nicht  immer, 
wie  man  vermuten  könnte,  in  geradem  Verhältnisse  zu  einander.  Oft 
sind  schwache  Beben  viel  ausgedehnter,  als  starke.  Jenes  von  Ischia 
am  28.  Juli  1883  z.  B.,  das  Casamicciola  vollständig  zerstörte,  reichte 
nicht  über  die  kleine  Insel  hinaus,  während  das  mitteldeutsche  Erd- 
beben von  1872,  das  kaum  irgendwo  den  6.  Intensitätsgrad  über- 
schritt, eine  Fläche  von  1 70  000  qkm  in  Mitleidenschaft  zog. 

Zeichnet  man  die  Verbreitungsgrenzen  eines  Erdbebens  auf  eine 
Karte  ein,  so  erhält  man  verschiedene  Gestalten,  je  nach  der  Ober- 
tlächenbeschaffenheit  der  betreffenden  Gegend  und  der  Gestalt  des 
Epizentrums.  Ist  das  letztere  ein  Punkt,  so  erhält  das  seismische 
Gebiet  eine  mehr  oder  weniger  kreisförmige  Gestalt,  und  wir  sprechen 
dann  von  einem  zentralen  Beben.  Ist  das  Epizentrum  eine  Linie, 
so  entsteht  ein  lineares  Beben  mit  mehr  oder  weniger  eliptisclien 
Verbreitungsbezirken.  Kreisförmige,  bezw.  elliptische  Gestalt  müssen 
unter  der  Voraussetzung  gleichmäßiger  Fortpflanzungsgeschwindigkeit 
der  seismischen  Wellen  auch  die  Homo-  oder  Isoseisten  haben, 
jene  geschlossenen  Kurven,  welche  die  Orte  gleichzeitiger  Erschütterung 
miteinander  verbinden.  Freilich  nur  unter  der  Voraussetzung  völlig 
exakter  Zeitangaben,  eine  Voraussetzung,  die  solange  frommer  Wunsch 
bleibt,  als  nicht  einmal  die  Eisenbahnen-  und  Telegraphenuhren 
einen  gleichmäßigen  Gang  besitzen.  Viel  wichtiger  ist  aber,  daß 
auch  die  Voraussetzung  betreffs  der  Fortpflanzungsgeschwin- 
digkeit nur  in  einer  vollständig  homogenen  Erde  zutrifft.  Eine 
solche  giebt  es  aber  nicht  Sobald  die  Welle  aus  einem  Gestein 
in  ein  anderes  Übertritt,  verändert  sich  — wie  zahlreiche  Versuche 
lehrten  — ihre  Geschwindigkeit.  Aber  einem  bestimmten  Gestein 
kommt  nicht  etwa  eine  bestimmte  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  zu, 
denn  diese  ist  wieder  abhängig  von  der  Intensität  des  Stoßes  und 
wächst  mit  derselben;  und  außerdem  erzeugt,  wie  aus  den  Experi- 
menten von  FouquI:  und  Lfcvv  hervorgeht,  ein  einziger  Stoß  mehrere 
Wellen  von  verschiedener  Geschwindigkeit.  In  Gebieten  mit  ge- 


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330  Die  Dynamik  des  Landes. 

neigten  Schichten  pflanzt  sich  die  Welle  in  der  Streichrichtung  der 
Schichten  schneller  fort,  als  senkrecht  zu  derselben,  und  hier  können 
die  Homoseisten  eine  elliptische  Gestalt  annehmen,  selbst  wenn  das 
Beben  ein  zentrales  ist  Namentlich  hohe  Gebirge  stellen  sich  der 
seismischen  Bewegung  häufig  als  fester  Wall  entgegen;  so  bewähren 
sich  die  Andes  von  Südamerika  stets  als  Schutz  gegenüber  den 
häufigen  Erschütterungen  an  der  pazifischen  Küste. 

Für  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  hat  uns  das  bisherige 
Studium  der  Erdbeben,  wie  nicht  anders  zu  erwarten  ist,  nur  rohe 
Näherungs  werte  geliefert.  Sie  schwanken  zwischen  260  und  5200  m 
in  der  Sekunde;  der  letztere  (Charlestoner  Beben,  1886)  bildet  aber 
eine  Ausnahme,  und  sieht  man  davon  ab,  so  dürfte  die  mittlere 
Fortpflanzungsgeschwindigkeit  zwischen  600  und  700  m liegen.  Das 
gilt  aber  nur  für  das  unmittelbare  Erdbebengebiet;  in  größeren 
Entfernungen  pflanzen  sich  die  Stöße  rascher  fort.  Bei 
dem  japanischen  Beben  am  22.  März  1894  wurde  die  Lage  des  Epi- 
zentrums in  43°  N.,  146°  0.  ermittelt;  von  da  erreichte  die  Welle 
Tokio  mit  einer  mittleren  Geschwindigkeit  von  2770  m,  Südrußland 
mit  einer  solchen  von  10020  m,  Mittelitalien  mit  einer  solchen  von 
10  390  m.  Rebeür-Paschwitz  schließt  daraus,  daß  sich  die  seis- 
mischen Wellen  nicht  gleichmäßig  vom  Zentrum  nach  allen  Seiten 
fortpflanzen,  sondern  nach  der  Tiefe  schneller,  als  nach  der  Ober- 
fläche zu.8 

Wir  müssen  hier  nochmals  auf  die  schon  angedeutete  Einteilung 
der  Beben  zurückgreifen.  Wir  haben  zu  unterscheiden 

1.  zentrale  Beben:  die  Bewegung  geht  von  einem  Punkte  aus 
und  pflanzt  sich  wellenförmig  nach  allen  Seiten  fort; 

2.  lineare  Beben:  entlang  einer  Linie  tritt  die  Erschütterung 
gleichzeitig  ein,  wie  z.  B.  am  26.  März  1872  an  der  Ostseite  der  cali- 
fomischen  Sierra  Nevada  vom  34.  bis  zum  38.  Parallel.  Gerade 
dieses  Beben  griff  aber  auch  zu  beiden  Seiten  der  Hauptlinie  auf 
die  benachbarten  Gegenden  über,  und  nur  innerhalb  dieser  seit- 
lichen Gebiete  kann  von  einer  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  ge- 
sprochen werden.  In  dieser  zweiten  Kategorie  unterscheidet  mau 
wieder 

a)  Längsbeben,  parallel  mit  dem  Streichen  der  Schichten 
und  Gebirge; 

b)  Querbeben,  die  die  Streichrichtung  in  einem  spitzen  bis 
rechten  Winkel  durchschneiden. 

3.  Flächenbeben:  die  ganze  seismische  Fläche  wird  gleich- 
zeitig oder  nahezu  gleichzeitig  erschüttert  Hier  kann  weder  von 


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Erdbeben. 


331 


einem  Epizentrum,  noch  von  einer  oberflächlichen  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit mehr  die  Rede  sein.  Die  schweizerischen  Beben 
der  letzten  Jahre  scheinen  alle  dieser  Kategorie  anzugehören,  denn 
noch  niemals  ist  es  gelungen,  ein  Epizentrum  in  ungezwungener 
Weise  zu  finden. 

Ursachen.  Die  Erkenntnis  der  soeben  erwähnten  Verschieden- 
heiten ist  die  wichtigste  Errungenschaft  der  modernen  Erdbeben- 
forschung. Denn  nur  die  oberflächliche  Betrachtungsweise  früherer 
Zeiten,  die  allein  an  den  gleichartigen  Wirkungen  haftete,  konnte 
annehmen,  daß  alle  Erdbeben  einander  gleich  seien,  und  daß  sie  da- 
her auch  alle  eine  gleiche  Ursache  haben  müßten;  und  es  lag  nichts 
näher,  als  sie  ebenso  wie  die  vulkanischen  Eruptionen,  die  sie  in 
der  Regel  begleiten,  auf  das  heißflüssige  Erdinnere  zurückzuführen. 

Volger  war  der  erste,  der  den  modernen  Grundsatz  aussprach, 
daß  Erdbeben  durch  verschiedene  Vorgänge  im  Innern  der  Erde 
erzeugt  werden  können.  Als  solche  Ursachen  hat  man  jetzt  drei 
erkannt:  den  Vulkanismus,  den  Einsturz  unterirdischer  Hohlräume, 
die  durch  die  anslaugende  Thätigkeit  des  Wassers  in  Kalk,  Salz 
und  Gips  entstanden  sind,  und  Dislokationen. 

Damit  sind  wir  aber  erst  einen  Schritt  weitergekommen.  Eine 
volle  praktische  Bedeutung  erhält  die  genetische  Einteilung  in 
vulkanische,  Einsturz-  und  Dislokationsbeben  erst  dann, 
wenn  man  in  jedem  einzelnen  Falle  mit  Bestimmtheit  die  Ursache 
angeben  kann.  Von  diesem  Ziele  sind  wir  einstweilen  noch  ziemlich 
weit  entfernt 

Wenn  ein  Vulkan  und  seine  nächste  Umgebung  vor  seinem 
Ausbruche  erschüttert  wird,  so  können  wir  diesen  Vorgang  allerdings 
mit  Sicherheit  als  vulkanisches  Beben  bezeichnen.  Aber  schwan- 
kender wird  unser  Urteil,  wenn  ein  Erdbeben  von  gleichen  Eigen- 
schaften, d.  h.  ein  zentrales  und  örtlich  beschränktes,  zwar  auch  in 
einer  vulkanischen  Gegend  auftritt,  aber  ohne  gleichzeitigen  Aus- 
bruch, oder  gar  in  einer  Gegend,  wo  die  vulkanische  Thätigkeit 
schon  als  erloschen  gelten  darf.  Jene  beiden  Eigenschaften,  mit 
verschiedenen  Intensitätsgraden  verbunden,  kommen  auch  den  Ein- 
sturzbeben zu,  und  in  der  That  sind  die  Ischiaer  Erdbeben  in  der 
ersten  Hälfte  der  80er  Jahre  von  Lasaulx  und  Palmieri  als  Ein- 
sturz-, von  Mercalli  u.  a.  als  vulkanische  Beben  gedeutet  worden. 
Ja,  es  ist  nicht  einmal  ausgemacht,  ob  nicht  auch  Dislokationen 
zentrale  und  lokale  Beben  hervorrufen  können,  und  es  wird  uns 
daher  nicht  wunder  nehmen,  wenn  z.  B.  Neumayr  das  Kaiserstuhl- 
Erdbeben  v.  .J.  1882  für  ein  vulkanisches,  Kkop  dagegen  für  ein  Dis- 
lokationsbeben hält,  oder  wenn  Lasaulx  das  Großgerauer  Beben 


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332 


Die  Dynamik  des  Landes. 


(1869)  auf  Einsturz  und  andere  Forscher  es  auf  Schichtenstörung  zu- 
rückfiiliren.  Seitdem  wir  wissen,  daß  vulkanische  Eruptionen  manch- 
mal gar  nicht  bis  zur  Oberfläche  gelangen,  sondern  in  der  Tiefe 
stecken  bleiben,  und  da  wir  vermuten  dürfen,  daß  auch  diese  Vor- 
gänge Erdbeben  erzeugen,  müssen  wir  mit  R.  Hohnes  den  vulkanischen 
Beben  noch  kryptovulkanische  anreihen,  aber  in  der  Praxis  fehlt 
uns  dafür  jedes  Erkennungszeichen. 

Die  linearen  und  Flächenbeben  sind  so  eigenartig,  so  gänzlich 
verschieden  von  den  nachweisbar  vulkanischen  und  Einsturzbeben, 
daß  man  sie  einer  anderen  Ursache  zuschreiben  muß.  Die  heutige 
Wissenschaft  sieht  in  diesen  Erscheinungen  einen  Beweis  dafür,  daß 
Verschiebungen  in  der  Erdkruste  noch  immer  ihren  Fortgang  nehmen. 
Begründet  wird  diese  Annahme  1.  durch  thatsächliche  Dislokationen 
bei  Erdbeben,  2.  durch  die  Existenz  von  Stoß-  oder  Schütterlinien, 
die  wiederholt  den  Ausgangspunkt  von  Erdbeben  bilden,  3.  durch  die 
geographische  Verbreitung  der  Erdbeben. 

Von  Spaltenbildungen  und  Senkungen  ist  schon  auf  S.  327  ge- 
sprochen worden.  Man  kann  allerdings  einwenden,  daß  man  hier 
Ursache  und  Folge  miteinander  verwechselt,  und  in  vielen  Fällen 
ist  es  in  der  That  schwer  zu  entscheiden,  ob  das  Beben  durch  die 
Dislokation  oder  die  Dislokation  durch  das  Beben  erzeugt  wurde. 
Einige  Fälle  aus  der  jüngsten  Vergangenheit  sind  aber  in  dieser 
Beziehung  so  lehrreich,  daß  wir  sie  nicht  mit  Stillschweigen  über- 
gehen können. 

Bei  dem  Belutschistaner  Erdbeben  am  20.  Dezember  1892  ent- 
stand parallel  mit  dem  Khadschakgebirge,  an  dessen  Westfuße,  eine 
über  20  km  lange  Spalte,  die  gleichzeitig  mit  Verschiebung  und  Ver- 
werfung verbunden  war.  Man  konnte  dies  um  so  genauer  konsta- 
tieren , als  die  Spalte  die  Eisenbahn  kreuzte.  Diese  neue  Dis- 
lokationslinie fällt  nahezu  zusammen  mit  einer  alten,  die  durch 
eine  Bodensenkung  und  das  Hervortreten  zahlreicher  Quellen  mar- 
kiert ist.® 

Noch  deutlicher  spricht  die  112  km  lange  Spalte,  welche  sich 
bei  dem  großen,  schon  mehrfach  erwähnten  japanischen  Erdbeben 
am  28.  Oktober  1891  öffnete.  Sie  durchschneidet  quer  das  Gebirge 
und  war  ebenfalls  mit  Verwerfung  und  Verschiebung  verbunden  (s. 
Fig.  61  auf  S.  273).  Für  die  Annahme,  daß  sie  Ursache,  nicht  Folge 
des  Bebens  war,  spricht  die  bandartige  Gestalt  des  pleistoseisten 
Gebietes  zu  beiden  Seiten  dieser  Spalte  und  seine  geringe  Breite  im 
Gebirge  (nur  ca.  10  km). 

Bei  dem  lokrischen  Erdbeben  im  April  1894  entstand  eine  etwa 
60  km  lange  Spalte,  welcher  entlang  eine  ausgedehnte  Scholle  des 


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Erdbeben. 


333 


mittelgriechischen  Festlandes  gegen  den  Kanal  von  Atlanti  absank. 
Die  Sprunghöhe  der  Verwerfung  schwankt  zwischen  einigen  Zenti- 
metern und  2 m.7  Es  war  also  dieses  schwere  Erdbeben  nur  eine 
kleine  Phase  in  dem  großen  Zerstücklungsprozesse,  der  im  südöst- 
lichen Europa  schon  seit  vorgeschichtlicher  Zeit  im  Gange  ist 

Noch  verdient  eine  Beobachtung  in  Sumatra  Erwähnung,  wo 
bei  dem  Erdbeben  am  1 7.  Mai  1 892  Triangulationspfeiler  bis  zu  1 m 
verschoben  wurden.8  Auch  hier  zeigt  sich  wieder,  wie  geringfügige 
Dislokationen  heftige  Erschütterungen  erzeugen  können. 

Viele  solcher  seismischen  Linien  sind  habituelle  Stoß-  oder 
Schütterlinien.  In  den  Ostalpen  und  in  Unteritalien  sind  zwei 
Arten  solcher  Stoßlinien  erkannt  worden.  Eine  peripherische 
Linie  zieht  an 
der  Südseite  der 
Alpen  vom 
Gardasee  über 
Udine  und  Görz 
bis  Fiume;  Er- 
schütterungen 
sind  in  diesen 
Gebieten  sehr 
häutig  und 
hängen  offenbar 
mit  der,  auch 
im  Gebirgsbaue 
klar  zu  Tage 
tretenden,  all- 
mählichen Ab- 
senkung der  Süd- 
alpen zusammen. 

Noch  schärfer  tritt  der  tektonische  Charakter  der  peripherischen 
Erdbebenlinie  in  Calabrien  und  Sicilien  ( AB  in  Fig.  83)  hervor. 
Wir  werden  später  ausführlicher  auseinandersetzen,  wie  die  ganze 
krystallinische  Innenzone  der  Apenninen  bis  auf  wenige  Reststücke 
zerbrochen  und  versunken  ist.  Das  größte  dieser  Reststücke  ist  das 
calabrisch-peloritanische  Gebirge,  und  hier  liegt  die  Schütterlinie 
zwischen  dem  Monte  Cocuzzo,  den  vatikanischen  Bergen  und  dem 
Scyllafelsen  im  Westen  und  dem  Silawalde  und  Aspromonte  im  Osten; 
in  Sicilien  umzieht  sie  das  Peloritanische  Gebirge.  Innerhalb  des 
kreisförmigen  Senkungsfeldes,  dessen  Peripherie  jene  Stoßlinie  bildet, 
liegen  die  liparischen  Vulkane,  von  denen  transversale  (radiale) 
Schütterlinien  ausgehen  ( a — / in  Fig.  83);  an  dem  Endpunkte  einer 


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334 


Die  Dynamik  des  Landes. 


derselben  belindet  sich  der  Ätna.  Charakteristisch  für  die  periphe- 
rische Linie  ist  es,  daß  die  Stoßpunkte  wandern.  Während  des 
calabrischen  Erdbebens  im  Jahre  1783  befand  sich  das  Zentrum  am 
5.  Februar  in  Oppido,  am  7.  in  Soriano,  am  28.  in  Polia  und  am 
28.  März  in  Girifalco,  war  also  langsam  nach  Norden  vorgerückt 
Dann  sprang  es  nach  Süden  zurück  und  befand  sich  am  5.  Juni 
wieder  in  der  Nähe  von  Oppido,  bei  Eadicena. 

Eine  Reihe  von  Transversal-  oder  Querlinien  sind  auch  in 
den  Alpen  nachgewiesen,  z.  B.  die  Garda-  und  Etschlinie,  die  Linie 
von  Venedig  bis  Villach,  die  in  ihrer  Verlängerung  die  Mürzlinie 
trifft,  die  Linie  Triest-Littai  u.  s.  w.  Mau  ist  vielfach  der  Ansicht, 
daß  diese  Linien  horizontalen  Verschiebungen  entsprechen. 

Der  kräftigste  Beweis  für  die  tektonische  Natur  der  meisten 
Erdbeben  liefert  deren  geographische  Verbreitung  (s.  Karte  XVU). 
Allerdings  sind  unsere  Kenntnisse  in  dieser  Beziehung  äußerst  lücken- 
haft und  die  meisten  bisherigen  Versuche  einer  kartograpliischen  Dar- 
stellung roh  und  unbeholfen:®  allerdings  können  wir  von  keiner 
Gegend  der  Erde  mit  absoluter  Sicherheit  behaupten,  daß  sie  voll- 
kommen bebenfrei  sei;  aber  soviel  steht  fest,  daß  die  Häufigkeit  und 
Intensität  der  Erdbeben  in  verschiedenen  Gegenden  sehr  verschieden 
ist,  und  daß  die  Hauptgebiete  der  seismischen  Tliätigkeit  gerade  die- 
jenigen sind,  welche  in  verhältnismäßig  junger  Vergangenheit  großen 
tektonischen  Umwälzungen  unterworfen  waren.  Wohl  sind  auch  die 
Vulkane  vorzugsweise  an  diese  Gebiete  gebunden,  aber  die  Erd- 
bebenzonen umfassen  viel  größere  Flächen,  ja  manche  der  intensivsten 
Erschütterungsgchiete  sind  gänzlich  frei  von  vulkanischer  Tliätigkeit. 

In  Europa  liegen  die  seismischen  Hauptgebiete  innerhalb  der 
alpinen  Zone : die  Alpen  und  Karpaten,  besonders  das  innerkarpatische 
Senkungsfeld,  Griechenland,  sowohl  die  ägäische  wie  die  jonische 
Seite;  Italien,  besonders  Calabrien,  die  Umgebung  des  Vesuv  und 
Ätna  und  der  mittlere  Apennin ; das  Atlasgebirge,  die  Sierra  Nevada 
und  die  Pyrenäen.  Ausserhalb  liegen  das  Lissaboner  Gebiet  und 
der  junge  oberrheinische  Graben. 

Auch  in  Asien  fällt  eine  seismische  Hauptzone  mit  dem  Hocli- 
landgürtel  vom  Kaukasus  bis  zum  Himalaja  zusammen;  häufige  Er- 
schütterungen suchen  auch  die  Umgebung  des  syrischen  Grabens 
heim,  und  es  ist  beachtenswert,  daß  die  einzigen  namhaften  Erdbeben, 
die  uns  aus  Afrika  südlich  vom  Atlas  gemeldet  wurden,  im  zentral- 
afrikanischen Graben,  am  Tanganika,  vorkamen. 

Anderseits  ist  es  ebenso  beachtenswert,  daß  auf  der  ungestörten 
russischen  Tafel,  besonders  in  der  jungen  arktischen  Tiefebene  und 
in  Westsibirien  Erschütterungen  sehr  selten  und  schwach  sind. 


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Erdbeben. 


335 


Der  indisch-pazifische  Faltenrand,  der  — wie  wir  sahen  — der 
Hauptträger  der  vulkanischen  Thätigkeit  in  der  Gegenwart  ist,  ist 
wohl  zugleich  auch  der  Hauptschauplatz  seismischer  Erschütterungen. 
Japan,  wo  man  im  Durchschnitte  jährlich  auf  600  Erdbeben  rechnen 
kann;  Zentralamerika,  wo  das  Thal  von  San  Salvador  bezeichnender 
Weise  die  Hängematte  heißt;  der  pazifische  Küstenstrich  im  tro- 
pischen Südamerika  haben  ihresgleichen  nicht.  Aber  gerade  hier 
tritt  die  Unabhängigkeit  der  Erdbeben  von  den  thätigen  Vulkanen 
vielfach  in  prägnanter  Weise  zu  Tage.  In  Japan  ist  diese  Thatsache 
schon  lange  bekannt,  die  vornehmsten  Schüttergebiete,  unter  denen 
die  Gegenden  westlich  und  nördlich  von  Tokio  den  ersten  Platz 
behaupten,  liegen  -an  der  Ostseite,  dort,  wo  das  Land  steil  zur 
größten  bekannten  Meerestiefe  abstürzt.  Im  vulkanreichen  Zentral- 
amerika sind  nach  Montessus  die  Städte  in  der  Nähe  thätiger 
Feuerberge  minder  bedroht,  als  die  in  der  Nachbarschaft  erloschener; 
und  für  Chile  hat  Domeyko  nachgewiesen,  daß  gerade  der  nörd- 
liche Teil,  wo  es  keine  thätigen  Vulkane  giebt,  am  schwersten  unter 
dem  seismischen  Ungemach  zu  leiden  hat. 

Die  atlantischen  Seiten  der  beiden  Landfesten  sind  zwar  durch- 
aus nicht  bebenfrei,  stehen  aber  in  dieser  Beziehung  doch  weit 
hinter  den  pazifischen  zurück. 

Noch  viel  weniger,  wie  von  der  Verbreitung  der  Erdbeben,  sind 
wir  von  den  Seebeben,  d.  h.  den  seismischen  Erschütterungen  des 
Meeresbodens  unterrichtet.  Das  wenige,  was  wir  darüber  wissen,  hat 
Rudolph10  in  übersichtlicher  Weise  — auch  kartographisch  — zu- 
sammengestellt und  einige  wichtige  Schlüsse  daraus  gezogen.  Ihrer 
Wirkung  nach  sind  zwei  Kategorien  zu  unterscheiden:  Seebeben  mit 
und  ohne  Flutbewegung.  Die  ersteren  treten  nur  in  Gesellschaft  von 
unterseeischen  Explosionen  auf,  sind  also  vulkanischer  Natur;  die 
letzteren  erzeugen  keine  sichtbare  Bewegung,  aber  der  Stoß  pflanzt 
sich  durch  das  Wasser  fort  und  wird  von  einem  zufällig  daselbst 
befindlichen  Schifte  auch  als  solcher  empfunden.  Nur  wenn  er  senk- 
recht zur  Meeresftäche  gerichtet  ist,  vermag  er  Wasserstrahlen  empor- 
zuschleudern. Daß  viele  Seeheben  dieser  zweiten  Kategorie  durch 
Dislokationen  verursacht  werden,  scheint  daraus  hervorzugehen,  daß 
es  auch  Seebeben  mit  ausgesprochen  linearer  Verbreitung  giebt;  Ru- 
dolph hat  einen  dieser  Fälle,  das  Seebeben  zwischen  den  Azoren 
und  Madeira  am  22.  Dezember  1884  eingehender  erörtert.  Manchmal 
greift  das  Seebeben  auf  das  Land  über,  das  Epizentrum  liegt  dann 
im  Meere,  wie  so  häufig  bei  den  japanischen  Beben. 

Ebenso  wie  die  Seebeben  fügen  sich  auch  die  Simultan  beben 
der  genetischen  Dreigliederung  ein.  Diese  von  Reyer  glücklich 


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336 


Die  Dynamik  des  Landes. 


gewählte  Bezeichung  besagt  nichts  anderes,  als  daß  in  zwei  oder 
mehreren  entlegenen  Gegenden  gleichzeitig  Erdbeben  eintraten,  ohne 
daß  in  den  dazwischenliegenden  Gegenden  Erschütterungen  wahrge- 
nommen wurden.  Drei  Fälle  sind  hier  denkbar:  1.  die  Simultan- 
beben sind  völlig  unabhängig  voneinander,  und  die  Gleichzeitigkeit  ist 
lediglich  Zufall,  2.  das  eine  Erdbeben  wird  durch  das  andere  erzeugt, 
3.  beide  werden  durch  eine  gemeinsame  Ursache  hervorgerufen.  Der 
häufig  gebrauchte  Ausdruck  Relaisbeben  paßt  ausschließlich  für 
den  zweiten  Fall;  aber  auch  zugegeben,  daß  manche  Simultanbeben 
Relaisbeben  sind,  so  dürfen  die  letzteren  doch  keineswegs  als  eine 
vierte  Kategorie  in  die  genetische  Einteilung  eingefügt  werden.  An 
dem  Orte  des  sekundären  oder  Relaisbebens  war  die  Disposition  zu 
einem  vulkanischen  Ausbruche,  einem  Einsturze  oder  einer  Dislokation 
jedenfalls  schon  vorhanden,  und  das  primäre  Beben  gab  nur  den  letzten 
Anstoß  zur  Lösung  einer  Spannung,  die  ohne  denselben  noch  längere 
Zeit  sich  erhalten  hätte. 

Einteilung  der  Beben.  Wir  wiederholen  nochmals  die  Einteilung 
der  Beben  nach  den  verschiedenen  Einteilungsprinzipien: 

1.  Nach  dem  Orte:  Erd-  uud  Seebeben; 

2.  Nach  der  Form  der  Erdbebenfläche,  bezw.  des  Epizentrums: 
Zentrale,  lineare  und  Flächenbeben. 

3.  Nach  der  Ursache:  vulkanische,  Einsturz-  und  Dislokations- 
beben. 

4.  Nach  der  Intensität:  schwache  (Grad  2 — 4 der  FoRELschen 
Skala),  mittelstarke  (Grad  5)  und  starke  Beben  (Grad  6 — 10). 

Kombinieren  wir  die  ersten  drei  Einteilungen,  wobei  wir  von 
deu  beiden  ersten,  als  den  am  leichtesten  erkennbaren,  ausgehen,  so 
erhalten  wir  als  bisher  beobachtete  Formen: 

1.  Zentrale  Beben: 

a)  Zentrale  vulkanische  Erdbeben,  n)  Zentrale  vulkanische  Seebeben 

b)  Zentrale  Einsturz-Erdbeben,  ? 

c)  Zentrale  Dislokations-Erdbeben,  ? 

2.  Lineare  Beben: 

d)  Lineare  Dislokations-Erdbeben,  ß)  Lineare  Dislokations-Seebeben 

3.  Fliiclieubeben : 

e)  Flächen- Dislokation»- Erdbeben,  ? 

Jede  Kategorie  kann  man  dann  wieder  weiter  in  schwache,  mittel- 
starke und  starke  Beben  einteilen,  wobei  man  aber,  wenn  es  sich 
um  die  Charakteristik  eines  Erdbebens  in  seiner  Gesamtheit  han- 
delt, stets  nur  die  Intensität  im  pleistoseisten  Gebiete  zu  berück- 
sichtigen hat. 


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Erdbeben. 


337 


Tiefe  des  Herdes.  Als  einen  weiteren  Beweis  für  die  tekto- 
nische Natur  der  meisten  Erdbeben  wird  noch  häutig  angeführt, 
daß  nach  allen  bisherigen  Berechnungen  der  Herd  oder  das  Zen- 
trum der  Bewegung  in  sehr  mäßiger  Tiefe  liegt,  jedenfalls  noch 
innerhalb  der  Kruste  und  daß  der  Erdkern  daher  in  keinerlei 
Weise  an  diesem  Phänomen  beteiligt  sei. x 

Aber  alle  bisher  angewendeten  Methoden  zur  Ermittlung  dieser 
Tiefe  haben  sich  als  unzulänglich  erwiesen. 

Mallet  geht  von  der  Voraussetzung  aus,  daß  die  Spalten  in 
den  Mauern  auf  der  Stoßrichtung  senkrecht  stehen.  Eine  Anzahl 
auf  diese  Weise  ermittelter  Stoßlinien  müssen  sich  im  Zentrum 
schneiden.  Aber  abgesehen  davon,  daß  die  Spaltenrichtung  auch 
durch  die  Bauart  und  das  Baumaterial  beeinflußt  wird  und  daß  man 
daher  stets  eine  mehr  oder  minder  ■willkürliche  Wahl  unter  den  be- 
schädigten Gebäuden  treffen  muß,  ist  auch,  wie  Wahner  dargethan  hat, 
die  Grundvoraussetzung  Mallets  nicht  zutreffend.  Durch  jede  Erd- 
bebenwelle wird  der  Boden  deformiert  und  mit  ihm  neigen  und  heben, 
neigen  und  senken  sich  auch  alle  mit  ihm  festverbundenen  Gegenstände, 
wie  ein  ruhendes  Schiff  auf  dem  wellig  bewegten  Wasser.  Diese  Be- 
wegung der  festen  Gegenstände,  sagen  wir  z.  B.  eines  Turmes,  unter- 
scheidet sich  von  der  pendelformigen  dadurch,  daß  die  Geschwindigkeit 
mit  der  Entfernung  von  der  Gleichgewichtslage  wächst  In  dem  Augen- 


x Übersicht  der  bisherigen  Berechnungen: 

Lokalität  und  Jahr  (Autor)  Tiefe  in  m (abgerundet) 

Rheinland  1846  (Schmidt) 38  800 

Calabrien  1857  (Mallet) 9 300 

Sillein  1858  (Schmidt) 26  300 

Mitteldeutschland  1872  (v.  Seebach) 18  000 

Herzogenrath  1873  (v.  Lasadli) 11  100 

Herzogenrath  1877  (v.  Lasadli) 27  100 

Westdeutschland  1878  (v.  Lasadli  u.  Schdmacheb)  . 8 900 

Jokoliama  1880  (Milne) 5 250 

Ischia  1881  (John-Lavis) 520 

Ischia  1883  (John-Lavis) 530 

Ischia  1883  (Palmiehi) 3 000 

Andalusien  1884  (Taramelli) 12  000 — 13  000 

Andalusien  1884  (FouquIs) 11000 

Kaschmir  1885  (Jones) 12  100 

Bengalen  1885  (Middlemis) 72  400 

Charleston  1886  (Dütton) ' 19  300 

Ligurien  1887  (Taramelli) 17  500 

Wemoje  1887  (Mdschketow) 5 000 — 8 000 

Amuri  1888  (Hutton) 32  000 

Rauhe  Alb  1890  (A.  Schmidt) ca.  100 

Konstantinopel  1894  (Eoinitis) 34  000 

Stpan,  Physische  Erdkunde.  2.  Aufl.  22 


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Die  Dynamik  des  Landes. 


338 

blicke,  wo  der  nach  rechts  geneigte  Turm  nach  links  in  seine  Gleich- 
gewichtslage wieder  zurückkehren  soll,  hat  er  das  größte  Bestreben, 
sich  weiter  nach  rechts  zu  bewegen  und  dieser  Widerstreit  kommt  in 
der  Lockerung  des  Baumaterials,  in  Spaltenbildung,  oder  wenn  die 
Bewegung  intensiv  genug  ist,  im  Einsturze  des  Gebäudes  zum  Aus- 
drucke. 

v.  Skebachs  Methode  gründet  sich  auf  Zeitbestimmungen,  also 
schon  an  und  für  sich  auf  sehr  mangelhafte  Daten.  Ferner  ist  sie 
nur  auf  zentrale  Beben  anwendbar,  und  endlich  macht  sie  die  in 
der  Natur  durchaus  unerfüllte  Voraussetzung,  daß  sich  die  Erdbeben- 
welle mit  gleichmäßiger  Geschwindigkeit  nach  allen  Seiten  fort- 
ptlanze. 

Falb  benutzt  das  mehr  oder  weniger  starke,  oft  donnerartige 
Geräusch,  das  die  Erderschütterungen  begleitet  und  bestimmt  die 
Tiefe  des  Zentrums  aus  dem  Zeitunterschiede  zwischen  dem  Ge- 
räusche und  dem  Stoße.  Man  kennt  aber  weder  die  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit der  Erdbebenwellen,  noch  die  des  Schalles  im  Boden. 

Auch  Duttons11  Methode  findet  nur  auf  zentrale  Beben  Anwen- 
dung. Die  Intensität  bietet  auch  hier  die  Handhabe  zur  Berechnung, 
aber  in  anderer  Weise  wie  bei  Mallet.  Sie  wird  nur  von  zwei  Faktoren 
abhängig  gedacht:  von  der  Gesamtenergie  der  Bewegung  und  von  der 
Tiefe  des  Ausgangspunktes.  Eine  einfache  mathematische  Überlegung 
führt  dann  zu  dem  Satze,  daß  die  Intensität  in  der  unmittelbarsten 
Nähe  des  Epizentrum  langsam,  dann  gegen  die  Peripherie  zu  immer 
schneller,  endlich  wieder  langsam  abnimmt  Die  Schlußformel  ist 
sehr  einfach.  Setzen  wir  den  Abstand  desjenigen  Oberflächenpunktes, 
wo  die  Abnahme  der  Intensität  ihr  Maximum  erreicht,  vom  Epi- 
zentrum = x,  so  ist  die  Tiefe  des  Zentrums  = x ]/g.  Auch  in  dieser 
Methode  sind  Voraussetzungen  gemacht,  die  in  Wirklichkeit  nicht 
zutreffen;  die  sekundären  Faktoren,  die  die  Intensität  an  einem  Orte 
modifizieren,  bleiben  unberücksichtigt  und  damit  ist  bei  der  Be- 
stimmung von  x nicht  nur  dem  Irrtum,  sondern  auch  der  Willkür 
Thür  und  Thor  geöffnet 

Erdbebenstatistik.  Lange  Zeitglaubte  man,  wie  z.T.  auch  heute  noch, 
der  Statistik  der  Erdbeben  die  Gesetze  dieses  Phänomens  entnehmen 
zu  können.  Unglücklicherweise  leidet  auch  diese  Methode  an  einigen 
erheblichen  Mängeln.  Nur  aus  den  dichter  bevölkerten  Kultur- 
ländern, die  ja  nur  einen  kleinen  Prozentsatz  der  ganzen  Landfläche 
ausmachen,  erhalten  wir  auch  von  schwächeren  Beben  Kunde,  aus 
den  übrigen  Ländern  aber  nur  von  den  heftigsten  Erscheinungen 
dieser  Art,  und  die  Seebeben  entziehen  sich  fast  ganz  unserer  Be- 
obachtung. Die  Nachrichten  aus  den  früheren  Jahrhunderten  sind 


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Erdbeben. 


339 


nicht  nur  außerordentlich  mangelhaft,  sondern  in  manchen  Fällen 
geradezu  gefälscht,  wie  Th.  Wolf  in  Bezug  auf  alle  sogenannten 
vulkanischen  Ereignisse  in  Südamerika  nachwies. 

Man  hat  in  der  zeitlichen  Verteilung  der  Beben  kosmische  und 
meteorologische  Einflüsse  zu  erblicken  geglaubt.  Pekrey  suchte  nach- 
zuweisen, daß  sie  bei  den  Syzigien  häufiger  seien,  als  bei  den  Quadra- 
turen des  Mondes,  und  gründete  darauf  die  Theorie,  daß  die  Beben 
nichts  anderes  seien,  als  Fluterscheinungen  des  heißflüssigen  Erd- 
kerns. J.  Schmidt  kam  aber  zu  einem  wesentlich  anderen  Schlüsse. 
Das  Maximum  tritt  allerdings  bei  Neumond  ein,  aber  ein  zweites 
Maximum  auch  zwei  Tage  nach  dem  ersten  Viertel;  zur  Zeit  des 
Vollmondes  (also  ganz  im  Gegensätze  zu  dem  Flutphänomen) 
nehmen  die  Beben  ab  und  sind  am  Tage  des  letzten  Viertels  am 
seltensten.  Zwar  ist  im  Hinblicke  auf  die  Gezeitenbewegung  der 
festen  Erde  (s.  S.  17),  die  bei  besonderer  Stärke  der  fluterregenden 
Kräfte  Spannungen  in  den  oberen  Teilen  der  Erdkruste  zur  plötz- 
lichen und  gewaltsamen  Auflösung  bringen  kann,  die  Fluttheorie 
nicht  kurzweg  von  der  Hand  zu  weisen,  aber  ein  alle  Zweifel  aus- 
schließender Beweis  ist  dafür  noch  nicht  erbracht  worden. 

Eine  jahreszeitliche  Periode  tritt  zwar  überall  hervor,  ist  aber 
nur  in  gewissen  Gegenden  schärfer  ausgeprägt.  Streng  vergleichbar 
sind  allerdings  nur  die  Länder,  wo  ein  regelmäßiger  Beobachtungs- 
dienst die  Vollständigkeit  der  Aufzeichnungen  verbürgt,  wie  die 
Schweiz  und  Japan: 

Winter  Frühling  Sommer  Herbst 
Schweiz,  1880—91  37, s 22,3  15, s*  26, o Proz. 

Japan,  1885 — 90  24,9  25,8  24, o*  25, s „ 

Betrachtet  man  diese  Zahlen,  so  erhält  man  den  Eindruck,  daß 
es  sich  mit  den  seismischen  Erscheinungen  ebenso  verhält,  wie  mit 
den  Niederschlägen  in  den  Gebieten  gleichmäßiger  Verteilung:  die 
Ursachen  sind  immer  vorhanden,  aber  in  manchen  Zeiten  kommt 
ein  gewisses  Plus  hinzu,  das  die  Häufigkeit  steigert.  Woher  kommt 
dieses  Plus?  Zur  Entscheidung  wäre  eine  ganz  zuverlässige  Beben- 
statistik südhemisphärischer  Länder  notwendig.  Ist  nämlich  dort 
auch  der  nördliche  Sommer  die  bebenärmste  Jahreszeit,  so  kann 
man  an  eine  Flutwirkung  der  erdnahen  Sonne  denken;  fällt  aber  — 
worauf  die  Statistik  einiger  chilenischen  Städte  hindeutet  — das 
südhemisphärische  Minimum  in  den  südlichen  Sommer,  so  liegt 
der  Schluß  nahe,  daß  die  Verteilung  des  Luftdruckes  mit  im  Spiele 
ist.  Man  könnte  dann  sagen:  Ungleichmäßig  verteilter  Luftdruck, 
d.  h.  starke  Gradienten,  wie  sie  in  mittleren  und  höheren  Breiten 
den  kälteren  Jahreszeiten  eigentümlich  sind,  begünstigen  die  Aus- 

22* 


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340 


Die  Dynamik  des  Landes. 


lösung  vorhandener  Spannungen  innerhalb  der  Erdkruste.  Wir  haben 
oben  gesehen,  daß  diese  Hypothese  auch  auf  die  mikroseismischen 
Bewegungen  Anwendung  fand. 

Literaturnachweise.  1 Hürnes,  Erdbebenkunde,  Leipzig  1893.  — 
7 Vgl.  die  Beobachtungen  in  Tokio  in  den  Transactions  of  the  Seismological  Society 
of  Japan,  1890,  Bd.  XIII,  S.  41.  — * Koto,  cit.  S.  278.  — 4 Transaktion» 
of  the  Seismological  Society  of  Japan,  1892,  S.  19.  — 1 v.  Rebeur-Paschwitz, 
Über  die  Aufzeichnungen  der  Fernwirkungen  von  Erdbeben,  in  Pkt  ermann» 
Mitteilungen  1893.  Europäische  Beobachtungen  des  japanischen  u.  venezolani- 
schen Erdbebens  1894,  ebendas.  1895.  — 8 Vgl.  den  Bericht  Geiesbachs  in  d. 
Records  of  the  Geological  Survey  of  India,  1893,  S.  57.  — 7 Sküphos,  Die  zwei 
griechischen  Erdbeben  in  Ixtkris  1894,  in  der  Zeitschrift  der  Gesellschaft  für 
Erdkunde  in  Berlin,  1894.  — 8 Seismische  Boden  Verschiebung,  in  Petermanns 
Mitteilungen  1895,  S.  97.  — * Den  ausführlichsten  Erdbebenkatalog  lieferte 
Mallet  (Earthquake  Catalogue,  London  1850),  für  die  Periode  1865 — 85  Fuchs 
(in  den  Sitz.-Ber.  d.  Wiener  Akad.  d.  Wiss.,  Math.-nat.  Kl.,  1886,  Bd.  92,  Ab- 
teil. I);  eine  wichtige  Ergänzung  bildet  der  Erbebenkatalog  des  russischen 
Reiches  von  Muschketow  u.  Orlow  (St.  Petersburg  1893).  Genauere  Erdbeben- 
karten existieren  nur  für  Italien  (von  Taramelli  in  den  Annali  dell'  Ufficio 
centrale  meteorologico  italiano,  1886,  Bd.  8,  4.  Teil)  und  Japan  (von  Sur  an  in 
Petermanns  Mitteil.  1893).  In  der  seismischen  Kartographie  fehlt  es  noch  an 
einem  einheitlichen,  wissenschaftlichen  Prinzipe,  das  allerdings  eine  genaue  Erd- 
bebenstatistik zur  Voraussetzung  hat.  Ein  darauf  bezüglicher  Versuch  von 
F.  be  Montessüs  de  Ballore  (in  den  Archive»  des  Sciences  physiques  et  naturelles, 
Genf  1892  u.  94)  dürfte  kaum  auf  allgemeine  Zustimmung  rechnen  können.  — 
10  Rudolph,  cit  S.  207.  — 11  Dutton,  The  Charleston  Earthquake  of  August  31, 
1886,  im  IX.  Jahresbericht  des  U.  S.  Geological  Survey,  Washington  1889. 


Übersicht  der  exogenen  Wirkungen. 

Die  endogenen  Erscheinungen,  die  wir  bisher  kennen  gelernt 
haben,  sind  zwar  auch  vielfach  mit  Zerstörung  verbunden,  aber 
hauptsächlich  wirken  sie  doch  aufbauend  und  halten  damit  jenen 
Agentien  das  Gleichgewicht,  die,  von  außen  auf  die  Oberfläche 
w irkend,  die  Erhöhungen  abzutragen,  die  Unebenheiten  auszugleichen 
trachten. 

Dieser  Prozess  zerfällt  in  drei  Akte:  Zerstörung,  Abfuhr,  Ab- 
lagerung. Zerstörung  und  Abfuhr  sind  aber  zum  Teil  notwendig 
mit  einander  verbunden , und  wir  fassen  sie  in  dem  Begriffe 
Destruktion  zusammen.  Die  destruktiven  Kräfte  sind  die  Wärme, 
die  Luft,  das  Wasser  und  die  organische  Welt 

1.  Die  Destruktion. 

a)  Ausschließlich  zerstörend  wirkt  nur  die  Verwitterung;  ihr 
verfällt  alles,  wenn  auch  in  verschiedenem  Grade,  am  langsamsten 


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Übersicht  der  exogenen  Wirkungen.  341 

wohl  der  mit  Wasser  bedeckte  Boden.  Die  Verwitteruugsprodukte 
bleiben  entweder  an  Ort  und  Stelle  liegen  oder  werden  fortgefiihrt. 
Auf  diese  Abfuhr  der  Verwitterungsprodukte  beschränken  wir  den 
Ausdruck  Denudation,  wie  es  auch  seiner  Etymologie  entspricht.* 
Denudierend  wirken  die  Schwerkraft,  das  bewegte  Wasser  und  Eis 
und  die  bewegte  Luft. 

b)  Erosion  im  weitesten  Sinne  des  Wortes xx  nennen  wir  die 
Arbeitsleistung  des  bewegten  Wassers  in  flüssiger  und  fester  Form 
und  der  bewegten  Luft.  Auch  sie  ist,  wie  die  Verwitterung,  teils 
ein  chemischer,  teils  ein  mechanischer  Prozeß.  Die  chemische 
Auflösung  wird  ausschließlich  durch  Wasser  bewirkt,  und  steht  an 
Bedeutung  weit  zurück  hinter  der  mechanischen  Erosion,  d.  h.  der 
gewaltsamen  Loslösung  von  Gesteinsteilchen  durch  die  Stoßkraft  der 
denudierenden  Agentieu.  Eine  genauere  Betrachtung  dieses  Pro- 
zesses führt  zur  Unterscheidung  von  Ablation  und  Corrasion.  Zu- 
nächst werden  nur  lockere  Bestandteile  des  Bodens,  die  dem  Wasser, 
Eise  oder  Winde  im  Wege  liegen,  mitfortgerissen  (Ablation),  aber 
diese  dieuen  dem  betreffenden  Agens  nun  gleichsam  als  Feile,  um 
durch  Reibung  auch  das  feste  Gestein  innerhalb  seiner  Bahn  abzu- 
schleifen und  zu  zerstören  (Corrasion).  Von  der  Verwitterung 
unterscheidet  sich  die  Erosion  schon  dadurch  wesentlich,  daß  ihre 
Zerstörungsprodukte  niemals  an  Ort  und  Stelle  liegen 
bleiben;  auf  die  Loslösuug  folgt  unmittelbar  die  Abfuhr,  und  be- 
stünde diese  auch  nur  in  einer  Verschiebung  um  einige  Millimeter. 

Von  den  drei  Destruktionsprozessen  bewirkt  die  Verwitterung 
an  und  für  sich  keine  Veränderung  der  Oberflächenform;  morpho- 
logische Vorgänge  sind  nur  die  Denudation  und  die  Erosion.  Alle 
erosiven  Kräfte  sind  zugleich  denudierend,  denn  die  Denudation 
bildet  ja  nur  einen  Teil  jenes  Prozesses,  den  wir  oben  als  Ablation 
bezeichnet  haben;  andererseits  wirken  aber  nicht  alle  Denudations- 


x Wenige  Begriffe  sind  so  schwankend,  wie  der  der  Denudation,  und  das 
führt  zu  schweren  Mißverständnissen.  Anfangs  glaubten  wir  diesen  Ausdruck 
im  allgemeinsten  Sinne  gebrauchen  zu  können;  was  uns  aber  schließlich  doch 
bewog,  dafür  die  neue  Bezeichnung  Destruktion  eiuzuführen,  war  der  Umstand, 
daß  die  meisten  unter  Denudation  nur  das  subaerische  Zerstörungswerk  zu- 
sammenfassen und  die  Abrasion  durch  die  Brandung  dazu  in  Gegensatz  stellen. 
Unsere  späteren  Erörterungen  über  die  „Destruktionsflächen**  werden  unser 
Vorgehen  rechtfertigen. 

xx  Im  engern  Sinne  spricht  mau  nur  von  einer  Erosion  des  fließenden 
Wassere.  Für  die  Arbeit  der  Brandung  ist  der  Ausdruck  Abrasion  schon 
vielfach  im  Gebrauche.  Die  Winderosion  nennt  Waltheb  Deflation,  die 
Gletschererosion  Exaration;  wir  würden  Detrition  (von  deterere  = abreiben) 
vorziehen. 


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342  Die  Dynamik  des  Landes. 

kräfte  zugleich  erosiv,  so  die  Schwerkraft  und  der  spülende 
Regen. 

2.  Die  Ablagerung 

ist  die  Kehrseite  der  Zerstörung;  beide  bedingen  sich  gegenseitig. 
Wir  unterscheiden: 

a)  Eluvium,  Venvitterungsschutt  auf  ursprünglicher  Lager- 
stätte ; 

b)  Alluvium,  Ver witterungs-  und  Erosionsprodukte,  die  durch 
die  denudierenden  Kräfte  an  anderer  Stelle  abgelagert  werden. 

Die  Denudation  ist  periodischen  und  unperiodischen  Ver- 
änderungen unterworfen,  wie  die  Elemente  selbst,  die  dabei  im 
Spiele  sind.  Anders  vollzieht  sie  sich  nachts,  als  am  Tage;  anders 
im  Winter,  als  im  Sommer;  anders  in  den  feucht-kühlen  Perioden, 
als  in  den  trocken-warmen.  Tiefgreifender  als  diese  zeitlichen  sind 
die  räumlichen  Unterschiede,  in  denen  sich  die  großen  klimatischen 
Gegensätze  der  Länder  widerspiegeln.  Tropen-  und  Polargürtel, 
Regengebiete  und  Wüsten  werden  in  verschiedener  Weise  denudiert, 
und  verschieden  gestaltet  sich  darnach  ihre  Oberfläche.  Penck 
schließt  aus  der  Thatsache,  daß  die  höchsten  Gebirge  den  Tropen 
angehören,  auf  das  Vorhandensein  eines  absoluten  oberen  Denu- 
dationsniveaus, über  das  kein  Gebirge  hinauswachsen  könne,  weil 
es  dann  sofort  der  Abtragung  unterliege,  und  verlegt  dieses  Niveau 
in  eine  Höhe  von  2 — 3000  m über  der  Schneelinie.  Klimaperioden 
von  langer  Dauer  oder  völlige  Veränderung  des  Klimas  eines  Landes 
sind  daher  von  größter  morphologischer  Bedeutung.  Aber  wenn 
auch  die  Art  der  Denudationsarbeit  rasch  sich  ändert,  so  braucht 
es  doch  lange,  bis  der  ihr  entsprechende  Relieftypus  den  alten  ver- 
drängt. Noch  begegnen  wir  allenthalben  in  höheren  Gebirgen  und 
unter  größeren  Polhöhen  den  Spuren  der  Eiszeit,  in  Wüsten  den 
Spuren  einstiger  Regenfülle,  in  niederschlagsreichen  Gegenden  den 
Spuren  ehemaliger  Trockenheit. 

Als  absolutes  unteres  Denudationsniveau  bezeichnet  Penck 
das  Meeresniveau,  und  in  der  That  kann  kein  Fluß,  kein  Gletscher 
eine  Erhebung  unter  den  Meeresspiegel  erniedrigen,  nur  dem  Winde 
kann  man  unter  besonders  günstigen  Umständen  eine  solche  Fähig- 
keit zuerkennen.  Auch  jede  Veränderung  der  Meereshöhe  muß  daher 
die  Denudationsarbeit  beeinflussen.  Von  den  absoluten  Denudations- 
niveaus sind  die  wirklichen  zu  unterscheiden,  die  durch  den  höch- 
sten und  tiefsten  Punkt  einer  bestimmten  Landerhebung  repräsentiert 
werden;  aber  stets  bleiben  die  wirklichen  Denudationsniveaus  inner- 
halb der  absoluten. 


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Die  Verwitterung. 


343 


Die  Verwitterung. 

Der  VerwitterungBprozeß.  Die  Verwitterungskräfte  dringen  nicht 
nur  allmählich  von  der  Oberfläche  in  das  Innere  einer  Gesteins- 
rnasse  vor,  sondern  finden  ihren  Weg  auch  durch  zahlreiche 
Spalten  und  Risse,  die  in  verschiedenster  Ausdehnung  jedes  Gestein 
durchsetzen.  Bei  Felsmassen,  die  durch  Ablagerang  im  Wasser 
entstanden  sind,  werden  die  einzelnen  Schichten  durch  mehr 
oder  minder  weite  Klüfte  voneinander  getrennt;  besonders  zahlreich 
sind  aber  die  Spältchen  zwischen  den  dünnen  Lagen  der  geschieferten 
Gesteine,  und  namentlich  dann  eröffnen  sich  den  zersetzenden  Agen- 
tien  viele  Eingangsthore,  wenn  die  Schieferung  die  Schichtung 
schneidet.  Eruptivgesteine  werden  von  Absonderangsklüften  durch- 
zogen, und  ebenso  werden  sie,  wie  die  Sedimentgesteine,  häufig  von 
Dislokationsspalten  durchsetzt.  Infolge  von  Temperaturschwan- 
k ungen  dehnen  sich  die  Massenteilchen  aus  und  ziehen  sich  dann 
wieder  zusammen,  und  zwar  um  so  intensiver,  je  dunkler  die  Farbe 
und  je  rauher  die  Oberfläche  ist.  Risse  und  Sprünge  sind  das  Re- 
sultat dieser  Volumveränderungen;  ja  in  tropischen  Wüstengebieten 
erweist  sich  die  große  tägliche  Wärmeschwankung  als  kräftig  genug, 
große  Gesteinsmassen  völlig  zu  zertrümmern.  In  den  höheren  Breiten 
und  in  den  Hochgebirgen  der  warmen  Zone  spielt  der  Frost  eine 
ähnliche  Rolle.  Das  gefrierende  Wasser  in  den  Spältchen  und 
Klüften  des  Gesteins  dehnt  sich  aus  und  löst  dieses  in  scharfkantige, 
unzersetzte  Fragmente,  oft  von  kolossalen  Dimensionen  auf.  Von 
geringem  Einflüsse  ist  der  Blitz,  der  nur  Löcher  und  Schrammen- 
sterne erzeugt,  ohne  sich  weiter  an  der  Zertrümmerung  der  Felsen 
zu  beteiligen.1 

Hand  in  Hand  mit  dieser  mechanischen  Auflösung  geht  die 
chemische  Zersetzung,  d.  h.  die  Veränderung  der  Substanz  des  Ge- 
steins durch  die  Einwirkung  von  Sauerstoff,  Kohlensäure  und  Wasser. 
Wir  nennen  diesen  Vorgang  mit  Roth2  die  einfache  Verwitterung. 
Keine  Kalksteine  und  Dolomite,  Anhydrit  und  Gips,  Salz  (Chlor- 
natrium) und  andere  Mineralien,  die  aber  beim  Baue  der  Erdrinde 
sich  nicht  in  so  hervorragender  Weise  beteiligen,  werden  durch 
kohlensäurehaltiges  Wasser  vollständig  gelöst  und  fortgeführt.  Von 
den  anderen  Minerahen  werden  nur  einige  Bestandteile  entweder 
direkt  aufgelöst  oder  in  lösliche  Verbindungen  umgewandelt,  während 
ein  unlöslicher  Rest  als  Verwitterungserde  zurückbleibt,  und  nun 
unter  Umständen  der  mechanischen  Abtragung  unterliegt.  Diesem 


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344 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Prozesse  unterliegen  vor  allem  die  thonerdehaltigen  Silikatgesteine,  die 
neben  den  kalkigen  Gesteinen  einen  Hauptbestandteil  der  Erdkruste 
bilden.  Der  Rückstand  ist  mehr  oder  weniger  reine  Thonerde, 
die  allein  der  Vegetation  eine  dauernde  Wohnstätte  bieten  kann. 
Es  muß  übrigens  betont  werden,  daß  auch  der  Kalkstein  in  zahl- 
reichen Fällen  Beimengungen  von  Thonerde  enthält,  die  bei  der  Ver- 
witterung ebenfalls  zurückbleibt. 

Die  durch  die  einfache  Verwitterung  erzeugten  Lösungen  wirken 
ebenfalls  zersetzend  auf  die  Gesteine  ein.  Roth  nennt  diesen  Vor- 
gang die  komplizierte  Verwitterung.  Auch  die  Ptianzen  betei- 
ligen sich  in  hervorragendem  Maße  an  dem  Zerstörungsprozesse.  Im 
lebenden  Zustande  sind  ihre  Wurzeln  imstande,  vermöge  ihrer  orga- 
nischen Säuren  durch  Endosmose  mineralische  Bestandteile  zur 
Nahrung  in  sich  aufzunehmen.  Beim  Absterben  entwickeln  sich  die 
sog.  Humussäuren,  die  sich  mit  den  im  Pfianzenkörper  vorhande- 
nen Alkalien  zu  humussauren  Alkalien  verbinden  und  ebenfalls 
lösend  und  zersetzend  auf  das  Gestein  einwirken.  Auch  scheinbar 
nackte  Felsen  unterliegen  ihrem  Einflüsse.  In  den  Alpen  und  Pyre- 
näen, in  den  Vogesen  und  in  der  Auvergne  fand  Müntz3  nicht 
bloß  die  Felsflächen,  sondern  sogar  die  feinsten  Gesteinsporen 
mit  mikroskopischen  Organismen  bedeckt,  die  ihren  Kohlen-  und 
Stickstoffbedarf  unmittelbar  der  Luft  entnehmen  und  bei  ihrem  Ab- 
sterben diese  Stoffe  dem  Gestein  überlassen.  Das  Faulhom  in  der 
Schweiz  ist  von  solchen  nitrifizierenden  Organismen  bis  in  den  Kern 
hinein  durchfressen.  Auf  diese  Pioniere  der  Humusbildung  folgen 
nun  niedere  Pflanzen,  die  ihren  Stickstoff  bedarf  aus  dem  Boden 
beziehen.  Winde  führen  die  Keime  von  Schorfflechten  herbei,  die 
an  der  befeuchteten  Felsfläche  kleben  bleiben  und  ohne  eigentliche 
Wurzeln  festen  Fuß  fassen.  Bald  bedecken  diese  den  Felsen  mit 
farbigen,  staubartigen  Überzügen  und  zerstören  allmählich  durch  ihre 
Verwesungsprodukte  ihren  mütterlichen  Boden.  So  arbeiten  viele  Gene- 
rationen mikroskopischer  Organismen  an  der  Herstellung  einer  Erd- 
krume, die  endlich  auch  weniger  genügsame  Pflanzengeschlechter 
ernähren  kann,  während  die  ursprüngliche  Vegetation  immer  mehr 
an  Boden  verliert.  Je  mächtiger  die  Erdkrume  wird,  desto  dichter 
und  mannigfaltiger  wird  die  Pflanzendecke,  bis  endlich  auch  Bäume 
sich  ansiedeln,  die  durch  ihre  tieftreibenden  Wurzeln  teils  mecha- 
nisch, teils  chemisch  das  Zerstörungswerk  vollenden. 

So  arbeiten  Luft,  Wasser  und  Pflanzen  seit  ungezählten  Jahr- 
tausenden gemeinsam  an  der  Umgestaltung  der  Erdoberfläche.  Modi- 
fiziert wird  aber  dieser  Prozeß  durch  die  verschiedenen  klimatischen 
Bedingungen  und  durch  die  Lagerungsverhältnisse  des  Gesteins.  Je 


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Die  Verwitterung. 


845 


geneigter  die  Schichten,  je  reicher  die  Eruptivgesteine  an  Absonde- 
rungsklüften sind,  desto  rascher  geht  die  Verwitterung  vor  sich.  Die 
Gebirge  sind  daher  vor  allem  der  Sitz  der  zerstörenden  Kräfte,  auch 
deshalb,  weil  sie  unter  allen  Umständen  regenreicher  sind  als  die 
Ebenen.  In  den  Eisregionen  der  Hochgebirge  und  in  der  Polar- 
zone schützt  die  Gletscherdecke  vor  den  Angriffen  der  Atmosphä- 
rilien, aber  in  um  so  höherem  Grade  unterliegen  die  nackten  Felsen 
der  zertrümmernden  Gewalt  des  Frostes.  In  der  warmen  Zone  fehlt 
dieses  Agens , aber  um  so  kräftiger  wirken  hier  die  tropischen 
Regengüsse  und  die  dichte  Vegetation.  Wo  die  Niederschläge  ge- 
ring sind,  ist  der  mechanische  Einfluß  des  Temperaturwechsels  um 
so  größer,  während  anderseits  die  geringe  chemische  Zersetzung 
stellenweise  auch  die  Erhaltung  der  feinsten  Oberflächen  formen 
möglich  macht.  Th.  Fuchs  fand  z.  B.  auf  dem  Isthmus  von  Sues 
noch  Wellenschlagspureu  in  der  Umgebung  der  Bitterseen,  und 
Räderspuren  im  Sande  des  Kabretplateaus  waren  noch  nach  zwölf 
Jahren  unverwischt.  So  hat  jedes  Klimagebiet  seine  eigentümliche 
Verwitterungsform,  die  dem  Relief  ein  charakteristisches  Gepräge 
verleiht. 

Bodenarten.4  Unter  allen  Umständen  ist  es  aber  das  Ziel  der 
Verwitterungskräfte,  den  festen  Felsen  in  Steinschutt  (Blöcke,  Ge- 
rolle, Grus  und  Sand)  aufzulösen.  Dieser  bildet  den  sog.  Geröll- 
oder Schüttboden.  Schreitet  die  chemische  Zersetzung  weiter  fort, 
so  entsteht  die  pulverartige  Erdkrume,  das  letzte  Verwitterungs- 
produkt aller  thonerdehaltigen  Mineralien.  Steinschutt  in  Verbin- 
dung mit  Erdkrume  giebt  den  sog.  Mineral-  oder  Rohboden,  der 
nach  seiner  Zusammensetzung  und  daher  auch  nach  seiner  landwirt- 
schaftlichen Brauchbarkeit  in  mehrere  Arten  eingeteilt  wird.  Be- 
steht die  ganze  Bodenmasse  aus  mindestens  SO  Prozent  Sand,  so 
nennt  man  ihn  Sandboden.  Thonboden  enthält  wenigstens 
65  Prozent  Thonsubstanz,  Lehmboden  ist  ein  Gemenge  von  Thon 
und  sehr  feinem  Sand,  und  Mergelboden  ein  Gemisch  von  höchstens 
75  Prozent  Thon  und  wenigstens  15  Prozent  Kalk  nebst  verschie- 
denen anderen  Beimengungen.  Mit  dem  Rohboden  vermischen  sich 
mehr  oder  weniger  Pflanzenreste;  besteht  wenigstens  die  Hälfte  des 
Bodens  aus  festen  Humussubstanzen  und  der  Rest  aus  anderen  Erd- 
arten, so  wird  er  als  Humusboden  bezeichnet.  Bei  der  Bildung 
desselben  sind  — wie  Dabwin®  nachgewiesen  hat  — die  Regen- 
würmer in  hervorragender  Weise  beteiligt.  Indem  sie  unglaubliche 
Massen  Erde,  mit  Vegetabilien  gemischt,  verschlingen  und  wieder 
ausscheiden,  wrerden  immer  neue  Oberflächen  der  Einwirkung  der 
Kohlen-  und  Humussäuren  preisgegeben  und  die  Zersetzung  wird 


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846  Die  Dynamik  des  Landes. 

dadurch  außerordentlich  gefordert. x ln  den  Tropen  geht  dieser  Pro- 
zeß mindestens  dreimal  so  schnell  vor  sich,  als  in  England.  Ameisen 
sind  die  eifrigsten  Helfershelfer  der  Regenwürmer,  namentlich  in 
trockenen  Gegenden,  und  auf  den  Koralleninseln  üben  verschiedene 
Krebse  dieselbe  geologische  Thätigkeit  aus.6  Nicht  kulturfähig  ist 
der  allerdings  selten  vorkommende,  reine  Kalkboden,  ebenso  wie 
der  nur  aus  Quarzsand  zusammengesetzte  Boden,  denn  unter  allen 
Umständen  ist  der  Pflanzenwuchs  an  das  Vorhandensein  von  Thon- 
erde gebunden.  Die  Mächtigkeit  des  Gesamtbodens  (Humus-  und 
Rohbodens)  ist  sehr  verschieden;  für  die  meisten  Kulturgewächse 
sind  nur  die  obersten  30  — 60  cm  maßgebend,  nur  die  Waldbäume 
treiben  ihre  Wurzeln  beträchtlich  tiefer. 

Gebiete  vorherrschender  Denudation.  Auf  völlig  horizontalem 
Felsboden  häufen  sich  die  Verwitterungsprodukte  an;  nur  die  feinsten 
können  vom  Winde  fortgeführt  werden.  Ist  der  Boden  aber  — 
wie  dies  in  der  Regel  der  Fall  ist  — geneigt,  so  bemächtigt 
sich  das  fließende  Wasser  (und  das  Eis)  des  Schuttes,  und  bei 
stärkerer  Neigung  auch  die  Schwerkraft.  Dayison  beobachtete 
auch  ein  langsames  Abwärtskriechen  des  Gehängeschuttes,  das  er 
auf  Ausdehnung  und  Zusammenziehung  infolge  wechselnder  Tempe- 
ratur zurückführt7  Man  unterscheidet  daher  eine  trockene  und 
eine  nasse  Abfuhr,  wenn  auch  in  der  Natur  gewöhnlich  beide  Zu- 
sammenwirken. Das  Endziel  des  Denudationsprozesses  ist  die  Bloß- 
legung des  verwitterten  Felsbodens,  wodurch  den  Atmosphärilien 
wieder  neue  Angriffspunkte  geboten  werden. 

Es  giebt  Gebiete,  in  denen  die  Abtragung  der  Verwitterung 
das  Gleichgewicht  hält  und  es  daher  niemals  zur  Bildung  eines  Ver- 
witterungsbodens kommen  kann.  Reichliche  Niederschläge  und  starke 
Neigung  des  Bodens  sind  notwendige  Vorbedingungen  dieses  Vorganges, 
der  daher  hauptsächlich  nur  auf  die  steilen  Abhänge  der  Gebirge  be- 
schränkt ist.  ln  den  gebirgigen  Teilen  des  Festlandes  finden  die  zer- 
störenden Kräfte  den  freiesten  Spielraum.8  Schafft  die  Erosion  die 
Gegensätze  von  Berg  und  Thal,  so  arbeitet  die  Verwitterung  vorwiegend 
au  der  Form  der  Gipfel  und  Gehänge.  Je  steiler  die  Schichten  aufge- 
richtet sind,  je  zahlreicher  die  Spalten,  je  verwitterbarer  die  Gesteine, 
desto  ruinenhafter  erscheinen  die  Kämme  und  Gipfel.  Bei  der  unend- 
lichen Mannigfaltigkeit  ihrer  Formen  muß  man  freilich  auf  einfache 
morphologische  Gesetze  verzichten,  nur  von  einigen  besonders  auf- 

x So  wurde  z.  B.  iu  der  Nähe  von  Macr-Hall  innerhalb  zehn  Jahren  ein 
sandiges  Grasfeld  mit  einer  50  mm  dicken  Humusschicht  Uberkleidet. 


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Die  Verwitterung. 


347 


fallenden  Typen  kann  hier  die  Rede  sein.  Wirkt  die  Verwitterung 
gleichförmig  in  allen  Richtungen,  und  setzt  ihr  das  Gestein  keinen 
großen  Widerstand  entgegen,  so  entstehen  die  schönen,  regelmäßig 
gebildeten  Kuppenformen,  wie  sie  manche  Massengesteine  (Porphyre. 
Granite,  Gabbros  u.  s.  w.)  zeigen.  Sind  die  Klüfte  aber  zahlreich, 
so  lösen  sich  die  Gipfel  häufig  in  unförmige  Blockhaufen  auf  (Fig.  84). 
Felsenmeere  nennt  man  sie,  wenn  sie  eine  größere  Ausdehnung  er- 
reichen. Die  große 
Mehrheit  der  Pyre- 
näengipfel sind  nach 
Leymehie  solche 
Trümmerhaufen;  nicht 
bloß  die  Granit-,  son- 
dern auch  die  Kalk- 
berge. Werden  im 
Laufe  der  Zeit  Blöcke 

weggeführt,  SO  bildet  Fig  R4  Schwarehorn  im  Wallis  (3207  m)  nach  Heim. 

der  Rest  oft  Säulen- 
ruinen, wie  z.  B.  der  Plöckensteingranit  im  Böhmer  Wald  (s.  Fig.  85) 
oder  der  Sandstein  in  den  Vogesen  und  der  Sächsischen  Schweiz. 
Manche  Bergspitzen  sind  so  verwittert,  daß  man  — um  mit 


Fig.  85.  Königstein. 


Heim  zu  reden  — „mittels  Hebeeisen  den  ganzen  Gipfel  schleifen 
könnte,  ohne  einen  zusammenhängenden  festen  Block  von  einem 
Meter  Durchmesser  zu  finden“.  Mit  Recht  tragen  viele  derselben 
Namen,  wie  „Fauler“,  „Faulberg“,  „Faulhorn“  und  dergleichen,  ln 
den  Zonen  der  oft  senkrecht  stehenden  kristallinischen  Schiefer 


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348 


Die  Dynamik  des  Landes. 


sind  wild  zerrissene  Kämme  und  kühn  geformte  Gipfel  sehr  häutig 
(Fig.  86),  aber  es  fehlt  auch  nicht  an  Beispielen  vom  entgegen- 


Fig.  80.  Aclettagrat  nach  Heim. 


gesetzten  Extrem.  So  bildet  der  leicht  verwitterbare  Thonschiefer 


Fig.  87.  Mythen  nach  Heim,  (a  fester  Kalkstein,  b Schiefer  oder  Flyach.) 


in  der  spanischen  Sierra  Nevada  langgezogene  Rücken,  über  die  sich 

die  beiden  höchsten  Punkte 
(Veleta  und  Mulhacen)  kaum 
merklich  erheben.  Wechseln 
Gesteine  von  verschiedener 
Widerstandskraft  mit  einan- 
der ab,  so  werden  die  här- 
teren durch  die  Verwitterung 
gleichsam  herausmodelliert, 
wie  zwei  drastische  Beispiele 
aus  der  Natur  in  Fig.  87  und 
88  zeigen.  Fig.  89  belehrt 
uns  endlich,  welche  Kamm- 
form gebogene  Sedimeut- 
schichten  annehmen  können. 

InBezugaufdieGehänge- 
form  unterscheiden  sich  die 
Sedimentgesteine  wesentlich 
von  den  krystallinischen 
Schiefem.  Der  Böschungswinkel  ist  unter  sonst  gleichen  Umständen  — 
wie  Lagerung,  Zerklüftung,  Verwitterungsgrad  und  klimatische  Ver- 


Fig.  88.  Aus  dem  Colorado-Gebiet  (zwei  Trachyt- 
gange  im  horizontalen  Sandstein  w)  nach  HaYI>EN. 


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Die  Verwitterung. 


349 


hältnisse  — bei  verschiedenen  Felsarten  verschieden.  Seine  Steilheit 
kann  nur  bis  zu  einer  gewissen  Grenze,  die  Heim  die  Maximal- 
böschung nennt,  zunehmen;  wird  diese  überschritten,  so  brechen 
die  oberen  Massen  schneller  oder 
langsamer  nach,  stürzen  herab  und 
Kamm  und  Gipfel  werden  erniedrigt. 

So  haben  die  nach  oben  fortschrei- 
tenden Schluchten  den  ursprünglich 
gerade  verlaufenden  Grat  der  C'hur- 
firsten  in  9—11  Zacken  zerschnitten 
(Fig.  90). 

Im  allgemeinen  ist  die  .Maximal- 
böschung am  größten  bei  Kalksteinen  Flgi  89-  Sicheikamm  nach  Heim. 
und  Dolomiten,  kleiner  bei  Sand- 
steinen und  Quarziten,  am  kleinsten  bei  Schiefern.  Da  nun  bei 
einem  aus  verschiedenen  Sedimentgesteinen  bestehenden  Berge  die 
Maximalböschung  von  Schicht  zu  Schicht  wechselt,  so  entstehen 
ungleichmäßig  geneigte  Abhänge  mit  sog.  Bandstruktur,  d.  h. 
mit  Hach  geneigten  Verwitteruugsterrassen,  die  den  weicheren 


Fig.  90.  Die  Churfirsten  nach  Heim. 


Schichten  entsprechen  (Fig.  91).  Bei  den  krystallinischen  Schiefern 
bleibt  dagegen  in  der  Regel  die  Maximalböschung  den  ganzen  Ab- 
hang entlang  die  gleiche.  Als  eines  der  schönsten  Beispiele  nennt 
Heim  den  Bristenstock  (in  der  Schweiz),  wo  mit  Ausnahme  einer 
ganz  unbedeutenden  Einbiegung  der  ganze  Abhang  unter  einem 
Winkel  von  36°  geneigt  ist  Die  krystallinischen  Schiefer  nehmen 
übrigens  eine  ähnliche  Verwitterungsform  an  wie  die  Sedimentge- 
steine, wenn  sie  flach  gelagert  sind ; anderseits  tritt  auch  bei  den  Sedi- 
mentgesteinen die  Bandstruktur  zurück,  wenn  sie  steil  aufgerichtet, 
dünnschichtig  oder  schieferig  sind. 

Es  muß  übrigens  bemerkt  werden,  daß  die  wirkliche  Böschung 


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350 


Die  Dynamik  des  Landes. 


nicht  immer  der  Maximalböschung  entspricht.  Sie  ist  größer,  wenn 
das  fließende  Wasser  durch  Abtragung  und  Unterwaschung  so  rasch 
arbeitet,  daß  die  Verwitterung  nicht  gleichen  Schritt  halten  kann; 
sie  ist  kleiner  im  umgekehrten  Falle.  Senkrechte  oder  überhängende 


Fig.  91.  Verwitterungsterrassen  im  Glämisch-Qebirge  nach  Bai.tzkr. 


Wände  sind  verhältnismäßig  selten  und  stets  örtlich  beschränkt; 
wenn  trotzdem  häufig  solcher  Erwähnung  geschieht,  so  kommt  dies 

daher,  daß  das  unge- 
übte Auge  nichts  so 
sehr  überschätzt,  als 
Böschungswinkel.  Oft 
wird  die  Böschung 
am  Fuße  eines  Ab- 
hangs plötzlich 
sanfter:  das  sind  ent- 
weder Schutt- 
halden, die  meist 
auf  trockenem  Wege 
sich  bildeten  und 

Fig.  92  n.  Erdpyramiden  bei  Bozen  in  Südtirol  (8 — 30  m H.).  gewöhnlich  nur  unter 

3 — 10°  geneigt  sind, 

oder  vom  Wasser  abgelagerte  Schuttkegel,  die  meist  einen  Winkel 
von  30°  erreichen. 

Die  ausserordentliche  Gewalt  des  spülenden  Kegens  in  lockeren 
Massen  illustrieren  am  besten  die  Erdpyramiden,  die  aus  dem 


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Die  Verwitterung 


351 


Gebirgsschutt  ausgewaschen  werden  (Fig.  92a).  Die  an  der  Ober- 
fläche oder  im  Schutt  befindlichen  Steinblöcke  dienten  dabei  als 
Schutz  gegen  die  fortschreitende  Erosion,  wie  Fig.  92b  erläutert. 

Solche  Bildungen 
findet  man  bei  Bozen,  ' 
im  Visp-  und  Bergun- 
thale  im  Kanton  Wal- 
lis, in  den  Pyrenäen  bei 
Luchon,  am  Ufer  von 


Bournemouth  und  im  Fig.  92  b.  Durchschnitt  zur  Erklärung  der  Bildung  der 
frro Bärtigsten  Mftßstab  ■Er^py,rail,i^€n  nach  Lyell,  abc  die  Wände  und  die  Sohle 
. TT-  • t j des  *m  P°rphyr  ursprünglich  ausgewaschenen  Thaies,  df e 
im  Himalaja.  In  der  die  Ausfüllung  des  Thaies  durch  den  Moränenschutt  eines 


Umgebung  von  Mel-  a^ten  Gletschers.  gbh  jetziger  Thaleinschnitt  mit  Erd 


bourne  wird  der 


Pyramiden  zu  beiden  Seiten. 


lehmige  Sandstein  in 

ähnlicher  Weise  ausgewaschen,  so  daß  nur  noch  vertikale  Säuleu 
unter  vorspringenden  Teilen  der  Kalkdecke  stehen  bleiben. 

Neben  der  regelmäßigen  Denudationsarbeit,  die  den  Verwitterungs- 
schutt zu  Thale  führt,  um  ihn  allmählich  mit  Hilfe  des  fließenden 
Wassers  in  die  Ebene  hinauszuschaften,  giebt  es  auch  katastrophen- 
artige Ereignisse,  welche  große  Massen  auf  einmal  von  den  Anhöhen 
in  das  Thal  befördern.  Nach  lange  andauernden  Regengüssen  ver- 
wandeln sich  die  Wildbäche  nur  allzuhäutig  in  gewaltige  Schlamm- 
und  Schuttströme  (sog.  Muren),  die  weite  Thalstrecken  überschütten. 
Durch  solche  Muren  wurden  z.  B.  in  den  Jahren  1874  und  1875 
bei  Ried  im  Oberinnthal  320000  kbm  Schutt  angehäuft.  Seltener, 
aber  noch  verheerender  sind  die  Berg-  und  Felsstürze,8  wodurch 
das  oft  Jahrhunderte  lang  angehäufte  Verwitterungsmaterial,  manch- 
mal auch  kolossale,  durch  den  Frost  losgelöste  Felsblöcke,  oft  durch 
unbekannte  Ursachen  aus  dem  Gleichgewichte  gebracht,  in  eine  stür- 
zende Bewegung  geraten.  Erdbeben  geben  häutig  Veranlassung 
dazu;  dies  war  der  Fall  beim  Absturze  der  Schlaggendorfer  Spitze 
in  der  Tatra  (1(562),  wodurch  dieselbe  ca.  300  m an  Höhe  verlor, 
und  beim  Einstürze  der  Südseite  der  Villacher  Alpe  (25.  Januar  1348), 
wodurch  13  Dörfer  begraben  wurden.  Entlang  von  Schicht-  oder 
Kluftflächen,  die  gegen  das  Thal  einfallen,  können  nicht  nur  lose, 
sondern  auch  Felsmassen  abrutschen,  wenn  ihre  Kohäsion  durch 
Spaltenbildungen  gelockert  und  ihre  Unterlage  durch  starke  Regen- 
güsse oder  abgelenkte  Quellen  durchweicht  ist.  Der  Sturz  des  Roß- 
berges am  2.  September  180(5,  wodurch  vier  Dörfer  verschüttet 
wurden,  ist  eine  der  bekanntesten  Katastrophen  dieser  Art.  Leider 
treten  sie  in  nassen  Jahren  im  Gebirge  sehr  häutig  ein.  Nach  Arktik 


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352 


Die  Dynamik  des  Landes. 


schweben  in  Tirol  300000  Menschen  in  steter  Lebensgefahr,  und 
Simony  veranschlagt  den  jährlichen  Schaden  auf  durchschnittlich 
eine  Million  Mark.  Der  Unverstand  der  Menschen  unterstützt  oft 
noch  die  zerstörenden  Kräfte,  indem  natürliche  Widerlager,  die  die 
zum  Rutschen  geneigten  Massen  stauen,  leichtsinnigerweise  weg- 
geräumt werden.  So  veranlaßte  z.  B.  die  Anlage  von  Steinbrüchen 
bei  Elm  jenen  furchtbaren  Bergschlipf  am  11.  September  1881, 
der  nicht  bloß  den  Thalboden,  sondern  auch  den  unteren  Teil 
der  gegenüberstehenden  Lehne  mit  einer  Schuttmasse  von  zehn 
Millionen  Kubikmetern  bedeckte.  In  manchen  Gegenden  setzen  sich 
kleinere  Rutschungen  durch  Jahrhunderte  hindurch  fort.  In  Thälem, 
die  das  Wasser  im  lockeren  Material  ausgegraben  hat,  sind  Be- 
wegungen der  Massen  infolge  ihrer  eigenen  Schwere  eine  regelmäßige 
Erscheinung. 

Gebiete  säkularer  Verwitterung.  Gegenüber  diesen  Gebieten 
einer  kräftigen  Denudation,  wo  die  Verwitterung  stets  neue  Angriö's- 
punkte  findet,  giebt  es  auch  weite  Erdräume  mit  warmfeuchtem 
Klima,  wo  unter  dem  Schutze  einer  dichten,  tiefgreifenden  Wald- 
vegetation, die  die  Abfuhr  der  Verwitterungsprodukte  hindert,  der 
Zersetzungsprozeß  von  den  Klüften  und  Fugen  konzentrisch  gegen 
das  Innere  des  Felsbodens  fortschreitet  und  diesen  im  Laufe 
langer  Zeiträume  bis  zu  einer  bedeutenden  Tiefe  in  ein  Haufenwerk 
von  eckigen  Gesteinsfragmenten,  Gruß  und  sandigen  und  tlionigen 
Massen  verwandelt,  während  der  Denudationsprozeß  sich  hauptsäch- 
lich auf  die  Fortführung  der  Karbonate  beschränkt  Pumpelly,  der 
auf  diesen  Vorgang  besonders  aufmerksam  gemacht  hat,  bezeichnet© 
ihn  als  säkulare  Verwitterung.  Die  Gebiete  derselben  teilt 
von  Richthofen  in  Regionen  der  Lateritbildung  und  in  solche 
der  lehmigen  Zersetzung.  Der  Laterit,  der  nur  im  Tropen- 
gtirtel  vorkommt,  unterscheidet  sich  von  den  lehmigen  Verwitterungs- 
produkten der  gemäßigten  Zone  oder  der  ihr  entsprechenden  Gebirgs- 
regionen  der  warmen  Zone  hauptsächlich  durch  den  hohen  Gehalt 
an  Eisenoxyd  und  die  dadurch  hervorgerufene  ziegelrote  Farbe  des 
Zerreibungsmehles.  Seine  Beschränkung  auf  die  Tropen  führte 
J.  Waltheb  darauf  zurück,  daß  bei  den  zahlreichen  Gewittern 
dieses  Erdgürtels  in  der  Luft  genügend  viel  Salpetersäure  entstehe, 
um  in  hohem  Grade  oxydierend  auf  die  Gesteine  einzuwirken,  und 
in  der  That  hat  die  Analyse  des  Regenwassers  von  Caracas  den 
hohen  Salpetersäuregehalt  tropischer  Gewitterregen  bestätigt10  In 
Vorder-  und  Hinterindien,  im  brasilianischen  Gebirge  und  in  Afrika 
von  Senegambien  bis  zum  Kapland  ist  diese  Bodenart  außerordent- 
lich häufig  und  erreicht  stellenweise  eine  Mächtigkeit  bis  zu  60  m. 


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Das  unterirdische  Wasser. 


353 


In  der  gemäßigten  Zone  sind  hauptsächlich  die  östlichen  Staaten 
der  Union  im  Süden  der  diluvialen  Gletschergrenze  von  einer 
mächtigen  Verwitterungsrinde,  dem  Produkte  des  einstigen  Urwaldes, 
bedeckt 

In  einigen  Gebieten  säkularer  Verwitterung  wurde  das  Felsen- 
gerüst infolge  von  Klimaschwankungen  in  vorgeschichtlicher  Zeit  oder 
von  Niveauveränderungen,  die  eine  erhöhte  Erosionsthätigkeit  hervor- 
riefen, wieder  bloßgelegt  und  zeigt  nun  eigentümliche  unregelmäßige 
Oberflächenformen,  einen  Wechsel  von  Erhöhungen  und  Vertiefungen, 
die  der  Verbreitung  widerstandsfähiger  und  leicht  zerstörbarer  Ge- 
steine entsprechen.  In  der  Mongolei  gab  wahrscheinlich  eine  starke 
Verminderung  der  Niederschläge  die  Veranlassung  dazu.  Die  Vege- 
tation starb  infolgedessen  ab,  und  der  Wind  bemächtigte  sich  der 
feineren  Verwitterungsprodukte,  während  der  gröbere  Schutt  zurück- 
blieb. Auch  die  Grundmoränen  diluvialer  Gletscher  wurden  von 
Pumpellt  für  umgearbeiteten  Verwitterungsschutt  gehalten.11  Hier 
betreten  wir  aber  bereits  das  Gebiet  der  reinen  Hypothese,  wie  ja 
überhaupt  in  Bezug  auf  die  Eluvialbildungen  die  Ansichten  noch 
sehr  der  Klärung  bedürfen. 

Litteraturnachweise.  1 Heim,  im  Jahrbuch  des  Schweizer  Alpenklub,  1886, 
Bd.XXI,  S.342.  — 1 Roth,  Lehrbuch  der  chemischen  Geologie,  Bd.I,  Berlinl879. — 
8 Müntz,  in  den  Comptes  rendus  de  l’Acadt'imie  des  Sciences,  Paris  1890,  Bd.  CX, 
S.  1370.  — 4 Senkt,  Fels  u.  Erdboden,  München  1876.  — ‘ Darwin,  Die  Bildung 
der  Ackererde  durch  die  Thätigkeit  der  Würmer,  Stuttgart  1882.  — 6 Keller, 
Reisebilder  aus  Ostafrika  und  Madagaskar,  Leipzig  1887.  Haacke,  Über  die 
geologische  Thätigkeit  der  Ameisen,  in  „Zoologischer  Garten“,  Frankfurt  a.  M. 
1886.  Lenz,  Die  Bedeutung  der  Termiten  für  Erdbewegung,  in  den  Mit- 
teilungen der  Wiener  Geographischen  Gesellschaft  1894.  — 7 Davison,  im  Geo- 
logical  Magazine  1889,  8.  255.  — 8 Heim,  Über  die  Verwitterung  im  Gebirge, 
Basel  1879.  — 8 Heim,  Über  Bergstürze,  Zürich  1882.  Necmayr,  Über  Berg- 
stürze, in  der  Zeitschrift  des  D.  u.  O.  Alpenvereines,  1889.  — 10  Müntz  und 
Marcano,  Über  den  Salpetersäuregehalt  tropischer  Regen,  in  der  Meteoro- 
logischen Zeitschrift  1889.  — 11  Pumpelly,  im  American  Journal  of  Scienee 
1879,  Bd.  I,  S.  133. 


Das  unterirdische  Wasser.1 

Von  den  Niederschlägen  fließt  ein  Teil  oberflächlich  ab,  ein 
Teil  verdunstet,  ein  Teil  wird  von  den  Organismen  aufgenommen 
und  kehrt  erst  nach  deren  Tode  wieder  in  den  Kreislauf  des  Wassers 
zurück;  etwa  ein  Drittel  versinkt  in  den  Erdboden  und  kommt 
stellenweise  als  Quelle  wieder  zu  Tage;  und  nur  ein  kleiner  Bruch- 
teil wird  für  längere  Zeit,  vielleicht  dauernd,  der  großen  Wasser- 

Supak,  Physische  Erdkunde.  2.  Aull.  23 


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354 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Zirkulation  (von  der  Erdoberfläche  in  die  Atmosphäre  und  von  der 
Atmosphäre  auf  die  Erdoberfläche  zurück)  entzogen,  indem  er  bei 
der  Umwandlung  wasserfreier  in  wasserhaltige  Mineralien  aufge- 
braucht wird. 

Verhalten  des  Bodens.  Nicht  alle  Bodenarten  verhalten  sich 
gleichmäßig  gegenüber  dem  Wasser.  Undurchlässig  sind  Thon, 
Mergel,  Lehm  und  die  meisten  krvstallinischen  Gesteine,  freilich 
auch  nicht  absolut  undurchlässig,  denn  selbst  die  mikroskopischen 
Poren  fester  Gesteine  sind  noch  häufig  mit  Feuchtigkeit  (sog.  Berg- 
feuchtigkeit) durchtränkt.  Aber  immerhin  spielen  sie  eine  wesent- 
lich andere  Rolle  im  Haushalte  der  Natur,  als  lockerer,  poröser  oder 
zerklüfteter  Boden,  dem  die  Eigenschaft  der  Durchlässigkeit  in 
hohem  Grade  zukommt 

Besteht  die  Oberfläche  aus  undurchlässigem  Boden,  so  kommt 
es  zu  keiner  Quellenbildung.  Ist  sie  eben,  so  versumpft  sie;  ist  sie 
geneigt,  so  fließt  das  Wasser  rasch  ab;  bei  Dürre  versiegen  die 
Bäche  und  Flüsse,  bei  heftigen  Niederschlägen  schwellen  sie  zu  Wild- 


strömen an. 

In  durchlässigem  Boden  versinkt  das  Wasser,  nachdem  es  die 
Kapillarräume  der  obersten  Schicht  gefüllt  hat,  in  die  Tiefe,  bis  es 
auf  eine  undurchlässige  Schicht  stößt,  und  es  kann  als  Regel  gelten, 
daß  heftige  Niederschläge  ihm  weniger  Nahrung  zuführen,  als  schwacher 
Regen  oder  schmelzender  Schnee.  Wesentlich  verschieden  verhält 
sich  aber  lockerer  und  poröser  Boden  einerseits,  zerklüfteter  anderer- 
seits. Der  erstere  saugt  das  Wasser  auf,  wie  ein  Schwamm,  und 
wird  in  seinen  untersten  Teilen,  über  der  undurchlässigen  Schicht, 
mehr  oder  weniger  durchtränkt.  Das  ist  das  Grundwasser,  für 

das  flächenhafte 
Ausbreitung 
charakteristisch  ist. 
Liegen  die  Schichten 

Fig.  93.  Becken  mit  zwei  Grundwaaserschichten  (1  u.  3)  horizontal, SO  bildet 
und  zwei  undurchlässigen  Schichten  ( 2 u.  4).  a artesiecher  es  gleichsam  einen 
Brunnen,  b gewöhnlicher  Brunnen.  St‘e'  sind  sie  geneigt 

so  bewegt  es  sich 

langsam  in  der  Richtung  der  Abdachung.  Im  letzteren  Falle  finden 
wir  meist  mehrere  Grundwasserniveaus  übereinander,  durch  un- 
durchlässige Schichten  voneinander  getrennt.  In  Fig.  93,  die  uns  die 
Lagerungsverhältnisse  eines  Beckens  schematisch  vor  Augen  führt, 
führen  z.  B.  die  Schichten  1 und  5 Grundwasser,  denn  die  letztere, 
die  unter  a und  b tief  im  Boden  begraben  liegt,  streicht  an  anderem 
Orten  zutage  und  erhält  hier  direkt  atmosphärische  Niederschläge. 


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Das  unterirdische  Wasser. 


355 


Die  oberste  Grandwasseretage  (1)  ernährt  unsere  gewöhnlichen 
Brunnen,  DaubkRe  nennt  sie  daher  die  phreatische  Schicht  (von 
rf  Qiufj  = Brunnen).  Manche  Schriftsteller  wenden  auf  sie  allein  die 
Bezeichnung  Grundwasser  an;  wie  überhaupt  der  Begriff  Grund- 
wasser zu  denjenigen  gehört,  über  die  in  der  Litteratur  die  größte 
Verwirrung  herrscht. 

In  den  Brunnen  erscheint  das  Grundwasser  als  Wasserspiegel, 
dessen  Höhe  sich  von  einer  Jahreszeit  zur  anderen,  von  einem  Jahre 
zum  anderen  ändert.  Diese  Schwankungen  sind  vor  allem  von  zwei 
Faktoren  abhängig,  die  sich  einander  ent- 


gegenarbeiten: von  dem  Niederschlage  und 
der  Verdunstung;  und  seine  jährliche  Periode 
richtet  sich  nach  demjenigen  Faktor,  der 
größeren  jahreszeitlichen  Schwankungen  unter- 

worfen  ist  *.  Die  Niederschläge  sind  aber  nicht  der  Küste.  ^(Zbwsnivean 
ausschließlich  die  Ernährer  des  Grundwassers,  bei  Ebbe,  t bei  Flut;  gg' 
denn  in  den  Klüften  und  Poren  des  Gesteins  ^""d^Lige^Zcht: 
zirkuliert  auch  Luft  und  kondensiert  hier 

im  Sommerhalbjahr,  wo  die  Bodentemperatur  bis  30  m Tiefe  niedriger 
ist  wie  die  Luftwärme,  seinen  Inhalt  an  Wasserdampf.3  Außer  der 
atmosphärischen  Feuchtigkeit  dringt  auch  Fluß-  und  Seewasser  in 
die  durchlässigen  Uferwandungen  ein  und  durchnäßt  ein  größeres 
oder  kleineres  Gebiet.  In  manchen  Küstengegenden  fällt  und  steigt 


x Ale  Repräsentanten  der  beiden  Typen  führt  Sovka*  München  und  Berlin 
an.  In  nachstehender  Tabelle  ist  die  Verdunstung  durch  das  Sättigungsdefizit 
ausgedrückt,  die  Grundwasserhohe  ist  die  Höhe  des  Wasserspiegels  über  dem 
Meere.  Die  jahreszeitlichen  Werte  sind  als  Abweichungen  vom  durchschnitt- 
lichen Monatsmittel  gegeben,  um  den  Parallelismus  klarer  hervortreten  zu 
lassen.  Man  beachte  besonders  das  gegenteilige  Verhalten  der  Stationen  im 
Winter  und  Sommer;  in  München  steigt  und  fällt  das  Grundwasser  mit  dem 
Regen,  in  Berlin  ist  es  dagegen  von  der  Verdunstung  abhängig.  Im  Frühling 
schwillt  es  durch  die  Schneeschmelze  an. 


München  1856—85 


Berlin  1870 — 85 


Nieder- 

schlag 

Ver- 

dunstung 

Grund- 

wasser- 

höhe 

Nieder- 

schlag 

Ver- 

dunstung 

Grund- 

wasser- 

höhe 

Monatsmittel  . 

66,i  mm 

1,50  mm 

515,.6  m 

47,»  mm 

2,n  mm 

32,6.  m 

Winter  . . . 

— 29,5 

-1,38 

— 0,07 

- 7.» 

-1,01 

+ 0,03 

Frühling  . . 

- 5,5 

+ 0,n 

+ 0,04 

- 8,i 

+ 0,03 

+ 0,81 

Sommer  . . 

+ 42,. 

+ 1,6» 

+ 0,18 

+ 15,3 

+ 2,40 

— 0,08 

Herbst  . . . 

- b* 

-0,»» 

— 0,08 

- 0,o 

— 0,54 

— 0,22 

23" 


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356 


Die  Dynamik  des  Landes. 


das  Brunnenniveau  mit  Ebbe  und  Flut;  Fig.  94  zeigt  uns,  wie  das 
Grnndwasser,  das  bei  Ebbe  einen  Ausfluß  zum  Meere  hat,  bei  Flut 
gestaut  wird. 

So  geartet  sind  die  Verhältnisse  in  den  breiten  Alluvialthälem 
der  Gebirge  und  auf  den  weiten  Ebenen,  die  mit  lockeren  Massen 
bedeckt  sind.  Das  sind  aber  gerade  die  am  dichtesten  besiedelten 
Gebiete  der  Erde,  und  daraus  erhellt,  welche  Bedeutung  dem  Grund- 
wasser zukommt. 

Wesentlich  anders  gestaltet  sich  die  unterirdische  Wasserzirku- 
lation im  zerklüfteten  Boden.  Auch  hier  wandert  es  in  die  Tiefe, 
bis  es  durch  eine  zusammenhängende  undurchläßige  Schicht  gehemmt 
wird,  aber  es  breitet  sich  nicht  flächenartig  aus,  sondern  bewegt 
sich  durch  die  Spalten  und  Schichtungsfugen  wie  in  Kanälen. 
Darin  besteht  die  Eigentümlichkeit  des  Kluftwassers  gegenüber 
dem  Grundwasser. 

Das  Karstphänomen.4  Es  ist  vorauszusetzen,  daß  auch  das  Kluft- 
wasser seine  erodierende  Kraft  bethätigt,  indem  es  seine  Kanäle 
allmählich  erweitert;  aber  größere  Veränderungen  ruft  es  doch  nur 
dort  hervor,  wo  sich  zu  der  mechanischen  Wirkung  eine  ausgiebige 
chemische  gesellt.  Das  ist  vor  allem  der  Fall  in  Salz,  Gips  und 
Kalkgestein,  die  durch  kohlensaures  Wasser  aufgelöst  und  fortgeführt 
werden.  Dadurch  werden  die  ursprünglichen  Klüfte  zu  mehr  oder 
minder  großen  Gängen  und  Hohlräumen  erweitert.  Am  weitesten 
fortgeschritten  ist  dieser  Prozeß  im  Karste,  jenem  Kalkgebirge,  das 
sieb  von  der  Laibacher  Ebene  über  Istrien,  Dalmatien,  Bosnien,  die 
Herzegowina  und  Albanien  bis  nach  Griechenland  erstreckt,  weshalb 
man  jetzt  alle  hierher  gehörigen  Erscheinungen  unter  dem  Namen 
Karstphänomen  zusammenzufassen  pflegt.  Das  Charakteristische 
desselben  besteht  darin,  daß  (he  Erosion  hauptsächlich  unter  die 
Oberfläche  verlegt  ist,  wodurch  eine  starke  Zerklüftung  und  Durch- 
löcherung des  ganzen  Geländes  erzeugt  wird.  Die  weitverzweigten 
Höhlen  kann  man  füglich  als  unterirdische  Thäler  bezeichnen. 
Wie  in  oberirdischen  Thälern  wechseln  auch  hier  oft  Engen  und 
Weitungen,  findet  man  auch  hier  Seen  und  Wasserfälle.  Wenn 
viele  Grotten  keine  Flüsse  beherbergen,  so  erklärt  sich  dies  daraus, 
daß  die  Eröffnung  neuer  Klüfte  (z.  B.  infolge  von  Erdbeben)  das 
Wasser  von  seiner  ursprünglichen  Bahn  abgelenkt  hat.  Häufig  münden 
Seitenhöhlen  in  die  Haupthöhle,  wie  Nebenthäler  in  das  Haupt- 
thal, oder  die  Zweiggänge  eines  Grottensystems  sind  nur  verlassene 
Wege  des  Hauptflusses.  Manche  Grotten  bestehen  aus  mehreren, 
etagenartig  übereinander  liegenden  Höhlen,  deren  unterste  in  der 


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Das  unterirdische  Wasser. 


357 


Regel  von  einem  Bache  durchflossen  wird.  Ein  berühmtes  Beispiel 
dieser  Art  ist  die  Lueger  Grotte  in  Krain. 

Sind  die  Höhlen  einerseits  ein  Produkt  der  zerstörenden  Kraft 
des  Wassers,  so  sind  sie  andererseits  auch  ein  Schauplatz  von  Neu- 
bildungen. Kies  und  Lehm  werden  vom  fließenden  Wasser  abge- 
lagert, während  die  Tropfsteine  von  dem  durch  die  Decke  sickernden 
Regen wasser  gebildet  werden.  Dieses  scheidet  den  Kalk,  mit  dem 
es  sich  auf  seinem  Wege  beladen  hat,  bei  der  Verdunstung  zum  Teil 
an  der  Decke,  zum  Teil  an  dem  gerade  darunter  liegenden  Punkte 
des  Bodens  aus.  Die  herabhängenden  Tropfsteine  oder  Stalaktiten 
und  die  vom  Boden  aufsteigenden  Stalagmiten  vereinigen  sich  end- 
lich bei  ungestörtem  Wachstum  zu  Säulen  (Fig.  95).  Neben  den 


Fig.  05.  Aus  der  Adelsberger  Grotte  in  Krain. 


Zapfen  und  Kegeln,  die  dem  tropfenden  Wasser  ihre  Entstehung 
verdanken,  giebt  es  auch  schwammartige  Kalkbildungen,  die  aus 
größeren  Wassermengen  abgelagert  sind,  und  oft  einen  zauberhaften 
Anblick  gewähren,  wie  z.  B.  die  Draperien  an  den  Wänden,  die 
durch  Niederschläge  aus  den  Überrieselungen  der  Wandflächen  ent- 
stehen. Ist  der  Kalk  rein,  so  sind  alle  diese  Bildungen  wasserhell; 
häufig  werden  sie  aber  durch  Beimengung  von  Metalloxyden,  beson- 
ders von  Eisen,  gefärbt. 

In  den  sog.  Eishöhlen  vertritt  Eis  die  Stelle  des  Tropfsteins. 
Es  sind  diess  stets  Sackhöhlen,  d.  h.  ihr  Eingang  liegt  höher,  als 
der  übrige  Höhlenraum,  ln  diesem  sammelt  sich  die  schwere  kalte 
Winterluft,  wie  in  einem  Gefäße,  und  wird,  da  sie  nicht  abfliessen 
kann,  von  der  wärmem  Luft  im  Frühjahr  und  Sommer  nicht  ver- 
drängt. Eishöhlen  können  daher  nur  in  Gegenden  Vorkommen,  wo 
die  winterliche  Temperatur  dauernd  unter  den  Gefrierpunkt  sinkt.6 


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358 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Manche  unterirdischen  Flüsse  des  Karstes  treten  niemals  zu 
Tage  und  münden  unterirdisch  in  das  Meer.  An  solchen  Stellen  hat 
das  Seewasser  geringen  Salzgehalt.  Wir  begegnen  diesem  Phänomen 
an  allen  Kalkküsten.  In  den  dalmatinischen  Gewässern  hat  z.  B. 
die  Hertha-Expedition  das  Vorhandensein  zahlreicher  Grundquellen 
festgestellt.  Die  Quelle  von  Cannes  mündet  162,  die  von  S.  Remo  190, 
die  am  Kap  St.  Martin  sogar  700  m unter  dem  Meeresniveau.  Anderer- 
seits tritt  auch  das  Meerwasser  in  die  Klüfte  des  Kalksteines  ein 
und  bricht  nach  unterirdischem  Laufe  als  Quelle  hervor.  Bekannt 


Fig.  96.  Flußsystem  der  Laibach  in  Krain,  noch  Urbas  u.  a. 
Oberirdische,  unterirdische  Flußläufe. 


sind  die  beiden  Quellen  bei  Argostoli  auf  Kephalonia,  die  stark  genug 
sind,  um  Mühlen  zu  treiben;  und  einen  ähnlichen  Fall  hat  vonLobenz 
in  Istrien  beobachtet 

Die  Mehrzahl  der  KarstHüsse  Hießt  aber  teils  in  unterirdischen, 
teils  in  oberirdischen  Tliälern.  Ein  bekanntes  Beispiel  bietet  der 
Laibachtiuß  (Fig.  96),  der  als  Poik  seinen  Anfang  nimmt,  dann  bei 
Adelsberg  in  die  berühmte  Grotte  eintritt,  als  Unz  wieder  zu  Tage 
kommt,  abermals  verschwindet  und  endlich  unter  dem  Namen  Lai- 
bach das  oberkrainische  Thalbecken  betritt.  Von  den  85  km  seiner 
Gesamtlänge  kommen  20  auf  den  unterirdischen  Lauf,  und  in  gleicher 


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Das  unterirdische  Wasser. 


359 


Weise  verhalten  sich  auch  viele  seiner  Nebenflüsse.  Das  Verschwinden 
geschieht  entweder  plötzlich  in  eine  Spalte  oder  in  eine  im  Niveau 
der  Thalsole  sich  befindende  Höhle. 

Soweit  die  oberirdischen  Thalstücke  eng  und  gewunden  sind, 
dürften  sie  nichts  anderes  sein,  als  eingestürzte  Höhlen.  In  vielen 
Fällen  läßt  sich  dieser  Ursprung  noch  direkt  nachweisen,  wenn  Reste 
der  alten  Decke  in  der  Form  von  Tunnels  oder  natürlicher 
Brücken  noch  erhalten  sind.  Doch  werden  Brücken  dieser  Art 
auch  durch  herabgestürzte,  große  Felsblöcke  gebildet,  die  sich 
zwischen  den  unteren  Thalwänden  einklemmen;  und  eine  dritte  Ent- 
stehungsart. durch  Überwucheruug  mit  Travertinablagerungen,  hat 
Keller  an  einem  Beispiele  aus  der  Provinz  Umbria  erläutert.6 

Eine  andere  Bewandtnis  dürfte  es  aber  mit  jenen  breiten  ober- 
irdischen Thalstücken,  wie  denen  von  Planiua  und  Zirknitz,  haben, 
für  die  sich  am  besten  der  in  Bosnien  übliche  Namen  Polje  (Feld) 
eignet  Auch  sie  sind  von  allen  Seiten  geschlossene,  langgestreckte 
Becken  oder  Wannen,  wie  sie  Penck  genannt  hat,  oft  von  bedeutender 
Ausdehnung;  das  von  Livno  mißt  z.  B.  379  qkm.  Der  Mehrzahl  nach 
streichen  sie  parallel  mit  dem  Gebirge  und  den  Schichtenfalten  nach 
Nordwest,  und  damit  hängt  auch  ihre  reihenweise  Anordnung  zu- 
sammen. Soweit  unsere  Kenntnisse  reichen,  kommen  sie  nur  in  dis- 
lozierten Gebieten  vor,  und  Märtel  betrachtet  sie  mit  Recht  als  alte 
Seebecken  und  führt  ihre  Entstehung  auf  dieselben  Bodenbewegungen 
zurück,  die  auch  in  anderen  Gebirgen  die  Bildung  von  Seebecken 
veranlaßten;  nur  daß  bei  den  letzteren  der  oberirdische  Abfluß  au 
einer  Seite  eine  Öffnung  geschaffen  hat  Manche  Poljen  beherbergen 
noch  abflußlose  Seen,  wie  das  von  Janina  in  Epirus  oder  das  Vrana- 
becken  auf  der  Insel  Cherso;  andere  werden  nur  noch  periodisch 
mit  Wasser  gefüllt  Der  Zirknitzer  See  ist  das  am  besten  studierte 
Beispiel  dieser  Artx.  Das  seebildende  Wasser  kommt  in  allen  Fällen 
hauptsächlich  von  unten,  aus  den  mit  Geröll  bedeckten  Spalten  und 
Löchern  am  Fuße  des  Gebirges  oder  am  Boden  der  zeitweilig  wasser- 
bedeckten Thalebene,  und  verschwindet  dann  auch  wieder  in  den- 
selben. -Alle  diese  Sauglöcher  führen  nach  Tietze  zu  einem  verti- 
kalen Spalteusysteme , das  einerseits  mit  unterirdischen  Wasser- 
behältern, andererseits  mit  der  Oberfläche  in  Verbindung  steht.  Bei 
anhaltendem  Regen  oder  bei  Schneeschmelze  werden  diese  Adern 
mit  Wasser  gefüllt,  und  aus  den  in  tieferem  Niveau  mündenden 
muß  dann  das  Wasser  nach  dem  Gesetze  der  kommunizierenden 

s Ein  Seitenstück  dazu  ist  der  Bauerugraben  oder  Hungersee  am  Süd- 
abliange  des  Harzes  (vgl.  Petermanns  Mitteilungen  1864,  S.  43  u.  1911. 


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360 


Die  Dynamik  de»  Landes. 


Fig.  Ö7.  Doppeldoline  bei  I-esetsche  im  Kurs! 
nach  Rf.yf.b. 


Gefäße  hervortreten  und  das  Thal  erfüllen.  Wird  durch  irgend  ein 
Ereignis  dem  Wasser  ein  anderer  unterirdischer  Weg  angewiesen, 
so  hört  die  Seebildung  ganz  auf,  wie  in  der  Ebene  von  Verdoletsch 

in  Kroatien  oder  wie  auch 
in  manchen  Poljen  inner- 
krains.  Nun  ist  das  Polje 
trocken,  und  es  hängt 
ganz  von  der  Beschaffen- 
heit des  ehemaligen  See- 
bodens, von  der  Verteilung 
der  Sauglöcher  und  von 
den  Beziehungen  zu  benachbarten  Höhlen  ab,  ob  es  von  einem  oder 
mehreren  verschwindenden  Flüssen  bewässert  wird  oder  ganz  des 
Wassers  entbehrt.  Die  Poljen  von  Zirknitz  und  Planina  (s.  Fig.  96) 
z.  B.  sind  in  das  Abfiußsystem  der  Laibach  einbezogen. 

Noch  einer  anderen  Eigentümlichkeit  des  Karstes  muß  gedacht 
werden.  Nicht  bloß  die  Oberfläche  des  Karstplateaus,  sondern  auch 
die  Abhänge  der  Berge  sind  mit  schüssel-  oder  trichterförmigen  Ver- 
tiefungen bedeckt,  für  die  die  deutsche  Wissenschaft  die  slovenische  Be- 
zeichnung Doli  neu  angenommen  hat.  Sie  treten  vereinzelt  oder  gesellig 
auf,  und  sind  häutig  so  dicht  neben  einander  (oft  40—50  auf  1 qkm!), 
daß  die  Karstoberfläche  in  der  That  einem  blatternarbigen  Gesichte, 
womit  man  sie  so  oft  verglichen  hat.  ähnlich  sieh t.  Die  Form  dieser 
Löcher  ist  bald  kreisrund,  bald  unregelmäßig,  ihre  Tiefe  variiert 
zwischen  2 und  20  m,  ihr  Durchmesser  von  10  bis  120  m.  Selten 
besteht  der  Boden  aus  nacktem  Fels,  meist  ist  er  mit  Zersetzungs- 
lehm bedeckt,  hier  und  da  auch  mit  Wasser  und  in  den  höheren 
Regionen  auch  mit  dauerndem  Schnee  gefüllt  Von  diesen  geschlos- 
senen Felsendolinen  siud  die  Naturschachte  und  Scbwemm- 
landdolinen  zu  unterscheiden.  Die  ersteren  sind  Felsendolinen, 
die  entweder  mittels  einer  verbreiterten  Spalte  zu  einer  blindeu  Höhle 
oder  mittels  eines  breiten  Schlotes  zu  einem  unterirdischen  Fluß- 
thale  führen  (Fig.  100).  Die  Schwemmlanddolinen  treten  im  lockeren 
Boden  auf,  sei  es  auf  dem  Lehmboden  großer  Felsendolinen.  sei  es 
auf  Thalböden.  Nur  von  ihnen  gilt,  was  Pilar  vom  kroatischen 
Grenzbezirke  berichtet,  nämlich  daß  die  Neubildung  von  Dolinen  so 
rasch  vor  sich  gebe,  daß  mancher  Bewohner,  der  nach  einigen 
Jahrzehnten  in  seine  Heimat  kam,  dieselbe  kaum  mehr  zu  erkennen 
vermochte,  denn  Häuser  waren  infolge  von  Einstürzen  verlegt,  neue 
Wege  waren  gebahnt,  Obstgärten  waren  verschwunden.  Hier  finden, 
das  liegt  auf  der  Hand,  Einstürze  über  breiten  Spalten  im  Unter- 
gründe statt.  Dieselbe  Entstehungsweise  schrieb  man  auch  den 


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Das  unterirdische  Wasser. 


361 


Felsendolinen  und  Naturscliaehten  zu,  und  in  manchen  Fällen 
dürfte  diese  Erklärung  zutreffend  sein.  Zwischen  dem  Tartarusarm 
der  Adelsberger  Grotte  und  der  Höhle  von  Ottok  breitet  sich  ein 
großes  Trümmerfeld  aus  und  gerade  über  ihm  befindet  sich  die 
Doline  Stara  Apnenca.  Hier  ist  offenbar,  wie  aus  Fig.  98  erhellt, 
die  Decke  des  ehemaligen  Hohlraumes,  der  den  Tartarus  mit  der 
Ottokgrotte  verband,  eingestürzt  Dagegen  können  wir  in  anderen 


Fig.  98.  Die  Einsturzdoline  Stara  Apnenca  in  Krain,  nach  Märtel. 


Fällen  direkt  nachweiseu,  daß  ein  derartiger  Vorgang  nicht  statt- 
gefunden hat.  Der  Bau  einer  3 m tiefen  Doline  bei  Unterloitsch 
ist  durch  einen  Eisenbahneinschnitt  völlig  aufgedeckt  (Fig.  99).  Hier 
ist  die  Doline  in  festen  Fels  eingesenkt,  der  Boden  ist  — wie  die 
Zeichnung  durch  Punktierung  andeutet  — bis  zu  einer  gewissen 
Tiefe  durch  Verwitterung  mürbe  gemacht  oder  aufgelöst,  am  tiefsten 
unter  dem  Boden  der  Doline,  von  wo  sich  enge  Spalten  nach  der 
Tiefe  ziehen.  Hier  kann  von  Einsturz  keine  Bede  sein ; die  einzige 
Erklärung,  die  uns  übrigbleibt,  ist  die  durch  chemische  Erosion 
des  Kalksteins,  die  das  Wasser  entlang 
vorhandener  Spalten  bewirkte.  Wir 
dürfen  annehmen,  daß  dieser  Prozeß 
sich  auf  diejenigen  Stellen  konzentrierte, 
wo  besonders  viele  Vertikalspalten  der 
Zersetzung  vorgearbeitet  hatten  und  die 
Abfuhr  der  Zersetzungsprodukte  nach 
der  Tiefe  begünstigten.  Mit  der  Zeit 
wurden  diese  Spalten  verstopft  und  die  ,*itech  in  Krain>  nach  CvlJl6 
Verwitterungserde  konnte  sich  nun  auf 

dem  Boden  der  Doline  ansammeln.  Auch  viele  Naturschachte  sind 
nichts  anderes,  als  durch  chemische  Erosion  erweiterte  Vertikal- 
spalten; ein  nicht  mißzuverstehendes  Beispiel  dieser  Art  aus  dem 
französischen  Karstgebiete  bietet  uns  Fig.  100. 

Den  Dolinen  nahe  verwandt  sind  die  geologischen 


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362 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Orgeln,  kleine,  kaminartige  Löcher  im  thonigen  Kalksteine,  die 
aber  stets  mit  lockeren  Massen  bedeckt  und  ausgefüllt  sind  und 
daher  nur  in  Einschnitten  zu  Tage  treten.  Ein  Oberflächengebilde 
anderer  Art  wie  die  Dolinen,  aber  ebenfalls  durch  chemische 
Erosion  entstanden,  sind  die  in  den  Kalkalpen  wohlbekannten 


Karren  oder  Schratten  (Fig.  101). 
Sie  treten  bald  allein,  bald  mit  Dolinen 
vergesellschaftet  auf,  und  zwar  nur  auf 
vegetationslosen  Kalkflächen,  wo  das  Regen- 
und  Schmelzwasser  oberflächlich  abfließen 
kann.  Statt  Löcher  bilden  sich  dann  zahl- 
reiche lauge  und  parallele  Furchen,  die 
der  Abdachung  folgen,  und  zwischen  welchen 
Rippen  von  verschiedener  Breite,  oft  mit 
messerscharfer  Kante  und  dann  sehr  gefähr- 
lich für  den  Wanderer,  sich  erheben.  Be- 
sitzt die  Oberfläche  eine  geringe  Neigung, 
so  herrschen  unregelmäßige  tiefe  Löcher  und 
kurze  Furchen  vor.  Stets  entsprechen  die 
Vertiefungen  den  leichter,  die  Erhebungen 
den  schwerer  löslichen  Partien;  ist  der 
Kalkstein  unrein,  so  bilden  sich  zwar  rauhe 
Oberflächenformen,  aber  keine  Karren. x 

Überblicken  wir  noch  einmal  alle  die 
verschiedenen  Elemente  des  Karstphänomens : 

1.  Gebilde  der  Tiefenerosion: 

a)  primäre:  Höhlen. 

b)  Sekundäre,  durch  Einsturz  ent- 
standen : 


Fig.  10U.  Naturschacht  Font- 
longue  bei  dem  Dorfe  Bidon, 
Dep.  ArdOche,  nach  M ARTEL. 


u)  alle  Schwemmlanddolinen, 
ß)  Felsendolinen,  zum  Teil, 
y)  Naturschachte,  zum  Teil, 
Ö)  Oft'ene  Thalstücke. 


x Iii  neuerer  Zeit  wurde  vielfach  die  Ansicht  laut,  daß  die  Karren  durch 
die  Schmelzwässer  eiszeitlicher  Gletscher  geschaffen  wurden,  allein  sie  sind 
keineswegs  auf  alte  Glazialgebiete  beschränkt,  sondern  kommen  in  allen  Klimaten 
und  in  den  verschiedensten  Höhenlagen  vor.  Gletsehererzeugnisse  mögen  aber 
wohl  jene  breiten  gewundenen  Furchen  sein,  die  durch  gerundete  Rücken  von- 
einander getrennt  werden,  und  auf  die  man  leider  auch  die  Bezeichnung  Karren 
anwendet. 


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Dag  unterirdische  Wasser. 


3li3 


2.  Gebilde  der  Oberflächenerosion: 

a)  Im  reinen  Kalkstein. 

a)  Auf  ebenem  oder  sauft  geneigtem  Kalkboden: 
au)  Felseudolinen,  /um  Teil, 
ßß)  Xaturschachte,  zum  Teil. 
ß)  Auf  stark  geneigtem  Kalkboden:  Karren. 

b)  In  unreinem  Kalkstein:  geologische  Orgeln. 

3.  Tektonische  Formen,  durch  die  Tiefenerosion  modifiziert: 

Poljen. 

Nicht  alle  Elemente  des  Karstphänomens  sind  überall  in  gleicher 
Weise  ausgebildet,  am  seltensten,  wie  es  scheint,  die  Poljen.  Die 


Fig.  101.  Ein  Karrenfeld  nach  Heim. 


Causses  in  Frankreich  sind  z.  B.  verhältnismäßig  wenig  höhleu- 
aber  sehr  dolinenreich,  während  umgekehrt  der  Wüstenkalk  des 
Antilibanon  zahlreiche  Grotten  birgt,  der  Dolinen  aber  gänzlich  ent- 
behrt. Sieht  man  von  der  Vollständigkeit  ab,  so  kann  man  sagen,  daß 
das  Karstphänomen  eine  allgemeine  Verbreitung  besitzt.  Weder 
das  geologische  Alter  noch  die  Lageruugsverhältnisse  der  Kalksteine 
sind  darauf  von  Einfluß.  Es  kommt  ebenso  in  Faltengebirgen  wie 
in  horizontal  geschichteten  Plateaus  (z.  B.  in  Livland  oder  in  den 
Causses)  vor.  Maßgebend  ist  nur  die  größere  oder  geringere  Rein- 
heit des  Kalksteines,  und  nur  diesem  Umstände  ist  es  zuzuschreiben, 
daß  die  Caprotinen-  und  Rudistenkalke  der  Kreideformation  die 
Hauptträger  des  Karstphänomeus  zu  sein  scheinen. 


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364 


Die  Dynamik  des  Landes. 


In  Europa  sind  neben  dem  Karstgebirge  (im  weitesten  Sinne 
des  Wortes)  die  Kalkplateaus  der  Causses  im  französischen  Zentral- 
massiv das  ausgedehnteste  und  — Dank  den  jahrelangen  Forschungen 
Martels  — bestbekannte  Karstland.  Von  den  zahlreichen  außereuro- 
päischen Vorkommnissen  wollen  wir  nur  zwei  nennen:  Jamaica,  ein 
echtes  Karstland,  dem  auch  die  Poljen  nicht  fehlen,  und  das  umfang- 
reiche Höhlengebiet  der  Vereinigten  Staaten  zwischen  dem  Alleghauy- 
Gebirge  und  dem  Missisippi.  Die  Mammuthöhle  in  Kentucky  besteht 
aus  nicht  weniger  als  203  Gängen  mit  einer  Gesamtlänge  von  240  km, 
gleich  der  Entfernung  Berlin-Hamburg!  Das  läßt  alles,  was  sonst 
von  solchen  Bildungen  bekannt  ist,  weit  hinter  sich  zurück,  denn  die 
nächst  grösste  Höhle  der  Welt,  die  Wyandotthöhle  in  Indiana,  mißt  nur 
37,6  km  und  die  längsten  Grotten  des  Karstes  haben  nur  5 — 6 km. 

Ob  die  Höhlen  der  gehobenen  Koralleninseln  auch  in  die  Kate- 
gorie des  Karstphänomens  gehören,  mag  noch  dahingestellt  bleiben, 
da  schon  die  lebenden  Riffe  nicht  massive  Bauten  sind.  Kraus 
zählt  sie  gerade  so  wie  die  Blasenräume  in  Eruptivgesteinen  zu  den 
ursprünglichen  Höhlen. 

ftuellbildung.7  Wir  haben  das  Wasser  auf  seinen  unterirdischen 
Wegen  begleitet,  und  haben  nun  die  Bedingungen  zu  untersuchen,  unter 
welchen  es  — oft  weit  von  seinemürsprungsorte  — als  Quelle  wieder 
zutage  tritt.  Freilich  nicht  immer  als  scharf  markierter  Wasser- 


faden. Häufig  bezeichnen  nur  ein  intensiveres  Grün  der  Vegetation, 
Binsen,  sumpfiger  Boden  oder  dunkle  Flecken  inmitten  ausgetrock- 
neter Felder  die  Stelle,  wo  Wasser  aus  dem  Boden  hervordringt; 
in  diesen  Falle  versinkt  es  auch  zum  Teil  wieder  in  die  Erde,  um 
seinen  Kreislauf  von  neuem  zu  beginnen. 

Zwei  Fälle  sind  zu  unterscheiden:  1)  die  undurchlässige  Schicht 
wird  von  einer  Vertiefung  an  der  Erdoberfläche  durchschnitten  und 
das  Bodenwasser  tritt  in  der  Schnittlinie  zutage.  Das  sind  ab- 
steigende Quellen,  die  lediglich  dem  Gesetz  der  Schwere  folgen. 
2)  Die  undurchlässige  Schicht  liegt  unter  der  Oberfläche  und  das 
Bodenwasser  wird  entweder  durch  hydrostatischen  Druck  oder  durch 


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Das  unterirdische  Wasser. 


365 


komprimierte  Gase  (Kohlensäure  oder  Kohlenwasserstoff*)  oder  durch 
Wasserdampf  in  Spalten  in  die  Höhe  getrieben.  Das  sind  auf- 
steigende Quellen. 

An  dem  schematischen  Durchschnitte  in  Fig.  102  sollen  einige 
Arten  der  Quellbildung  erläutert  werden.  AB  ist  die  undurch- 
lässige Schicht  mit  Hach  welliger  Lagerung.  Das  Thal  I schneidet 
in  dieselbe  ein.  Ihr  entlang  bewegt  sich  das  Bodenwasser  — sei 
es  Grund-  oder  Kluftwasser  — auf  der  rechten  Seite  dem  Thale 
zu  und  tritt  in  S als  Schichtquelle  hervor.  Daß  dies  nicht  gleich- 
mäßig am  ganzen  Gehänge  geschieht,  hat  seinen  Grund  in  den  Un- 
ebenheiten der  Unterlage  oder  in  Spaltengängen,  die  dem  Wasser 
bestimmte  Bahnen  anweisen.  Dies  ist  ein  Beispiel  einer  absteigen- 
den Quelle. 

Im  Thale  II  bleibt  die  linke  Böschung  aus  schon  erörterten 
Gründen  trocken.  Die  rechte  kann  aber  Quellen  besitzen,  denn 
zwischen  II  und  IV  bildet  die  undurchlässige  Schicht  eine  Mulde, 
und  sobald  sie  angeschnitten  wird,  preßt  der  hydrostatische  Druck 
das  Bodenwasser  an  beiden  Schnittlinien  als  sogenannte  Uberfalls- 
quellen heraus.  Solche  finden  sich  in  den  Thälem  II  und  IV  (u). 
Im  Thale  III  kann  das  Bodenwasser  ebenfalls  durch  seinen  eigenen 
Druck  in  einer  Spalte  aufsteigen,  wenn  der  Thalboden  tiefer  liegt 
als  die  Muldenränder  der  undurchlässigen  Schicht  Solche  Quellen 
nennt  man  Spaltquellen  (Sp)  Dazu  gehören  auch  die  arte- 
sischen Brunnen,  bei  denen  die  Spalte  künstlich  durch  Bohrung 
erzeugt  wird,  wenn  sie  auch  meist  tiefere  Etagen  des  Bodenwassers 
anzapfen  (s.  a.  in  Fig.  93).  Verwandt  sind  ihnen  auch  die  Quell- 
tümpel (in  manchen  Gegenden  Seeaugen  genannt),  die  dadurch 
entstehen,  daß  das  Grundwasser  bei  hohem  Stande  eine  Vertiefung 
der  wasserführenden  Schicht  oder  deren  Decke,  wenn  eine  solche 
vorhanden  ist,  völlig  erfüllt.  Ein  solcher  Quelltümpel  im  großartigen 
Maßstabe  ist  der  Neusiedler  See,  der  infolge  trockener  Jahre  1865 
ganz  verschwand,  aber  seit  1867  sich  wieder  zu  füllen  begann. 

Im  Thale  IV  lernen  wir  noch  eine  andere  Art  der  Quell- 
bildung, die  Verwerfungsquelle  (v)  kennen.  Die  undurchlässige 
Schicht  ist  hier  längs  einer  Spalte  derart  verschoben,  daß  ihr  linker 
Flügel  vor  die  durchlässige  Schicht  des  rechten  Flügels  gebracht 
wird.  Das  Bodenwasser,  das  auf  der  rechten  Thalseite  abwärts 
fließt,  wird  dadurch  plötzlich  gehemmt  und  gezwungen,  entlang  der 
Verwerfungsspalte  in  die  Höhe  zu  steigen.  Spalten-  und  Verwerfungs- 


x Die  Kohlenwasserstoffquellen  haben  wir  als  Schlammsprudel  schon 
kennen  gelernt  (s.  S.  321). 


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306 


Die  Dynamik  des  Landes. 


quellen  sind  die  einfachsten  Beispiele  aufsteigender  Quellen.  Viel 
komplizierter  liegen  die  Verhältnisse  in  stark  disloziertem  Boden,  wo 
ein  weitverzweigtes  Netzwerk  von  Spalten  die  Quellen  zutage  fördert. 

Einteilung  der  Quellen.  Die  wichtigsten  Eigenschaften  der 
Quellen  sind  ihre  Wassermenge,  ihr  Gehalt  an  festen  Bestandteilen 
und  ihre  Temperatur. 

Wie  das  Grundwasser,  so  sind  auch  die  Quellen  von  den  Nieder- 
schlägen abhängig.  Spalten,  die  unter  normalen  Verhältnissen  trocken 
sind,  ergießen  in  sehr  nassen  Jahren  die  sog.  Hungerbrunnen, 
die  diese  Bezeichnung  deshalb  führen,  weil  sie  als  Anzeichen  einer 
schlechten  Ernte  betrachtet  werden.  In  Gegenden  mit  periodischem 
Regen  fließt  auch  die  Mehrzahl  der  Quellen  periodisch,  überhaupt 
besitzen  nur  solche  Quellen,  die  mit  großen  unterirdischen  Wasser- 
reservoirs (z.  B.  in  der  Nähe  von  Seen)  in  Verbindung  stehen,  eine 
gleichmäßigere  Wassermenge.  Je  ausgedehnter  das  Quellgebiet  eines 
Ortes  ist,  desto  unabhängiger  wird  es  in  den  Wasserverhältnissen 
von  seinem  eigenen  Klima.  In  regenlosen  Gegenden  treten  die 
Quellen  in  weiter  Entfernung  von  ihrem  Ursprünge  hervor,  ln  den 
Oasen  der  libyschen  Wüste,  deren  eine  Kette  parallel  mit  dem  Nil 
zieht,  wrährend  die  andere  den  Südabhang  des  cyrenäischen  Plateaus 
umsäumt,  stammen  sie  nach  Zittel  aus  dem  tropischen  Regengebiete 
von  Afrika.  Auf  den  wasserdichten  Schichten  der  nubischen  Sand- 
steinformation fließt  das  Sickerwasser  nach  Nordosten,  wo  es  sich 
in  einer  seichten  Mulde  westlich  vom  Nil  ansammelt,  da  eine  schwache 
Aufbiegung  der  Kreideschichten  unter  der  nördlichen  Oasenreihe 
den  Abfluß  zum  Mittelmeere  verhindert.  Die  ältere  Hypothese,  daß 
das  Seihwasser  des  Nils  die  östlichen  Oasen  speise,  erweist  sich  schon 
deshalb  als  unhaltbar,  weil  die  Schichten  gegen  den  Nil  einfallen. 
Die  Franzosen  haben  in  der  algerischen  Sahara  von  dem  erstaun- 
lichen unterirdischen  Wasserreichtume  der  Wüste  durch  artesische 
Brunnenbohrungen  den  ergiebigsten  Gebrauch  gemacht. 

Je  weitere  unterirdische  Bahnen  eine  Quelle  durchwandert, 
desto  mehr  belädt  sie  sich  mit  festen  Bestandteilen,  unter  denen 
Karbonate,  Sulfate  und  Chloride  die  wichtigsten  sind.  Denn  überall, 
nicht  bloß  in  direkt  löslichen  Gesteinen,  wirkt  die  chemische  Erosion 
des  kohlensäurehaltigen  Wassers.  Der  Mineralgehalt  der  Quelle 
hängt  zunächst  von  der  Beschaffenheit  des  Muttergesteins  ab.  In 
England  sind  jene  Quellen  am  reinsten,  die  aus  dem  Granit  und 
Gneiß  kommen;  ihnen  zunächst  kommen  die  aus  dem  Silur  und 
Kohlensandstein  stammenden;  am  meisten  verunreinigt  sind  jene, 
die  ihren  Weg  durch  den  Dyaskalk  und  durch  das  Diluvium  und 
Alluvium  nehmen.  Unter  sonst  gleichen  Umständen  sind  Thermen 


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Das  unterirdische  Wasser. 


367 


reicher  an  festen  Bestandteilen,  als  kalte  Quellen,  weil  warmes 
Wasser  eine  größere  Lösungskraft  besitzt;  doch  giebt  es  auch  ver- 
hältnismäßig reine  Thermen,  wie  die  von  Pfäffers,  Gastein.  Plom- 
bieres  und  Bormio. 

Je  nach  dem  vorherrschenden  Mineralgehalte  unterscheidet  man 
Kalk-,  Kiesel-,  Stahl-.  Natron-,  Schwefel-,  Soolquellen  u.  s.  w.;  sind 
die  Quellen  sehr  kolilensäurereicb,  so  nennt  man  sie  Sauerquellen. 
Viele  von  ihnen  haben  wegen  ihrer  Heilkraft  große  Bedeutung, 
einige  wirken  sogar  auf  die  Oberflächengestaltung  ein.  Das  gilt 
hauptsächlich  von  den  kalk-  und  kieselsäurereicheil  Quellen; 
letzterer,  die  stets  heiße  Quellen  sind,  werden  wir  sogleich  gedenken. 
Die  ersteren  lagern  Travertin,  oft  in  großer  Mächtigkeit,  ab.  Aus 
Italien  sind  viele  Beispiele  davon  bekannt;  am  berühmtesten  sind 
die  Ablagerungen  des  Anio  bei  Tivoli.  Das  an  den  Ufern  wachsende 
Rohr  wird  inkrustiert,  der  Schaum  des  Wasserfalles  bildet  Stalaktiten, 
und  die  tiefe  Schlucht,  in  die  er  sich  stürzt,  besteht  aus  horizon- 
talen Schichten  von  Tuffen  und  Travertin  von  120 — 150  m Mächtig- 
keit, ist  also  zum  großen  Teil  selbst  ein  Ablagerungsprodukt  des 
Flusses.  Noch  weit  großartiger  sind  die  Travertinbildungen  der 
Quellen  auf  dem  kleinasiatischen  Plateau  Pambuk-Kalassi  in  der 
Nähe  der  alten  Stadt  Hierapolis. 

Quellen,  die  dem  Grundwasser  entstammen,  also  aus  mäßiger 
Tiefe  kommen,  haben  eine  Temperatur,  die  im  allgemeinen  der  mitt- 
leren Jahreswärme  des  betreffenden  Ortes  entspricht,  aber  doch  eine 
jährliche  Schwankung  zeigt.  Kälter  sind  die  absteigenden  Quellen 
im  Gebirge,  die  durch  Schnee-  und  Gletscherwasser  gespeist  werden, x 
und  die  unterirdischen  Abflüsse  tieferer  Seen,  deren  Bodenschicht 
bekanntlich  nur  eine  Temperatur  von  4°  besitzt.  Als  warme  Quellen 
oder  Thermen  bezeichnet  man  jene,  deren  Temperatur  die  mittlere 
Jahreswärme  der  Luft  an  dei  Ausflußstelle  übersteigt.  Man  kann 
daher  relativ  und  absolut  warme  Quellen  unterscheiden,  und  als 
Grenzwert  das  höchste  thermische  Jahresmittel  im  Meeresniveau  (30°) 
annehmen. xx  Ihre  höhere  Temperatur  ist  aber  nach  DaubbEes 


x Die  höchsten,  bisher  bekannt  gewordenen  kalten  Quellen  liegen  nach 
einer  Zusammenstellung  von  Scblagintweit  in  Tibet  5379,  im  Himalaja  4852, 
in  den  Andes  4732  und  in  den  Alpen  3182  m hoch  (Petermanns  Mitteilungen 
1865,  S.  367). 

xx  Dampfquellen  (100°l  hat  Europa  nur  eine:  die  Soffioni  in  Toskana. 
Über  80°  haben  die  Bäder  auf  den  Liparen  ( 97—100°),  Gurgitello  auf  lschia(90°), 
die  Nerobäder  (86°)  und  Pisciarelli  (84°)  bei  Pozzuoli,  Albano  in  den  Euganecn 
tS4,s°),  Chaudesaigues  in  Frankreich  (Cantal,  88°|  und  die  Petersquelle  im  Terek- 
thale  (89°).  Berühmte  Thermen  in  Mitteleuropa  sind  Burtscheid  (78°),  Karlsbad 


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368 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Ansicht  nicht  immer  ein  Beweis  dafür,  daß  sie  aus  großen  Tiefen 
stammen;  sie  können  auch  durch  vulkanisches  Gestein,  das  seine 
Wärme  noch  großenteils  bewahrt  hat,  erhitzt  worden  sein.  In  der 
Regel  sind  sie  aber  wohl  an  ein  tief  hinabreichendes,  vertikales 
Spaltensystem  gebunden,  also  ebenso,  wie  die  Vulkane  eine  Begleit- 
erscheinung beträchtlicher  Schichtenstörungen.  Daher  entspringen 
heiße  Quellen  auch  dort,  wo  es  nicht  zu  vulkanischen  Ausbrüchen 
kam.  Daraus  erklärt  es  sich  auch,  daß  die  in  stark  dislozierten 
Gegenden  häufigen  Erdbeben  oft  dauernd  die  Temperatur  der  Ther- 
men verändern,  indem  sie  tiefere  Spalten  entweder  öffnen  oder 
schließen.  Durch  das  Lissaboner  Erdbeben  (1755)  wurde  z.  B.  die 
Temperatur  der  Königinquelle  zu  Bagneres  de  Luchon  in  den  Pyre- 
näen von  . ca.  8 auf  50°  erhöht,  und  andererseits  verwandelte  das 
Erdbeben  von  1660  die  Thermen  zu  Bagneres  di  Bigorre  in  kalte 
Quellen.  Auch  ihr  ziemlich  gleichmäßiger  Wasserreichtum  weist 
darauf  hin,  daß  ihr  Sammelgebiet  dem  Einflüsse  der  meteorologischen 
Schwankungen  fast  ganz  entrückt  ist. 

Geysir.9  Kochend  heiße  Quellen  kommen  nur  in  vulkanischen 
Gegenden  vor.  Steigt  ihre  Temperatur  über  den  Siedepunkt,  so 
verwandeln  sie  sich  zum  Teil  oder  ganz  in  Dampf,  wie  die  Karapiti 
auf  Neuseeland.  Die  interessantesten  Erscheinungen  dieser  Art  sind 
die  Geysire,  intermittierende  Springquellen,  die  in  der  Regel  große 
Quantitäten  Kieselsinter  um  ihre  Mündungsstelle  absetzen.  Dadurch 
entstehen  meist  allmählich  ansteigende  Kegel  mit  einem  flachen 

Becken  in  der  Mitte,  auf  dessen  Boden  ein 
zylindrischer  Kanal  mündet.  So  gebaut  ist 
der  Große  Geysir  auf  Island  (Fig.  1 03  u.  1 04), 
der  dem  Phänomen  den  Namen  gab  und 
bisher  auch  am  eingehendsten  studiert  wor- 
den ist.  Vor  der  Eruption  ist  sein  Becken 
mit  kry stallhellem,  bläulichgrünem  Wasser 
gefüllt,  dessen  Temperatur  von  oben  nach 
unten  zunimmt  und  gleichzeitig  auch  in 
jeder  Schicht  bis  zum  Zeitpunkte  der  Erup- 
tion sich  steigert,  ohne  irgendwo  den  Siede- 
punkt zu  erreichen.  Heftiger  unterirdischer 
Donner  kündigt  den  Ausbruch  an,  das 
Wasser  beginnt  zu  wallen,  kleinere  Erup- 
tionen erfolgen,  endlich  schießt  ein  Strahl  heißen  Wassers,  ca.  3 m 
stark  und  über  30  m (einmal  sogar  70  m)  hoch,  von  Dampfwrolken 

(74°),  Gastein  (71,5°),  Wiesbaden  (69°),  Baden-Baden  (67°),  Ofen  (61°),  Mehadia  (55°), 
Aachen  (55°),  Leuckerbad  (51°),  Teplitz  (49°),  Ems  (47,5°)  etc. 


Fig.  103.  Durchschnitt  des 
Großen  Geysirs  auf  Island  in 
1:1000  nach  den  Messungen 
von  Coles(1881).  Die  Zahlen 
links  sind  beobachtete  Tempe- 
raturen, die  rechts  die  der 
Tiefe  entsprechenden  Siede- 
punkte. KS.  = Kieselsinter. 


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I)aa  unterirdische  Wasser. 


369 


umgeben  und  manchmal  auch  von  Steinen  begleitet,  hervor.  Von 
Zeit  zu  Zeit  scheint  der  Strahl  einzusinken,  aber  immer  wieder 
erhebt  er  sich.  Nach  ca.  10  Minuten  fallt  er  endlich  in  sich  zu- 
sammen, das  Becken  ist  leer  und  nur  die  Steigrohre  ist  noch  bis 
2 m unter  der  Oberfläche  gefällt.  Nach  einer  Pause  von  mehreren 
Stunden  wiederholt  sich  dieses  imposante  Schauspiel  in  der  eben  ge- 
schilderten Reihenfolge. 

Es  ist  klar,  daß  Dampf  die  Wassermasse  im  Kanal  empor- 
schleudert, und  die  verschiedenen  Erklärungsversuche  weichen  nur 
in  der  Angabe  der  Örtlichkeit,  wo  die  erste  Dampfentwicklung 
stattfindet,  von  einander  ab.  Altere  und  neuere  Theorien  verlegen 
sie  in  Hohlräume,  die  mit  der  Steigrohre  in  Verbindung  stehen, 
Bunsen  dagegen  in  die  Mitte  der  Steigrohre  selbst.  Für  den  Großen 
Geysir  ist  diese  Annahme  auch  durch  Beobachtung  erhärtet, 
denn  Steine  und  ein  Ther- 
mometer, die  auf  den 
Boden  der  Röhre  versenkt 
wurden,  wurden  nicht  aus- 
geschleudert, ja  letzteres 
blieb  sogar  bei  einer  hef- 
tigen Eruption  völlig  un- 
versehrt. In  der  That 
ersehen  wir  auch  aus  den 
Zahlen  in  Fig.  103,  daß 
sich  gerade  in  der  Mitte 
des  Kanales  die  Tempera- 
tur des  Wassers  am  meisten 
dem  Siedepunkte  nähert; 
hier  muß  ein  besonderer 
Wärmeherd  liegen,  und 
damit  stimmt  auch  der 
Bau  der  Röhre,  die  nach 
Brysons  Entdeckung  in 
1 3 */2  m Tiefe  eine  ein- 
springende Leiste  besitzt 
Die  Wasserschicht  cl  mit 
121,8°  braucht  nur  um 
2 m,  bis  zum  Niveau  c, 
wo  der  Siedepunkt  schon  bei  120,s°  liegt,  gehoben  zu  werden,  um 
sich  sofort  in  Dampf  zu  verwandeln.  Diese  Hebung  wird  durch  die 
Erhitzung  des  ganzen  Röhreninhaltes  von  unten  her  bewirkt;  die 
Abkühlung  von  oben  und  die  Zufuhr  kalten  meteorischen  Wassers 

Süpan,  Physische  Erdkunde.  2.  Aull.  24 


Fig.  104.  Der  Grojje  Geysir  nach  Fuchs. 


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370 


Die  Dynamik  des  Landes. 


wirken  entgegen,  und  darauf  beruht  die  Periodizität  der  Ausbrüche 
und  ihre  allmähliche  Steigerung  zu  einer  Haupteruption. 

Es  ist  keineswegs  ausgemacht,  ob  diese  Erklärung  für  alle 
Geysire  ausreicht,  da  sie,  und  zwar  selbst  benachbarte,  in  vielen 
wichtigen  Merkmalen  voneinander  abweichen.  Jedenfalls  ist  Bunsens 
Annahme,  daß  ein  Sinterbecken  notwendig  sei,  nicht  zutreffend, 
denn  der  Steamboot-Geysir  im  Yellowstonegebiete  zeigt  erst  die 
ersten  Ansätze  zu  einer  solchen  Umrandung.  Beachtenswert  ist  auch, 
daß  es  Malfboy  in  Neuseeland  gelang,  durch  Ableitung  einer 
Wasserschicht  von  60  cm  Mächtigkeit  die  Puia-Therme  in  eine 
Springquelle  von  9 — 12  m Höhe  zu  verwandeln. 8 

In  Island  ist  neben  dem  schon  genannten  Großen  Geysir  der 
Strokr,  der  erst  1784  während  eines  Erdbebens  entstand,  am  be- 
kanntesten, auch  dadurch,  daß  man  ihn  durch  hineingeworfene 
Steine  und  Erde  zur  Eruption  zwingen  kann.  Noch  großartiger 
ist  dieses  Phänomen  im  Nationalpark  im  Felsengebirge  (am  oberen 
Yellowstone  und  Madison)  entwickelt.  Zahlreich  sind  hier  die  Dampf- 
quellen, Geysire  und  heißen  Quellen;  im  oberen  Geysirgebiete  am 
Feuerlochflusse  werden  Wasserstrahlen  von  70 — 80  m und  Dampf- 
säulen von  300  m Höhe  emporgeschleudert  Diesen  beiden  Be- 
zirken kann  sich  nur  noch  die  Nordinsel  von  Neuseeland  an  die 
Seite  stellen.  Einen  wunderbaren  Anblick  boten  einst  die  terrassen- 
förmig aufgebauten,  marmorweißen  Kieseltuffablagerungen  des  Teta- 
rata,  bis  sie  durch  den  Tarawera  - Ausbruch  im  Jahre  1886  völlig 
zerstört  wurden.  Sonst  finden  sich  Geysire  nur  noch  vereinzelt,  wie 
in  Californien,  nördlich  von  San  Francisco,  oder  in  Japan,  wo  Kuntze 
ein  Vorkommen  beschrieben  hat. 

Litteraturnaeh  weise.  1 Hauptwerk:  Dagbr£e,  Les  eaux  souterraines 
i\  l’epoque  actuelle,  Paris  1887.  — 1 Soyka,  Die  Schwankungen  des  Grund- 
wassers, Wien  1888.  — 5 Hann,  Über  eine  neue  Quellentheorie,  in  der  Zeit- 
schrift der  österreichischen  Gesellschaft  für  Meteorologie  1880.  — * Cvuiö,  Das 
Karstphänomen,  Wien  1893.  Mabtel,  Les  abiines,  Paris  1894.  Khaus,  Höhlen- 
kunde, Wien  1894.  — 5 Richter,  Über  Eishöhlen  in  Petebmanns  Mitteilungen 
1889.  — 9 Keller,  in  Petermanns  Mitteilungen  1881,  S.  329.  — 7 Haas, 
Quellenkunde,  Leipzig  1895.  — * Hauptwerk:  Holmes  und  Peale,  Yellowstone 
National  Park,  Washington  1883  (im  12.  Annual  Report  of  the  U.  S.  Survey  of 
the  Territories).  — 9 Malfuoy  in  den  Transactions  of  the  New'  Zealand  In- 
stitute 1891,  Ud.  XXIV,  S.  579. 


Das  fliefsende  Wasser.1 

Wassermenge.  Die  Quellen,  das  oberflächlich  abHießende  Regen- 
wasser uud  das  Schmelzwasser  des  Schnees  und  Eises  vereinigen 
sich  schließlich  zu  Wasserfäden,  die  wir  je  nach  ihrer  Größe  als 


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Das  fließende  Wasser. 


3'<  1 

Bäche,  Flüsse  oder  Ströme  zu  bezeichnen  gewohnt  sind.  Dem 
Gesetze  der  Schwere  folgend,  streben  sie  insgesamt  dem  tiefsten 
Niveau  der  Erdoberfläche,  dem  Meeresniveau  zu,  wenn  auch  nicht 
alle  das  Ziel  erreichen.  In  regenarmen  Gegenden  ist  ihre  Wasser- 
menge zu  gering,  als  daß  sie  der  Verdunstung  Widerstand  leisten 
könnten,  und  so  finden 
sie  ein  vorzeitiges  Ende, 
indem  sie  entweder  in  einen 
See  münden,  oder  in  den 
Boden  einsickern,  oder  von 
der  Sonne  aufgezehrt,  spur- 
los verschwinden.  Nur 
größere  Ströme,  wie  der 
ägyptische  Nil  oder  der 
Euphrat  und  Tigris,  deren 
Quellgebiete  in  einer 
niederschlagsreichen  Zone 
liegen,  oder  die  durch  die 
Schmelzwässer  schneereicher  Hochgebirge  ernährt  werden,  dringen 
sieghaft  durch  Wüstendistrikte  bis  zum  Meere  durch. 

Die  Wassermenge,  die  den  Ozean  erreicht,  schätzt  Woeikow 
auf  600  000  cbm  in  der  Sekunde. 

Die  jährliche  Periode  (Fig.  105)  und  die  Schwankungen 
des  Wasserstandes  der  Flüsse  werden  in  unseren  Gegenden,  wo  kein 
Monat  ohne  Regen  vergeht,  mehr  durch  lokale  Verhältnisse  als 
durch  die  Niederschläge  bedingt.  So  verhält  sich  nach  Hagen  beim 
Rhein  an  der  holländischen  Grenze  die  geringste  Wassermenge  zur 
größten  wie  l:6,e,  bei  der  Mosel  oberhalb  Metz  wie  1:98  und  bei 
der  Loire  bei  Briare  wie  1:312,4.  Diese  Zahlen  sind  freilich  nicht 
ganz  sicher,  aber  immerhin  lehrreich.  Die  Ursache  der  starken 
Schwankungen  des  Wasserstandes  der  Loire  haben  wir  unzweifelhaft 
in  der  fortschreitenden  Entwaldung  ihres  Gebietes  zu  suchen. 
Die  Beobachtungen  an  den  forstlich -meteorologischen  Stationen  in 
Bayern  ergaben  zwar  keine  Beweise  für  die  weit  verbreitete  An- 
sicht, daß  der  Wald  die  Regenmenge  erhöhe;  aber  jedenfalls  ist  es 
sichergestellt,  daß  im  Waldboden  mehr  Wasser  einsickert  als  im 
freien  Felde,  daß  also  mit  der  Entwaldung  die  Menge  des  ober- 
flächlich abfließenden  Wassers  zu-  und  die  Zahl  der  Quellen  ab- 
nimmt. Zur  Zeit  heftiger  Regengüsse  müssen  daher  die  Flüsse 
mächtig  anschwellen,  während  in  der  Periode  des  Niedrigwassers  die 
Ernährung  durch  die  Quellen  gering  ist  Am  Niederrhein  ist  die 
jahreszeitliche  Verteilung  der  Niederschläge  eine  sehr  gleichmäßige 

24* 


Fig.  105.  Wasserstand  der  Memel  bei  Tilsit  im 
Mittel  der  Jahre  1842 — 71. 


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372 


Üie  Dynamik  des  Landes. 


denn  im  Sommer,  wenn  der  Spiegel  anderer  Flüsse  beträchlich  sinkt, 
erhält  er  reichlichen  Zuschuß  von  dem  schmelzenden  Schnee  der 
Alpen.  Außerdem  wirken  auch  Seen  und  Ufersümpfe  als  Regula- 
toren, indem  sie  zur  Zeit  großer  Wasserfülle  einen  Teil  des  Wassers 
zurückbehalten,  um  ihn  in  der  Trockenzeit  langsam  wieder  abzugeben. 
Daher  ist  das  Verhältnis  des  tiefsten  Wasserstandes  des  Rheines  zum 
höchsten  oberhalb  des  Bodensees  in  Graubünden  = 1:70,  bei  Basel 
aber  nur  =1:14. 

Hoch-  und  Niedrigwasser  treten  bei  großen  Strömen  nicht  an 
allen  Orten  gleichzeitig  ein.2  Vom  Bodensee  bis  Ketsch  erreicht  der 
Rhein  seinen  höchsten  Stand  im  Juli,  wenn  der  Schnee  in  den 
Alpen  schmilzt,  von  Bacharach  abwärts  aber  (wie  die  Weser)  im 
Februar,  weil  hier  die  Nebenflüsse  durch  die  Schneeschmelze  am 
Beginne  des  Frühlings  anschwellen.  Das  Frühlings-Hochwasser  ist 
besonders  den  großen  Strömen  der  russischen  und  sibirischen  Ebenen 
eigen,  deren  Schneedecke  weit  rascher  schmilzt,  als  die  im  Gebirge 
(vergl.  Fig.  105);  hier  tritt  die  jährliche  Periode  der  Flußhöhe  fast 
ebenso  scharf  hervor,  wie  in  den  subtropischen  und  tropischen  Län- 


Fig.  106.  Mittlere  Nil  wasserstände  bei  den  Barrages  unterhalb 
Kairo  1849—78. 


dern  mit  ihren  ungleichmäßig  verteilten  Niederschlägen.  Die  spa- 
nischen Plateauflüsse,  die  im  Frühjahr  zu  brausenden  Fluten  an- 
schwellen, ziehen  sich  im  Sommer  zu  unscheinbaren  Wasserfäden 
zusammen;  und  in  den  Gebieten  regenloser  Sommer  verschwinden 
in  dieser  Jahreszeit  viele  von  den  kleineren  Flüssen  (intermit- 
tierende Flüsse  oder  Fiumaren)  ganz.  Weniger  schwankt  der 
Wasserstand  nur  bei  jenen  subtropischen  Flüssen,  die  aus  dem 
Hochgebirge  kommen,  wie  beispielsweise  bei  dem  Guadalquivir. 
Noch  größer  sind  die  Schwankungen  in  der  Tropenzone,  wo  die 
Regenzeit  mit  der  alpinen  Schneeschmelze  zusammentrifft,  wenn 
nicht  andere  Verhältnisse  mildernd  einwirken,  wie  beim  Nil 
(Fig.  106)  oder  Ganges.  Das  Quellgebiet  des  ersteren  liegt  im 


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Das  fließende  Wasser. 


373 


Äquatorialgürtel,  wo  der  Gegensatz  von  Regen  und  Trockenheit 
nicht  so  schroff  ist,  und  überdies  wirken  hier  auch  die  großen  Seen 
als  Regulatoren.  Das  Quellgebiet  des  Ganges  und  seiner  nördlichen 
Nebenflüsse,  der  Himalaja,  erhält  bekanntlich  auch  im  Winter  durch 
den  Antipassat  Niederschläge.  Eine  Ausnahmestellung  nehmen  die 
beiden  Aquatorialströme  ein.  Im  Gebiete  des  Amazonas  selbst  ver- 
geht kein  Monat  ohne  Regen,  während  seine  Nebenflüsse  in  den 
entgegengesetzten  Jahreszeiten,  die  nördlichen  im  nordhemisphärischen 
und  die  südlichen  im  südhemisphärischen  Sommer  anschwellen ; und 
die  Gleichmäßigkeit  der  Wassermenge  des  Hauptflusses  wird  nur 
dadurch  etwas  gestört,  daß  die  südlichen  Zuflüsse  größer  sind,  als 
die  nördlichen.  Ähnliche  Bedingungen  finden  beim  Kongo  statt,  so 


Fig.  107.  Wasserstände  des  Rheins  bei  Düsseldorf,  1800 — 1879. 


daß  man,  schon  lange  vor  Stanleys  Entdeckung,  die  Existenz  des 
nördlichen  Kongobogens  aus  den  Wasserständen  im  Unterlaufe  des 
Stroms  erschlossen  hatte. 

Die  Wassermenge  der  Flüsse  wechselt  von  Jahr  zu  Jahr  mit 
den  Niederschlägen  (Fig.  107),  am  meisten  in  den  Gegenden  der 
unregelmäßigen  Regen,  wie  besonders  im  Innern  Australiens.  Die 
sogen.  Creeks  bestehen  gewöhnlich  nur  aus  einer  Reihe  unzusammen- 
hängender Teiche,  die  sich  nur  nach  andauerndem  Regen  zu  Flüssen 
aneinanderschließen.  In  den  Jahren  1817  und  1870  breiteten  sich 
Murray  und  Darling  seeartig  aus  und  das  Hochwasser  brauchte 
Monate,  um  abzufließen,  während  in  trockenen  Jahren  zahlreiche 
Nebenflüsse  nur  ausnahmsweise  den  Hauptstrom  erreichen.  Für 
unsere  Gegenden  glaubte  man  aus  Pegelbeobachtungen  den  Schluß 
ziehen  zu  dürfen,  daß  die  Wassermenge  der  Flüsse  abnehme;  andere 
behaupteten,  daß  wenigstens  der  mittlere  uud  niedere  Wasserstand 
sinke,  während  die  Hochwässer  steigen;  wir  wissen  aber  jetzt,  daß 


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374  Die  Dynamik  des  Landes. 

sich  in  diesen  Schwankungen  nur  die  35jährigen  Klimaperioden3 
wiederspiegeln,  ebenso  wie  in  der  Dauer  der  Eisbedeckung,  die 
die  Flüsse  höherer  Breiten  oft  monatelang  in  Fesseln  schlägt  und 
dem  Verkehre  entzieht.  * 

Außergewöhnliche  Hochwässer,  die  Überschwemmungen  ver- 
ursachen, werden  nicht  nur  durch  heftige  Regengüsse,  plötzliche  Schnee- 
schmelze und  durch  den  Eisgang  — wenn  die  treibenden  Schollen 
zu  Barrieren  sich  aufstauen  — , sondern  auch  durch  orographische 
Hindernisse  im  Flußlaufe  hervorgerufen.  Im  letzteren  Falle  gehören 
sie  zum  geographischen  Charakter  größerer  oder  kleinerer  Gebiete. 
Ungarn  bietet  uns  ein  lehrreiches  Beispiel  davon.  Der  Untergang 
Szegedins  im  März  1879  ist  nur  ein  Glied  einer  langen  Reihe  ähn- 
licher Katastrophen,  die,  wie  Stefanoviö  nachwies,  insgesamt  durch 
Stauungen  des  Donauwassers  in  den  Felsengen  zwischen  Bazias  und 
Orsowa  bewirkt  wurden. 

Bewegung  des  Wassers.  Zunächst  gilt  für  die  Bewegung 
des  fließenden  Wassers  dasselbe  Gesetz,  wie  für  jede  Bewegung 
auf  der  schiefen  Ebene,  d.  h.  sie  ist  abhängig  von  dem  Gefälle- 
Ist  der  Höhenunterschied  zwischen  der  Quelle  und  einem  Punkte  a 
des  Flußlaufes,  bezogen  auf  die  Längeneinheit  = h,  so  ist  in  a die 
Endgeschwindigkeit  des  Flusses  v — y 2 gh  (g  der  bekannte  Wert 
für  die  Beschleunigung  der  Schwere).  Daß  aber  diese  Geschwindig- 


x Für  folgende  Flüsse  beträgt  die  mittlere  Dauer  der  Eisbedeckung 


in  Tagen: 

Donau  bei  Galatz  (1836 — 75) 87,5 

Elbe  bei  Hamburg  (1816 — 73) 39 

Weichsel  bei  Warschau 60 

Düna  bei  Riga .125 

Newa  bei  St.  Petersburg 147 

Oka-Moskwa  bei  Moskau 147 

Wolga  bei  Kasan 147 

Wolga  bei  Astrachan  101 

Dwina  bei  Archangelsk 178 

Ob  bei  Barnaul 168 

Ob  bei  Tomsk 179 

Jenissei  bei  Jenisseisk 170 

Angara  bei  Irkutsk 87 

Lena  bei  Kirensk 203 

Amur  bei  Nikolajewsk 91 

St.  Lorenzostrom  bei  Quebeck  (1815—68)  . . 141 

Erie-Kanal  (1828 — 57) 136 

Hudson  bei  Albany  (1817 — 67) 92 


Zu  bemerken  ist,  daß  diese  Mittelwerte,  weil  auf  verschiedene  Zeiträume  sich 
beziehend,  nicht  unmittelbar  miteinander  vergleichbar  sind. 


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I)an  fließende  Wasser. 


375 


keit  niemals  erreicht  wird,  ist  eine  Folge  der  Reibungswider- 
stände. Und  zwar  ist  eine  äußere  und  eine  innere  Reibung  zu  über- 
winden: die  äußere  vollzieht  sich  an  der  festen  Begrenzung  des 
Flusses,  die  innere  entsteht  durch  das  Vorübergleiten  der  einzelnen 
Flüssigkeitsfäden  aneinander,  oder  — wie  Boüssinesq4  für  alle  Fälle 
nachwies,  wo  die  Geschwindigkeit  groß  oder  das  Bett  etwas  unregel- 
mäßig ist  — dadurch,  daß  der  molekulare  Zusammenhang  zwischen 
den  einzelnen  Wasserschichten  besonders  in  der  Nähe  der  unebenen 
Wände  zerrissen  wird,  und  abgelöste  Wasserteilchen  sich  fortwährend 
wirbelartig  durch  die  übrige  Flüssigkeit  hinbewegeu.  Nun  ist  aber 
klar,  daß  in  einem  Bette  von  gegebenem  Gefälle  und  Querschnitte 
eine  größere  Wassermenge  den  Reibungswiderstand  leichter  besiegen 
wird  als  eine  kleinere;  ferner  daß  unter  sonst  gleichen  Umständen  die 
Reibung  in  einem  breiten  Bette  größer  ist,  als  in  einem  schmalen. 
Die  wirkliche  Geschwindigkeit  eines  Flusses  steht  also  in  einem  geraden 
Verhältnisse  zum  Gefälle  und  zur  Wassermenge  und  in  einem  um- 
gekehrten zur  Breite  des  Bettes. 

Je  weiter  ein  Wasserfaden  von  der  reibenden  Außenfläche  ent- 
fernt ist,  desto  freier  kann  er  der  Wirkung  der  Schwerkraft  folgen. 
Daher  nimmt  die  Geschwindigkeit  von  der  Mitte  gegen  die  Ufer  und 
von  oben  nach  unten  ab,  erreicht  aber,  wegen  des  Widerstandes  der 
Luft,  den  höchsten  Wert  nicht  an  der  Oberfläche  selbst,  sondern  etwas 
unterhalb  derselben,  und  zwar  in  der  Regel  um  so  tiefer,  je  tiefer 
der  Fluß  ist  (Fig.  108).  Die  Linie,  welche  die  Punkte  größter  Ober- 
flächengeschwindigkeit verbindet,  der  Stromstrich  genannt,  bewegt 
sich  im  allgemeinen  über  der  tiefsten  Furche  des  Bettes,  dem  Thal- 
weg. Aus  dieser  Verteilung  der  Geschwindigkeiten  erklärt  es  sich, 
daß  die  Oberfläche  der  Flüsse  nicht  eben  ist.  Bei  Hochwasser  wird 
der  Mitte  mehr  Wasser 
zugeführt  als  den  Rändern, 
und  der  Flußspiegel  nimmt 
eine  konvexe  Gestalt  an. 

Sinkt  der  Wasserstand, 

SO  fließt  in  der  Mitte  die  Fi«-  108'  _,Lini“  «leic^er  Geschwindigkeit  innerhalb 

des  Querprofils  eines  rlußes. 

größte  Wassermenge  ab, 
und  die  Oberfläche  wird 

konkav,  bis  wieder  normale  Verhältnisse  ein  treten  und  der  Spiegel 
sich  ein  wenig  über  der  Horizontalebene  emporwölbt.  Beim  Mississippi 
betragen  diese  Oszillationen  bis  zu  2 m. 

Die  Reibung  durch  die  innere  Bewegung  des  Wassers  steigert 
sich,  wenn  bedeutendere  Hindernisse,  wie  Ufervorsprünge,  große 
Sand-  und  Kiesablagerungen  oder  Felsriffe  vorhanden  sind.  Sie 


876 


Die  Dynamik  des  Landes. 


erzeugen  Seiten-  und  Gegenströme,  die  unter  Umständen  zur  Wirbel- 
bildung führen  und  erst  allmählich  wieder  in  die  normale  Richtung 
einlenken. 


Würden  die  Flüsse  vom  Ursprünge  bis  zur  Mündung  auf  glatten 
schiefen  Ebenen  sich  bewegen,  so  wäre  ihr  Lauf  ein  völlig  gerad- 
liniger. Aber  diese  Bedingung  wird  in  der  Natur  nicht  erfüllt. 
Mannigfache  Hindernisse  oft  unscheinbarer  Art  sind  vorhanden,  und 
da  das  fließende  Wasser  stets  den  tiefsten  Punkt  aufsucht,  so  wird 
es  häutig  von  seinem  geraden  Laufe  abgelenkt  und  gezwungen,  in 
sclilangenartigen  Windungen  (Serpentinen)  sich  zu  bewegen.  Diese 
werden  um  so  zahlreicher,  je  geringer  das  Gefälle  ist.  In  jeder 
Biegung  werden  die  am  schnellsten  sich  bewegenden  Wasserfade;- 
gegen  das  konkave  Ufer  (a  in  Fig.  109)  hingetrieben,  tauchen  an 
ihm  in  die  Tiefe  hinab,  wobei  sie  durch  Reibung  einen  Teil  ihrer 
Bewegungsenergie  einbüßen,  und  steigen  am  konvexen  Ufer  ( b in 
Fig.  109)  wieder  in  die  Höhe.  Der  Stromstrich  (ss  in  Fig.  109) 
befindet  sich  daher  nicht  mehr  in  der  Mitte,  sondern  schwankt  von 
einem  Hohlufer  zum  anderen.  Die  unmittelbare  Folge  dieser  Bewegungs- 
art ist  die  Vertiefung  des  Flußbettes  in  der  Nähe  des  konkaven  Ufers 
und  die  Unterhöhlung  und  Abnagung  des  letzteren,  während  in  dem 
verhältnismäßig  ruhigen  Raume  an  der  entgegengesetzten  Seite  (bei  b) 
Sinkstoffe  abgelagert  werden.  Diese  Doppelthätigkeit  vergrößert  die 


Fig.  109.  Serpentinen. 


Krümmung  immer  mehr,  besonders  wenn  der 
herrschende  Wind  das  Wasser  gegen  das  Hohl- 
ufer treibt  und  die  Versandung  des  Konvexufers 
durch  Treibmassen  unterstützt  Ist  der  Isthmus 
zwischen  den  Bogenenden  sehr  enge  geworden, 
so  wird  er  häutig  vom  Hochwasser  durchbrochen; 
auf  diese  Weise  entstand  z.  B.  die  Insel  Budsak 
bei  Zenta  (Fig.  110).  In  der  Mehrzahl  der 
Fälle  muß  aber  der  Mensch  dieses  Regulierungs- 
werk ausführen.  Die  Kurve,  welche  dann  anfangs 
noch  als  Nebenkanal  dient,  versandet  wegen 
des  schwachen  Gefälles  und  der  geringen  Wasser- 
zufuhr immer  mehr,  besonders  an  der  Aus-  und 
Eingangsstelle,  und  wird  endlich  völlig  vom 
Flusse  abgeschnitten.  Solche  sichelförmige  Seen 
(Altwasser),  die  nur  noch  bei  Hochwasser  vor- 
übergehend mit  dem  Flusse  in  Verbindung 


treten,  sind  in  Tiefebenen  sehr  hänfig  (s.  Fig.  111). 


Die  Arbeit  der  Flüsse.  Die  Betrachtungen  über  die  Serpentinen 


haben  uns  schon  mitten  in  die  geologische  Arbeit  der  Flüsse  hinein- 


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Das  fließende  Wasser. 


377 


geführt.  Wie  alle  in  Bewegung  befindlichen  Körper,  besitzt  auch 
das  fließende  Wasser  lebendige  Kraft,  gleich  dem  halben  Produkte 
aus  der  Masse  ( M ) und  dem  Quadrate  der  Geschwindigkeit  (u). 

Setzen  wir  in  diese  Formel  j den  Wert  von  v (s.  S.  374)  ein,  so 

erhalten  wir  für  die  kinetische  Energie  des  Wassers  den  Ausdruck 
= Mhg.  Maßgebend  für  die  Arbeits- 
leistung eines  Flusses  an  einem 
bestimmten  Punkte  ist  also  seine 
Wassermenge  und  die  Fallhöhe. 

Diese  Energie  verwendet 
der  Fluß  zur  Überwindung  des 
Widerstandes,  den  ihm  die 
Kohäsion  des  Gesteins  entgegen- 
setzt. Dieser  Prozeß  ist  nichts 
anderes,  als  die  mechanische 
Erosion,  von  der  wir  auf  S.  341 
gesprochen  haben.  Daß  lockere 
Massen  leichter  erodiert  werden, 
als  festes  Gestein,  ist  bekannt; 
ebenso  bekannt  ist,  daß  verschiedene  Gesteine  verschiedene  Kohäsion 
besitzen,  aber  wir  sind  noch  nicht  im  stände,  dieselbe  ziffernmäßig 
abzuschätzen.  Die  Erosion  geht  entweder  in  die  Breite,  oder 
in  die  Tiefe  oder  nach 
beiden  Richtungen  zu- 
gleich. Es  ist  aber 
noch  wenig  erforscht, 
in  welchem  Verhält- 
nisse die  Seiten-  und 
Tiefenerosion  zu  ein- 
ander stehen,  denn  die 
Erfahrung  lehrt,  daß 
manchmal  das  Bettnoch 
verbreitert  wird,  wenn 
zur  Tieferlegung  keine 
Kraft  mehr  vorhanden 
ist,  ja  selbst  dann, 
wenn  das  Bett  durch 
Ablagerung  erhöhtwird. 

Der  Fluß  ist  aber 
nicht  bloß  selbständiger  Arbeiter,  er  ist  auch  Diener  fremder  Kräfte. 
Er  hat  nicht  bloß  seine  eigenen  Erosionsprodukte  weiterzuschaflen, 


Fig.  111.  Altwasser  der  Theiß  bei  Kis-Körös. 


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378  Die  Dynamik  des  Landes. 

sondern  auch  das,  was  ihm  die  Schwerkraft,  der  spülende  Regen, 
der  schmelzende  Schnee  an  Verwitterungsschutt  außerhalb  des  Be- 
reiches seiner  Erosionssphäre  zuführt.  Das  Verhältnis  der  Last  (L) 
zur  Wasserkraft  (K)  an  einer  bestimmten  Stelle  des  Flußlaufes  kann 
nun  ein  dreifaches  sein: 

1.  L < K:  die  Last  wird  fortgeführt  und  der  Überschuß  an 

Kraft  wird  zur  Erosion  verwendet; 

2.  L = K:  die  Last  wird  fortgeführt,  es  findet  aber  keine  Tiefen- 

erosion statt; 

3.  L > K:  ein  Teil  der  Last  wird  transportiert,  der  Überschuß 

wird  abgelagert. 

Beide  Momente,  die  die  geologische  Arbeit  des  Flusses  be- 
dingen, Last  und  Kraft,  sind  nach  Ort  und  Zeit  veränderlich.  Wo 
Hochwasser  eben  noch  erodieren  kann,  kann  das  folgende  Nieder- 
wasser nur  ablagern.  Manchmal  wird  durch  Bergstürze  eine  solche 
Menge  Schutt  auf  einmal  in  das  Flußbett  geworfen,  daß  jahrelang 
an  seiner  Beseitigung  gearbeitet  werden  muß  und  die  Erosion  auf 
ebenso  lange  Zeit  brach  gelegt  wird.  Bei  Flüssen,  die  im  Gebirge 
entspringen  und  dann  durch  Hügelland  und  Tiefebene  ihren  Lauf 
nehmen,  hängt  die  Energie  mehr  von  der  nach  unten  abnehmenden 
Geschwindigkeit,  als  von  der  in  gleicher  Richtung  zunehmenden 
Wassermenge  ab,  und  in  diesem  Falle  wird  im  großen  und  ganzen 
der  Oberlauf  durch  Erosion,  der  Unterlauf  durch  Ablagerung 
charakterisiert  Im  Zwischenstücke  oder  im  Mittelläufe  ist  die 
Geschwindigkeit  im  allgemeinen  wenigstens  bei  Hochwasser  eben 
noch  groß  genug,  um  die  Sinkstoffe  fortzuschaffen,  reicht  aber  nicht 
mehr  hin,  um  das  Bett  zu  vertiefen.  Dagegen  bewirkt  hier  die 
seitliche  Erosion  durch  Serpentinenbildung  eine  Verbreitung  des 
Bettes.  Einschneiden,  Verbreitern  und  Erhöhen  folgen  sich  also 
thalabwärts  aufeinander,  doch  ist,  wie  gesagt,  keine  dieser  Thätig- 
keiten  ausschließlich  auf  eine  der  drei  Abteilungen  des  Flußlaufes 
beschränkt. 

FluUablagerungen.  Der  Fluß  führt  Sedimente,  teils  in  ge- 
löstem Zustande,  teils  mechanisch  mit  sich  fort  Die  chemisch 
gelösten  Mineralstoffe  (kohlensaurer  und  schwefelsaurer  Kalk,  etwas 
kohlensaure  Magnesia  und  untergeordnet  Kochsalz)  bilden  zwar  nur 
ca.  Vsooo  der  Wassermenge,  können  aber  im  Laufe  geologischer  Zeit- 
räume einen  hohen  Betrag  erreichen.  Ein  Teil  dieser  Stoffe  wird 
bei  Hochwasser  im  Inundationsgebiete  abgelagert,  ein  anderer  durch 
das  Sickerwasser  dem  Boden  zugeführt,  der  größte  Teil  aber  ge- 
langt in  das  Meer.  Warum  das  Meer  trotzdem  keine  konzentrierte 


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Das  fließende  Wasser. 


379 


Lösung  von  kohlensaurem  Kalk  und  Gips  ist,  erklärt  sich  aus  dem 
Verbrauch  dieser  Stoße  durch  die  marine  Tierwelt  Das  mechanisch  mit- 
geführte Material  wird  einem  Schlemmprozesse  unterworfen.  Größere 
FelsstUcke  können  höchstens  durch  angeschwollene  Wassermassen 
fortgeschleppt  werden;  so  vermag  z.  B.  die  Linth  bei  Hochwasser 
50  kg  schwere  Blöcke  weiterzubewegen.  Aber  in  die  Ebene  gelangen 
sie  nicht,  sondern  bleiben  ebenso  wie  grobes  Gerölle  im  Gebirge 
zurück.  Weiter  hinab  werden  Kies,  Sand  und  am  weitesten  Schlamm 
geführt  Der  letztere  wird  schwebend  erhalten,  der  Sand  aber  nur 
solange,  als  die  innere  Bewegung  des  Wassers  eine  bedeutende  ist. 
Im  entgegengesetzten  Falle  sinkt  er  zu  Boden  und  wird  hier  strom- 
abwärts geschleppt.  In  geradlinigen  Flußstrecken  bilden  sich  wan- 
dernde Sandbänke  (Untiefen),  so  daß  das  Flußprofil  beständig  sich 
verändert  (vgl.  Fig.  1 1 2),  während  die  Ablagerungen  an  den  konvexen 
Ufern  der  Serpentine  verhältnismäßig  stabil  sind.  Auch  wenn  die  Ge- 
schwindigkeitdes  Wassere  sich  nicht  verändert,  entsteht  eine  Sandab- 
lagerung an  den  Stellen,  wo  das  Bett  sich  verbreitet.  Ist  das  Gefälle 
beträchtlich,  so  können  sich  die  Sedimente  nur  dort  am  Boden  an- 
häufen, wo  Rückstau  eintritt  — also  hinter  einem  festen  Gegenstände 
im  Flußbette  und  an  den  toten  Stellen  in  den  Biegungswinkeln 
eines  plötzlich  sich  verengenden  Bettes  — oder  infolge  von  Scha- 
rung, d.  h.  beim  Zusammentreffen  zweier  konvergierender  Strömungen. 
So  kann  eine  Insel  durch  Ablagerungen  nach  oben  infolge  von  Rück- 
stau und  nach  unten  infolge  von  Scharung  vergrößert  werden.  Sand- 
inseln bilden  sich  nach  den  Erfahrungen  der  Hydrotechniker  in  den 
meisten  Fällen  aus  stromabwärts  gerichteten  Landzungen , deren 
Verbindung  mit  dem  Ufer  durchrissen  wurde,  oder  bei  der  Durch- 
brechung einer  Serpentine  (S.  376).  Diese  aus  losem  Material  auf- 
gehäuften Gebilde  können  natürlich  wieder  vom  Wasser  verschlungen 
werden,  wenn  nicht  der  Pflanzenwuchs,  namentlich  tiefer  wurzelnde 
Bäume,  Halt  gewähren.  Die 
Pflanzendecke  hält  auch  das 
immer  neu  herbeigeschaß’te 
Material  fest,  so  daß  sich  die 
Insel  endlich  auch  über  den  Hoch-  Fig.  112.  Profil  des  Donaubettes  unterhalb 
wasserstand  erhebt.  In  tro-  ller  Reichsbrücke  bei  Wien,  nach  Pekck. 

pischen  Flüssen  veranlaßt  1877,  1884- 

häufig  auch  Treibholz  die  Entr 

stehung  von  Inseln  oder  gar  geschlossenen  Wehren,  da  wegen  des 
größeren  spezifischen  Gewichtes  des  Wurzelendes  die  Bäume  eine 
schiefe  Stellung  im  Wasser  entnehmen  und  leicht  im  Grunde  sich 
festsetzen  können. 


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380 


Die  Dynamik  des  Landes. 


In  den  beschriebenen  Fällen  wird  entweder  das  Flußbett  erhöht, 
oder  eine  Insel  gebildet  oder  das  Ufer  vergrößert.  Ähnlicher  Art  ist  die 
Ablagerung  im  sog.  lnundationsbette  wenig  tief  eingeschnittener 
Ströme,  das  sie  nur  bei  Hochwasser  überschwemmen.  Setzt  der 
Mensch  — wie  z.  B.  im  unteren  Polande  — der  Ausbreitung  des 
Hochwassers  durch  Dammbauten  Schranken,  so  wird  alles  Material 
im  Flußbette  zurückbehalten  und  erhöht  dasselbe  stetig,  so  daß  das 
Flußniveau  oft  mehrere  Meter  hoch  über  der  umgebenden  Niederung 
liegt.  Natürlich  müssen  auch  die  Dämme  immer  höher  wachsen, 
aber  leider  können  sie  das  Kulturland  zu  ihren  Füßen  nicht  immer 
vor  dem  Einbrüche  des  Wassers  schützen. 

Gebirgsbäche,  die  aus  steilen  Seitenthälem  kommen,  lagern  fast 
ihr  gesamtes  Material  beim  Eintritte  in  das  sanfter  geneigte  Haupt- 
thal in  der  Form  von  Schuttkegeln  ab.  Nebenflüsse,  die  ihre 
Sinkstoffe  bis  zur  Mündung  mitführen,  werden  hier  gestaut  und  ge- 
zwungen, das  Material  im  inneren  Winkel  der  Mündungsstelle  fallen 
zu  lassen.  Je  mehr  die  Ablagerung  wächst,  desto  weiter  wird 
die  Mündungsstelle  nach  abwärts  verschoben.  Die  Nebenflüsse  des 
Po  zeigen  diesen  Vorgang  in  besonders  prägnanter  Weise;  ja  die 
Landzunge  zwischen  der  Etsch  und  dem  Po  ist  so  rasch  gewachsen, 
daß  der  tirolische  Fluß  aus  dem  Klientel  seines  einstigen  Haupt- 
stromes entlassen  wurde  und  nun  parallel  mit  diesem  in  das  Meer 
fließt6 

Die  Sedimente,  die  am  Lande  keine  Ruhestätte  finden,  werden 
endlich  in  einem  See  oder  im  Meere  abgelagert  Daß  selbst  die 
langsam  fließenden  Ströme  der  Tiefebenen  noch  im  stände  sind  Ma- 
terial fortzuschaffen,  hat  seinen  Grund  darin,  daß  sie  in  der  Regel 
bis  zu  ihrem  Ende  Zuflüsse  empfangen,  und  daß  zwei  Flüsse  nach 
ihrer  Vereinigung  niemals  ein  Bett  von  doppelter  Breite  einnehmen. 
Das  Bett  des  Hauptflusses  behält  entweder  seine  frühere  Breite 
bei  oder  verengt  sich  sogar,  wie  z.  B.  das  des  Mississippi  von  1400  m 
in  der  Nähe  der  Ohiomündung  bis  750  m zwischen  Carrollton  und 
der  Deltagabelung.  Tritt  aber  auch  keine  Verschmälerung  ein,  so 
muß  sich  doch  die  größere  Wassermenge  jetzt  rascher  bewegen,  als 
vor  Aufnahme  des  Nebenflusses,  um  so  mehr  als  jetzt  nur  mehr  die 
Reibung  von  zwei,  statt  von  vier  Ufern  zu  überwinden  ist.  Mit  der  Ge- 
schwindigkeit wird  aber  auch  die  Transportkraft  des  Wassers  ge- 
steigert 

Die  Menge  der  Sedimente,  die  die  Flüsse  teils  in  gelöstem 
Zustande,  teils  mechanisch  mitführen,  giebt  uns  eine  Vorstellung 
von  der  allmählichen  Zerstörung  des  Festlandes.  Die  Elbe  bei 
Lobositz  enthält  nach  Breitenlohner  in  1 cbm  Wasser  91, s g ge- 


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Thalbildung  durch  Erosion. 


381 


löste  und  103, s g suspendierte  Stoße.  Für  das  Jahr  1866  wurde 
das  Gewicht  der  bei  Lobositz  vorbeigeführten  Stoffe  auf  ca.  1170 
Mill.  kg  berechnet.  Die  Reuß  setzt  nach  Heim  an  ihrer  Mündung 
im  Vierwaldstätter  See  jährlich  durchschnittlich  150000  cbm  Ge- 
schiebe ab;  jeder  Quadratkilometer  ihres  Flußgebietes  verliert  also 
jährlich  242  cbm  Material,  wodurch  die  GebirgsoberHäche  in  4 Jahren 
und  1 Monat  um  1 mm  erniedrigt  wird.  Für  ganz  England  be- 
rechnete Reade  einen  Höhenverlust  von  1 mm  in  42l/a  Jahren. 
Der  Vergleich  dieser  Zahlen  lehrt  uns,  wie  rasch  die  Zerstörung 
im  Hochgebirge  vor  sich  geht  Nach  Guppy  beträgt  die  Anzahl 
der  Jahre,  die  zur  Abtragung  von  1 mm  im  ganzen  Flußgebiet 
notwendig  ist,  beim  Po  2,4,  Hoangho  4,s,  Rhone  5,i,  Ganges  7,», 
Jangtsekiang  12,6,  Mississippi  20, l,  bei  der  Donau  23,  der  Themse 
32,2,  beim  Peiho  84,7,  und  heim  Laplata  98,4.  Wohl  mit  Recht 
sagt  Heim:  „Schließlich  bleiben  wir  nach  solchen  Messungen  und 
Betrachtungen  unentschieden,  ob  wir  sagen  sollen:  Die  Verwitterung 
und  Erosion  ist  ein  Vorgang,  der  mit  staunenerregender  Schnellig- 
keit und  Gewalt  an  der  Umformung  der  Gebirge  arbeitet,  oder 
sollen  wir  sagen:  Sie  ist  ein  Vorgang,  der  fast  unmerklich  langsam 
arbeitet.  Beides  ist  wahr  — den  ersteren  Eindruck  erlangen  wir  bei 
Betrachtung  des  Schutttransportes  durch  die  Ströme,  den  letzteren 
im  Anblick  der  viel  gewaltigeren  Masse  des  Gebirges.“ 

Litteraturnach  weise.  1 Am  ausführlichsten  werden  die  Flüsse  in 
hydrotechnischen  Werken  behandelt.  Besonders  zu  empfehlen  sind  Hagen, 
Handbuch  der  Wasscrhaukunst,  Berlin  1871,  und  Franzius  und  Sonne,  Wasser- 
bau, Leipzig  1884.  Ausführlich  auch  in  Pencks,  Morphologie  cit.  S.  278.  — 
* Woeikow,  Klimate,  cit.  S.  42.  — * Brückner,  Klimaschwaukuugeu  cit.  S.  190.  — 
4 Bocssineso,  Essai  sur  la  thooric  des  eaux  courants  in  den  Memoirs  der  fran- 
zösischen Akademie  der  Wissenschaften  1877.  — 6 Von  einem  Ausnahmefalle 
handelt  Henkel  in  Petermanns  Mitteilungen  1889,  S.  176. 


Thalbildung  durch  Erosion.1 

Gesetze  der  Erosion.  Die  ersten  Anfänge  der  Thalbildung  durch 
Erosion  können  wir  nach  jedem  Regengüsse  im  Gebirge  beobachten. 
Das  abfließende  Wasser  hat  sich  Rinnsale  im  lockeren  Boden  aus- 
gegraben, die,  wenn  die  Böschung  nicht  allzu  steil  ist,  nicht  direkt 
von  der  Höhe  ins  Thal  hinunterziehen,  sondern  diagonal  einander 
zulaufen,  um  sich  endlich  zu  einer  einzigen  Rinne  zu  vereinigen.  Die 
Produkte  seiner  Zerstörung  lagert  es  als  Schuttkegel  am  Fuße  des 
Gehänges  ab  und  hießt  in  weit  verzweigten  Wasserfäden  über  den- 
selben hin.  Der  Schuttkegel  bildet  den  Unterlauf,  alles  übrige  den 


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382 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Oberlauf  des  Wildbaches,  während  der  Mittellauf  nur  auf  einen 
Punkt  zusammengedrängt  ist.  Nach  den  nächsten  Regengüssen  finden 
wir  das  Bett  im  Oberlauf  vertieft,  den  Schuttkegel  erhöht,  und  gleich- 
zeitig hat  sich  das  Quellgebiet  nach  rückwärts  erweitert.  Die  Ero- 
sion bewirkt  also  nicht  nur  eine  Vertiefung  des  einmal  entstandenen 
Bettes,  sondern  auch  eine  Verlängerung  desselben  nach  rückwärts. 

Die  Erfalirung  lehrt  ferner,  daß  Thäler  unter  einfachen  Verhält- 
nissen im  Längsprofile  die  Form  einer  nach  unten  verflachen- 
den Kurve  annehmen,  und  es  ist  auch  leicht  einzusehen,  warum 
dies  geschehen  muß.  Selbst  wenn  ein  Fluß  ursprünglich  in  einem 
Kanäle  mit  gleichmäßigem  Gefälle  sich  bewegen  würde,  könnte  dieses 
nicht  erhalten  bleiben,  denn  die  Wassermenge  nimmt  nach  unten  zu 

3000 
2000 
lOOC 


o 

Fig.  113.  Längsprofil  des  Litzerbachthales  bei  Laas  (Tirol). 
Länge  und  Höhe  im  gleichen  Maßstabe  (Meter). 


und  damit  auch  die  Arbeitsfälligkeit.  Im  untersten  Teile  beginnt 
der  Fluß  einzuschneiden,  und  die  Erosion  schreitet  stetig  nach 
oben  fort,  aber  nach  Maßgabe  der  Wasserkraft.  Danach 
richtet  sich  das  neue  Gefälle;  es  wird  zwischen  den  einzelnen  Teilen 
des  Thaies  das  Gleichgewicht  hergestellt  sein,  wenn  sich  oben  mit 
geringster  Wassermenge  ein  stärkstes  Gefälle,  unten  mit  größter 
Wassermenge  ein  schwächstes  Gefälle  paart. 

Wenn  aber  auch  allgemein  anerkannt  wird,  daß  die  Thalkurve 
ein  Erzeugnis  der  Flußerosion  ist,  so  sind  doch  in  ein  paar  Haupt- 
punkten die  Meinungen  noch  geteilt.  Nach  unserer  Ansicht  hat  die 
Kurve  zwei  Fixpunkte,  den  Flußursprung  und  die  Flußmündung  — 
vorausgesetzt  natürlich,  daß  die  Höhenlage  dieser  Punkte  keinen 
anderweitigen  Veränderungen  unterliegt  — oder  mit  anderen  Worten: 
die  Ausgestaltung  der  Kurve  hängt  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen 
von  dem  Höhenunterschiede  der  beiden  Fixpunkte  ab.  Nach  Phi- 
ijppson  ist  dieser  Unterschied  aber  gleichgültig  und  wird  die  Kurve 
lediglich  durch  die  Wassermenge  bestimmt,  so  daß  ihr  oberer  End- 
punkt nicht  immer  mit  der  Wasserscheide  zusammenfallt,  sondern 
bald  über,  bald  unter  derselben  zu  liegen  kommt;  ferner  hat  Philippson 


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Thalbildung  durch  Erosion.  383 

diejenige  Kurve,  bei  der  in  allen  Punkten  die  Wasserkraft  die  gleiche 
ist,  als  Erosionsterminante  bezeichnet,  indem  er  voraussetzt,  daß 
nach  Erreichung  derselben  die  Erosion  so  gut  wie  erlösche.  Dem 
gegenüber  hat  Penck  2 darauf  hingewiesen,  daß  erfahrungsgemäß  noch 
Ströme  mit  einem  Gefälle  von  weniger  als  l/8  Proz.  „erstaunliche 
Sandmassen  transportieren  und  oft  große  Löcher  auskolken“.  „Die 
Erosion,“  sagt  er,  „hört  erst  dann  aut,  wenn  die  Gewässer  so  träge 
dahinschleichen,  daß  sie  nicht  mehr  die  feinsten  Partikel  zu  ver- 
schleppen vermögen,  welche  sich  im  Laufe  der  Zeiten  durch  das 
Zusammenwirken  der  verschiedensten  Kräfte  aus  ihrem  Boden  los- 
ösen.“  Man  kann  dies  zugeben,  aber  doch  die  Frage  aufwerfen, 
ob  in  einem  so  weit  fortgeschrittenen  Stadium  auch  die  Tiefen- 
erosion oder  nur  mehr  die  Seitenerosion  infolge  wechselnder  Serpen- 
tinenbildung wirksam  sei. 

Mit  der  Gestaltung  des  Längsprofils  hängt  offenbar  auch  die 
des  Grundrisses  zusammen.  Gehen  wir  ein  Erosionsthal  hinauf,  so 
durchschneiden  wir  zunächst  einen  kanalartigen  Einschnitt,  die 
Klamm, x und  gelangen  endlich  in  eine  muldenförmige  Erweiterung, 
das  Kar,x  wo  sich  die  einzelnen  Quellarme  zu  dem  Bache  ver- 
einigen. Die  Steilheit  des  Gehänges  bringt  die  spülende  Kraft  des 
Regenwassers  zur  vollen  Entfaltung,  die  Erhebungen  zwischen  den 
einzelnen  Wasserrillen  werden  einfach  abgeschwemmt.  Derselbe 
Vorgang  gestaltet  auch  die  ursprünglich  senkrechten  Wände  der 
Klamm  uin:  sie  nehmen  eine  Neigung  an,  die  der  Maximalböschung 
des  betreffenden  Materials  entspricht. 

Dreifach  ist  also  der  Charakter  des  Erosionsthaies:  im  Grund- 
riß die  Trichterform,  im  Längsprofil  eine  nach  oben  konkave 
Kurve,  im  Querprofil  die  V-Form. 

Die  letztere  erhält  sich  freilich  nur  solange,  als  die  Seitenerosion 
nicht  zur  Geltung  kommt  Diese  schiebt  die  Wände  zurück  und 

schafft  einen  Thalboden,  das  Profil  \/  wird  in  das  Profil  \ / 

übergeführt,  die  Klamm  hat  sich  in  ein  wirkliches  Thal  ver- 
wandelt. Auch  dieser  Prozeß  schreitet  von  unten  nach  oben  fort 

Zeitliche  und  räumliche  Variationen  des  Erosionstypus.  Von 
den  beiden  Kräften,  die  miteinander  ringen,  der  Kohäsion  und  der 
Wasserkraft,  ist  die  erstere  für  jedes  Thal  ein  für  allemal  gegeben,  die 
letztere  aber  periodischen  Änderungen  unterworfen.  Sie  ist  bekanntlich 
ein  Produkt  von  Wassermenge  und  Geschwindigkeit,  und  nach  beiden  . 
Richtungen  können  Veränderungen  eintreten.  Die  Wassermenge 
wechselt  mit  den  Jahreszeiten;  nur  das  regelmäßige  Hochwasser 

x Beide  Ausdrücke  stammen  aus  den  Alpen. 


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384 


Die  Dynamik  des  Landes. 


ist  für  die  Gestaltung  der  Endkurve  maßgebend,  außergewöhnliche 
Hochwässer  bringen  nur  vorübergehende  Störungen,  die  Perioden 
des  Niedrigwassers  sind  Perioden  des  Stillstandes;  ja  stellenweise 
kann  sogar  Ablagerung  eintreten,  die  das  nachfolgende  Hochwasser 
erst  beiseite  schaffen  muß,  ehe  es  an  die  Fortführung  seiner  Ero- 
sionsarbeit gehen  kann.  Von  größerer  Bedeutung  sind  aber  lang- 
dauernde Klimaperioden,  wie  wir  später  sehen  werden. 

Auch  die  Geschwindigkeit,  d.  h.  das  Gefälle,  kann  sich  ändern. 
Für  jedes  Thal  ist  der  Mündungspunkt  zunächst  ein  Fixpunkt,  die 
Erosionsbasis,  unter  die  auch  der  kräftigste  Fluß  nicht  herunter- 
gehen kann.  Wird  aber  — nehmen  wir  an,  nach  Vollendung  der 
Gleichgewichtskurve  — der  Mündungspunkt  durch  äußere  Kräfte 
erniedrigt  oder  gehoben,  so  treten  sofort  andere  Bedingungen  ein. 
In  dem  ersten  Falle  wird  die  Wasserkraft  am  Ende  des  Thaies  ge- 
steigert, von  neuem  beginnt  hier  die  Erosion  und  schreitet  thalauf- 
wärts  fort,  bis  die  neue  Kurve  fertiggestellt  ist.  Im  zweiten 
Falle  wird  die  Wasserkraft  vermindert  und  kann  die  Schuttzufuhr 
nicht  mehr  bewältigen;  der  Thalboden  wird  ausgefüllt  und  auch 
dieser  Vorgang  macht  sich  im  Längsprofil  des  oberen  Thalabschnittes 
geltend.  Die  letzte  Erosionsbasis  sämtlicher  Flüsse  ist  der  Meeres- 
spiegel; jede  Niveauveränderung  weckt  mit  der  Zeit  auch  ein  Echo 
in  den  entferntesten  Gegenden  an  der  Hauptwasserscheide  des  Fest- 
landes oder  der  Insel.  Erst  paßt  sich  ihr  der  Hauptfluß  an,  dann 
dessen  Nebenflüsse,  dann  deren  Zuflüsse  u.  s.  w.  Geht  die  Niveau- 
veränderung allmählich  vor  sich,  so  kommt  die  Thalbildung  niemals 
zur  Ruhe,  denn  jeder  Tag  schafft  neue  Bedingungen,  die  freilich 
nur  in  ihrer  Summierung  große  Wirkungen  erzeugen  können. 

Unzählig  sind  die  räumlichen  Variationen.  Selten  ist  in 
einem  größeren  Thale  die  Widerstandskraft  des  Gesteins  überall 
die  gleiche,  und  anders  vollzieht  sich  die  Erosionsarbeit  im  hori- 
zontal geschichteten  Boden  als  in  aufgerichteten  Schichten,  anders, 
wenn  der  Fluß  die  letzteren  durchquert,  als  wenn  er  in  ihrer  Streich- 
richtung sich  bewegt.  Eine  der  merkwürdigsten  Erscheinungen  ist 
die  diagonale  Stromzerlegung,  die  nach  Gilberts  und  v.  Richt- 
hofens Ansicht  dadurch  entsteht,  daß  der  Fluß  ein  aus  aufgerich- 
teten härteren  und  weicheren  Schichten  bestehendes  System  diagonal 
durchschneidet,  wobei  er  das  Bestreben  hat,  in  den  weicheren 
Schichten  möglichst  lange  zu  verharren  und  die  harten  Schichten 
auf  möglichst  kurzem  Wege  zu  durchqueren,  so  daß  der  Grundriß 
einen  zickzackformigen,  aus  vielen  kurzen  Längs-  und  Querstrecken 
bestehenden  Thallauf  zeigt  (Fig.  114).  Im  allgemeinen  ist  aber  der 
Einfluß  des  Gesteins  auf  die  Thalbildung  noch  wenig  erforscht,  nur 


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Thalbildung  durch  Erosion.  385 

da^s  eine  läßt  sich  behaupten,  daß  der  Härtegrad  des  Gesteins 
die  Thalbildung  verzögern,  aber  nicht  aufhalten  kann.  Ist 
nur  genügend  Zeit  gegeben,  so  siegt  die  Erosion  unter  allen  Um- 
ständen, aber  die  Ubergangsformen 
bis  zur  Erreichung  des  Endgefälles 
werden  durch  die  Verschiedenheit  des 
Gesteins  außerordentlich  mannigfaltige. 

Wir  haben  bisher  die  Wasser- 
scheide als  den  oberen  Fixpunkt  des 
Thaies  angesehen,  aber  dies  ist  nur 
insofern  richtig,  als  man  sie  als 
Linie  betrachtet.  In  der  Regel  ist  aber  Fig.  U4.  Diagonale  Strom- 
die  Wasserscheide  ein  mehr  oder  minder  Zerlegung  nach  v.  Richthofkn. 
breiter  Rücken  oder  bei  einem  Einzel-  (A  = harte,  \V=  weiche  Schichten.) 
berge  ein  Kegel  oder  eine  Platte.  Inner- 
halb einer  solchen  Fläche  ist  die  wasserscheidende  Linie  durch 
die  rückwärtsschreitende  Erosion  sehr  wohl  verrückbar.  Es  kommt 
dabei  vor  allem  auf  die  Verteilung  der  Thäler  an.  Sind  sie  an 
beiden  Seiten  einer  Erhebung 
wechselständig  ange- 
ordnet, wie  in  Fig.  115,  so 
sucht  jeder  Fluß  sie  zu  er- 
obern, jeder  drängt  die  ur- 
sprünglich gerade  Scheide- 
linie (ab)  zurück,  so  daß  sie 
die  zickzackförmige  Gestalt 
ABC  annimmt.  Sind  die  Ver- 
hältnisse auf  beiden  Seiten  die 
gleichen,  so  wird  die  Endge- 
stalt eine  mehr  oder  minder 
regelmäßige  sein,  im  umgekehrten  Falle  werden  den  stärkeren 
Flüssen  größere  Ausbuchtungen  der  Scheidelinie  entsprechen.  Ist 
die  eine  Seite  sehr  regenreich  im  Vergleiche  zur  anderen,  so  kann 
eine  allgemeine  Verschiebung  der  wasserscheidenden  Linie  nach 
der  Trockenseite  erfolgen.  Bei  gegenständiger  Thalanorduung, 
d.  h.  wenn  zwei  entgegengesetzt  verlaufende  Thäler  mit  ihren  Sammel- 
becken an  der  Wasserscheide  Zusammenstößen,  kann  das  kräftigere 
Thal  in  das  Quellgebiet  des  anderen  übergreifen  und  sich  dasselbe 
dienstbar  machen.  Mau  muß  sich  dabei  vor  Augen  halten,  daß 
in  diesem  Falle  der  wasserscheidende  Rücken  durch  die  beider- 
seitige Erosion  immer  mehr  zugespitzt  wird  und  dadurch  der 
Verwitterung  und  der  Erniedrigung  durch  die  Schwerkraft,  da* 

Sufah,  Physische  Erdkunde.  2.  Aufl.  25 


Fig.  115.  Zickzackformige  Wasserscheide. 


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spülende  Wasser,  den  schmelzenden  Schnee  u.  s.  w.  rascher  zum 
Opfer  fallt 

Auf  ungleiche  Erosion  führt  Hilher  3 auch  die  so  häufige 
Asymmetrie  der  Thalgehänge  zurück,  vorausgesetzt,  daß  sie 
nicht  in  der  Schichtenstellung  begründet  ist  (wie  in  den  Isoklinal- 
thälern,  wovon  später  die  Rede  sein  soll).  Fig.  116  stellt  das  Quer- 
profil durch  eine  Reihe  von  Parallelthälern  dar,  von  denen  jedes 
folgende  tiefer  eingeschnitten  ist,  als  das  vorhergehende.  Thal  Tt 

hat  einen  sanften  Abhang 
A /rx  auf  der  linken,  einen  stei- 

/ ! x.  / j \ leren  auf  der  rechten  Seite 

j N.  / ( CE  > ED);  der  Rücken  A 
I senkt  sich  steil  zu  T1(  all- 

-t — i. — e ' j>  mählicher  zu  71  ah.  Dort 


Fig.  116.  Asymmetrische  Thäler.  liegt  die  Erosionsbasis  höher 

als  hier  (7\  F > T2E),  auf 
dem  Abhange  ATt  wird  daher  kräftigere  Denudation  herrschen  und 
die  Wasserscheide  A gegen  Tx  verrückt  werden.  Das  ist  ganz 
der  gleiche  Vorgang,  wie  wir  ihn  oben  bei  den  gegenständigen 
und  wechselständigen  Thälern  kennen  gelernt  haben;  man  wird 
daher  im  allgemeinen  sagen  können:  die  Wasserscheide  rückt 
stets  nach  der  Seite  der  schwächeren  Erosion. 

Moderne  Thalbildungen.  Das  Entstehen  von  Thälern  durch 
Erosion  wurde  in  geschichtlicher  Zeit  mehrfach  beobachtet.  Im 
Vispthale  wurde  am  rechtseitigen  Gehänge  zwischen  Visp  und  Salden 
1855  eine  eisenhaltige  Quelle  eröffnet,  die  sich  zwei  Jahre  darauf 
bereits  eiue  Schlucht  ausgegraben  hatte.  1865  war  diese  nach  Lyells 
Bericht  schon  beträchtlich  erweitert  und  hatte  sich  gleichzeitig  nach  rück- 
wärts bis  in  einen  Weingarten  verlängert,  den  sie  nun  entzweischnitt. 
Ihre  Breite  betrug  hier  37  m und  ihre  Tiefe  ca.  4'/a  m.  Derselbe  Geo- 
loge erzählt  auch  von  einer  Thalbildung  bei  Milledgeville  im  Staate 
Georgia,  wozu  allerdings  Klüfte  von  ca.  1 m Tiefe  im  abgeholzteu 
Thonboden  Veranlassung  gegeben  haben.  Innerhalb  eines  Zeitraumes 
von  20  Jahren  waren  sie  zu  einer  Schlucht  von  17  m Tiefe,  274  m 
Länge  und  6 — 55  m Breite  ausgearbeitet  worden.  Häufig  wurden 
auch  Auswaschungen  in  losen  vulkanischen  Massen  beobachtet;  auf 
diese  Weise  entstand  1824  am  Vesuv  ein  Thal  von  7 1/3  m Tiefe  in 
drei  Tagen.  In  Südrußland  sind  viele  Fälle  bekannt,  wo  Karren- 
geleise zu  Schluchten  von  30 — 50  m Tiefe  und  mehreren  Kilometer 
Länge  erweitert  wurden.  Das  sind  Thalbildungen  in  lockerem  Bo- 
den; seltener  sind  natürlich  historische  Nachrichten  von  solchen 
Erscheinungen  im  festen  Gestein.  Ca.  5 km  oberhalb  Aderno  am 


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Thalbildung  durch  Erosion. 


387 


Westabhange  des  Ätna  versperrte  ein  Lavastroni  1003  dem  Simeto 
den  Weg.  Bis  zu  Lyells  Besuche  im  .Jahre  1828  hatte  der  Fluß 
im  verfestigten  Gestein  ein  neues  Thal  von  15  bis  ca.  1 00  m Breite 
und  12 — 15  m Tiefe  ausgehöhlt.  Nach  Hoff  hat  auch  das  Flüß- 
chen Caltabiauco  in  einem  390  v.  dir.  ergossenen  Lavastrom  ein 
4.3  m tiefes  Thal  sich  eingegraben,  und  ähnliche  Fälle  werden  von 
den  vorgeschichtlichen  Lavaergüsseu  in  Zentralfrankreich  erzählt. 

Klammen  und  Canons.  Die  Anfänge  der  meisten  Thäler  Riegen 
aber  weit  jenseit  der  Grenzen  historischer  Erinnerung,  und  nur  im 
Laufe  geologischer  Zeiträume  konnten  so  tiefe  Einschnitte  in  Gebirgen 
und  Plateaus,  wie  wir 
sie  jetzt  beobachten, 
entstehen.  Aber  viel- 
fach treten  uns  noch 
sichtbare  Spuren  der 
Erosion  entgegen,  und 
wir  können  das 
fließende  Wasser  bei 
seiner  Zerstörungs- 
arbeit belauschen.  Von 
den  zahlreichen  Rinnen 
mit  spiegelglatt  polier- 
ten Wänden  und  von 
verschiedenerTiefe,die 
unscheinbare  Wasser- 
laden in  der  harten 
Xageltluh  des  Rigi  bei 
Vitznau  ausgemeißelt, 
und  die  Rütqie yek4  so 
anschaulich  beschrie- 
ben hat,  bis  zu  den 
tiefen  Klammen  unserer  Alpen,  Montenegros,  des  Thüringer  Waldes 
bei  Eisenach  etc.,  giebt  es  alle  möglichen  Übergänge.  Eine  der  lehr- 
reichsten Bildungen  dieser  Art  ist  die  Liechtensteinklamm,  die  der 
Groß-Arlbach  vor  seinem  Eintritte  in  das  Salzachthal  durchströmt 
(Fig.  117).  Die  Thalsohle  ist  zugleich  das  Flußbett,  und  wir  können 
bequem  beobachten,  wie  das  Wasser  die  Felswände  bearbeitet.  Es 
glättet  sie  und  meißelt  durch  rückläufige  Strömung  Nischen  aus 
(Fig.  118).  Bis  über  300  m steigen  die  nur  2 — 4 m voneinander 
entfernten  Wände  über  den  Flußspiegel  empor,  und  ihre  Polie- 
rung,  sowie  die  Nischen,  die  stellenweise  noch  Geröll  enthalten 
und  weit  über  dem  Hochwasserstande  sich  befinden , geben  uns  die 

25* 


Fig.  117.  Liechtensteinklumm. 


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Die  Dynamik  des  Landes. 


388 

Gewißheit,  daß  der  Bach  einst  iu  einem  höheren  Niveau  geriossen 
ist  und  die  Thalsohle  allmählich  vertieft  hat  Nicht  immer  erhalten 
sich  solche  Spuren;  früher  oder  später,  je  nach  der  Gesteinsart 
fallen  sie  der  Verwitterung  anheim,  und  endlich  faßt  auch  die  Vege- 
tation auf  den  einst  spiegelglatten  Wänden  Fuß,  die  letzten  Spuren 
verwischend  und  verhüllend.  Die  Böschung 
der  Abhänge  nähert  sich  immer  mehr  ihrem 
natürlichen  Maximalwerte,  und  kein  direktes 
Zeichen  verrät  uns  mehr  den  Ursprung  des  Thaies. 
Glücklicherweise  hat  uns  die  Natur  alle  mög- 
lichen Übergangsformen  zwischen  der  Klamm 
und  dem  fertigen  Thale  erhalten.  Die  Kitz- 
lochklamm  befindet  sich  bereits  im  ersten  Ver- 
witterungsstadium und  die  Steilwände  der 
Gasteiuerklamm  (zwischen  jener  und  der 

Liechtensteinklamm)  tragen  bereits  eine 
Fig.  118.  Entstehung  der  . , , + i t • j j 

Nischen.  >-  Richtung  Pflanzendecke,  aus  der  aber  hier  und  da, 

der  Strömung.  freilich  nur  dem  aufmerksamen  Beobachter 
sichtbar,  eine  Erosionsspur  hervorlugt.  In 
der  Kranabetter  Klamm  bei  Innsbruck  sieht  man  alle  drei  Stadien 
nebeneinander. 

Gleiche  Gebilde,  wie  hier  in  aufgerichteten  Schichten,  schafft 
die  Erosion  auch  in  ungestörten.  Der  große  Canon  des  westlichen 
Colorado  ist  in  leicht  nach  Süden  geneigten  festen  Gesteinsschichten 
eingeschnitten.  Nach  Dcttons5  Untersuchungen  begann  die  Erosion  am 
Ende  der  Kreide-  oder  um  Anfänge  der  Tertiärzeit.  Die  tertiären, 
Kreide-,  Jura-  und  Triasschichten  wurden  durch  Denudation  entfernt, 
und  am  Ende  derMiocäuperiode  begann  der  Colorado  sein  Bett  in  Carbon 
einzuschneiden  und  ist  bereits  bis  zur  granitischen  Unterlage  fort- 
geschritten. Das  1800  m tiefe  Thal  ist  im  Querschnitte  trichterförmig, 
d.  h.  es  besteht  aus  einem  breiten  oberen  und  schmalen  unteren 
Teile,  wie  auch  manche  Klammen  der  Alpen.  Die  steilen,  oft  senk- 
rechten Wände  zeigen  Glättung  und  Nischenbildung,  die  Sohle  ist 
oft  so  schmal,  daß  sie  vom  Flusse  ganz  überschwemmt  wird,  und 
wie  bei  den  Klammen  hat  die ' Thallinie  die  Serpentinenform  mit 
aus-  und  einspringenden  Winkeln  (Fig.  119).  Die  Canons  sind  aber 
nicht  bloß  dem  Colorado  eigentümlich.  Auch  der  obere  Missouri, 
der  Rio  grande  del  Norte,  der  Red  River  und  Arkansas  fließen  teil- 
weise durch  solche  gigantische  Klammen,  und  endlich  finden  wir 
solche  (von  1500 — -1800  m Tiefe)  auch  im  Scottgebirge  nordwestlich 
der  Sierra  Nevada.  Dütton  betrachtete  die  Canons  ursprünglich  als 
die  Thalform  regenarmer  Gebiete:  als  er  aber  später  dieselben  Bil- 


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Thalbilduug  durch  Erosion. 


389 


düngen  auf  den  hawaiischen  Inseln  kenneu  lernte,  mußte  er  selbst  seine 
Einschränkung  fallen  lassen.  Überall,  wo  die  Tiefenerosion  viel  inten- 
siver arbeitet,  als  die 
Seitenerosiou , ent- 
stehen Schluchten, 

Klammen,  Canons; 
aber  die  Steilheit  der 
Thalwände  erhält 
sich  nur  dort,  wo 
diese  vor  Abspülung 
bewahrt  bleiben. 

Das  ist  der  Fall 
in  trockenen  Erd- 
strichen, wie  im  west- 
lichen Nordamerika, 
aber  — wiePENCKmit 
Recht  betonte  — auch 
im  durchlässigen 
Gestein,  besonders 
in  klüftigen  Sand- 
und  Kalksteinen,  die 
den  Regen  ver- 
schlucken. Das 
schöne  Elbthal  im 
Quadersandsteinge- 
biete der  Sächsischen 
Schweiz  unter- 
scheidet sich  von  den 
amerikanischen  Ca- 
nons in  nichts,  als 

in  den  Dimensionen  und  in  der  Gesteinsbeschaft’enheit  der  Wände. 

Vereinzelten  Erosionsspuren  in  verschiedenen  Höhen  über 
dem  heutigen  Flußspiegel  begegnen  wir  häufig,  sowohl  im  gefalteten 
wie  im  fiachgeschichteten  Gelände.  Im  Himalaja  kann  man  sie 
bei  kleineren  Flüssen  bis  400  m,  selbst  bis  Uber  600  m und  im 
oberen  Lauf  des  Ganges,  Sutlej  und  Indus  bis  zu  900  m über  dem 
jetzigen  Wassemiveau  verfolgen.  An  den  Gehängen  des  Elbthales 
oberhalb  Dresden  liegen  Schotterbänke  in  verschiedenen  Höhen,  und 
im  Nilthale  kommt  die  Cyrena  fiuvialis,  die  noch  jetzt  den  Strom 
bewohnt,  37  m über  der  Fluthöhe  vor.  Das  sind  unmittelbare  Be- 
weise dafür,  daß  die  Flüsse  sich  allmählich  ihre  Thäler  ausgehöhlt 
haben,  und  man  muß  dies  besonders  betonen,  weil  bis  in  die  jüngste 


Fig.  119.  Marble  Cafion. 


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390 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Zeit  die  Meinung  herrschte,  die  Gebirgsthäler  seien  ursprüngliche 
Spalten,  und  DaubrEe  seihst  im  nicht  dislozierten  Gelände  in  den 
Flußläufen  nur  ein  Netz  sich  kreuzender  Spalten  zu  erkennen  glaubte. 

Terrassenbildung.  Die  Mehrzahl  der  Thäler  kann  aber  direkte 
Zeichen  ihres  Erosionsursprungs  nicht  mehr  aufweisen.  Verwitterungs- 
erde bedeckt  die  mehr  oder  minder  sanft  ansteigenden  Gehänge, 
und  Flußsedimente,  Schutthalden,  Ablagerungen  von  Bergstürzen 
u.  s.  w.  verhüllen  die  felsige  Unterlage  der  Thalsohle,  die  der  Fluß 
höchstens  bei  außerordentlichem  Hochwasser  noch  in  der  ganzen 
Breite  überschwemmt.  Glücklicherweise  hat  uns  aber  die  Erosions- 
arbeit ungezählter  Jahrtausende  in  den  Terrassen  und  Thal- 
stufen ein  untrügliches  Merkmal  hinterlassen,  dessen  theoretische 
Erkenntnis  sich  allerdings  erst  in  unseren  Tagen  vorurteilslosen 
Forschern  erschlossen  hat. 

Den  Ausdruck  „Terrasse“  beschränken  wir  auf  die  mehr  oder 
weniger  horizontalen  Stufen  der  Thalgehänge.  Sie  treten  in  zwei, 
genetisch  verschiedenen  Formen  auf:  als  Ausfüllungs-  und  Fels- 
terrassen. Die  einfachste  Art  der  erstgenannten  Kategorie  sind 
die  Inundationsterrassen,  wie  sie  Fig.  120  in  einem  Querschnitte 
darstellt.  Das  Felsbett  wurde  einst  mit  Sedimenten  ausgefüllt,  in 
welchen  der  zu  neuer  Erosionsarbeit  angeregte  Fluß  ein  Bett  sich 
grub.  Bei  gewöhnlichem  Wasserstande  benutzt  er  die  Kinne  A,  bei 
Hochwasser  aber  füllt  er  das  Thal  bis  J und  f aus.  Nur  auf  einer 
oder  auf  beiden  Seiten  blieben  Terrassen  als  Denudationsreste  zurück, 
bald  durch  neue  Absätze  erweitert,  bald  durch  seitliche  Erosion 

verkleinert.  In  vielen  Thälern  sind 
in  den  ehemaligen  Flußabsätzen 
mehrere  Terrassen  übereinander 
ausgegraben,  und  die  höheren 
reichen  weit  über  die  höchsten. 

Fig.  120.  Inundationsterrassen.  , , ,Ir 

jetzt  vorkommendeu  Wasserstände 
des  Flusses  hinaus.  Das  Ausfüllungsmaterial  dieser  Diluvial- 
terrassen stammt  aus  der  Eiszeit,  und  sie  sind  auch  nur  auf  ehe- 
mals vergletscherte  oder  ihnen  benachbarte  Gebiete  beschränkt.  In 
einem  großen  Teile  von  Nordamerika  innerhalb  der  Driftgreuze  und 
etwas  südlich  davon  wurden  in  der  Champlainperiode,  die  die  zweite 
Eiszeit  abschließt,  die  Thäler  (mit  Ausnahme  derjenigen  im  Hoch- 
gebirge) mit  großen  Massen  von  Sand  und  Schotter,  die  die  Schmelz- 
wässer des  Inlandeises  herbeiführten,  ungefüllt.  Die  darauffolgende* 
negative  Niveauveränderung  (vgl.  S.  289)  verlegte  die  Mündungs- 
stellen der  Flüsse  ruckweise  in  immer  tiefere  Niveaus,  und  zwang 
dadurch  die  Flüsse  ihr  Bett  immer  tiefer  einzuschneiden,  während 


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Tlialbilduug  durch  Erosion. 


391 


sie  in  ruhigen  Zwischenpausen  Zeit  fanden,  es  zu  erweitern. 
Solche  Terrassen,  wie  sie  Fig.  121  zeigt,  erstrecken  sich  viele  Kilo- 
meter weit  an  den  Ufern  der  nordamerikanischen  Flüsse,  freilich 
nicht  immer  mit  gleicher  Regelmäßigkeit,  sei  es,  daß  die  Ausfüllungs- 
masse schon  ursprünglich  ungleichmäßig  verteilt  war,  sei  es,  daß  die 


Fig.  121.  Terrassen  des  Connecticut,  südl.  von  Hannover  (New-Hampshire), 

nach  Dana. 


Erosion  an  einigen  Stellen  mehr  zerstörte  als  au  anderen.  Auch  in 
Mitteleuropa  sind  diluviale  Schotterterrassen  eine  weitverbreitete 
Erscheinung.  Sie  sind  nach  Penck  in  den  wasserreichen  Perioden 
des  Gletschervorstoßes  abgelagert  und  in  Perioden  schwächerer  Strom- 


Fig.  122.  Längenprofil  des  Reußthales. 
Höhenmaßstab  fünfmal  größer  als  der  Längenmaßstal). 


thätigkeit  wieder  erodiert  worden,  ln  allen  diesen  Fällen  erzählen 
uns  die  Terrassen  nichts  von  der  ursprünglichen  Geschichte  des 
Thaies,  sondern  nur  von  einer  Episode  in  der  Entwicklung  desselben. 
Durch  die  neubelebte  Erosion  wurde  das  frühere  Niveau  der  Sohle 
nur  zurückgewonnen,  oder  dieses  Ziel  wenigstens  angestrebt. 


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392 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Etwas  anderes  lehren  uns  die  Felsterrassen  und  die  ihnen 
entsprechenden  Thalstufen,  über  deren  Vorkommen  in  der  Schweiz 
Heim  und  Bodmeb  eingehende  Untersuchungen  angestellt  haben.9 
Die  Betrachtung  der  einzelen  Profile  wird  uns  zunächst  über  die 
thatsächlichen  Verhältnisse  aufklären.  Wie  zahlreiche  Alpenthäler 
hat  auch  das  Reußthal  ein  gebrochenes  Längsprofil  (Fig.  122), 
in  dem  sich  das  normale  gleichsam  mehrmals  wiederholt  Auf  das 
breite  sanft  geneigte  Urserenthal  folgt  die  wilde  Schellenenschlucht, 
dann  folgen  rasch  Thalstücke  mit  wechselndem  Charakter,  und  end- 
lich das  ausgedehnte  Auflagerungsgebiet  von  Amsteg  bis  zur  Mün- 
dung der  Reuß  in  deu  Ürner  See.  In  anderen  Alpenthälem  ist  der 


Fig.  123.  Querprofile  des  Reußthales  nach  Heim,  a nahe  bei  Altdorf,  b nahe 
(»öschenen,  c im  Urserenthal.  (Die  römischen  Zahlen  bedeuten  Thalstufen,  wie  in 
Fig.  122,  und  die  arabischen  die  ihnen  entsprechenden  Terrassen.) 


Stufenbau  noch  ausgeprägter,  so  z.  B.  im  Gasteinerthal,  wo  drei 
Stufen x mit  sanftem  Gefälle  und  beckenartiger  Erweiterung  mit  ein- 
ander und  mit  der  Mündungsstufe  durch  steile  Klammen  oder  durch 
Gefällsbrtiche  und  Wasserfälle  verbunden  sind.  Dagegen  zeigt  uns 
das  Reußthal  an  mehreren  Stellen,  wie  oberhalb  Amsteg  oder  in  der 
Schellenenschlucht  (s.  Profil  b in  Fig.  123),  die  Entstehung  der 
Terrassen  aus  Thalstufen.  Indem  das  Wasser,  durch  irgend  einen 
Umstand  zu  erneuter  Thätigkeit  gezwungen,  eine  tiefe  Schlucht  in 
dem  alten  Thalboden  ausarbeitet,  bleiben  Reste  des  letzteren  als 
Terrassen  an  einem  oder  an  beiden  Gehängen  zurück.  Erlahmt  die 
Erosionskraft,  so  hört  die  Tieferlegung  der  neuen  Thalsohle  auf,  und 
es  beginnt  die  Verbreiterung  derselben,  wodurch  natürlich  die  Ter- 
rassen immer  mehr  beschränkt  werden.  Außerdem  arbeiten  auch 
Verwitterung,  Seitenbäche,  Muren,  Bergstürze,  Lawinen  u.  s.  w.  an 
ihrer  Zerstörung;  und  wir  dürfen  uns  daher  nicht  wundern,  wenn 


Mündung  bei  Lend 

1.  Stufe,  Becken  von  Gastein  . 

2.  „ „ „ Bückstein 

3.  „ Naßfeld 


Höhe  der  Stufe 


637  m hoch 

— 

840 

203  m 

1080  „ 

240 

1640 

560 

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Thalbildung  durch  Erosion. 


393 


wir  diese  Reste  alter  Thalböden  nur  noch  stellenweise  an  den  Ge- 
hängen finden.  Ebenso  ist  es  erklärlich,  daß  die  oberen  und  daher 
älteren  Terrassen  weniger  gut  erhalten  sind,  als  die  unteren  und 
jüngeren. 

Vereinigen  wir  die  Terrassen  und  die  etwa  noch  vorhandenen 
Thalstufen,  die  annähernd  im  gleichen  Niveau  liegen,  miteinander, 
so  erhalten  wir  verschiedene  Thalböden,  die  unter  sanften  Winkeln 
thalabwärts  sich  neigen  (die  punktierten  Linien  in  Fig.  122).  Im  Reuß- 
thale  unterscheidet  man  vier  solche,  in  2200 — 1900,  1000 — 1400, 
1200 — 900  und  900 — 600  m Höhe;  der  unterste  Thalboden,  von 
Amsteg  bis  Flüelen  (in  536 — 437  m Höbe)  hat  natürlich  noch  keine 
Terrassen  gebildet.  Es  würde  das  aber  sofort  geschehen,  wenn  die 
Mündungsstelle  in  ein  tieferes  Niveau  verlegt  würde.  Wir  können 
diesen  Prozeß  in  den  Seitenthälern  des  unteren  Reußthales  verfolgen. 
Die  kleineren  und  daher  wasserarmeren  Nebenbäche  konnten  in  ihrer 
Erosionsarbeit  mit  dem  Hauptflusse  nicht  gleichen  Schritt  halten; 
ihre  Mündungsstellen  liegen  daher  in  beträchtlicher  Höhe  über  der 
Sohle  des  Hauptthaies,  und  zwar  in  um  so  größerer,  je  näher  sie 
dem  Ausgang  des  letzteren  liegen.  In  Kaskaden  und  Wasserfällen 
stürzen  sie  in  das  Reußthal  hinab.  Aber  indem  die  Erosion  immer 
weiter  nach  rückwärts  einschneidet,  nähert  sich  das  Niveau  der 
Sohle  im  unteren  Teile  des  Nebenthaies  immer  mehr  dem  der  Mün- 
dungsstelle im  Hauptthale. 

Auf  den  Thalstufen  herrscht  jetzt  Ruhe,  in  den  Absätzen  der- 
selben aber  ununterbrochene  Bewegung.  Das  Niveau  V schreitet 
gegen  IV,  IV  gegen  111 , 111  gegen  II  fort.  Das  Endprodukt  wäre 
eine  normale  Kurve.  Gestört  würde  dieser  Prozeß  nur,  wenn  die 
Mündungsstelle  schneller,  als  ihr  die  Erosion  zu  folgen  vermöchte, 
durch  Bodenbewegungen  tiefer  gelegt  oder  das  Thal  gehoben  oder 
die  Wassermenge  des  Flusses  durch  eine  Klimaänderung  vermehrt 
würde.  Derartige  Ereignisse  müssen  einst  stattgefunden  haben; 
höchst  wahrscheinlich  waren  es  absolute  oder  relative  Niveauver- 
änderungen der  Mündung,  die  (Fig.  122)  von  1 nach  2 und  so  fort 
bis  zur  heutigen  Stelle  herabrückte.  Die  Stufen-  und  Terrassenober- 
flächen entsprechen  Ruhepausen,  die  Absätze  Bewegungsperioden. 
Die  Nebenthäler  nehmen  selbstverständlich  an  den  Veränderungen 
des  Hauptthaies  Teil,  daher  ihre  Terrassen  und  Stufen  denen 
des  letzteren  entsprechen,  während  verschiedene  Flußgebiete  in  der 
Höhenlage  und  Zahl  ihrer  Stufen  und  Terrassen  voneinander  ab- 
weichen. Hier  haben  wir  also,  wenn  die  Deutung  der  Schweizer 
Geologen  richtig  ist,  einen  sicheren  Beweis  für  die  allmähliche  Aus- 


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394 


Die  Dynamik  des  Landes. 


höhlung  des  Thaies.*  Untersuchungen  über  die  Verbreitung  der 
Felsterrassenbild  uug  werden  eine  der  Hauptaufgaben  der  nächsten 
Zeit  sein,  da  sie  für  die  Thalbildungstheorie  die  wichtigsten  Auf- 
schlüsse versprechen;  leider  scheinen  manche  Thäler,  wie  z.  B.  die 
Bosniens  und  Griechenlands,  auch  dieses  Beweismittels  gänzlich  zu 
entbehren. 

Manchmal  vereinigen  sich  Fels-  und  Diluvialterrassen,  wie  z.  B- 
im  Unterinnthale  in  Tirol.7  Am  Südabhange  erblicken  wir  eine 
breite  Felsterrasse,  die  Dörfer  (Laas)  und  Felder  trägt;  an  den 
Nordabhang  lehnen  sich  Diluvialterrassen  und  Reste  eiszeitlicher 
Moränen.  Die  älteste  Moräne  (2)  liegt  hier  in  geringer  Höhe  über 
dem  heutigen  Innthale,  an  einer  anderen  Stelle  im  Thale  selbst, 


Fig.  124.  Innthal  bei  Innsbruck  nach  Bla  AS.  1 Grundgebirge,  2 Untere  Moräne. 
3 Breccien  und  Konglomerate  (untere  Flußablagerungen  und  deren  Äquivalente),  -/  mitt- 
lere Flußablagerungen,  5 oberste  Moräne,  6*  obere  Flußablagerungen,  7 moderne  Fluß- 
ablagerungen. 

woraus  mit  unzweifelhafter  Gewißheit  hervorgeht,  daß  die  Felster- 
rasse von  Laas  einer  sehr  alten  Zeit  angehört  und  daß  bei  dem  Ein- 
tritte der  diluvialen  Vergletscherung  das  Thal  bereits  seine  jetzige 
Tiefe  erreicht  hatte.  Ein  mächtig  angeschwollener  Strom,  der  Vor- 
bote des  heranrückenden  Gletschers,  verschüttete  es  mit  seinen  Sanden 
und  Gerollen,  über  die  dann  der  Gletscher  seine  Grundmoräne  hin- 
wegschob, bis  endlich  nach  seinem  Schwinden  ein  geschiebearmer 
Fluß  die  alten  Ausfüllungsmassen  bis  auf  wenige  Reste  an  den 
Rändern  wieder  wegräumte.  Dieser  Prozeß  hat  sich  seit  Beginn 
der  Eiszeit  dreimal  wiederholt. 

Tektonische  und  Abdämmungsstufen.  Im  Gegensätze  zu  den 
Verwitterungsterrassen  nimmt  die  Bildung  der  Erosionsterrassen  auf 
die  Härte  des  Gesteins  keine  Rücksicht.  Nur  dort,  wo  die  Erosion 
langsamer  arbeitet,  linden  die  härteren  Gesteinspartien  Zeit,  ihre 
Widerstandskraft  zur  Geltung  zu  bringen.  In  diesem  Falle  ent- 
sprechen die  steilen  Thalengen  den  härteren  und  die  Thalstufen  den 

x In  neuester  Zeit  hat  allerdings  Löwl  (in  den  Verhandlungen  der  Wiener 
Geologischen  Keichsanstalt,  1894,  S.  470  f.)  Bedenken  gegen  die  Auffassung 
der  Schweizer  Geologen  ausgesprochen.  Es  muß  aber  wohl  noch  die  Antwort 
der  letzteren  abgewartet  werden. 


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Thalbildung  durch  Erosion. 


395 


weicheren  Schichten.  Diese  tektonischen  Stufen,  wie  Lüwl  sie 
nennt,  sind  zwar  auch  Zeugen  der  Erosion,  aber  sie  vermögen  Ter- 
rassen durch  das  ganze  Thal  hindurch  nur  dann  hervorzubringen, 
wenn  der  Riegel  an  der  Mündung  sich  befindet.  Wesentlich  ver- 
schieden von  den  Stufen,  die  in  der  ursprünglichen  Thalunterlage 
ausgearbeitet  wurden,  sind  die  sehr  häufig  vorkommenden  Abdäm- 
mungsstufen. Bergstürze,  alte  Endmoränen,  oder  rasch  wachsende 
Schuttkegel  der  Nebenbäche  stauen  den  Hauptfluß  zu  einem  See 
auf:  ein  Ereignis,  von  dem  uns  die  Geschichte  der  Hocligebirgs- 
länder  wiederholt  erzählt.  Ist  der  Damm  solid  genug,  um  dem 
Wasserdrücke  «lauernd  Widerstand  zu  leisten,  so  wird  der  See  all- 
mählich ausgefüllt  und  bildet  dann  eine  Thalebene,  die  durch  eine 
steile,  in  den  Damm  eingerissene  Schlucht  mit  der  nächsten  Stufe 
in  Verbindung  steht.  Im  Vintschgau  wiederholte  sich  dieser  Prozeß 
nachweisbar  viermal  und  erzeugte  dadurch  einen  scharf  ausgeprägten 
Stufenbau. x Werden  diese  Thalebenen  später  durchschnitten,  so 
entstehen  Terrassen,  die  mit  den  Ausfüllungsterrassen  in  allen  wesent- 
lichen Punkten  Ubereinstimmen. 

Wasserfälle.  Eines  der  landschaftlich  bedeutsamsten  Phänomene 
unfertiger  Thäler,  nämlich  der  Wasserfälle,  wurde  bereits  vorüber- 
gehend gedacht.  Man  kann  Mündungs-  und  Thalfälle  unter- 
scheiden; der  untere  Gasteiner  Fall  gehört  beispielsweise  zur  ersten, 
der  obere  zur  zweiten  Kategorie.  Jeder  Mündungsfall  schreitet  zu- 
rück, wird  in  ein  hinteres  Thalstück  verlegt  und  dadurch  zu  einem 
Thalfalle.  An  dem  unteren  Gasteiner  Falle  kann  man  die  Anfänge 
dieses  Prozesses  gut  beobachten.  Nicht  alle  Thalfälle  aber  waren 
einst  Mündungsfälle,  sondern  sie  können  auch  mit  der  Bildung 
tektonischer  oder  Ausfüllungsstufen  Zusammenhängen. 

Der  Wasserfall  ist  der  Ausdruck  des  denkbar  größten  Gefälles. 
Stets  ist  aber  fließendes  Wasser  bestrebt,  das  Gefälle  zu  mäßigen, 


Mittleres 

Gefälle 

Seellöhe 

höchsten  vom 
tiefsten  Thal- 

in  m 

punkt  in  in 

1. 

Stufe,  Seen 

1472 

61 

0°  23' 

Malser  Heide 

— 

584 

2 36 

2. 

Stufe,  Glurnser  Ebene 

884 

58 

0 12 

Sehlandcrser  Kegel 

— 

174 

1 20 

3. 

Stufe,  Ebene  zwischen  Göflan  und  Latsch  . . 

668 

37 

0 21 

Tarseher  Kegel 

— 

54 

1 18 

4. 

Stufe,  Ebene  zwischen  Marein  und  Staben  . . 

577 

36 

0 21 

Tablander  Kegel 

— 

45 

1 3 

5. 

Stufe,  Ebene  zwischen  Naturns  und  Rabland  . 

504 

13 

0 20 

Töll-Kegel 

— 

173 

4 5 

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396 


Die  Dynamik  des  Landes. 


die  Gleicbgewiclitslinie  der  Thalsohle  herzustellen.  Stark  geneigte 
Schichten  setzen  ihm  in  der  Regel  kein  Hindernis  entgegen.  Indem 
es  einerseits  in  den  Boden  einschneidet,  anderseits  den  Rand  ab- 
schleift und  abbröckelt,  wird  der  Neigungswinkel  der  Sohle  immer 
kleiner.  Das  Wasser,  das  früher  in  einem  einzigen  Strahle  über  die 
senkrechte  Felswand  sich  herabstürzte,  löst  sich  in  eine  stufenförmige 
Reihe  von  Fällen  — Kaskaden  — auf,  und  da  bei  jedem  einzelnen 
Fall  dieselbe  Arbeit  sich  wiederholt,  so  entstehen  aus  Kaskaden 
Katarakte.  Haben  sich  endlich  die  Böschungen  soweit  gemildert, 
daß  das  Wasser  nicht  mehr  fällt,  wohl  aber  noch  pfeilschnell  dahin- 
schießt, so  ist  der  einstige  Wasserfall  hei  dem  letzten  Akte  seiner  Ent- 
wicklungsgeschichte angelangt:  bei  dem  Stadium  der  Stromschnellen. 
Solche  können  übrigens  auch  selbständig  entstehen  durch  Fels- 
stürze, deren  gewaltige  Trümmer  im  Flußbette  sich  verbreiten. 

In  horizontalen  oder  schwach  geneigten  Schichten  findet  der 
geschilderte  Umwandlungsprozeß  nur  dann  statt,  wrenn  das  Material 
gleichmäßig  ist  oder  die  Härte  der  Gesteine  von  oben  nach  unten 
zunimmt.  Der  Geneseefall  hei  Rochester  in  Nordamerika  (Fig.  125) 
ist  bereits  in  das  Stadium  der  Kaskaden  eingetreten.  Dagegen  be- 
steht die  49  m hohe  Felswand,  über  die  der  Niagara  sich  stürzt,  in 
den  oberen  Partien  aus  hartem  Kalkstein  und  in  den  unteren  aus 
weichen  Schiefern  (Fig.  126).  Diese  werden  durch  die  wirbelnden 

Wassermassen  am  Fuße  des  Falles 
ausgewaschen,  der  Kalkstein  bricht 
stückweise  herunter,  und  der  Wasser- 
fall schreitet  langsam  thalaufwärts  fort. 
Bis  jetzt  hat  er  einen  Weg  von  12  km 
Fig.  125.  Profil  des  Genesee-Falles  zurückgelegt  und  sich  dadurch  aus 
nach  Dana,  k = Kalk, sch = Schiefer-  einem  Mündungsfalle  (bei  Queenstown) 
,h0"’  a'  SST  Bami’  in  einen  Thalfall  verwandelt*  Ana- 

loge Erscheinungen  weist  das  esth- 
ländische  Kalkplateau  auf;  die  Fälle  der  Narowa,  des  .lagowal  u.  a. 
sind  seit  einem  Menschenalter  schon  beträchtlich  thalaufwärts  gerückt. 

Einige  Wasseriälle  zeichnen  sich  durch  ihre  Höhe  aus  (als 
höchster  gilt  der  Yosemitefall  in  der  californischen  Sierra  Nevada 
680  m hoch),  andere,  wie  der  Rheinfall  bei  Schaffhausen,  der  Niagara- 
fäll, der  Yictoriafall  des  Sambesi  u.  a.,  durch  ihre  Wassermasse. 

* Genauere  Ermittelungen  sind  erst  seit  1842  möglich,  wo  die  Fälle  zum 
erstenmal  sorgfältig  aufgenommen  wurden.  Bis  1890  war  der  canadische  Fall 
um  31, »s,  der  amerikanische  um  9,sj  m zurückgegangen.8  Eine  Berechnung  des 
Alters  des  Niagarafalles  läßt  sich  aber  darauf  nicht  gründen,  weil  sich  nicht 
voraussetzen  läßt,  daß  der  BUckgang  gleichmäßig  erfolgte. 


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Tlialbilduug  durch  Erosion. 


397 


Häutig  greift  die  Erosion  nicht  gleichmäßig  die  Gesteinsunterlage 
an;  es  bleiben  dann  Felsreste  iin  Bette  zurück,  und  der  Fall  teilt 
sich  in  Arme  (z.  B.  der  Rheinfall).  Unzählig  sind  solche  Felsklippen 
in  den  Katarakten  des  Nil  oder  in  den  Stromschnellen  des  Orinoco 
bei  Maypures. 

Gletschererosion.  Neben  dem  fließenden  Wasser  schreiben  viele 
Forscher  auch  den  Gletschern  thalbildende  Kraft  zu.  Die  Beob- 
achtung in  verlassenen  Gletschergebieten  lehrt  uns,  daß  die  Eis- 
ströme die  Tendenz  haben,  die  Unebenheiten  zu  beseitigen  und  die 
Ecken  abzuruuden , und  daß  sie  daher  ihre  Unterlage  wie  ihre 
Seitenwände  glätten.  Es  leugnet  auch  niemand,  daß  sie  auf  die 
Form  der  Gehänge  einen  bestimmenden  Einfluß  ausüben;  oberhalb 
der  diluvialen  Gletschergrenze  sind  die  Formen  eckig,  unterhalb 
derselben  gerundet.  Es  muß  aber  auch  jeder  zugestehen,  daß  Po- 
lierung  der  Felsen  mit  Fortführung  von  Material,  also  mit  Erosion 
verbunden  ist.  Aus  den  Experimenten  von  Blümckk  und  Finster - 

Süd. 

Erie-Set» 


L 

r 

Fig.  126.  Der  NiagaratiuÜ  und  seine  Fälle. 
s Weiche  Oneida-  und  Medina-Sandsteine  und  Clinton-Gruppe,  t Weiche  Niagara- 
Schiefer.  k Harter  Niagara-Kalkstein. 

walder9  geht  ferner  hervor,  daß  in  Eis  gebettete  Gesteine  unter 
wechselndem  Drucke,  der  bald  Gefribren,  bald  Verflüssigung  des  Eises 
bewirkt,  sich  genau  so  verhalten,  wie  Gesteine  an  der  Oberfläche,  d.  h. 
es  erfolgt  nicht  nur  eine  Zersprengung  der  Gesteine  unter  der  Ein- 
wirkung des  Gefrierens  und  Wiederauftauens  des  Spaltenwassers,  son- 
dern es  werden  auch,  wie  bei  der  gewöhnlichen  Verwitterung,  feine 
Partikelchen  losgelöst.  Nimmt  man  an,  daß  ein  und  derselbe  Punkt 
des  Gletscherbodens  bei  dem  Vorüberschreiten  des  Eisstromes  unter 
wechselnden  Druck  gelangt,  so  muß  man  zugestehen,  daß  die  Verwitte- 
rung auch  unter  dem  Gletscher  noch  fortarbeitet.  Man  ersieht  daraus, 
wases  mit  dem  oft  wiederholten  Satze,  daß  der  Gletscher  konserviere, 
auf  sich  hat.  Die  Verwitterungs-  und  Erosionsprodukte  in  Verbin- 
dung mit  dem  von  den  Oberflächenmoränen  stammenden  Schutte 
liefern  die  enormen  Schlammmassen,  die  der  milchigtrübe  Gletscher- 
bach abwärts  schafft,  und  Penck  hat  daraus  berechnet,  daß  das 
Gebiet  des  Unteraargletschers  in  ca.  1 1/2  Jahren  um  1 mm  erniedrigt 
wird.  Kann  also  die  erodierende  Kraft  der  Gletscher  nicht  geleugnet 
werden,  so  muß  man  sich  doch  stets  vor  Augen  halten,  daß  Gletscher 


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398 


Die  Dynamik  des  Landes. 


anders  arbeiten  als  fließendes  Wasser.  Jene  bewegen  sich  ungleich 
langsamer,  aber  sie  entfalten  über  einem  Punkte  eine  größere  Masse, 
wenn  auch  au  eine  Zerquetschung  und  Zertrümmerung  der  Gesteins- 
unterlage selbst  durch  den  mächtigsten  Eisstrom  nicht  gedacht 
werden  darf. , Der  Fluß  wirkt  ferner  nur  entlang  einer  Linie  ver- 
tiefend, der  Gletscher  aber  auf  Flächen.  Niemals  wird  eine  Eis- 
masse nach  Art  des  grönländischen  Inlandeises,  die  sich  Uber  eine 
schiefe  Ebene  bewegt,  ein  Thal  aushöhlen  können,  vorausgesetzt, 
daß  der  Boden  überall  gleichen  Widerstand  bietet.  Doch  ist  der 
Fall  denkbar,  daß  entlang  einer  Spalte  die  Verwitterung  bis  in 
ziemliche  Tiefen  vorgearbeitet  hat,  und  damit  würde  dem  Eise  die 
Möglichkeit  geboten  sein,  seine  erodierende  Kraft  auf  eine  Linie  zu 
konzentrieren.10  Vielleicht  sind  manche  polare  Thalbildungen  auf  diese 
Weise  zu  erklären,  aber  jedenfalls  nicht  die  Thäler  unserer  einst 
vergletscherten  Hochgebirge.  Diese  sind  mit  Bestimmtheit  älter,  als 
die  diluvialen  Gletscher. x Aber  überall,  wo  ein  Gletscher  ein  Thal 
vortindet,  wirkt  er  unzweifelhaft  umgestaltend.  Er  erodiert  zu- 
gleich nach  der  Tiefe  und  nach  den  Seiten,  er  ist  gleichsam  be- 
strebt, die  Thalwände  auseinanderzuschieben.  Beide  Medien  stimmen 
aber  darin  überein,  daß  sie,  je  nach  dem  Gefälle,  bald  erodieren, 
bald  ablagern.  Das  Vorhandensein  loser  Massen  in  verlassenen 
Gletscherbetten  beweist  also  nichts  gegen  die  Erosion. 

Genetische  Einteilung  der  Thäler.  Die  Allgewalt  der  Erosion 
findet  ihren  prägnantesten  Ausdruck  darin,  daß  an  den  Regenseiten 
der  Kettengebirge  die  Thalbildung  entwickelter  ist  und  tiefer  in  das 
Gebirge  eindringt,  als  auf  der  Leeseite.11  Je  schärfer  der  klima- 
tische Gegensatz,  desto  ausgeprägter  der  Gegensatz  der  Gliederung. 
Während  der  Nordabhang  des  Eibursgebirges  von  tiefen  Thälern 
durchfurcht  ist,  ist  der  südliche  ein  einziger  schroffer  Abhang  ohne 
eigentlichen  Fluß.  Selbst  in  unseren  niederschlagsreicheu  Gegenden 
läßt  sich  der  klimatische  Einfluß  auf  den  Erosionsprozeß  manchmal 
naehweisen;  so  berichtet  z.  B.  de  Lamm, arme,  daß  alle  Thäler  der 
hohen  Normandie,  die  mehr  oder  minder  senkrecht  vom  Regenwiml 
getroffen  werden,  steiler  und  tiefer  eingeschnitten  sind,  als  die 
anderen. 

Die  Frage  nach  dem  Ursprung  der  Thäler  ist  aber  häufig 
mit  der  Frage  nach  der  Ausbildung  derselben  verwechselt  worden. 
Ursprüngliche  Thäler,  d.  h.  Hohlformen,  die  lediglich  durch  den 
Bau  des  Bodens  bedingt  sind  und  an  deren  Ausgestaltung  die 
Erosion  nur  einen  geringfügigen  Anteil  hat,  sind  verhältnismäßig 


x Man  vergleiche,  was  auf  S.  394  über  das  Innthal  gesagt  wurde. 


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Thalbildung  durch  Erosion. 


399 


selten.  Wir  kennen  nur  drei  Arten:  Mulden-,  Senkung»-  und 
interkolline  Thäler.  Die  ersteren,  in  den  Mulden  der  Schichten- 
falten gelegen,  sind  verhältnismäßig  selten  und  wohl  kaum  je  in 
ihrer  ursprünglichen  Gestalt  erhalten,  so  daß  man  im  Zweifel  sein 
kann,  ob  man  sie  zu  den  ursprünglichen  Thälern  rechnen  darf. 
Die  Senkuugsthäler  nehmen,  wie  beispielsweise  das  Oberrheinthal, 
eine  Mittelstellung  zwischen  Thal  und  Ebene  ein  und  werden  besser 
der  letzteren  morphologischen  Kategorie  zugezählt.  Interkolline 
Thäler  liegen  zwischen  zwei  selbständigen  Gebirgen,  die  niemals 
oder  wenigstens  nie  vollständig  zusammenhingen.  Sie  sind  also 
im  Gegensätze  zu  allen  anderen  Thälern  primäre  Gebilde,  wie  die 
Gebirge  selbst,  die  sie  einschließen.  So  ist  in  der  Wetterau  ein 
Teil  der  hessischen  Senke  als  Thal  übriggeblieben,  als  im  Osten 
des  Taunus  vulkanische  Ausbrüche  das  Vogelsgebirge  schufen.  Auch 
in  diesen  Fällen  ist  es  manchmal  schwierig,  zwischen  Thal  und 
Ebene  zu  unterscheiden. 

Alle  übrigen  Thäler  können  wir  als  Erosionsthäler  bezeich- 
nen, insofern  wir  darunter  Thäler  verstehen,  die  ihre  heutige  Aus- 
bildung der  Erosion  verdanken.  Als  solche  verraten  sie  sich 
namentlich  durch  drei  Merkmale:  1).  durch  ein  Längsprofil,  das 
mehr  oder  weniger  der  Gleichgewichtskurve  ähnlich  ist  Gebrochene 
Kurven  sind,  wie  wir  gesehen  haben,  nur  Ubergangsstadien;  das 
Fehlen  der  Rückwand  im  Quellgebiet  deutet,  wie  wir  bei  einer 
anderen  Gelegenheit  ausführen  werden,  auf  gewisse  Vorgänge  in  der 
Entwicklungsgeschichte  des  Thaies  hin.  2).  Durch  den  mehr  oder 
weniger  gewundenen  Lauf  des  Thaies,  so  daß  in  der  Regel  das 
kulissenartige  Ineinanderschieben  der  Seitengehänge  uns  hindert, 
das  ganze  Thal  zu  überblicken.  Solch  ein  Verlauf  entspricht  ganz 
der  Tendenz  der  Flüsse  zu  Umwegen,  ja  manche  Thäler,  wie  be- 
sonders das  der  Mosel,  zeigen  ausgesprochene  Serpentinen,  und  es 
fehlen  dann  auch  nicht  tote  Thalstrecken,  die  im  Gebirge  das  Alt- 
wasser der  Ebene  vertreten.  3).  Durch  die  Verästelung  im  obersten 
Thalgebiete.  Ein  Thal  löst  sich  am  oberen  Ende  in  zwei  unter 
einem  spitzen  Winkel  zusammeustoßende  Quellthäler  auf,  diese 
wieder  in  zwei,  diese  abermals  u.  s.  w.  Ein  solches  Thal  endigt 
also  nicht  mit  einem,  sondern  mit  mehreren  Karen,  aber  die  Ver- 
zweigung ist  genau  derselbe  Vorgang,  der  zur  Bildung  eines  Kars 
führt.  Keines  dieser  Merkmale  läßt  sich  durch  die  Annahme  er- 
klären, daß  die  Thäler  tiefe  Spaltenaufrisse  seien. 

Anders  gestaltet  sich  aber  das  Problem,  wenn  wir  die  Frage  stellen, 
warum  ein  Erosionsthal  gerade  an  dieser  Stelle  sich  entwickelt  hat 
Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  daß  die  ursprüngliche  Anlage  zahl- 


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400 


Die  Dynamik  des  Landes. 


reicher  Thäler  im  Bodenbaue  begründet  war,  der  den  erodierenden 
Kräften  eine  bestimmte  Richtung  anwies.  Neben  diesen  tek- 
tonischen Thälern  giebt  es  aber  viele  andere,  bei  denen  sich 
kein  Zusammenhang  mit  geologischen  Verhältnissen  nachweisen 
läßt,  wohl  aber  mit  hypsometrischen,  insofern  sie  der  Hauptabdachung 
eines  Gebirges  oder  einer  schiefen  Ebene  folgen.  Wir  nennen  sie 
Abdachungs-  oder  orographische  Thäler.  Es  bleibt  jedem 
unbenommen  sich  vorzustellen,  daß  gelegentliche  Risse  und  Klüfte 
die  ersten  atmosphärischen  Niederschläge  da  oder  dort  zu  Wasser- 
fäden gesammelt  haben,  aber  es  muß  betont  werden,  daß  bei  dem 
gänzlichen  Mangel  an  oberflächlichen  Klüften  das  fließende  Wasser 
die  gleiche  Richtung  nehmen  und  in  derselben  Thäler  aushöhleu 
mußte.  Es  giebt  aber  endlich  auch  unzweifelhafte  Erosionsthäler, 
die  sowohl  mit  den  tektonischen,  als  mit  den  hypsometrischen  Be- 
dingungen im  Widerspruche  stehen.  Zur  Erklärung  dieser  rätsel- 
haften Gebilde  nimmt  v.  Richt- 
hofen an,  daß  sie  zu  einer  Zeit 
entstanden,  als  das  heutige  Gebirge 
noch  mit  einer  flachen  Sediment- 
decke verhüllt  war.  Die  Flüsse  folgten 
der  Abdachung  der  alten  Oberfläche 

Fig.  127.  Epigenetische  Thalbildung.  un(j  konnten  sich  in  der  ursprüng- 
a b alte  Oberfläche,  cd  jetzige  Oberfläche.  . 

Das  epigenetische  Thal  tf  stammt  aus  liehen  Richtung  erhalten,  wenn  sie 
der  Zeit  von  ab  und  folgte  der  Ab-  8}cü  zu  (}er  Zeit,  da  die  Sediment- 
dachung von  a nach  b,  entspricht  aber  . , , ...  r\j- 

nicht  der  Oberfläche  0 Wd,  die  zwei  Thäler  decke  der  Denudation  zum  Opfer 
von  w nach  c und  d erfordern  würde,  flel,  schon  genügend  tief  in  den  alten 

Untergrund,  d.  h.  in  die  jetzige  Ober- 
fläche eingefressen  hatten  (s.  Fig.  127).  v.  Richthofen  nannte 
diese  Thalbildung  eine  epigenetische. 

Das  System  der  Thäler  ist  also  folgendes: 


1.  Ursprüngliche  Thäler. 

a)  Muldenthäler, 

b)  Senkungsthäler, 

c)  Interkolline  Thäler; 


2.  Erosionsthäler, 

a)  Orographische  Thäler, 

b)  Tektonische  Thäler, 

c)  Epigenetische  Thäler. 

Die  Kategorie  der  Verwitterungsthäler,  von  denen  wir  bei  der 
Gletschererosion  sprachen,  lassen  wir  vorläufig  als  problematisch 
außer  Betracht. 


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Deltabildungen. 


401 


Litteraturnach weise.  1 Rütimeyer,  Über  Thal-  u.  Seebildung,  Basel 
1869.  Supan,  Thalbilduugen  des  östlichen  Graubündens  u.  d.  Tiroler  Zentral- 
alpen,  in  d.  Mitteilungen  d.  Wiener  Geographischen  Gesellschaft  1877.  Löwl, 
Über  Thalbildung,  l‘rag  1884.  Piiilippson,  Ein  Beitrag  zur  Erosionstheorie, 
in  Petermannb  Mitteilungen  1886;  Studien  über  Wasserscheiden  in  den  Mit- 
teilungen des  Vereins  für  Erdkunde  in  Leipzig  1886.  De  la  N’ok  und  De 
Maroerie,  Lcs  formes  du  terrain,  Paris  1888  (handelt  hauptsächlich  von  der 
Erosion  und  enthält  sehr  lehrreiche  Abbildungen).  — ’ Pence,  Das  Endziel  der 
Erosion  u.  Denudation,  in  den  Verhandlungen  d.  VIII.  deutschen  Geographen- 
tages, Berlin  1889.  — * Hilber,  Asymmetrische  Thäler,  in  Petermannb  Mit- 
teilungen 1886.  — 4 Rötimeyer,  Der  Rigiberg,  Basel  1877.  — 5 Dütton,  Tertiary 
History  of  the  Grand  Canon  District,  Washington  1882.  — 6 Heim,  Die  Erosion 
im  Gebiete  der  Reuß,  im  Jahrbuch  des  Schweizer  Alpenklub  1878 — 79.  Bodmer, 
Terrassen  und  Thalstufen  der  Schweiz,  Zürich  1880.  — 7 Blaas,  Die  Glazial- 
formation im  Inntliale,  Innsbruck  1885.  — 8 Über  den  Niagarafall  s.  Journal 
of  the  American  Geogrnphical  Society,  1891,  S.  212.  — * Bi.ühcke  u.  Finster- 
walder,  Zur  Frage  der  Gletschererosion,  in  d.  Sitzungsberichten  d.  bayerischen 
Akademie  d.  Wissenschaften,  Mathem.-physik.  Klasse  1890.  — 10  v.  Dryoai.ski, 
Ein  typisches  Fjordthal,  in  der  RiciiTiioFEN-Festschrift  1893.  — 11  KrI'mmei.,  Ein- 
seitige Erosion,  im  „Ausland“  1882. 


Deltabildungen. 1 


Mündungsformen  der  Flüsse.  Wie  sich  in  der  Thalbildung  die 
zerstörende  Kraft  des  fließenden  Wassers  geographisch  am  wirk- 


samsten äußert,  so  in  der  Deltabildung  seine  aufbaueude  Kraft. 
Wenn  ein  Fluß  in  ein  ruhendes  Wasser  mündet,  so  tritt  nicht  so- 

Supan,  Physische  Erdkunde.  2.  Aufl.  26 


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402 


Die  Dynamik  des  Landes. 


gleich  eine  Vermischung  ein,  sondern  er  behält  vermöge  seiner 
Stoßkraft  noch  einige  Zeit  den  Charakter  einer  selbständigen  Masse 
bei.  Im  Meere  und  in  Salzseen  kommt  noch  der  Umstand  hinzu, 


Fig.  129.  Mississippidelta  nacli  R.  Credner. 


daß  das  süße  Flußwasser  wie  Öl  auf  dem  schweren  Salzwasser 
schwimmt.  Allmählich  vermengen  sich  beide  Flüssigkeiten  zu  so- 


Fig.  130.  Petschoruüelta  nach  R.  Ceeoxeb.  Fig.  131.  Ebrodelta  naeli  R.  Cbednek. 


genanntem  Brackwasser,  bis  endlich  unter  fortdauerndem  Einflüsse 
der  Wasserbewegung  das  Flußwasser  völlig  absorbiert  wird.  Vor 
der  Kongomündung  ist  das  Oberflächenwasser  noch  bis  zu  einer  Ent- 


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Peltabildungen. 


403 


fernuug  vou  23  km  süß,  und  die  Zone  des  brackischen  Wassers  reicht 
noch  4G — 50  km  weiter. 

Mit  der  Geschwindigkeit  des  Flusses  erlischt  auch  dessen  Trag- 
kraft, und  die  Sedimente  lagern  sich  am  Boden  des  Meeres  oder 
Binnensees  ab,  und  bilden  entweder  Sandbänke,  Untiefen  und  Barren, 
oder  wachsen  unter  günstigen  Verhältnissen  über  den  Seespiegel 
empor.  Es  giebt  also  nach  den  eingehenden  Untersuchungen  von 
R.  Cbedner  nur  zwei  Mündungsformen:  offene  Mündungen 
mit  unterseeischen  Ablagerungen  und  Deltamündungen,  wo- 
bei sich  das  Land  auf  Kosten  des  Meeres  oder  eines  Sees  ver- 
größert. Man  kann  daher  ozeanische  und  Binnendeltas  unter- 
scheiden. 

Die  Bezeichnung  Delta  wurde  ursprünglich  nur  auf  den  Unter- 
lauf des  Nils  angewendet  (Fig.  128).  Das  Hauptgewicht  legte  man, 
dem  Namen  entsprechend,  auf  die  Gabelung  des  Flusses  in  zwei 
oder  mehrere  Arme,  und  in  diesem  Sinne  sprach  man  auch  von 
einem  Delta  des  Cooper  Creek  oder  des  Amazonas,  obwohl  in  keinem 
dieser  Fälle  eine  Schöpfung  von  Neuland  durch  Flußabsätze,  die 
von  rezenten  Bildungen  stehender  Gewässer  unterlagert  werden,  statt- 
tindet.  Gerade  das  betrachtet  aber  der  moderne  Deltabegriff  als 
das  wesentliche.  Die  Gabelung  ist  dagegen  ein  nebensächlicher 
Vorgang,  die  keineswegs  immer  mit  dem  Beginn  des  Deltalaudes  zu- 
sammenfällt, ja  bei  einigen  echten  deltabildenden  Strömen,  wie  z.  B. 
beim  Ebro  (Fig.  131),  gänzlich  fehlt. 

Bau,  Gestalt  und  Oberflächenform  der  Deltas.  Das  Baumaterial 
liefern  hauptsächlich  die  Flußsedimente,  bei  größeren  Flüssen  feiner 
Sand  und  Schlamm,  bei  kurzen  Küstentlüssen  (besonders  an  Steil- 
ufern) auch  Gerülle.  Das  gröbste  Material  fällt  schon  zunächst  der 
Mündung,  das  feinere  aber  erst  in  größerer  Entfernung  zu  Boden. 
Da  aber  das  Hochwasser  vermöge  seiner  größeren  Transportfähigkeit 
die  schwereren  Sedimente  weiter  hiuausführt,  als  das  Mittelwasser, 
und  dieses  wieder  weiter  als  das  Niedrigwasser,  so  entsteht  zugleich 
eine  Wechsellagerung  von  gröberem  und  feinerem  Material.  Die 
Lagerung  ist  im  Meere  gewöhnlich  eine  flach  geneigte  bis  nahezu 
horizontale;  nur  in  Binnenseen  kann  die  Böschung  des  Schuttkegels, 
an  dessen  Zusammensetzung  sich  auch  Gerölle  in  größerer  Menge 
beteiligt,  35°  erreichen.  Neben  den  Flußsedimenten  liefern  auch 
Treibholz,  das  später  in  Torf  oder  Lignit  umgewandelt  wird,  und 
in  sehr  untergeordneter  Weise  animalische  Bestandteile  Baustoffe 
zur  Deltabildung.  Die  von  Sand-  und  Schlammmassen  bedeckten 
organischen  Substanzen  entwickeln  bei  ihrer  Zersetzung  Gase,  die 

26* 


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404  Die  Dynamik  des  Landes. 

in  manchen  Deltas  (besonders  in  dem  des  Mississippi)  genug  Spann- 
kraft besitzen,  um  die  Decke  zu  sprengen  und  kleine  Sehlamm- 
und  Gasvulkane  (sogenannte  Mudlumps)  zu  erzeugen. 

Die  Mächtigkeit  der  Deltabildungen,  über  die  uns  Bohrungen 
Aufschluß  geben,  ist  sehr  verschieden.  Beim  Nil  beträgt  sie 
höchstens  15,  beim  Rhein  über  GO,  bei  der  Rhone  über  100,  beim 
Po  173  m.  Nicht  in  allen  Fällen  läßt  sich  die  Grenze  zwischen 
den  Fluß-  und  Meeressedimenten  mit  Sicherheit  ziehen,  daher 
die  Angaben  z.  B.  in  Bezug  auf  das  Mississippidelta  beträchtlich 
differieren. 

Häufig  entstanden  Deltas  in  tief  eingeschnittenen  Meeresbuchten. 
Wenn  es  richtig  ist,  daß  der  blaue  Thon,  auf  dem  die  modernen 
Alluvionen  des  Mississippi  ruhen,  nicht  rein  fluviatilen  Ursprungs 
ist,  so  beginnt  das  Delta  des  amerikanischen  Riesenstroms  schon 
bei  der  Ohiomündung.  In  der  Gegenwart  können  wir  die  Ausfül- 
lung von  Meeresbuchten  z.  B.  am  Laplata  oder  am  Dnjestr  be- 
obachten. In  manchen  Fällen  sind  die  Buchten  durch  Uferwälle 
(Nehrungen)  abgeschlossen,  wie  an  der  Memelmündung,  beim  Nil 
dagegen  durch  eine  Inselreihe,  die  nach  Jankö  aus  jungmarinem 
Kalke  besteht.2  Die  Bucht  ist  hier  bis  auf  einige  Lagunen  schon 
ausgefüllt.  Die  Poanschwemmung  ist  sogar  über  die  Uferwälle 
hinausgewachsen,  und  hat  sich  damit  aus  einem  Ausfüllungs- 
delta in  ein  vorgeschobenes  Delta  verwandelt.  Besonders 
drastische  Beispiele  der  letzteren  Art  sind  die  Deltas  des  Ebro 
(Fig.  131),  der  Lena  und  des  Mississippi  (Fig.  129). 

Die  Deltaländer  sind  völlig  horizontale  Ebenen,  die  sich  bei 
Hochwasser  stetig  erhöhen  und  gegen  das  Meer  hin  in  ein  sumpfiges 
Litorale  übergehen.  Nur  wo  das  Delta  nicht  allseitig  wächst,  wie 
das  der  Rhone,  werden  am  Strande  Dünenreihen  aufgeworfen,  die 
aber  mit  den  schon  erwähnten  präexistierenden  Uferwällen  nicht 
verwechselt  werden  dürfen.  Da  das  Gefälle  sehr  gering  ist,  so  ist 
der  Flußlauf  fortwährenden  Veränderungen  unterworfen,  indem  alte 
Kanäle  versanden  und  neue  sich  bilden.  Wenn  die  Gabelung  unter 
einem  spitzen  Winkel  erfolgt,  wie  am  Nil,  so  erleidet  die  Spitze 
des  dreieckförmigen  Landes  beständigen  Abbruch  und  rückt  thal- 
abwärts  vor. 

Wachstum  der  Deltas.  Am  raschesten  scheint  das  Delta  des 
Terek  zu  wachsen,  denn  es  rückt  jährlich  durchschnittlich  495  m in 
den  Kaspisee  vor.  Unter  den  großen  Stromdeltas  dürfte  sich 
das  des  Mississippi  am  schnellsten  vergrößern,  aber  — wie  dies 
auch  bei  anderen  Flüssen  der  Fall  ist  — nicht  gleichmäßig  an 


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Deltabildungen. 


405 


allen  Mündungsstellen,  ohne  daß  die  Wassermenge  der  einzelnen 
Arme  (hier  Pässe  genannt)  dafür  verantwortlich  gemacht  werden 
könnte. x 

Am  Podelta  läßt  sich  der  Einfluß  des  Menschen  auf  das  Wachs- 
tum des  Landes  erkennen.  Dieses  betrug  von  1600  bis  1804  pro 
Jahr  70  m,  von  1200  bis  1600  aber  nur  23  m,  weil  damals  noch 
nicht  ein  umfassendes  Deichsystem  den  Fluß  zwang,  den  größeren 
Teil  seiner  Sinkstoffe  in  das  Meer  zu  führen.  Aus  demselben  Grunde 
rückt  das  Nildelta  jährlich  nur  um  4 m vor,  denn  die  regelmäßigen 
Überschwemmungen  entziehen  ihm  eine  Menge  Sedimente,  die  im 
Binnenlande  liegen  bleiben.  Wo  eine  positive  Niveauveränderung 
statttindet  oder  das  stürmische  Meer  besonders  heftig  die  Neuland- 
bildungen bekämpft,  können  sogar  Deltas  wieder  zerstört  werden. 
Das  Narentadelta  an  der  dalmatischen  Küste  verliert  immer  mehr 
an  Umfang,  und  das  Rheindelta,  das  schon  zum  großen  Teil  unter 
dem  Seespiegel  liegt,  würde  demselben  Schicksal  verfallen,  wenn  es 
nicht  durch  Dämme  geschützt  wäre.  Das  Emsdelta,  das  noch  zur 
Römerzeit  bestand,  ist  ganz  verschwunden,  und  wir  haben  Ursache 
anzunehmen,  daß  auch  die  Weser,  Elbe  und  Eider,  wie  der  Hudson 
und  Connecticut  an  der  Ostküste  der  Vereinigten  Staaten  einst  Deltas 
besessen  haben. 

Infolge  des  Wachstums  können  Deltas  benachbarter  Flüsse  mit- 
einander verschmelzen,  wie  das  des  Rhein,  der  Maas  und  Schelde  und 
das  des  Ganges  und  Brahmaputra;  oder  zwei  Flüsse  können  sich  zu 
einem  Hauptkanal  vereinigen  wie  Euphrat  und  Tigris;  oder  urspriin- 
lich  selbständige  Flüsse  sinken  zu  Nebenflüssen  herab.  So  wurde 
z.  B.  der  Pruth  der  Donau  und  der  Red  River  dem  Mississippi 
tributär.  Das  Lartdfestwerden  von  Inseln,  die  Zweiteilung  langge- 
streckter Seen  durch  seitlich  einmündende  Flüsse,  die  endliche  Aus- 
füllung der  Seen  sind  alles  Folgeerscheinungen  des  Wachstums  der 
Deltas. 

Geographische  Verbreitung  der  Deltas.  Die  unterseeischen  Ab- 
lagerungen an  offenen  Flußmündungen  zeigen  häufig  eine  so  ausge- 
sprochene Deltaform,  daß  wir  sie  geradezu  als  submarine  Deltas 
bezeichnen  können  (vgl.  Fig.  132  mit  Fig.  130).  Jedes  Oberflächen- 
delta muß  als  submarines  begonnen  haben  und  kann  wieder  unter 
besonderen  Umständen  in  ein  solches  verwandelt  werden;  zwischen 

x SW. -Paß  S.-Paß  NO.-Paß  Paß  iV  l’Outre 

Wassermenge  in  Prozenten  ...  84  8 22  23 

Jährliches  Wachstum  in  m . . . 103  85  40  — 

Die  übrigen  13  Proz.  der  Wassermenge  werden  durch  Nebenkanäle  abgeführt 


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40(5 


I)ie  Dynamik  des  Landes. 


beiden  Formen  besteht  also  kein  genetischer  Gegensatz.  Es  ent- 
steht nun  die  Frage,  unter  welchen  Bedingungen  die  Flußablage- 
rungen unterseeisch  bleiben,  unter  welchen  sie  über  den  Meeresspiegel 
emporwachsen.  Daß  allgemein  wirkende  Ursachen  dabei  im  Spiele 
sind,  ergiebt  sich  schon  aus  dem  geselligen  Auftreten  beider  Mün- 
dungsformen.  Deltaküsten  sind  z.  B.  die  russische  und  ostsibirische 

Eismeerküste,  die 
südostasiatische 
Küste  vom  Gelben 
Meere  bis  zum  Golfe 
von  Bengalen,  der 
nördliche  Teil  der 
Ostküste  von  Süd- 
afrika, das  Gestade 
des  Golfes  von 
Guinea,  die  Küsten 
des  Schwarzen  und 
Mittelländischen 
Meeres,  die  Südost- 
küsten der  Bal- 
tischen See,  die  Küsten  des  amerikanischen  Mittelmeeres  u.  s.  w. 
Dagegen  haben  der  Juba,  die  Kerka,  der  Bug  u.  a.  offene  Mün- 
dungen, obwohl  sie  sich  an  Deltaküsten  in  das  Meer  ergießen,  und 
anderseits  geben  uns  die  Mündungen  des  Indus,  Schat  el  Arab, 
Laplata,  Rhein  u.  s.  w.  Beispiele  von  Deltabildungen  an  sonst 
deltafreien  Küstenstrecken. 

Es  ist  bisher  kein  einziger  Faktor  gefunden  worden,  der  allein 
die  eine  oder  die  andere  Mündungsform  bedingt.  Die  Gironde,  die 
66  mal  mehr  Sedimente  in  das  Meer  führt,  als  die  deltabildende 
Weichsel,  hat  trotzdem  eine  offene  Mündung.  Elbe  und  Weser 
haben  ein  stärkeres  Gefälle,  wie  zahlreiche  Deltaflüsse,  und  können 
daher  auch  mehr  Material  an  der  Mündung  ablagern,  aber  trotzdem 
ohne  sichtbaren  Erfolg.  Träge  schleichen  Nil  und  Donau  dahin, 
einen  großen  Teil  ihrer  festen  Bestandteile  lassen  sie  im  Binnen- 
lande zurück,  und  doch  bauen  sie  Deltas.  Im  tiefen  Meere  schaffen 
die  Küstenflüsse  zwischen  Toulon  und  Genua  neues  Land,  während 
die  Themse  in  einer  Flachsee  nur  Sandbänke  abzulagern  vermag. 
Daß  Uferwälle  keine  notwendige  Bedingung  der  Deltabildung  sind, 
beweist  schon  der  Umstand,  daß  viele  Deltas  über  dieselben  hinaus- 
wachsen. Andererseits  giebt  es,  wie  an  der  Ostküste  der  Vereinigten 
Staaten,  Lagunen  mit  Nehrungen,  in  die  bedeutende  Flüsse  münden, 
ohne  sie  auszufüllen.  Viele  waren  der  Meinung,  eine  kräftige  Ge- 


Fig.  132.  Submarines  Delta  des  Mersev,  1847. 


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Deltabildungeii, 


407 


Zeitenbewegung  verhindere  die  Deltabildung,  aber  sie  konnten  durch 
den  Hinweis  auf  die  großen  Deltas  des  Ganges,  Indus,  Niger  u.  a. 
leicht  widerlegt  werden.  Im  Gegensätze  zu  den  genannten  Flüssen 
haben  Murray  und  Columbia  offene  Mündungen,  obwohl  diese  von 
Ebbe  und  Flut  nur  schwach  bewegt  werden.  Wohl  aber  beeinflussen 
die  Gezeiten  die  Form  der  Astuarien,  d.  h.  der  Mündungsarme, 
in  die  sie  eindringen.  Indem  das  Flußwasser,  durch  die  keilartig 
eindringende,  spezifisch  schwerere  Flut  nach  oben  gedrängt,  an 
Breite  zu  gewinnen  sucht,  was  es  an  Tiefe  verliert,  wird  das 
Astuarium  trichterförmig  erweitert,  gleichgültig,  ob  die  Mündung 
eine  offene  oder  eine  Deltamündung  ist  Nur  darf  man  nicht 
alle  trichterförmigen  Buchten  (wie  beispielsweise  die  Laplata- 
Bai)  als  Flußschöpfungen  betrachten  und  als  Ästuarien  be- 
zeichnen. 

Auch  Küstenströmungen  verhindern  weder  Deltabildungen,  noch 
rufen  sie  sie  hervor.  Im  Bereiche  des  Mozambiquestromes  mündet  der 
Sambesi  mit  und  der  Limpopo  ohne  Delta  und  ebenso  verhalten  sich 
Orinoeo  und  Amazonas  an  der  von  der  südäquatorialen  Strömung 
bespülten  Küste.  Der  Einfluß  der  Strömungen  beschränkt  sich 
darauf,  daß  unter  Umstäuden  die  Flußablagerungen  durch  Sedimente, 
die  von  fernher  stammen,  vergrößert  werden.  Winde  verstärken  die 
Strömung  des  Flusses  und  damit  auch  dessen  Transportkraft,  wenn 
sie  thalabwärts  wehen,  während  sie  im  umgekehrten  Falle  auf  das 
Wachstum  des  Deltas  verzögernd  einwirken,  aber  ohne  es  verhindern 
zu  können.  Auch  die  Richtung  der  Mündungsarme  ist  oft  eine 
Folge  der  vorherrschenden  Windrichtung;  die  östliche  Ablenkung 
der  Rhönearme  durch  den  Mistral  (s.  S.  119)  mag  als  Beispiel  an- 
geführt werden. 

R.  Cbedneb  glaubte  in  den  Niveauveränderungen  den  Schlüssel 
zur  Erklärung  der  geographischen  Verbreitung  der  Deltas  gefunden 
zu  haben.  Es  ist  auch  einleuchtend,  daß  positive  Niveauverän- 
derungen  die  Entstehung  offener  Mündungen  und  negative  die 
Deltabildung  im  hohen  Grade  begünstigen  müssen.  Aber  nicht 
immer  gehen  beide  Phänomene  Hand  in  Hand.  Im  Po-,  Memel-, 
Rhein-,  Ganges-  und  Mississippidelta  fand  man  bei  Bohrungen  in 
mehr  oder  minder  beträchtlichen  Tiefen  und  wiederholt  Torflager 
und  Baumstämme  in  ungestörter  Stellung.  Es  lassen  sich  diese 
Thatsachen  kaum  anders  als  durch  die  Annahme  einer  positiven 
Niveauveränderung  erklären.  Zwar  ist  es  wahrscheinlich,  daß  wir 
es  hier  nur  mit  örtlich  beschränkten  Sackungsvorgängen  zu  thun 
haben,  aber  immerhin  sind  negative  Niveauschwankungen  hier  aus- 
geschlossen. Andererseits  sind  unzweifelhafte  Hebungsgebiete  frei 


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408 


Die  Dynamik  des  Landes. 


von  Deltas,  wie  die  pazifische  Küste  der  neuen  Welt  oder  das  Mün- 
dungsgebit  des  Amurs. 

Das  Zusammenwirken  verschiedener  Faktoren,  unter  deneu  die 
Niveauveriiuderungen  jedenfalls  auch  eine  Rolle  spielen,  bedingt  also 
die  geographische  Verbreitung  der  Deltas,  ohne  daß  wir  jetzt  schon 
in  jedem  einzelnen  Falle  die  Haupt-  und  Nebenursachen,  die  för- 
dernden und  hemmenden  Momente  zu  sondern  vermöchten.  Vielleicht 
werden  uns  eingehende  Detailstudien  der  Lösung  des  Rätsels  näher 
bringen,  aber  derzeit  läßt  sich  noch  nicht  einmal  die  Vermutung 
aussprechen,  ob  es  jemals  gelingen  werde,  die  Anordnung  der 
offenen  und  Deltamündungen  auf  eine  einfache  Formel  zurückzu- 
führen. 

Litteraturnach weise.  1 E.  Ceedxer,  Die  Deltas,  Gotha  1878  (Er- 
gänzungsheft  Nr.  56  zu  Petermanns  Mitteilungen).  — * Jankö,  Das  Delta  des 
Nil,  im  Jahrbuch  der  Ungarischen  Geologischen  Anstalt  1890. 


Die  Arbeit  des  Windes.1 

Winderosion.  Die  geologische  Bedeutung  des  Windes  erkannt 
zu  haben,  ist  das  epochemachende  Verdienst  v.  Richthofens.  Daß 
diese  Entdeckung  erst  so  spät  reifte,  hat  seinen  Grund  darin,  daß 
der  Wind  in  Kulturländern  eine  verhältnismäßig  untergeordnete  Rolle 
spielt,  ungeordnet  jedenfalls  mit  Vergleiche  zum  fließenden  WTasser. 
Wo  der  lockere  Boden  durch  eine  Vegetationsdecke  geschützt  ist, 
ist  er  der  Ablation  des  Windes  ebenso  entrückt,  wie  wenn  er  mit 
Schnee  oder  Eis  bedeckt  ist,  oder  wie  wenn  seine  Teilchen  durch 
Feuchtigkeit  fester  mit  einander  verbunden  sind.  Die  Wüste,  wo 
nackter,  trockener  Lockerboden  weite  Flächen  einnimmt,  ist  das 
eigentliche  Reich  des  Windes,  hier  herrscht  er  beinahe  unum- 
schränkt. Es  kommt  noch  hinzu,  daß  über  baumlosen  Ebenen  die 
untersten  Schichten  der  bewegten  Luft  eine  verhältnismäßig  geringe 
Reibung  erleiden,  und  die  Windstärke  somit  schon  unmittelbar  am 
Boden  einen  hohen  Grad  erreicht.  Welche  Mengen  Materials  von 
der  Luft  transportiert  werden,  kann  jeder  ermessen,  der  eine  Schil- 
derung jener  gewaltigen  Staub-  und  Sandstürme  in  Wüsten  und 
Steppeu,  die  die  Sonne  verfinstern,  gelesen  hat;  ja  in  manchen 
Gegenden  Zentralasiens  ist  die  Luft  so  mit  Staub  erfüllt,  daß  sie 
sogar  bei  völliger  Windstille  den  Sonnenstrahlen  den  Durchgang 
verwehrt. 

Anders  als  die  Ablationskraft  des  Wassers  wirkt  die  des  Windes. 


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Die  Arbeit  des  Windes. 


409 


Das  Wasser  transportiert  abwärts  und  nur  ausnahmsweise  auch  auf- 
wärts; der  Wind  wellt  auf-  und  abwärts,  er  ist  bis  zu  einem  ge- 
wissen Grade  unabhängig  von  der  Schwerkraft,  wie  von  der  Be- 
schaffenheit des  Geländes.  Das  Wasser  ist  an  gewisse  Seehöhen 
gebunden  und  muß  oberhalb  derselben  dem  Eise  weichen,  das  Reich 
des  Windes  erstreckt  sich  über  die  ganze  Erde,  Uber  alle  Breiten, 
über  alle  Höhen.  Das  fließende  Wasser  wirkt  linear  und  schafft 
Rinnen,  der  Wind  denudiert  Flächen  und  erzeugt  nur  ausnahms- 
weise Rinnen,  indem  er  Straßen  mit  gelockertem  Boden  in  Hohlwege 
verwandelt. 

Im  Vergleiche  zur  Ablation  durch  den  Wind  oder  zur  Deflation, 
wie  Walther  sie  nannte *,  ist  die  Corrasion  ziemlich  geringfügig. 
Eine  corradierende  Thätigkeit  übt  der  Wind  nur  dann  aus,  wenn  er 
Sand  gegen  Felsen  schleudert.  Thoulet  hat  auf  experimentellem 
Wege  die  Bedingungen  der  Zerstörung  durch  Sandgebläse  unter- 
sucht; sie  hängt  von  der  Sandmenge,  der  Windstärke,  der  Härte 
des  angegriffenen  Gesteins  im  Vergleiche  zu  derjenigen  der  Angrifts- 
waffe, von  der  Beschaffenheit  des  ersteren  — homogene  Gesteine  sind 
widerstandsfähiger  als  zusammengesetzte  — , von  dem  Winkel  ab,  unter 
dem  der  Luftstrom  auffällt  und  der  G0U  übersteigen  muß,  wenn 
bedeutendere  Wirkungen  erzielt  werden  sollen,  etc.  etc. 

An  der  Zerstörung  der  Felswüste  arbeiten  unausgesetzt  Insolation 
und  chemische  Verwitterung,  namentlich  die  erstere.  Sie  zersprengt 
den  Fels  in  scharfkantige  Stücke  von  verschiedener  Größe;  die 
kleineren  trägt  der  Wind  fort,  die  größeren  läßt  er  liegen.  Ist  das 
Gestein  spröde  oder  mangelt  es  an  Sand,  so  entsteht  aus  der  reinen 
Felswüste  die  Hamm a da,  d.  h.  ein  Felsboden,  der  mit  zahllosen 
kantigen  Absplitterungsstücken  übersät  ist.  Die  Hammada  kann 
aber  auch  nur  ein  Ubergaugsstadium  zur  Serir  — wie  man  die  Kies- 
wüste in  der  Sahara  nennt  — darstellen.  Ist  genügend  viel 
Sand  vorhanden,  so  wird  auch  der  Hammadaschutt  von  dem  Winde 
corradiert,  die  weicheren  Bestandteile  werden  entfernt  und  nur  der 
härteste  unter  den  Hauptbestandteilen  der  Gesteine,  der  Quarz,  bleibt 
zurück.  Aber  auch  dieser  geht  nicht  ganz  siegreich  aus  dem  Kampfe 
mit  den  zerstörenden  Kräften  hervor;  er  wird  durch  Sandgebläse  ab- 
geschliften  und  erhält  jenen  Firnisglanz,  der  ihn  merklich  vom  Fluß- 
gerölle  unterscheidet.  Die  Kieswüste,  bedeckt  mit  gerundeten  Quarz- 
stücken und  dazwischen  mit  Quarzsand,  ist  das  Endprodukt  der 
Denudation  der  Felswüste.  Ein  drastisches  Beispiel  davon  ist  die 


* Neuerdings  hat  er  diesen  Begriff  erweitert,  indem  er  auch  die  Corrasion 
einbezieht,  was  aber  nicht  mehr  dem  Wortsinne  entspricht. 


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410  Die  Dynamik  des  Landes. 

Kalanscho-Serir  zwischen  Audschila  und  Dschibbena,  wo  man  nach 
Rohlfs  stundenlang  Uber  linsen-  und  erbsengroße,  dann  wieder 
stundenlang  über  nußgroße  Kiesel  wandern  muß. 

Äolische  Sandablagerungen.  Die  Transportkraft  des  Windes 
ist  demselben  Gesetze  unterworfen,  wie  die  des  Wassers.  Je  leichter 
das  Material,  desto  weiter  der  Transport  Schreiten  wir  von  der 
Serir  in  der  Richtung  des  herrschenden  Windes  fort,  so  betreten 
wir  zuerst  Gebiete,  wo  Sand,  dann  erst  solche,  wo  die  feinsten 
Partikelchen  verschiedener  Gesteinsarten,  die  wir  unter  dem  Namen 
Staub  zusammenfassen,  zur  Ablagerung  gelangen.  Wechselt  der 
Wind  häufig,  so  kommt  es  auch  zu  keiner  so  strengen  Sonderung 
der  Denudations-  und  Ablagerungsgebiete;  aber  gerade  in  den  Wüsten 
scheint  — nach  den  spärlichen  Beobachtungen,  die  uns  vorliegen, 
zu  schließen  — die  Windrichtung  ziemlich  beständig  zu  sein. 

Der  Sand  wird  entweder  flächenartig  ausgebreitet  — das  ist  die 
Flugsaudwüste  — , oder  zu  Hügeln  und  Hügelketten  aufgeworfen  — 
das  ist  die  Dünenwüste.  Wenn  wir  von  Wüste  sprechen,  so  soll 
damit  aber  nicht  gesagt  sein,  daß  äolische  Sandablagerungen  nur 
auf  die  eigentlichen  Wüstengebiete  beschränkt  sind.  Sie  kommen  auch 
bei  uns  in  Mitteleuropa  in  trockeneren  Gegenden  nicht  selten  vor, 
aber  sie  werden  hier  bald  durch  die  Vegetation  befestigt,  während 
sie  in  der  Wüste,  zum  Teil  wenigstens,  beständiger  llmlagerung  unter- 
liegen. 

Wir  unterscheiden  Strand-  und  Binnenland-Dlinen.  Die 
Entstehungsweise  ist  in  beiden  Fällen  dieselbe,  aber  die  Herkunft 
des  Baumaterials  ist  verschieden.  Am  Strande  liefert  es  das  Meer, 
woher  aber  stammen  die  ungeheuren  Sandmassen  der  Wüste?  Auch 
da  dachte  man  an  das  Meer;  und  wo  in  jüngster  geologischer  Ver- 
gangenheit die  Wüste  von  Meer  bedeckt  oder  bespült  war,  wie  z.  B. 
die  indischen  Geologen  von  der  Wüste  Thurr  behaupten,  mag  diese 
Ansicht  auch  richtig  sein.  Aber  gerade  für  die  größten  Sandwüsten 
der  Erde  muß  man  nach  anderen  Sandquellen  suchen,  und  man 
glaubte  sie  in  der  Zersetzung  von  Sandsteinen  gefunden  zu  haben. 
Der  nubische  Sandstein  in  Nordafrika  und  die  mürben  Sandsteine  der 
Kreideformation  in  Zentralasien  wurden  längere  Zeit  für  die  haupt- 
sächlichsten Sandlieferanten  gehalten.  In  Bezug  auf  den  ersteren 
hat  aber  Walther  geltend  gemacht,  daß  er  schwer  verwittere  und 
auch  nicht  so  weit  verbreitet  sei,  als  daß  aller  Sand  der  Sahara 
davon  herstammen  könnte.  Seiner  Meinung  nach  sind  die  kristalli- 
nischen Gesteine,  die  durch  die  Insolation  am  meisten  angegriffen 
werden,  die  vornehmsten  Ursprungsstätten  des  saharischen  und  ara- 
bischen Flugsandes. 


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Die  Arbeit  des  Windes. 


411 


Dünen.2  Um  die  Dünenbilduug  zu  beobachten,  begeben  wir  uns 
an  den  Strand.  Der  von  der  Brandung  zurückgelassene  Sand  wird, 
sobald  er  trocken  geworden,  von  dem  Seewinde  landeinwärts  getragen. 
Da  oder  dort  staut  er  sich  vor  einem  Hindernisse  auf,  beispielsweise, 
wie  in  Fig.  133,  vor  einem  Pflocke,  den  man  absichtlich  in  den 
Boden  gesteckt  hat,  um  daran  die  Art  der  Dünenbildung  experi- 
mentell zu  erweisen.  Der  Sandhügel  wächst  immer  höher  an,  bis 
seine  Böschung  in  eine  Linie  mit  dem  oberen  Pflockende  kommt, 
worauf  der  Sand  sich 
auch  an  der  Leeseite 
des  Hindernisses  an- 
häuft. Endlich  wird 
auch  der  leere  Raum, 
den  die  kleine  Wirbel- 
bewegungdesWindes 
vor  dem  Pflocke  offen 
hielt,  ausgefüllt;  das 
Hindernis  ist  völlig 
mit  Sand  bedeckt, 
und  die  Düne  kann 
nun  weiter  wachsen, 
soweit  es  das  zuge- 
führte Material,  also 
indirekt  die  Stärke 
der  Gezeiten  und  der  Wind  gestatten.  Stets  ist  die  Böschung  auf 
der  Windseite  sanfter  als  auf  der  Leeseite,  wo  der  Sand  nur 
der  Schwerkraft  folgt.  In  den  Landes  steigen  die  Dünen  unter 
einem  Winkel  von  5 — 12°  von  der  Seeseite  an  und  fallen  unter 
einem  Winkel  von  28 — 32°,  stellenweise  sogar  unter  einem  solchen 
von  35°  gegen  das  Land  ab.  An  der  Westküste  der  Sahara,  wo 
der  Passat  Dünenhügel  aufwirft,  ist  natürlich  die  Seeseite  die  steilere. 
Da  die  Feinheit  des  Baumaterials  mit  der  Windstärke  wechselt,  so 
tritt  auch  Schichtung  ein,  wie  wir  in  Fig.  133  (111.  Stadium)  ange- 
deutet haben. 

ln  der  Natur  veranlassen  die  verschiedenartigsten  Hindernisse, 
wie  Baumstümpfe,  Haufen  ausgeworfener  Muscheln  und  dergleichen, 
Sandansammlungen,  vor  allem  aber  Sträucher,  die  als  Sandfänge 
dienen.  Kein  Hindernis  ist  zu  klein,  denn  der  Sand  macht  es  selbst 
von  Tag  zu  Tag  größer.  Sind  sie  dicht  gedrängt,  so  entstehen  statt 
einzelner  Hügel  ganze  Dünenwälle,  die  manchmal,  halbmondförmig 
gebogen,  ihre  konkave  Seite  dem  Lande  zukehren.  Menge  und 
Korngröße  des  Sandes  einerseits,  die  mittlere  Windstärke  anderseits 


I.  Stadium. 


II.  Stadium. 


III.  Stadium. 

Fig.  133.  Dünenbildung. 


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412 


Die  Dynamik  des  Landes. 


bestimmen  das  Wachstum  der  Dünen.  In  Europa  sind  die  der 
Landes  die  höchsten;  sie  erreichen  60 — 70  m,  Lascour  sogar  90  m, 
während  sie  an  der  Nord-  und  Ostsee  stets  unter  30  oder  40  m 
bleiben.  Auch  sind  die  Stranddünen,  soweit  sie  vegetationslos  sind, 
beständigen  Umbildungen  unterworfen,  der  Sand  der  Luvseite  wird 
auf  die  Leeseite  getragen,  und  so  wandert  die  Düne  landein- 
wärts. Weite  Strecken  werden  dadurch  versandet,  die  menschlichen 
Wohnsitze  zurückgedrängt  und  Wälder  verschüttet,  die,  wenn  sie 
auch  ein  günstiges  Geschick  wieder  von  ihren  Fesseln  befreit,  ihre 
Lebenskraft  doch  unwiederbringlich  eingebüßt  haben.  In  den  Landes 
rücken  die  Dünen  im  Durchschnitte  jährlich  1 — 2 m landeinwärts, 
an  manchen  Stellen  aber  — wie  die  Dünen  von  Teste  und  Löge  — 
20  bis  25  m:  ferner  in  Schleswig  7,  auf  der  Frischen  Nehrung  33/4 
bis  5'/2  und  auf  der  Kurischen  Nehrung  ca.  5 1/2  m.  So  entstehen 
mehrere  Httgelreihen  hintereinander,  landeinwärts  stetig  an  Höhe 
zunehmend.  In  der  Tropenzone,  wo  sogleich  Pflanzen,  besonders 
Mangrovebäume,  von  den  Dünen  Besitz  nehmen,  ist  deren  Beweglich- 
keit gering,  und  auch  in  Europa  scheinen  sie  ehemals  natürliche 
Wälder  getragen  zu  haben,  denn  Montaigne  berichtet  im  16.  Jahr- 
hundert, sie  hätten  erst  seit  kurzer  Zeit  zu  wandern  angefangen. 
In  unseren  Tagen  sucht  man  sie  durch  Anpflanzung  von  Gewächsen 
mit  langen  Wurzeln,  wie  Strandhalm,  Strandhafer,  Strandroggen  und 
Strandweide,  zu  befestigen;  hat  sich  dann  aus  den  Abfällen  der- 
selben eine  dünne  Humusschicht  gebildet,  so  siedeln  sich  auch  andere 
Pflanzen  an,  die  die  Seeluft  vertragen. 

ln  Binnenländern  mit  trockenem,  warmem  Sommer,  wie  im 
südlichen  Bußland,  finden  wir  in  offenen,  sandigen  Flachthälern  die 
niedrigen  Flußdünen.  Gewaltiger  tritt  aber  das  Dünenphänomeu 
in  der  Wüste  auf.  Höhen  von  100  m und  darüber  sind  keine 
Seltenheit,  der  Sandberg  am  Natronsee  von  Fessan  soll  160  m er- 
reichen. Die  gewöhnliche  Form  sind  die  langgestreckten  Dünen 
mit  konvexer  Böschung  au  der  Windseite  und  scharfem  Grate,  der 
nach  der  Leeseite  zuerst  steil  abstilrzt  und  dann  mit  konkaver 
Böschung  sich  allmählich  verflacht.  Daneben  kommen  in  der  Sahara, 
im  Nefud,  in  der  uralkaspischen  Wüste  und  in  Südamerika,  aber 
nur  auf  völlig  ebenen , vegetationslosen  Strecken , auch  niedere 
Bogendüneu  (Barchane)  vor  mit  halbmondförmiger  Krümmung 
nach  der  Leeseite,  wie  wir  solche  manchmal  auch  am  Strande  be- 
obachten können.  Die  Wüstendünen  scheinen  aber  beständiger  zu 
sein,  als  die  Stranddünen,  sonst  würden  sie  nicht  besondere  Namen 
tragen  und  könnten  sich  uralte  Karawanenwege,  Brunnen  und  ganze 
Oasenarchipele  nicht  erhalten.  Die  Beobachtungen  in  der  algerischen 


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Die  Arbeit  des  Windes. 


413 


Sahara  lehrten,  daß  die  Dünen  im  Innern  feucht  sind;  diese 
Feuchtigkeit  kommt  nach  Couebis  von  unten  und  giebt  die  erste 
Veranlassung  zur  Anhäufung  von  Sand  an  einer  bestimmten  Stelle, 
während  Holland  die  erste  Ursache  der  Düuenbilduug  in  der  Un- 
ebenheit des  Geländes  erblickt,  die  den  Flugsand  an  der  Fort- 
bewegung hindert,  und  die  Feuchtigkeit  von  den  atmosphärischen 
Niederschlägen  ableitet.  Möge  die  eine  oder  die  andere  Ansicht 
richtig  sein,  jedenfalls  ist  die  innere  Feuchtigkeit  ein  vortreffliches 
Verfestigungsmittel.  Aber  trotzdem  darf  man  sich  auch  die  saha- 
rischen  Dünen  nicht  als  völlig  unbeweglich  vorstellen;  in  der  west- 
lichen Wüste  mit  ihren  Nord  Westwinden  ist  eine  äußerst  langsame 
Verschiebung  der  Sandmassen  nach  Osten  und  Süden  aus  verschie- 
denen Anzeichen  zu  erschließen.3 

Staubablagerungen.  Staubniederschläge  finden  zwar  überall  statt, 
aber  nur  auf  grasbedeckten  Ebenen  oder  in  abflußlosen  Becken  in  der 
Nähe  von  Wüstenräumen,  die  besonders  aus  dem  Zerfalle  krystalli- 
nischer  Gesteine  viel  Staub  liefern,  erreichen  sie  einen  nennenswerten 
Betrag  und  wirken  oberffächengestaltend.  Auf  stark  geneigtem  Boden 
spült  sie  der  Kegen  wieder  ab,  und  auf  nacktem  Boden  erfaßt  sie 
wieder  der  nächste  Windstoß  und  trägt  sie  weiter. 

Da  der  Staub  sehr  verschiedenartige  mineralische  (besonders 
thonige)  und  organische  Bestandteile  in  sich  vereinigt,  so  ist  der 
äolische  Aufschüttuugsboden  in  der  Kegel  sehr  fruchtbar,  voraus- 
gesetzt, daß  die  klimatischen  Bedingungen  günstig  sind.  Ist  die 
Trockenheit  aber  so  groß,  daß  die  Flüsse  das  Meer  nicht  erreichen, 
so  beschränkt  sie  nicht  bloß  direkt  den  Ptlanzenwuchs,  sondern 
auch  indirekt,  indem  die  Salze,  die  derselben  Quelle  entstammen, 
wie  der  Staub  selbst,  und  durch  Wind  und  fließendes  Wasser  überall- 
hin verbreitet  werden,  den  Aufschüttungsboden  imprägnieren.  So  ent- 
steht die  Salzsteppe  nicht  bloß  dort,  wo  das  Meer  sich  erst  vor 
kurzer  Zeit  zurückgezogen  hat,  oder  wo  Salzseen  austrocknen,  wenn 
auch  in  dem  letzteren  Falle  der  Salzgehalt  des  Bodens  in  der  Regel 
am  größten  ist;  oft  so  groß,  daß  Salzkrusten  wie  frisch  gefallener 
Schnee  den  Boden  weithin  bedecken. 

Tritt  aber  eine  Klimaänderuug  ein,  sodaß  der  Niederschlag 
den  Betrag  der  Verdunstung  übersteigt,  so  bahnen  sich  die  er- 
starkten Flüsse  einen  Weg  zum  Meere  oder  zu  den  nächsten 
ozeanischen  Flüssen,  graben  tiefe  Erosiousschluchten  in  das  Becken 
der  Salzsteppe  ein,  tragen  die  äolischen  Ablagerungen  dem  Meere 
zu,  befreien  den  Boden  von  seinem  Salzgehalte  und  machen  ihn 
dadurch  dem  Ackerbaue  zugänglich.  Die  Steppengebilde  werden 
auf  diese  Weise,  nach  v.  Richthofens  Theorie,  in  Löß  verwandelt. 


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414  Die  Dynamik  des  Landes. 

Man  unterscheidet  zwei  Arten  von  Löß:  Land-  und  Seelöß. 
Der  erstere,  die  weitaus  verbreitetste  Art,  ist  eine  nahezu  homogene 
Masse  aus  lehmiger  gelber  Erde  mit  etwas  Saud,  etwas  kohlensaurem 
Kalk  und  einigen  leicht  löslichen  alkalischen  Salzen.  Feine  Kanäl- 
chen, die  Hohlräume  ausgewitterter  Wurzelfasem,  durchziehen  ihn, 
saugen  das  Wasser  begierig  auf  und  verhindern  dadurch  die  Bildung 
von  Seen  und  Sümpfen;  wahrscheinlich  bedingen  sie  auch  den  Hang 
des  Lößes  zu  vertikaler  Zerklüftung,  die  — wie  wir  bei  einer 
anderen  Gelegenheit  sehen  werden  — landschaftlich  so  bedeutungs- 
voll wirkt.  Wirkliche  Schichtung  fehlt;  eine  scheinbare  Schichtung 
wird  durch  die  lagerartig  horizontale  Anordnung  von  Mergelknollen 
(den  sog.  Lößmännchen)  hervorgerufen;  doch  beweist  ihre  vertikale 
Stellung,  daß  sie  an  Ort  und  Stelle  entstanden  sind.  Dieser  Um- 
stand, sowie  die  eigentümliche  Verbreitung  des  Lößes,  die  sich  an 
kein  Niveau  bindet,  und  das  fast  ausschließliche  Vorkommen  von 
Landschnecken  in  demselben,  werden  als  Beweise  für  den  äolischen 
Ursprung  dieser,  durch  außerordentliche  Fruchtbarkeit  ausgezeich- 
neten Ackererde  angeführt.  Der  Seelöß  wurde  dagegen  in  Salzseen 
abgelagert;  er  ist  geschichtet  und  ermangelt  der  Kapillarstruktur. 

In  Europa  spielt  der  Löß  eine  verhältnismäßig  untergeordnete 
Rolle,  wenigstens  in  morphologischer  Beziehung.  Am  verbreitetsten 
ist  er  im  Rhönethale,  im  Rhein-  und  Donaugebiete  (im  letzteren 
von  Bayern  bis  Rumänien),  in  Thüringen,  im  nördlichen  Böhmen, 
und  besonders  in  Galizien  und  der  Bukowina,  von  wo  er  sieh  über 
das  wolhynisch-podolische  Plateau  bis  in  die  Ukraine  fortsetzt.  Seine 
Mächtigkeit  beträgt  aber  nur  30  bis  60  m.  Dagegen  erreicht  er 
im  nordwestlichen  China,  wo  er  ein  Areal  von  der  Grösse  des 
Deutschen  Reiches  fast  ununterbrochen  bedeckt,  stellenweise  eine 
Mächtigkeit  bis  zu  600  m.  Kaum  weniger  entwickelt  ist  er  auf 
dem  nordamerikanischen  Prärienplateau  von  Missouri  bis  Texas,  wo 
noch  Salzseen  und  weite  sandige  Strecken  an  den  einstigen  Zustand 
erinnern;  ferner  auf  der  gebirgsumschlossenen  Hochebene  der  west- 
lichen Union,  wo  ihn  Russell  unter  dem  Namen  Adobe  beschrieben 
hat;4  endlich  in  der  südamerikanischen  Pampasebene,  die  sich  vom 
mittleren  Bolivia  bis  Patagonien  erstreckt. 

Die  Frage,  ob  alle  Bodenarten,  die  man  jetzt  unter  dem  Namen 
Löß  zusammenfaßt,  äolischen  Ursprungs  sind,  harrt  übrigens  noch  der 
Entscheidung.  In  Bezug  auf  den  deutschen  wie  auf  den  Prärienlöß 
finden  sich  unter  deu  Geologen  noch  immer  energische  Verteidiger 
der  Ansicht,  daß  er  ein  wässeriger  Niederschlag  sei.  Auch  Uber 
die  Entstehung  der  russischen  und  indischen  Schwarzerden, 
die  sich  durch  reichen  Humusgehalt  und  daher  durch  große 


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Die  Arbeit  des  Meeres. 


415 


Fruchtbarkeit  auszeichnen,  sind  die  Meinungen  noch  immer  geteilt, 
v.  Richthofen  betrachtet  sie  nur  als  Abarten  des  Löß,  d.  h.  als 
äolische  Ablagerungen,  die  die  intensive  Humifizierung  ihrer  oberen 
Schichten  dem  Einflüsse  örtlicher  Bedingungen  verdanken.  Die 
russische  Schwarzerde  oder  Tscliernosjom  bedeckt  ein  weites  Ge- 
biet vom  Pruth  bis  zur  Wolga  in  einer  Mächtigkeit  von  1 — 21)  m 
und  tritt  auch  im  westlichen  Sibirien  wieder  auf.  Ihr  ausgezeich- 
netster Kenner,  Dokutschajew,  erklärt  sie  für  eine  Eluvialbildung, 
entstanden  durch  die  Verwitterung  der  darunter  liegenden  Urgesteine.5 
Auch  die  unter  dem  Namen  Regur  oder  Cottonsoil  bekannte 
Schwarzerde,  die  in  Südindien  nahezu  ein  Drittel  des  Bodens  ein- 
nimmt, halten  einige  indische  Geologen  für  eluvial,  andere  dagegen  für 
eine  Süßwasserablagerung;  und  man  hat  darauf  hingewiesen,  daß  auch 
jetzt  noch  zahllose  Sümpfe  und  Wasserlachen  die  östliche  Klisten- 
ebene,  besonders  im  Süden,  bedecken. 

Li  tt  er  a turn  ach  w ei  sc*.  1 Eine  weitere  Ausführung  der  auf  den  Wind  be- 
züglichen Auseinandersetzungen  in  v. Richthofens  Führer  etc.  ist  Job. Walther,  Die 
Denudation  in  der  Wüste,  in  den  Abhandlungen  d.  Sächsischen  Gesellschaft 
d.  Wissenschaften  1891.  — s Sokol6w,  Die  Dünen,  Berlin  1894.  — s Choisv, 
Documenta  relatifs  ä la  inission  dirigee  au  sud  de  l’Algerie,  Paris  1890.  Vgl. 
auch  die  zahlreichen  Artikel  über  die  Saharadünen  von  Coubbis,  Rolland, 
Blanc  etc.  in  den  Comptes  rendus  der  Pariser  Geographischen  Gesellschaft, 
1890.  — 4 Russell,  Subaerial  Deposits  of  the  Arid  Region  of  North  America, 
im  Geological  Magazine  1889.  — 6 Dokutschajew,  Die  russische  Schwarzerde, 
St.  Petersburg  1883. 


Die  Arbeit  des  Meeres.1 

Begriff  der  Küste.  Unter  Küste  versteht  man  zunächst  die 
Grenzlinie  zwischen  Meer  und  Land.  Aber  da  das  Meer  ein 
bewegliches  Element  ist,  so  erleidet  diese  Linie  beständig  Verschie- 
bungen. Nur  dort,  wo  die  Küste  unter  einem  rechten  Winkel  in 
die  See  abstürzt,  erscheint  sie  in  der  Horizontalprojektion  als  feste 
Linie,  in  Wirklichkeit  aber  schwankt  sie  auf  und  abwärts,  und  die 
Küste  ist  auch  hier  nicht  eine  Linie,  sondern  ein  mehr  oder  weniger 
breites  Baud.  In  allen  Fällen  aber,  wo  das  Land  sich  unter  einem 
spitzen  Winkel  in  das  Meer  senkt,  ist  die  Küste  eine  Fläche,  und 
in  diesem  Sinne  wird  auch  der  Ausdruck  Strand  gebraucht,  wenn 
derselbe  auch  in  der  Regel  nur  auf  breitere,  sandbedeckte  Küsten- 
striche Anwendung  findet. 

Zwischen  Land  und  Meer  schiebt  sich  also  eine  Zone  ein,  die, 
obwohl  dem  Festlande  angehörig,  doch  der  umgestaltenden  Arbeit 


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Die  Dynamik  des  Landes. 


durch  das  bewegte  Meer  unterliegt.  Ihre  Grenze  gegen  das  Meer 
liegt  dort,  wo  dauernde  Wasserbedeckung  stattfindet,  die  Grenze 
gegen  das  Land  aber  noch  weiter  landeinwärts,  als  die  Küstenlinie 
zur  Zeit  des  höchsten  Wasserstandes,  weil  die  Brandung  Gesteins- 
material  weiter,  als  sie  selbst  dringt,  vorwärts  zu  schleudern  vermag, 
ln  Meeren  mit  ausgeprägten  Gezeiten  wird  der  äußerste  Saum  der 
Küstenzone  regelmäßig  bei  Flut  von  Wasser  bedeckt  und  zur  Ebbe- 
zeit wieder  trockengelegt. 

Neben  dem  Meere  wirken  in  der  Küstenzone  natürlich  auch  die 
übrigen  exogenen  Kräfte,  besonders  aber  sind  zwei  Vorgänge  wichtig: 
die  Deltabildungen  der  Flüsse  und  die  ebenfalls  schon  besprochenen 
Dünenbauten  durch  den  Wind,  wozu  allerdings  das  Meer  das 
Material  liefert.  Ein  kombinierter  Prozeß  ist  es  auch,  wenn  das 
Meer  als  Transportmittel  für  Flußsedimente  dient. 

Charakter  der  Küste.  Im  allgemeinen  wird  der  Charakter  der 
Küste  durch  das  Hinterland  bedingt.  Wir  werden  bei  einer  anderen 
Gelegenheit  noch  ausführlicher  darauf  zurückkommen,  hier  handelt 
es  sich  nur  um  die  Umgestaltung  der  Küste  durch  das  Meer,  und 
dafür  ist  in  erster  Linie  das  Querprofil  der  Küste  maßgebend. 
Wir  unterscheiden  in  dieser  Beziehung  Flach-  und  Steilküsten. 
Wohl  gilt  im  großen  und  ganzen  die  Regel,  daß  Tiefebenen  mit 
Flachküsten  enden,  und  Gebirge  mit  Steilküsten  an  das  Meer  heran- 
treten, aber  im  einzelnen  giebt  es  doch  viele  Ausnahmen.  Die 
Kreideküste  zwischen  der  Seine-  und  Sommemündung  gehört  nach 
hypsometrischen  Begriffen  einem  Tieflande  an,  und  ist  trotzdem 
eine  Steilküste  mit  ca.  100  m hohen  senkrechten  Wänden.  Ebenso 
ist  das  östliche  Gestade  von  Rügen  eine  prächtige  Steilküste,  obwohl 
das  Vorgebirge  Arcona  nur  55  m Uber  den  Meeresspiegel  ansteigt; 
auch  die  samländische  Niederung  endigt  mit  einer  30 — 50  m hohen 
«Steilküste.  Andererseits  schieben  sich  häufig  mehr  oder  weniger 
schmale  Küstenebenen  zwischen  das  Meer  und  den  Gebirgsrand  ein. 
So  begleitet  beispielsweise  der  sandige  Küstenstrich  Germesir  den 
südlichen  Steilabfall  des  iranischen  Hochlandes  und  schafft  ein 
flaches  Gestade.  Es  ist  ferner  auch  nur  im  großen  und  ganzen 
richtig,  daß  sich  der  Küstencharakter  auch  unter  dem  Meere  fort- 
setzt, oder  mit  anderen  Worten,  daß  die  unterseeische  Böschung 
an  Flachküsten  flacher  ist  als  an  Steilküsten.  Wo  z.  B.  die  nor- 
wegische Steilküste  südlich  von  Stavanger  durch  die  ausgedehnte 
Ebene  Jädern  unterbrochen  wird,  ändert  sich  der  unterseeische  Steil- 
abfall nicht  im  geringsten,  und  schon  in  einer  Entfernung  von 
3 — 4 km  lotet  man  eine  Tiefe  von  235  m.  Wohl  ist  die  Zone  der 


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Die  Arbeit  des  Meeres. 


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Flachsee  gewöhnlich  nur  an  ebenen  Küsten  sehr  breit,  aber  vergessen 
wir  nicht,  daß  auch  die  Steilufer  Dalmatiens  und  der  britischen 
Inseln  aus  einem  sehr  seichten  Meere  sich  erheben. 

Die  Brandung.  Jede  Küste  befindet  sich  nach  Pfaffs  treff- 
lichem Ausspruche  im  Belagerungszustände,  aber  trotzdem  finden 
wir  überall  Küstenstellen,  die  vorwiegend  unter  Zerstörung  leiden, 
neben  anderen,  deren  Veränderung  hauptsächlich  durch  Anschwem- 
mung erfolgt.  Unter  den  zerstörenden  Kräften  ist  die  Brandung 
jedenfalls  die  mächtigste.  Wie  groß  ihre  Gewalt  ist,  läßt  sich  daraus 
entnehmen,  daß  sie  vom  Damme  von  Biarritz  einen  Felsblock  von 
54  000  kg  10 — 12  m und  einen  anderen  von  43  000  kg  bei  Barra- 
Head  1 ’/2  m weit  fortbewegte.  Auf  den  Leuchtturm  von  Beil-Rock 
übt  sie  einen  Druck  von  1 7 000  und  auf  den  von  Skerryvore  einen 
Druck  von  30  500  kg  pro  Quadratmeter  aus.  Selbstverständlich 
wächst  die  Kraft  der  Brandung  mit  der  Windstärke,  und  ihren 
Höhepunkt  erreicht  sie,  wenn  der  Sturm  senkrecht  die  Küste  trifft, 
denn  die  Wellenbewegung  kombiniert  sich  dann  mit  dem  Windstau. 
Daher  bieten  uns  die  steilen  Westküsten  höherer  Breiten  ein  Bild 
völliger  Zerrissenheit  dar.  Mit  gleichmäßiger  Stärke  tobt  die  Bran- 
dung gegen  die  tropischen  Gestade,  teils  durch  die  regelmäßigen 
Passate,  teils  durch  die  Westdünung  erzeugt. x Nicht  bloß  durch 
ihre  Arbeitsleistung  zeichnet  sich  die  Brandung  aus;  sondern  auch 
durch  ihre  Allgegenwart.  Wir  finden  sie  nicht  bloß  in  allen  Meeren, 
sondern  auch  in  den  Seen,  allerdings  geringer  an  Intensität,  aber 
dem  Wesen  nach  gleich.  Was  daher  im  folgenden  über  die  Um- 
gestaltung der  Meeresküsten  gesagt  wird,  kann  — wenn  man  sich 
nur  des  Unterschiedes  von  groß  und  klein  bewußt  bleibt  — auch 
auf  die  Seeufer  angewendet  werden.2  Auch  jene  wichtige  Kraft, 
die  inan  gewöhnlich  als  Küstenstrom  bezeichnet,  wird  von  neueren 
Forschern  lediglich  aus  der  Wellenbewegung  abgeleitet.  Beschränkter 
ist  die  Thätigkeit  der  Gezeitenströme,  und  wir  werden  sie  daher 
vorläufig  außer  acht  lassen.  In  den  polaren  Meeren  wird  die  Dy- 
namik der  Küstenveränderung  durch  das  Treibeis  etwas  modifi- 
ziert;3 wo  es  in  heftiger  Bewegung  ist,  wie  in  der  Klippenbrandung, 
wirkt  es  wie  schweres  Belagerungsgeschütz  und  fördert  die  Zer- 
störung; wo  es  sich  anhäuft,  schützt  es  die  Küste  und  verhindert 
die  Abfuhr  der  Erosionsprodukte. 

Steilküsten.  Denken  wir  uns  eine  steil  ins  Meer  abfallende 
Felsenwand.  Indem  die  Woge  an  dieselbe  schlägt,  preßt  sie  die  in 
den  Spalten  befindliche  Luft  zusammen  und  lockert  dadurch  das 

X Vgl.  dazu  den  Abschnitt  über  Brandung  auf  S.  223. 

Supah,  Physische  Erdkunde.  2.  Aull.  27 


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Die  Dynamik  des  Landes. 


Gefüge.  Zieht  sie  sich  zurück,  so  wird  die  Luft  nachgesogen  und 
kleine  Gesteinspartikelchen  werden  dadurch  herausgeführt.  Ablation 
und  Korrasion  wirken  beständig  zusammen;  durch  den  Stoß  der 
Brandung  wrerden  kleine  Teilchen  vom  Felsen  losgelöst,  die  Ecken 
werden  abgebrochen,  und  größere  Gesteinsstücke,  in  höheren  Breiten 
auch  Treibeis  werden  als  Geschosse  gegen  die  Felsenfestung  ge- 
schleudert. Dabei  ist  zu  beachten,  daß  die  Brandung  stets  flä- 
chenhaft wirkt,  wie  der  Wind,  aber  doch  wieder  grundverschieden 
von  dem  letzteren.  Die  Meereswoge  ist  an  ein  gewisses  Niveau 
gebunden,  der  Wind  an  keines,  aber  dafür  arbeitet  jene  viel  gründ- 
licher. Der  Wind  führt  nur  das  lockere  Material  fort  und  schafi’t 
damit  Unebenheiten,  die  im  Laufe  der  Zeit  allerdings  verschwinden, 
die  Brandung  arbeitet  aber  von  Anfänge  an  auf  Nivellierung  hin, 
und  man  hat  daher  diesen  Erosionsprozeß  sehr  passend  als  Abra- 


Flnt 

£Obe 


Fig.  134. 

Umgestaltung  der  Steilküste. 


Fig.  135. 

„Der  alte  Hut“,  Neuseeland,  nach  Dana. 


sion  bezeichnet.  Zunächst  entsteht  an  der  Steilküste  eine  hohl- 
kehlenartige Vertiefung  innerhalb  der  Zerstörungszone,  deren  untere 
Grenze  etwas  über  dem  Niveau  des  Niedrigwassers  und  deren  obere 
Grenze  etwas  über  dem  Niveau  des  Hochwassers  liegt  (s.  c in  Fig.  134;. 
Aber  auch  oberhalb  dieser  Zone  tritt  die  Küste  immer  weiter  zurück, 
indem  die  unterwaschenen  Partien,  ihrer  Stütze  beraubt,  endlich 
herabstürzen.  Die  feineren  Zerstörungsprodukte  werden  fortgeführt, 
die  gröberen  schichten  sich  am  Fuße  der  Steilküste  auf  und  bilden 
meistens  einen  schmalen  Schuttwall,  der  unter  Umständen  die  Küste 
vor  weiteren  Angriffen  schützt.  Nur  solch  einem  natürlichen  Wellen- 
brecher verdankt  es  z.  B.  der  waldgekröute  Kreidefelsen  der  Stubben- 
kammer auf  Rügen,  daß  er  nicht  schon  längst  in  den  Fluten  ver- 
sunken ist.  Fig.  134  führt  uns  die  Umgestaltung  einer  Steilküste 
schematisch  vor  Augen.  Das  ursprügliche  Profil  acb  hat  sich  in 
defb  verwandelt.  Das  Endergebnis  der  Abrasion  ist  eine  Strand- 
terrasse,  deren  Plattform  als  sanft  geneigte  Ebene  vom  Niveau  der 
Ebbe  gegen  die  Rückwand  ansteigt  (s.  ef  in  Fig.  134).  Die  Bildung 


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Die  Arbeit  den  Meeres. 


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solcher  Terrassen  hat  Th.  Wolf  an  der  Küste  von  Ecuador4,  Rich. 
Lehmann  bei  der  Poststation  Böigen  in  Norwegen8  und  Th.  Stdder 
am  basaltischen  Gestade  der  Kergueleninsel6  beobachtet  Ob  das 
Meer  schneller  oder  langsamer  an  Terrain  gewinnt,  hängt  von  der 
Stärke  der  Brandung  und  der  Widerstandsfähigkeit  des  Gesteins  ab. 
An  den  Küsten  des  unruhigen  Kanals  wird  das  jährlich  vom  Meere 
fortgeführte  Material  auf  10  Millionen  Kubikmeter  geschätzt.  Rasch 
brechen  hier  die  unterwaschenen  Kreidefelsen  zusammen,  während 
der  feste  Kalkstein  der  ligurischen  Küste  überhängende  Wände  bildet 
Granit,  Gneiß,  Syenit,  Basalt  u.  s.  w.  können  lange  der  Brandung 
trotzbieten,  aber  auch  sie  sind  nicht  gegen  die  Zerstörung  gefeit 
Leichtes  Spiel  haben  dagegen  die  Wogen,  wo  sie  eine  aus  lockerem 
Material  aufgebaute  Steilküste  bespülen;  so  dringt  z.  B.  bei  Holder- 
ness  in  Yorkshire,  wo  Geschiobelehm  das  schroff  abstürzende  Gestade 
bildet,  das  Meer  auf  einer  Länge  von  58  km  jährlich  2,8 — 3 m landein- 
wärts vor.  Auch  die  Lagerungsverhältnisse  sind  von  Bedeutung;  jeden- 
falls geht  die  Zerstörung  leichter  vor  sich,  wenn  der  Küstenabbruch  aus 
Schichtenköpfen,  als  wenn  er  aus  Schichtentlächen  besteht.  In  leicht 
löslichem  Kalksteine  gräbt  die  Woge  durch  chemische  Erosion  tiefe 
Höhlen,  Kammern  und  Gänge  ein,  vorausgesetzt,  daß  die  Decke 
fest  genug  ist,  um  nicht  einzustürzen.  Von  solcher  Bildung  ist  bei- 
spielsweise die  Küste  der  australischen  Kolonie  Viktoria  in  der  Nähe 
des  Kaps  Otway.  In  anderen,  nicht  löslichen  Gesteinen  scheint  die 
Höhlenbildung  an  das  Vorhandensein  von  Spalten  gebunden  zu  sein, 
die  vom  Meere  allmählich  erweitert  werden.  Von  solchen  Erosions- 
erscheinungen am  norwegischen  Steilufer,  die  jetzt  freilich  infolge 
der  Niveauveränderung  dem  Bereiche  der  Brandung  entrückt  sind, 
berichtet  Rutsch.7  Die  Sjongheller-Grotte  auf  Valderö  ist  z.  B. 
142  m lang  und  am  Eingänge  38  m hoch,  wird  aber  gegen  die  Tiefe 
zu  immer  niederer.  Dieser  Umstand,  sowie  die  Glätte  der  Wände 
beweist,  daß  sie  vom  Meere  ausgewaschen  wurde.  Weltberühmt  ist 
die  Insel  Torghat  (65,4°  ß.),  deren  Felsenkappe  in  einer  Seehöhe  von 
110 — 125  m von  einem  gewaltigen  Loche  durchquert  wird.  Die 
Länge  desselben  beträgt  280  m,  seine  Höhe  20 — 75  m und  seine 
Breite  11 — 28  m.  Die  glatten  Wände  dieses  Riesenthores  weisen 
mit  Bestimmtheit  darauf  hin,  daß  es  ein  Werk  der  Meereserosion 
ist.  Auch  Riesentöpfe  wurden  mehrfach  auf  ehemaligem  Meeres- 
boden beobachtet.  Strömungen  in  engen  Sunden  erzeugen  nischen- 
artige Vertiefungen  in  den  Wänden,  gerade  so  wie  die  Flüsse  des 
Festlandes. 

Der  Wechsel  von  Schichten  verschiedener  Beschaffenheit  bringt 
es  mit  sich,  daß  die  Küste  nicht  überall  gleichmäßig  zurück* 

27* 


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Die  Dynamik  des  Landes. 


weicht.  Die  St.  Brides-Bai  im  südwestlichen  Wales  ist  in  Karbon- 
schichten  eingeschnitten,  während  die  Eruptivgesteine  zu  beiden 
Seiten  als  Vorgebirge  erhalten  hlieben;  und  dieselbe  Erscheinung, 
daß  weicheren  Schichten  Buchten,  härteren  dagegen  Vorgebirge 
entsprechen,  wiederholt  sich  an  der  ganzen  britischen  Westküste, 
soweit  sie  aus  solidem  Gesteine  besteht. 

Ein  ausgezeichnetes  Beispiel  einer  bogenförmigen  Abrasions- 
küste hat  Theobald  Fischer8  bei  Tipaza  in  Algier  beobachtet. 
Fast  auf  jeden  Kilometer  Küstenläuge  kommt  hier  eine  Bucht,  in 
jede  mündet  ein  Gießbach,  und  die  Größe  der  Buchten  steht  im 
genauen  Verhältnisse  zu  der  Lauflänge  und  dem  Wasserreichtums  der 
betreffenden  Bäche.  Hier  hat  offenbar  die  Erosion  des  fließenden 
Wassers  der  Abrasion  vorgearbeitet,  was  sich  auch  dadurch  erweist, 
daß  dort,  wo  keine  Bäche  münden,  die  Küste  geradlinig  verläuft. 

Die  Abrasionskraft  arbeitet  nicht  bloß  im  horizontalen  Sinne, 
sondern  auch  in  die  Tiefe.  Sie  korradiert  die  Oberfläche  der  Ter- 
rasse; und  da  die  Wellenbewegung  noch  bis  200  m Tiefe  im  Stande 
ist,  loses  Steinmaterial  hin  und  her  zu  schieben,  so  darf  man  an- 
nehmen, dass  die  Korrasion  erst  in  dieser  Tiefe  völlig  erlischt,  vor- 
ausgesetzt, daß  sich  die  Terrasse  nicht  mit  einer  Schutt-  oder  Sand- 
decke schützt  Daraus  erklärt  sich  wahrscheinlich,  daß  die  Tiefen- 
linien bis  zu  200  m die  Gestalt  der  Küstenlinie  wiederholen.  Mit 
der  Tieferlegung  wächst  auch  die  Breite  der  Terrasse,  bis  endlich 
die  Welle  auch  zur  Zeit  des  höchsten  Wasserstandes,  indem  sie 
die  schiefe  Ebene  hinaufläuft,  durch  Reibung  ihre  Kraft  völlig  ein- 
büßt. Nur  eine  positive  Niveauveränderung  kann  die  zerstörende 
Thätigkeit  wieder  beleben,  wie  eine  negative  ihr  vorzeitig  Halt  ge- 
bieten kann,  indem  sie  die  Strandterrasse  dauernd  trocken  legt 

Die  Lage  der  Endlinie  der  Abrasion  — Abrasionsterminante, 
wie  Piiilipi’son  sie  nennt  — hängt  nur  von  der  Stärke  der  Bran- 
dung ab,  und  nur  die  Dauer  des  Abrasionsprozesses  auch  von  der 
Beschaffenheit  der  Küste.  Denn  Uber  kurz  oder  lang  siegt  das  Meer 
über  jedes  Hindernis,  ebenso  wie  das  fließende  Wasser.  Allerdings 
können  Teile  des  Steilufers,  die  sich  durch  besondere  Härte  aus- 
zeichnen oder  die  schon  früher  durch  Spaltenbildungen  sich  von 
ihrer  Umgebung  ganz  oder  teilweise  losgelöst  haben,  als  Inselpfeiler 
stehen  bleiben,  die  einstige  Küstenausdehnung  verratend.  Nament- 
lich die  steilen  Westküsten  der  höheren  Breiten  werden  von  dichten 
Schwärmen  solcher  Felseneilande  und  Klippen  begleitet.  Aber  auch 
diese  Vorposten  werden  mit  der  Zeit  vom  Meere  weggeräumt,  um 
als  blinde  Klippen  den  Schiffen  nur  noch  gefährlicher  zu  werden. 
So  sieht  man  bei  Arbroatli  an  der  schottischen  Ostküste  eine  lange 


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Die  Arbeit  des  Meeres. 


421 


Ter  Scheüln^^^^ 
VHcUm^^ 


Rifl'reihe  aus  festem  Gestein  bei  Ebbe  blobgelegt.  Ein  anderes  aus- 
gezeichnetes Beispiel  ist  das  Sandsteinriff,  das  die  Küste  Brasiliens 
durch  acht  Breitengrade  vom  Cabo  Erio  bis  zum  Cabo  do  Calcanhar 
begleitet. 

Zerstörung  der  Flachküsten.  Auch  Flachküsten  fallen  der 
Meereserosion  zum  Opfer,  wie  die  Geschichte  des  deutschen  und 
englischen  Nordseestrandes  beweist.  Aber  nicht  unablässig  wirkt 
hier  die  Brandung  zerstörend,  wie  an  den  Steilküsten,  solidem  haupt- 
sächlich nur  bei  Windstau,  wenn  das  Meer  weite  Gebiete  über- 
schwemmt; aber  dann  mit  furchtbarer  Gewalt.  Sehr  lehrreich  ist 
in  dieser  Beziehung  die  Geschichte  der  Zuidersee " (Fig.  13 Li).  Etwa 
3/4  derselben,  von  der  Inselreihe  Wieringen- Ameland  bis  ungefähr 
zur  Linie  Edam-Kampen,  war 

noch  zur  Römerzeit  Land.  Der  ' “TV,  . Am.i.-mii  1 

südliche  Teil  bildete  den  Binnen- 
see Flevo;  ihn  durchtlob  der 
Rheinarm  Ijssel,  der  wahrschein- 
lich zwischen  Ylieland  und  Ter 
Schelling  mündete.  Vom  4.  Jahr- 
hunderte unserer  Zeitrechnung  an 
beginnt  das  grobe  Zerstörungs- 
werk,  das  besonders  durch  Uber- 
Hutungen  bei  Nordweststürmen 
gefördert  wurde.  Am  Ende  des 
7.  Jahrhunderts  waren  Ter  Schel- 
ling und  Ameland  schon  Inseln. 

Im  Jahre  1170  wurde  alles  Land 
zwischen  Texel,  Medemblik  und 
Stavoren  verschlungen,  mit  Aus- 
nahme der  insularen  Reste.  1237 
erweiterte  sich  der  Flevosee 

beträchtlich,  indem  eine  große  Fläche  zwischen  Eukhuizen,  Sta- 
voren und  Kämpen  dauernd  überflutet  wurde.  Im  Jahre  1395  fiel 
endlich  auch  der  schmale  Isthmus  zwischen  Medemblik  und  Stavoren, 
und  die  nördliche  Meeresbucht  verband  sich  mit  dem  südlichen 
Binnensee.  Den  Landverlust  seit  der  Zeit  Cäsars  schätzt  man  auf 
wenigstens  5813  qkm,  wovon  nur  3635  qkm  durch  Eindeichung  dem 
Meere  wieder  abgewonnen  wurden.  Im  Jahre  1218  schuf  eine  Sturm- 
flut den  Jadebusen,  und  bis  Weihnachten  1277  lag  an  der  Stelle  des 
heutigen  Dollart  das  fruchtbare  Reiderland.  Auch  den  friesischen 
Inseln,  dem  alten  Küstenrande  Deutschlands,  ist  eine  vergängliche 
Existenz  beschieden.  Borkum  wurde  im  9.  Jahrhunderte  in  zwei 


frr**t 

o 


Fig.  130.  Zuiilersee. 


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Die  Dynamik  des  Landes. 


Teile  zerrissen,  die  nur  noch  bei  Niedrigwasser  Zusammenhängen, 
und  Langeoog  im  Laufe  der  Zeit  in  drei  Stücke.  Das  Dorf  auf  der 

Insel  Wangeroogwurdedurch 
die  Sturmfluten  des  Dezem- 
bers 1854  zerstört,  und  Kirch- 
turm wie  Leuehtturm  werden 
jetzt  von  der  Flut  bespült. 
Auch  das  steile  Helgoland 
hat  an  Umfang  verloren,  wenn 
auch  nicht  soviel,  als  man 
früher,  verleitet  durch  ten- 
dentiöse  Erfindungen  des 
15.  Jahrhunderts,  glaubte.10 
Die  Verluste  der  flachen 
nordfriesischen  Inseln  sind 
ebenfalls  übertrieben  worden, 
wenn  sie  auch  noch  groß 
genug  sind.  Man  betrachte 
nur  die  Entwicklung  Nord- 
strands, wie  sie  Fig.  137 
darstellt.  Für  das  13.  Jahr- 
hundert fließen  allerdings 
die  Geschichtsquellen  zu 
dürftig,  als  daß  sich  die 
Umrisse  der  Inseln  und  des 
Festlandes  genau  zeichnen 
ließen.  Aber  noch  vor  der 
großen  Sturmflut  in  der 
Nacht  vom  11.  zum  12.  Ok- 
tober 1634  besaß  Nordstrand 
eine  ansehnliche  Ausdeh- 
nung. Diese  Katastrophe, 
die  alle  Deiche  hinwegfegte 
und  6408  Menschen  das 
Leben  kostete,  ließ  nur  drei 
Eilande  übrig ; allerdings 
hätte  — wie  man  nicht  ver- 
schweigen darf  — recht- 
zeitige Hilfe  noch  manches 
Stück  Landes  retten  kön- 
Fif>.  137.  Nordatrand  um  1240,  1634  und  1892  nen.11  In  ähnlicher  Weise 
nach  R.  Hansen.  hat  die  englische  Nordsee- 


Orrxt,  euigcdeirTUesland 

■ un  öe  Ueif'hlesL  ctrid. 


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Die  Arbeit  des  Meeres. 


423 


küste  gelitten.  An  der  Stelle,  wo  einst  die  Orte  Autburn,  Hartburn 
und  Hyde  standen,  dehnen  sieh  jetzt  Sandbarren  aus. 

Erosion  durch  Gezeitenströmungen. 12  Wir  haben  uns  bisher 
hauptsächlich  auf  die  Wirkungen  der  Brandung  beschränkt  und  die 
Gezeiten  nur  insofern  in  Betracht  gezogen,  als  sie  einen  wechseln- 
den Wasserstand  bewirken.  An  den  Küsten  rufen  diese  aber  auch 
alternierende  Strömungen  hervor,  die  zwischen  Inseln,  in  Kanälen, 
trichterförmigen  Küsteneinschnitten  und  Flußmündungen  eine  be- 
deutende Stärke  erlangen.  Da  die  Flutwellen  um  viele  tausend  Mal 
länger  sind,  als  das  Wasser  tief  ist,  so  bewegen  sich  die  Wasser- 
teilchen von  der  Oberfläche  bis  zum  Boden  fast  gleichzeitig  und  mit 
gleicher  Stärke  hin  und  her.  Die  Erosionskraft  ist  daher  sehr  be- 
deutend und  wirkt,  entsprechend  der  Art  ihres  Auftretens,  linear, 
nicht  Hächenhaft  wie  die  Brandung.  Die  Tiefenerosion  beeinflußt 
den  Meeresboden.  Im  Südarme  der  Fundvbai,  in  der  Enge  von 
Parrsboro,  findet  sich  ausnahmsweise  Felsenboden  von  mehr  als  200  m 
Tiefe;  der  durch  Einengung  verstärkte  Gezeitenstrom  ist  es,  der  — 
nach  Kbümmels  Erklärung  — hier  jede  Sedimeutablagerung  ver- 
hindert Auch  die  tiefen  Rinnen  im  friesischen  Wattenmeere  führt 
Krümmel  auf  die  Gezeitenströmungen  zurück.  Um  kennen  zu  lernen, 
wie  sie  auch  seitlich  erodieren,  muß  man  sich  in  die  innersten  Teile 
tief  und  schmal  einschneidender  Meeresbuchten  begeben,  die  die 
Brandung  nicht  mehr  erreicht  Wir  haben  oben  gesehen,  daß  dort, 
wo  weiche  und  harte  Schichten  wechseln,  die  Abrasion  eine  Bogen- 
küste erzeugt.  Aber  diese  Bogen  können  nicht  tief  eindringen,  weil 
die  Welle  durch  Reibung  an  den  Seitenwänden  zu  sehr  geschwächt 
wird.  Das  ist  gerade  ein  willkommenes  Arbeitsfeld  für  Gezeiten- 
ströme. Was  der  Flutstrom  losreißt,  führt  der  Ebbestrom  ins  Meer 
hinaus;  und  je  tiefer  die  Bucht  keilartig  eindringt,  desto  kräftiger 
entwickelt  sich  die  Strömung.  Nirgends  erreicht  die  Flutwelle  eine 
größere  Höhe,  als  in  der  Fundybai;  zwischen  Sackville  und  der 
Grünen  Bai  ist  der  Isthmus  schon  auf  20  km  Breite  eingeschrumpft; 
kein  Zweifel,  daß  hier  an  der  völligen  Lostrennung  Neu-Schottlands 
gearbeitet  wird.  Angesichts  solcher  Wahrnehmungen  läßt  sich  der 
Gedanke  nicht  abweisen,  daß  auf  diese  Weise  auch  England  einst 
zur  Insel  wurde.  Haben  doch  die  Untersuchungen  anläßlich  der 
Tunnelprojekte  den  ungestörten  Schichtenzusammenhang  zwischen 
Dover  und  Calais  ergeben. 

Anschwemmung.  Zerstörung  und  Neubildung  gehen  auch  au 
der  Küste  Hand  in  Hand.  Das  lehren  am  deutlichsten  die  Gezeiten- 
ströme in  engen  Einfahrten  und  Flußmündungen,  wo  sie  kräftig 
genug  entwickelt  sind.  Die  tiefe  Fahrrinne  liegt  nicht  in  der  Mitte, 


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424 


Die  Dynamik  des  Landes. 


sondern  ist  nach  links  verschoben;  rechts  dehnen  sich  die  An- 
schwemmungen aus.  Nach  Krümmels  Erklärung  haben  wir  hierin  eine 
Doppelwirkung  der  Gezeiten  unter  dem  Einflüsse  der  Erdrotation  zu 
erblicken.  Flut-  und  Ebbestrom  werden  nach  rechts  abgelenkt;  der 
erstere  erodiert,  der  letztere,  beladen  mit  den  Sedimenten  des  zurück- 
gestauten Wassers,  lagert  ab.  Wichtiger  sind  jene  marinen  Neu- 
bildungen, die  der  Küste  direkt  zu  gute  kommen.  Wir  haben  hier 
zwei  Arten  zu  unterscheiden:  Ablagerungen  auf  dem  Strande  selbst, 
und  Ablagerungen  auf  dem  Meeresboden,  die  durch  Wachstum  über- 
seeisch werden.  Zur  ersten  Kategorie  gehören  vor  allem  die  Sand- 
massen, die  das  Material  zur  Dünen bildung  liefern.  Häufig  treten 
die  Ablagerungen  beider  Kategorien  vergesellschaftet  auf,  d.  h.  zu- 
nächst wächst  das  Neuland  aus  dem  Meere  empor,  und  dann  erhöht 
es  sich  durch  Übergußsedimente.  Eine  wichtige  Rolle  bei  den  Neu- 
landbildungen spielt  die  Vegetation.  An  der  friesischen  Küste 
wird  das  nur  bei  Niedrigwasser  trockene  Watt  zwischen  den  Inseln 
und  dem  Festlande  bei  jeder  neuen  Flut  durch  hinzugeführte 
Schlammteilchen  etwas  erhöht  Zwischen  den  Pflanzen,  die  sich 
darauf  ansiedeln,  bleibt  immer  mehr  Schlamm  zurück,  bis  endlich 
die  gewöhnliche  Flut  die  Fläche  nicht  mehr  zu  überschwemmen  ver- 
mag. Neue  Gräser  und  Kräuter  erhöhen  und  verfestigen  immer 
mehr  den  Boden,  der  schon  als  Weide  benützt  wird  (Kelter),  bis  er, 
durch  Eindeichung  völlig  vor  dem  Meere  geschützt,  als  Polder  ein 
fruchtbares  Ackerland  liefert.  In  noch  höherem  Grade  wirken  die 
Mangrovebäume  mit  ihrem  weit  ausgesponnenen  Wurzelgeflechte  als 
Schlamm-  und  Sandfänger,  sie  sind  die  wahren  Pioniere  des  Landes 
im  Kampfe  gegen  das  Meer.  Wir  finden  sie  überall  am  tropischen 
Gestade,  wo  der  Boden  thonreich  und  die  Brandung  nicht  zu 
heftig  ist. 

Von  größter  Wichtigkeit  ist  der  Prozeß  der  Küstenversetzung, 
wie  ihn  Philippson  nennt,  d.  i.  der  Transport  der  Zerstörungspro- 
dukte von  der  einen  Küstenstelle  nach  einer  andern,  oft  weit  ent- 
fernten. Die  Kraft,  welche  diese  Umsetzung  bewirkt,  bezeichnet  mau 
als  Küsteuström ung;  doch  neigen  manche  Forscher  zur  Ansicht, 
daß  jener  Vorgang  nur  eine  Wirkung  schräg  auflaufender  Wellen 
ist,  die  Gerolle  und  Sande  vor  sich  her  stoßen  (von  a nach  b in 
Fig.  138),  während  die  rücklaufende  Welle  sie  in  einer  zur  Küsten- 
linie senkrechten  Richtung  wieder  zurückführe  (von  b nach  c in  Fig.  1 38)- 
Auf  diese  Weise  müßten  die  Sedimente  zickzackförmig  weiter  ge- 
schoben werden  (in  Fig.  138  z.  B.  von  o bis  d),  wobei  sie  eine  stetige 
Verkleinerung  erleiden.  Indes  dürften  doch  wohl  auch  länger  dauernde 
auflandige  Winde  wirkliche  Küstendriften  erzeugen,  ganz  abgesehen 


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Die  Arbeit  de»  Meere». 


425 


von  den  Gezeitenströmen ; und  jedenfalls  darf  man  den  Ausdruck 
„Küstenströmung“  noch  weiter  gebrauchen,  wenn  man  sich  nur  stets 
des  Gegensatzes  zu  den  eigentlichen  Meeresströmungen,  in  deren 
Bereich  wohl  nur  mehr  die  feinsten  Sedimente  gelangen,  bewußt 
bleibt.  Der  Flutstrom  ist  es  z.  B.,  der  die  Abrasionsprodukte  der  Kalk- 
küste von  Calvados  nach  der  Seinebucht  westlich  von  HonHeur  führt. 
Der  Detritus  der  spanischen  Nordküste  wandert  an  den  Strand  der 
Gironde.  Eine  vom  Golfe  von  Triest 

nach  Westen  fließende  Strömung  k t 

fangt  die  Sedimente  auf,  die  die  £ N \J  \J  \/  \|  \ 
Flüsse  vom  Isonzo  bis  zum  Po  von  Me  e r 

den  Alpen  bringen,  und  füllt  da-  Fis- 138-  Küstenvcrectzung. 

mit  die  Lagunen  aus.  Mit  den 

Sinkstoffen  des  Dnjepr,  Dnjester  und  der  Donau  vergrößert  eine 
Litoralströmung  die  Küste  der  Dobrudscha,  und  in  gleicher  Weise 
kommt  das  Material,  das  die  Rhone  den  Alpen  entführt,  der  Küste 
der  Languedoc  zu  gute;  Hoff  giebt  ihr  Wachstum  auf  1 — 2 m pro 
Jahr  an. 


Die  Transportkraft  einer  Strömung  sinkt  unter  das  der  Last 
entsprechende  Maß,  wenn  die  Strömung  mit  einer  anderen  entgegen- 
gesetzt gerichteten  zusammentrifft,  oder  durch  Reibung  auf  seichtem 
Grunde.  Im  ersteren  Fall,  besonders  in  der  Nähe  von  Flußmündungen, 
entstehen  häufig  Inseln,  d.  h.  freie  Anschwemmungen  im  Gegen- 
satz zu  den  Ansatzanschwemmungen,  zu  denen  der  zweite  Fall 
Veranlassung  giebt.  Ist  der  Grund  tief  genug,  so  tritt  die  Strömung 
bis  an  die  Küste  heran,  an  deren  äußerstem  Saume  die  Ablagerung 
erfolgt.  Dies  ist  der  Strandsaum,  wie  Philippson  ihn  nennt,  der 
ihm  den  Strandwall  gegenüberstellt.  Der  letztere  bildet  sich  in 
einiger  Entfernung  von  der  Küste,  sei  es,  daß  der  Grund  zu  seicht 
ist,  sei  es,  daß  die  Küste  ursprünglich  eingebuchtet  ist  und  die 
darauf  gerichtete  Strömung  durch  Reibung  an  den  Seitenwänden 
verhindert  wird,  das  Innerste  der  Bucht  zu  erreichen.  Unter  den 
verschiedenen  Formen  der  Strand  wälle  sind  namentlich  zwei  be- 


sonders auffallend  und  häufig:  die  Nehrung  und  der  Haken. 
Die  Danziger  Bucht  zeigt  uns  beide  Bildungen  nebeneinander.  In 
sanftem  Bogen  schwingt  sich  die  Frische  Nehrung  von  der  einen 
Seite  der  Bucht  zur  anderen  und  trennt  den  innersten  Teil 
derselben  als  Strandsee  (hier  Haff  genannt)  von  dem  Meere. 
Manche  Nehrungen  sind  völlig  geschlossen,  andere  hat  eine 
gelegentliche  Sturmflut  oder  der  Mensch  geöffnet.  Ein  Haken  er- 
streckt sich  im  Westen  von  Rixhöft  bis  Heia;  es  sind  das  freie 
in  das  Meer  hinausragende  schmale  Landzungen,  die  von  irgend 


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426 


Die  Dynamik  des  Landes. 


einem  festen  Punkte  an  der  Küste  oder  an  einer  Insel  aus  zu 
wachsen  beginnen,  zuerst  in  einer  geraden  Linie  und  am  Ende  haken- 
förmig sich  umbiegend,  genau  wie  die  Strömung,  der  sie  ihre  Ent- 
stehung verdankt.  Es  ist  wahrscheinlich,  daß  auch  manche  Neh- 
rungen als  Haken  begonnen  haben,  jedenfalls  giebt  es  zwischen 
beiden  Formen  mancherlei  Übergänge.  Neben  der  langen  schmalen 
Gestalt  ist  ihnen  auch  die  glatte  Außen-  und  die  zerfranste  Innen- 
seite gemeinsam;  jene  schneidet  die  Strömung  ab,  au  dieser  nagt 
ein  unregelmäßig  bewegtes  Meer.  Gemeinsam  ist  ihnen  auch  die 
allmähliche  Erhöhung  durch  Dünenbildung.  In  den  Strandseen  linden 
die  Sedimente  der  einmündenden  Flüsse  eine  völlig  geschützte 
Ablagerungsstelle;  sie  füllen  sie  allmählich  aus,  und  Seestädten, 
wie  Ravenna,  wird  dadurch  der  Lebensnerv  abgeschnitten.  An  der 
Außenseite  des  jungen  Landes  können  wieder  neue  Nehrungen  ent- 
stehen, und  so  schreitet  die  Landbildung  siegreich  gegen  das  Meer 
fort,  aber  nur  zu  häufig  unterbrochen  von  Perioden  mariner  Reaktion, 
besonders  wenn  eine  positive  Niveauveränderung  die  letztere  unter- 
stützt An  der  Stelle  des  Mensalehsees  im  Nildelta  standen  einst 
die  Städte  Tanis  und  Tennis,  und  der  See  von  Abukir  entstand  erst 
1784.  Dagegen  kann  eine  negative  Niveau  Veränderung  das  ange- 
schwemmte Land  dauernd  vor  Überflutungen  schützen.  Inseln  wer- 
den durch  Strandwälle  landfest  gemacht,  wie  beispielsweise  Portland 
an  der  südenglischen,  Giens  an  der  südfranzösischen,  S.  Antioco  an 
der  sardinischen  oder  der  Mte.  Argentario  an  der  toskanischen  Küste. 
Aber  die  Neubildungen,  so  bedeutend  sie  auch  an  manchen  Stellen 
erscheinen  mögen,  ersetzen  nicht  den  Verlust;  das  beweist  die  große 
Ausdehnung  der  submarinen  Küstenablagerungen,  von  denen  auf 
S.  200  die  Rede  war.  Das  Ringen  zwischen  Meer  und  Land  endet 
stets  zu  Ungunsten  des  letzteren. 

Litteraturnach weise.  ' Philipfson,  Über  Typen  der  Küstenformen, 
in  der  v.  RiCHTiioPKN-Fostsehrift,  189S.  — * Giibf.rt,  The  Topographie  Features 
of  Lake  Shores,  im  Jahresberichte  d.  U.  S.  Geologieal  Survey  1883 — 84  — 
3 Härtmann,  Der  Einfluß  des  Treibeises  auf  die  Bodengestalt  der  Polargebiete, 
in  den  Beitrügen  zur  Geographie  des  festen  Wassers,  Leipzig  1891.  — 4 Rich. 
Lehmann,  Zur  Strandlinieufrage,  in  der  Zeitschrift  für  die  gesamten  Natur- 
wissenschaften 1880.  — 5 Rich.  Lehmann,  Neue  Beiträge  zur  Kenntnis  der  ehe- 
maligen Strandlinien,  ebendas.  1881.  — 8 Steuer,  Geologische  Beobachtungen 
auf  Kcrguelensland,  in  der  Zeitschrift  der  Deutschen  Geologischen  Gesellschaft 
1878.  — 1 Reusch  irn  Neuen  Jahrbuch  für  Mineralogie  etc.  1879,  S.  244.  — 
“ Theob.  Fischer  in  Prtermanns  Mitteilungen  1887,  S.  1.  — 9 Koyper  in  Petkr- 
manns  Mitteilungen  1876,  S.  284,  und  in  der  Zeitschrift  für  wissenschaftliche 
Geographie  1883,  Bd.  IV,  S.  105,  mit  lehrreicher  Karte.  — 10  Tittel,  Die  natür- 
lichen Veränderungen  Helgolands,  Leipzig  1894.  — 11  R.  Hansen  in  Petermanns 
Mitteilungen  1893,  S.  177.  — **  Krümmei.  in  Petermanns  Mitteilungen  1889,  S.  129. 


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Die  geographische  Verbreitung  der  exogenen  Wirkungen. 


427 


Die  geographische  Verbreitung  der  exogenen 
Wirkungen. 

Bodenarten.  Nach  dem  Schema  v.  Richthovens  hat  Rohr- 
bach in  Bergbaus’  Physikalischem  Atlas  eine  Bodenkarte  der  festen 
Erdoberfläche  entworfen,  und  v.  Tillo  hat  darnach  den  prozentischen 
Anteil  der  Bodenarten  nach  Kontinenten  und  Breitenzonen  plani- 
metrisch  bestimmt.1 

Etwas  abweichend  von  der  hier  beliebten  Einteilung  unter- 
scheiden wir  vier  Hauptbodenarten:  Eis-,  Fels-,  Wechsel-  und 
Lockerboden.  Den  Korallenboden  können  wir  nicht  als  einen  selb- 
ständigen Typus  gelten  lassen,  da  er  sich  ungezwungen  dem  Locker- 
boden einreiht. 

Das  Eis  tritt  bodenbildend  nur  in  den  Regionen  ewigen  Schnees 
auf.  Die  oben  genannten  Autoren  haben  es  nicht  berücksichtigt, 
wir  können  aber  nach  einer  Schätzung  v.  Tillos  sein  Areal  auf 
etwa  2 Prozent  der  Festlandsoberfläche  veranschlagen,  wobei  wir 
von  dem  hypothetischen  Südpolarkontinente  gänzlich  absehen.  Das 
einzige  bekannte  Land,  wo  der  Eisboden  nach  allen  Dimensionen 
eine  große  Mächtigkeit  erreicht,  ist  Grönland. 

Da  das  feste  Gestein  überall  den  zersetzenden  Kräften  der 
Verwitterung,  des  Frostes  und  der  Insolation  unterliegt,  so  kann 
Felsboden  nur  dort  zu  Tage  treten,  wo  die  Denudation  die  Zer- 
setzung überflügelt  Je  nach  der  Denudationsart  haben  wir  marinen, 
tluviatilen,  glazialen  und  äolischen  Felsboden  zu  unterscheiden;  die 
beiden  ersten  Unterarten  werden  auf  Rohrbachs  Karte  nicht  aus- 
geschieden, weil  der  Maßstab  zu  klein  war;  die  beiden  anderen 
nehmen  11  Prozent  des  Festlandes  eiu,  und  zwar  6 Prozent  der 
äolische,  5 Prozent  der  glaziale  Felsboden. 

Der  äolische  Felshoden  ist  der  Wüste  eigentümlich,  sein 
Hauptverbreitungsbezirk  ist  die  Sahara,  so  daß  er  nicht  weniger  als 
14  Prozent  von  Afrika  einnimmt.  Der  glaziale  Felsboden  ist,  wenn 
man  von  den  Gletscherregionen  der  Hochgebirge  aller  Zonen  ab- 
sieht, auf  die  gegenwärtigen  und  diluvialen  Binneneislandschaften 
beschränkt.  Im  weiten  Umkreise  umgiebt  er  die  Hudsonbai,  das- 
jenige Gebiet,  wo  auch  heute  noch  die  kalte  Zone  in  unserem  ther- 
mischen Sinne  (s.  S.  71)  am  weitesten  äquatorwärts  herababsteigt. 
Ein  volles  Viertel  des  nordamerikanischen  Festlandes  ist  glazialer 
Felsboden.  Freilich  dürfen  wir  dabei  nicht  vergessen,  daß  der 
Kartenzeichner  rein  schematisch  verfuhr.  Wenn  hier  die  Riesen- 
fläche von  etwa  5 Mill.  qkm  (das  halbe  Europa!)  mit  der  Farbe 


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428 


Die  Dynamik  des  Landes. 


der  glazialen  Denudation  bedeckt  wurde,  so  ist  damit  nicht  gesagt, 
daß  jede  andere  Bodenart  ausgeschlossen  sei.  Entbehren  ja  doch 
jene  Gegenden  keineswegs  gänzlich  des  Waldwuchses,  und  dieser 
setzt  eine  Bodenkrume  voraus.  Die  Farbe  soll  nur  das  Vor- 
herrschen einer  bestimmten  Bodenart  andeuten. 


Übersicht  der  Verteilung  der  Bodenarten  nach  Erdteilen  und 
Breitengürteln  nach  v.  Tillo  (in  Prozenten  der  betreffenden  Erdteile 
bezw.  Breitenzonen). 


N.-Amerika 

Europa 

Asien 

S -Amerika 

Afrika 

X 

s 

V 

1 

(D 

fl 

< 

55 

O 

O 

<£> 

1 

O 

CD 

. 

25 

o 

<M 

i 

O 

o 

cö 

o 

O 

1 

© 

o 

O 

T 

® 

Gesamtes  ] 
Festland 

I.  Eisboden 

nicht  berücksichtigt 

II.  Felsboden 

27 

»j  7 

1 

14 

2 

24 

16 

1 

4 

11 

1.  Durch  glaziale  Denudation  . 

25 

9 1 0 

1 

— 

24 

5 

0 

1 

5 

2.  Durch  äoliBche  Denudatiou  . 

2 

— 7 

_ 

14 

2 

11 

1 

3 

6 

III.  Weeliselboden  

4 

8 3 

» 

3 

0 

0 

5 

4 

6 

4 

IV.  Lockerboden: 

1.  Eluvialboden 

26 

22  54 

45 

50 

31 

52 

31 

63 

27 

43 

a.  Lehm 

17 

22  j 37 

2 

1 

15 

52 

24 

— 

12 

18 

b.  Laterit 

9 

— 16 

43 

49 

16 

— 

6 

63 

15 

25 

c.  Gebirgsschutt  . . . . 

— 

~ 1 

— 

— 

1 

— 

0 

2.  Aufschüttungshoden  . . 

43 

61  36 

45 

33 

67 

24 

48 

32 

63 

42 

a.  Marine  Aufschüttung  x x 

— 0 

0 

0 

5 

l 

1 

0 

b.  Gletsclierscliutt  .... 

23 

36  1 

4 

— 

— 

23 

9 

— 

5 

8 

c.  Alluvionen 

1 

5 1 3 

27 

2 

— 

3 

12 

3 

5 

d.  Äolische  Aufschüttung: 

«.  Flugsand 

0 

0 S 

1 

13 

19 

0 

7 

5 

20 

7 

(i.  Feinerdige  Ablagerung 

13 

18  j 20 

1 

18 

41 

— 

23 

13 

20 

l : 

y.  Löss 

5 

7 ! 3 

10 

— 

0 

— 

6 

— 

12 

4 

e.  Vulkanische  Aufschüttung 

1 

0|  1 

2 

0 

2 

1 

1 

1 

2 

1 

Es  giebt  aber  Gegenden,  wo  keine  Bodenarten  vorherrschen, 
oder  wo  nach  v.  Richthofens  Ausdruck  ein  „Ebenmaß  von  Zer- 
störung und  Fortschaffung“  bestellt.  Als  solche  führt  uns  Rourbachs 
Karte  die  höheren  Gebirge  aller  Zonen  vor.  Das  geforderte  „Eben- 
maß“ besteht  nun  hier  nicht  in  dem  Sinne,  daß  an  jedem  einzelnen 
Punkte  die  einander  entgegenwirkenden  Kräfte  sich  das  Gleichgewicht 
lullten;  vielmehr  finden  wir  da  eine  Reihe  von  Bodenarten  vertreten, 

x Mit  Polynesien. 

x x Mit  Hinzurechnung  des  Korallenbodens. 


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Din  geographische  Verbreitung  der  exogenen  Wirkungen.  429 

aber  in  buntem  Wechsel,  so  daß  keine  auf  weite  Strecken  hier  das 
Übergewicht  erhält.  Daher  nennen  wir  diesen  Boden  den  Wechsel- 
boden. v.  Tillo  hat  dafür  ein  Areal  von  4 Prozent  berechnet 
Relativ  am  meisten  vertreten  finden  wir  ihn  in  Südamerika  (Andes) 
und  in  Europa  (alpiner  Gürtel,  Mittelgebirge). 

Mehr  als  fünf  Sechstel  des  gesamten  Festlandes  ist  mit  Schutt, 
Gerolle,  Kies,  Saud,  Erde  bedeckt.  Alles  das  fassen  wir  unter  dem 
Namen  Lockerboden  zusammen. 

Genetisch  zerfällt  er  in  zwei  Hauptunterabteilungen.  Die  Decke 
des  Felsengerüstes  ist  entweder  an  Ort  und  Stelle  durch  kumulative 
Verwitterung,  Frostwirkung  und  Insolation  entstanden  und  blieb 
liegen,  weil  die  denudierenden  Mächte  ihr  nicht  gewachsen  waren 
— das  ist  der  Eluvialboden  — , oder  sie  ist  von  anderswo  herüber- 
geführt — das  ist  der  Aufschüttungsboden.  In  die  genannten 
vier  Fünftel  teilen  sich  diese  beiden  Böden  nach  der  Karte  ungefähr 
zu  gleichen  Hälften;  es  mag  aber  fraglich  bleiben,  ob  der  Auf- 
schüttungsboden dabei  nicht  zu  kurz  gekommen  ist. 

Unter  den  Eluvialbildungen  sind  L e li  m und  L a t e r i t die 
wichtigsten;  ersterer  ist  den  mittleren  und  höheren  Breiten,  letzterer 
den  Tropen  eigentümlich.  Der  größte  Verbreitungsbezirk  des  Lehms 
ist  Sibirien;  auch  das  südliche  China,  das  ostaustralische  Gebirge, 
die  Vereinigten  Staaten  östlich  vom  Mississippi  treten  als  Lehm- 
boden augenfälliger  hervor,  als  uns  begründet  erscheint,  Laterit  be- 
deckt Mexico  und  Zentralamerika,  die  krystallinischen  Massengebirge 
im  östlichen  Südamerika  das  äquatoriale  Afrika,  Madagaskar,  Ost- 
indien; mit  einem  Worte:  ein  volles  Viertel  des  ganzen  Festlandes. 

Zu  den  Eluvialbildungen  ist  ferner  auch  der  Gebirgsschutt 
abflußloser  Becken  zu  zählen.  Mächtige  Schutthalden  umsäumen 
hier  die  Gebirge,  ja  in  manchen  Gegenden,  wie  z.  B.  in  Persien, 
hüllt  sie  ein  Schuttmantel  bis  an  den  Kamm  ein.  Die  Karte  ver- 
zeichnet diesen  Bodentypus  nur  in  Zentralasien.  Im  strengen  Sinne 
des  Wortes  muß  auch  die  Hammada  dazu  gerechnet  werden. 

Aufschüttung  lockerer  Massen  kann  erfolgen  einerseits  durch 
die  denudierenden  Kräfte,  anderseits  durch  vulkanische  Ausbrüche. 
Den  letzteren  wird  nur  eine  Fläche  von  1 Prozent  zuerkannt.  Von 
den  Ablagerungen  der  ersten  Kategorie  kommen  die  marinen  auf 
Rohrbachs  Karte  so  wenig  zur  Geltung,  daß  sie  auf  v.  Tjllos  Liste 
nicht  einmal  1 Prozent  erreichen.5*  Auch  die  Fluß-  und  Seen- 
anschwemmungen, auf  die  man  gewöhnlich  die  Bezeichnung 


x Sicher  ist  z.  B.  Nordrußland  als  marine  Ablagerung  zu  betrachten, 
vgl.  S.  289. 


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430 


Die  Dynamik  des  Landes. 


Alluvium  anwendet,  sind  nach  der  Karte  weniger  verbreitet,  als 
man  erwarten  sollte.  Ihre  Hauptdomäne  ist  Südamerika,  die  un- 
geheuere Ebene  des  Amazonasgebietes.  Es  ist  ein  interessantes,  aber 
vielleicht  anfechtbares  Ergebnis  der  Karte,  daß  das  Gletscher- 
schuttland  mehr  Raum  einnimmt,  als  die  Alluvionen.  Und  doch 
ist  es  nur  auf  wenige  Gegenden  beschränkt.  Moderne  Glazial- 
ablagerungen finden  sich  nur  dort,  wo  Gletscher  sich  zurückziehen 
und  das  sind  verschwindend  kleine  Flächen.  Alle  anderen  stammen 
aus  der  Eiszeit;  wieder  ein  Beweis  dafür,  welch  gewaltigen  Ein- 
fluß jene  Kljmaepoche  auf  die  gegenwärtige  Gestaltung  der  Erd- 
oberfläche ausübt.  ln  Nordamerika  sind  23,  in  Europa  sogar 
36  Prozent  des  Areals  mit  Glazialablagerungen  bedeckt.  Zum  Unter- 
schiede von  anderen  Aufschüttungen  (die  Dünen  ausgenommen)  ver- 
ebnen  sie  nicht  immer,  sondern  schäften  sogar  Niveauunterschiede. 
Die  echte  Moränenlandschaft  besteht  aus  dicht  aneinander  ge- 
häuften Endmoränen;  unregelmäßig  verteilte  Hügelwälle,  die  bald 
durch  enge  Schluchten,  bald  durch  größere  Depressionen  mit  Seen 
oder  Mooren  getrennt  werden,  bilden  hier  ein  außerordentlich  wechsel- 
volles  Relief.  Eine  solche  Moränenzone  umgiebt  den  Nord-  und 
Südrand  der  Alpen  und  dringt  an  den  Ausgängen  der  großen,  einst 
gletschererfüllten  Tliäler  bogenförmig  weit  in  die  Ebene  vor.  Nur 
an  ihren  äußeren  Rändern  sind  sie  schon  zum  Teil  der  Denudation 
zum  Opfer  gefallen.  Die  in  den  österreichisch-italienischen  Kriegen 
viel  umkämpften  Höhen  von  Custozza  und  Solferino  sind  solche 
Moränen  wälle.  Besonders  schön  ist  der  Bogen  bei  Ivrea;  hier  steigen 
die  Hügel  bis  zu  330  m über  die  Ebene  empor.  Die  Landrücken 
von  Preußen,  Pommern  und  Mecklenburg  sind  ebenfalls  seenreiche 
Moränenlandschaften,  und  in  noch  größerer  Ausdehnung  finden  wir 
sie  in  Nordamerika,  besonders  in  Minnesota,.  Dakota  u.s.w.  Interessant 
sind  die  Äsar,  meist  ausgedehnte,  lineare  Rücken,  und  die  Karnes 
oder  Eskers,  isolierte  unregelmäßige  Kuppen  oder  dammartig  hinter- 
einander liegende  Anhäufungen.  Diese  Bodenformen,  die  in  Schweden 
und  Finnland  typisch  ausgebildet  sind,  aber  auch  in  Norddeutsch- 
land nicht  fehlen,  führt  man  auf  die  Schmelz wässer  des  diluvialen 
Inlandeises  zurück,  wenn  auch  in  Bezug  auf  die  Details  der  Ent- 
stehungen die  Ansichten  noch  schwanken.3 

Überraschend  ist  die  ungeheuere  Ausdehnung  der  äolischen 
Ablagerungen,  zu  denen  allerdings,  wie  wir  an  anderer  Stelle 
bemerkt  haben,  manches  gezählt  sein  mag,  was  nicht  dazu  gehört. 
Das  gilt  weniger  von  den  Sandwüsten  (7  Prozent  des  Festlandes), 
als  von  den  feinerdigen  Ablagerungen,  die  mit  17  Prozent,  und  vom 
Löß,  der  mit  4 Prozent  vertreten  ist.  Die  beiden  ersteren  Arten 


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Die  geographische  Verbreitung  der  exogenen  Wirkungen.  431 

charakterisieren  vor  allem  die  alte  Welt,  wo  sie  eine  breite  Zone 
von  Zentralasien  bis  zur  Sahara  einnehmen.  Beweglicher  Sand  be- 
deckt Flächen,  die  zusammen  so  groß,  wie  Rußland  und  Mittel- 
europa sind,  und  Staub  ein  Areal  von  der  anderthalben  Größe 
unseres  Erdteiles.  Australien  ist  mit  60  Prozent  seiner  Fläche  ein 
äolisches  Ablagerungsgebiet.  Dagegen  übertrifft  in  Bezug  auf  Löß 
Amerika  die  Ostfeste  nicht  bloß  relativ,  sondern  auch  absolut.  Mit 
den  Pampas  und  dem  westlichen  Mississippigebiet  kann  sich  nur  das 
chinesische  Lößland  an  Ausdehnung  messen. 

Faziesgebiete. 3 Die  endogenen  Kräfte  sind  überall  die  gleichen; 
oh  sie  in  ihren  Äußerungen  einem  zeitlichen  Wandel  unterworfen 
sind,  mag  noch  dahingestellt  bleiben.  Die  exogenen  Kräfte  variieren 
dagegen  nach  bestimmten,  zum  Teil  schon  klar  erkannten  Gesetzen 
örtlich  wie  zeitlich.  Es  ergeben  sich  daraus  für  die  Umgestaltung 
des  Bodens  verschiedene  Faziesgebiete,  von  denen  nur  die  funda- 
mentalen hier  kurz  skizziert  werden  mögen. 

Als  erster  derselben  tritt  uns  die  Küstenzone  entgegen,  und 
zwar  die  Küstenzone  aller  Breiten,  obwohl  klimatische  Unterschiede 
wohl  auch  hier  zu  weiterer  Einteilung  Veranlassung  geben  können; 
jedenfalls  steht  die  polare  Küste  unter  etwas  anderen  Bedingungen, 
als  die  eisloser  Gewässer.  Das  Charakteristische  ist  das  Vorhanden- 
sein von  Kräften,  die  dem  übrigen  Festlande  gänzlich  fehlen:  der 
Brandung  und  der  Gezeiten.  Abrasion  und  marine  Anschwemmung 
sind  Prozesse,  die  nur  hier  sich  vollziehen.  Daneben  sind  nur  noch 
die  Verwitterung,  die  Deltablagerung  und  die  Dünenbildung  durch 
den  Wind  von  besonders  formgebender  Bedeutung. 

Das  Festland  außerhalb  der  Küstenzone  steht  vor  allein  unter 
der  Herrschaft  des  Klimas,  von  dem  wir  wissen,  daß  es  örtlich  und 
zeitlich  wechselt.  Doch  kommen  hier  nur  die  langen  Klimaperioden 
in  Betracht,  durch  die  beträchtliche,  in  ihren  Wirkungen  weit  in 
die  folgende  Periode  hinübergreifende  Verschiebungen  der  Fazies- 
gebiete hervorgerufen  werden.  Wir  können  in  dieser  Beziehung 
geradezu  Permanenz-  und  Mutationsgebiete  unterscheiden.  Beide 
haben  seit  dem  Beginne  der  Quartärzeit  Klimaänderungen  durch- 
gemacht, aber  in  den  ersteren  blieben  die  geologischen  Oberflächen- 
prozesse im  wesentlichen  immer  die  gleichen  und  erfuhren  nur  eine 
zeitweise  Abschwächung  oder  Steigerung,  während  sie  in  den 
Mutationsgebieten  totale  Umwandlungen  erlitten.  Die  Ursache  solcher 
Mutationen  kann  eine  doppelte  sein:  eine  rein  klimatische  in  den 
Grenzbezirken  der  großen  Klimareiche,  oder  eine  tektonische,  wo- 
durch besonders  die  Regenmenge  eines  Landes  beeinflußt  wird. 

Als  erstes  Faziesgebiet  haben  wir  die  Po  larländer  zu  nennen 


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432 


Die  Dynamik  des  Landes. 


und  zwar  im  Sinne  unserer  Temperaturzonen  (s.  Karte  VII).  Charakte- 
ristisch ist  hier  die  geringe  Bedeutung  des  fließenden  Wassers  und 
der  Pflanzendecke.  Die  Verwitterung  erfolgt  hauptsächlich  mecha- 
nisch durch  Frostwirkung.  Die  vorherrschenden  Bodentypen  sind 
Eisboden,  glazialer  Felsboden  und  Gletscherschutt. 

Die  regenreichen  Gebiete  der  gemäßigten  und  warmen 
Zone,  soweit  sie  nicht  einmal  von  Eis  bedeckt  waren,  haben  mit- 
einander gemein,  daß  Wasser  und  Pflanzen  überall  an  der  Ver- 
witterung des  Gesteins  arbeiten.  Felsboden  tritt  daher  nicht  mehr 
auf  weite  Erstreckung  zu  tage,  und  wird  weit  mehr  von  Eluvial- 
bildungen,  als  von  Aufschüttungsmassen  verhüllt.  In  zwei  Punkten 
unterscheiden  sich  aber  die  beiden  Zonen  sehr  wesentlich:  1).  der 
Eluvialboden  ist  in  der  gemäßigten  Zone  Lehm,  in  der  w'armen 
Laterit,  2).  in  der  warmen  Zone  sind,  entsprechend  dem  größeren 
Regenreichtume , die  fluviatilen  Anschwemmungen  beträchtlich  aus- 
gedehnter wie  in  der  gemäßigten. 

Zwischen  die  polare  und  gemäßigte  Zone  schieben  sich  die 
glazialen  Übergangsgebiete,  die  aus  der  Eiszeit  noch  glazialen 
Felsboden  und  Gletscherschuttland  in  die  gegenwärtige  Klimaperiode 
herübergerettet  haben,  Typen,  die  jetzt  freilich  der  Verwitterung, 
Verwaschung  und  Zuschüttung  allmählich  anheimfallen. 

Ein  scharf  gezeichnetes  Faziesgehiet  ist  die  Wüste.  Auch 
hier  fehlen  fließendes  Wasser  und  Pflanzendecke,  wie  im  Polar- 
gürtel, aber  es  fehlt  auch  das  Eis,  und  die  Temperaturverhältnisse 
sind  andere.  Die  wichtigste  destruktive  Kraft  ist  hier  die  In- 
solation, die  wichtigste  denudierende  Kraft  der  Wind.  Äolischer 
Felsboden,  Gebirgsschutt,  Flugsand  sind  die  vorherrschenden  Boden- 
typen. Wir  betonen:  die  vorherrschenden,  aber  nicht  die  aus- 
schließlichen, weil  Walther4  wenigstens  in  Bezug  auf  die  Sahara 
in  neuester  Zeit  die  Hypothese  aufgestellt  hat,  daß  die  Wüste  seit  ihrer 
Trockenlegung  Wüste  gewesen  sei,  uud  daß  die  Bodenarten  wie  die 
Oberflächenformen  nur  auf  diejenigen  Kräfte  zurückzuführen  seien, 
die  wir  heute  noch  daselbst  thätig  sehen.  Die  entgegengesetzte  An- 
sicht erblickt  in  der  Sahara  eine  junge  Wüste,  die  sich  einst  eines'viel 
feuchteren  Klimas  erfreute  und  noch  Dokumente  jener  glücklicheren 
Periode  bewahrt  hat  Es  sind  dies  zunächst  die  Thäler  und  ge- 
waltigen Schottermaßen,  zu  deren  Erklärung  die  heute  vor- 
handenen Wasserkräfte  nicht  ausreichen.  Walther  hat  das  kühne 
Wagnis  unternommen,  auch  die  Wüstenthäler  oder  Wadis 

durch  Deflation  zu  erklären.  Ein  derartiger  Versuch  mußte  un- 
befriedigend ausfallen  und  hätte  überhaupt  nur  dann  eine  Be- 
rechtigung , wenn  wir  keine  positiven  Beweise  für  einen  Klima- 


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Die  geographische  Verbreitung  der  exogenen  Wirkungen.  433 

Wechsel  besäßen.  Solche  sind  aber  vorhanden.  Am  weitesten  fort- 
geschritten ist  die  geologische  Forschung  in  der  algerischen  und 
tunesischen  Sahara.®  Seit  der  Kreidezeit  ist  dieses  Wüstengebiet 
Festland,  die  jüngeren  Schichten  sind  Süßwasserablagerungen 
untermioeänen,  plioeänen  und  quartären  Alters.  Die  ersteren  treten 
nur  an  wenigen  Stellen  im  Norden  zu  Tage,  um  so  ausgedehnter  sind 
aber  die  beiden  anderen.  Sie  erstrecken  sich  in  einer  Breite  von 
ca.  350  km  von  Biskra  bis  El  Biodh  (700  km)  und  senden  noch 
Ausläufer  einerseits  bis  in  die  Kleine  Syrte,  andererseits  bis  gegen 
Figig.  Erinnern  wir  uns  daran,  daß  genau  zur  Eiszeit  auch  in  dem 
trockenen  Landbecken  der  westlichen  Vereinigten  Staaten  gewaltige 
Seen  existierten,  so  werden  wir  nicht  fehlgreifen,  wenn  wir  auch  dem 
Quartärsee  der  Sahara  ein  glaziales  Alter  zuweisen.  Aber  auch 
nach  seinem  Verschwinden  blieb  das  Klima  noch  feucht  genug,  um 
große  Flüsse  zu  ernähren,  und  diese  Flüsse  schufen  jene  großen, 
in  die  Süßwasserbildungen  eingeschnittenen  Thäler:  die  Wadis  Mia 
und  Igharghar,  die  sich  im  Wadi  Rir  vereinigen,  Wadi  Suf,  Wadi 
Djedi.  Die  Anordnung  dieser  Thäler,  die  gegen  den  tiefsten  Punkt, 
das  Schott  Melrir,  konvergieren,  die  Verzweigung  nach  oben  und  die 
häufigen  Serpentinen  sprechen  deutlich  für  erosiven  und  gegen 
äolischen  Ursprung.  Das  Längsprofil  hat  freilich  eine  Umwandlung 
erfahren;  ein  ununterbrochener  Thalweg  ist  nicht  mehr  vorhanden, 
sondern  nur  mehr  eine  stufenförmige  Aufeinanderfolge  länglicher 
Becken,  die  durch  Schwellen  getrennt  sind.  Diese  Umgestaltung 
gehört  einer  Zeit  an,  da  die  Flüsse  vertrockneten  und  der  Wind 
Alleinherrscher  wurde. 

Diese  Ergebnisse,  die  durch  Rolland  in  den  letzten  Jahren 
völlig  sichergestellt  wurden,  haben  nichts  überraschendes.  Verwand- 
lungen feuchter  Landstriche  in  trockene  sind  ja  schon  vielfach  bekannt 
geworden.  Zu  den  nordamerikauischen  Beispielen,  deren  wir  mehr- 
fach gedachten,  gesellt  sich  u.  a.  auch  das  große  llral-Kaspische 
Becken.  In  der  That,  war  die  Eiszeit  ein  allgemeines  Phänomen, 
wie  hätten  dann  so  ausgedehnte  Wüsteneien  bestehen  können,  wie 
sie  die  Gegenwart  aufweist?  — 

Kehren  wir  wieder  zu  den  Faziesgebieten  zurück.  An  die  Wüsten 
schließen  sich  dann  als  Ubergangsform  zu  den  feuchten  Gebieten 
die  Steppen  an.  Der  äolische  Denudationsboden  tritt  zurück,  der 
äolische  Aufschüttungsboden  herrscht  aber  noch  entschieden  vor. 
Nur  ist  es  nicht  mehr  Flugsand,  sondern  Thonstaub,  der  die  felsige 
Unterlage  verhüllt.  Wir  müssen  übrigens  nochmals  darauf  auf- 
merksam machen,  daß  über  die  Deutung  mancher  hierher  gehöriger 
Gebilde  Zweifel  bestehen,  wie  dasselbe  ja  auch  von  den  Löß- 

Supan,  Physische  Erdkunde.  2.  Aufl.  28 


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434 


Die  Dynamik  des  Landes. 


gebieten  gilt.  Ist  Richthofens  Theorie  allgemein  gültig,  so  ge- 
hören auch  die  letzteren  zu  den  Mutationsgebieten,  nur  daß  sich 
hier  die  Klimaänderung  im  entgegengesetzten  Sinne  vollzog,  wie  in 
den  Wüsten. 

Litteraturnach weise.  1 v.Tillo,  Petebmanns  Mitteilungen  1 893,  S.  17. — 
J Zur  Orientierung  s.  Waiihschaffe,  Grundrücken  bei  Lubarz,  im  Jahrbuch  d. 
preußischen  geologischen  Landesanstalt  1890.  — J Wai.theh , Lithogenesis  eit. 
S.  278.  — 4 Walther,  cit.  S.  415.  — 5 Choisv,  eit.  S.  415. 


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Vierter  Abschnitt. 


Morphologie  des  Landes.1 


Übersicht. 

Nachdem  wir  die  einzelnen  Kräfte  kennen  gelernt  haben,  gehen 
wir  zur  Betrachtung  der  Formen  über,  oder  richtiger  gesagt, 
zur  Systematik  der  Formen,  die  wir  als  Endergebnis  jener,  teils 
gleich-,  teils  widersinnig  wirkenden  Kräfte  verstehen  zu  lernen  haben. 
Dieser  genetische  Gesichtspunkt  in  der  Morphologie  ist  es  haupt- 
sächlich, der  die  moderne  geographische  Auffassung  von  der  früher 
herrschenden  unterscheidet  Es  ist  derselbe  Umwaudlungsprozeß, 
den  auch  die  übrigen  beschreibenden  Naturwissenschaften  durchge- 
macht haben. 

Jedwede  Oberflächenform  ist  ein  Individuum.  Wie  jeder  Kon- 
tinent und  jedes  Meer  seine  eigentümlichen  Züge  hat,  so  auch  jedes 
Gebirge,  jede  Ebene;  denn  sicherlich  haben  zwei  Erdstellen,  trotz 
Übereinstimmung  im  Grundcharakter,  im  Verlaufe  ihrer  Entwicklungs- 
geschichte nicht  genau  dieselben  Schicksale  erfahren.  Es  ist  auch 
leicht  erklärlich,  daß  der  Individualismus  mit  der  Schichten- 
störung zunimmt,  und  daß  er  daher  am  meisten  in  den  Ketten- 
gebirgen ausgebildet  ist.  Diese  Abwesenheit  von  allem  Schema- 
tischen bedingt  zum  großen  Teil  die  Mannigfaltigkeit  des  Völkerlebens. 

In  dieser  Eigenschaft  der  Obertiächenformen  ist  auch  die  Zwei- 
teilung der  Geographie  in  eine  allgemeine  und  spezielle  begrün- 
det. Die  letztere  hat  gerade  die  individuellen  Züge  zu  erfassen, 
die  erstere  sieht  von  diesen  ab  und  sucht  das  Gemeinsame.  Die 
Aufgabe  der  geographischen  Morphologie  ist  die  Klassifi- 
zierung der  Oberflächenformen  auf  genetischer  Grundlage. 
Aber  dies  ist  ein  ideales  Ziel,  dessen  Erreichung  wir  einer  fernen 
Zukunft  überlassen  müssen.  So  groß  ist  noch  die  Lückenhaftigkeit 
unserer  geographischen  und  mehr  noch  unserer  geologischen  Kennt- 
nis, daß  wir  uns  mit  der  Aufstellung  von  Typen  begnügen  müssen. 
Die  Morphologie  betrachtet  1.  die  Landmassen  als  Einzelwesen 

28* 


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436 


Morphologie  des  Landes. 


in  ihren  Beziehungen  zu  einander  und  zum  Meere  (Kontinente,  Kon- 
tinentalinseln, ursprüngliche  Inseln;  Küstengliederung),  2.  die  Land- 
massen als  Komplexe  verschiedener  Oberflächenformen.  Methodisch 
empfiehlt  es  sich,  den  zweiten  Abschnitt  zuerst  zu  behandeln. 

Orographisches  System.  Die  Reliefformen  des  Landes  lassen 
sich  nach  drei  Gesichtspunkten  einteilen,  nach  der  äußeren  Er- 
scheinung, nach  der  Höhenlage  und  nach  der  Entstehungsweise. 
Wenn  wir  auch  den  letzteren  Gesichtspunkt  jetzt  obenan  stellen,  so  muß 
man  doch  daran  festhalten,  daß  jedes  dieser  Systeme  seine  Berech- 
tigung hat,  und  daß  es  der  Übersicht  dienlicher  ist,  sie  nebenein- 
ander zu  stellen,  als  eines  in  das  andere  einzuschachteln. 

Die  orographischen  Grundbegriffe  sind  Ebenheit  und  Uneben- 
heit; sie  beziehen  sich  auf  das  Maß  der  Niveauunterschiede  benach- 
barter Punkte.  In  ihrer  räumlichen  Anordnung  gewahren  wir  eine 
große  Mannigfaltigkeit:  bald  beherrschen  sie  als  Flach-  oder  Ge- 
birgsland  ausgedehnte  Erdräume,  bald  durchdringen  sie  sich  gegen- 
seitig, indem  hier  ein  Berg  oder  ein  auch  äußerlich  scharf  indivi- 
dualisiertes Gebirge  sich  aus  der  Ebene,  wenn  auch  nicht  immer 
mit  einem  ganz  deutlichen  Fuße  erhebt,  dort  eine  Ebene  als  Land - 
senke  von  Gebirgen  eingeschlossen  erscheint 

I.  Der  geographische  Begriff  der  Ebenheit  ist  bekanntlich  ein 
viel  weiterer  als  der  geometrische,  weil  Änderungen  des  Gefälles 
einen  gewissen,  aber  keineswegs  für  alle  Menschen  gleichen  Schwellen- 
wert erreichen  müssen,  um  von  dem  Auge  bemerkt  zu  werden.  Wo 
die  Fläche  langsam  ansteigt,  und  nach  der  anderen  Seite  sich  ebenso 
langsam  wieder  senkt,  so  daß  eine  Wasserscheide  entsteht,  da  sprechen 
wir  von  einer  Landschwelle. 

II.  Einen  viel  großem  Formenreichtum  zeigen  die  Uneben- 
heiten. Einzelerhebungen  nennt  man  Berge,  ausgedehntere  Er- 
hebungen Gebirge,  aber  der  Sprachgebrauch  schwankt  sehr  häutig 
und  es  wäre  vergebliche  Mühe,  wollte  man  ihn  durch  feste  Maße 
in  ein  künstliches  System  zwängen.  Nur  die  Gepflogenheit,  auch 
hervorragende  Punkte  innerhalb  eines  Gebirges  als  Berge  zu  be- 
zeichnen, wollen  wir  aus  der  Sprache  des  Geographen  verbannen. 

Man  kann  folgende  orographische  Kategorien  unterscheiden: 

1.  Kammgebirge  zeichnen  sich  durch  deutliche  Längser- 
streckung  und  eine  scharf  ausgesprochene  Kammlinie  aus,  sie  ent- 
behren jedoch,  im  Gegensätze  zum  Kettengebirge,  einer  reichlicheren 
Gliederung  durch  Längsthäler.  Unter  den  Einzelerhebungen  ent- 
sprechen ihnen  die  Kegelberge. 

2.  Linearer  entwickelt  ist  auch  das  Rückengebirge,  aber  statt 


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Übersicht. 


437 


eines  scharfen  Kammes  krönt  es  ein  breiter  Rücken.  Einen  gleichen 
Gegensatz  bildet  der  Kuppen berg  zum  Kegelberge. 

3.  Das  Plateaugebirge  * hat  eine  breite,  wenigstens  in  ein- 
zelnen Teilen  ebene  Oberfläche.  Unter  den  Einzelerhebungen  kann 
ihm  der  Tafelberg  zur  Seite  gestellt  werden,  aber  eine  scharfe 
Grenze  läßt  sich  nicht  ziehen,  weil  auch  bei  Plateaugebirgen  häufig 
die  Ausdehnung  nach  der  einen  Horizontaldimension  nicht  erheblich 
Ton  der  nach  der  anderen  abweicht. 

4.  An  Massengebirge  oder  Massive  stellen  wir  nur  die 
Forderung,  daß  Breite  und  Länge  nahezu  gleich  seien,  die  Gestaltung 
der  höchsten  Teile  kann  aber  sehr  verschieden  sein.  Das  Otzthaler 
Alpenmassiv  besteht  z.  B.  aus  Kämmen,  in  anderen  ist  die  Ober- 
fläche wellig,  und  nur  dort,  wo  sie  vorherrschend  eben  ist,  werden 
wir  die  Bezeichnung  Massiv  besser  mit  der  des  Plateaugebirges  ver- 
tauschen. 

5.  Kettengebirge  bestehen  zwar  vorwiegend  aus  einer  An- 
einanderreihung mehr  oder  weniger  paralleler  Kammgebirge,  die 
durch  Längsthäler  getrennt  sind,  aber  sie  können  auch,  wie  die 
Alpen,  Massive  und  Plateaugebirge  enthalten,  doch  zeigen  auch 
diese  eine  deutliche  Anordnung  in  der  Längsrichtung  des  ganzen 
Gebirges. 

6.  Unregelmäßige  Anhäufungen  von  Bergen  bilden  ein  Berg- 
land, und  je  nach  der  Form  derselben  kann  man  Kuppen-  und 
Tafelgebirge  unterscheiden. 

7.  Geht  eine  Fläche  mit  scharfer  Biegung  in  eine  andere,  tiefer 
liegende  über,  so  entsteht  eine  Landstufe,  die  im  gewöhnlichen 
Sprachgebrauche  häufig  als  Gebirge  bezeichnet  wird  und  daher  hier 
nicht  übergangen  werden  darf. 

Hypsometrische  Systeme.  Dem  Systeme  der  absoluten  Höhe 
liegt  der  Gedanke  zu  Grunde,  daß  die  Temperatur  mit  der  Höhe 
abnimmt  und  damit  die  Lebensbedingungen  der  Organismen,  wie  das 
Wesen  und  Maß  der  zerstörenden  Kräfte  sich  ändern.  In  der  Wahl 
der  Grenzisohypsen  ist  natürlich  ein  weiter  Spielraum  offen  gelassen, 
denn  selten  bezeichnet  eine  bestimmte  Höhenlinie  auch  einen  Wechsel 
der  Oberflächenform.  Ob  wir  die  Grenze  zwischen  Nieder-  und 
Mittelgebirge  bei  600  m,  zwischen  Mittel-  und  Hochgebirge  bei 
1300  m ansetzen,  oder  bei  irgend  einer  anderen  Seehöhe,  ist  in  der 
Natur  nicht  begründet.  In  letzter  Linie  sind  diese  Einteilungen 


x v.  Richthofen  sprach  sich  gegen  die  Beibehaltung  des  Ausdruckes 
Plateau  aus.  Dieser  ist  aber  so  sehr  eingebürgert,  daß  man  ihn  durch  einen 
Machtspruch  kaum  wird  entfernen  können. 


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438 


Morphologie  des  Landes. 


imr  unseren  europäischen  Verhältnissen  angepaßt,  aber  Seehöhen 
von  1000  m oder  2000  m haben  hier  eine  ganz  andere  Bedeutung 
als  im  polaren  oder  im  tropischen  Klima.  Trotzdem  möchten  wir 
die  Bezeichnungen  Mittel-  und  Hochgebirge  nicht  missen;  die  ge- 
rundeten Formen  des  ersteren,  die  zugespitzten  des  letzteren  sind 
natürliche  Unterschiede,  aber  nicht  die  Seehöhe  ist  dafür  maßgebend, 
sondern  der  Abstand  der  beiden  wirklichen  Denudationsniveaus,  der 
Unterschied  zwischen  Gipfel  - und  Thalhöhe.  An  die  Stelle  des 
Systems  der  absoluten  Höhen  wollen  wir  daher  mit  Penck  ein 
solches  der  relativen  Höhen  setzen;  die  Grenze  von  Mittel-  und 
Hochgebirge  mag  um  den  Höhenunterschied  von  etwa  1000  m 
schwanken,  denn  auch  sie  variiert  mit  dem  Klima. 

Dagegen  hat  sich  von  den  absoluten  Werten  die  Seehöhe 
von  200  m-  als  Grenze  zwischen  Tief-  und  Hochland  allgemein 
eingebürgert.  Der  Grund  liegt  darin,  daß  Uber  ’/3  der  gesamten 
Handfläche  unter  200  m liegt,  und  diese  Höhenstufe  selbst  auf  kleinen 
Karten  deutlich  zur  Geltung  kommt.  Selbstverständlich  ist  das  Tief- 
land vorwiegend  Flachland;  viele  Flachländer  steigen  aber  ganz  un- 
merkbar in  beträchtliche  Seehöhen  empor,  wie  z.  B.  die  nordameri- 
kanischen Prärien  im  39.  Parallel  von  30  bis  über  2000  m,  ohne 
daß  sich  irgendwo  ein  Gefällsbruch  bemerkbar  machte  oder  der  Ab- 
stand zwischen  zwei  Isohypsen  auf  Gannetts  schöner  Relief  Map  (1892) 
irgendwo  einem  größeren  Böschungswinkel  als  0°  16' entspräche.  Solch 
ein  geographisches  Individuum  in  eine  bestimmte  Kategorie  des 
absoluten  Höhensystems  einzureihen,  ist  natürlich  unmöglich.  Das- 
selbe gilt  übrigens  auch  vom  relativen  System  Pencks,  soweit  es 
das  Flachland  betrifft.  Er  unterscheidet  1.  Ebenen  mit  seichten 
Flußeinschnitten,  2.  Platten  mit  Thälern  unter  200  m Tiefe, 
3.  Tafelländer  mit  tieferen  Thälern.  Es  liegt  auf  der  Hand,  daß 
Tafelländer  in  Platten,  Platten  in  Ebenen  übergehen  können.  Der 
Verengerung  des  Begriffes  Ebene  ist  nur  zuzustimmen , aber  die 
Grenze  zwischen  Platte  und  Tafelland  ist  ganz  willkürlich  gewählt 
Außerdem  drücken  die  Namen  Platte  und  Tafel  keineswegs  eine 
Zerschnittenheit  des  Geländes  aus,  sie  sind  im  Gegenteil  konzen- 
trierte Namen  für  ebenes  Land,  ganz  abgesehen  davon,  daß  Tafelland 
in  der  modernen  Geologie  einen  ganz  bestimmten  Begriff  bezeichnet. 

Hypsometrie.  Wenn  auch  hypsometrischen  Systemen  eine 
gewisse  Willkürlichkeit  anhaftet,  so  ist  doch  die  Höheumessung 
eine  der  unentbehrlichsten  Grundlagen  der  geographischen  Erkennt- 
nis, ebenso  unentbehrlich,  wie  die  Bestimmung  der  räumlichen  Lage 
durch  Breite  und  Länge. 

Es  giebt  drei  Methoden  der  Höhenmessung:  die  nivellitische, 


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Übersicht. 


489 


trigonometrische  und  barometrische.  Diese  Reihenfolge  entspricht 
auch  ihrer  Rangordnung  in  Bezug  auf  die  Genauigkeit.2 

Bei  dem  Nivellement  wird  der  Höhenunterschied  benachbarter 
Punkte  durch  horizontales  Zielen  nach  senkrechten  Maßstäben  (Latten) 
bestimmt.  Die  letzteren  sind  2 — 4 m lange,  geteilte  Stäbe  (o  in 
Fig.  139);  das  Nivellierinstrument  (b  in  Fig.  139)  besteht  aus  einer 
Libelle  und  einem  Fernrohr,  deren  Achsen 
unter  sich  parallel  und  beim  Gebrauche  hori- 
zontal sind.  Eine  besondere  Berücksichtigung 
der  Erdkrümmung  ist  unnötig,  weil  sich  ihr 
die  Ziellinien  an  und  für  sich  als  Tangenten  Fjg  13g>  Nivellement_ 
anschmiegen.  Diese  genaueste  hypsometrische 
Methode  ist,  wenn  sie  sich  über  größere  Räume  erstrecken  soll, 
äußerst  zeitraubend  und  kostspielig,  daher  sie  auch  nur  in  Kultur- 
ländern zur  Anwendung  kommen  kann. x 

Trigonometrisch  mißt  man  Höhen  mittels  des  Theodoliten, 
eines  Instrumentes,  das  sich  ebenso  zur  Bestimmung  von  Horizontal- 
wie  von  Höhenwinkeln  eignet,  und  daher  in  der  wissenschaftlichen 
Ausrüstung  eines  Forschungsreisenden  eine  wichtige  Rolle  spielt 
Haben  wir  die  Höhe  des  Berges  D (in  Fig.  140),  die  durch  die 
Vertikale  DC  repräsentiert  wird,  zu  messen,  so  genügt  es  nach  den 
Gesetzen  der  Trigonometrie  eine  Basis  (AB)  auf  ebenem  Boden  und 
von  den  beiden  Endpunkten  derselben  die  Höhenwinkel  a und  ß zu 
messen.  * x Dabei  macht 
man  allerdings  die  Voraus- 
setzung, daß  die  Linien  AB, 

AD  und  BD  Gerade  sind, 
und  dies  trifft  ja  in  Wirk- 
lichkeit nicht  zu.  AB  wird 
durch  die  Erdkrümmung, 

AD  Und  BD  werden  durch  Fig  140.  Trigonometrische  Höhenmessung, 
die  Strahlenbrechung  ge- 
bogen, und  namentlich  die  letztere  ist  eine  nicht  zu  unterschätzende 
Fehlerquelle  für  die  trigonometrische  Höhenmessung.  Begnügt  man 
sich  mit  Höhenzahlen,  die  noch  in  ihren  Einheiten  (in  Meter)  richtig 
sind,  so  kann  man  den  Einfluß  von  Erdkrümmung  und  Refraktion 
vernachlässigen,  solange  die  Entfernung  von  der  Höhenlinie  (AG 
in  Fig.  140)  5 km  nicht  übersteigt. 

x Vgl.  dazu  S.  21 X. 

x x Die  Höhe  C D ist  dann  = A B ^ • 

sin  (p  — a) 


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440 


Morphologie  des  Landes. 


Die  barometrische  Höhenmessung  gründet  sich  auf  das  Ge- 
setz, daß  der  Luftdruck  in  geometrischer  Progression  mit  der  Höhe 
abnimmt.  Ist  in  einer  bestimmten  Zeit  der  Barometerstand  und 
die  Temperatur  an  der  unteren  Station  B und  T und  an  der  oberen 
b und  t,  so  ist  nach  Rühlmann  die  Höhendifferenz  (in  m) 

= 18400  | l,ooi57  + 0,oo367  — log-®- 

Allein  diese  Formel  hat  einen  Mangel.  Sie  setzt  fälschlich  voraus,  daß  die 
mittlere  Temperatur  der  Luftsäule  zwischen  beiden  Stationen  gleich 

ist  — - — . Daher  liefern  die  Barometerablesungen  zu  verschiedenen 

Tages-  und  Jahreszeiten  bald  zu  hohe,  bald  zu  niedere  Werte, 
und  nur  die  Jahresmittel  der  meteorologischen  Beobachtungen 
geben  Höhen,  welche  sich  von  den  wahren  Werten  nur  wenig  ent- 
fernen. Es  ist  klar,  daß  Höhenbestimmungen  auf  Grund  von  einigen 
wenigen,  ja  oft  nur  von  einer  einzigen  Ablesung  sehr  unsicher  sein 
müssen,  besonders  dann,  wenn  die  Beobachtungen  an  beiden  Stationen 
nicht  gleichzeitig  erfolgten,  oder  wenn  die  Seehöhe  der  unteren 
Station  nicht  völlig  sichergestellt  ist.  Noch  zweifelhafter  wird  das 
Resultat,  wenn  das  Meeresniveau  als  untere  Station  angenommen 
wird,  für  die  man  nach  den  Isobaren-  und  Isothermenkarten  nur 
ganz  vage  Werte  einsetzen  kann.  Trotzdem  sind  weitaus  die  meisten 
Höhenmessungen  in  unzivilisierten  Ländern  mittels  des  Barometers 
gemacht  worden,  besonders  seitdem  wir  im  Anerold,  das  den 
Luftdruck  durch  die  Federkraft  einer  metallenen  luftleeren  Büchse 
anzeigt,  ein  außerordentlich  bequemes  Instrument  besitzen.  x Leider 
reicht  der  Grad  seiner  Zuverlässigkeit  bei  weitem  nicht  an  die  des 
Quecksilberbarometers  heran,  und  eignet  sich  letzteres  wegen  seiner 
Zerbrechlichkeit  wenig  zur  Mitnahme  auf  Reisen.  Eine  gute  Kon- 
trolle bieten  die  neuen  Kochthermometer  aus  Jenaer  Glas,  die 
in  ihren  Angaben  konstanter  sind  als  die  Anerolde.3  Auch  dieses 
Instrument  dient  zur  barometrischen  Höhenmessung  und  beruht 
darauf,  daß  der  Siedepunkt  mit  abnehmendem  Luftdrucke  herabrückt; 
so  befindet  er  sich  z.  B.  bei  einem  Barometerstände  von  760  mm  bei 
100°,  von  700  mm  bei  97,7°,  von  600  mm  bei  93,6°. 

Im  allgemeinen  ist  das  Urteil  berechtigt,  daß  unsere  Kenntnisse 
von  den  Höhenverhältnissen  nicht  bloß  sehr  lückenhaft,  sondern  auch 
sehr  unsicher  sind.  Indes  ist  ein  kräftiger  Fortschritt  nach  beiden 
Richtungen  unverkennbar. 

Orometrie.4  Wir  haben  schon  an  früherer  Stelle  der  Versuche 
gedacht,  die  mittlere  Höhe  bezw.  Tiefe  größerer  Erdräume  zu  be- 

* Das  Aneroid  oder  Federbarometer  wurde  1847  von  Viti  erfunden. 


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I Ibersicht. 


441 


rechnen,  Versuche,  die  bis  auf  Laplace  zurückreichen,  aber  erst 
unter  der  Meisterhand  Humboldts  eine  greifbare  Gestalt  annahmen. 
Aus  dieser  Volumenberechnung  entwickelte  sich  die  Orometrie, 
die  es  sich  zur  Aufgabe  stellt,  alle  charakteristischen  Formen-  und 
Größenverhältnisse  der  Gebirge  durch  Mittelwerte  zum  ziffermäßigen 
Ausdrucke  zu  bringen.  Was  man  bisher  mit  Worten  schilderte,  soll 
nun  mit  Zahlen  kurz,  prägnant  und  ohne  jeden  subjektiven  Bei- 
geschmack zur  Darstellung  gelangen,  v.  Sonklar  war  der  erste, 
der  dieses  Programm  in  ein  System  brachte,  indem  er  die  Begriffe 
der  mittleren  Kamm-,  Gipfel-  und  Sattelhöhe,  der  mittleren  Scliar- 
tung,  der  mittleren  Thal-  und  Sockelhöhe,  der  mittleren  Neigungs- 
winkel der  Thalböden  und  Gehänge  u.  s.  w.  feststellte.  Es  bedarf 
keiner  weitläufigen  Auseinandersetzung,  daß  wir  für  das  ver- 
gleichende Studium  der  Gebirge  aus  der  Orometrie  die  größte 
Belehrung  schöpfen  können,  aber  leider  steckt  dieser  Zweig  der 
geographischen  Forschung  noch  ganz  in  den  Kinderschuhen.  So- 
lange sich  noch  jeder  seine  Methode  selbst  zurechtschneidet,  können 
keine  streng  vergleichbaren  Werte  geliefert  werden.  Dazu 
kommt  noch,  daß  der  Orometer  ausschließlich  mit  Karten  arbeitet 
und  von  der  Zuverlässigkeit  derselben  in  seinen  Resultaten  ab- 
hängig ist. 

Genetisches  System.  Um  zu  einem  genetischen  System  zu  ge- 
langen, müssen  wir  den  entwicklungsgeschichtlichen  Weg  betreten; 
dieser  Aufgabe  sollen  die  nächsten  Abschnitte  gewidmet  sein.  Wir 
gehen  dabei  von  der  Wahrnehmung  aus,  daß  die  feste  Erdoberfläche 
im  wesentlichen  aus  zwei  tektonischen  Grundformen  besteht:  aus 
flach  gelagerten  und  aus  gefalteten  Schichten.  Die  erstere  bedingt 
Ebenheit,  die  letztere  Unebenheit.  Diese  beiden  Grundformen  können 
aber  Umwandlungen  erleiden,  einerseits  durch  Brüche  und  Massen- 
verschiebungen entlang  derselben,  anderseits  durch  die  überall  und 
zu  allen  Zeiten  wirkende  Destruktion;  und  unser  Hauptaugenmerk 
soll  darauf  gerichtet  sein,  möglichst  vollständige  Umwandlungsreihen 
herzustellen.  Eine  fremdartige  Zuthat  liefern  die  vulkanischen 
Ergüsse;  auch  sie  sind  Umwandlungsprozessen  unterworfen. 

Litteraturnachweise.  1 Hauptwerke  wie  für  die  Dynamik  a.  S.  278.  — 
’ Jordan,  Vermessungskunde,  Bd.  II,  1893.  — s Vgl.  v.  Danckklman,  in  d.  Ver- 
handlungen der  Berliner  Gesellschaft  f.  Erdkunde,  1888,  S.  594.  — * 1’euckf.r, 
Beitrüge  zur  orometrischen  Methodenlehre,  Breslau  1890,  woselbst  die  ziemlich 
ausgedehnte  Litteratur  übersichtlich  zusammengestellt  ist. 


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•442 


Morphologie  de»  Landes. 


Die  Oberfiächenformen  der  Flaehschichtung. 

Den  Ausdruck  Flachschichtung  haben  wir  gewählt,  weil 
völlig  horizontale  Lagerung  verhältnismäßig  selten  ist.  Selbst  dort, 
wo  man  eine  solche  voraussetzte,  hat  sich  häufig  bei  erweiterter 
Beobachtung  eine  leise  Neigung  nach  einer  bestimmten  Himmels- 
gegend herausgestellt.  Solange  diese  Neigung  aber  keinen  hoben 
Wert  erreicht,  erzeugt  die  Flachschichtung  als  Urform  stets 
Flachland. 

Das  Tafelland.  Wir  mögen  bezweifeln,  daß  es  irgend  eine 
Gegend  der  heutigen  Landoberfläche  giebt,  die  stets  flach  war,  aber 
wir  wissen  bestimmt,  daß  ausgedehnte  Räume  seit  langen  geologischen 
Perioden  Flachland  sind.  Das  sind  die  Tafelländer. 

ln  Rußland1  finden  wir,  wenn  wir  von  dem  Dwina-  und 
kaspischen  Gebiete  abseben,  oberflächlich  Ablagerungen  der  Eiszeit 
und  jenseits  ihrer  Grenzen  eine  mehrere  Meter  mächtige  Schicht 
von  Schwarzerde  (vgl.  S.  415).  Aber  nicht  sie  sind  es,  denen 

Rußland  seinen  orographischen  Charakter  verdankt.  Vom  Silur 
an  ruhen  alle  Formationen  flach  auf  granitischer  Unterlage,  die 
in  St.  Petersburg  und  südwestlich  von  Nowopawlowsk  im  Gouverne- 
ment Woronesch  erbohrt  wurde  und  im  südlichen  Rußland  in  den 
Flußthälern  wieder  zu  Tage  tritt.  Zwar  fehlen  Störungen  nicht 
ganz,  aber  sie  sind  unbedeutend  und  örtlich  beschränkt.  Endlos 
breitet  sich  die  Fläche  aus,  nur  unmerkliche  Erhebungen  scheiden 
die  Gewässer,  selbst  die  Waldaihöhe  bringt  geringe  Abwechselung 
in  das  einförmige  Bild;  kein  Punkt  im  Innern  überschreitet  die 
Seehöhe  von  425  m.  Nur  im  Kohlengebiete  am  Donez  sind  die 
karbonischen  Schiefer,  Sandsteine  und  Kalksteine  in  steilere  Falten 
gelegt,  aber  horizontale  Kreide-  und  Tertiärschichten  verhüllen  dieses 
unterirdische  Gebirge,  wenn  auch  nicht  bis  zu  völliger  Unkenntlich- 
keit, indem  die  Sättel  der  Karbonfalten  als  geradlinige,  niedere  Vor- 
sprünge oder  Leisten  an  der  Oberfläche  sich  bemerkbar  machen  und 
dieser  einen  flach-welligen  Charakter  verleihen. 

Zu  den  ausgedehntesten  Tafelländern  gehört  die  Wüstenplatte 
der  alten  Welt.  Soweit  die  Sahara2  nicht  von  modernen  Ablagerungen 
verdeckt  ist,  und  abgesehen  von  den  Durchbrüchen  der  altkrystallinischen 
Unterlage,  besteht  sie  zum  großen  Teil  aus  paläozoischen  Schichten, 
dann  im  Osten  aus  Kubischem  Sandstein,  in  der  Mitte  aus  Gebilden 
der  mittleren  und  oberen  Kreide,  und  nur  im  Nordosten  aus  tertiären 
Ablagerungen.  Aber  so  verschiedene  Niveauveränderungen  sie  auch 
erlitten  hat,  die  flache  Lagerung  der  Sedimente  wurde  dadurch 


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Die  Oberflächenformell  der  Flachseliichtiinp.  448 

nicht  erheblich  gestört.  Die  saharische  Tafel  setzt  sich  nach  Arabien 
fort,  wo  eine  gewaltige  Sandsteindecke  Granit  und  alte  Eruptiv- 
gesteine verhüllt.3  Auch  sonst  ist  in  Afrika  die  Tafellagerung 
weit  verbreitet,  unzählig  sind  die  Schollen  horizontaler  Sandsteine, 
die  wahrscheinlich  der  jüngeren  Primär-  und  älteren  Sekundär- 
periode angehören.  Das  Innere  von  Australien  darf  ebenfalls  als 
Tafelland  bezeichnet  werden.  In  Nordamerika  breitet  sich  von 
den  Alleghanies  bis  über  den  Mississippi  eine  paläozoische  Tafel  aus, 
und  daran  schließt  sich  im  Westen  bis  zum  Eelsengebirge  die  schräge 
Kreidetafel  der  Prärien.  Südamerika  hat  seine  brasilianische  Tafel, 
die  sich  allerdings  auch  mit  Strichen  von  wesentlich  anderem  Cha- 
rakter zu  einer  orographisehen  Einheit  verbindet,  wie  wir  an  einer 
späteren  Stelle  ausführlicher  zu  erörtern  haben  werden. 

Die  wesentliche  Eigenschaft  des  Tafellandes  ist  seine  Zusammen- 
setzung aus  festem  Schichtgestein  höheren  Alters.  Daß  sein  oro- 
graphischer  Charakter  nur  durch  die  Lagerungsverhältnisse  bedingt  ist, 
zeigt  sich  am  deutlichsten  dort,  wo  es  an  ein  Gebirge  von  gleicher  geo- 
gnostischer  Zusammensetzung  grenzt,  und  die  bisher  Hach  gelagerten 
Schichten  sich  nun  in  die  Höhe  richten.  Soweit  sich  die  Tafelländer  aus 
Sedimentgestein  auf  bauen,  in  denen  wohl  auch  manchmal  Eruptiv- 
massen »ingelagert  sind,  können  wir  sie  auch  ursprüngliche  Ebenen 
nennen  und  stellen  sie  jenen  Flachländern  entgegen,  die  mit 
lockerer  Aufschüttung  jugendliche  Störungsgebiete  verhüllen  und  die 
wir  als  aufgesetzte  Ebenen  bezeichnen  können.  Nur  jene  aus- 
gedehnten Lavadecken,  wie  wir  sie  am  Columbia  und  Snake  Kiver 
im  Westen  der  Vereinigten  Staaten  und  im  nordwestlichen  Dekan 
finden,  machen  davon  eine  Ausnahme.  Der  sog.  Dekantrapp  be- 
deckt eine  Fläche  von  mehr  als  400000  qkm  und  erreicht  stellen- 
weise eine  Mächtigkeit  von  1800  m.  Der  Untergrund  ist  uneben, 
alte  Thäler  von  mehr  als  300  m Tiefe  sind  mit  Lava  ausgefüllt 
Die  Schichtung  ist  horizontal,  die  feste  Gesteinsbeschaft’enheit  macht 
das  Trappplateau  zu  einem  echten  Tafellande,  seine  Oberfläche  zeigt 
alle  charakteristischen  Eigenschaften  eines  solchen,  und  trotzdem 
müssen  wir  es  zu  den  aufgesetzten  Ebenen  rechnen.  Man  hat  diese 
Flachländer  Übergußtafeln  im  Gegensätze  zu  den  Schichtungs- 
tafeln genannt 

Ausgefullte  Landsenken.  Sie  sind  ohne  Ausnahme  jugendliche 
Oberflächenformen,  die  ältesten  reichen  in  das  Tertiär  zurück.  Ihrer 
Umgebung  gegenüber  verhalten  sie  sich  meist  völlig  fremd,  wenn  sie 
auch  hier  und  da  durch  den  fortschreitenden  Faltungsprozeß  in  die 
Gebirgsbildung  einbezogen  und  dadurch  verfestigt  wurden. 

Man  hat  zwischen  Anschwemmungsflächen  und  äolischen 


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444 


Morphologie  des  Landes. 


Aufschüttungen  zu  unterscheiden.  Die  oberrheinische  Tief- 
ebene4 ist  eine  der  ausgezeichnetsten  Typen  eines  Grabenbruches. 
Die  große  mesozoische  Tafel,  die  einst  von  Schwaben  bis  nach  Loth- 
ringen reichte,  sank  hier  am  tiefsten  ein,  undderGraben  wurde  in  der 
mitteloligoeänen  Zeit  vom  Meere,  im  Miocän  und  Pliocän  von  einem 
Süßwassersee  eingenommen  und  mit  deren  Ablagerungen  ausgefüllt, 
dann  im  Diluvium  vom  Rhein  erobert,  der  seine  Schotter  und  Sande 
darüber  ausbreitete.  Die  Donau  ebenen  bauten  sich  seit  dem 
jüngeren  Tertiär  über  gewaltigen  Kesseleinbrüchen  auf.  Bohrungen 
in  der  niederungarischen  Ebene  haben  die  lehrreichsten  Ergebnisse 
geliefert.  Westlich  von  Altofen  erhebt  sich  der  Dreihotterberg  etwas 
über  -400  m über  das  Meeresniveau,  aus  dem  ältesten  Gestein  in 
dieser  Gegend,  dem  triassiscben  Hauptdolomit  bestehend.  Ihm  lagert 
sich  im  Osten  oligocäner  Mergel  an,  der  sich  von  200  bis  100  m 
Seehöhe  senkt  und  dann  unter  der  Donau  verschwindet  Auf  der 
Magareteninsel  fand  man  ihn  unter  der  alluvialen  Decke  wieder 
und  verfolgte  ihn  bis  19  m unter  den  Meeresspiegel.  Nur  2,8  km  da- 
von entfernt,  im  Stadtwäldchen,  durchfuhr  der  Bohrer  zunächst 
jüngere  Tertiärschichten,  erreichte  erst  in  ca.  450  m Meerestiefe  das 
Oligocän  und  in  700  m den  Dolomit  des  Dreihotterberges.6  Das 
ergiebt  auf  eine  Entfernung  von  7 km  eine  Niveaudifferenz  von 
1100  m!  Auf  den  neogenen  Rand  folgen  nach  dem  Innern  des 
Alfold  zu  diluviale  Ablagerungen,  überdeckt  mit  Löß-  und  Flugsand 
und  durchfurcht  von  alluvialen  Flußniederungen.  Nahezu  in  der 
Mitte  des  Beckens,  in  Szentes  an  der  Theiß,  wurde  ein  314  m tiefer 
artesischer  Brunnen  gegraben,  der  bis  97  m unter  dem  Meeres- 
spiegel diluviale  Sande  und  Thone  mit  Süßwasserconchylien  durch- 
bohrte und  dann  erst  das  Tertiär  erreichte.®  Vergleichen  wir  diese 
beiden  Bohrungen,  so  können  wir  sagen,  daß  Niveauunterschiede 
von  reichlich  200  m durch  junge  Anschwemmungen  bis  auf  wenige 
Meter  ausgeglichen  wurden.  Indes  läßt  sich  vermuten,  daß  Senkung 
und  Ausfüllung  nicht  zwei  zeitlich  getrennte  Akte  waren,  sondern 
daß  beide  Prozesse  wenigstens  bis  zu  einem  gewissen  Grade  Schritt 
mit  einander  hielten.  Für  einige  aus  Flußalluvionen  bestehende 
Ebenen  ist  dies  durch  Bohrungen  nachgewiesen:  so  wurde  neuer- 
dings bei  Portovecchio  in  der  Poebeue  in  215  m,7  bei  Luckuow 
in  der  Gangesniederung  in  284  in  unter  dem  Meeresniveau  der 
Untergrund  der  modernen  Anschwemmung  nicht  erreicht,®  wenn 
man  ihm  auch  im  letzteren  Falle  schon  ziemlich  nahe  gekommen  zu 
sein  scheint.  Es  unterliegt  natürlich  keinem  Zweifel,  daß,  als  jeneTief- 
aUuvionen  abgelagert  wurden,  der  Boden  wie  heute  über  dem  Meeres- 
spiegel sich  befand.  Erderschütterungen  in  jungen  Schwemmgebieten 


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Die  Oberflächenformen  der  Flachschichtung. 


445 


weisen  übrigens  darauf  hin,  daß  die  Senkung  auch  jetzt  noch  fort- 
dauert. 

Ausgefüllte  Seebeckeu,  die  einen  unebenen  Untergrund  verhüllen, 
sind  außerordentlich  häutig  und  ebenso  verschieden  in  Bezug  auf  Aus- 
dehnung, wie  auf  Seehöhe.  Dem  rheinischen  und  den  Donaubecken, 
die  dem  Tieflande  angehören,  können  wir  die  ca-stilianischen  oder 
die  Hochflächen  der  Anden  gegenüberstellen.  Sie  sind  insgesamt 
Landsenken,  aber  es  giebt  daneben  auch  Landsenken,  die  duroh 
Steppengebilde  ausgefüllt  sind.  Ihre  Verbreitung  ist  an  klima- 
tische Grenzen  gebunden:  nur  dort  kommen  sie  vor,  wo  die 
geologische  Kraft  des  Windes  zur  unumschränkten  Herrschaft  ge- 
langt, d.  h.  in  trockenen  Gegenden,  oder  in  solchen,  die  früher 
regenärmer  waren,  als  jetzt  (vgl.  S.  413).  Eigentümlich  ist  ihnen 
die  Beckenform.  v.  Richthofen9  schildert  die  Lößmulden  des  nörd- 
lichen Teiles  der  chinesischen  Provinzen  Tschili  und  Schansi  in 
folgender  Weise:  „Fast  eine  jede  der  großen  Einsenkungen,  wenn 


Fig.  141.  Querschnitt  der  Lößbecken  ain  Südfuße  des  Wu-tai-schan  nach  v.  Richt- 
HOFEN.  Länge  zur  Höhe  =1:8. 
a festes  Gebirge,  b Löß,  c See- Ablagerungen. 


wir  sie  von  einer  Höhe  überblicken,  hat  die  Gestalt  eines  Steppen- 
beckens, indem  eine  Vertikalehene  die  Oberfläche  in  einer  Kurve 
von  der  Form  eines  zwischen  den  beiden  Gehängen  schlaff  ge- 
spannten Seiles  durchschneiden  würde  (s.  2 und  3 in  Fig.  141). 
Der  Höhenunterschied  zwischen  den  Rändern  und  der  Mitte  beträgt 
oft  mehrere  tausend  Fuß;  aber  die  Abdachung  ist  so  allmählich, 
daß  das  Auge  sich  keine  Vorstellung  von  der  Größe  dieser  Diffe- 
renzen machen  kann.  Zunächst  den  Gehängen  ist  der  Neigungswinkel 
am  größten;  gegen  die  Mitte  hin  nimmt  er  immer  langsamer  ab, 
bis  sich  der  diesseitige  mit  dem  jenseitigen  Abfall  in  einer  Ebene 
begegnet.  Der  obere  Muldenrand  geht  bald  unmittebar  durch  An- 
häufungen von  eckigem  Schutt  in  den  aus  festem  Gestein  bestehenden 
trennenden  Gebirgsrücken  über,  bald  lehnt  er  sich  an  Felswände, 
welche  noch  hoch  darüber  aufragen.  . . . Neben  diesen  normalen 
Formen  treten  auch  einseitige  Lößmulden  (1,  4 und  5 in  Fig.  141) 


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446 


Morphologie  des  Landes. 


auf,  bei  denen  die  lange,  geschwungene  Abdachung  sich  nur  von 
einer  Flanke  herabzieht,  und  wo  von  dem  tiefsten  Teile  derselben 
entweder  eine  durch  Seeausfüllung  entstandene,  beinahe  vollkommene 
Ebene  bis  an  das  jenseitige  Gehänge  hinanreicht,  oder  eine  schmale 
Lößaufschüttung  den  zweiten  Muldenflügel  gewissermaßen  nur  an- 
dentet.  In  allen  solchen  Fällen,  soweit  ich  deren  beobachtet  habe, 
ruht  der  ausgebildete  Muldenflügel  auf  einer  im  Durchschnitt  sanft 
geneigten  Fläche  des  unterliegenden  Gesteins,  während  der  rudi- 
mentäre Teil,  oder  der  ebene  Boden,  an  eine  steile  und  im  Ver- 
hältnis sehr  hohe  Felswand  grenzt.“  Solche  Lößländer  sind  in  China 
die  Provinzen  Schansi,  Nord-Tschili  und  Honan,  aber  noch  allge- 
meiner ist  der  Löß  in  Schensi  und  Kansu,  wo  er  den  eigentlichen 
Boden  bildet  und  ihm  Form  und  Farbe  giebt.  Eine  Fläche  von 
der  Größe  des  Deutschen  Reiches  trägt  hier  eine  fast  kontinuierliche 
Lößdecke.  Wir  müssen  indes  die  Frage  offen  lassen,  ob  es  Flächen 
giebt,  die  ausschließlich  äolischer  Aufschüttung  ihre  Entstehung 
verdanken,  wenn  wir  auch  nicht  daran  zweifeln,  daß  der  windbewegte 
Staub  in  trockenen  Gegenden  Mächtigkeit  genug  besitzt,  um  sich 
an  der  Gestaltung  von  Geländeformen  zu  beteiligen.  Am  wenigsten 
wäre  solcher  Zweifel  in  Bezug  auf  die  ausgedehnten  Hochflächen 
Zentralasiens  berechtigt  Doch  bezeichnet  Griesbach10  Tibet  als 
ein  Faltenland,  dessen  breite  Mulden  mit  jung-  und  nachtertiären 
Seenablagerungen  (im  Hundös-Plateau  über  600  m mächtig)  aus- 
gefüllt sind;  und  vom  Tarimbecken  und  der  Wüste  Gobi  wissen  wir, 
daß  hier  seit  dem  Ende  der  Kreideperiode  ein  Meer  flutete,  das 
durch  die  Dsungarei  mit  dem  aral-kaspischen  Meere  in  Verbindung 
stand  und  dann,  als  das  Klima  immer  trockener  wurde,  der  Ver- 
dunstung anheimfiel.  Hier  bilden  also  marine  Sedimente  die  Unter- 
lage, Uber  die  sich  atmosphärische  Ablagerungen  ausbreiten.  Auch  in 
den  viele  Kilometer  breiten  Flachmulden  des  westlichen  Hochlandes 
von  Nordamerika  sind  Seengebilde  nachweisbar. 

Peripherische  Plachböden  jugendlichen  Alters.  Wir  haben  bis- 
her nur  die  aufgesetzten  Ebenen  innerhalb  der  Festländer  in  den 
Kreis  unserer  Betrachtung  gezogen,  und  es  entsteht  nun  die  Frage, 
ob  jene  jugendlichen  Flachlaudsgebilde,  die  an  das  Meer  grenzen, 
auf  gleiche  Vorgänge  sich  zurückführen  lassen.  Wir  antworten: 
ohne  Zweifel  in  einzelnen  Fällen,  wo  solche  Ebenen  buchtenformig 
in  das  Festland  eindringen.  Ein  solches  Senkungsfeld  ist  der  alte 
Po-Golf,  den  Alpen-  und  Apenninenflüsse  mit  ihren  Geröllmassen 
ausfüllten  und  noch  ausfüllen.  Was  nördlich  der  Linie  Pavia-Mantua- 
Verona-Udine  liegt,  ist  diluvial,  was  südlich  davon  liegt,  ist  alluvial. 
Das  chinesische  Tiefland  lehrte  uns  v.  Richthofen  als  Teil  eiues 


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Die  Oberfläehenformen  der  Flachschichtung.  447 

ausgedehnten  Einbruchkessels  kennen,  den  die  Anschwemmungen 
des  Hoangho  in  Land  verwandelten,  und  die  vorderindische 
Ebene,  die  von  Meer  zu  Meer  reicht,  ist  wohl  auch  nur  eine  konti- 
nentale Depression.  Selbst  das  deutsche  Tiefland  scheint  nur  ein 
verdecktes  Schollenland  zu  sein.  Paläozoisches  und  mesozoisches 
Grundgebirge  mit  gestörtem  Schichtenbau  tritt  noch  mehrfach  zu 
Tage,  Rügen  und  Helgoland  sind  ebenfalls  solche  stehengebliebene 
oder  gehobene  Schollen.  In  der  Tertiärzeit  nahm  das  Meer  von 
diesem  Senkungsfelde  Besitz,  seine  Ablagerungen  verwischten  die 
Höhenunterschiede,  wenn  auch  nicht  ganz,  weil  am  Ende  der  Miocäu- 
periode  wieder  neue  Störungen  eintraten.  Daraus  erklärt  es  sich, 
daß  selbst  nahe  bei  einander  liegende  Bohrungen  sehr  beträchtliche 
Niveauverschiedenheiten  des  tertiären  Untergrundes  verraten.  Im 
Weichbilde  Berlins  schwankt  — wie  man  aus  den  22  Messungen  in 
Wahnschaffes  Zusammenstellung11  entnehmen  kann  — die  Mächtig- 
keit der  Diluvialdecke  zwischen  34  und  126  m,  die  Seehöhe  der 
tertiären  Basis  zwischen  -j-  2 und  — 90  m,  die  Niveauunterschiede 
der  gegenwärtigen  Oberfläche  betragen  an  den  Bohrlöchern  aber  nur 
7 m.  So  sehr  hat  die  Eiszeit  mit  ihren  Ablagerungen,  die  sie  über 
den  Norden  Deutschlands  ausbreitete,  ausgleichend  gewirkt.  Aber 
eine  völlige  Ebene  ist  auch  dadurch  nicht  geschaffen  worden. 
Zwischen  einem  südlichen  Landrücken,  der  sich  von  der  schlesischen 
Platte  über  die  Niederlausitz,  den  Fläming  und  die  Lüneburger  Heide 
nach  Nordwest  erstreckt,  und  der  großen  baltischen  Seenplatte,  die 
zuerst  nach  Südwest  zieht  und  dann  ebenfalls  nach  Nordwest  um- 
biegt, liegt  eine  breite  von  Längsthälern  durchfurchte  Mulde,  und 
die  äußersten  Höhenunterschiede  betragen  noch  immer  ein  paar 
hundert  Meter, x wenn  auch  Schwellen  und  Mulde  sich  allmählich 
ineinander  verlieren.  Uber  die  Ursache  dieses  Bodenbaues  sind  ver- 
schiedene Ansichten  geäußert  worden,  aber  immer  deutlicher  scheint 
hervorzutreten , daß  sich  darin  unterirdische  Gebirgszüge  wider- 
spiegeln. 

Von  den  Gestaden  des  sibirischen  Eismeeres  zieht  das  Flach- 
land über  die  Obniederung  bis  in  das  Herz  des  asiatisch-europäischen 


* Höchste  Punkte 

Thftler  der  Mulden 

. 

Höchste  Punkte  der 

der  siidl.  I.andsehwelle 

mitte 

nördl.  Landsehwelle 

in 

m 

m 

Lüneburger  Heide 

110 

Hamburg  . . . 

3 

Holstein  . . . 

160 

Fläming  . . . 

200 

Berlin 

37 

Mecklenburg  . . 

180 

Niederlausitz  . . 

230  ' 

Küstrin  .... 

13 

Pommern  (Turm- 

Tamowitzer  Platte 

Bromberg  . . . 

37  1 

bergt  .... 

380 

(Mesozoisch) 

400 

Preußen  . . . 

310 

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448 


Morphologie  des  Landes. 


Kontinentes.  Aber  der  Lauf  der  Gewässer  zeigt  eine  Zweiteilung 
an.  Tobolsk  im  Obgebiete  liegt  109  m über  See,  die  wasserschei- 
dende Kirgisensteppe  steigt  über  300  m an,  auf  der  anderen  Seite 
liegt  der  Aralsee  48  über,  der  Kaspisee  26  m unter  dem  Spiegel  des 
Schwarzen  Meeres.  Das  junge  aral-kaspische  Tiefland  ist  also 
ohne  Zweifel  eine  Landsenke,  und  die  aus  altem  Gestein  bestehenden 
Gebirgszüge,  die  inselartig  aus  den  lockeren  Oberflächengebilden 
auftauchen,  machen  es  wahrscheinlich,  daß  es  eine  aufgesetzte  Ebene 
über  einem  Schollenlande  ist.  Ganze  Schwärme  solcher  Gebirgsinseln 
durchziehen  die  Kirgisensteppe ; wir  schließen  daraus,  daß  die  Wasser- 
scheide durch  eine  Erhebung  des  Untergrundes  vorgezeichnet  ist. 
Dagegen  fehlen  uns  Anhaltspunkte,  um  die  Verhältnisse  im  sibiri- 
schen Tief  lande  zu  beurteilen.  Der  nördliche  Teil  ist  wahrscheinlich 
erst  in  der  Quartärzeit  aus  dem  Meere  aufgetaucht,  gerade  so  wie 
N ordrußland  (Vgl.  289),  nur  können  wir  im  letztem  Falle  vermuten, 
daß  die  nachglaziale  Transgression  sich  nicht  wesentlich  von  den 
früheren  unterschied,  d.  h.  nur  eine  neue  Flachschicht  den  schon 
vorhandenen  hinzufügte.  Wir  wollen,  um  einen  neutralen  Aus- 
druck zu  wählen,  alle  diejenigen  jugendlichen  peripherischen  Flach- 
böden, die  durch  Anschwemmung  oder  marine  Strandverschiebung 
dem  Lande  zuwuchsen,  und  über  deren  Untergrund  wir  nicht  unter- 
richtet sind,  als  angefügte  Ebenen  bezeichnen.  Wir  finden  solche 
an  den  meisten  Küsten,  wenn  auch  oft  nur  auf  einen  schmalen 
Streifen  beschränkt.  Die  sanft  zum  Meere  sich  abdachenden  Ebenen, 
die  die  Vereinigten  Staaten  an  der  atlantischen  und  Golfseite  um- 
säumen, und  von  New  Jersey  bis  Georgia  von  50  auf  300  km  Breite 
anwachsen,  sind  ein  ausgezeichnetes  Beispiel  dieser  Kategorie.  Seit 
der  Kreideperiode  hat  hier  das  Land,  trotz  mannigfacher  Schwank- 
ungen, eine  stetige  Vergrößerung  erfahren.12  Nirgends  ist  die 
Form  der  Tieffläche  ausgedehnter  als  in  Südamerika;  sie  erreicht 
1 1 V2  Mill.  qkm  und  nimmt  */s  des  Kontinents  ein.  Aber  wenn 
auch  das  ganze  Flachland  zusammenhängt,  so  bildet  es  doch  keine 
genetische  Einheit.  Die  Llanos  des  Orinoco  sind  tertiäre  Meeres 
ablagerungen , die  in  jeder  Regenzeit  durch  neue  Flußanschwem- 
mungen erhöht  werden.  Die  Amazonas  - Ebene  scheint  nach 
den  bisherigen  geologischen  Untersuchungen  ein  fluviatiles  Auf- 
schüttungsgebiet zu  sein,  eine  kolossale  Deltabildung,  deren  Anfänge 
bis  in  die  Eocänperiode  zurückreichen.  In  der  argentinischen  Ebene 
lagert  unter  dem  ca.  1 m mächtigen  Alluvium  die  sogenannte  Pam- 
pasformatiou,  eine  Mergel-  oder  Lehmschicht  mit  Resten  von  Land- 
säugetieren, die  ihrem  ganzen  Charakter  nach  dem  Löß  entspricht 
Nach  Santiago  Roth13  wechseln  äolischer  Löß,  Flußlöß  und  See- 


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Die  Oberflächenformen  der  Flachschichtung. 


449 


rnergel  wiederholt  miteinander,  und  umfassen  diese  Bildungen,  die 
man  bisher  für  ausschließlich  quartär  hielt,  den  ganzen  Zeitraum 
vom  Diluvium  bis  in  das  früheste  Tertiär.  Marine  Ablagerungen 
unter  dem  Löß  wurden  nur  bei  Buenos  Aires  gefunden.  An  ver- 
schiedenen Stellen  tauchen  krystallinische  (iebirgsinseln  aus  den 
jüngeren  Schichten  empor;  möglich,  daß  auch  hier  ein  altes  Schollen- 
land begraben  liegt. 

Ergebnis,  Unsere  bisherigen  Erörterungen  ergeben  folgendes 
genetische  System  der  Flachländer: 

I.  Ursprüngliche  Ebenen  oder  Schichtungstafelländer 
(Hoch-  und  Tiefflächen). 

H.  Aufgesetzte  Ebenen: 

1.  Übergußtafeln. 

2.  Locker  geschichtete  Flächen. 

a)  Landsenken  (Hoch-  und  Tiefland). 

u)  Landsenken  im  Schollenlande, 
ß)  Landsenken  im  Faltenlande. 

b)  Peripherische  Tiefländer. 

or)  Buchtenländer, 
ß)  Angefügte  Ebenen. 

Natürlich  ist  dieses  System  noch  einer  weiteren  Gliederung 
fähig  — so  z.  B.  die  Kategorie  der  aufgesetzten  Ebenen  nach  der 
Art  der  Aufschüttung  — , aber  uns  kommt  es  nur  darauf  an,  einige 
Haupttypen  herauszugreifen  und  diese  systematisch  aneinander  zu 
reihen.  Einteilungen,  die  sich  zu  weit  in  Einzelheiten  verlieren, 
erschweren  die  Übersicht,  statt  sie  zu  erleichtern. 

Umformung  durch  Denudation.  Überall,  wo  das  fließende  Wasser 
größere  Kraft  erlangt,  wird  das  flachgeschichtete  Land  von  Thälern 
durchschnitten.  Die  Wasserkraft  hängt  bekanntlich  vom  Gefälle  und 
von  der  Wassermenge  ab;  Siebenbürgen  und  die  niederungarische 
Ebene  mögen  uns  den  Einfluß  des  erstgenannten  Faktors  vor  Augen 
führen.  Zwei  meridionale  Flüsse  durchziehen  Niederungam:  die 
Donau  senkt  sich  von  103  m (bei  Budapest)  auf  83  m (bei  Vukovar), 
die  Theiß  von  113  m (bei  Tokaj)  auf  79  m (bei  Semlin);  das  Gefälle 
ist  bei  beiden  ungefähr  das  gleiche:  1:12  000,  wenn  man  von  den 
Krümmungen  absieht.  Zwischen  Donau  und  Theiß  erhebt  sich  die 
diluviale  Kumanierschwelle  durchschnittlich  30 — 40  m über  die  allu- 
vialen Thalflächen ; nur  im  Westen  wird  sie  von  einem  Steilrande,  oß’en- 
bar  dem  alte  Donauufer  begrenzt;  gegen  die  Theiß  hin  senkt  sie  sich  un- 
merklich. Ebenso  unmerklich  steigt  das  Gelände  von  der  Theiß  nach 

Supan,  Physische  Krdkunde.  2.  Au  fl . 29 


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450 


Morphologie  des  Landes. 


Siebenbürgen  hin  um  20  bis  30  m.  Niveauunterschiede  sind  also 
natürlich  vorhanden,  aber  nur  an  wenigen  Stellen  werden  sie  dem 
Auge  wahrnehmbar,  sonst  empfängt  der  Beschauer  überall  den  Ein- 
druck einer  horizontalen  Ebene.  Anders  in  Siebenbürgen.  Das 
Innere  ist  mit  flachgelagerten  Sanden,  lockeren  Sandsteinen  und 
Mergel  der  jüngeren  Tertiärformation  erfüllt;  hier,  wie  im  ungari- 
schen Tieflande  ist  der  Straßenbau  durch  den  Mangel  an  festen 
Steinen  gehemmt.  Szamos  und  Maros,  die  nach  Ungarn  entweichen, 
erreichen  aber  ein  Gefälle  von  etwa  1 :800,  bezw.  1 : 1100,  und  dem 
entsprechen  Thaltiefen  von  200  m und  darüber.  Die  Ausfüllungs- 
masse ist  in  eine  Reihe  von  Höhenzügen  zerschnitten,  nichts  erinnert 
mehr  an  das  ursprüngliche,  nach  Westen  sich  senkende  Flachland, 
als  die  nach  dieser  Richtung  ziemlich  regelmäßig  abnehmende  See- 
höhe der  Berge. 

Maßgebend  für  den  Grad  der  Erosionskraft  ist  aber  nicht  die 
Seehöhe  eines  Flachlandes,  sondern  die  Höhe  über  der  Erosions- 
basis. Die  Thäler  der  Szamos  und  Maros  können  nicht  tiefer  werden, 
als  das  Theißthal,  und  die  Tieferlegung  des  letzteren  hängt  ab  von 
der  Ausgestaltung  des  engen  Durchbruchsthaies  von  Orsova,  das  bei 
Hochwasser  die  Theiß  oft  genug  staut  und  Überschwemmungen  ver- 
ursacht. Für  Gebiete  mit  Abfluß  ist  freilich  in  letzter  Instanz  der 
Meeresspiegel  die  Erosionsbasis,  die,  wenn  auch  nicht  jetzt,  doch  in 
Zukunft  einmal  zur  Geltung  kommen  muß.  Tiefländer  sind  daher 
in  der  Regel  weniger  durchfurcht,  einförmiger,  ungegliederter  als 
Hochflächen.  Aber  abflußlose  Hochflächen  sind  es  nicht  minder. 
Es  ist  ganz  gleichgültig,  daß  der  Westrand  des  Tarimbeckens  in 
Kaschgar  und  Jarkand  1200  m über  dem  Meere  liegt,  denn  seine 
Erosionsbasis,  der  Lob-nor,  hat  selbst  eine  Seehöhe  von  800  m,  und 
für  das  Gefälle  kommt  nur  die  Höhendifferenz  von  400  m in  Be- 
tracht Freilich  entscheidender  ist  noch,  daß  es  an  Wasser  selbst 
mangelt.  Nur  unter  besonders  günstigen  Verhältnissen  überwindet 
ein  Fluß  die  Gefahren  der  Wüste,  wie  der  Nil,  dessen  Thal  die 
ganze  Saharatafel  entzwei  schneidet.  Auch  stammt  in  der  Wüste  noch 
manches  Thal  aus  der  früheren,  feuchteren  Klimaperiode,  das  nun 
der  Umformung  durch  den  Wind  unterliegt,  bald  weiter  ausgearbeitet, 
bald  mit  Sand  verschüttet  wird. 

Welche  Formen  die  Denudationskraft  des  Wassers  schließlich 
erzeugt,  hängt  von  der  Gesteinsbeschaffenheit  der  Hochflächen,  von 
dem  Neigungswinkel  der  Schichten,  von  der  Zahl  der  Thäler,  von 
der  Dauer  der  Erosionsarbeit  ab.  Bis  zu  200  m tiefe  Thäler,  von 
denen  einige  jetzt  trocken  liegen,  durchfurchen  den  schwäbischen 
Teil  der  oberdeutschen  Hochebene,  aber  die  breiten  Zwischenstücke 


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Die  Oberflächenformen  der  Flucheehichtung. 


451 


haben  ihren  ursprünglichen  Charakter  gewahrt  (Fig.  142).  So  ge- 
waltig sich  auch  die  Denudation  im  Tafellande  des  Colorado  ent- 
faltet hat  — so  gewaltig,  daß  durchschnittlich  16 — 1800  m mächtige 
Deckschichten  bis  auf  wenige  Reste  verschwunden  sind  — , so  ist 


Fig.  142.  Profil  eines  Teiles  der  schwäbischen  Hochebene  nach  PUNCK. 
1 Tertiär,  2 diluviale  Nagelfiuh,  3 unterer  Clazialschotter,  4 Moränen. 


es  doch  noch  immer  eine  geschlossene  Masse.  Wir  haben  seiner 
Canons  schon  gedacht;  es  sind  deren  verhältnismäßig  wenige,  weil 
das  Klima  an  Trockenheit  leidet,  aber  die  wenigen  lassen  an  Groß- 
artigkeit alle  ähnlichen  Bildungen  der  Erde  weit  hinter  sich  zurück. 


Fig.  143.  Seitencafions  des  Colorado. 


Je  nach  der  Widerstandskraft  der  Schichten  sind  sie  in  U-  oder 
V-Forrn  bis  zu  2000  m Tiefe  in  das  Tafelland  eingeschnitten.  Sind 
die  oberen  Schichten  härter  als  die  unteren,  so  entstehen  steilwan- 
dige  Schluchten,  die  im  Vergleiche  zur  Ausdehnung  des  Plateaus  nur 
als  unbedeutende  Risse  erscheinen  (s.  Fig.  1 19  S.  289),  während  im  um- 

29* 


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452 


Morphologie  des  Landes. 

gekehrten  Falle  die  Gehänge  sich  sanfter  und  meist  stufenförmig 
abdachen.  Manchmal  bestehen  die  Canons  aus  zwei  Stockwerken, 
im  Großen  Canon  ist  das  obere  8 — 9000  m breit  und  600  m tief  und 
endet  unten  mit  einer  rauhen  Fläche,  in  die  sich  das  schmale  untere 
Thal,  nur  1000 — 1200  m breit,  900  m tief  einsenkt  (vgl.  Fig.  151 
S.  459).  Ein  bekanntes  europäisches  Canongebiet  ist  die  Sächsische 


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Fig.  144.  Autuicht  auf  Jxißschluchten  durch  eine  Öffnung  in  der  Wand  eines  Hohl- 
weges am  Paß  Han-sin-ling  in  Schansi  nach  v.  Richthofen. 


Schweiz,  wo  die  Durchlässigkeit  und  vertikale  Zerklüftung  des  Qua- 
dersandsteines die  Erhaltung  der  mauergleichen  Felswände  fördert. 
Seihst  der  lockere  Löß  eignet  sich  infolge  seiner  Neigung  zu  senk- 
rechter Spaltung  zu  dieser  Thalform.  Ein  labyrinthartiges  System 
von  Thälern  durchschneidet  die  chinesischen  Lößplateaus  nach  allen 
Richtungen;  die  Wände  sind  senkrecht  oder  sogar  überhängend, 
und  verlaufen  dort,  wo  horizontale  Lager  von  Mergelknollen  eine 


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Die  Oberflächenformell  der  Flnch«chichtung. 


453 


scheinbare  Schichtung  hervorrufeu,  in  regelmäßig  zugehackten  Ter- 
rassen (Fig.  144).  ja  einzelne  Pfeiler  lösen  sich  von  den  Lößmassen 
völlig  los.  Auch  der  Wind  schafft  Hohlwege  entlang  den  Verkehrs- 
wegen, wo  Karreuräder  oder  der  Huf  der  Tiere  den  Boden  ge- 
lockert hat.  So  geht  aus  der  monotonen  Hochfläche  abflußloser 
Gebiete,  sobald  mit  einer  Klimaänderung  das  fließende  Wasser  seine 
Thätigkeit  zu  entfalten  beginnt,  eine  Landschaft  hervor,  in  der  sich 
die  größte  Einförmigkeit,  die  im  Baumateriale  begründet  ist,  mit 
einer  „endlosen  Mannigfaltigkeit  der  Ciselierung“  verbindet. 

Sind  die  Thäler  zahlreich  im  Verhältnisse  zur  Ausdehnung  der 
Fläche,  so  schrumpfen  die  Zwischenstücke  zu  schmalen  Kippen,  oder 
vereinzelten  Erhebungsmassen  zusammen;  die  zerschnittene  Fläche 
hat  sich  in  ein  Erosionsgebirge  aufgelöst. 


Fig.  145.  Ambas  in  Abessinien. 


In  lockeren  Ausfüllungsmassen  flachen  sich  die  Böschungen 
der  Berge  und  Bergziige  ab;  im  Neogenbecken  Siebenbürgens  nehmen 
sie  stellenweise  eine  kammartige  Gestalt  an,  und  gerade  dadurch 
ist  die  ursprüngliche  Oberffächenform  völlig  verwischt  worden. 

Anders  im  Tafellande.  Mit  steilen,  oft  stufenförmig  sich  auf- 
bauenden Abhängen  erheben  sich  über  dasselbe  Tafelberge  oder 
umfangreichere  Plateaus,  oben  flach  abgeschnitten.  In  der  Regel 
ist  die  oberste  Schicht  widerstandsfähiger,  als  die  darunter  liegende. 
Auf  der  Kreidetafel  Südaustraliens  sind  sie  stets  mit  einem  gelben 
Feuerstein-Jaspisgestein  oder  mit  einem  harten  porzellanähnlichen 
Sandstein  und  Quarzit  gekrönt. 14  Quarzitischer  Sandstein  deckt  in 
Südafrika  die  Tafelberge  der  Kapformation , Diabas  die  der  Karru- 
formation.  Gesellig  treten  sie  hier  z.  B.  in  den  bogenförmig  ange- 
ordneten Karree-  und  Prambergen  südlich  vom  Oranje  auf.  Kluft- 
artige Thäler  scheiden  diese  Hunderte  von  Bergen,  deren  Gipfel 
ohne  Ausnahme  ca.  300  m über  der  Hochebene  liegen  und  deren 
Abhänge  mit  kolossalen  Trümmern  herabgestürzter  Gesteinsmassen 
bedeckt  sind.  Lavadecken  schützen  besonders  häufig  die  Tafelberge. 


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454 


Morphologie  des  Landes. 


so  in  Arabien,  so  die  Ambas  Abessiniens  (s.  Fig.  145),  die  Mesas  (Tiscbe) 
des  Coloradoplateaus  (Fig.  151  S.  459).  Hier  ist  die  Auflösung  durch 
Denudation  stellenweise  außerordentlich  weit  fortgeschritten,  beson- 
ders im  Gebiete  der  leicht  zerstörbaren  eocänen  Sandsteine  und 
Mergel,  wo  das  Seltsame  jener  phantastisch  ruinenhaften  OberHächen- 
gestaltung,  die  unter  dem  Namen  der  „bad  land  erosion“  berühmt 
geworden  ist,  noch  durch  die  lebhaften,  häufig  wechselnden  Gesteins- 
farben erhöht  wird. 18 

Die  Tafelberge  stellen  ein  altes  Niveau  des  Tafellandes  dar, 
und  in  diesem  Sinne  hat  man  sie  auch  „Zeugen“  genannt.  Die 
Steilabhänge  sind  entweder  vertikale  Kluftflächen,  wie  im  Elbsand- 
steingebirge der  Sächsischen  Schweiz,  oder  sie  sind  dadurch  ent- 
standen, daß  die  Zerstörung  durch  die  Atmosphärilien  oder  durch 
die  Insolation  und  den  Wind  in  der  weichen  Unterschicht  weiter 
nach  innen  fortschreitet,  als  in  der  harten  Oberschicht,  und  daß 
diese  dann  über  der  Hohlkehle  nachbricht.  Bedingung  ist  nur,  daß 
die  Unterschicht  allseitig  entblößt  wird,  und  dies  kann  durch  Thal- 
bildung oder  Zerklüftung  bewirkt  werden. 

Größere  Schwierigkeiten  bietet  die  Erklärung  jener  L an  fi- 
stete;!, die  wir  als  Denudationsstufen  bezeichnen  wollen.  Ein 
lehrreiches  Beispiel  ist  die  Schwäbische  Alb,  und  sie  ist  doppelt 
lehrreich  durch  die  Untersuchungen  Brancos16  geworden. 


Fig.  146.  Die  Schwäbische  Alb. 

Maßstab  der  Länge  1:1000000,  der  Höhe  1:100000. 


Von  dem  Donauthale  in  der  oberdeutschen  Hochebene  erhebt 
sich  das  Plateau  der  Schwäbischen  Alb  ganz  allmählich  um  etwa 
3U0  m und  stürzt  im  Norden  steil  4 — 500  m zu  den  welligen  Flächen 
des  Neckarlandes  ab,  wo  sich  über  triassische  Ablagerungen  eine 
leichte  Decke  von  Lias  ausbreitet  (Fig.  1 46).  Uber  dem  Lias  folgt  an 
den  Abhängen  der  All)  der  Braune  Jura  (Dogger),  ebenso  wie  der 
erstere  vorwiegend  aus  thonigen  und  mergeligen  Gebilden  bestehend, 
dann,  mit  einer  Steilmauer  endend,  der  massige  Kalkstein  des 
Weißen  Jura  oder  Malm.  Die  Schichten  neigen  sich  leise  nach 
Süden.  Gegen  das  Tertiär  der  oberdeutschen  Hochebene  grenzt  sie 
eine  Verwerfung  ab,  im  Norden  ist  aber  nirgends  ein  Bruch  be- 


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Die  Oberflächenformen  der  Flachachichtung.  455 

merkbar.  Daß  hier  die  AU)  einst  weiter  in  das  Neckarland  hinein- 
reichte und  durch  Denudation  nach  Süden  gedrängt  wurde,  war 
schon  lange  Überzeugung,  aber  ein  positiver  Beweis  wurde  dafür 
erst  von  Branco  gefunden.  Die  Tuffgänge  der  miocänen  Maare  ent- 
halten, wie  wir  auf  schon  S.  299  auseinander  gesetzt  haben,  eine 
Sammlung  aller  durchbrochenen  Gesteine;  Dogger  und  Malm  kommen 
selbstverständlich  in  den  Tuffgängen  der  Alb  vor,  aber  sie  fehlen 
ebensowenig  im  Vorlande,  wo  sie  nicht  mehr  anstehen;  und  ein 
Transport  von  fernher  erscheint  nach  dem  ganzen  Sachverhalte  als 
ausgeschlossen.  Auch  das  nördlichste  Tuffmaar,  bei  Scharnhausen 
im  Kerschthale  gelegen  (K  in  Fig.  1 46),  macht  von  dieser  allgemeinen 
Regel  keine  Ausnahme;  der  Steilrand  der  Alb  muß  also  in  der  Miocän- 
zeit  wenigstens  in  der  Gegend  von  Stuttgart  (J/ in  Fig.  146)  gelegen 
haben,  und  hat  sich  seitdem  um  etwa  23  km  zurückgezogen:  eine  sehr  be- 
scheidene Leistung  der  Denudation,  wenn  man  die  ungeheuere  Länge  der 
Zeit  in  Betracht  zieht.  Daß  der  isolierte  Jurafetzen  von  Langenbrücken 
im  Rheinthale,  den  eine  Versenkung  vor  Denudation  geschützt  hat,  einst 
mit  der  Alb  zusammenhing,  ist  nun  keine  waghalsige  Vermutung  mehr. 

Die  Steilwand  der  Alb  ist  keine  Thalwand,  sie  steht  mit  der 
Bildung  des  Neckarthaies  in  keinem  unmittelbaren  Zusammenhänge, 
denn  sie  setzt  sich  nach  Nordost  fort,  während  der  Neckar  nach 
Nordwest  umbiegt.  Wie  alle  Denudationsstufen  schneidet  sie 
den  Lauf  der  Flüsse  senkrecht  oder  unter  einem  spitzen 
Winkel.  Die  Entstehungsweise  ist  dieselbe,  wie  bei  den  Tafel- 
bergen: Auswaschung  der  weichen  Unterschicht  und  Abbröckelung 
der  harten  Oberschicht  Auf  Karten  größeren  Maßstabes  erscheint 
der  Steilrand  keineswegs  als  eine  gerade  verlaufende  Mauer,  sondern 
zerfranst.  Zwischen  den  Thälem,  die  von  der  Alb  ausgehen,  springen 
Gebirgssporen  halbinselartig  vor,  manchmal  breit  und  abgerundet, 
manchmal  schmal  und  spitz  zulaufend.  Nun  kann  die  Erosion 
diese  gefährdeten  Vorposten  auch  von  rückwärts  angreifen;  Thal- 
einschnitte trennen  sie  vom  Mutterkörper  ab,  der  Gebirgsvorsprung 
wird  ein  Tafelberg,  und  schutzlos  preisgegeben  verfallt  dieser  nun 
den  allseitig  eindringenden  zerstörenden  Kräften.  Wie  ein  solcher 
Steilrand  immer  weiter  zurückweicht,  läßt  sich  beobachten,  aber 
seine  ersten  Anfänge  sind  noch  rätselhaft. 

Das  nordf'ranzösische  Tiefland  ist  ein  flaches  Becken,  in  dessen 
Mitte,  bei  Paris,  die  vom  Nord-,  West-  und  Südwest-Rande  kommenden 
Flüsse  sich  vereinigen.  Vom  Osten  kommend,  überschreiten  wir  im 
jurassischen  Argonnenwalde  die  Wasserscheide  zwischen  Maas  und 
Seine.  Nun  folgt  die  Kreidefläche  der  Champagne,  die  sich  mit 
einem  halbmondförmigen  Steilrande  von  Laroche  über  Vitry-le-frani;ois, 


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456 


Morphologie  des  Landes. 


Ste.  Menehould  bis  nach  Rethel  scharf  von  der  Jura-Unterlage  abhebt 
und  sanft  nach  Westen  senkt.  Noch  schärfer  ist  die  Grenze 
zwischen  der  Kreide  und  dem  Tertiär  der  Beckenmitte;  diese  Land- 
stufe, die  sich  von  Monterau  über  Epernay  nach  Laon  erstreckt, 
steigt  140  bis  gegen  200  m über  die  sie  durchbrechenden  Flüsse  an. 
Paris  liegt  26  m über  dem  Meere;  im  Westen  erhebt  sich  die  Kreide- 
tafel der  Normandie  wieder  über  200  m. 

Zweierlei  ist  klar:  1)  der  Lauf  der  Flüsse  ist  durch  die  Becken- 
form bedingt,  ihre  Thäler  sind  reine  erosive  Abdachungsthäler; 
2)  zur  Zeit,  als  die  Thalbildung  begann,  muß  die  Oberflächen- 
gestaltung eine  andere  gewesen  sein.  Die  Landstufen  müssen  jünger 
sein,  als  die  sie  durchbrechenden  Flüsse.  Das  Zurückweichen  der 
Tertiärstufe  ist  übrigens  erwiesen  durch  ihre  zahlreichen  Reste,  die 
dem  Kreideringe  im  Osten  und  besonders  im  Westen  auflagern. 

Durch  ebenso  reizvolle  Abwechslung  zeichnet  sich  das  englische 
Tiefland  aus.  Mit  wenigen  Ausnahmen  sind  hier  die  Lage rungs Ver- 
hältnisse der  Schichten  von  der  Triasformation  angefangen  ungestört 
(Fig.  147).  In  westöstlicher  Richtung  folgen  aufeinander:  das  aus  pri- 
mären Gesteinen  bestehende  Gebirge,  die  aus  Trias  und  Lias  zusammen- 
gesetzten Ebenen,  welche  vom  Severn  und  Mersey  einerseits,  Trent  und 


Bergland  'eon  Wales  Tieflan  d 

(Silur  und  alter  roter  Sandstein) 


Fig.  147.  Geologisches  Profil  von  England  nach  Ramsay. 


Ouse  andererseits  bewässert  werden ; dann  das  Juraplateau,  das  sich  von 
den  Cotswold  Hills  über  das  sog.  zentrale  Tafelland  und  die  Lincoln- 
Höhen  nach  Norden  erstrekt;  endlich  das  winkelförmig  nach  Osten 
geöffnete  Kreideplateau  (Marlborough-  und  Chilternhügel,  die  ostangli- 
kanischen Höhen,  die  Lincoln  und  York  Wolds),  welches  das  Eocän- 
becken  von  London  einschließt.  Beide  Plateaus,  die  steil  nach  Westen 
und  sanft  nach  Osten  abfallen,  hielten  nur  wegen  der  Festigkeit  ihres 
Materials  der  Denudation  Stand,  wenn  auch  nicht  ganz.  Denn  einst  be- 
deckten Jura  und  Kreide  auch  die  Trias  im  Westen,  wo  sie  aber  bis  auf 
wenige  Überreste  verschwunden  sind;  ihre  westlichen  Steilränder 
sind  lediglich  ein  Produkt  der  zerstörenden  Kräfte.  Auf  diese  Weise 
erklärt  sich  nach  Ramsay  17  auch  die  Thalbildung  der  Themse,  deren 
Quellgebiet  niedriger  liegt,  als  das  Kreideplateau,  das  sie  durchbricht 
Die  Erosion  begann  offenbar  schon  damals,  als  die  Kreide  noch  bis 
an  den  Ursprung  dieses  Flusses  hinaufreichte.  Aber"  gelöst  ist  das 
Rätsel  der  Stufenbildung  damit  noch  nicht  Die  Richtung  des 
Flusses  war  durch  die  Neigung  der  Schichten  bedingt,  aber  hätte 


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Die  Obcrflächenformen  der  Flachschichten. 


457 


die  ursprüngliche  Oberfläche  dieselbe  Neigung  besessen,  warum  kam 
nicht  ein  einfaches  tiefes  Thal  statt  eines  Stufenbaues  zu  stände? 
Wir  müssen  daher  mit  N’ok  und  de  Maboebie18  von  der  aller- 


Fig.  148.  Entstehung  der  Lnndstufen. 
«•  weiche  Schichten.  abcd  ursprüng- 
liche Oberfläche,  abecfd  jetzige 
Oberfläche. 


dings  nicht  weiter  zu  erklärenden  Annahme  ausgehen,  daß  die  ur- 
sprüngliche Oberfläche  sanfter  sich  neigte  als  die  Schich- 
ten (Fig.  148).  Nun  streichen  ab- 
wechselnd harte  und  weiche  Schichten 
aus,  die  weichen  Zonen  werden  rascher 
zerstört  als  die  harten,  die  Ungleich- 
heit ist  geschaffen  und  nun  weicht 
die  Stufe,  immer  höher  werdend,  in 
der  Fallrichtung  der  Schichten  zurück. 

Eine  weitere  Bedingung  ist  nur,  daß  der  Fluß  sein  Thal  in 
schnellerem  Tempo  vertieft  als  die  Stufenbildung  fortschreitet,  da  er 
sonst  abgelenkt  würde. 

Eine  der  großartigsten  Denudationsstufen  der  Erde,  die  Nieu- 
weveld-,  Schnee-  und  Drakenberge,  grenzt  die  große  Karru  von  den 
inneren  Hochflächen  Südafrikas  ab.  Die  wenig  widerstandsfähigen 
Beauford -Schieferthone  und  Stonnberg- Sandsteine  werden  durch 
Diabasdecken  geschützt,  wie  die  Tafelberge  im  Innern.19  Hier  wird 
besonders  deutlich,  daß  Landstufen  und  Tafelberge  aus  demselben 
Denudationsprozesse  hervorgehen. 

Umformung  durch  Bruch.  Aber  nicht  alle  Landstufen  haben 
den  gleichen  Ursprung;  den  Denudationsstufen  müssen  wir  Bruch - 
stufen  gegenüber  stellen.  Eine  solche  ist  der  Ostrand  der  abessi- 
nischen  Tafel,  die  sich  nach  Auhrys20  Forschungen  aus  Triassand- 
steinen, Jurakalken  und  gewaltigen  vulkanischen  Auswurfsmassen 
über  dem  niederen  Danakillande  ein  paar  tausend  Meter  hoch  auf- 
baut. Wir  haben  dieses  Bruches  schon  gedacht  als  eines  Gliedes 
jener  Grabenversenkungen,  die  sich  von  Syrien  bis  zum  Njassa  er- 
strecken (S.  314).  Manchmal  geht  der  Bruch  in  eine  Flexur  über; 
das  Elbsandsteingebirge  bricht  gegen  das  krystallinische  Gebirge  der 
Lausitz  mit  einer  Verwerfungsspalte  ab,  während  es  im  Süden  mit  einer 
Schichtenneigung  von  20°  unter  das  böhmische  Mittelgebirge  sich 
senkt.  Eine  mächtige  Flexurstufe  ist  das  Nankou-Gebirge,  das  die 
Tiefebene  von  Peking  im  Nordwesten  abschließt  (B’ig.  149),  und  solcher 
Beispiele  finden  sich  noch  viele  in  v.  Richthofens  klassischem  China- 
werke. Manchmal  löst  sich  die  Senkung  in  Statfelbrüche  auf;  in  dem 
Karbonplateau  von  Süd-Schansi  zählt  man  deren  vom  Rande  des 
Tieflandes  bis  Ping-ting-tsehou  nicht  weniger  als  neun,  die  ebenso 
vielen  Landstufen  entsprechen;  die  Schichten  neigen  sich  etwas  gegen 
das  Plateau,  so  daß  am  Rande  jeder  Stufe  der  Kohlenkalk  unter 


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458 


Morphologie  des  Landes. 


N au  kou 


| j Kalksteine  der  Sinischen  Foi'mauon. 

^^^Skhie/ertAone 

Fig.  149.  Nankou-Gebirge  in  Nordchiöa 
nach  v.  Richthofen. 


der  produktiven  Steinkohlenformation,  die  sonst  die  Oberfläche  bildet, 
zu  tage  tritt,21  Audi  unser  Erdteil  bietet  eine  Fülle  von  Beispielen 
ähnlicher  Art,  wenn  auch  in  bescheidenerem  Maßstabe;  man  erinnere 

sich  nur  an  die  Steilab- 
stürze, welche  die  Nord- 
hälfte des  oberrheinischen 
Grabenbruches  begleiten. 
Wohl  kaum  ist  aber  irgend- 
wo ein  frischer  Bruclirand 
zu  beobachten,  stets  hat 
er  durch  die  nie  rastende  Denudation  Veränderungen  erlitten, 
und  oft  können  nur  genauere  geologische  Untersuchungen  ent- 
scheiden, ob  man  es  mit  einer  Denudations-  oder  einer  Bruchstufe 
zu  thun  hat 

Allein  Verwerfungen  beschränken  sich  nicht  auf  die  Ränder 
flachgeschichteter  Teile  der  Erdkruste,  sie  greifen  auch  in  das 
Innere  ein  und  können  große  Partien  der  Flachländer  in  Schollen 
zerlegen.  Selbst  aufgesetzten  Ebenen  bleibt  dieser  Umformungs- 
prozeß  nicht  fremd.  Stufenförmig  bricht  das  Wiener  Becken  nach 
dem  Innern  ab,  aber  der  orographische  Charakter  erlitt  dadurch 
keine  wesentliche  Veränderung,  weil  die  Denudation  in  lockeren 
Massen  die  Niveauunterschiede  leicht  verwischt.  Nur  die  Anordnung 


Fig.  150.  Profil  des  Wiener  Beckens  (Westhälfte)  nach  Karrer. 
a Marine,  b sarmatische,  c Kongerienstufe  der  Neogen  form  ation  (Tegel,  Sand  u.  Schotter.) 


der  Schichten  wurde  insofern  beeinflußt,  als  nun  vom  Rande  gegen 
das  Innere  des  Beckens  immer  jüngere  Bildungen  aufeinander  folgen 
(Fig.  150).  Anders  verhält  es  sich  aber  im  Tafellande.  Auch  in 
diesem  Punkte  mögen  uns  die  amerikanischen  Geologen  wieder  als 
Führer  dienen  (Fig.  151).  Die  unterste  Scholle  im  Coloradoplateau 
entlang  dem  Großen  Canon,  das  uns  alle  Geheimnisse  der  'Tiefe 
aufschließt,  ist  die  des  Grand  Wasli,  die  durch  die  gleichnamige 


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Die  Oberflächenformen  der  Flachschichtung. 


459 


Spalt«  im  Osten  (GW  in  Fig.  151)  begrenzt  wird.  Hier  hat  eine 
Versenkung  von  1800  — 2100  m Sprunghöhe  stattgefunden;  die 
Denudation  hat  diese  Differenz  gemildert,  aber  noch  immer  muß 
man  1000  m steigen,  um  auf  das  Sheavwits -Plateau  zu  gelangen 
(1600  m ü.  M.).  Hier  herrscht  schon  der  mächtige,  widerstands- 
fähige Kohlenkalkstein.  Reste  der  permischen  Schiefer  haben  sich 
nur  erhalten,  wo  Lavaeinlagerungen  sie  schützten;  ein  paar  aus- 
gedehnte Plateaus  erheben  sich  bis  2100  m.  Nun  folgt  die  Hurri- 
cane-Spalte  (H)  mit  leiser  Flexurbeugung,  und  abermals  steigen  wir 
eine  Stufe  empor,  zum  Uinkaretplateau  (2100  m),  das  den  2700  m 
hohen  Tafelberg  Mt.  Trumbull  (Tb)  trägt  Die  Toroweap-Spalte  (71) 


GWash 


T Meeres  Fureau 

Lauf  das  Colorado 

a Steinkohlen  cggi  FermiscAe  r7-7“"]  Mesozo  ische 

‘ "'S  Fn  rm  si  rinn  ^—^FormaOrn 


__  Archaisch,  FP53 Steinkohlen.  Perm iscAe  ryrrr^Mfisozoisc/h 

- - - Silur, Devon  h ’ t-  ^Formation  FormaUon  - — J FormaOnn 


Fig.  151. 

Profil  des  Colorado-Plateaus  im  Parallel  des  Großen  Canon,  nach  Dütton  reduziert. 
Maßstab  der  Lange  1:2000000,  der  Höhe  1:400000. 


macht  sich  orographisch  nicht  sehr  bemerkbar;  das  Kanabplateau, 
die  umfangreichste  aller  Schollen  dieses  Profils,  verharrt  ebenfalls 
in  Seehöhen  von  1800 — 2100  m.  Der  Anstieg  nach  Westen  ist  aber 
unverkennbar,  besonders  in  der  vorkarbonischen  Unterlage,  die  der 
Kanab-Canon  (K.  C.)  bereits  erreicht.  Nun  folgt  die  höchste  Scholle, 
das  Kaibabplateau  (2700  m),  nach  Westen  durch  zwei  Brüche  (West- 
Kaibab-Spalte  — W.  K.  — 1 u.  2)  vom  Kanab  geschieden,  nach  Osten 
in  einer  sanften  Flexur  (O.K.)*  zur  Marble  Canon-Platte  (1500  m) 
sich  senkend.  Noch  einmal  beugen  sich  die  Karbonschichten  in  die 
Tiefe,  und  über  ihnen  erscheinen  nun  Perm  und  die  mesozoischen 
Formationen  bis  zur  Kreide,  die  vom  ganzen  Osten  bis  auf  die  ge- 
nannten Permreste  abgeschwemmt  sind.  Die  Echo  Cliffs  (2300  m) 
sind  eine  Denudationsstufe. 

Alle  diese  tektonischen  Veränderungen  müssen  sich  vollzogen 
haben,  als  die  Coloradotafel  schon  Land  war  und  der  Coloradofluß 
sein  herrliches  Thal  schon  zu  vertiefen  begann,  denn  unbekümmert 
setzt  er  seinen  Weg  fort,  wenn  auch  die  Schollenbewegung  seiner 
Laufrichtung  widerspricht. 

In  diesem  Teile  des  Tafellandes  sehen  wir  eine  sanft  sich  neigende 

* Man  beachte,  daß  in  Fig.  151  wegen  der  4 fachen  Überhöhung  alle 
Neigungen  übertrieben  aind! 


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460 


Morphologie  des  Landes. 

Ebene  durch  vertikale  Niveauveränderungen  der  Schollen  in  ein 
Stufenland  verwandelt.  Aber  noch  ist  im  großen  und  ganzen  der 
Charakter  der  Fläche  gewahrt.  Auch  dieser  kann  verschwinden. 
Um  das  darzulegen,  folgen  wir  zunächst  Russell,22  dem  wir  einen 
lehrreichen  Bericht  über  die  geologischen  Verhältnisse  von  Süd-Oregon 
verdanken. 

Das  „Große  Becken“  zwischen  dem  Felsengebirge  und  der  Sierra 
Nevada  ist  ein  echtes  Schollenland,  aber  die  Südhälfte  ist,  wie  wir 
später  sehen  werden,  doch  von  wesentlich  anderer  Beschaffenheit, 
als  die  nördliche.  Hier  breiten  sich  die  großen  vulkanischen  Tafeln 
aus  Basalten,  Rhyolithen  und  deren  Tuffen  aus,  und  diese  sind  durch 


Stein 

Mis.  K K 


Fig.  152.  Profile  aus  dem  südöstlichen  Oregon  nach  Russell. 
a Mittleres  Alvordthal,  b nördliches  Alvordthal. 

1 Vulkanische  Ablagerungen,  2 moderne  Ausfüllungsmassen. 


spätere  Dislokationen  vielfach  zerstückelt  worden.  Fig.  152a  stellt 
uns  den  Bau  im  mittleren  Alvordthale  (42  */a°  N.,  1181/a°W.)  dar. 
Es  ist  ein  einfacher  Grabenbruch,  ausgefüllt  von  Ablagerungen 
eines  einst  viel  größeren  Sees;  das  Steingebirge,  das  sich  zu  der 
ansehnlichen  Höhe  von  14  — 1500  m über  der  Thalsohle  erhebt,  ist 
eine  einfache  Bruchstufe,  die  nur  an  der  Ostseite  als  Gebirge  er- 
scheint, während  sich  nach  Westen  die  Schichten  ganz  allmählich  neigen. 
Die  entgegengesetzte  Neigung  herrscht  an  der  Ostseite  des  Grabens.  Am 
nördlichen  Ende  des  Alvordthales  (Fig.  152  fe)  werden  die  tektonischen 
Verhältnisse  aber  verwickelter.  Die  Bruchstufe  der  Stein  Mountains 
ist  zwar  noch  vorhanden,  aber  innerhalb  des  Grabens  liegen  noch 
zwei  Schollen  mit  steiler  Schichtenneigung  nach  Westen  (ifin  Fig.  152  b), 
die  wir  als  Keilschollen  bezeichnen  wollen,  und  am  Ostrande  löst 
sich  von  der  Tafel  des  Barren  Valley  eine  andere  Scholle  los  (T  in 
Fig.  1526),  die  ihre  Flachschichtung  noch  bewahrt  hat,  aber  beider- 
seits als  Berg  über  die  Umgebung  sich  erhebt.  Das  ist  eine  Tafel- 
scholle, man  könnte  auch  sagen  Tafelhorst,  wenn  festgestellt  wäre, 
daß  er  allseitig  von  Brüchen  begrenzt  wird.  Da  aber  dies  häufig 
schwierig  ist,  und  manchmal  schon  ein  späterer  Forscher  einfache 
Auflagerung  auf  einer  Seite  beobachtete,  wo  ein  früherer  auch  eine 
Verwerfung  annehmen  zu  müssen  glaubte,  so  wollen  wir  den  seit 
Süss  vielgebrauchten  Namen  „Horst“  in  unsere  Terminologie  nicht 
aufnehmen.  Daß  Tafel-  und  Keilschollen  in  typischer  Ausbildung 


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Die  Oberflächenformen  der  Flachscliichtung. 


461 


sich  orograpbiseh  sehr  wesentlich  voneinander  unterscheiden,  lehrt 
ein  Blick  auf  Russells  Profil.  Die  erstere  gleicht  mit  ihrer  Platte 
völlig  einem  durch  Denudation  herausgearbeiteten  Tafelberge,  die 
letztere  erzeugt,  wenn  sie  ausgedehnt  genug  ist,  ungleichseitige  Kamm- 
gebirge, mitunter,  wenn  die  Schichten  keine  große  Widerstandskraft 
besitzen,  auch  Rückengebirge;  aber  stets  ist  die  Ungleichartigkeit 
der  Böschung  ein  charakteristisches  Merkmal  dieser  Geländeform. 

Daß  der  Zusammenhang  der  Schollen  hier  oberflächlich  durch 
jugendliche  Ablagerungen  verhüllt  ist,  ist  ein  nebensächliches 
Moment.  Im  hessischen  Berglande  (Fig.  153)  ist  eine  solche  Mas- 
kierung nur  in  untergeordneter  Weise  bemerkbar,  aber  auch  hier  sind 
die  Schollen  so  stark  gegeneinander  verschoben,  daß  — und  dies  ist 
das  wesentliche  — die  einstige  Fläche  sich  in  ein  Bergland 


Schiefer  - Habichts 

Gebirge  WaLd, 


Meissaer 


Werra 


SicKsfbld 


r^TTt  Tertiär  r^~\Mtuper.  ^BQMuschelJealB . 


(■  --i  Bimdsandstein. . I 1 Z ochs  lein , 

111  aefaUetes  Grundgebirge,  WA  Basalt. 

Fig.  153.  Westöstlicher  Durchschnitt  durch  das  hessische  Bergland  nach  Penck. 
MoSstah  der  länge  1:250000,  der  Höhe  1:25000. 


verwandelt  hat  Indem  die  Gesteine  in  verschiedene  Niveaus 
gerückt  sind,  wird  der  Denudationsprozeß  außerordentlich  verwickelt. 
Im  großen  und  ganzen  bleibt  das  tektonische  Bild  gewahrt;  Schollen, 
die  gehoben  oder  stehen  geblieben  sind,  erscheinen  als  Berge  und 
Gebirge,  gesunkene  Schollen  als  Vertiefungen.  Im  einzelnen  kann  aber 
die  Orographie  in  direkten  Widerspruch  zurTektonik  treten.  Die  Werra- 
senkung in  Hessen  ist  unzweifelhaft  eine  gehobene  Scholle,  aber  ent- 
weder hat  die  Denudation  hier  so  kräftig  gewirkt,  daß  die  Trias 
gänzlich  abgeschwemmt  wurde,  oder  die  Trias  war  hier  schon  ur- 
sprünglich wenig  entwickelt. 

Übersicht  der  Umwandlungsformen  der  Flachschichtung. 

I.  Der  ursprüngliche  Charakter  der  Fläche  wird  verändert, 
aber  nicht  aufgehoben: 

1.  durch  Erosion:  zerschnittenes  Flachland. 

a)  Im  Tafellande, 

b)  im  aufgesetzten  Flachlande  (castilianischer  Typus); 

2.  durch  Bruch:  Tafelschollenland  (Coloradotypus). 


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462 


Morphologie  des  Landes. 


II.  Die  Fläche  kann  als  solche  ihren  Charakter  wahren  oder 
verändern,  stellt  sich  aber  durch  eine  Landstufe  in  scharfen  oro- 
graphischen  Gegensatz  zum  Vorlande: 

3.  Denudationsstufe  (Albtypus). 

4.  Tektonische  Stufe: 

a)  Bruchstufe  (abessinischer  Typus), 

b)  Flexurstufe  (Nankou-Typus). 

III.  Die  Fläche  löst  sich  auf  und  wird  Gebirge: 

5.  Durch  Erosion:  Erosionsgebirge. 

a)  Im  Tafellande,  Plateaugebirge  (Elbsandstein-Typus), 

b)  in  der  aufgesetzten  Ebene,  Rücken-  und  Kammgebirge 

(siebenbürgischer  Typus). 

6.  Durch  Bruch:  Tafelschollengebirge  (hessischer  Typus). 

IV.  Einzelformen  sowohl  in  den  zerschnittenen,  wie  in  den  auf- 
gelösten Hauptformen: 

7.  Durch  Denudation:  Denudationsberge,  teils  Tafel- 

berge, teils  aber  auch  abgerundete  oder  zugespitzte 
Erhebungen. 

8.  Durch  Bruch:  Schollenberge. 

a)  Tafelschollenberge, 

b)  Keilschollenberge. 

Die  äußersten  Umwandlungsformen  sind  jedenfalls  die  Flexur- 
stufe und  die  Keilscholle, x insofern  als  hier  die  Flachschichtung 
vollständig  aufgehoben  ist  Ihre  innigen  Beziehungen  zur  Flach- 
schichtung läßt  es  aber  doch  gerechtfertigt  erscheinen,  sie  an  dieser 
Stelle  in  das  genetische  System  einzufügen. 

Litteratumach weise.  1 Kabpinsky,  Übersicht  der  physiko- geogra- 
phischen Verhältnisse  des  europäischen  Rußlands  während  der  verflossenen  geo- 
logischen Perioden;  in  den  Beiträgen  zur  Kenntnis  des  Russ.  Reiches,  1887. 
v.  Tijllos  hypsometrische  Karte  von  Rußland  1889  (vgl.  Petermanns  Mitteil. 
1890,  S.  156).  Neue  geologische  Karte  1892,  in  Reduktion  in  Petekmanns  Mit- 
teilungen 1895.  — * Rolland,  Geologie  du  Sahara  algerien  in  Choisy,  cit.  S.  415; 
L’histoire  geologiquc  du  Sahara,  in  den  Comptes  rendus  de  l'Academie  des 
Sciences  1890.  — 3 Douohty,  Travels  in  Arabia  Deserts,  Cambridge  1888.  — 
4 Lepsius,  Die  oberrheinische  Tiefebene,  Stuttgart  1885.  — 6 Bericht  von  Zsiu- 
mondy  im  Jahrbuch  d.  Wiener  Geologischen  Reichsaustalt,  1878,  S.  659.  — 
6 Bericht  von  IIalavats  im  Jahrbuch  d.  ungarischen  geologischen  Anstalt,  1888, 
S.  165.  — 7 Pantanelli,  Le  acque  sotterranee  nella  Proviucia  Modenese;  in  d. 
Atti  della  Societi  dei  naturalisti  di  Modena  1888.  — 8 Oldiiam  in  d.  Records 
of  the  Geological  Survey  of  India  1890,  S.  261.  — 0 v.  Richthofen,  China, 
Bd.  II.  S.  337.  — 18  Griesbach,  Geology  of  Central  Himalaya,  in  den  Memoirs 

* Dieser  Begriff  ist  hier  enger  gefaßt,  als  in  v.  Richthofens  Führer,  wo 
auch  einseitige  Rumpfschollen  dazu  gezählt  werden. 


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Faltengebirge.  463 

of  the  Geological  Survey  of  India  1891.  — 11  Wahnschaffe,  Die  Ursachen  der 
Oberflächengestaltung  des  norddeutschen  Flachlandes,  Stuttgart  1891.  — 15  Von 
der  Geschichte  dieser  Küstenebene  handelt  ausführlich  Mc  Gee,  The  Lafayette 
formation,  im  12.  Annual  Report  of  the  U.  S.  Geological  Survey,  1890—91.  — 
13  S.  Roth  in  der  Zeitschrift  der  Deutschen  geologischen  Gesellschaft,  1888, 
S.  375.  — u Brown,  The  Mesozoic  Plains  of  South  Australia,  1888.  — 18  Um 
eine  Vorstellung  von  diesen  wunderbaren  Formen  zu  gewinnen,  betrachte  man 
die  meisterhaften  Zeichnungen  Duttons,  die  er  seiner  „Physical  Geology  of 
the  Grand  Canon  District“  (im  2.  Annual  Report  of  the  U.  S.  Geological 
Survey,  1882)  beigab,  besonders  das  Panorama  von  Point  Sublime.  — 18  Bbanco, 
cit.  S.  322.  — 17  Ramsay,  Physical  Geology  and  Geography  of  Great  Britain, 
London  1878.  — 18  Noe  und  de  Maroerie.  cit.  S.  401.  — 18  Schrnck,  Die  geo- 
logische Entwicklung  Südafrikas;  in  Petermanns  Mitteil.  1888.  — *“  Aubry  im 
Bulletin  de  la  Soci£t4  geologique  de  France  1885 — 86,  Bd.  XIV,  S.  201.  — 31  S. 
das  Profil  in  v.  Riciitiiofen  , China  II.  S.  442.  — 83  Russell  im  4.  Annual 
Report  of  the  U.  S.  Geological  Survey,  1884. 


Faltengebirge. 

Terminologie.  Man  hat  streng  zu  unterscheiden  zwischen 
Faltenland  und  Faltengebirge;  ersteres  ist  der  weitere,  letzteres 
der  engere  Begriff.  Faltung  ist  ein  weitverbreitetes  Phänomen, 
aber  nur  dort,  wo  sie  in  ihrer  Ursprünglichkeit  noch  soweit  erhalten 
ist,  daß  sie  der  Erdoberfläche  die  ihr  eigentümliche  Form  lang- 
gestreckter Wellen  verleiht,  kann  man  von  einem  Faltengebirge 
sprechen.  Im  großen  und  ganzen  deckt  sich  der  Begriff  Falten- 
gebirge mit  dem  Begriff  Kettengebirge.  Jedenfalls  sind  die 


a.  Antiklinalkumm  b.  Synklinalthal  c.  Isoklinalkamm 

d.  Isoklinalthal  e.  Antiklinalthal  f.  Syoklinalkamm. 

Fig.  154.  Form  und  Orographie  der  Falten  nach  Heim. 


meisten  jener  gewaltigen  Kettengebirge . die  die  Hochlandszonen 
beider  Welten  zusammensetzen,  durch  Faltung  entstanden,  und  das- 
selbe gilt  von  den  beiden  Kettengebirgen  außerhalb  jener  Zonen,  dem 
Ural  und  den  Alleghanies. 

Die  einfachste  Form  ist  die  normale  stehende  Falte. 
Sie  besteht  aus  zwei  Teilen:  dem  Sattel,  von  dem  Schichten 
beiderseitig  abfallen  (daher  Antiklinale  genannt),  und  der 
Mulde,  zu  der  die  Schichten  beiderseitig  sich  zuneigen,  und 


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464 


Morphologie  des  Landes. 


liegende  Falte 

Fi  g.  155. 


schiefe  Falte  stehende  Falte 

Lage  der  Falten  nach  Heim. 


die  man  daher  auch  als  Synklinale  bezeichnet.  In  seiner  ein- 
fachsten Form  schafft  der  Faltungsprozeß  mehr  oder  minder  lang- 
gestreckte Antiklinalkämme  und  Synklinalthäler  ( a und  b in 
Fig.  154).  Aber  nur  sehr  selten  ist  diese  ursprüngliche  Form  noch 
erhalten,  wie  in  vielen  Teilen  des  Schweizer  Jura.  Man  liebt  es, 
die  Gebirge  mit  Ruinen  zu  vergleichen,  aber  man  muß  hinzuiugen, 

daß  diese  gewaltigen 
Bauwerke  schon  Ruinen 
waren,  ehe  sie  fertig 
dastanden,  weil  die  ge- 
birgsbildenden  Kräfte 
zu  langsam  arbeiten, 
als  daß  sie  den  zerstörenden  einen  großen  Vorsprung  abgewinnen 
könnten.  Die  Denudation  kann  die  natürliche  Anordnung  des 
Faltenwurfes  geradezu  umkehren,  so  daß  Synklinalkämine  und 
Antiklinalthäler  ( f und  e in  Fig.  154)  entstehen.  Ein  anderes 

Produkt  der  Zerstörung  sind 
die  Isoklinalkämme  und 
Isoklinalthäler  (c  und  d 
in  Fig.  154),  in  welchen  die 
Schichten  beiderseits  nach 
der  gleichen  Richtung  fallen. 

Die  genannten  Kämme 
und  Thäler  verlaufen  in  der 
Richtung  der  Falten  und 
des  Gebirges  und  sind  da- 
her Längskämme  und 
Längsthäler.  Dagegen 
durchschneiden  die  Quer- 
thäler  und  Querkämme  — 
wie  Fig.  156  zeigt  — die  Schichten  in  ihrer  Streich richtung  und 
bilden  somit  mit  der  Hauptrichtung  des  Gebirges  mehr  oder  weniger 
rechte  Winkel. 

Neben  stehenden  Falten  kommen  auch  schiefe  und  liegende 
Falten  vor  (s.  Fig.  155).  In  letzterem  Falle  können  — wie  z.  B. 
am  Glärnisch  — die  Schichten  vollkommen  horizontal  liegen,  und 
nur  durch  eingehende  Untersuchungen  ist  dann  die  Dislokation  nach- 
weisbar. Bei  größerer  Faltungsintensität  entstehen  die  sogen.  Iso- 
klinalfalten  (Fig.  1 54'.  in  welchen  die  zusammengedrückten  Mulden 
und  Sättel  im  gleichmäßigen  Schichtenfalle  verschwinden.  Selbstver- 
ständlich ist  hier  auch  die  Längsgliederung  nur  auf  isoklinale  Kämme 
und  Thäler  beschränkt.  Wahrscheinlich  der  Ausdruck  der  größten 


der  Hohen  Tauren. 


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Faltengebirge. 


465 


Faltungsintensität  ist  die  Fächerstruktur  (Fig.  154),  die  der 
krystallinischen  Zone  der  Alpen  und  auch  anderer  Gebirge  eigen- 
tümlich ist  Die  natürliche  Ordnung  erscheint  hier  gerade  umge- 
kehrt, indem  die  Sattelkämme  Synklinalen  und  die  Muldenthäler 
antiklinalen  Bau  besitzen. 

Je  plastischer  eine  Schicht  ist,  desto  leichter  wird  sie  gefaltet 
Schiefer  zeigen  oft  die  merkwürdigsten  Windungen,  während  massige 
Sandsteine  und  Kalksteine  sich  spröde  verhalten,  wenn  nicht  eine 
mächtige  Faltungsintensität  auch  diesen  Widerstand  überwindet. 
Sonst  gilt  aber  hier  der  Grundsatz:  lieber  brechen,  als  biegen.  Je 
mehr  man  in  das  Studium  unserer  Alpen  eindringt,  um  so  mehr 
kommt  man  zur  Überzeugung,  daß  Falten  und  Brüche  in  den 
meisten  Fällen  vergesellschaftet 


-V 


jg 

■//', 


//  / ■ / / / / 
/ _/  / / 


a c ö 
Schuppenstruktur. 


auftreten.  Daraus  entstehen 
die  venvickeltsten  Verhältnisse. 

So  die  Schuppenstruktur, 
die  wir  an  Fig.  157  erläutern 
wollen.  Es  sei  durch  Petre- 
fakten  festgestellt,  daß  von 
der  Schichtengruppe  ab  cd  a 
die  älteste,  d die  jüngste  ist  Ihre  wiederholte  Aufeinanderfolge 
sucht  man  dadurch  zu  erklären,  daß  in  der  Sattelbiegung  der  ur- 
sprünglichen Isoklinalfalten  Brüche  entstanden,  und  die  Falten  an 
den  Bruchflächen  (B)  hinauf  geschoben  wurden,  wobei  der  ganze 
Muldensehenkel  (zwischen  Sattel  und  Mulde)  durch  Auswalzung  ver- 
loren ging  oder  viel- 
mehr unkennbar  ge-  V 

macht  wurde.  Be-  Granit 
denken  wir,  daß  so  Silur 

komplizierte  Vor-  158a.  Profil  durch  dos  Kristianiathal  nach  KEILHAU. 

gänge  nur  in  wenigen, 
von  der  Denudation 

Granit 


Fig.  158  b.  Dasselbe  Profil  nach  Kjeri  lf. 


übriggelassenen 
Bruchstücken  zur  Be- 
obachtung gelangen, 
und  daß  selbst  diese 

zum  größten  Teil  durch  das  Pflanzenkleid  oder  durch  Schnee- 
und  Eismassen  unseren  Blicken  entzogen  sind,  so  können  wir 
uns  eine  Vorstellung  machen  von  der  mühevollen  Arbeit  des 
Geologen,  der  aus  unzähligen  Einzelbeobachtungen  den  inneren  Bau- 
plan der  Gebirge  herzustellen  sucht,  und  es  darf  uns  nicht  Wunder 
nehmen,  daß  manches  geologische  Protil  mehr  ein  Phantasiege- 

8cfa»,  Physische  Erdkunde.  2.  Aull.  30 


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466  Morphologie  des  Landes. 

mälde,  als  ein  getreues  Abbild  der  Wirklichkeit  ist.  Namentlich 
muß  vor  unkritischer  Benutzung  älterer  Profile  gewarnt  werden, 
da  die  Erkenntnis  der  Faltungsphänomene  als  einer  allgemeinen 
Erscheinung  erst  aus  den  letzten  Dezennien  stammt,  und  man  früher 
nicht  die  Vorsicht  gebrauchte,  die  Profile  quer  zur  Längsachse 
der  Falten  aufzunehmen  (vgl.  Fig.  158a  und  b). 

Theorie.1  Zweierlei  hat  die  Theorie  der  Faltengebirge  zu  er- 
klären: 1)  die  vielfach  beobachtete  außerordentliche  Mächtigkeit 

und  Grobkörnigkeit  der  Sedimente  innerhalb  der  gefalteten  Zonen 
im  Vergleiche  zu  den  ungefalteten  Nachbargebieten,  2)  die  Ursache 
der  Faltung  selbst. 

Um  das  erstere  zu  erklären,  entstand  in  Amerika  die  Theorie 
der  Geo Synklinale.  Die  Geosynklinale  ist  eine  trogförmige  Ver- 
tiefung des  Meeresbodens  in  der  Nähe  der  Küste,  die  unter  dem  Ge- 
wichte der  sich  anhäufenden  Kontinentalablagerungen  in  immer 
größere  Tiefen  sinkt.  Sie  ist  sozusagen  der  Mutterschoß  des 
Gebirges. 

Daß  die  Faltung,  welche  das  Gebirge  als  solches  schuf,  nur 
durch  eine  seitlich  wirkende  Kraft  zustande  kam,  wird  heute  all- 
gemein anerkannt.  Sicherlich  erlitt  dadurch  der  Umfang  der  Erde 
eine  Verminderung,  nur  müssen  wir  uns  dabei  stets  vor  Augen  halten, 
daß  auch  die  gewaltigsten  Hochgebirge  im  Vergleiche  zum  Erdkörper 
kleinerscheinen.2  Auf  einem  Riesenglobus  von  2 m Durchmesser  würde 
selbst  der  höchste  Berggipfel  der  Erde,  der  Gaurisankar,  sich  als 
eine  kaum  merkbare  Erhebung  von  1,3  mm  Höhe  darstellen.  Es  ist 
daher  erklärlich,  daß  der  Einfluß  der  Faltungen  auf  den  Erdumfang 
verhältnismäßig  geringfügig  ist.  Der  Zusammenschub  der  Schweizer 
Alpen  beträgt  nach  Heim  nur  76,2  km  (Breite  vor  der  Faltung  158,2, 
jetzige  Breite  82  km),  der  der  Ostalpen  nach  Rothfletz  sogar  nur 
49,6  km.  Selbst  im  ersteren  Falle  wurde  der  Erdumfang  um  nicht 
ganz  0,3  Prozent  verkleinert,  d.  h.  der  frühere  Erdradius  von  6382 
auf  6370  km  verkürzt,  wodurch  eine  Senkung  der  Erdoberfläche 
gegen  den  Mittelpunkt  im  Betrage  von  12  km  eintrat 

Diese  Schrumpfungserscheinung  wird,  wie  auf  S.  276  dargethan 
wurde,  auf  die  Kontraktion  der  Erdrinde  infolge  allmählicher  Er- 
kaltung zurückgeführt.  Von  den  Gegnern  der  Kontraktionstheorie 
wurde  an  derselben  Stelle  auch  bereits  Fisher  genannt.  Andere 
Theorien  sind  hier  nur  in  Kürze  zu  erwähnen.  Nach  Mkllard  Reade3 
entstehen  die  Gebirge  durch  Ausdehnung  infolge  Erwärmung.  In 
den  mächtigen  Sedimentmassen  der  Geosynklinale  und  in  dem 
darunterliegenden  Rindenstücke  steigen  nämlich  die  Geoisothermen 
in  die  Höhe  (vgl.  S.  289),  und  da  eine  horizontale  Ausdehnung  durch 


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Faltengebirge. 


467 


die  der  Temperaturerhöhung  nicht  unterworfenen  Teile  der  Erd- 
kruste gehindert  wird,  so  muß  ein  Ausquetschen  der  unteren  Teile 
der  Geosynklinale  und  ein  Ausweichen  nach  oben  stattfinden.  Reyeb4 
erweiterte  diese  Thermaltheorie,  die  ihm  zur  Erklärung  der 
Falten  nicht  zu  genügen  scheint,  dadurch,  daß  er  noch  die  Gleitung 
der  Schichten  als  wesentliches  Moment  hinzufügte.  Die  Gleitung 
setzt  eine  Neigung  der  Schichten  voraus,  und  diese  ist  schon  durch 
die  thermische  Emporwölbung  der  Sedimente  gegeben.  Dutton5 
führt  die  Gebirgsbildung  auf  isostatische  oder  Gleichgewichtskräfte 
zurück,  ln  einem  ungleichartigen  Körper,  wie  es  die  Erde  ist,  ist 
der  Gleichgewichtszustand,  die  Isostasie,  nur  dann  hergestellt,  wenn 
die  schwereren  Krustenteile  als  Depressionen,  die  leichteren  als  Er- 
hebungen auftreten.  Die  Denudation  stört  das  Gleichgewicht,  indem 
sie  die  Festländer  abträgt  und  die  Ozeane  ausfüllt.  Ein  Küsten- 
gebirge erzeugt  von  selbst  in  dem  anliegenden  Ozean  eine  Geosyn- 
klinale; die  Geosynklinale  sinkt  immer  tiefer,  die  Küste  steigt  immer 
höher,  und  daraus  entwickelt  sich  eine  Kraft,  welche  bestrebt  ist, 
die  Sedimente  der  Geosynklinale  horizontal  gegen  die  Küste  zu 
schieben. 

Diese  kurzen  Andeutungen  genügen  zur  Orientierung;  die  Auf- 
gabe der  Geographie,  die  äußere  Erscheinung  der  Gebirge  aus 
ihrem  inneren  Bau  zu  erklären,  wird  durch  den  Streit  der  Theorien 
kaum  berührt 

ftuerprofil  einfacher  Faltengebirge.  Im  Querdurchschnitte  be- 
stehen sämtliche  Faltengebirge  aus  einer  Aufeinanderfolge  von  Falten, 


awa  ,-v  sei 


Fig.  159.  Profil  durch  den  westlichen  Jura  nach  P.  Choffat. 


zu  denen  sich  allerdings  auch  häufig  Zonen  gesellen,  in  denen 
Brüche  vorherrschen. x Dieses  Moment  wollen  wir  vorläufig  außer 
Acht  lassen. 

Verlaufen  die  Falten  nur  im  sedimentären  Gestein,  so  nennen 
wir  das  Gebirge  ein  einfaches.  Das  bekannteste  Beispiel  dieser 
Kategorie  ist  der  Schweizer  Jura  (Fig.  159).  Jura-,  Kreide-  und 
Tertiärschichten  sind  in  stehende  oder  nordwärts  geneigte  Falten 
gelegt.  Nach  Heim  beträgt  die  Zahl  der  Falten  etwa  160;  keine 

x Darauf  gründet  v.  Richthofen  seine  Einteilung  in  homüomorph e 
oder  reine  Faltengebirge  und  heteromorphe  oder  Faltengebirge  mit  Bruch- 
zone. Wir  werden  die  entsprechenden  deutschen  Ausdrücke  gleich-  und  ungleich- 
förmig in  einem  wesentlich  anderen  Sinne  gebrauchen. 

30* 


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468 


Morphologie  des  Landes. 


derselben  — und  dies  scheint  ein  allgemein  gütiges  Gesetz  zu 
sein  — erreicht  die  Länge  des  ganzen  Gebirges  (320  km),  sondern 
sie  streichen  nur  12  — 90  km  (eine  sogar  1 62  km)  weit  uud  tauchen 
dann  unter,  um  anderen  Platz  zu  machen.  Auf  dem  Wege  quer 
durch  das  Gebirge  durchschneidet  man  etwa  10 — 12  Falten,  die 
parallel  neben  einander  herziehen;  der  tektonische  Gegensatz  zwischen 
dem  südlichen  Gebirgslande  und  dem  nördlichen  Plateau,  die  sich 
geognostisch  in  nichts  unterscheiden,  kommt  in  Choffats  Profile 
trefflich  zum  Ausdrucke.  Aber  auch  innerhalb  der  Faltenzone  ent- 
hüllt es  uns  mancherlei  Ungleichförmigkeiten.  Vergleichen  wir  die 
zweite  und  dritte  Antiklinale,  von  Süden  an  gerechnet,  so  finden 
wir,  daß  bei  nahezu  gleicher  Schichtenneigung  die  Triasunterlage 
(weiß)  sehr  verschiedene  Seehöhen  einnimmt.  Wir  können  die  fal- 
tende Kraft  in  eine  vertikale  und  eine  horizontale  Komponente  zer- 
legen; von  der  ersteren  hängt  die  Hebungsintensität,  d.  h.  die 
Seehöhe,  bis  zu  der  eine  bestimmte  Tiefenzone  emporgepreßt  wurde, 
von  der  letzteren  die  Faltungsintensität  oder  der  Fallwinkel  der 
Schichten  ab.  In  unserem  Beispiele  ist  es  ohne  weiteres  klar,  daß 
bei  nahezu  gleicher  Faltungsintensität  die  Hebungsintensität  in  der 
zweiten  Antiklinale  bedeutend  größer  war,  als  in  der  dritten.  Die 
vertikale  Komponente  bestimmt  die  ursprüngliche  Höhe  einer 
Falte,  doch  ist  ein  strenger  Vergleich  nur  zwischen  Falten  der- 
selben Kategorie  — stehenden,  schiefen,  geneigten  — möglich.  Brüche 
und  Senkungen  können  die  ursprüngliche  Ordnung  stören,  und  die 
Denudation,  deren  Kraft  sich  nach  oben  steigert,  mildert  die  hypso- 
metrischen Unterschiede,  aber  im  großen  und  ganzen  ist  die  Hebungs- 
intensität doch  der  maßgebende  Faktor  für  die  Höhenverhältnisse 
der  Faltengebirge.  Sie  war  in  den  Alpen  ungleich  größer  als  im 
Jura,  sie  nahm  im  Jura  selbst  im  Allgemeinen  nach  Nordwesten  ab  und 
bewirkte  in  derselben  Richtung  eine  Erniedrigung  der  Ketten.  Die 
Faltungsintensität  ist  in  anderer  Beziehung  wichtig.  Flache  Falten 
geben  dem  Gebirge  einen  plateauartigen  Charakter,  aber  anderseits 
können  auch  stark  geneigte  oder  unsymmetrische  breite  Falten  die 
orographischen  Eigentümlichkeiten  der  Flachschichtung  hervorrufen. 
Werden  die  Falten  stark  zusammengepreßt,  so  unterliegen  sie  in 
ihren  oberen  Teilen  leichter  den  zerstörenden  Kräften,  Schichten 
von  verschiedener  Gesteinsbeschaffenheit  werden  nahe  an  einander 
gerückt  und  die  ursprünglichen  Unebenheiten  werden  gesteigert 
durch  den  raschen  Wechsel  der  Denudationswirkungen.  Indes  unter- 
liegen solche  allgemeine  Regeln  natürlich  mannigfachen  Modifica- 
tionen;  der  Individualismus  der  Gebirge  kann  nicht  stark  genug 
betont  werden. 


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Faltengebirge. 


469 


Wir  kehren  zum  Schweizer  Jura  zurück.  Wir  sehen  hier  eine 
Aufeinanderfolge  von  Ketten,  die  zwar  an  Höhe  verschieden  sind, 
aber  nicht  so  sehr,  daß  eine  Zone  sich  scharf  von  den  andern  ab- 
heben würde,  weil  alle  Ketten  aus  denselben  Formationen  sich  auf- 
bauen. Das  sind  die  Eigenschaften  eines  gleichförmigen  Gebirges 
in  unserem  Sinne. 

Ungleichförmig  nennen  wir  ein  Gebirge,  wenn  es  aus  deut- 
lich unterscheidbaren  Streifen  von  verschiedener  Zusammensetzung 
besteht.  Dieser  zonale  Aufbau  ist  das  geographisch  wichtigste 
Moment,  denn  er  ist,  sofern  das  Gebirge  nicht  später  tiefgreifende 
Veränderungen  erlitten  hat,  mit  einem  großen  Wechsel  der  Szenerie 
verbunden.  Auch  einfache  Gebirge  können  ungleichförmig  sein. 
Man  betrachte  nur  beistehendes  Profil  des  Sulimangebirges,  das  sich 
zwischen  Indien  und  Afghanistan  erhebt  (Fig.  160).  Der  Gegensatz 
der  Hochgebirgszone  (Takht-i-Suliman  8370  m)  und  des  im  Osten 
vorgelagerten  Berglandes,  wo  nur  einige  Höhen  1500 — 1800  m er- 
reichen, ist  so  auffallend,  daß  man  sich  weitere  Worte  ersparen 
kann.  Aber  auch  die  Ursache  dieses  Kontrastes  ist  ohne  weiteres  er- 
kennbar. Die  Tektonik  ist  ja  verhältnismäßig  einfach:  zwei  Antiklinalen 
.4*  und  A 2 schließen  eine  breite  Synklinale  (5)  ein.  Und  nun  vergleiche 
man  die  beiden  Antiklinalen ; .4'  würde  selbst  bei  vollständiger  Erhaltung 
(wie  die  punktierte  Linie  anzeigt)  kaum  ein  Drittel  so  hoch  sein,  als 
das  Gewölbe  der  Sulimanskette  (.42),  obwohl  hier  die  ganze  eocäne  Sedi- 
mentdecke durch  Denudation 
schon  entfernt  ist.  Mit  anderen 
Worten:  die  Hebungsinten- 
sität war  im  Osten  viel  geringer 
als  im  Westen.  Solche  Unter- 
schiede kommen  allerdings  auch 
im  Jura  vor,  und  in  der  That 
besteht  zwischen  gleich-  und 
ungleichförmigen  Faltenge- 
birgen in  unserem  Sinne  nur 
ein  gradueller  Unterschied;  aber  dieser  ist  so  bedeutungsvoll,  be- 
herrscht so  sehr  die  ganze  geographische  Erscheinungsweise,  daß  wir 
mit  vollem  Hechte  darauf  eine  Klassifikation  gründen  können. 

duerprofll  zusammengesetzter  Gebirge.  Die  Ungleichförmigkeit 
tritt  noch  prägnanter  in  zusammengesetzten  Gebirge  hervor, 
d.  h.  in  Gebirgen,  die  einerseits  aus  Zonen  alter  krystallinischer 
Gesteine,  andererseits  aus  Sedimentzouen  bestehen.  Auch  innerhalb 
der  letzteren  ist  eine  stufenartige  Anordnung  noch  dem  Alter  viel- 
fach bemerkbar. 


Sulun  anskßtLC 


Fig  1G0.  QuerpVofil  des  Suliman-Gebirges 
nach  La  Touche.0  a Korallenkalke  der  Kreide- 
formation, b'  Belemnitenschichten  der  Kreide- 
formation;  c mittleres,  d oberes  Eocän;  e Si- 
walikschichtcn ; f Alluvium. 


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470 


Morphologie  des  Landes. 


Begeben  wir  uns  in  dieSchweizer  Alpen  (Fig.  161).  Von  Norden 
nach  Süden  treten  immer  ältere  Gebilde  zutage,  und  wird  das  Ge- 
birge stufenweise  höher.  Die  innere  und  höchste  Zone  bilden 
krystallinische  Schiefer  und  Massengesteine,  und  jüngere  Sedimente 
haben  sich  nur  noch  in  den  Faltenmulden  vor  der  Denudation 
gerettet.  In  den  daran  sich  schließenden  Partien  der  Sedimentzone 
ist  die  krystallinische  Unterlage  noch  stellenweise  sichtbar,  aber  die 
Hauptmasse  der  Gebirge  besteht  schon  aus  Trias-,  Jura-,  Kreide- 
und  Eocängesteinen.  Dann  verschwindet  die  krystallinische  Unter- 
lage gänzlich  unter  der  Sedimentdecke,  und  am  äußeren  Rande 
machen  auch  die  älteren  Schichtgesteine  der  miocänen  Molasse  Platz, 
die  nur  noch  in  der  Nähe  des  Gebirges  in  Falten  gelegt  ist.  Die 
Hebungsintensität  nimmt  also  von  der  krystallinischen  Zone  nach 
außen  ab  und  darauf  beruht  es,  daß  diese  noch  immer  die 
höchste  ist,  obwohl  sie  ihre  Sedimentdecke  bis  auf  wenige  Reste 
verloren  hat.  Die  Faltuugsintensität  erreicht  allerdings  auch  hier 
ihr  Maximum,  denn  Fächerstruktur  ist  nur  dieser  Zone  eigen;  da- 
neben kommen  aber  auch  ganz  flache  Antiklinalen  vor,  wie  im  Tessiner 
Gebirge,  und  am  Außenrande  der  Sedimentzone  wirkte  die  horizon- 
tale Komponente  noch  einmal  sehr  energisch,  wie  die  zusammen- 
gepressten, steilen,  nach  außen  sich  neigenden  Falten  zeigen. 

Da  die  Alpen  einen  Bogen  beschreiben,  so  können  wir  die 
krystallinische  Zone  auch  als  die  innere,  die  Sedimentzone  als  die 
äußere  bezeichnen;  die  faltende  Kraft  wirkte  von  innen  nach  außen, 
d.  h.  von  Süden  nach  Norden,  bezw.  von  Osten  nach  Westen.  Wir 
nennen  diesen  Typus  den  asymmetrischen. 

Die  Ostalpen7  sind  im  Gegensätze  zu  den  schweizerischen 
symmetrisch  gebaut,  die  krystallinische  Zone  wird  hier  beiderseits 
von  Sedimentzonen  eingefasst,  und  in  den  letzteren  ist  ebenfalls  eine 


I ] 7srti(irfbrmatü?n  t V/tr'rü&fömutatxl,  SiU^  Jura/brmatitm  ^L^^DotaarifJ  JF&S'J  \H\firyxfttlhn  ■ 


Fig.  161.  Profil  durch  die  Schweizer  Alpeu  nach  Heim. 


zonenweise  Altersfolge  von  innen  nach  außen  bemerkbar:  erst  paläo- 
zoische, daun  mesozoische,  endlich  tertiäre  Gesteine.  Eine  völlige 
Symmetrie  ist  aber  nicht  vorhanden.  Westlich  der  Etsch  streichen 
die  Falten  ganz  abnorm  nach  Nordnordost  statt  nach  Ost  oder 
Ostnordost;  schon  hier  treten  große  Brüche  auf,  und  diese  gewinnen 
östlich  der  Etsch  immer  mehr  an  Bedeutung,  so  daß  die  südlichen 
Kalkalpen  in  manchen  Profilen  mehr  einem  Schollen-  als  einem  Falten- 


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Faltengebirge. 


471 


gebirge  gleichen.  Dazu  kommt  noch,  daß  hier  wiederholt  die  kristalli- 
nische Unterlage  in  schmalen  Zonen  an  die  Oberfläche  tritt,  eine 
Erscheinung,  die  den  nördlichen  Kalkalpen  ganz  fremd  ist  Nur 
wenn  beide  Kalkzonen  sich  völlig  entsprächen,  wäre  die  Annahme 
berechtigt,  daß  die  faltende  Kraft  von  der  Innenzone  nach  beiden 
Seiten  hin  die  Schichten  zusammengeschoben  habe.  Süss  hält 
daher  auch  für  die  Ostalpen  an  einem  einseitigen  Schube  von  Süden 
nach  Norden  fest,  infolge  dessen  an  der  Außenseite  Faltung,  an 
der  Innenseite  Zerreißung  und  Einbruch  erfolgte. 

Wieder  anders  gebaut  sind  die  Alpen  zwischen  Frankreich  und 
Italien.8  Die  schmalen  Sedimentmulden  innerhalb  der  schweize- 
rischen krystallinischen  Zone  entfalten  sich  hier  zu  einem  breiten 
Gebirgsbande,  so  daß  wir  von  dem  italienischen  Innenrande  nach 
Westen  fortschreitend  vier  Zonen  durchqueren:  1)  die  krystallinische 
Zone  der  Cottischen  und  Grajischen  Alpen,  2)  die  Kalkzone  des 
Briat;onnais,  3)  die  krystallinische  Zone  des  Montblanc  und  Mont 
Pelvoux,  4)  die  Kalkzone  des  Dauphinö  und  Savoyens.  Diesen  Typus 
nennen  wir  den  zonalen. 

Die  genannten  Unterarten  des  ungleichförmigen  Gebirgsbaues 
sind  weit  verbreitet.  Wir  müssen  uns  hier  nur  auf  je  ein  Beispiel 
beschränken.  Asymmetrisch  ist  der  Ural;  die  westliche  krystallinische 
Zone  trägt  die  Hauptwasserscheide,  breitet  sich  aber  nach  Osten 
noch  weit  in  das  Flachland  aus,  allmählich  in  niedere  Vorhöhen 
verlaufend;  die  Sedimentzone  verflacht  sich  nach  Westen.  Spuren 
ehemaliger  Symmetrie  scheinen  noch  vorhanden  zu  sein.  Symme- 
trischen Bau  besitzen  die  Pyrenäen;9  die  mittlere  Zone  besteht 
aus  paläozoischen  Gesteinen  mit  durchbrechenden  Granitkernen,  dann 
folgen  nach  beiden  Seiten  die  verschiedenen  mezoischen  Zonen,  end- 
lich das  Tertiär.  Die  äußeren  Falten  neigen  sich  nach  außen,  die 
nördlichen  nach  Norden,  die  südlichen  nach  Süden,  geradeso  wie  in 
den  Ostalpen.  Aber  weiter  geht  die  Symmetrie  auch  hier  nicht;  es 
sei  nur  erwähnt,  daß  die  südliche  Sedimentzone  viel  entwickelter 
ist  und  zu  größerer  Höhe  ansteigt,  als  die  nördliche;  steht  doch 
der  ihr  angehörige  Montperdu  nur  um  wenige  Meter  dem  Kulmi- 
nationspunkte des  ganzen  Gebirges,  dem  granitischen  Aneto,  nach. 
In  der  Sierra  de  Guara  am  äußersten  aragonischen  Rande  führen 
sehr  verwickelte  Strukturverhältnisse  noch  einmal  die  mesozoische 
Reihe  zutage.  Nach  Westen  laufen  beide  Sedimentzonen  zusammen, 
und  die  paläozoische  Mittelzone  schrumpft  zu  einem  schmalen  Bande 
zusammen. 

Das  höchste  Gebirge  der  Erde,  den  Himalaja,10  bezeichnet 
Lydekkeb  als  ein  System  nach  Südwesten  geneigter  Isoklinalfalten, 


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472  Morphologie  de«  Lande«. 

in  dem  stehende  Falten  und  Verwerfungen  nur  eine  untergeordnete 
Rolle  spielen.  Nach  Gbiesbach  sind  von  Südwesten  nach  Nordosten 
folgende  Zonen  zu  unterscheiden : 1)  der  Vorhimalaja,  im  Pandschab 
900 — 1 200  m hohe  Ketten,  aus  tertiären  und  zwar  meist  jungtertiären  x 
Sandsteinen  und  Konglomeraten  bestehend,  die  gegen  die  älteren 
Gesteine  mit  einer  nach  Nordost  einfallenden  Verwerfung  enden, 
2)  der  Niederhimalaja,  eine  80 — 100  km  breite  und  selten  über 
4000  m hohe  Zone  aus  paläozoischen  Sedimenten  mit  Durchbrüchen 
archäischer  und  metamorpliischer  Gesteine.  Diese  Zone  verschmilzt 
orographisch  stellenweise  mit  der  3.  Zone,  in  anderen  Gegenden  ist 
aber  durch  große  Längsthäler  (Kaschmir,  Chandra)  eine  deutliche 
Scheidung  durchgeführt.  3)  Die  Zone  der  großen  Gipfel  oder 
die  siidkrystallinische  Zone,  eine  fortlaufende,  aber  orographisch 
nicht  geschlossene  Reihe  von  Schneegipfeln  von  6 — 8000  m Höhe. 
Hochthäler  in  4600 — 4900m  Seehöhe  trennen  sie  von  4)  der  wasser- 
scheidenden Sedimentzone,  die  sich  aus  paläozoischen,  meso- 
zoischen und  sogar  tertiären  Ablagerungen  aufbaut.  Im  Quellgebiete 
des  Ganges  erreicht  sie  eine  mittlere  Höhe  von  6000  m,  Pässe  in 
5000 — 5800  m Höhe  führen  nach  Tibet  hinüber.  Nur  der  Sutley 
und  der  Zanskar  durchbrechen  diesen  geschlossenen  Gebirgszug. 
Damit  endet  der  Himalaja  im  gewöhnlichen  Sinne  des  Wortes,  und 
beginnt  das  tibetanische  Gebirge,  das  aber  z.  T.,  besonders  im  Nord- 
westen, sich  enge  an  den  Himalaja  anschmiegt.  Es  folgt  auf  die 
wasserscheidende  Sedimentzone  die  hohe  krystallinische  Indus- 
zone, endlich  die  paläozoische  und  mesozoische  Sedimentzone 
des  Karakorum.  Diese  Skizze  dürfte  trotz  ihrer  Dürftigkeit  ge- 
nügen, nun  uns  eine  Vorstellung  von  einem  mehrfach  zonalen  Ge- 
birge zu  geben. 

Es  war  noch  vor  einem  Jahrzehnt  herrschende  Überzeugung, 
daß  die  großen  Faltungen  sich  zwar  langsam  vollzogen,  aber  doch 
auf  eine  bestimmte  Periode  sich  beschränkten.  Die  Geschichte 
der  Alpen  schied  sich  klar  und  sauber  in  zwei  Hauptperioden:  in 
eine  lange  der  Sedimentablagerung  und  in  eine  verhältnismäßig  kurze 
der  Emporfaltung  gegen  das  Ende  der  Tertiärzeit.  Immer  mehr  aber 
bricht  sich  die  Überzeugung  Bahn,  daß  diejenige  Erdstelle,  die  wir 
heute  Alpen  nennen,  wiederholt  der  Schauplatz  von  Gebirgsbildungen 
gewesen  ist;  und  betreffs  des  Himalaja  sprach  sich  Gkiesbach  in 
bestimmtester  Weise  dahin  aus,  daß  er  nicht  das  Erzeugnis  einer 
einzigen  Faltungsepoche,  sondern  periodisch  wiederkehrender  Dislo- 
kationen sei,  die  allerdings  am  Ende  der  Miocänzeit  ihre  höchste 


x Die  sog.  Siwaliksehichten. 


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Faltengebirge. 


473 


Kraft  entfaltet  haben,  aber  auch  heute  noch  nicht  abgeschlossen  sind. 
Natürlich  gelingt  es  nur  detaillierten  Studien,  solche  Gebirgspalimp- 
seste  zu  enträtseln.  In  den  Alpen  erkannte  man  sehr  deutliche 
Spuren  einer  jungpaläozoischen  und  Andeutungen  einer  kretacelscheu 
Faltungsphase.  Die  Hauptlinien  der  heutigen  Alpen  stammen  aber 
unzweifelhaft  aus  der  Tertiärzeit,  und  gegenüber  dieser  letzten  Faltung 
verhielten  sich  die  alten  Gebirgsreste  anscheinend  als  todte  ver- 
festigte Massen;  aber  auch  durch  ihren  passiven  Widerstand  mußten 
sie  die  Neugestaltung  beeinflussen.  Wie  die  Falten  stellenweise 
durch  Brüche  ersetzt  werden,  wurde  schon  oben  angedeutet;  neben 


0 Grauwacke;  UT Untere  Trias  (Werfener  Schiefer,  Steinsalz.  Virgloria-Kalk);  Obere 
Trias;  H Hallstätter  Kalk,  D Dachstein- Kalk;  L Lias,  J Oberer  Jura. 

Fig.  162.  Profil  des  Dachstein-Gebirges  nach  v.  Hochstetter. 


scharfen  Kämmen  erscheinen  in  den  Kalkalpen  ausgedehnte  Plateaus, 
wie  das  Dachsteingebirge  (Fig.  162),  bedingt  durch  die  flache 
Lagerung  mächtiger  Kalkschichten;  in  anderen  Gebirgen  gesellen 
sich  spätere  vulkanische  Ergüsse  hinzu,  zwar  als  ein  fremdes  Element, 
aber  doch  als  ein  solches,  das  mit  dem  Faltenbaue  zu  einer  oft 
untrennbaren  Einheit  verschmilzt.  Das  treffende  Wort,  das  v.  Mojsi- 
sovics  auf  die  Alpen  anwaudte:  „ein  gemeinsames  Dach  wölbe  sich 
zwar  über  dem  großen,  mit  uniformen  Schnörkeln  ausgestatteten  Bau, 
aber  die  einzelnen  Theile  seien  zu  verschiedenen  Zeiten,  von  ver- 
schiedenen Baumeistern  und  nach  abweichenden  Baustilen  ausge- 
führt worden“,  gilt  von  den  meisten  großen  Kettengebirgen. 

Längserstreckung.  In  Bezug  auf  ihre  Längserstreckung  kann 
man  die  Kettengebirge  in  geradlinige  und  bogenförmige 
teilen;  und  es  muß  besonders  betont  werden,  daß  die  Bogenform 
durchaus  nicht  an  die  Ungleichförmigkeit  gebunden  ist,  denn  es 
giebt  auch  gleichförmige  Bogengebirge,  wie  den  Schweizer  Jura,  und 
ungleichförmige  mit  geradlinigem  Verlaufe,  wie  die  Pyrenäen  oder 
den  Kaukasus.  Die  Bogenform  bietet  ein  schwieriges  Problem,  denn 
wenn  auch  aus  der  Annahme  eines  Horizontalschubes  sich  unmittel- 
bar ergiebt,  daß  die  Falten  und  Bergketten  senkrecht  zu  der  Richtung 
der  faltenden  Kraft  verlaufen,  so  entsteht  doch  die  Frage,  was 
diese  Kraft  zu  so  auffallenden  Drehungen  veraidaßt  haben  kann. 


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474  Morphologie  des  Lande«. 

Süss  dachte  an  einen  Widerstand  alter  Massen  an  der  Außen- 
seite der  Falten.  Für  das  Alpensystem  bildeten  nach  seiner  An- 
sicht das  Gneißmassiv  der  Serre  (bei  Dole,  südöstlich  von  Besancon), 
der  Schwarzwald  und  das  große  böhmische  Massiv  stauende  Hinder- 
nisse; wo  solche  fehlen,  entwickeln  sich  die  Falten  freier  und  regel- 
mäßiger. Besonders  klar  tritt  dies  am  Ostende  des  böhmischen 
Massivs  hervor,  indem  die  Alpenketten  sich  rutenförmig  teilen  und 
der  Karpatenbogen  weit  nach  Norden  vorrückt.  In  neuester  Zeit 
hat  Frech11  die  alten  Restgebirge  an  der  Innenseite  der  Falten, 
wie  er  solche  in  den  südlichen  Kalkalpen  fand,  für  die  Ablenkung 
des  Horizontalschubes  verantwortlich  gemacht. 

Manchmal  vollzieht  sich  die  Umbiegung  in  geschlossener  Ketten- 
form, selbst  dann,  wenn  sie  nahezu  in  eine  Knickung  übergeht,  wie 
an  der  Südostecke  von  Siebenbürgen.  Die  hier  beginnenden  Transsil- 
vanischen Alpen  setzen  sich  dann  mit  abermaliger  scharfer  Um- 
biegung im  Balkan  fort.  Einem  auffallend  ähnlichen  Baue  begegnen 
wir  am  westlichen  Ausgange  des  Mittelmeeres:  das  marokkanische 
Rif  entspricht  dem  Balkan,  das  andalusische  Gebirge  den  Transsil- 
vanischen Alpen,  die  Bucht  von  Gibraltar  der  jungen  Tiefebene  der 
Walachei;  aber  an  der  Umbiegungsstelle  ist  hier  ein  Teil  des  Gebirges 
in  die  Tiefe  gesunken  und  hat  damit  die  Straße  von  Gibraltar 
eröffnet. 

Bisher  haben  wir  nur  den  Fall  betrachtet,  wo  Veränderung  in 
der  Richtung  des  Horizontalschubes  auch  solche  in  der  Streich- 
richtung des  Gebirges  hervorrufen.  Wenn  aber  eine  Erdstelle  zu 
wiederholten  Malen  Faltung  erleidet,  so  kann  es  Vorkommen,  daß 
sich  innerhalb  eines  und  desselben  Gebirges  zwei  Richtungen  kreuzen. 
Das  Taurische  Gebirge  hat  nach  Listows  Untersuchungen12  einen 
solchen  komplizierten  Bau,  aber  das  nordöstliche  System  bleibt  das 
formgebende  Element,  das  nordwestliche  kommt  nur  in  untergeord- 
neter Weise  zur  Geltung.  Eines  anderen  merkwürdigen  Beispiels 
möge  noch  gedacht  werden,  obwohl  es  kein  Kettengebirge  betrifft; 
es  ist  der  östliche  Teil  von  Schantung  und  das  Gebirge  von  Liau- 
tung  in  China.  Das  alte  krystallinische  Gebirge  strich  nach  Süd- 
südosten, w'urde  aber  später  samt  den  jüngeren  Gebilden  in  ost- 
nordöstlich gerichtete  Falten  gelegt.  Nur  einzelne  Massen  widerstanden 
dem  zweiten  Zusammenschube,  wie  der  gewaltige  Zug  des  Hwang- 
schau,  der  die  ältere  Richtung  beibehalten  hat,  während  unmittelbar 
daneben  Ketten  dem  zweiten  System  folgen.  Daß  ältere  Falten 
und  jüngere  Brüche  verschiedene  Richtungen  einschlagen,  ist  keine 
seltene  Erscheinung,  aber  nur  in  umgeformten  Faltengebirgen,  wie 
wir  später  sehen  werden. 


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Faltengebirge. 


475 


Beziehungen  der  Faltengebirge  zu  einander.  Abgrenzung  und 
Einteilung  derselben.  Wenn  sich  ein  Gebirge  isoliert  aus  der  Ebene 
erhebt,  so  kann  über  seine  geographische  Selbständigkeit  und  seine 
Grenzen  kein  Zweifel  sich  erheben.  Solche  Gebirge  gehören  aber 
meist  anderen  Kategorien  an;  von  den  echten  Faltengebirgen  unseres 
Festlandes  nimmt  nur  der  Ural  eine  solche  isolierte  Stellung  ein; 
selbst  die  Abgrenzung  des  Kaukasus,  die  auf  orographischen  Karten 
kleineren  Maßstabes  so  einfach  erscheint,  erfordert  im  Süden  schon 
Vertrautheit  mit  den  Einzelheiten  des  Gebirgsbaues.  Den  geraden 
Gegensatz  zum  Ural  bildet  das  westliche  Faltengebirge  der  Balkan- 
halbinsel. Im  Westen  ist  natürlich  das  Meer  die  Grenze,  im  Osten 
tritt  es  aber  ohne  Einschaltung  einer  Ebene  so  nahe  au  Gebirge 
von  anderer  Struktur  heran,  daß  auf  genaue,  allseitig  befriedigende 
Scheidung  überhaupt  verzichtet  werden  muß.  Schwierig  ist  auch 
die  Aufgabe  des  Geographen,  wenn  Faltengebirge  miteinander  ver- 
wachsen, und  dies  ist  innerhalb  der  Hochlandgürtel  beider  Welten 
sogar  die  Regel.  Der  Sprachgebrauch  bietet  einige  Anhaltspunkte, 
aber  keineswegs  sichere;  trotzdem  läßt  er  sich  nicht  einfach 
ignorieren,  soll  nicht  eine  heillose  Verwirrung  einreißen. 

Hier  nur  ein  paar  Beispiele. 

Die  Alpen  zeigen  uns  zwei  verschiedene  Arten  der  Verwachsung. 
Der  Schweizer  Jura  schmiegt  sich  an  seinem  Südwestende  so  enge 
an  die  Kalkalpen  an,  daß  er  geradezu  als  ein  Teil  derselben  er- 
scheint, und  erst  in  seinem'  weiteren  Verlaufe  gewinnt  er  Selb- 
ständigkeit Der  Apennin  und  Karst  sind  dagegen  orographisch 
einfache  Fortsetzungen  der  Alpen.  Im  ersteren  Falle  leitet  uns 
wenigstens  der  Richtungswechsel  und  die  Veränderung  in  der  geolo- 
gischen Zusammensetzung  bei  der  Grenzbestimmung,  obwohl  noch 
bis  zum  heutigen  Tage  diirüber  gestritten  wird,  durch  welche  Thäler 
und  über  welchen  Paß  am  besten  die  Grenze  zu  ziehen  sei.13  Bei 
der  Scheidung  zwischen  Alpen  und  Karst  lassen  uns  orographische 
wie  geologische  Karten  im  Stiche;  hier  müssen  wir  noch  tiefer  in 
den  Gebirgsbau  eindringen,  um  einige  Anhaltspunkte  zu  gewinnen. 
Wie  auch  viele  andere  Kettengebirge,  treten  die  Alpen  im  Osten 
rutenförmig  auseinander;  der  Karst  ist  der  Südflügel,  die  Kar- 
paten sind  der  Nordfliigel;  nur  ist  im  letzteren  Falle  die  Trennung 
auch  äußerlich  durch  aufgesetzte  Ebenen  vollzogen.  Aber  gerade 
dieses  Beispiel  lehrt  uns,  daß  die  Natur  manchmal  äußerlich  ge- 
trennt hat,  was  innerlich  zusammengehört;  und  wenn  es  auch  nie- 
mandem einfällt,  den  Karpaten  ihre  Selbständigkeit  zu  rauben,  so 
müssen  sie  sich  es  doch  gefallen  lassen,  als  ein  Glied  dem  alpinen 
System  eingereiht  zu  werden  (vgl.  S.  30).  Gcbirgssysteme 


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476 


Morphologie  des  Landes. 


repräsentieren  also  eine  höhere  Ordnung  als  Gebirge,  und  zu  einem 
solchen  System  fassen  wir  nicht  bloß  die  äußerlich  verbundenen 
Gebirge  zusammen,  sondern  auch  solche,  welche  entwicklungsgeschicht- 
lich zusammengehören,  auch  wenn  jugendliche  Oberflächengebilde 
diesen  Zusammenhang  verbergen. 

Am  Westende  des  zentralasiatischen  Hochlandes  verschlingen 
sich  Himalaja,  Karakorum,  Kueulun,  die  Pamirerhebung,  der  Hindu- 
kusch, der  Tianschan  zu  dem  gewaltigsten  Gebirgsknoten  der  Erde, 
von  dem  sie  fast  nach  allen  Himmelsrichtungen  ausstrahlen.  Das 
ist  Scharung,  d.  h.  Zusammendrängung  von  Faltenzügen,  die  daun 
auseinandertreten,  wie  bei  Alpen  und  Jura,  aber  zugleich  auch 


100*  joar  w Hi*  o 


Sinisches  System. 


Fig.  163.  Das  Zusammen  treffen  des  sinischen 
u.  des  Kuenlun-Systeras  nach  v.  Richthofen. 


Endverwachsung,  wie 
zwischen  Alpen  und  Apenninen, 
indem  der  Übergang  aus  dem 
Himalaja  in  den  Hindukusch 
durch  Beugung  und  Verände- 
rung der  Streichrichtung  erfolgt. 
Eine  andere  Art  von  Scha- 
rung, die  von  der  bisher 
geschilderten  wesentlich  ver- 
schieden, ist  hat  v.  Richthofen 


am  Ostende  des  Kuenlun  beob- 


achtet. Starr  behält  dieser  seine  Richtung  bei  und  zwingt  die  auf  ihn 
stoßenden  Falten  des  offenbar  jüngeren  sinischen  Systems  sich  ihm 
anzuschließen  (Fig.  163).  Ein  ganz  anderes  Verhalten  befolgen  die 
beiden  Richtungssysteme  des  Atlas,  das  östliche  des  Kleinen  und  das 
nordöstliche  des  Großen  Atlas;  an  der  algerisch -tunesischen  Grenze, 
wo  sie  sich  begegnen,  werden  die  Falten  des  ersteren  von  denen  des 
letzteren  glatt  abgeschnitten.14 

Wie  wir  einerseits  Gebirge  zu  Systemen  zusammenfassen,  so 
lösen  wir  sie  andererseits  in  Haupt-  und  Untergruppen  auf.  Soll 
eine  solche  Einteilung  über  das  Niveau  eines  schulmäßigen  Not- 
behelfs hinausreichen,  so  muß  sie  die  inneren  Gegensätze  zum  Aus- 
drucke bringen.  Aber  nicht  minder  wichtig  ist  die  orographische 
Gliederung  durch  Tiefenlinien;  beide  Gesichtspunkte  müssen  maß- 
gebend bleiben,  und  die  Entscheidung  wird  in  vielen  Fällen  nur 
durch  ein  Kompromiß  erfolgen  können,  v.  Mojsisovics  war  der 
erste,  der  den  tiefgreifenden  Unterschied  zwischen  der  Ost-  und 
Westhälfte  der  Alpen  erkannte  und  sie  durch  die  vom  Bodensee  zum 
Lago  Maggiore  sich  erstreckenden  Thallinien  schied.  Geographisch 
besonders  wichtig  ist  die  schon  erwähnte  Thatsache,  daß  nur  die 
Ostalpen  eine  südliche  Sedimentzone  besitzen.  Die  großen  Kalk- 


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Faltengebirge. 


477 


und  Dolomitmassen,  welche  hauptsächlich  die  nördliche  Sediment- 
zone zusammenset/.en,  sind  in  den  Ostalpen  obertriassischen  Alters, 
während  sie  in  den  Westalpen  der  Jura-  und  Kreideformation 
angehören.  Hier  nehmen  auch  die  eocänen  Flyschschiefer  und 
Sandsteine  hervorragenden  Anteil  an  der  Gebirgsbildung,  indem  sie 
zonenartig  zwischen  den  sekundären  Gesteinen  auftreten,  während 
sie  in  den  Ostalpen  nur  auf  den  äußeren  Rand  beschränkt  sind;  das 
unter  dem  Namen  NagelHuh  bekannte  neogene  Konglomerat  kommt 
nur  in  den  Westalpen  vor.15 

Ein  anderes  Beispiel  von  der  Ungleichartigkeit  innerhalb  eines 
und  desselben  Gebirges  bietet  der  Balkan.18  Westlich  vom  Isker- 
durchbruche  liegt  die  krystallinische  Zone,  nur  von  einem  schmalen 
Kreidebande  am  Nordfuße  begleitet,  im  Norden,  die  Sedimentzone 
im  Süden.  Im  zentralen  Balkan,  etwa  vom  24°  0.  an,  ist  die  Stel- 
lung eine  umgekehrte;  außerdem  sind  die  paläozoischen  Gesteine 
des  Westhalkans  verschwunden,  und  unmittelbar  auf  die  krystalli- 
nische Zone  folgen  nach  Norden  schmale  Trias-  und  Jurabäuder, 
endlich  in  reicher  Entwicklung  die  Kalke  und  Sandsteine  der  Kreide- 
formation (zum  Teil  auch  des  Eocän).  Je  weiter  wir  nach  Osten 
fortschreiten,  desto  mehr  senkt  sich  die  krystallinische  Zone,  schon 
in  der  Gegend  von  Sliven  hat  die  Kreide  die  Wasserscheide  er- 
reicht, und  im  niedrigen  Ostbalkan  überschreitet  sie  dieselbe,  breitet 
sich  über  den  ganzen  Südabhang  aus  und  bedeckt  alle  älteren  Bil- 
dungen. Zwischen  dem  zentralen  und  östlichen  Balkan  besteht  nur 
ein  beträchtlicher  Unterschied  in  der  Hebungsintensität,  zwischen 
dem  zentralen  und  westlichen  aber  ein  noch  tiefer  greifender,  der 
bis  in  frühe  Erdepochen  zurückreicht.  Die  Grenze  zwischen  dem 
West-  und  Zentralbalkan  wird  jeder  in  das  lskerthal  verlegen,  ob- 
wohl es  nicht  genau  mit  der  Veränderung  des  Baues  zusammenfällt; 
zwischen  dem  Zentral-  und  Ostbalkan  fehlt  eine  solche  ausgezeich- 
nete geographische  Linie,  doch  stimmen  wir  Theobald  Fischer  bei, 
wenn  er  den  Eisernen  Thor-Paß  nördlich  von  Sliven  als  schicklichste 
Grenze  bezeichnet. 

Beziehungen  der  Kettengebirge  zum  ungefalteten  Vorlande.  Es 

ist  eine  häufig  wiederkehrende  Erscheinung,  daß  der  eine  Fuß  eines 
Kettengebirges  tiefer  liegt,  als  der  andere.  Bogenförmige  Gebirge 
werden  in  der  Regel  an  der  konkaven  Seite  von  Tiefebenen,  an  der 
konvexen  von  Hochflächen  begleitet,  selbst  dann,  wenn  an  der  Innen- 
seite keine  sichtbaren  Spuren  von  Einstürzen  vorhanden  sind.  Die 
einzelnen  Glieder  des  Alpensystemes  zeigen  hierin  eine  bemerkens- 
werte Übereinstimmung,  so  die  Alpen  selbst,  der  Jura,  die  Karpaten. 
Der  Atlas  und  das  andalusiscke  Gebirge  grenzen  an  der  Innenseite 


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478 


Morphologie  des  Landes. 


au  das  Meer  und  an  der  Außenseite  an  Land;  der  Apennin  hat  das 
tiefere  Meer  an  seiner  konkaven,  das  flachere  an  seiner  konvexen  Seite. 
Auch  bei  geradlinigen  Gebirgen,  wie  bei  dem  Ural  und  den  Alleghanies, 
Anden  wir  tieferes  Vorland  an  der  Seite,  wo  die  Hebungsintensität 
am  größten  war.  Aber  es  giebt  auch  Beispiele  vom  Gegenteile.  So 
begrenzen  den  Himalaja  an  seiner  Innenseite  Ebenen  von  4000  m See- 
höhe, an  seiner  Außenseite  aber  ein  Tiefland,  das  selbst  am  Fuße  des 
Gebirges  nur  ein  paar  hundert  Meter  über  dem  Meeresspiegel  liegt; 
und  das  japanische  Gebirge  stürzt  an  seiner  konvexen  Seite  zu 
gewaltigen  Ozeantiefen  hinab,  während  es  sich  an  der  anderen  zur 
flach  schüsselförmigeu  Vertiefung  des  Japanischen  Meeres  senkt. 

Sehen  wir  von  den  beiden  letztgenannten  Fällen  vorläufig  ab, 
so  nehmen  wir  wahr,  daß  auch  die  geognostischen  und  tektonischen 
Beziehungen  zum  Hinterlande  andere  sind,  als  zum  Vorlande  (vgl. 
Fig.  159  und  161).  Dieselben  Schichten,  die  den  äußersten  Gebirgs- 
gürtel  aufbauen,  setzen  sich  mit  horizontaler  Lagerung  in  dem  flachen 
Hinterlande  fort;  allmählich  erstirbt  die  faltende  Kraft,  manchmal 
tauchen  noch  vereinzelte  Antiklinalen  auf,  wie  die  Parmas  im  Westen 
des  Urals.  An  der  Innenseite  dehnt  sich  junges,  fremdartiges  Schwemm- 
land aus,  der  eigentliche  Gebirgsfuß  liegt  in  der  Tiefe  verborgen. 
Solche  Gebirge  nennen  wir  einseitige  Randfaltungen.  Möglich 
ist  es,  daß  die  Faltung  in  dem  Hinterlande  einiger  Gebirge  noch 
fortschreitet,  wie  dies  z.  B.  Griesbach  vom  afghanisch-turkestanischen 
Grenzgebirge  behauptet  hat. 


Fig.  164.  Profil  des  Kuruk-tag  bei  Kurla  (41°40'N.,  86°35'0.)  nach  Bogdano- 
WIT8CH.  G = Granit,  D = Devon,  d — Diabas.  J = Jura  und  Kreide,  q = Quartär. 


Im  Himalaja  scheint  der  Fall  einer  doppelten  Randfaltung 
vorzuliegen.  Auf  der  tibetanischen  Seite  sehen  wir  die  sonst  horizontal 
gelagerten  jungtertiären  Schichten  am  Südrande  des  Hundös-Plateaus 
aufgerichtet.10  Anders  liegen  die  Verhältnisse  am  hindustanischen 
Fuße.17  Hier  brechen  die  jugendlichen  Siwalikschichten,  die  den  Vor- 
himalaja zusammensetzen,  schroff  ab,  aber  in  ihrem  Gesteinscharakter 
stimmen  diese  Schichten  mit  dem  Alluvium  der  angrenzenden  Ganges- 
ebene so  sehr  überein,  daß  man  nicht  daran  zweifeln  kann,  daß  sie 
in  der  That  identische  Bildungen  sind.  Der  Siwalik  war  einst  hori- 
zontale Anschwemmung,  das  heutige  Schwemmland  wird  einst  viel- 


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Umformung  der  Faltengebirge. 


479 


leicht  Vorkett«  sein.  Nur  der  Vorgang  ist  ein  anderer,  als  im  Norden 
oder  in  der  Schweiz.  Successive  erfolgten  die  Dislokationen  von 
Norden  nach  Süden;  ein  Bruch  bezeichnete  den  jedesmaligen  Gebirgs- 
fuß,  der  immer  weiter  nach  Süden  hinausrückte,  und  die  heutigen 
Formationsgrenzen  innerhalb  des  Vorhimalaja  waren  im  großen  und 
ganzen  auch  die  Grenzen  der  Ablagerung. 

Ist  ein  Gebirge  an  allen  Seiten  von  jüngeren  Schichten  um- 
geben, die  an  der  Faltung  keinen  Anteil  nehmen,  so  kann  man  es 
ein  durchgreifendes  Gebirge  nennen.  Ist  es  nicht  durch  Brüche 
begrenzt,  so  muß  man  annehmen,  daß  die  Randfaltungen  nur  ober- 
flächlich verhüllt  sind.  Bei  dem  zentralasiatischen  Gebirge,  dessen 
Profil  wir  hier  als  Beispiel  vorfuhren  (Fig.  164),  bedecken  rezente 
Steppenablagerungen  den  Gebirgsfuß  im  Norden  und  Süden. 

Litteratumachweise.  1 Le  Conte , Theories  of  the  Origin  of  Moun- 
tains, im  Journal  of  Geology,  Chicago  1893.  Betreffe  der  Mechanik  des 
Faltungsprozesses  ist  Heim,  Mechanismus  der  Gebirgsbildung,  Basel  1878,  noch 
immer  das  klassische  Werk,  wenn  auch  z.  T.  schon  überholt.  Über  Faltungs- 
experimente s.  Willis,  The  Mechanics  of  Appalachian  Structure,  im  18.  Annual 
Report  of  U.  S.  Geological  Survey  1891 — 92.  — * Richtige  Vorstellungen  ver- 
mittelt das  meisterhafte  Erdprofil  der  Zone  von  31  bis  65°  N.  B.  von  Linoo, 
München  1886.  — 5 Mellard  Reade,  The  origine  of  Mountain  Ranges,  London 
1886.  — 4 Reyer.  Ursachen  der  Deformationen  und  Gebirgsbildung;  geologische 
und  geographische  Experimente,  Leipzig  1892.  — 8 Dtrrros,  eit.  S.  278.  — 

6 La  Touche  in  den  Records  of  the  Geological  Survey  of  India,  1893.  — 

7 Rothpletz,  Ein  Querschnitt  durch  die  östlichen  Alpen.  Stuttgart  1894.  — 

8 Diener,  Der  Gebirgsbau  der  Westalpen,  Wien  1891.  — 8 pe  Marqerie  und 
Schräder,  Apercu  de  la  structure  geologique  des  Pyreuees,  Paris  1892.  — 
10  Genauer  bekannt  ist  nur  der  nordwestliche,  britische  Teil;  vgl.  die  Ab- 
handlungen von  Lydekkek  u.  Griesbach  in  d.  Memoirs  of  the  Indian  Geological 
Survey,  Bd.  22  (1888)  u.  23  (1891).  — 11  Frech,  Die  Tribulaungruppe,  in  der 
RicHTHOPEN-Festschriflt,  Berlin  1893.  — 11  Listow,  in  d.  Iswestija  d.  Russischen 
Geographischen  Gesellschaft  1889,  S.  270.  — 18  Vgl.  Petermanns  Mitteil.  1893, 
S.  93.  — 14  Rothpletz,  Das  Atlasgebirge  Algeriens,  in  Petermanns  Mitteilungen 
1890.  — 18  Die  Grundsätze  einer  wissenschaftlichen  Einteilung  erörtert  Böhm, 
Einteilung  der  Ostalpen,  Wien  1887.  — 18  Toui.a,  Reisen  u.  geologische  Unter- 
suchungen in  Bulgarien,  Wien  1890.  — 17  Midblemiss,  Pbysical  Geolog}'  of  the 
Sub-Himalaya  of  Garhwäl  and  Kumaun:  in  d.  Memoirs  of  the  Geolog.  Survey 
of  India,  XXIV,  1890. 


Umformung  der  Faltengebirge. 

Umformung  durch  Bruch.  Brüche  haben  wir  schon  als  eine  ge- 
wöhnliche Begleiterscheinung  der  Faltung  kennen  gelernt,  ja  stellen- 
weise ersetzt  geradezu  die  eine  Dislokationsform  die  andere,  wie  im 
östlichen  Südtirol.  Hier  haben  wir  aber  nur  diejenigen  Fälle  ins 
Auge  zu  fassen,  wo  Brüche  einen  gefalteten  Gebirgskörper  er- 


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480 


Morphologie  des  Landes. 


greifen,  ihn  seiner  ursprünglichen  Gestalt  berauben,  endlich  ihn 
völlig  auflösen. 

Die  Innenseite  bogenförmiger  Kettengebirge  unterlag  häutig 
einer  weitgehenden  Zertrümmerung  und  Umgestaltung.  Ein  erstes 
Stadium  führt  uns  das  andalusische  Faltensystem  vor  Augen.1 
Eine  Scholle  der  inneren  Schieferzone  finden  wir  bei  Cartagena; 
weiter  südlich  treffen  wir  aber  auf  einen  wohlerhaltenen  Schieferzug, 
der  sich  von  der  Sierra  de  los  Filabres  bis  in  die  Provinz  Malaga 
erstreckt  und  mit  dem  Serpentinstocke  von  Marbella  endet.  Noch 
hat  sie  ihren  ursprünglichen  hypsometrischen  Rang  nicht  eingebüßt, 
denn  die  Sierra  Nevada,  deren  einfachen  antiklinalen  Bau  v.  Dräsche 
anschaulich  geschildert  hat,  ist  noch  immer  die  Königin  der  iberischen 
Gebirge.  Im  Norden  wird  die  Schieferzone  von  einem  Gürtel  sekun- 
därer und  tertiärer  Gesteine  begleitet,  die  den  Gibraltarfels  und  die 
Gebirge  bis  zur  Guadalquivirebene  und  nördlich  von  Lorca  und 
Murcia  zusammensetzen. 

In  den  Karpaten  und  Apenninen  ist  dagegen  nur  noch  die 
Außenzone  vollständig  erhalten.  Die  Trümmer  der  Inneuzone  ziehen 
in  Ungarn  in  der  Form  zahlreicher  kleinerer  und  größerer  Inseln 
aus  krystallinischem  Schiefergestein  und  Granit  von  Preßburg  bis 
Kaschau  (die  Hohe  Tatra  gehört  dazu)  und  tauchen  dann  wieder 
nach  einer  langen  Unterbrechung  als  zusammenhängende  Kette 
im  Südosten  auf.  Noch  größer  ist  die  Zerstückelung  der  apen- 
ninischen  Innenzone,  wie  Süss  gezeigt  hat;  ihre  Überreste  finden 
wir  in  den  Apuanischen  Alpen,  auf  den  toskanischen  Inseln, 
in  der  Catena  metallifera,  im  Circekap  und  auf  der  Insel  Zannone; 
und  nur  im  Süden  hat  sich  noch  ein  zusammenhängender  Gebirgsrest 
in  dem  steil  gegen  Westen  abfallenden  calabrischen  Gebirge  erhalten. 
Während  in  den  Karpaten  die  Granitkette  der  Hohen  Tatra  noch  immer 
ihren  hypsometrischen  Vorrang  behauptet  hat,  ist  der  Kulminations- 
punkt in  den  Apenninen  bereits  in  die  Sedimentzone  gewandert. 

Solche  innere  Bruchzonen  mit  ihren  tiefgehenden  Spalten  wraren 
oder  sind  noch  ein  bevorzugter  Schauplatz  vulkanischer  Erschei- 
nungen. Karpaten  und  Apenninen  bieten  dafür  lehrreiche  Belege, 
den  lehrreichsten  aber  wohl  Japan.2  Man  unterscheidet  hier  zwei 
Gebirgsbogen,  die  durch  tiefe  Depressionen  getrennt  sind.  Soweit  die 
Innenzone  am  Japanischen  Meere  noch  gut  erhalten  ist,  wie  im 
Berglande  von  Tschugoku  am  westlichen  Vorsprunge  Nippons,  ist 
vulkanisches  Gestein  nur  auf  den  marinen  Rand  beschränkt;  von  der 
Wakasabucht  aber  bis  zur  Tsugarustraße  ist  die  Innenzone  völlig 
aufgelöst,  und  nun  reiht  sich  Feuerberg  an  Feuerberg  zu  einem  der 
imposantesten  Vulkangürtel  der  Erde. 


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Umformung  der  Faltengebirge. 


481 


Im  letzten  Stadium  vor  der  völligen  Auflösung  befindet  sich 
die  Sierra  Nevada  von  Californien,  jenes  mächtige  Kettengebirge, 
das  das  Sacramentothal  von  dem  Großen  Becken  des  amerikanischen 
Hochlandgürtels  scheidet.  Eine  intensive  Faltung  erfolgte  zwischen 
der  Jura-  und  Kreidezeit;  gegen  Ende  der  Tertiärzeit  setzte  die 
gebirgsbildende  Kraft  abermals  ein,  aber  diesmal  in  der  Form  von 
Brüchen  und  senkrechten  Verschiebungen.  Nur  betrafen  diese  neuen 
Veränderungen  nicht  das  ganze  Gebirge  in  gleicher  Weise.  Im 
Parallel  des  Monosees  (38  ®),  wo  Reyer3  ein  Profil  aufnahm,  beginnt 
die  Bruchzone  erst  im  Osten  des  Granites  der  Hochsierra;  sie  löste 
das  Gebirge  von  dem  Hiuterlande  ab  und  schuf  den  Gegensatz  zur 
Ebene.  2‘/4  Breitengrade  nördlicher,  im  Parallel  des  Honey  Lake, 
haben  aber  die  Brüche  die  Granitzone  selbst  ergriffen.  Ein  Profil 
Dillers4  zeigt  uns  hier  das  ganze  Gebirge  in  drei  Schollen  zer- 
spalten, die  nach  Osten  steil,  nach  Westen  allmählich  sich  abdachen. 
In  jeder  Scholle  folgen  von  Westen  nach  Osten  Karbon,  goldführende 
Schiefer,  Granit  Die  jetzige  Gestalt  ist  also  nicht  mehr  die 

P.M  ru 

MH 

3 2 1 ZS  * 2 3 3 1 

Fig.  165.  Profil  des  Gebirges  bei  Eureka,  Nevada,  nach  A.  HagüE  in  3facher 

Überhöhung. 

1.  Cambrium,  2.  Silur,  3.  Devon,  4.  Karbon,  5.  Eruptivgesteine. 

M.H  Mahogany  Hills  2420  ra,  S.M  Spanish  Mt.  2500  m,  P.  M Prospect  Mt. 

2790  m,  Sp  Spring  Mt.  2300  m,  C.P  County  Peak  2545  m,  B.  P Basalt  Peak 

2470  m. 


ursprüngliche,  aber  die  Kettenform  ist  trotzdem  gewahrt  geblieben. 
Solche  Faltengebirge  nennen  wir  gebrochene. 

Faltenzüge,  wie  die  Sierra  Nevada,  erfüllten  einst  das  ganze 
Große  Becken  innerhalb  der  Staaten  Nevada  und  Utah  bis  zum 
Wahsatch-Gebirge.  Hier  ist  aber  der  tertiäre,  bis  in  die  Gegenwart 
andauernde  Dislokationsprozeß  bis  zur  völligen  Auflösung  ge- 
diehen. Was  erhallen  blieb,  sind  eine  Reihe  von  Kammgebirgen, 
in  ihren  horizontalen  Dimensionen  etwa  dem  Thüringer  Walde  ver- 
gleichbar, aber  nicht  in  ihren  vertikalen,  da  einige  Gipfel  3000  m 
Seehöhe  erreichen  und  sogar  übersteigen.  Breite  Thalebenen  mit 
jugendlichen  Ausfüllungsmassen  umschließen  sie.  Vom  Lone  Peak 
im  Wahsatch-Gebirge  bis  zur  Westgrenze  Nevadas  wiederholt  sich 
im  40*/j.  Parallel  auf  eine  Länge  von  700  km  der  Wechsel  von 
Ebene  und  Gebirge  19  mal;  die  ersteren  haben,  abgesehen  von  der 
100  km  breiten  Großen  Wüste,  eine  durchschnittliche  Breite  von  19, 

SDP  AS,  Physische  Erdkunde.  2.  Auf!  31 


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482 


Morphologie  des  Landes. 


die  letzteren  eine  solche  von  14  km.  Fig.  165  veranschaulicht  uns 
den  verwickelten  Bau  dieser  Trümmergebirge  nach  neueren  Unter- 
suchungen.6 Nicht  nur  durch  Randbrüche  wurden  sie  isoliert,  auch 
der  Gebirgskörper  selbst  ist  vielfach  zerspalten  und  ungeformt.  Aber 
noch  sind  die  Züge  des  «alten  Faltenbaues  erkennbar,  ja  es  gelingt 
sogar  noch  manchmal,  aus  den  heutigen  Bruchstücken  die  einstigen 
Faltenlinien  herzustellen. 

Solche  Gebirge,  wie  das  von  Eureka,  nennen  wir  Falten  - 
schollengebirge;  wo  sie  gesellig  auftreten,  bilden  sie  ein  Falten- 
schollenland. Das  Große  Becken  vereinigt  diesen  Typus  mit  dem 
des  Tafelschollenlandes,  den  wir  bereits  im  südlichen  Oregon  kennen 
gelernt  haben. 

Außerordentlich  lehrreich  sind  die  tektonischen  Verhältnisse 
Griechenlands,  deren  Verständnis  uns  im  Laufe  der  letzten  Jahr- 
zehnte durch  die  Forschungen  der  österreichischen  Geologen®  und 
Philitpsons7  erschlossen  wurde.  Der  Übergang  aus  dem  Falten- 
gebirge ins  Faltenschollengebirge  ist  hier  deutlich  zu  verfolgen.  Das 
erstere  beherrscht  den  Westen;  Philippson  setzt  seine  Entstehung  in 
das  Oligocän  oder  an  die  Grenze  von  Oligocän  und  Miocän.  Das  Pliocän 
ist  ungefaltet,  aber  gebrochen  und  liegt  in  verschiedenen  Höhen,  die  im 
Peloponnes  im  allgemeinen  von  Norden  nach  Süden  ahnehmen.  Das  be- 
weist, daß  auch  innerhalb  des  Faltengebirges  nach  der  horizontalen  Be- 
wegung eine  vertikale  eintrat.  Schon  im  mittleren  Griechenland  bilden 
die  nach  verschiedenen  Richtungen  verlaufenden  Bruchlinien  ein  wahres 
Netzwerk,  in  Elis  ist  das  Faltenland  in  der  That  schon  in  Schollen 
aufgelöst,  aber  im  großen  und  ganzen  wird  das  peloponnesische 
Gebirge  doch  noch  durch  die  südöstliche  Streichrichtung  der  Falten 
beherrscht.  In  Thessalien  und  Mittelgriechenland  stößt  mit  diesem 
System  ein,  wie  es  scheint,  etwas  älteres  östlich  streichendes  Falten- 
system zusammen,  und  dieses  befindet  sich  im  Stadium  völliger 
Auflösung.  Othrys,  Oeta,  Helikon,  Kithaeron,  Parnes  erwecken 
gleichsam  noch  den  Schein  von  Faltengebirgen,  weil  die  Bruchlinien 
mit  dem  Streichen  der  Falten  parallel  verlaufen  — wir  nennen  sie 
Längsschollen  — , aber  im  Pentelikon  und  Hymettos,  auf  Euböa 
und  im  östlichen  Thessalien  ist  auch  dieser  Schein  geschwunden. 
Im  thessalischen  Küstengebirge,  das  sich  vom  Pelion  bis  zur  Kam- 
pania  von  Saloniki  fortsetzt,  ist  der  Typus  einer  Querscholle  auf  das 
schärfste  ausgeprägt;  die  Umrisse  des  Gebirges  werden  ausschließlich 
durch  Brüche  bestimmt,  welche  die  alten  Falten  unter  senkrechtem 
oder  spitzem  Winkel  schneiden.  Von  den  gewaltigen  Veränderungen, 
die  sich  hier  seit  der  letzten  Phase  der  Tertiärzeit  vollzogen  und 
— wie  die  zahlreichen  tektonischen  Beben  lehren  — noch  immer 


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Umformung  der  Faltengebirge.  483 

keinen  Abschluß  gefunden  haben,  können  wir  uns  nur  eine  sehr 
mangelhafte  Vorstellung  machen.  Es  ist,  als  wenn  wir  quer  durch 
die  Schweizer  Alpen  einen  Streifen  von  etwa  20  km  Breite  heraus- 
schneiden würden  und  alles  andere  Gebirge  im  Westen  und  Osten  in 
die  Tiefe  versänke,  um  von  Wasser  oder  lockeren  Ablagerungen  be- 
deckt zu  werden. 

Umformung  durch  Destruktion.  Die  Höhe  eines  Faltengebirges 
ist  das  Ergebnis  verschiedener  Vorgänge,  der  Hebungsintensität 
einerseits,  nachfolgender  Senkungen  und  der  Denudation  anderer- 
seits. Aus  dem  Umstande,  daß  benachbarte  Gipfel  sich  annähernd 
in  gleicher  Höhe  halten,  dürfen  wir  schließen  — und  es  ist  auch 
im  vorhinein  nicht  anders  zu  erwarten  — , daß  die  positiven  wie 
die  negativen  Kräfte  örtlich  nahezu  gleichmäßig  wirken.  Für  die 
Anordnung  der  Gipfelhöhen  innerhalb  eines  und  desselben  Gebirges 
ist  der  tektonische  Faktor  jedenfalls  in  erster  Linie  maßgebend.  In 
den  Alpen  ist  die  krystallinische  Zone  fast  überall  höher,  als  die 
Kalkzone.  Die  Reihe  der  3000  m-Gipfel  beginnt  im  Westen  mit 
der  Argentara,  der  Pelvoux  eröffnet  den  Reigen  der  4000  m- 
Gipfel,  der  bis  zum  Bernina  zieht.  Bis  zum  Montblanc  (4810  m)  ist 
Zunahme,  dann  wieder  Abnahme  bemerkbar.  Jenseits  des  Bernina- 
Meridians  herrschen  wieder  die  3000  m-Gipfel,  sie  schließen  mit 
dem  Sonnblick  am  Ostende  der  Hohen  Tauern.  Nun  macht  sich 
bereits  die  ungarische  Senkung  geltend.  Die  nördlichen  Kalkalpen 
brechen  steil  im  Wiener  Becken  ab  und  übertreffen  nicht  un- 
beträchtlich die  krystallinische  Zone,  die  allmählich  sich  senkend 
in  die  ungarische  Ebene  verläuft  Der  östlichste  2000  m-Gipfel,  der 
Schneeberg,  gehört  dem  nördlichen  Kalkgürtel  an.  In  manchen  Ge- 
birgen, wie  im  Kaukasus  oder  in  den  Audes,  sind  die  höchsten 
Gipfel  aufgesetzte  Vulkankegel,  und  von  diesen  fremdartigen  Ge- 
bilden müssen  wir  absehen,  wenn  wir  von  den  Hebungsintensitäten 
verschiedener  Faltengebirge  eine  Vorstellung  gewinnen  wollen. 

Vergleichen  wir  aber  verschiedene  Gebirge  miteinander,  so 
müssen  wir  nicht  bloß  die  tektonischen  Vorgänge,  sondern  auch  die 
Denudation  als  klimatischen  Faktor  in  Rechnung  ziehen.  Penck 
hat  namentlich  auf  die  Bedeutung  der  Baumgrenze  aufmerksam  ge- 
macht, denn  mit  dem  Schwinden  der  Vegetationsdecke  ist  den  zer- 
störenden Kräften  Thür  und  Thor  geöffnet.  Man  kann  sehr  wohl 
annehmen,  daß  jedem  Klima  ein  bestimmtes  oberes  Denudations- 
niveau entspricht,  über  das  kein  Berg  hinauswachsen  kann.  Des- 
halb wäre  es  eine  ganz  irrige  Vorstellung,  wenn  wir  z.  B.  die  einstige 
Höhe  der  Zentralalpen  dadurch  ermitteln  wollten,  daß  wir  alle  Sedi- 
mente, die  einst  auf  denselben  abgelagert  wurden,  über  sie  auf- 

31* 


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484 


Morphologie  des  Landes. 


türmten.  Das  wäre  nur  dann  richtig,  wenn  das  Gebirge  mit  Einem 
Rucke  emporgehoben  worden  wäre,  und  auch  dann  nur  für  den 
Moment  der  Erhebung.  Nach  Pkncks  Tabelle  sind  in  Eig.  166  drei 
Kurven  entworfen  worden,  aus  denen  man  den  Schluß  ziehen  darf, 
daß  Beziehungen  zwischen  Gipfelhöhe  und  Schnee-  und  Baumgrenze 
thatsächlich  bestehen.  Alle  diese  Kurven  senken  sich  in  höheren 
Breiten  und  erreichen  ihre  höchste  Höhe  zwischen  dem  20.  und 
40.  Parallel;  auch  die  äquatoriale  Depression  ist  überall  deutlich 
ausgeprägt.  Trotzdem  giebt  uns  die  Gipfelkurve  nur  eine  Vor- 
stellung, wie  etwa  das  obere  Deuudationsniveau  verläuft,  aber  keine 
Auskunft  über  dessen  absolute  Höhe.  Der  Einfluß  des  tekto- 
nischen Faktors  ist  entschieden  der  vorherrschende.  Daraus  erklärt 
es  sich,  daß  sich  auf  der  Südhalbkugel  kein  Himalaja  erhebt,  daß 
zwischen  50  und  70°  S.  nur  niedere  Berge  Vorkommen,  während  der 
polare  Erebus  wieder  eine  Seehöhe  von  3780  m erreicht. 


Nördliche  -Ereile  ..  Südliche  Fr  eile 

90°  SO  70  60  JO  10  30  20  IO  A 10  20  30  IO  SO  GO  JO  80  90° 


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Fig.  166.  Graphische  Darstellung  der  größten  Gipfelhöhen  (aa),  obersten  Schnee- 
grenze (66)  und  obersten  Baumgrenze  (cc)  in  den  10°-Zonen. 


Neben  dem  tektonischen  Momente  spielt  aber  auch  noch  ein 
anderes  eine  hervorragende  Rolle:  das  Alter  der  Gebirge  oder 
mit  anderen  Worten:  die  Dauer  der  Zerstörung.  Man  bestimmt 
das  Alter  nach  dem  von  Elie  de  Beaumont  aufgestellten  Grundsätze, 
wonach  die  Dislokation  einer  Schicht  jünger  ist,  als  die  Schicht  selbst, 
und  älter,  als  die  nächste  ungestörte  Schicht. 

Die  meisten  Kettengebirge  sind  allerdings  jung,  es  giebt  aber 
auch  einige  sehr  alte.  Der  Ural  und  das  Timangebirge  sind  meso- 
zoisch, die  Alleghanies  und  das  südchinesische  Gebirge  sind  sogar 
paläozoisch ; auch  die  Faltung  des  Kuenlun  und  Nanschan  in 
Zeutralasien  und  des  Zuges  der  Drakensteen-,  Bokkeveld-,  Zwarte- 
und  Zuurberge  im  Kaplande,  die  die  große  Karru  im  Süden  ab- 
grenzen und  sich  durch  auffallende  Regelmäßigkeit  auszeichnen, 
reicht  weit  über  die  Tertiärzeit  zurück.  Die  Seehöhen  der  höchsten 
Gipfel  sind  allerdings  sehr  verschieden:  Ural  1700,  Alleghanies  2000, 
Kuenlun  6000  m.  Aber  dies  ist  nicht  das  Entscheidende,  sondern 
das  Verschwinden  aller  hervorragenden  Gipfel,  die  ermüdende  Gleich- 


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Umformung  der'  Faltengebirge.  485 

förmigkeit  der  Kämme,  so  daß,  wenn  man  sich  die  Thäler  ausgefüllt 
denkt,  das  Gebirge  sich  in  ein  Flachland  verwandelt  Auf  Ketten- 
.5  gebirge  von  solcher  Gestaltung  beschränken  wir 


den  Namen  Rumpfgebirge. 

Wenn  man  nebenstehendes  Profil  der  Alleghanies 
mit  dem  der  Alpen  (Fig.  161,  S.  470)  vergleicht,  wird 
man  den  Unterschied  zwischen  alten  und  jungen 
Kettengebirgen  sofort  erkennen.  Auffallend  ist  zu- 
nächst, daß  im  Alleghanies-Profile  die  höchsten  Punkte 
den  Synklinalen,  also  den  ursprünglichen  Thälern  an- 
gehören; aber  dies  ist  nicht  das  Hauptmerkmal  der 
Rumpfgebirge,  da  es  auch  in  jungen  Faltengebirgen 
nicht  selten  wiederkehrt  Mehr  Gewicht  legen  wir 
darauf,  daß  der  Einfluß  der  Hebungsintensität  nicht 
durch  spätere  Senkungen,  sondern  ausschließlich  durch 
Abtragung  völlig  aufgehoben  wurde.  Sicher  nahm 
einst  die  Faltenhöhe  nach  Nordwesten  zu;  jetzt  sind 
alle  Unterschiede  ausgeglichen,  die  verschiedensten 
geologischen  Horizonte  sind  nahezu  in  das  gleiche 
Niveau  gebracht,  die  untersilurischen  Kalksteine  im 
Nordwesten  wie  Devon  und  Karbon  im  Südosten. 
Aber  wie  groß  auch  die  Umgestaltung  ist,  die  Form 
des  Kettengebirges  ist  noch  erhalten ; noch  immer 
bestimmt  die  Streichrichtung  der  Falten  die  der  Berg- 
züge, noch  immer  ist  das  Längsthal  das  Hauptelement 
der  Gliederung. 

Wir  müssen  uns  jetzt  nach  dem  Norden  begeben, 
um  noch  weitere  Fortschritte  des  Destruktionspro- 
zesses kennen  zu  lernen.  Die  Hudsonbai  wird  von 
einem  600  km  und  darüber  breiten  Bande  stark  dislo- 
zierter archäischer  Gesteine  umschlungen.8  Eine  Reihe 
großer  Seen:  der  Bären-,  Sklaven-,  Athabaska-,  Win- 
nipegsee und  die  canadischen  Seen  bezeichnen  den 
Rand  des  Tafellandes,  das  aus  flach  gelagerten  paläo- 
zoischen Kalken  besteht  und  mit  jüngerer  Uber- 
deckung bis  an  den  Fuß  des  Felsengebirges  sich  er- 
streckt. Einzelne  Reste  dieser  Kalkdecke  sind  auch 
auf  der  anderen  Seite,  am  Westgestade  der  Hudsonbai 
erhalten  — die  dazwischen  liegende  archäische  Zone 
trägt  aber  keine  anderen  jüngeren  Ablagerungen,  außer 
hier  und  da  glazialen  Schutt  oder  Fluß-  und  Seenabsätze 


der  Gegenwart.  Sorgfältigen  Untersuchungen  gelang  es,  die  Alters- 


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486 


Morphologie  des  Landes. 


folge  der  krystallinischen  Gesteine  dieser  Zone  festzustellen,  und 
damit  war  ein  Anhaltspunkt  zur  Entwirrung  der  Lagerungsv erliält- 
nisse  gewonnen.  Alle  Forscher  stimmen  darin  überein,  daß  wir  es 
hier  mit  den  Fundamenten  eines  alten  Faltengebirges  zu  thun  haben. 
Im  Lake  of  the  Woods  sah  Lawson  den  Gürtel  der  Keewatingesteine 
in  tausende  von  Inseln  und  Halbinseln  zersplittert,  aber  noch  lassen 
sich  hier  die  Antiklinalen  erkennen,  die  in  bogenförmigem  Verlaufe 
ihre  konvexe  Seite  nach  Norden  kehren.  Aber  statt  mächtiger  Ge- 
birge finden  wir  hier  ein  Flachland,  das  sich  von  allen  Seiten  zur 
Hudsonbai  neigt;  Scess  hat  es,  wie  schon  einmal  erwähnt  wurde,  mit 
der  Hohlseite  eines  flachen  Schildes  verglichen.  Wenn  wir  Flach- 
land sagten,  so  sind  wir  uns  dabei  freilich  bewußt,  das  Charakte- 
ristische dieses  Geländes  nur  sehr  unvollkommen  zum  Ausdrucke 
gebracht  zu  haben.  Die  Amerikaner  haben  jetzt  dafür  das  Wort 
„Peneplain“  erfunden,  das  wir  etwa  mit  „Fastebene“  übersetzen 
können.  Für  eine  Ebene  wechseln  Erhebungen  und  Vertiefungen 
zu  rasch,  für  ein  Berg-  oder  auch  nur  für  ein  Hügelland  sind  die 
Höhenunterschiede  zu  gering  (meist  nur  10 — 30  m),  für  ein  Wellen- 
land ist  die  Gestaltung  zu  unregelmäßig.  Nicht  die  einstige  An- 
ordnung der  Schichtensättel  und  -mulden  ist  maßgebend  für  die 
heutige  Orographie,  sondern  einzig  und  allein  der  Härtegrad  der 
Gesteine;  Granite,  alte  Gneiße  u.  s.  w.  haben  der  Zerstörung  kräf- 
tiger widerstanden  und  bilden  Rücken  und  Bergehen,  abgerundet 
und  gescheuert  durch  das  Binneneis,  das  in  der  Glazialzeit  darüber 
hiuwegschritten  war. 

Kein  Zweifel,  wir  stehen  auf  einem  Schauplatze  gewaltigster 
Zerstörung,  die  — wie  die  flache  Lagerung  der  silurischen  Schichten 
beweist  — schon  im  frühesten  Altertume  der  Erdgeschichte  sich 
vollzogen  haben  muß.  Aber  welcher  Art  waren  die  zerstörenden 
Kräfte? 

Hier  stehen  sich  zwTei  Ansichten  schroff  gegenüber. 

Englische  Geologen,  in  Deutschland  besonders  v.  Richthofen, 
sprachen  sich  auf  das  entschiedenste  dafür  aus,  daß  eine  solche 
totale  Umformung  von  Gebirgen  in  Flachländer  nur  durch  Abrasion 
durch  die  auf  sinkendem  Gestade  immer  weiter  landeinwärts  schrei- 
tende Brandung  bewirkt  werden  könne.  Wo  Meeresablagerungen 
horizontal  einer  abradierten  Fläche  aufruhen,  ist  für  diese  Hypo- 
these ein  positiver  Anhaltspunkt  gegeben;  auch  die  Annahme,  daß 
die  paläozoischen  Schichten  hüben  und  drüben  des  canadischen 
Flachfaltenlandes  einst  zusammenhingen,  hat  nichts  Unwahrschein- 
liches. Seine  Entwickelungsgeschichte  hätte  dann  folgende  Haupt- 
phasen durchlaufen:  1)  Faltung,  Gebirgsbildung;  2)  Senkung,  Ab- 


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Umformung  der  Faltengebirge.  48f 

rasion,  transgredierende  Meeresablagerung;  3)  Hebung;  4)  Zerstörung 
der  marinen  Decke,  Bloßlegung  der  Abrasionsfläche. 

Wer  dagegen  der  Erosion  im  Vereine  mit  der  Denudation  die 
Macht  zutraut,  Gebirge  nahezu  einzuebnen,  kann  der  Abrasion 
allerdings  entbehren.  Diese  Ansicht,  über  die  wir  uns  schon  auf 
S.  383  ausgesprochen  haben,  vertreten  besonders  amerikanische 
Geologen.  Wir  halten  diese  Angelegenheit  noch  für  zu  wenig  ge- 
klärt, und  wollen  daher  solche  aus  Faltengebirgen  hervorgegangene 
Flächen  ganz  allgemein  als  Destruktionsflächen  bezeichnen. 

Es  entsteht  aber  nun  die  Frage,  welche  Stellung  das  Kumpf- 
gebirge in  der  Entwicklungsreihe  einnimmt.  Nach  der  Abrasions- 
theorie ist  es  eine  durch  Hebung  bewirkte  Wiederbelebung  eines 
erloschenen  Gebirges.  Würde  der  canadische  Schild  so  hoch  an- 
steigen,  daß  das  fließende  Wasser  wieder  zu  kräftiger  Arbeit  an- 
geregt würde,  so  entstände  ein  Erosionsgebirge,  in  derselben  Weise 
wie  im  Tafellande,  nur  anders  in  seinen  Endformen.  Infolge  des 
Faltenbaues  sind  harte  und  weiche  Schichten  zonenweise  neben- 
einander gelagert,  und  indem  die  Erosion  in  den  letzteren  ihre 
Thäler  ausarbeitet,  während  die  ersteren  als  Berge  gleichsam  heraus- 
wachsen, entsteht  der  Schein,  als  wäre  die  Anordnung  der  Ketten 
und  Thäler  unmittelbar  durch  den  Faltenwurf  bedingt.  Darnach 
könnte  man  Rumpfgebirge  als  Erosionsgebirge  in  unge- 
brochenen Destruktionsflächen  definieren. 

Aber  auch  die  Erosionstheoretiker  kamen  in  letzter  Zeit  zu 
derselben  Schlußfolgerung,  auch  sie  betrachten  das  Rumpfgebirge 
nicht  als  ein  Übergangsglied  zwischen  Faltengebirge  und  Destruk- 
tionsfläche. Sicherlich,  sagt  W.  M.  Davis8  von  den  Alleghanies  und 
den  Gebirgen  Neuenglands,  fügen  sich  ihre  gleichförmigen  Erhebungen 
zu  einem  Peneplain  zusammen,  aber  ein  solches  konnte  durch  Denu- 
dation nicht  in  der  jetzigen  Seehöhe  entstehen;  das  ist  die  Ober- 
flächenform eines  fast  bis  zum  Meeresniveau  abgetragenen  Gebirges. 
Diesem  Schicksale  waren  die  ostamerikanischen  Gebirge  in  der  Kreide- 
zeit verfallen,  nur  die  White  Mountains  in  New  Hampshire  und  die 
Blue  Mountains  in  North  Carolina  mit  ihrer  Fortsetzung  im  Blue 
Ridge  von  Virginia  mochten  der  allgemeinen  Verflachung  einiger- 
massen  entgangen  sein.  In  der  Tertiärzeit  trat  Hebung  ein,  und 
aus  der  Ebene  schuf  die  Erosion  ein  neues  Gebirge.  Man  sieht, 
die  Erosionstheorie  bedarf,  um  das  Problem  der  Rumpfgebirge  zu 
lösen,  eines  nicht  minder  komplizierten  Apparates  von  Niveauver- 
änderungen, wie  die  Abrasionstheorie. 

Umgestaltung  durch  Destruktion  und  Bruch.  Die  meisten  Destruk- 
tionsflächen sind  aber  nicht  in  der  Form  von  Rumpf-  sondern  von 


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Morphologie  des’  Landes. 


Eumpfschollengebirgen  wieder  belebt  worden;  sie  haben  auch 
eine  Umgestaltung  durch  Brüche  erfahren,  und  diese  sind  es, 
die  ihre  heutigen  Umrisse  ebenso  bestimmen,  wie  die  der  Falten- 
schollengebirge. Als  Beispiel  möge  uns  zunächst  der  Thüringer 
Wald  dienen.10 

Auf  der  Südseite  ist  der  Thüringer  Wald  fast  geradlinig  durch 
eine  nach  Nordwesten  verlaufende  Linie  abgeschnitten,  der  Nordrand  bil- 
det aber  einen  nach  Norden  geöffneten  flachen  Bogen  von  Eisenach  bis 
Gera.  Dadurch  entsteht  eine  Zweiteilung  in  ein  breites  südöstliches 
Plateau  und  ein  schmales  nordwestliches  Kammgebirge.  Das  erstere 
hängt  durch  den  Frankenwald  und  das  Vogtland  mit  dem  Fichtel- 
und Erzgebirge  zusammen. 

Der  südöstliche  Teil  ist  ein  Schiefergebirge,  dessen  Baumaterial 
der  älteren  paläozoischen  Periode,  vom  Cambrium  bis  ins  untere 


Fig.  168.  Geognostische  Skizze  von  Thüringen  und  Sachsen. 

Karbon,  entstammt.  Im  Nordwesten  treten  die  archäischen  Gesteine,  die 
unter  den  Schiefern  des  Südostens  verborgen  liegen:  Gneiße,  krystalli- 
nische  Schiefer  und  Granite  zu  tage  und  bilden  Erhebungen  bis  circa 
600m  Seehöhe,  dagegen  fehlen  die  paläozoischen  Formationen  vom 
Cambrium  bis  zum  Karbon,  und  kommt  das  Rotliegende,  das  im  Südost- 
Teile  nur  an  einer  Stelle  am  Süd westrande  gefunden  wurde,  zur 
mächtigen  Entwicklung.  Es  besteht  aus  Sandsteinen  und  Konglo- 
meraten einerseits,  aus  gewaltigen  Eruptivmassen,  besonders  Porphyr 
und  Melaphyr,  anderseits.  Verschiedene  Bausteine  setzen  also  den  Nord- 
westen  und  Südosten  zusammen,  aber  darin  ist  der  orographische  Gegen- 
satz nicht  begründet,  denn  der  südöstliche  Gesteinstypus  greift  auch 
noch  in  den  schmalen  Teil  bis  zur  Linie  Ilmenau-Schleusingen  über. 

Im  südöstlichen  Teile  enthüllt  sich  uns  der  Rest  eines  alten 
Gebirges.  Die  Schichten  sind  stark  gefaltet  und  streichen  nach 


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Umformung  der  Faltengebirge. 


489 


Nordosten,  wie  im  Erzgebirge;  aber  während  im  letzteren  Gebirgs- 
und  Faltenriclitung  übereinstimmen,  stehen  sie  im  Thüringerwald 
senkrecht  aufeinander.  Solch  ein  Zustand  läßt  sich  nur  durch  eine 
tektonische  Umformung  erklären.  Gehen  wir  im  Streichen  der  Schichten 
nach  Nordost  weiter,  so  stoßen  wir  am  Rande  des  Gebirges  auf  ein 
Zechsteinhand,  und  kommen  dann  in  das  Trias-Flachland.  Glücklicher- 
weise haben  sich  aber  auch  noch  ein  paar  spärliche  Reste  dieser  jüngern 
Fonnationen  auf  dem  Kamme  des  Thüringer  Waldes  erhalten;  dieser 
muß  also  einmal  mit  dem  Vorlande  in  gleichem  Niveau  gelegen  haben, 
und  die  jetzige  Gestaltung  muß  jedenfalls  erst  nach  der  Ablagerung 
des  Buntsandsteins  erfolgt  sein.  Um  ein  genaueres  Datum  zu  er- 
langen, müssen  wir  die  Verhältnisse  im  Vorlande  in  Betracht  ziehen,  wo 
sich  auf  der  herrschenden  Trias  noch  Spuren  jüngerer  mesozoischer 
Ablagerungen  finden,  die  ebenfalls  durch  Brüche  Deformationen  er- 
litten haben.  Diese  tektonischen  Bewegungen  haben  sich  in  der 
Tertiärperiode  vollzogen.  Die  Geschichte  des  Thüringerwaldes  ist 
also  in  Kürze  folgende: 

1)  Entstehung  eines  großen,  Nordost  streichenden  Faltengebirges, 
dessen  krystalliuische  Achsen  z.  T.  noch  im  Frankenwalde,  Erz- 
gebirge und  im  nordwestlichen  Thüringer  Walde  sichtbar  sind.  Die 
Faltung  erreichte  ihren  Höhepunkt  in  der  jüngeren  Steinkohlen- 
periode. 

2)  Denudation  in  der  Zeit  des  Rotliegenden.  Ihre  Produkte 
wurden  auf  dem  untergetauchten  kristallinischen  Gebirge  des  Nord- 
westwaldes abgelagert,  zu  gleicher  Zeit  erfolgten  in  diesem  ältesten 
Bruchgürtel  großartige  Eruptionen. 

3)  Das  ganze  Gebirge  senkt  unter  den  Meeresspiegel  und 
wird  abradiert  Im  Saalethale  sieht  man  die  steil  gefalteten 
Devon-  und  älteren  Karbonschichten  oben  geradlinig  abgeschnitten 
und  von  nahezu  horizontalem  Zechstein  überlagert.  Diese  marine 
Periode  dauert  von  der  Zechsteinepoche  durch  die  ganze  Trias-  und 
Jurazeit,  vielleicht  auch  noch  in  der  Kreidezeit. 

4)  Wiedererstehung  des  Gebirges  in  der  Tertiärperiode,  aber  in 
ganz  neuer  Form  durch  nordwestlich  verlaufende  Brüche,  sei  es,  daß 
das  Gebirge  sich  hob  oder  das  Vorland  sich  senkte.  Auf  der  Südwest- 
seite trennen  die  Brüche  das  paläozoische  Gebirge  von  der  Trias, 
auf  der  Nordostseite  war  die  Bewegung  intensiver  und  die  Brüche 
verlaufen  in  der  Triaszone.  Zechstein,  Buntsandstein  und  Muschel- 
kalk fallen  flexurartig  vom  Gebirge  ab  und  gehen  dann  in  die  flache 
Lagerung  des  thüringischen  Vorlandes  über. 

5)  Denudationsperiode  der  Gegenwart.  Zechstein  und  Trias  sind 
von  den  Höhen  des  Gebirges  abgeschwemmt  und  das  letztere  dadurch 


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490 


Morphologie  des  Landes. 


mindestens  um  1200  m erniedrigt  worden.  Im  Südosten  wurde  die 
alte  Abrasionsfläche  entblößt,  im  Nordwesten  hat  die  Denudation  die 
härteren  Gesteine,  besonders  den  Porphyr,  aus  den  weicheren  heraus- 
präpariert und  dadurch  mannigfaltigere  Formen  geschaffen. 

Ähnliche  Schicksale  betrafen  das  Erzgebirge.  Zwei  große,  nord- 
östlich streichende  Antiklinalen,  das  eigentliche  Erzgebirge  im  Süden 
und  das  sächsische  Granulitgebirge  im  Norden,  schließen  ein  Mulden- 
thal ein,  in  dem  die  produktive  Steinkohlenformation  — der  Reich- 
tum Sachsens  — zur  Ablagerung  gelangte,  und  das  dann  in  der 
Periode  des  Rotliegenden  zugeschüttet  wurde.  Die  Tertiärzeit  rief 
auch  dies  Gebirge  wieder  in  das  Leben  zurück;  aber  doch  in  anderer 
Weise,  als  den  Thüringerwald.  Der  Bruch,  der  es  von  der  böhmi- 
schen Scholle  trennt,  verläuft  im  Streichen  der  erloschenen  Falten, 
ist  also  ein  Längsbruch;  und  damit  war  vermutlich  eine  Hebung  im 
Süden  verbunden,  denn  im  Norden  taucht  das  Gebirge  anscheinend 
ohne  Bruch  unter  die  jüngere  Schichtenfolge  unter.  So  entstand 
eine  schiefe  Fläche  mit  Steilabsturz  nach  Süden,  jedenfalls  ein  Ge- 
bilde, das  der  alten  Faltungsoberfläche  durchaus  widerspricht.  Wohl 
ist  das  einstige  Muldenthal  wieder  zum  Vorscheine  gekommen,  aber 
nur  dadurch,  daß  das  Wasser  mit  der  Ausfüllungsmasse  des  Rotliegen- 
den leichteres  Spiel  hatte,  als  mit  den  archäischen  Grenzgebieten. 

Vorkommen  der  Rumpfschollengebirge.  Die  nordöstliche  Falten- 
richtung, die  wir  im  Erzgebirge  und  Thüringer  Walde  kennen  gelernt 
haben,  ist  noch  einer  Reihe  anderer  Rumpfschollen  gemeinsam.  So 
dem  Harz,  dem  niederrheinischen  Schiefergebirge,  dem  Schwarzwalde 
und  den  Vogesen,  dem  zentralfranzösischen  Plateau;  überall  fand 
die  Faltung  in  der  jüngeren  Steinkohlenzeit  statt  Süss  faßt  sie  als 
Trümmer  eines  einst  zusammenhängenden  Faltengebirges  auf,  dem 
er  den  Namen  des  variscischen  gab,  während  es  von  anderen  als 
mitteldeutsche  Alpen  bezeichnet  wurde.  Schon  im  östlichen  Erz- 
gebirge vollzieht  sich  die  Schwenkung  in  die  Südostrichtung  der 
Sudeten.  Nordöstliche  Faltenrichtung  herrscht  auch  im  böhmischen 
Massiv,  mit  Ausnahme  des  nach  Nord  west  ziehenden  Böhmerwaldes, 
dessen  Beziehungen  zum  variscischen  System  noch  der  Aufklärung 
harren.  In  einer  anderen  Gruppe  westeuropäischer  Rumpfschollen 
im  südlichen  Irland,  südlichen  Wales,  Cornwallis  und  in  der  Bretagne, 
biegen  sich  die  ebenfalls  jungkarbonen  Falten  aus  Ostnordost  über 
Ost  nach  Südost  um:  Süss  nennt  sie  das  armorikanische  Ge- 
birge und  stellt  dieses  den  Pyrenäen  zur  Seite,  wie  das  variscische  den 
Alpen.  Er  vermutet  auch  einen  Zusammenhang  mit  den  gleichalten 
Falten  der  iberischen  Scholle,  die  aus  der  Süd-  in  die  Ostrichtung 
übergeheu.  Die  dritte  westeuropäische  Rumpfschollengruppe  endlich 


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Umformung  der  Faltengebirge. 


491 


umfaßt  das  nördliche  Irland  und  Wales,  Schottland  und  Skandi- 
navien; das  ist  Süss’  caledonisches  Gebirge,  das  beträchtlich 
älter  ist,  als  die  beiden  anderen,  denn  die  Faltung  vollzog  sich  hier 
schon  zwischen  Silur  und  Devon. 

Von  außereuropäischen  Vorkommnissen  sind  die  Massive  von 
Guayana  und  Brasilien,  Dekan,  die  Australalpen  besonders  hervor- 
zuheben. Vielleicht  ist  ganz  Afrika  von  der  Wüstentafel  bis  zur 
kapländischen  Faltenzone  als  eine  einzige  gewaltige  Rumpfscholle 
aufzufassen.  Schon  aus  diesen  Angaben,  die  nur  die  wichtigsten 
Schollen  berücksichtigen,  erhellt  die  geographische  Bedeutung  dieser 
Geländeform. 

Als  gemeinsamer  Charakterzug  aller  Rumpfschollengebirge  kann 
nur  ihre  Zusammensetzung  aus  archäischen  und  paläozoischen  Ge- 
steinsbildungen bezeichnet  werden.  Nur  diese  haben  an  der  Faltung 
teilgenommen,  alle  jüngeren  Formationen  liegen  flach  oder  nur 
durch  Verwerfungen  gestört  auf  den  alten  Destruktionsebenen.  Kommen 
sie  in  größerer  Ausdehnung  und  Mächtigkeit  vor,  so  müssen  wir  sie 
als  aufgesetzte  Tafelländer  ausscheiden;  und  gerade  hierin  zeigt 
es  sich  so  recht,  wie  vorteilhaft  es  ist,  tektonische  und  orographische 
Begriffe  auseinanderzuhalten.  Das  brasilianische  Bergland11  ist  un- 
zweifelhaft eine  geographische  Einheit,  für  die  die  orographische 
Bezeichnung  Massiv  wie  geschaffen  erscheint  Tektonisch  haben 
wir  es  als  eine  Rumpfscholle  mit  aufgesetztem  Tafellande  zu  defi- 
nieren. Rumpfschollengebirge  sind  nur  das  Küstengebirge  und  das 
wasserscheidende  Gebiet  zwischen  dem  Parana  und  Tocantius,  die 
aus  Granit,  Gneiß  und  krystallinischen  Schiefern  bestehen,  und  die 
wahrscheinlich  silurischen  Sandsteingebirge  zu  beiden  Seiten  des 
S.  Francisco;  nur  diese  haben  eine  Faltung  erfahren.  Zwei  Drittel 
der  Rumpfscholle  ist  aber  durch  eine  Decke  von  horizontal  oder 
nahezu  horizontal  gelagerten  Sand-  und  Mergelgesteinen  devonischen, 
karbonisclien  oder  mesozoischen  Alters  verhüllt,  und  nur  die  Thäler 
sind  zum  Teil  bis  auf  die  archäische  Unterlage  eingeschnitten.  Solche 
Vorkommnisse  sind  weit  verbreitet,  wenn  sie  auch  häufig  nur  unter- 
geordnet auftreten  und  dann  den  Charakter  des  Rumpfschollenge- 
birges nur  örtlich  verändern.  Ich  erinnere  z.  B.  an  die  silurischen 
Tafelreste  Skandinaviens,  an  das  nordböhmische  Kreidegebiet,  an  die 
jurassischen  Causses  des  französischen  Zentralplateaus,  an  den  Alten 
Roten  Sandstein  Schottlands,  an  das  mesozoische  Gebirge  am  Ost- 
raude  der  iberischen  Scholle,  in  dem  Duero  und  Tajo  entspringen, 
an  verschiedene  Vorkommnisse  im  Dekan,  vor  allein  an  die  große 
Trappplatte,  endlich  an  die  Karruformation  Südafrikas. 

Orographie  der  Rumpfschollengebirge.  Man  kann  es  als  Regel 


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Morphologie  des  Landes. 


aussprechen,  daß,  je  verwickelter  der  Dmwandlungsprozeß  ist,  desto 
mannigfacher  die  daraus  hervorgehenden  Geländeformen  sind.  Für 
die  orographische  Erscheinungsweise  der  Rumpfschollengebirge  sind 
die  Anordnung  der  Verwerfungsspalten,  die  Unterschiede  in  der 
Widerstandsfähigkeit  der  Gesteine  und  die  Verteilung  der  Erosions- 
linien in  erster  Linie  bestimmend. 

Wie  bei  den  Faltenschollen,  giebt  es  auch  hier  Quer-  und 
Längsschollen.  Wird  aus  einer  alten  Destruktionslläche  ein 
längeres  Stück  quer  zum  Streichen  der  Schichten  herausgeschnitten, 
so  entstehen  häufig  Kamm-  oder  Rückengebirge.  Den  Thüringer 
Wald  haben  wir  als  solchen  schon  kennen  gelernt;  die  Vogesen,  der 
Schwarzwald  sind  andere  naheliegende  Beispiele;  das  skandinavische 
Gebirge  dürfte  wenigstens  für  seinen  südlichen  und  mittleren  Teil 
hier  zu  nennen  sein;  in  der  australischen  Kolonie  Victoria  streichen 
die  Falten  meridional,  während  der  wasserscheidende  Rücken 
auf  eine  Länge  von  beiläufig  500  km  äquatorial  verläuft.  Die 
Herausbildung  eines  fortlaufenden  Kammes  oder  Scheitels  ist  hier 
ausschließlich  das  Werk  der  Erosion  seit  der  Zeit,  da  die  Scholle 
sich  — relativ  oder  absolut  — über  die  Umgebung  zu  erheben  be- 
gann; indem  die  Thalentwicklung  immer  tiefer  in  die  Scholle  ein- 
drang, wurde  die  Wasserscheide  immer  schmäler.  Für  die  Anord- 
nung der  Thiiler  waren  unzweifelhaft  die  Abdachungsverhältnisse 
zunächst  maßgebend,  in  manchen  Fällen  aber  wohl  auch  das  Streichen 
der  Schichten,  wie  man  z.  B.  aus  dem  wechselnden  Verlaufe  der 
norwegischen  Fjorde  zu  erkennen  glaubt. 

Auch  der  Harz  ist  eine  Querscholle,  aber  von  kleinem  Umfange. 
Hier  sind  die  Thäler  strahlenförmig  angeorduet,  daher  kam  es 
nicht  zur  Kamm-  oder  Rückenbildung,  und  so  tritt  der  Harz  als 
plateauartiges  Massiv  in  scharfen  Gegensatz  zum  benachbarten 
Thüringer  Walde. 

Als  Längsscholle  haben  wir  schon  das  Erzgebirge  genannt. 
Vergleichen  wir  es  mit  dem  niederrheiuischen  Schiefergebirge,  so 
finden  wir  darin  einen  gemeinsamen  Zug,  daß  beide  ihren  Haupt- 
längsbruch im  Süden  haben  und  daher  auch  nur  hier  sich  deutlich 
als  Gebirge  abheben,  während  sie  nach  Norden  allmählich  unter- 
tauchen. Diese  Einseitigkeit  kommt  aber  nur  bei  dem  Erzgebirge 
auch  orographisch  zum  Ausdrucke,  die  Kammlinie  liegt  am  südlichen 
Bruchrande,  Querthäler  gehen  nach  Norden  und  Süden  aus,  die 
ersteren  sind  lang,  die  letzteren  kurz.  Dagegen  ist  das  Schiefergebirge 
hydrographisch  unselbständig,  das  Rheinthal  schneidet  es  der  ganzen 
Länge  nach  entzwei,  und  dadurch  entstanden  Abdachungen  nach 


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Umformung  der  Faltengebirge. 


493 


Osten  und  Westen,  denen  die  Längstbäler  der  Mosel,  Ahr,  Lahn. 
Sieg  und  Ruhr  entsprechen. 

Der  Bau  des  schottischen  Hochlandes  erklärt  sich  aus  einer 
Kombination  von  Brüchen.  Die  Randspalten,  die  die  Umrisse 
schufen,  sind  teils  Längs-,  teils  Querbrüche;  im  Moray  Firth  stoßen 
sie  unter  einem  Winkel  von  etwa  40°  zusammen.  Außerdem  wird 
das  Gebirge  seihst  von  zwei  Senkungsgräben  durchschnitten,  von 
dem  schmalen  Gien  More  mit  dem  caledonischen  Kanal  im  Norden 
und  von  den  breiten  Lowlands  im  Süden.  Der  nördliche  Bruchrand 
der  letzteren,  der  geradlinig  vom  Stonehaven  nach  dem  Firth  of  Clyde 
verläuft,  ist  in  Fig.  169  (B)  deutlich  erkennbar.  So  löst  sich  die 
Scholle  in  drei  selbständige  Gruppen  auf,  von  denen  jede  einen 
eigentümlichen  orographischen  Charakter  besitzt.  Das  nördliche 
Hochland  ist  eine  schmale  Längsscholle,  die  Wasserscheide  ist  ganz 


Fig.  169.  Profil  des  mittelschottischen  Hochlandes,  nach  A.  Getkie.12 

(Lange  auf  die  Hälfte  reduziert,  Höhe  wie  im  Originale.) 

1.  Altpaläozoische  Schiefer,  2.  Altpaläozoischer  Kalkstein,  3.  Granit,  4.  Alter  roter 
Sandstein  (Devon),  5.  Geschichtete  vulkanische  Gesteine  (Devon),  6.  Karbon. 

CK  Caledonischer  Kanal;  BN  Ben  Nevis  (1342  m);  BL  Ben  Lawers  (1214  m); 

B Bruchlinie  Stonehaven-Firth  of  Clyde;  OH  Ochill  Hills. 

nahe  an  die  Westküste  gerückt,  an  oder  nahe  an  die  Grenze  zwischen 
Gneiß  und  Schiefer,  ist  aber  kein  zusammenhängender  Kamm.  Im 
strikten  Gegensätze  zum  Faltenbaue,  der  nordöstlich  ziehende  Ketten 
verlangen  würde,  herrscht  ostwestliche  Parallelgliederung ; die  kurzen 
Bergzüge  sind  nur  durch  die  Erosion  herausgeschnitten  worden. 
Überschreiten  wir  das  caledonische  Thal,  so  treten  wir  in  einen  Gürtel, 
wo  Falten-  und  Kettenrichtung  nahezu  übereinstimmen,  aber  Fig. 
169  zeigt  uns,  daß  auch  hier  Denudation  und  Erosion  die  formbil- 
denden Elemente  waren,  indem  sie  Sattelbiegungen  in  Thäler  und 
Mulden  in  Berge  umschufeu.  Begeben  wir  uns  weiter  nach  Osten, 
so  sehen  wir  die  Denudation  durch  das  Auftreten  granitischer  Ge- 
steine beeinflußt.  In  der  Nähe  des  Eruptivstockes  Macdui  teilen  sich 
die  Bergzüge  gabelförmig,  der  eine  nach  Nordosten,  der  andere  nach 
Osten,  und  schließen  das  Deethal  ein.  Solche  mehr  oder  minder 
umfangreiche  Ernptivmassen,  die  die  fortschreitende  Abtragung  aus 
der  Destruktionsfläche  herausschält,  tragen  allenthalben  dazu  bei, 
Rumpfgelände  mannigfaltiger  zu  gestalten.  Die  vier  Einzelberge, 
die  sich  als  weithin  sichtbare  Landmarken  über  das  Harzplateau 
erheben,  der  Brocken  (1142  m),  der  Ramberg  (575  m),  Auerberg 


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494 


Morphologie  des  Landes. 


(575  m)  und  Ravensberg  (660  in),  bestehen  aus  Granit,  bezw.  Por- 
phyr. Aber  auch  feste  Sedimentbänke  treten  scharf  aus  der  Um- 
gebung hervor,  so  die  langgestreckten,  quarzitischen  Acker-  und 
Bruchberge  im  Harz,  die  Höhenrücken  des  Taunusquarzites  im  sonst 
so  eintönigen  niederrheinischen  Schiefergebirge,  die  phantastischen 
Felsenmauern  aus  mitteldovonischen  Konglomeratbänken,  die  manche 
Gegenden  der  Ardennen  schmücken,  n.  s.  w.  — die  Zahl  solcher 
Beispiele  ließe  sich  nach  Belieben  vermehren.  Wo  aber  das  Ge- 
steinsmaterial ziemlich  gleichmäßig  ist,  und  die  Thäler  weite  Zwischen- 
räume lassen,  hat  die  Destruktionsfläche  ihren  Charakter  noch  ge- 
wahrt. Wer  vermöchte,  wenn  er  über  die  Eifel  (Fig.  170)  wandert, 
und  wenn  sein  Auge  nicht  geologisch  geschult  ist,  zu  erkennen,  daß 
er  auf  gefaltetem  Laude  steht?  Wie  im  zerschnittenen  Tafellande, 
so  enthüllt  sich  auch  hier  der  Gebirgscharakter  nicht  auf  der  Höhe, 


Maimagen  Birgel  Gerolstein 


Fig.  170.  Profil  der  Eifel. 

b unterdevonische  Grauwacke,  c Schiefer  und  Sandstein,  d Kalk,  m Buntsandstein. 


sondern  tief  unten  im  Tliale.  Indes  so  sehr  auch  solche  Rnmpf- 
sehollenplateaus  den  flachgeschichteten  ähneln,  im  Einzelnen  gewahrt 
man  doch  wesentliche  Unterschiede.  Denn  eine  völlige  Gleichmäßig- 
keit ist  innerhalb  eines  Schichtenkomplexes  niemals  vorhanden,  und 
auf  einem  abgehobelten  Faltengebirge  sind  die  Härteunterschiede 
horizontal  nebeneinander,  in  einem  Tafellande  vertikal  untereinander 
gelagert. 

Genetische  Einteilung  des  Faltenlandes. 

I.  Urform:  Faltengebirge: 

1.  Gleichförmige, 

2.  Ungleichförmige. 

a)  Einfache, 

b)  Zusammengesetzte. 

a)  Asymmetrische, 
ß)  Symmetrische, 

}-)  Zonale. 

II.  Umformung  durch  Bruch: 

1.  Faltengebirge  mit  zerbrochener  Innenzone, 

2.  Gebrochene  Faltengebirge, 

3.  Faltenschollengebirge. 


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Umformung  der  Faltengebirge. 


495 


a)  Längsschollen, 

b)  Querscholleu. 

III.  Umformung  durch  Destruktion: 

1.  Rumpfgebirge, 

2.  Destruktionsfläche. 

IV.  Umformung  durch  Bruch  und  Destruktion:  Rumpf- 

schollengebirge: 

1.  Längsschollen, 

2.  Querschollen. 

Wir  können  auch  von  orographischen  Kategorien  ausgehen  und 
erhalten  dann: 

1.  Kettengebirge: 

1.  Faltengebirge, 

2.  Faltengebirge  mit  zerbrochener  Inuenzoue, 

3.  Gebrochene  Faltengebirge, 

4.  Rumpfgebirge. 

II.  Schollengebirge:  Kammgebirge,  Massive: 

1.  Faltenschollengebirge, 

2.  Rumpfschollengebirge. 

III.  Flachland:  Destruktionsflächen. 

Mehr  noch,  als  bei  unseren  Erörterungen  über  die  Oberflächen- 
formen  flachgelagerter  Schichten,  fühlen  wir  hier  die  Unzulänglich- 
keit der  geologischen  Erkenntnis.  Es  ist  z.  B.  nicht  möglich,  die 
durchgreifenden  Gebirge  der  Sahara  oder  des  inneren  Australiens  — 
und  manche  derselben  sind  von  ansehnlichen  Dimensionen  — mit 
Sicherheit  in  unserem  System  unterzubringen.  Gerade  deshalb  — 
und  wir  wollen  es  nochmals  betonen  — muß  man  das  orographiselie 
und  das  genetische  System  auseinanderhalten,  wenigstens  ist  die  Zeit  zu 
einer  Verschmelzung  noch  nicht  gekommen.  Wir  haben  zwar  oben 
einige  orographiselie  Formen  mit  genetischen  identifiziert,  aber 
wir  sind  durchaus  nicht  sicher,  daß  wir  auch  nur  in  den  Haupt- 
typen Vollständigkeit  erzielt  haben.  Der  Reisende,  der  unbekannte 
Gegenden  flüchtig  durcheilt,  wird  gut  daran  thun,  sich  nur  der 
orographischen  Terminologie  zu  bedienen;  die  äußere  Form  ist  dem 
geübten  Auge  leicht  erkennbar,  der  innere  Bau  erfordert  intensive 
Forschung.  Selbst  geologisch  gut  studierte  Gebiete  bieten  uns  noch 
manche  Probleme;  das  wichtigste  derselben  werden  wir  im  nächsten 
Kapitel  kennen  lernen. 

Litteraturnacliweise.  1 Vgl.  Theos.  Fische«,  Wissenschaftliche  Oro- 
graphie  der  Iberischen  Halbinsel,  in  Petermanns  Mitteilungen  1894.  — 5 Nau- 
mann, Bau  und  Entstehung  der  japanischen  Inseln,  Berlin  1885;  Geologische 


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496 


Morphologie  des  Landes. 


Karte  in  d.  Mitteil.  d.  Wiener  Geographischen  Gesellschaft,  1887.  Haraha, 
Die  japanischen  Inseln,  Berlin  1890.  — 8 Rkyer,  im  IV.  Beilage-Bande  z.  Neuen 
Jahrbuch  f.  Mineralogie  etc.  1886,  S.  291.  — 4 Diu.es  im  Bulletin  of  the  U.  S. 
Geological  Survey,  Nr.  33,  1886.  — 5 Haoüe,  Geology  of  Eureka  District,  im 
3.  Annual  Report  of  the  U.  S Geological  Survey,  1881 — 82.  — * Im  40.  Bde. 
der  Denkschriften  der  Wiener  Akademie  der  Wissenschaften,  Math  naturwiss. 
Klasse,  1880.  — 7 Fhilippson , Der  Peloponnes,  Berlin  1892.  — 8 Neuere  Ar- 
beiten über  dieses  Gebiet  von  Bell,  Lawsox,  Low,  üawson  s.  in  den  Jahres- 
berichten d.  Geological  Survey  of  Canada.  — ® Davis  im  Bulletin  of  the 
Geological  Society  of  America,  1891,  Bd.  II,  S.  545.  — 10  Prüsciioldt,  Der 
Thüringer  Wald,  Stuttgart  1891.  Regel,  Thüringen,  I.  Bd.,  Jena  1892.  — 
11  Derby,  Physikalische  Geographie  und  Geologie  von  Brasilien,  in  d.  Mit- 
teilungen der  Geographischen  Gesellschaft  in  Jena,  1886.  — '*  Geikie,  The 
Scencry  of  Scottland,  London  1887. 


Flexurgebirge. 

Faltengebirge  bestehen  aus  Antiklinalen  und  Synklinalen,  Flexur- 
gebirge sind  einfache  Antiklinalen,  Flexurstufen  (s.  S.  457)  sind  halbe 
Antiklinalen. 

Geschlossene  Flexurgebirge.  Der  Typus  eines  geschlossenen 
Flexurgebirges,  d.  h.  eines  solchen  mit  erhaltener  Wölbung,  sind  die 
Uinta- Mountains,  die  quer  durch  das  Tafelland  des  Colorado  vom 
Wahsatch-  gegen  das  Felsengebirge  hinüberstreichen.  Ihre  Länge 
beträgt  240  km,  die  Breite  50 — 60  km,  in  der  Mitte  steigen  sie  bis 
4200  m über  den  Meeresspiegel,  2300  m über  das  Tafelland  empor. 


Fig.  171.  Profil  des  Uinta-Gebirges  von  Powell. 

1.  Archäisch,  2 . Uinta-Sandstein,  3.  Karbon,  4 u.  5.  Mesozoisch,  6.  Tertiär, 

V Verwerfung. 


Es  ist  also  nach  allen  Dimensionen  ein  bedeutendes  Gebirge  und 
doch  von  wunderbar  einfachem  Baue.  Nur  an  der  Nordseite  tritt 
eine  Verwerfung  (V  in  Fig.  171)  störend  ein,  und  am  Südschenkel, 
östlich  vom  Green  River,  zeigt  sich  in  dreimaliger  flachwelliger 
Schichtenbiegung  ein  schwacher  Ansatz  von  Faltung.1  Der  tekto- 
nischen Einfachheit  entspricht  die  orographisehe;  Querthäler  laufen 
von  dem  Sattelkamme  nach  Norden  und  Süden  aus,  und  nur  dem 
gewundenen  Durchgangsthale  des  Green  River  verdankt  das  Gebirge 
eine  reichere  Gliederung.  Aber  auch  dieses  Thal  ist  ausschließ- 
lich Erosionswerk. 

Verwickelter  ist  der  Bau  des  Felsengebirges.  Wir  wählen 


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Flexurgebirge. 


497 


zur  Erläuterung  ein  Profil  in  etwa  40°  B.  Wir  nähern  uns  dein 
Felsengebirge  von  Osten  und  erreichen  in  Boulder  eine  Seehöhe  von 
1609  m.  Hier  sehen-  wir  die  sonst  Hachgelagerten  Kreideschichten 
steil  emporsteigen;  ihre  Schichtenköpfe  bilden  parallele  Vorketten, 
von  den  Amerikanern  plastisch  Hogbacks  (Schweinsrücken)  genannt. 
Nun  folgt  die  breite  archäische  Coloradokette,  deren  höchster  Punkt 
hier,  der  Arapahoe  Peak,  4120  m über  dem  Meere  liegt.  Im  Westen 
senkt  sich  die  Kette  zu  den  flachen  Depressionen  des  Parks,  die 
mit  Sedimenten  ausgefüllt  sind;  die  Thalböden  haben  hier  2200  bis 


Whür*  River  Ploicau. 


Colorado 

Park  Middle  Range 
Range  Park 


Pr  arten. 


Afppresn  iveau 


E~~H  Archaisch,  223  Paläozoisch.  r~1  Mesozoisch,  1 I Thrtiär 

Fig.  172.  Geologisches  Profil  des  Felseilgebirges,  nach  Hayden  (Atlas  von  Colorado). 


2500  m Höhe.  Von  der  zweiten  archäischen  Kette,  der  Parkkette 
(Lone  Peak,  3440  m),  sehen  wir  in  unserem  Profile  nur  einen  schmalen 
Ausläufer.  Den  westlichen  Abschluß  macht  die  Riesenantiklinale  des 
White  River  Plateau  (höchster  Punkt  3679  m);  in  den  Grand  Hog- 
backs biegt  sich  der  paläo-  und  mesozoische  Schichtenmantel  in 
die  Tiefe  und  verschwindet  unter  den  Hachen  Tertiärschichten  des 
Green  River  Plateaus,  das  hier  etwa  2600  m über  Meer  hegt 

Theorie.  Die  amerikanischen  Geologen , bisher  nur  an  die 
regelmäßige  Faltenaufeinaudorfolge  der  Alleghanies  gewöhnt,  standen 
hier  vor  einem  neuen  Probleme.  Die  einfachen  Schichtenbeugungen 
am  Rande,  die  große  Ausdehnung  der  krystalliuisehen  Zonen,  die 
gewaltigen  Gewölbe  — das  alles  findet  in  den  echten  Faltengebirgen 
kein  Analogon.  Die  Ansichten  über  die  Entstehungsweise  dieses  Gebirge 
gehen  daher  ziemlich  weit  auseinander.  Zunächst  entsteht  die  Frage,  ob 
die  beiden  Ketten  des  Felsengebirges  einst  ebenso  von  Sedimenten 
überlagert  waren,  wie  jetzt  noch  das  White  River  Plateau;  und  wer 
dieser  Ansicht  huldigt,  wie  es  die  älteren  Erforscher,  Hayden  und 
Powxll,  gethan  haben,  muß  zu  vertikalen  Dislokationen  seine  Zuflucht 
nehmen,  sei  es,  daß  man  im  Sinne  der  Amerikaner  die  Gebirge 
durch  einfache  Hebung  Uber  die  Umgebung  emporwachsen  läßt,  sei 
es,  daß  man  mit  Suess  die  Umgebung  sich  senkend  denkt,  während  die 
heutigen  Gebirge  keilförmig  stehen  bleiben.  Im  letzteren  Falle  wäre 
das  Flexurgebirge  genetisch  in  dieselbe  Kategorie  zu  stellen,  wie 
die  Flexurstufe  und  durch  Bruch  aus  Flachschichtung  hervorge- 
gangen. Daß  dieser  Prozeß  sich  thatsächlich  im  Coloradogebiete  an 

Süpax  , Physische  Erdkunde.  2.  Aufl.  32 


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498 


Morphologie  des  Landes. 


verschiedenen  Stellen  abspielte  (vergl.  S.  459),  hat  die  Verbreitung 
der  SüEssschen  Theorie  jedenfalls  begünstigt.  Die  neueren  Unter- 
suchungen sind  aber  zu  wesentlich  anderen  Ergebnissen  gelaugt. 
Namentlich  Emmons  2 vertritt  die  Ansicht,  daß  die  archäischen  Massen 
der  Colorado-  und  Parkkette  und  des  Sawatcli . uralte  Festländer  sind, 
und  daß  die  Sedimente  nur  an  den  Rändern,  also  als  Uferbildungen 
abgelagert  und  dann  durch  seitlichen  Schub  in  Falten  gelegt  wurden. 
Nur  waren  diese  Falten  einseitig  ausgebildet,  mit  sanft  ansteigendem 
Ost-  und  steil  abfallendem  Westschenkel;  dies  erzeugte  Einbrüche 
mit  Senkung  des  Westflügels,  wodurch  eine  Art  Schuppenstruktur 
entstand.  Nach  dieser  Theorie,  die  zunächst  zur  Erklärung  der 
Lagerungsverhältnisse  in  der  Moskitokette  diente,  ist  also  das  Felsen- 
gebirge vonColorado  nur  eine  Abart  von  Faltengebirgen;  und  in  derThat, 
Übergänge  aus  der  einen  in  die  andere  Form  sind  hier  nicht  selten. 
Wir  verweisen  auf  die  Erfahrungen  in  der  Moskitokette,  auf  den 
höchst  verwickelten  Bau  der  Elk  Mountains  mit  ihrer  schönen, 
liegenden  Falte ; auf  das  plötzliche  Auftreten  echter  Faltenzüge 
nördlich  vom  Wahsatchgebirge  bis  zur  Basalttafel  des  Snake  River. 
Ja  das  Felsengebirge  selbst  nimmt  schon  in  Montana  den  Typus 
eines  Faltengebirges  mit  antiklinalen  Kämmen  und  Synklinalen 
Thälem  an,  wie  Hayes  schon  1871  richtig  erkannt  und  Peale  erst 
jüngst  wäeder  bestätigte  hat.3  Auf  die  echten  Flexurgebirge  nach  dem 
Typus  der  Uinta  Mountains  findet  die  EMMOxssche  Theorie  zwar 
keine  Anwendung,  indes  sind  auch  hier,  wie  wir  bereits  erwähnten, 
Andeutungen  von  Faltung  erkennbar.  Noch  ausgeprägter  ist  der 
Übergang  im  Libanon,  dessen  breite  und  flache  Antiklinale  sich  im 
Süden  in  eine  Doppelfalte  auflöst.4  Erinnern  wir  uns  daran,  was 
auf  S.  408  über  die  beiden  Komponenten  der  faltenden  Kraft  gesagt 
wurde,  so  sind  unserer  Meinung  nach  die  Beziehungen  von  Flexur- 
und  Faltengebirgen  nicht  schwer  zu  deuten.  Erstere  entstehen  dann, 
wenn  die  vertikale  Komponente  fast  ausschließlich  in  Wirksamkeit  tritt. 
Das  Wesen  jener  Kraft  bleibt  dabei  freilich  noch  ganz  im  Dunkeln. 

Aufgelöste  Flexurgebirge.  Natürlich  gilt  von  dem  Flexurgebirge 
dasselbe,  wie  von  allen  anderen:  sie  sind  Ruinen.  Selbst  von  der 
Uintakette  ist  nach  Powells  Schätzung  eine  mehr  als  9000  m 
mächtige  Sedimentmasse  entfernt  worden,  aber  trotzdem  hat  dieses 
Hochgebirge  seinen  geschlossenen  Charakter  noch  bewahrt.  Wechseln 
dagegen  Schichten  von  erheblich  verschiedener  Widerstandskraft,  so 
wird  das  Flexurgebirge  in  Landstufen  aufgelöst,  und  nur  in  der 
Anordnung  der  letzteren  ist  die  einstige  Gestalt  noch  wiederzuer- 
kennen. In  den  „Swells“  des  Colorado-Tafellandes,  einseitigen, 
flachen  Antiklinalen,  die  aus  einem  Sedimentmantel  und  einem 


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Flexurgebirge. 


499 


Granitkern  bestehen,  können  wir  verschiedene  Stadien  dieses  Denu- 
dationsprozesses studieren.6  Eine  der  merkwürdigsten  Gebirgsbil- 
dungen sind  die  Black  Hills  von  Süd-Dakota,  eine  beulenförmige 
Auftreibung  der  Erdkruste  von  140  km  Länge  und  60  km  Breite. 
Im  Innern  sehen  wir  ein  altes  Gebirge  aus  Granit  und  krystallini- 
schen  Schiefern  entblößt,  von  dem  allseitig  Potsdam-Sandstein, 
Kohlenkalk,  Trias,  Jura  und  Kreide  abfallen,  um  dann  in  die  flache 
Lagerung  der  Prärien  überzugehen.  Kohlenkalk  und  gewisse  Granite, 
die  der  Denudation  den  größten  Widerstand  entgegensetzten,  bilden 
jetzt,  die  höchsten  Erhebungen  (ca.  1000  m Uber  der  Ebene),  während 
die  Zerstörung  der  triassischen  Gesteine  eine  ringförmige  Depression 


d ... 


Fig.  173.  The  Weald  nach  Ramsay. 


schuf,  der  die  Indianer  den  bezeichnenden  Namen  „die  Rennbahn“ 
gegeben  haben.  Ein  bescheidenes  europäisches  Gegenstück  dazu  liefert 
der  wohlbekannte  Weald  im  Süden  des  Londoner  Beckens.  Die 
Mitte  nimmt  der  unterkretacelsche  Hastingssand  (o  in  Fig.  173),  ein 
niederes  Hügelland,  ein,  dann  folgen  die  Ebenen  des  wenig  wider- 
standsiähigen  Wealdenthons  (6),  dann  unterer  Grünsand  (c),  schwach 
hervortretende  Landstufen  bildend,  endlich  oberer  Kreidekalk  (cf), 
der  sich  als  North  und  South  Downs  steil  über  das  zerstörte  Ge- 
wölbe erhebt  Daß  die  Downs  echte  Denudationsstufen  sind,  unterliegt 
keinem  Zweifel , aber  die  ursprüngliche  Öffnung  der  Antiklinale, 
wodurch  Schichten  von  wechselnden  Härtegraden  dem  Spiele  der 
Atmosphärilien  preisgegeben  wurden,  schrieb  Ramsay  der  Abrasion 
in  der  Eocänzeit  zu.  Man  glaubte  dieser  Hypothese  entbehren  zu 
können  und  mit  der  Denudation  auszureichen,  aber  merkwürdig  ist 
es  immerhin , daß  die  festländische  Fortsetzung  des  Weald , die 
Schwelle  von  Amiens,  noch  geschlossen  ist 

Litteraturnach  weise.  1 White,  Gcology  and  Physiography  of  a Portion 
of  Northwestern  Colorado,  im  IX.  Jahresber.  d.  U.  S.  Geological  Survey, 
1887 — 88.  — ' Emmons,  Geology  and  Mining  Iudustry  of  Leadville,  Washington 
1886;  Orographic  Movements  of  the  Rocky  Mountains  im  Bulletin  of  the 
Geological  Society  of  America,  1890.  — 3 Peale  im  Bulletin  of  the  U.  S.  Geo- 
logical Survey,  Nr.  110,  1893.  — 4 Bi-anckenuobn,  Die  Strukturlinien  Syriens, 
in  der  RicHTHOEEn-Festschrift,  Berlin  1893.  — 1 Duttok,  Mount  Taylor  and  the 
Zufii  Plateau,  im  6.  Annual  Report  of  the  U.  S.  Geological  Survey,  1885. 


32* 


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500 


Morphologie  des  Landes. 


Vulkanische  Berge. 

Auf  S.  309  wurden  diejenigen  Bodenformen  genannt,  die  aus 
vulkanischen  Ausbrüchen  hervorgeheu.  Von  den  negativen  sehen 
wir  hier  ab,  von  den  positiven  Formen  haben  wir  die  Tafel  schon 
im  Kapitel  Uber  die  Flachschichtung  besprochen;  es  bleibt  uns  also 
nur  noch  die  Aufgabe  übrig,  vulkanische  Berge  und  Gebirge  in 
ihren  morphologischen  Eigenschaften  kennen  zu  lernen. 

Ihrem  Baue  nach  unterscheidet  man  geschichtete  oder  Strato- 
vulkane und  homogene  Vulkane.  Sind  sie  noch  thätig,  so  erleiden 
sie  schon  dadurch  mehr  oder  minder  durchgreifende  Veränderungen 
(vgl.  Fig.  77  auf  S.  304)  und  in  diesen  Beziehungen  unterscheiden 
sie  sich  von  allen  anderen  Bodenformen,  die  wir  — wenigstens  im 
Vergleich  zu  unserer  Kurzlebigkeit  — als  etwas  gegebenes,  starres 
zu  betrachten  gewohnt  sind,  an  denen  nur  die  destruktiven  Kräfte 
arbeiten.  Ja  sogar  von  völligen  Neubildungen,  auch  auf  dem 
Lande,  meldet  uns  die  Geschichte.  375  v.  Chr.  ist  das  Geburtsjahr 
des  Vulkans  auf  der  griechischen  Halbinsel  Metliana,  der  aber  nicht 
mehr  thätig  ist,  und  in  das  Jahr  286  v.  Chr.  verlegt  die  Tradition 
die  Entstehung  des  japanischen  Vulkans  Fusijama  (3769  m hoch). 
Viel  jünger  ist  der  Monte  Nuovo  (139  m hoch)  in  den  phlegräischen 
Feldern,  der  seit  seiner  Bildung  im  Jahre  1538  keinen  Ausbruch 
mehr  erlebte.  In  das  Jahr  1759  fällt  die  Entstehung  des  Vulkans 
Jorullo  in  Mexiko  (1309  m hoch);  um  1793  entstand  der  Vulkan 
von  Izalco  in  San  Salvador,  der  eine  relative  Höhe  von  292  m er- 
reicht. Einer  derjüngstenx  vulkanischen  Berge  ist  der  von  Leon  in 
Nicaragua  (14.  November  1867),  der  etwas  über  60  m hoch,  und 
dessen  Krater  ebenso  tief  ist  Er  stellt  uns  also  die  einfachste 
Form  eines  vulkanischen  Berges,  die  einer  wallartigen  Umrahmung 
der  Ausbruehsstelle  dar. 

Stratovulkane.  Alle  Stratovulkane  sind  aufgesetzte  Bodeu- 
formen,  und  über  der  heutigen  Erdoberfläche  durch  Aufschüttung 
entstanden.  Ihre  naturgemäße  Gestalt  ist  der  Kegel,  der  bei  manchen 
Vulkanen,  wie  beim  Cotopaxi  oder  heim  Pic  von  Orizaba  (Fig.  174), 
noch  in  wunderbarer  Reinheit  erhalten  ist.  Aber  die  Erosion  in 
den  Zeiten  der  Ruhe  und  heftige  Eruptionen  (besonders  seitliche, 
die  einen  Teil  des  Kegels  zerstören)  verändern  meist  die  ursprüng- 
liche Gestalt,  wenn  auch  selten  bis  zur  völligen  Unkenntlichkeit, 

X Berohaüs’  Geologischer  Atlas  (Blatt  3)  führt  noch  ein  paar  Neubildungen 
aus  den  80er  Jahren  an,  über  die  uns  aber  sonst  nichts  bekannt  geworden  ist 


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Vulkanische  Berge. 


501 


wie  beim  Pinchincha  in  Quito,  der  dem  Beschauer  jetzt  als  eine 
breite  Mauer  mit  vier  Gipfeln  erscheint.  Da  die  schwereren  Aus- 
würflinge zunächst  der  Eruptionsöffnung  niederfallen,  die  leichteren  aber 
weiter  getragen  werden,  so  nimmt  der  Böschungswinkel  der  Gehänge 
in  der  Regel  von  oben  nach  unten  ab.  Bei  dem  Vulkan  von  Pico 
(Azoren)  beträgt  er  am  Fuß  3°,  weiter  oben  6 — 12°  und  in  der 
Nähe  des  2500  m hohen  Gipfels  30 — 35°.  Am  flachsten  sind  die 
reinen  Tufikegel. 


Fig.  174.  Pik  von  Orizaba  (aus  dem  Wald  von  Jalappa  gesehen) 
nach  A.  von  Humboldt. 

Den  Gipfel  krönt  eine  trichterförmige  Einsenkuug  von  kreis- 
ähnlicher oder  ovaler  Form:  der  Krater,  auf  dessen  Boden  sich 
die  Mündungen  des  Eruptionskanals  befinden,  die  aber  in  der  Zeit 
der  Ruhe  verstopft  sind.  Bestehen  die  Wände  des  Kraters  nur  aus 
lockerem  Material,  so  neigen  sie  sich  trichterförmig  flach  dem 
Innern  zu;  die  der  Felskrater  sind  dagegen  steil.1  Der  Durchmesser 
ist  verschieden  und  steht  in  keinem  bestimmten  Verhältnisse  zur  Höhe 
des  Berges. x Auch  der  Krater  ist  fortwährenden  Veränderungen  unter- 
worfen. Heftige  Eruptionen  können  ihn  zu  einem  großen  Zirkus 
mit  steilen,  immer  mehr  einstürzeuden  Wänden  erweitern,  und  eine 
ähnliche  Form  kann  auch  die  Erosion  in  langen  Ruhepausen  er- 
zeugen. Mit  der  Erweiterung  des  Kraters  geht  aber  seine  Ver- 
dachung stets  Hand  in  Hand.  Auf  diese  Weise  entstanden  jene 
mächtigen  Ringgebirge,  die  große  Kesselthäler  einschließen.  Eines 


x Stromboli,  670,  Ätna  ca.  700,  Kilauea  ca.  4700,  Tengger  auf  Java,  der 
größte  thätige  Krater,  gegen  4900  m. 


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502 


Morphologie  des  Landes. 


der  berühmtesten  Beispiele  eines  solchen  Kesselthaies  ist  die  Caldera 
auf  Palma,  die  durch  eine  schmale  Schlucht  (Barranco)  entwässert 
wird. 

Von  größter  Bedeutung  für  den  Bau  eines  Vulkans  ist  es,  ob 
die  Eruptionsstellen  konstant  bleiben  oder  sich  verschieben.  Vier 
Fälle  sind  möglich.  Benutzt  die  neue  Eruption  den  vorhandenen 
Kanal,  so  findet  sie  auf  dem  Boden  des  alten  Kraters  statt,  und  es 
entstehen  innerhalb  desselben  einer  oder  mehrere  Auswurfskegel,  die 
ebenfalls  Krater  besitzen,  in  denen  sich  unter  gleichen  Umständen 
wieder  neue  Kegel  aufbauen  können.  Findet  aber  die  neue  Eruption 
auf  einer  Seite  des  alten  Kraters  statt,  so  wird  ein  Teil  desselben 
zerstört,  wie  beispielsweise  die  Somma  des  Vesuv  durch  den  Ausbruch 
von  79. x Solche  Vulkane  erscheinen  dann  doppelgipfelig  (Fig.  75  u.  7ti 
auf  S.  300  u.  301).  Häufig  suchen  sich  aber  die  vulkanischen  Ge- 


Fig.  1 75.  Neapolitanischer  Vnlkandistrikt. 


walten  an  den  Abhängen  des  Kegels  neue  Bahnen  und  bauen  hier 
seitliche  Eruptionskegel  auf,  die  mit  dem  alten  eine  vielgipfelige 
Bergmasse  bilden.  Der  Ätna  hat  mehrere  hundert  und  der  Ge- 
lungung  auf  Java  mehr  als  tausend  solcher  Kegel.  Findet  aber  auf 
beschränktem  Terrain  jede  neue  Eruption  an  einer  anderen  Stelle 
statt,  so  kommt  es  zwar  zur  Bildung  von  vielen,  aber  nur  von 
kleinen  Kegeln.  Die  Phlegräiscben  Felder  bei  Neapel  zählen  auf 
einer  Fläche  von  ca.  220  qkm  27  (Fig.  175)  und  der  Isthmus  von 
Auckland  auf  einer  ungefähr  doppelt  so  großen  Fläche  63  selb- 
ständige Ausbruchsstellen. 


x Franco  und  Palmieri  vertreten  die  Meinung,  daß  die  Südseite  der 
Somma  als  die  Wetterseite  von  jeher  niedrigerer  war. 


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Vulkanische  Berge. 


503 


Die  Höhe  der  Vulkankegel  hängt  einerseits  von  ihrem  Alter, 
anderseits  von  der  Art  der  Eruptionen  ab.  Maßgebend  ist  aber 
nur  die  relative  Höhe;  und  es  ist  dies  besonders  zu  berücksichtigen 
bei  den  zahlreichen  Andesvulkanen,  die  auf  einem  gewaltigen  Ge- 
birgssockel  ruhen.  Als  höchster  Vulkan  gilt  die  Kliutschewskaja 
Sopka  auf  Kamtschatka,  4900  m,  die  also  noch  den  Montblanc  an 
Höhe  übertrifft. 

Bei  ruhiger,  gleichmäßiger  Thätigkeit  und  genügendem  Lava- 
ergusse  wächst  ein  Vulkan  kontinuierlich;  wechseln  aber  Ruhepausen, 
in  denen  die  Erosion  ungehindert  arbeitet,  mit  Perioden  heftiger 
Ausbrüche,  bei  denen  nicht  selten  der  ganze  obere  Teil  des  Berges  weg- 
geblasen wird,  so  variiert  die  Höhe  ziemlich  stark.  Der  Vesuv  war 
z.  B.  1832  1140  m und  1855  1286  m hoch  und  sank  am  Ende  dieses 
Jahres  auf  1235  m herab,  erreichte  1867  eine  Höhe  von  1387  m 
und  maß  nach  1872  nur  mehr  1297  m. 

Umwandlung  durch  Denudation.  Erloschene  Vulkane  sind 
fertige  OberHächengebilde,  wie  andere  Berge,  und  nun  gelangt  die 


Fig.  176.  Durchschnitt  aus  dem  böhmischen  Mittelgebirge  nach  Jok£ly.  n Basalt- 
ströme, b Basaltgang,  c Tut!-  und  Konglomerat,  d Glanzkohle.  zeigt  den 

einstigen  Zusammenhang  an. 


Denudation  zur  Alleinherrschaft  Der  Krater  verfällt  von  selbst  der 
Abtragung  durch  den  Wind;  Aschenkrater  verschwinden  völlig; 
Felskrater  erhalten  sich  lange,  doch  häuft  sich  am  inneren  Fuße 
ein  Schuttband  an , das  die  schlotförmige  Kratergestalt  in  eine 
kesselförmige  verwandelt. 

Das  fließende  Wasser  schafft  regelmäßige  Rinnen,  die  mit  zu- 
nehmender Breite  und  Tiefe  vom  Gipfel  bis  zum  Fuß  herabziehen 
und  durch  ebenso  regelmäßige  Rippen  getrennt  werden.  Den  Gunung 
Sumbing  auf  Java,  an  dem  die  radiale  Thalanordnung  besonders 
regelmäßig  entwickelt  ist,  hat  man  sehr  passend  mit  einem  halb- 
geöffneten Regenschirm  verglichen.  Sehr  anschaulich  schildert 
Dana3  die  beiden  hawaiischen  Inseln  Oahu  und  das  später  er- 
loschene Maui.  Jede  ist  das  vereinigte  Werk  zweier  Vulkane,  eines 
westlichen  und  eines  östlichen.  Ost-Maui  hat  durch  Denudation 


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504 


Morphologie  des  Landes. 


noch  wenig  eingebüßt ; an  der  Windseite  hat  es  enge  Schluchten, 
an  der  Leeseite  aber  nur  seichte  Rinnen.  West-Maui  ist  schon 
tiefer  eingeschnitten,  aber  die  Kegelform  ist  dadurch  nur  wenig 
alteriert  worden.  Dagegen  existiert  von  dem  Kegel  Ost-Oahus  nur 
mehr  ein  Teil,  und  noch  mehr  reduziert  ist  West-Oahu,  so  daß  man 
über  die  Lage  der  Krater  nur  Vermutungen  anstellen  kann. 
Auch  Lavaströme  werden  zu  Erosionsgebirgen  zerschnitten;  so 
besteht  z.  B.  das  • sogenannte  Böhmische  Mittelgebirge  nach  JokAly 
aus  wechselnden  Tuffschichten  und  Basaltlagen,  die  von  jüngeren 
Basalten  durchbrochen  wurden.  Diese  letzteren  erscheinen  als  iso- 
lierte Kegel  oder  als  langgestreckte  Rücken  mit  meist  auffällig 
scharfen  und  zackigen  Umrissen  (Fig.  176). 

Homogene  Vulkane.  Am  leichtesten  wird  natürlich  der  Aschen- 
kegel zerstört,  doch  ist  er  bei  einigen  Vulkanen,  die  seit  der  vor- 
geschichtlichen Zeit  ruhen,  wie  bei  den  Puys  der  Auvergne  oder 
bei  der  Rocca  Monfina  zwischen  Rom  und  Neapel  noch  erhalten. 
In  der  Mehrzahl  der  Fülle  bleiben  aber  nur  die  lavagefüllten 
Schlote,  das  feste  Gezimmer  des  einstigen  Vulkans,  übrig.  Schon 
auf  S.  301  wurde  die  Vermutung  ausgesprochen,  daß  wenigstens 
manche  geschichtete  Vulkane  einen  Lavakern  bergen.  Eine  direkte 
Beobachtung  liegt  freilich  nur  von  Tahiti  vor.  Der  große  Vulkan- 
kegel im  nordwestlichen  Teile  dieser  Insel  ist  durch  radiale  Erosion 
bis  zu  einer  Tiefe  von  600 — 1200  m aufgeschlossen.  Während  in  den 
unteren  Thälern  die  Gehänge  aus  wenige  Meter  mächtigen  Lava- 
bänken in  Wechsellagerung  mit  Tuffen  und  Konglomeraten  sich  auf- 
bauen, nehmen  die  Lavabänke  thalaufwärts  an  Mächtigkeit  zu,  und 
besteht  der  ganze  zentrale  Teil  aus  einer  homogenen,  ungeschich- 
teten Lavamasse.3  Wird  die  Aschen-  und  Schlackenhülle  beseitigt, 
so  tritt  der  blanke  Kern  zutage  und  erweckt,  wenn  nicht  zufällig 
noch  Reste  der  geschichteten  Massen  vorhanden  sind,  den  Schein 
eines  ursprünglich  homogenen  Vulkanes,  eines  Lavakegels.  Zahl- 
reiche steile  Basaltkegel  dürften  als  solche  aufgedeckte  Formen 
zu  deuten  sein. 

Die  Denudation  beschränkt  sich  aber  nicht  bloß  auf  die  Zer- 
störung der  oberflächlichen  Vulkanbild ungen,  sondern  kann,  indem  sie 
die  alte  Oberfläche  selbst  Schicht  für  Schicht  abträgt,  auch  die 
Wurzeln  der  Vulkane  bloßlegen.  Manche  Teile  des  Tafellandes 
von  Colorado  werden  von  „Necks“  geradezu  durchschwärmt.  Es 
sind  Lavakegel  oder  Kuppen  ohne  Lavaströme,  ohne  Aschenkegel, 
ohne  irgend  welche  lockere  Auswürflinge,  also  offenbar  aufgedeckte 
Ausfüllungsmassen  vulkanischer  Schlote;  und  von  der  Richtigkeit 
dieser  Erklärung  kann  man  sich  nirgends  besser  überzeugen,  als 


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Vulkanische  Berge. 


505 


gerade  hier,  wo  alle  Stadien  der  Ausschälung  dieser  einst  unter- 
irdischen Kerne  zu  beobachten  sind.4 

Neben  solchen  Denudationsbildungen  giebt  es  aber  unzweifel- 
haft auch  ursprünglich  homogene  Vulkane,  die  aus  Lava- 
eruptionen hervorgegangen  sind,  wenn  es  auch  nur  durch  eingehende 
Untersuchungen  des  inneren  Baues  gelingen  kann,  sie  von  den  denu- 
dierten  zu  scheiden.  Verhältnismäßig  leicht  lassen  sich,  wie  Reyeb 
gezeigt  hat,  homogene  Kuppenberge  als  solche  erkennen.  Zähflüssiges 
und  dampfarmes  Magma  zerstäubt  nämlich  nicht,  sondern  staut  sich 
über  der  Ausbruchsstelle  zu  einem  stumpfen,  aber  steilen  Kegel  an, 
über  dem  sich  die  nachdrängende  glutflüssige  Masse  stromartig 


Fig.  177.  Profil  eines  homogenen  Vulkankegels  nach  Reyer. 


ausbreitet.  Bei  der  Erstarrung  sondert  sich  die  Lava  platten- 
fijrmig  ab,  in  der  Weise,  wie  es  Fig.  177  im  Durchschnitte  darstellt. 
Eine,  an  allen  Seiten  des  Berges  deutliche  Zwiebelstruktur  zeigt  also 
wenigstens  an,  daß  er  nicht  das  Ende  oder  ein  Teil  eines  mächtigen 
Lavastromes  ist,  sondern  an  Ort  und  Stelle  aus  dem  Erdinnem 
hervorgequollen  ist  und  sich  zu  einer  Kuppe  geformt  hat,  in  derselben 
Weise,  wrie  1866  in  Santorin  die  Inseln  Georgios  und  Aphroessa  ent- 
standen sind  (s.  S.  305).  Echte  Krater  fehlen  den  homogenen  Vul- 
kanen beider  Kategorien,  wenn  auch  kraterähnliche  Vertiefungen 
vorhanden  sind. 

In  der  Regel  treten  die  homogenen  Vulkane  als  vereinzelte 
Kegel  oder  gesellig  in  der  Form  mehr  oder  minder  geschlossener 
Kuppengebirge, oder  als  umfangreichere  Gebirgsstöcke  (Massivs) 
auf.  Seltener  sind  die  vulkanischen  Kammgebirge,  die  wir  auf 
Labialeruptionen  zurückgeführt  haben.  Eines  der  ausgezeichnetsten 
Beispiele  ist  die  siebenbürgische  Hargita,  ein  1200  km  langer,  30  km 
breiter  und  1400 — 1800  m hoher  Gebirgszug.  Den  Kamm  bildet 
Andesitlava,  die  Flanken  begleiten  aber  noch  vulkanische  Brec- 
cien,  Konglomerate  und  Tutte.  — 


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506 


Morphologie  des  Landes. 


Greift  die  Denudation  noch  tiefer,  so  können  sogar  krypto- 
vulkanische  Bildungen  zu  Tage  gefördert  werden.  Trachytische 
Lakkolithen,  die  in  der  Gestalt  unregelmäßiger  großer  Brode  oder 
Kuchen  weite  Hohlräume  des  Erdinnern  erfüllen,  kennt  man  bisher 
allein  im  westlichen  Hochlande  von  Nordamerika.  Fig.  178  stellt 

uns  einen  aus  der  Lakkolithengruppe 
der  Henry  Mountains  dar;  eine 
weitläufige  Erläuterung  des  Protiles 
erscheint  uns  iiberfiüssig,  da  die 
eigentümlichen  Verhältnisse,  unter 
denen  sie  Vorkommen,  kein  geogra- 
phisches Interesse  bieten.  Suess  hat 

Fig.  178.  Mount  Hiliers  in  den  Henry  Vermutung  ausgesprochen,  daß 
Mountains  (schwarz  Trachyt,  hell  Sedi-  , , M . L n . . 

mentgestein)  ftUCll  1113.110116  6Urop31SCll6  (jrr311lt- 

stocke,  wie  in  den  Vogesen  und  im 
Erzgebirge  oder  der  Drammengranit  im  Gebiete  von  Kristiania 
ursprünglich  krvptovulkanisch  waren,  und  nannte  sie  Batholitlien. 

Einteilung  der  vulkanischen  Bodenformen: 

I.  Urformen: 

1.  Kegel  (Kuppengebirge,  Massivs), 

a)  Geschichtete  Kegel, 

b)  (Ursprünglich)  homogene  Kegel; 

2.  Kammgebirge, 

3.  Tafeln. 

n.  Denudatiousformen : 

1.  Kernmassen  geschichteter  Vulkane 
(sekundäre  homogene  Kegel), 

2.  Bloßgelegte  Gänge. 

3.  Lakkolithen  und  Batholitlien. 

Es  erübrigt  nur  nochzu  bemerken,  daß  im  Gegensätze  zu  der  be- 
scheidenen Rolle,  die  der  Vulkanismus  in  der  Gegenwart  spielt,  die 
Anteilnahme  der  Eruptivmassen  an  der  Zusammensetzung  des  Ge- 
ländes einerseits  durch  die  großen  Tafeln,  anderseits  durch  die  De- 
nudationsformen eine  sehr  beträchtliche  ist  v.  Tillo  ermittelte  das 
Areal  nur  der  jüngern  Eruptivgesteine  mit  nahezu  4 Mill.  qkm, 
d.  h.  4 Prozent  der  geologisch  bekannten  LandoberHäcke. 

Litteraturnaclnveise.  1 Sapper,  Kratertypen  von  Mexico  u.  Guatemala, 
in  Petermanns  Mitteilungen  1894.  — ' Dana  eit.  S.  322.  — 8 Dana,  A dissected 
volcanic  Mountain,  im  American  Journal  of  Science  1886,  Bd.  XXXVII.  — 
4 Dltton  cit.  S.  499. 


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Gliederung  der  Gebirge. 


507 


Gliederung  der  Gebirge. 

Alter  der  Thäler.  Die  heutige  Thalbildung  begann  in  jedem  Ge- 
birge mit  dem  Zeitpunkte,  da  es  seine  gegenwärt  ige  Gestalt  erhalten 
hat.  In  Sehollengebirgen  lebt  sicherlieh  keine  Thallinie  aus  der 
Periode  der  ursprünglichen  Form  noch  fort,  wenn  sie  auch  hier  und  da 
eine  bruchstückweise  Wiederbelebung  erfahren  haben  mag.  Außer- 
ordentlich schwierig  ist  das  Alter  der  Thäler  in  Kumpfgebirgen  zu 
bestimmen,  solange  wir  über  deren  mannigfachen  Schicksale  nicht 
besser  aufgeklärt  sind;  ist  doch,  wie  wir  gesehen  haben,  in  Amerika 
die  Behauptung  aufgestellt  worden,  daß  die  heutigen  AUeghanies- 
thäler  nicht  Uber  die  Tertiärzeit  zurückreichen. 

Aus  dem  Satze,  den  wir  an  die  Spitze  dieses  Kapitels  gestellt 
haben,  darf  aber  nicht  abgeleitet  werden,  daß  erst  das  Gebirge  fertig 
dastand  und  dann  die  Thalbildung  begann.  Jede  Oberflächenform 
entwickelte  sich  allmählich,  und  die  Erosion  setzte  sofort  ein,  sobald 
sich  das  embryonale  Gebirge  über  den  Meeresspiegel  erhob.  Die 
Faltung  setzte  sich  in  unseren  Alpen  jedenfalls  fort,  als  Thäler 
schon  ausgegraben  waren;  und  da  uns  die  Geschichte  dieser  Gebirgs- 
bildung mit  ihren  Störungen  nur  ganz  fragmentarisch  bekannt  ist, 
dürfen  wir  uns  nicht  wundern,  daß  so  manches  in  der  Gestalt  und 
Anordnung  der  Thäler  uns  unverständlich  bleibt 

Längs-  und  Querthäler.  Von  Längs-  und  Querthälern  im  rein 
orographischen  Sinne  kann  man  zwar  in  allen  Gebirgen  sprechen, 
die  nach  einer  bestimmten  Richtung  sich  erstrecken,  aber  nur  in 
Kettengebirgen  verbinden  sich  mit  jenen  orographischen  Begriffen 
auch  tektonische,  indem  die  Längsthäler  nicht  bloß  in  der  Streich- 
richtung des  Gebirges,  sondern  auch  in  der  der  Schichten  verlaufen  und 
die  Querthäler  die  letzteren  durchschneiden.  Ja,  das  Längsthal  hat 
auch  eine  genetische  Bedeutung,  wenn  auch  die  ursprünglichen, 
Synklinalen  Thäler  seltener  sind,  als  die  antiklinalen  und  isoklinalen, 
die  wir  als  Erosiousbildungen  längs  tektonischer  Linien  zu  be- 
trachten haben.  Einen  solchen,  wenn  auch  nur  indirekten,  Zusammen- 
hang mit  der  Faltung  beweisen  die  großen  Längslurchen  vieler  Gebirge, 
durch  die  mehrere  Flüsse,  nur  durch  niedere  Wasserscheiden  ge- 
trennt, häufig  in  entgegengesetzter  Richtung  fließen.  In  den 
Alpen  sind  die  bedeutendsten  dieser  Längsfurchen  folgende:  1)  die 
Linie  Martigny-Chur  (Rhönethal,  Furkapaß,  Urserenthal,  Oberalppaß, 
Rheinthal);  2)  die  Linie  Feldkirch- Wörgl  (Thäler  der  111  und  Alfens, 
Arlberg,  Thäler  der  Rosanna  und  des  Inn);  3)  die  Linie  Zell  am 
Ziller-Hieflau  (Gerlosthal  und  -paß,  Salzachthal,  Arlthal,  Sattel  von 


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508 


Morphologie  des  Landes. 


Wagrein,  Ennsthal);  4)  die  Mur-Mürzlinie;  5)  die  Linie  Franzens- 
feste-Marburg (Rienzthal,  Toblacher  Wasserscheide,  Drauthal).  In 
den  Karpaten  ist  neben  der  Waag-Hemadlinie  besonders  jene  breite 
Furche  bemerkenswert,  die  in  einem  140  km  langen  Bogen  von 
Nameszto  bis  Nagy-Säros  hinzieht  und  von  der  Arva,  dem  Dunajec,  dem 
Poprad  und  der  Tarcza  entwässert  wird.  Sie  fällt  mit  einem  Kreide- 
aufbruche  und  mit  einem  der  bedeutendsten  Juraklippenzüge  zu- 
sammen. Die  größte  Längsfurche  (2200  km)  bilden  die  oberen 
Thäler  des  Indus  und  Brahmaputra. 

Der  Bau  dieser  Faltungsthäler  ist  verschieden.  Die  Gehänge 
der  echten  Synklinalthäler  werden  beiderseits  von  Schichtenflächen 
gebildet,  sie  steigen  daher  sanft  an  und  sind  quellenreich.  Die  Ge- 
hänge der  Antiklinaltliäler  werden  von  Schichtenköpfen  gebildet, 
sie  sind  steiler,  meist  von  Yerwitterungsterrassen  unterbrochen  und 
quellenarm.  Die  Isoklinalthäler  vereinigen  beide  Charaktere,  indem 
die  eine  Seite  Schichtenköpfe,  die  andere  Schichtentlächen  dem 
Thale  zukehrt.  Sehr  oft  vereinigt  ein  Längsthal  mehrere  Formen 
in  sich,  wobei  der  Übergang  aus  der  einen  Form  in  die  andere 
durch  kurze  Querthalstrecken  vermittelt  wird. 

Neben  Faltungslinien  gaben  auch  Brüche  Veranlassung  zur 
Thalbildung.  Schöne  Beispiele  bietet  uns  das  südwestliche  Tirol, 
wo  die  sogenannte  Judikarienspalte  das  krystallinisclie  Ortler-Ada- 
mellogebirge  von  dem  östlichen  Kalkgebirge  trennt.  Entlang  der- 
selben haben  sich  mehrere  Thäler  entwickelt:  Valbuona,  Val 

Bendena,  Val  Meledrio  und  das  Maraun-Ultenthal.  In  den  wasser- 
scheidenden Rücken,  die  Höhen  von  800—2400  m erreichen,  hängen 
beide  Gebirge  zusammen  — ein  Beweis,  daß  jene  Thäler  nicht 
primäre  Spalten,  sondern  nur  Erosionserzeugnisse  entlang  einer 
Verwerfungsspalte  sind.  Grabenthäler,  die  im  Schollenlande  so  häufig 
sind  — wir  erinnern  nur  an  die  oberrheinische  Ebene,  an  die  Rhöne- 
Saöne-Furche,  an  das  californische  Thal,  an  das  syrische  Ghor  — 
sind  aus  Faltengebirgen  nicht  bekannt,  wohl  aber  sind  manche  große 
Thalbecken,  wie  das  Laibacher  in  den  Südalpen,  durch  Kesselein- 
stürze entstanden.  Ein  intercollines  Thal  ist  das  der  oberen  Maritza 
und  Aluta  in  Siebenbürgen,  das  auf  der  einen  Seite  von  dem 
Steilrande  der  Karpaten,  auf  der  anderen  von  dem  später  entstan- 
denen, vulkanischen  Hargitagebirge  begrenzt  wird,  und  wahrscheinlich 
auch  das  Kur-  und  Rionthal  im  Süden  des  Kaukasus. 

Die  Querthäler  gehören  vorherrschend  der  Gattung  der  Ab- 
dach ungsthäler  an.  Man  erkennt  dies  daraus,  daß  die  Schichten 
ohne  sichtbare  Störung  von  einer  Thalseite  auf  die  andere  hinüber- 
streichen, und  manchmal  kann  man  auch  beobachten  — wie  Escheb 


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Gliederung  der  Gebirge. 


509 


in  der  Taminaschluclit  — daß  der  Fels  einen  fugenlosen  Thalboden 
bildet.  In  manchen  Fällen  entsprechen  sich  aber  in  den  obersten 
Partien  der  Gehänge  die  Schichten  nicht  völlig.  Im  Engpässe  des 
Guldal  (südl.  von  Trondhjem)  streichen  nach  Kjebulf  die  Schichten 
an  der  Ostseite  in  N.  30°  O.  und  an  der  Westseite  in  N.  40°  0. 
bis  N.  50°  0.  Ob  diese  Anzeichen  genügen,  um  daraus  auf  das  Vor- 
handensein einer  ursprünglichen  Spalte  zu  schließen,  ist  noch  frag- 
lich; Heim  nimmt  zur  Erklärung  ähnlicher  Abnormitäten  nachträg- 
liche Schichtenbewegungen  an,  und  zu  einem  gleichen  Ergebnisse 
gelangte  Lydekker  in  Bezug  auf  die  Himalajathäler. 

Im  allgemeinen  sind  die  Querthäler  steiler  und  enger,  als  die 
Längsthäler  und  gehen  nach  oben  in  kesselartige  Erweiterungen,  oft 
von  mehreren  Stunden  Breite,  über  (Circus,  cirque  de  növö),  die 
im  Hochgebirge  die  Firnmassen  aufnehmen.  Mit  den  wechselnden 
Formationen,  die  die  Querthäler  durchsclineiden,  ändert  sich  auch 
Gefälle  und  Physiognomie.  Durchwandert  man  das  Salzach- 
thal in  südlicher  Richtung,  so  kommt  man  aus  der  engen,  steil- 
wandigen  Schlucht  zwischen  den  Kalkmassen  des  Tännengebirges 
und  der  Palfenspitze  in  die  Zone  der  Grauwackenschiefer,  in  der 
der  Fluß  eine  breite  Thalsohle  und  die  Verwitterung  sanfte  Gehänge 
geschaffen  hat.  Dagegen  haben  jene  Thäler,  die  man  orographisch 
zu  den  Quer-  und  geologisch  zu  den  Läugsthälern  zählt,  in  der 
Regel  den  Charakter  der  letzteren.  Eine  solche  Zwitterbildung  ist 
das  Etschthal  südlich  von  Bozen,  das  zur  Richtung  des  ganzen 
Gebirgssystems  senkrecht  steht,  aber  parallel  mit  den  Schichten 
streicht. 

Welche  Thalformen  in  einem  Kettengebirge  vorherrschen  und 
wie  sie  sich  verteilen,  hängt  zum  Teil  wenigstens  von  der  Zahl  der 
Abdachungen  ab.  Hat  das  Kettengebirge  nur  Querabdachungen,  d.  h. 
nur  ein  Gefälle  senkrecht  zum  Streichen  des  Gebirges  — wie  der  Hima- 
laja — , so  müssen  sich  alle  Längsthäler  mit  Querthälern  verbinden,  um 
ihren  Flüssen  einen  Ausweg  zu  verschaffen.  Bricht  aber  das  Gebirge  an 
den  Enden  ab,  so  treten  zu  den  Querabdachungen  noch  solche  in 
der  Längsrichtung.  So  dachen  sich  die  Ostalpen  nicht  blos  nach 
Nord  und  Süd,  sondern  auch  nach  Osten  ab,  und  die  Thäler  der 
Drau  und  Save  können  ihren  longitudinalen  Charakter  durchaus 
beibehalten.  Das  Karstgebirge  der  Balkanhalbinsel  hat  nur  eine 
Quer-  und  zwei  Längsabdachungen.  Auch  sonst  herrscht  große 
Mannigfaltigkeit  in  der  Gliederung  der  Kettengebirge.  Der  Tsinling- 
Sclian  im  Süden  des  Hweitlußes,  ein  140  km  langer  und  ca.  3000  in 
hoher  Gebirgszug,  besitzt  nach  v.  Richthofens  Schilderung  trotz 
vollkommener  geologischer  Parallelstruktur  kein  einziges  größeres 


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510 


Morphologie  des  Landes. 


Längstbai,  und  wird  nur  durch  enge  und  wilde  Querthäler  gegliedert. 
Die  Pyrenäen  haben  an  der  Nordseite  fast  nur  Querthäler,  am  Sttd- 
abhange  aber  eine  bedeutende  Längs-  und  Quergliederung;  in  den 
Alpen  halten  sich  beide  Thalformen  so  ziemlich  das  Gleichgewicht; 

im  Tianschan  herrscht  die  Längsgliede- 
rung entschieden  vor.  Nur  die  kurze 
südliche  Abdachung  sendet  einige  größere 
Querllüsse  zum  Tarim,  während  auf  der 
Nordseite  die  drei  großen  Längsthäler  des 
Naryn,  Tscliu  (mit  östlicher  Fortsetzung 
im  Tekesthal)  und  üi  nach  Westen  ziehen. 

Die  Quergliederung  ist  entweder 
eine  fiederförmige  mit  gleich-  oder 
wechselständigen  Thälera  (vgl.  Fig.  156, 
S.  464)  oder  eine  strahlenförmige.  In 
F'8  knßrm^e  ^LderungjStrah"  *^rer  reinsten  Form  finden  wir  die  strahlen- 
förmige Gliederung  in  den  Vulkanbergen, 
aber  auch  in  unregelmäßigen  Schollen-  ja  sogar  in  Kettengebirgen 
(s.  Fig.  179). 


Fig.  180. 


Die  Längsgliederung  ist  entweder  eine  parallele  oder 
rostförmige.  Die  erstere  ist  an  die  Längsabdachungen  der  Ketten- 


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Gliederung  der  Gebirge. 


511 


gebirge  gebunden  (die  Morawa-,  Vardar-  und  Strumathäler  der  Bal- 
kanhalbinsel);  vorherrschend  ist  aber  die  rostförmige  Gliederung,  bei 
der  sich  in  verschiedenster  Weise  Längs-  und  Querthäler  zu 
einem  Furchennetze  verbinden,  das  das  Gebirge  nach  allen  Rich- 
tungen aufschließt.  Elin  ausgezeichnetes  Beispiel  dieser  nur  in 
Kettengebirgen  vorkonmienden  Gliederungsart  bietet  uns  der  Schweizer 
Jura  (Fig.  180). 

Wasserscheide.  Den  Abdachungen  eines  longitudinalen  Gebirges 
entsprechen  die  Wasserscheiden.  Sind  nur  Querabdachungen  vor- 
handen, so  giebt  es  auch  nur  eine  einfache  Hauptwasserscheide;  sie 
teilt  sich  gabelförmig,  wenn  noch  eine  Längsabdachung  hinzutritt. 
In  den  Alpen  liegt  der  hydrographische  Knotenpunkt  in  der  Drei 
Herren-Spitze,  der  Nordarni  erweist  sich  aber  als  die  gerade  Fort- 
setzung der  einfachen  Hauptwasserscheide,  die  wir  von  da  bis  in  die 
Apenninen  hinein  verfolgen  können.  Liegt  die  Hauptwasserscheide 
in  oder  nahezu  in  der  Mitte  des  Gebirges,  so  verteilen  sich  die 
Thäler  symmetrisch  auf  beiden  Seiten,  doch  verläuft  auch  in  diesem 
Falle  die  wasserscheidende  Linie  nur  streckenweise  gerade.  Die 
Asymmetrie  der  Thalordnung  hängt,  wie  wir  schon  auf  S.  398  be- 
tonten, in  vielen  E’ällen  mit  der  Regenverteilung  zusammen,  doch 
dürfen  auch  die  Ausnahmen  nicht  übersehen  werden.  So  ist  in  den 
Pyrenäen  gerade  die  lange  Abdachung  (die  Südseite)  durch  Trocken- 
heit ausgezeichnet. 

Betrachten  wir  die  Hauptwasserscheide  in  ihrem  Verhältnisse 
zur  Höhe,  so  können  wir  normale  und  anomale  (durchgreifende 
nach  v.  Richthofen)  Wasserteiler  unterscheiden.  Der  normale  ist 
an  die  höchste  Kette  gebunden,  und  er  ändert  diesen  Charakter 
auch  nicht,  wenn  hier  und  da  höhere  Gipfel  auf  einem  Nebenkamme 
sich  erheben.  Ist  letzteres  aber  die  Regel,  wie  im  Himalaja  oder  in 
den  Pamir,  dann  hat  die  Hauptwasserscheide  eine  anomale  Lage. 
Ja,  manches  Gebirge  wird  sogar  seiner  ganzen  Breite  nach  von  einem 
Querthale  durchbrochen;  es  hört  dann,  wenn  auch  nicht  in 
seinem  ganzen  Verlaufe,  so  doch  wenigstens  stellenweise 
auf,  eine  Wasserscheide  zu  bilden.  Damit  haben  wir  eines 
der  schwierigsten  Probleme  der  physischen  Geographie,  das  der 
Durchbruchs-,  oder,  wrie  v.  Richthofen  sie  zu  nennen  vorzog, 
Durchgangsthäler  berührt. 

Durchgangsthäler.  In  den  Kettengebirgen  beobachten  wir  fol- 
gende drei  Kategorien : 

1)  Das  Quellgebiet  des  Durchgangsfiusses  liegt  in  der  höchsten 
Kette  (normale  Wasserscheide),  und  es  werden  niederere  Ketten  durch- 
brochen, wie  dies  in  den  Alpen  der  Fall  ist.  Hier  entsteht  die 


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512 


Morphologie  des  Landes. 


Frage,  warum  der  Fluß  seinen  Weg  nicht  durch  die  Längsthäler 
zwischen  den  Ketten  genommen  hat. 

2)  Das  Quellgebiet  liegt  in  einer  niedereren  Kette,  als  die  durch- 
brochenen sind.  Dies  ist  das  Problem  der  anomalen  Wasserscheide. 

3)  Das  ganze  Gebirge  wird  durchbrochen;  so  z.  B.  der  Balkan 
vom  Isker,  das  Banatagebirge  von  der  Donau,  die  Transsilvanischen 
Alpen  von  der  Aluta,  das  catalonische  Gebirge  vom  Ebro,  die  Alle- 
ghanies  vom  Susquehanna  u.  s.  w. 

Die  Durchgangsthäler  sind  aber  keineswegs  auf  die  Ketten- 
gebirge beschränkt,  sondern  eine  ganz  allgemeine  Erscheinung. 
Weder  Flexur-  und  Schollengebirge,  noch  vulkanische  Bildungen 
und  Landstufen  sind  davon  frei,  ja  wir  linden  sie  sogar  im  Tieflande, 
wo  z.  B.  Oder  und  Weichsel  die  ganz  ansehnliche  Barriere  der 
baltischen  Seenplatte  durchschneiden. 

Hilbee1  zählt  nicht  weniger  als  neun  Theorien  auf,  die  zur 
Erklärung  dieses  merkwürdigen  Phänomens  ersonnen  wurden.  Die 
einfachste  Lösung  bietet  wohl  die  Spaltentheorie,  die  einer  Zeit 
entstammt,  wo  man  überhaupt  in  allen  Thälem  nur  Spalten  sah,  die 
bei  der  Aufrichtung  der  Gebirge  entstanden  waren.  Noch  Peschel 
sah  in  der  Thatsache,  daß  sich  manchen  Flüssen  in  unmittelbarer 
Nähe  ihrer  schmalen,  tiefen  Durchbruchsthäler  viel  bequemere  Wege 
darbieten,  einen  Beweis  für  die  Präexistenz  von  Thalspalten.  Der 
Green  River  verläßt  dreimal  flaches  Land,  um  sich  ebensoviele 
Durchgänge  durch  das  Uintagebirge  zu  erzwingen;  und  sein  Neben- 
fluß, der  Yampa,  frißt  sich  dreimal  in  hartes  Gestein  ein,  obwohl 
er  es  sich  wenigstens  zweimal  durch  ganz  kurze  Umwege  hätte  er- 
sparen können.  Wenn  nun  auch  zugegeben  werden  mag,  daß  manch- 
mal Spalten  die  Flüsse  zu  abnormen  Richtungsveränderungen  nötigten, 
so  tragen  doch  die  meisten  Durchgangsthäler  so  sehr  den  Charakter 
eines  rein  erosiven  Ursprunges  an  sich,  daß  man  zu  anderen  Er- 
klärungen greifen  muß. 

Positive  Anhaltspunkte  sind  dort  gegeben,  wo  hinter  einem 
allseitig  abschließenden  Riegel  Seeablagerungen  sich  finden,  wie 
im  Egerthale  sowohl  oberhalb  des  Thonschieferrückens  zwischen  dem 
Kaiserwalde  und  Erzgebirge,  als  auch  oberhalb  des  Basaltstockes 
zwischen  Karlsbad  und  Kaaden.  Hier  sind  alte  Seebecken  durch 
spätere  Erosion  der  trennenden  Rücken  zu  einem  Thale  verbunden 
worden.  Aber  diese  Seentheorie  findet  auf  die  großen  Durch- 
gangsthäler keine  Anwendung,  am  wenigsten  auf  jene  schon  ge- 
nannten Fälle,  wo  ein  hypothetischer  See  nach  der  heutigen  Kon- 
figuration des  Bodens  unzweifelhaft  nach  einer  anderen  Seite  hätte  über- 
fließen müssen.  Es  ist  nur  zweierlei  möglich:  Entweder  ist  der  Fluß 


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Gliederung  der  Gebirge. 


513 


älter  oder  jünger  als  die  durchbrochene  Erhebung.  Die  letztere 
Annahme  erscheint  auf  den  ersten  Blick  als  allein  zulässig,  und  ihr 
trägt  Löwls  Regressionstheorie  Rechnung.  Wie  der  Name 
verrät,  beruht  diese  Theorie  auf  dem  Gesetze  der  rückläufigen 
Erosion;  sie  läßt  die  Thalbildung  am  niederschlagsreicheren  Außen- 
rande des  Gebirges  beginnen  und  allmählich  bis  zu  der  wasser- 
scheidenden Kette,  ja  über  dieselbe  hinaus  bis  an  den  entgegengesetzten 
Rand  des  Gebirges  fortschreiten.  Namentlich  jene  Vorkommnisse, 
wo  ein  Längsthal  mit  mehr  oder  weniger  scharfer  Kniebiegung  in 
ein  Querthal  übergeht,  sollen  dadurch  erklärt  werden;  die  Längs- 
thäler  werden  als  die  älteren  Bildungen  betrachtet,  die  von  außen 
angezapft  wurden. 

Wenn  man  auch  die  Möglichkeit  eines  solchen  Vorganges  zu- 
geben muß,  so  schwebt  doch  ihre  Anwendung  in  speziellen  Fällen 
meist  in  der  Luft.  Diesen  hypothetischen  Charakter  teilt  sie  übrigens 
mit  der  Antecedenztheorie,  die  zuerst  von  indischen  und  ameri- 
kanischen Geologen  ausgebildet  wurde,  in  Deutschland  besonders  in 
Teetze  einen  eifrigen  Vorkämpfer  fand  und  jetzt  jedenfalls  mehr 
Anerkennung  genießt,  als  irgend  eine  andere  Theorie.  Sie  geht  von 
der  Ansicht  aus,  daß  das  Gebirge  nicht  zuerst  fertig  dastand  und 
dann  erst  die  Erosion  begann,  sondern  daß  das  Wasser  gleichzeitig 
mit  der  Gebirgsfaltung  seine  thalbildende  Thätigkeit  zu  entfalten 
anfing.  Besonders  energische  Flüsse,  welche  vom  älteren  Hinterlande 
ausgingen,  konnten  das  anliegende  jüngere  Gebirge  während  dessen 
allmählichen  Erhebung  durchschneiden,  so  daß  Faltung  und  Durch- 
sägung  gleichen  Schritt  hielten.  Penck  hat  in  jüngster  Zeit  diesen 
Vorgang  plausibel  zu  machen  gesucht,  indem  er  zwar  zugestand,  daß 
oberhalb  der  sich  hebenden  Schwelle  der  Fluß  eine  Stauung  erfährt  und 
dadurch  zur  Ablagerung  seiner  Geschiebe  gezwungen  wird,  zugleich 
aber  scharf  betonte,  daß  am  unteren  Ende  der  Schwelle  das 
Gefälle  gesteigert  und  dadurch  die  Erosionskraft  vermehrt  wird.  Es 
kommt  nur  darauf  an,  daß  die  obere  Geschiebeanhäufung  nicht  über  den 
niedrigsten  Punkt  in  der  Umrahmung  des  oberen  Flußgebietes  hinaus- 
wächst, denn  sonst  würde  der  Fluß  nach  einer  anderen  Richtung  ab- 
gelenkt worden.  Noch  schärfer  drückt  sich  Löwl*  aus,  der  die  Ante- 
cedenztheorie nur  in  dem  Falle  gelten  läßt,  daß  der  Fluß  schon  früher 
ein  Thal  durchzog,  das  ihn  auch  während  der  Bodendeformation 
gefangen  hält.  Das  sei  aber  nur  möglich,  wenn  der  Betrag  der  Schollen- 
hebung oder  Faltung  die  ursprüngliche  Thaltiefe  nicht  übersteige.* 


x Wir  haben  eg  versucht,  die  Hauptstadien  der  Durchbruchsbildutig  nach 
der  modifizierten  Antecedenztheorie  in  Fig.  181  graphisch  vorzuführen.  L Vor- 
SvpaN  , Physische  Erdkunde.  2.  Aufl.  33 


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514 


Morphologie  des  Landes. 


Bisher  kennen  wir  nur  einen  einzigen  Fall,  wo  die  Antecedenz- 
theorie  erwiesen  ist:  es  sind  die  südlichen  Vorketten  des  Himalaja, 
die  sich  aus  den  Ablagerungen  derselben  Flüsse  aufbauen,  von  denen 
sie  jetzt  durchbrochen  werden.  Welche  wichtige  Aufschlüsse  sich 
aus  dem  Studium  der  Sedimente  ergeben,  haben  Föbstle®  für  den 
Berner  Jura  und  Futteber4  für  die  Kamischen  Alpen  dargethan; 
und  letzterer  hat  uns  auch  den  Weg  gezeigt,  wie  positive  Anhalts- 
punkte für  die  Wahl  zwischen  der  Regressions-  und  Antecedenz- 
theorie  zu  gewinnen  seien.  Es  sei  W die  wasserscheidende  Kette, 
der  sich  später  die  Vorkette  V angeschlossen  hat.  Ein  von  TF 
kommender  Fluß  durchbricht  V und  gelangt  dadurch  in  die  Ebene. 
Ging  die  Erosion  von  V aus  und  erreichte  durch  Regression 
so  müssen  in  der  Ebene  über  den  grobkörnigen  Denudationsprodukten 
von  V die  feineren  (weil  von  weiterher  stammenden)  Denudations- 
erzeugnisse von  W liegen.  Ging  aber  die  Erosion  von  W aus  und 
überwand  die  Emporfaltung  von  V,  so  müssen  in  der  Ebene  die 
feinen  TF-Gesteine  von  den  gröberen  V-  Gesteinen  bedeckt  werden. 
Das  letztere  trifft  in  den  Kamischen  Alpen  zu. 

Verwandt  mit  der  eben  erörterten  Theorie  ist  die  epigene- 
tische insofern,  als  auch  sie  dem  Durchgangsflusse  ein  höheres 
Alter  zuschreibt,  als  dem  heutigen  Relief.  Den  einfachsten  Fall, 
daß  das  durchbrochene  Gebirge  durch  Denudation  bloßgelegt  wird, 
haben  wir  schon  auf  S.  400  durch  die  Fig.  127  erläutert.  Auf  einen 
ähnlichen  Vorgang  läuft  auch  die  Theorie  von  Jukes  hinaus.  Dieser 
machte  im  südlichen  Irland  die  Wahrnehmung,  daß  am  Knie  der 
sich  umbiegenden  Längsthäler  ein  von  der  Hauptwasserscheide 
kommender  Nebenfluß  einmündet,  dessen  Thal  die  obere  Fortsetzung 
des  Durchgangsthaies  ist.  Die  Betrachtung  der  Karte  lehrt  uns,  daß 
diese  Anordnung  außerordentlich  häufig  wiederkehrt.  So  empfängt 
z.  B.  die  Rhone  die  Drance,  der  Rhein  den  Oberhalbsteinerbach,  die 


_£ " 


I 


Stadium  vor  der  Faltung,  Ali  CD  Thalraud,  ab  cd  Thalweg.  II.  Stadium  der 
Deformation,  Bildung  einer  Antiklinale  B'Cb'e',  Geröllablagerung  oberhalb 

der  Falte  in  <■'  d'  c f\  im  unteren  Falten- 
sclienkel  V t verstärkte  Erosion,  die  nach 
Pencks  Annahme  bei  sehr  langsamer  Hebung 
dieser  das  Gleichgewicht  halten  kann, 
so  daß  keine  Geröllablagerung  mehr  statt- 
tindet,  wenn  auch  die  Hebung  fortschreitet. 
III.  Endstadium.  Der  Thalrand  . I"  Ji"  C'D" 
zeigt  die  Deformation , während  der  alte 

Thalweg  a"  b"  c"  d"  (wenn  auch  natürlich 

nicht  genau  in  der  früheren  Lage)  wieder 
Fig.  181.  Durchbruchsbildung.  hergestellt  ist. 


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Gliederung  der  Gebirge. 


515 


Salzach  den  Groß- Arlbach  (Fig.  182),  die  Enns  den  Radmer-  und 
Erzbach,  die  Mur  den  Tragosbach,  die  Adda  die  Mera  und  den  Liro, 
die  Tiber  den  Anio,  der  Alt  den  Cibinfluß,  die  Moldau  den  Hain- 
bach u.  s.  w.  Man  kann  vom  morpholo- 
gischen Standpunkte  aus  das  ganze  Quer- 
thal als  Haupt-  und  das  Läugsthal  als 
Nebenthal  betrachten,  ohne  sich  um  den 
Sprachgebrauch  zu  kümmern,  der  überdies 
inkonsequent  verfährt,  indem  er  das  Durch- 
bruchsthal bald  mit  dem  Namen  des 
Längsflusses  (z.  B.  Salzach),  bald  mit 
dem  des  Querflusses  (z.  B.  Eisack  unterhalb 
Brixen)  bezeichnet.  Jükes  verband  mit 
dieser  Auffassung  auch  eine  genetische 
Vorstellung.  Der  von  der  Hauptwasser- 
scheide kommende  Querfluß  begann  bereits 

zu  fließen,  als  die  Längsthäler  noch  ausge-  tierteu  Flächen  sind  alluviale 
füllt  waren,  und  gab  erst  Veranlassung  zur  Thalflächen. 

Trainierung  der  letzteren,  eilte  ihnen  aber 

in  seiner  Erosionsarbeit  immer  voraus,  so  daß  er  keine  Ablenkung 
erfahren  konnte.  Es  ist  selbstverständlich,  daß  diese  Theorie  nur 
auf  die  Durchgangsthäler  der  ersten  Kategorie  Anwendung  findet. 

Im  hohen  Grade  lelirreich  ist  die  Geschichte  des  Salzachthales. 
Das  Längsthal  besteht  aus  zwei  grundverschiedenen  Teilen  innerhalb 
einer  und  derselben  Gesteinszone.  Der  obere  ist  eine  breite,  schwach- 
geneigte Thalebene,  die  sich  nach  Norden  über  eine  unmerkliche, 
nur  15  m hohe  Bodenschwelle  zum  Zeller  See  und  in  das  Saalach- 
thal  fortsetzt.  Aber  anstatt  diesen  bequemen  Weg  zu  wählen,  stürzt 
sich  die  Salzach  durch  die  Taxenbacher  Schlucht  nach  Osten  und 
wendet  sich  daun  bei  der  Mündung  des  Groß-Arlbaches  nach  Norden. 
Wahner0  hat  jüngst  diese  eigenartigen  Abflußverhältnisse  untersucht 
und  ist  zu  folgenden  Ergebnissen  gelangt.  Es  bestanden  bis  über 
die  Eiszeit  hinaus  zwei  Thalsysteme,  das  der  Pongauer  Ache,  deren 
westlichster  Quellfluss  die  Gasteiner  Ache  war,  und  das  der  Pinzgauer 
Ache,  deren  östlichster  Quellfluß  die  Rauriser  Ache  war.  Die  Wasser- 
scheide durchschnitt  den  heutigen  Salzachlauf  bei  Taxenbach,  wo 
340  m über  dem  jetzigen  Flußspiegel  Reste  eines  alten  Thalbodens 
sichtbar  sind.  Funde  von  krystallinischem  Gerolle  bei  Reichenhall, 
die  aus  dem  Glazialschotter  stammen,  beweisen  den  Zusammenhang 
des  jetzigen  Saalaehlaufes  mit  dem  Quellgebiete  der  Salzach  in  den 
Hohen  Tauern;  viel  weiter  in  die  geologische  Vergangenheit  zurück 
datiert  das  Mönchsbergkonglomerat  bei  Salzburg,  das  sieh  aus  Fluß- 

33* 


Fig.  182.  Thalsvsleine  der 
Salzach  und  Saalach. 


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Morphologie  des  Landes. 


geröllen  der  Pongauer  Ache  zusammensetzt.  Den  Durchbruch  bei 
Taxenbach,  wodurch  die  Saalach  selbständig,  und  die  Pinzgauer  und 
Pongauer  Achen  zur  Salzach  verknüpft  wurden,  schreibt  Wahner  der 
Verstopfung  der  Thalöffnung  am  Zeller  See  durch  mächtige  Eismassen 
zu.  Als  sichergestellt  erscheint  also,  daß  das  heutige  Durchgangsthal 
der  Salzach  ein  uraltes  Querthal  ist,  dessen  Wurzeln  nicht  am  Vene- 
diger, sondern  am  Ankogel  liegen.  Das  Problem  der  Umbiegung  aus 
dem  Längen-  ins  Querthal  ist  damit  allerdings  nur  an  die  Lücke  am 
Zeller  See  verlegt  Wahner  löst  es  ganz  im  Sinne  von  Jukes. 

Daß  diese  Theorie  auch  auf  die  zahlreichen  Durchgangsthäler 
in  den  Landstufen  Anwendung  findet,  erhellt  schon  aus  unseren  Er- 
örterungen auf  S.  456.  Auch  hier  hat  die  Denudation  die  Gelände- 
formen umgestaltet,  als  die  Thallinien  schon  gezogen  waren.  Ähn- 
lich in  ihrem  Endergebnisse,  aber  durchaus  verschieden  in  ihrem 
Entwicklungsgänge  sind  jene  Fälle,  wo  nach  Festlegung  des  Durch- 
gangsthaies das  Hinterland  einsank.  So  erklärt  man  sich  jetzt 
die  merkwürdige  völlige  Zerschneidung  des  niederrheinischeu  Schiefer- 
gebirges durch  den  Rhein,  die  Mosel  und  Lahn;  für  die  allmähliche 
Tieferlegung  dieser  Thäler  hat  man  unzweifelhafte  Belege  in  den 
Wahrzeichen  alter  Flußläufe  in  höheren  Niveaus.  Auch  die  auf- 
fallenden Durchbrüche  des  Green  und  Yampa  River,  von  denen 
schon  oben  die  Rede  war,  führt  Emmons  auf  Einsenkungen  zurück; 
dieselben  horizontalen  Tertiärschichten,  die  das  Flachland  bilden, 
finden  sich  auch  auf  der  Höhe  des  Yampa  Peak,  und  man  darf  daraus 
schließen,  daß  sie  einst  im  gleichen  Niveau  lagen. 

Thalwasserscheiden.  Wie  einerseits  die  höchsten  Kämme  ohne 
Einfluß  auf  die  Verteilung  der  Gewässer  sein  können,  so  können 
anderseits  unmerkliche  Bodenanschwellungen  in  einer  Thalfurche  die 
wichtigsten  Wasserscheiden  bilden.  Wir  nennen  sie  Thalwasser- 
scheiden im  Gegensätze  zu  den  Kammwasserscheiden.  Auch 
sie  sind  eine  weitverbreitete  Erscheinung,  die  im  Gebirge  zwar  be- 
sonders auffällig  hervortritt,  aber  auch  dem  Flachlande  nicht  fehlt 
In  den  großen  Thalzügen  des  ostdeutschen  Tieflandes  werden  sie 
jetzt  von  Kanälen  überschritten. 

Kammwasserscheiden  sind  die  Regel,  aber  manchmal  werden  sie 
sich  den  Thalwasserscheiden  ähnlich.  So  das  Pfitscher  Joch  (2224  m)  in 
den  Zille rthaler  Alpen,  das  zwischen  dem  Hochpfeiler  (3515  m)  und 
der  Hohen  Wand  (3286  m)  eingesenkt  ist,  und  das  Pfitscherthal  vom 
Zemmthale  trennt.  Im  Reschenscheideck  (Fig.  183)  erniedrigt  sich 
dagegen  die  Hauptwasserscheide  der  Alpen  zu  einer  ganz  flachen 
Bodenschwelle  (1493  m ü.  M.),  von  der  der  Stillenbach  nach  Norden 
zum  Inn  und  die  Etsch  nach  Süden  fließt.  Sie  wird  aber 


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Gliederung  der  Gebirge. 


517 


durch  einen  Felsriegel  gebildet,  während  der  Thalboden  zu  beiden 
Seiten  aufgeschüttet  ist;  denken  wir  uns  diese  Schuttmassen  entfernt, 
so  erhalten  wir  ein  ähnliches  Bild,  wie  am  Pfitscherjoch.  Ein  noch 
bekannteres  Beispiel  einer  Thalwasserscheide  in  der  Querrichtung 
der  Alpen  ist  der  Brenner  (1362  m ü.  M.).  In  Norwegen  fließt  aus 
dem  See  Lesjeskogen  (625  m hoch)  nach  Nordwesten  die  ßauma, 
nach  Südo8ten  der  Lougen ; es  ist  dies  eines  der  großartigsten 
Doppelthäler  der  Erde,  an  beiden  Seiten  von  mehr  als  2000  m 
hohen  Gebirgsmassen  eingerahmt. 

Fig.  183.  Profil  des  Reschenscheideck  nach  Piiilippson. 

R = Reschenscheideck.  Die  obere  Profillinie  schneidet  die  östliche  Thalwand  in  2 km 
Entfernung  vom  Flusse. 


Häufiger  sind  die  Thalwasserscheiden  aber  in  den  Längsthäleru. 
Aus  dem  Drauthale  gelangt  man  ohne  merkliche  Steigung  über  das 
Toblacher  Feld  (1204  m)  zur  Rienz  und  damit  in  das  Etschgebiet. 


Fig.  184.  Das  Kaisergebirge  im  nordöstlichen  Tirol. 

Folgende  Straßen  fuhren  über  die  Thal  Wasserscheiden  des  Kaisergebirges  vom  Groß- 
Achen-  in  das  Innthal:  1.  Kossen — Walchsee — Ebbs,  2.  St.  Johann — Ellmau — Soll — 
WÖrgl  (das  Weissacht hal  ist  211  enge),  3.  Kitabüchel — Kirehberg — Wörgl 
(Eisenbahn).  — Höhen  in  Meter. 


Das  Thal  der  Wurzener  Save  setzt  sich  bei  Ratschach  (850  m)  flach 
und  mit  unverminderter  Breite  im  Seebach-Thale  fort,  das  zum 
Draugebiete  gehört;  und  gehen  wir  in  derselben  Richtung  nach 
Westen  weiter,  so  überschreiten  wir  bei  Seifnitz  (810  m)  die  ebenso 
unmerkbare  Wasserscheide  zwischen  der  Drau  und  dem  Tagliamento. 


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Morphologie  des  Landes. 


Solche  tiefe  Furchen,  die  entweder  durch  zwei  in  entgegengesetzter 
Richtung  fließende  oder  sogar  durch  mehrere  Flüsse  bewässert  werden, 
scheiden  die  Alpen  nicht  nur  in  zwei,  beziehungsweise  drei  Zonen, 
die  den  geologischen  nahezu  entsprechen,  sondern  lösen  auch  im 
Verein  mit  den  Durchgangsthälem  die  Zonen  stellenweise  in  mehrere, 
völlig  individualisierte  Gruppen  und  Bergstöcke  auf.  Solche  sind 
z.B.  die  Otzthaler  Gruppe  in  der  kristallinischen  Zone  (s.  Fig.  1 79,S.510) 
und  die  zahlreichen  größeren  und  kleineren  Gruppen  und  Stöcke 
in  der  Kalkzone  zwischen  dem  Inn  und  der  Salzach  (Fig.  184,  S.  517). 

Ursprüngliche  Thalwasserscheiden  darf  man  nur  in  Senkungs- 
thälem  vermuten;  eine  solche  ist  sicher  die  nur  24  m hohe  im  cale- 
donischen  Graben  Nordschottlands  und  vielleicht  auch  die  zwischen 
dem  Orontes  und  der  Lita  (1158  m)  im  Libanon,  auf  der  sich  die 
Ruinen  von  Heliopolis  erheben.  Die  übrigen  Vorkommnisse  sind 
wohl  sekundäre  Bildungen,  wenn  wir  auch  betreffs  der  Entstehungs- 
weise meist  nur  auf  Vermutungen  angewiesen  sind. 

Wo  von  einer  Thalwasserscheide  zwei  Flüsse  nach  gerade  entgegen- 
gesetzten Richtungen  sich  bewegen,  mögen  sie  durch  rückschreitende 
Erosion  den  trennenden  Rücken  abgetragen  haben,  und  daraus  ließe 
sich  ihr  besonders  häufiges  Vorkommen  in  tektonischen  Thälem,  wo 
wir  uns  die  Erosionsbedingungen  als  besonders  günstige  vorzustellen 
haben,  erklären.  Arbeitet  ein  Fluß  rascher  als  der  andere,  so  kann 
es  Vorkommen,  daß  der  erstere  dem  letzteren  einen  Teil  von  dessen 
Gebiete  entzieht.  Auf  diese  Weise  mußte  der  Oberengadiner  Inn, 
wie  Heim  aus  der  Höhe  der  Thalterrassen  nachwies,  sein  Sammel- 
gebiet an  die  rascher  fließende  Mera  abtreten. 

Eine  andere  Bewandtnis  hat  es  jedenfalls  mit  jenen  Thalwasser- 
scheiden, die  sich  zwischen  zwei  mehr  oder  weniger  senkrecht  auf- 
einander stehenden  Flußläufe  einschieben.  Sie  lassen  sich  nicht 
anders  deuten  wie  als  verlassene  Thalstücke.  Als  die  Salzach 
ihren  neuen  Weg  nach  Osten  einschlug,  blieb  ein  Teil  ihres  alten 
Thaies  trocken  und  bildet  nun  die  Thalwasserscheide  bei  Zell  a.  See 
(s.  Fig.  182,  S.  515).  Ähnlich  verhält  es  sich  mit  der  Wasserscheide  von 
Sargans,  über  die  einst  der  Rhein  zum  Wallen-  und  Züricher  See 
abtioß.  Thalwasserscheiden  stehen  sicherlich  mit  vielen  kleineren 
Durchbrüchen  in  ursächlicher  Beziehung.  Wir  verweisen  nur  auf 
das  Kärtchen  in  Fig.  184  (S.  51 7).  Was  konnte  ein  so  unansehnliches  Ge- 
rinne, wie  die  Weißach,  veranlaßt  haben,  zwischen  den  Stöcken  des 
Belvenberges  und  Vorderkaisers  zum  Inn  durchzubrechen,  während 
sie  sich  ohne  erhebliche  Schwierigkeiten  über  die  Ellmauer  Schwelle 
hätte  nach  Westen  wenden  können?  Denken  wir  uns  aber  den  Osten 
durch  längere  Zeit  mit  Gletschermassen  verstopft,  so  wird  uns  diese 


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Gliederung  der  Gebirge. 


519 


mit  den  heutigen  orographischen  Verhältnissen  unvereinbare  Thalanord- 
nung verständlich.  Es  ist  unsere  feste  Überzeugung,  daß  die  Eis- 
zeit in  den  von  ihr  betroffenen  Gebirgen  zahlreiche  Stromverlegungen 
bewirkt  hat,  einerseits  durch  Gletscher  anderseits  durch  mächtige 
Geröllanhäufungen;  und  daß  die  überwiegende  Mehrzahl  der  Thal- 
wasserseheiden auf  derartige  Vorgänge  zurüekzufiihren  ist, 

Aufschlieiiung  der  Gebirge.  Am  aufgeschossensten  von  den 
großen  Gebirgen  der  Erde  sind  diejenigen,  die  einen  rostformigen 
Bau  besitzen,  am  geschlossensten  die  mit  einfacher  Quergliederung. 
Für  den  Verkehr  über  das  Gebirge  von  Ebene  zu  Ebene  sind  an- 
scheinend die  Durchgangsthäler  der  dritten  Kategorie  am  günstigsten, 
in  Wirklichkeit  sind  sie  aber  wegen  ihres  schluchtartigen  Charakters 
häufig  ohne  Bedeutung.  So  blieb  der  Balkan  trotz  des  Iskerdurch- 
bruchs  eine  Völker-  und  Staatenscheide,  und  bis  zur  Herstellung  des 
Kuntersweges  im  14.  Jahrhundert  zog  man  es  vor,  die  schauerlichen 
Engen  des  Eisackthaies  auf  dem  östlichen  Berghöhen  oder  über  den 
Jaufenpaß  zu  umgehen.  Vorherrschende  Parallelgliederung  ist  un- 
günstig, weil  mehrmals  Kämme  zu  übersteigen  sind;  so  muß  die 
Rudolfsbahn  in  den  Ostalpen  dreimal  Wasserscheiden  übersetzen 
und  ist  natürlich  zu  Umwegen  gezwungen,  um  bequemere  Anstiege 
aufzusuchen.  Viel  bessere  Chancen  bietet  die  rostformige  Gliede- 
rung, wenn  die  Hauptwasserscheide  ein  Längsthal  kreuzt.  Die  Thal- 
wasserscheide wird  dadurch  zum  Wechselpasse.  Ein  solcher  ist  der 
bei  Gänsbrunnen  (g  in  Fig.  180,  S.  510)  im  Schweizer  Jura,  der  das 
Dünnem(Aare)-Gebiet  mit  dem  der  Birs  verbindet;  man  ersieht  aber 
auch  aus  unserem  Kärtchen,  daß  solche  Verkehrsstraßen  weite  Um- 
wege zu  machen  gezwungen  sind.  Am  vorteilhaftesten  ist  es  jeden- 
falls, wenn  von  beiden  Seiten  des  Gebirges  korrespondierende  Durch- 
gangsthäler geradlinig  und  mit  nicht  zu  starkem  Gefalle  bis  zur 
Hauptwasserscheide  hinaufführen;  darauf  beruht  z.  B.  die  Bedeutung 
der  St.  Gotthard -Straße.  Die  Brennerlinie  steht  dagegen  zurück, 
weil  man  hier  erst  das  Längsthal  des  Inn  zu  passieren  hat,  um  in  die 
bayerische  Ebene  zu  gelangen;  daher  schlug  man  im  Mittelalter,  um 
Westdeutschland  rascher  zu  erreichen,  von  Innsbruck  aus  lieber 
den  Weg  über  den  Seefelder  oder  den  Fernpaß  ein.  Günstig  ist 
auch  eine  anomale  Lage  der  Hauptwasserscheide,  am  unzuträg- 
lichsten aber  eine  Gliederung,  wo  man  zur  Hauptwasserscheide  durch 
kurze,  steile  Thäler  ansteigen  muß,  wie  im  Gebiete  der  Hohen 
Tauern.  Solche  Verhältnisse  sind  in  Gebirgen  aller  Art  sehr  häutig, 
und  wo  sie  die  Begel  bilden,  ist  das  Gebirge  in  Wahrheit  eine 
trennende  Schranke,  die  erst  die  Technik  unseres  Jahrhunderts  — 
und  auch  diese  nicht  immer  — zu  überwinden  lernte. 


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520 


Morphologie  des  Landes. 


Unter  allen  Umständen  sucht  der  Verkehr  die  niedrigsten  Punkte 
der  wasserscheidenden  Kämme  und  Rücken  auf,  und  auf  diese  will 
v.  Richthofen  die  Bezeichnung  Pässe  beschränkt  wissen.  Indem 
wir  seine  Terminologie  anwendeu,  unterscheiden  wir  Wallpässe,  die 
über  breite  Scheitelflächen  führen  — wie  z.  B.  im  Skandinavischen 
Gebirge  — , und  Kammpässe  in  Kammgebirgen,  und  teilen  letztere 
wieder  ein  in  Sattel-,  Scharten-  und  Lückenpässe,  je  nachdem 
der  Kammeinschnitt  gerundet,  schneidig  oder  scharf  kerbenartig  ist 

Litteraturuach  weise.  1 Halber,  Die  Bildung  der  Durchgangsthäler, 
in  Pf.termanns  Mitteilungen  1889  (mit  ausführlichen  Litteraturangaben).  — 
* Löwl  in  den  Verhandlungen  der  Wiener  Geologischen  Reichsanstalt  1894, 
S.  472.  — B Förstle,  The  Drainage  of  the  Bernese  Jura,  in  den  Proceedings 
of  the  Boston  Society  of  Natural  History,  1892.  — 4 Fütterer,  Durchbruchs- 
thfiler  in  den  Südalpen,  in  der  Zeitschrift  der  Berliner  Gesellschaft  für  Erd- 
kunde 1895.  — 5 Wahner,  Geologische  Bilder  von  der  Salzach,  Wien  1894. 


Die  Flüsse. 

Einteilung.  Man  kann  die  Flüsse  nach  verschiedenen  Gesichts- 
punkten einteilen.  Geläufig  ist  die  Unterscheidung  von  Haupt- 
und  Nebenflüssen,  auf  die  wir  später  noch  zurückkommen  werden. 
Die  Hauptflüsse  sind  entweder  marin  oder  kontinental,  je  nach- 
dem sie  das  Meer  erreichen  oder  nicht.  In  Bezug  auf  das  Ver- 
hältnis der  Flußrichtung  zur  Richtung  der  Wasserscheide  kann  man 
von  Quer-  und  Längsflüssen  sprechen.  Beispiele  von  Querflüssen, 
die  mehr  oder  weniger  senkrecht  zur  Wasserscheide  stehen,  sind  die 
sibirischen  Ströme  oder  die  Flüsse  von  Norddeutschland;  zur  zweiten 
Kategorie  gehören  z.  B.  Donau,  Po  und  Ganges,  die  nahezu  parallel 
mit  der  Wasserscheide  fließen. 

Wichtiger  ist  die  Einteilung  der  Flüsse  nach  der  Art  ihres 
Baues.  Wir  haben  auf  S.  378  von  einem  Ober-,  Mittel-  und  Unter- 
laufe gesprochen  und  können  diejenigen  Flüsse  als  normale  be- 
zeichnen, bei  denen  diese  Abteilungen  deutlich  und  nur  je  einmal 
entwickelt  sind.  Solche  Flüsse  sind  aber  verhältnismäßig  selten,  und 
für  die  Praxis  eignet  sich  besser  jene  Einteilung,  die  Haase  vor- 
schlug.1 Er  unterscheidet  nur  Berg-  und  Flachlauf;  der  erstere 
ist  durch  hohe  Ufer  ausgezeichnet  und  kommt  daher  auch  im  zer- 
schnittenen Flachlande  vor  (z.  B.  Colorado);  anderseits  kann  man 
auch  da  von  Flachlauf  sprechen,  wo  nur  auf  einer  Seite  das  Gelände 
höher  ansteigt,  wie  auf  der  Donaustrecke  zwischen  Bulgarien  und 
der  Walachei. 

Darnach  zerfallen  die  Flüsse  nur  in  zwei  Hauptgruppen:  gleich- 


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Die  Flüsse. 


521 


artige  und  ungleichartige,  und  jede  Hauptgruppe  wieder  in 
zwei  Untergruppen.  Denn  gleichartig  sind  sowohl  jene  Flüsse,  die 
nur  Flachlauf  besitzen,  wie  die  meisten  der  Niederuugen,  wie 
auch  solche  ausschließlich  mit  Berglauf.  Zu  den  letzteren  gehören 
nicht  bloß  zahlreiche  Nebenflüsse,  sondern  auch  manche,  wenn  auch 
nur  kurze  Hauptflüsse,  nämlich  alle  diejenigen  Bäche,  die  sich  direkt 
in  das  Meer  stürzen,  und  deren  Schuttkegel  die  Wasseroberfläche 
noch  nicht  erreicht  hat  Ungleichartige  Flüsse  haben  Berg-  und 
Flachlauf,  und  es  sind  hier  zwei  Fälle  möglich,  die  auch  in  der 
Natur  reichlich  vertreten  sind:  Doppellauf  und  Wechsellauf 
Bei  dem  ersteren  folgt  auf  den  Berg-  der  Flachlauf  — solche  Flüsse 
haben  wir  oben  als  normale  bezeichnet  — , bei  dem  letzteren  wieder- 
holen sich  diese  Abschnitte  mehrmals,  wie  beim  Rhein  oder  bei  der 


Fig.  185.  Die  Haupt  Wasserscheide  der  Erde,  nach  V.  TlI.LO. 


Donau,  vor  allem  aber  bei  den  afrikanischen  Strömen,  die  sich 
durch  Wasserfälle  in  ihrem  Unterlaufe  auszeichnen.  Wechsellauf 
deutet  stets  darauf  hin,  daß  sich  der  betreffende  Fluß  aus  mehreren, 
ursprünglich  selbständigen  Gewässern  zusammensetzt  und  eine  kom- 
plizierte Entwicklung  durchgemacht  hat. 

Verteilung  der  Flüsse.  Unter  den  zahlreichen  wasserscheiden- 
den Linien,  die  das  Land  netzartig  überspannen,  ist  eine,  die 
mit  alleiniger  Unterbrechung  in  der  Beringstraße  das  gesamte  Fest- 
land mit  Ausnahme  des  abseits  liegenden  Australien  in  zwei  Ab- 


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522  Morphologie  des  Landes. 

dachungen  teilt : eine  atlantische  und  eine  pazifisch  - indische, 
v.  Tillo2  nannte  sie  die  Hauptwasserscheide  der  Erde  ( ABC 
BEFGU1K  in  Fig.  185).  Innerhalb  der  beiden  Abdachungen 
liegen  aber  auch  abflußlose  Gebiete,  die  auf  23,7  Prozent  der 
Festlandober  Hache  geschätzt  werden.  Weitaus  das  größte  ist  das 
asiatisch -europäische  Zentralgebiet,  das  mit  seinen  13  Mill.  qkm 
Europa  fast  uni  die  Hälfte  an  Ausdehnung  übertrifft  Afrika  hat 
zwei  solche  Hauptgebiete : in  der  Sahara  und  Kalahari,  Australien  ist 
mehr  als  zur  Hälfte  abflußlos,  dagegen  ist  Amerika  arm  an  solchen 
trockenen  Binnenlandschaften,  und  darin  liegt  einer  der  gewichtig- 
sten Vorzüge  der  neuen  Welt  vor  der  alten. x Aber  auch  zwischen 
die  marinen  Flüsse  schieben  sich,  teils  klimatisch,  teils  durch  den 
Bodenbau  bedingt,  kleine  Flächen  ohne  Abfluß  ein;  hat  uns  doch 
Keilhack  kürzlich  ein  solches  auch  in  Deutschland  — auf  der 
baltischen  Seenplatte  — kennen  gelehrt3 

Betrachten  wir  jeden  Kontinent  für  sich,  so  gewahren  wir,  daß 
jeder  auch  in  der  Verteilung  des  fließenden  Wassers  seine  indivi- 
duellen Eigentümlichkeiten  besitzt.  Jeden  Kontinent  durchziehen 
ein  oder  mehrere  Hauptwasserscheiden,  die  zum  Teil  mit  der  Haupt- 
wasserscheide der  Erde  zusammenfallen,  zum  Teil  sich  von  dieser 
abzweigen.  Europa  besitzt  nur  eine  einzige  Hauptwasserscheide, 
die  am  Ural  unter  612/s°  N.  beginnt,  den  Festlandsrumpf  in  süd- 
westlicher und  die  iberische  Halbinsel  in  südlicher  Richtung  durch- 
zieht und  hier  unter  3(i°  endet.  Die  nordwestliche  Abdachung  ist 
die  ozeanische,  die  südöstliche  die  mediterran-kaspische.  In  Asien 
finden  wir,  entsprechend  der  östlichen  Ruten teilung  des  Hochland- 
gürtels, zwei  senkrecht  aufeinander  stehende  Hauptwasserscheiden: 
die  äquatoriale,  die  die  großen  abflußlosen  Gebiete  umschließt, 
scheidet  den  indischen  und  arktischen  Bezirk;  die  meridionale 
grenzt  die  pazifischen  Systeme  gegen  Westen  ab.  Afrika  hat  zwei 
primäre  Wasserscheiden,  von  denen  die  eine  meridional  zwischen 
dem  Indischen  und  Atlantischen  Ozean  nach  Süden  zieht,  während 
die  andere  sich  unter  etwa  4°  S.  abzweigt  und,  wie  die  Verteilung 
der  Wadis  erkennen  läßt,  über  das  Zentralgebirge  der  Sahara 
nach  Nordwesten  zieht,  um  die  mediterrane  von  der  atlan- 
tischen Abdachung  zu  trennen.  In  Amerika  bildet  das  westliche 
Hochland  die  Scheide  zwischen  den  atlantisch  - arktischen  und  den 
pazifischen  Strömen,  doch  wird  diese  anscheinend  einfache  Anord- 


* Abflußlos  sind  von  Australien  51,9,  von  Afrika  32,9,  von  Asien  30,«, 
von  Europa  17,i,  von  Südamerika  6,«,  von  Nordamerika  4,i  Proz.  des  betreffen- 
den Festlandes. 


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Pie  Flüsse. 


523 


nung  durch  das  Auftreten  grober  Längsströme  (Mackenzie,  Missis- 
sippi, Paraguay  - Parana)  etwas  komplizierter,  namentlich  in  Nord- 
amerika, wo  ein  QuerHuß  (Saskatchewan)  sich  zwischen  die  beiden 
großen  Längsströme  einschiebt.  Ebenso  einseitig,  wie  in  Amerika 
ist  die  Flußverteilung  in  Australien,  wo  die  Hauptwasserscheide 
an  das  östliche  Bergland  sich  knüpft;  aber  das  abflußlose  Gebiet 
ist  zentral,  wie  in  Asien,  nicht  exzentrisch  wie  in  Amerika. 

Aus  der  nachstehenden  Tabelle  (nach  Penck)  ersieht  man  die 
Ausdehnung  der  Abdachungsgebiete  des  Festlandes  (in  Millionen 


Europa 

c 

o 

% 

Afrika 

Australien 

Nord- 
Amerika  j 

Süd- 

Amerika 

Festland 

Atlantischer  Ozean  ... 
Eismeer  (und  Hudsonbai)  . I 
Mittelländisches  Meer  . . 
Amerikanisches  Mittelmcer  . 

3,2 

1,6 

3,0 

10.6 

0,7 

10,7  ! - 
3,»  : — 

2,. 

6,3 

5,« 

15,3 

0,6 

31,8 

18,4 

7,. 

6,3 

Atlantisches  Gebiet  . . . 

7,» 

11,3 

14,«  | - 

14, < 

15,9 

64,o 

Großer  Ozean 

— 

9,4 

— 0,5 

5,i 

1,0 

16,o 

Indischer  Ozean  . . . . .[ 

— 

7, 

5,o  3,3 

_ 

16,i 

Pazifisch-indisches  Gebiet  . 

— 

17,3 

5,0  j 3,7 

5,i 

1,0 

32,i 

Marine  Flußgebiete  . . . 

7,8 

28,« 

19,6  3,7 

19,5 

16,9 

96,i 

Kontinentale  Flußgebiete  . 

1,0 

12,« 

9,»  | 4,0 

0,9 

1,9 

29,« 

Festland 

9,* 

41,3 

29,3  7,7 

20,« 

18,1 

126,o 

Quadratkilometern).  Das  Übergewicht  der  atlantischen  Abdachung 
tritt  mit  großer  Schärfe  hervor;  rechnet  man  noch  die  Inseln  dazu, 
so  erhalten  wir  für  das  atlantische  Gebiet  51,  für  das  pazifisch- 
indische 27,  für  die  abtlußlosen  Binnengebiete  22  Proz.  Die  ent- 
sprechenden mittleren  Regenhöhen  sind  nach  Murray4  96,  105 
und  31  cm.  Nur  die  abflußlosen  Gebiete  sind  also  klimatisch  bedingt, 
die  gewaltige  Ausdehnung  des  atlantischen  Flußgebietes  ist  aber 
ein  tektonisches  Phänomen. 

Flufsvermiachung  und  Wasserteilung.6  Im  allgemeinen  spielen 
die  Hochgebirge  bei  der  Verteilung  der  Flüsse  nur  eine  untergeordnete 
Rolle.  Der  Himalaja  steht  ganz  und  die  Alpen  stehen  zum  größten 
Teil  außerhalb  der  Hauptwasserscheide,  und  selbst  in  den  Andes  ver- 
läuft sie  nicht  immer  auf  dem  höchsten  Kamme.  Ein  großer  Teil 
der  primären  Wasserscheiden  liegt  in  der  Ebene,  und  stellenweise 
(z.  B.  in  Rußland)  werden  sie  durch  so  sanfte  Bodenanschwellungen 
gebildet,  daß  diese  ohne  besondere  Schwierigkeiten  von  Verbindungs- 
kanälen überschritten  werden  können.  Ja  stellenweise  werden  zur 


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524  Morphologie  des  Landes. 

Zeit  des  Hochwassers  solche  Kanäle  auf  natürlichem  Wege  herge- 
stellt, oder  Teile  verschiedener  Flußsysteme  treten  bei  völligem 
Fehlen  der  Wasserscheide  sogar  in  dauernde  Verbindung.  Man 
nennt  diesen  Vorgang  Gabelung  oder  Bifurcation;  doch  versteht 
man  unter  diesem  Namen  auch  eine  wesentlich  andere  Gruppe  von 
Erscheinungen,  nämlich  die  Teilung  eines  Flusses  in  zwei  oder 
mehrere  Arme,  die  Inseln  einschließen  oder  sich  nicht  wieder  ver- 
einigen, wie  in  den  Deltas.  Diese  unrichtige  Terminologie  giebt  zu 
manchen  Mißverständnissen  Veranlassung,  und  wir  thun  daher  am 
besten  daran,  wenn  wir  neue  Ausdrücke  einführen.  Treten  zwei 
Flußsysteme  während  ihres  Laufes  miteinander  in  Verbindung,  so 
nennen  wir  dies  eine  Flußvermischung;  wird  diese  Verbindung 
aber  an  den  Quellen  hergestellt,  indem  Seen  oder  Sümpfe  nach  ver- 
schiedenen Seiten  sich  entwässern,  so  nennen  wir  dies  mit  Berghacs 
eine  Wasserteilung.  Das  bekannteste  Beispiel  von  Flußver- 
mischung bietet  der  Orinoco,  der  einen  Arm  (Casiquiare)  zum  Rio- 
Negro,  einem  Nebenflüsse  des  Amazonas,  entsendet.  Im  kleinen 
wiederholt  sich  dieses  Phänomen  nördlich  vom  Teutoburger  Walde, 
wo  die  Else,  ein  Arm  der  Haase  (Emsgebiet),  sich  östlich  zur 
Werre  wendet;  doch  ist  es  fraglich,  ob  dieser  Zustand  nicht 
künstlich  hergestellt  wurde.  Häufiger  ist  die  Wasserteiluug;  im 
Staate  Maine  ist  sie  nach  Ratzel  eine  gewöhnliche  Erscheinung. 
Bei  Hochwasser  verbindet  sich  das  Mississippisystem  in  der  Seen- 
region von  Minnesota  mit  dem  Red  River  und  Oberen  See,  und  der 
Petit  Lake  stellt  einen  Wasserweg  zwischen  dem  Michigansee  und 
ülinois  her.  Die  Rokitnosümpfe  haben  Abfluß  sowohl  zur  Weichsel, 
wie  zum  Dnjepr,  und  die  masurischen  Seen  im  Regierungsbezirke 
Gumbinnen  werden  zugleich  nach  Norden  in  den  Pregel  und  nach 
Süden  in  die  Weichsel  entwässert.  Selbst  Gebirgen  ist  dieses  Phä- 
nomen nicht  fremd,  aber  natürlich  nur  an  Thalwasserscheiden  ge- 
bunden. Den  Lesjeskogen-See  haben  wir  schon  auf  S.  517  erwähnt. 
Der  kleine  See  Les  Dous  in  den  Pyrenäen  hat  seinen  Namen  von 
den  beiden  Abflüssen,  von  denen  der  eine  zur  Tet,  der  andere 
zum  Segre  (Ebro)  sich  wendet  Eine  periodische  Flußvermischung 
findet  auf  dem  Two  Ocean-Passe  im  Felsengebirge  (2463  m)  statt, 
indem  vom  Two  Oceau  Creek,  der  dem  Mississippisystem  angehört, 
bei  vollem  W'asserstamle  schwache  Arme  zum  Pacifik  Creek  (Co- 
lumbiagebiet) ausgehen.  In  Kalkgebirgen  kommen  auch  unter- 
irdische Flußvermischungeu  vor;  zwei  solche  Fälle  in  Frankreich 
wurden  von  Reclus  beschrieben,  ein  dritter  ist  die  von  Knop  nach- 
gewiesene Verbindung  zwischen  dem  Rhein  und  der  Donau,  von  der 
ein  Arm  unterirdisch  zur  Aachquelle  abfließt 


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Die  Flüsse 


525 


Bau  der  Flufsaysteme.  Flußsysteme  entstehen  durch  die  Ver- 
einigung mehrerer  Flüsse,  von  denen  einer  durch  den  Sprachgebrauch 
zum  sogenannten  Hauptflusse  gemacht  wurde,  nach  dem  das  ganze 
System  benannt  wird.  Diese  Benennungsweise  beruht  zwar  nicht  auf 
wissenschaftlichen  Prinzipien,  ist  aber  trotzdem  unschädlich,  wenn 
man  sich  nur  der  Meinung  entsclilägt,  daß  der  Hauptfluß  das  pri- 
märe und  die  Nebenflüsse  das  sekundäre  seien;  wenn  man  also  die 
üblichen  Flußnamen  lediglich  als  Verständigungsmittel  benutzt,  ohne 
genetische  Vorstellungen  damit  zu  verbinden. x Diese  Forderung 
erscheint  um  so  gerechtfertigter,  als  viele  sogenannte  Hauptflüsse  in 
einem  Teile  ihres  Laufes  nur  Fortsetzungen  von  Nebenflüssen  sind, 
worauf  wir  bereits  an  einer  anderen  Stelle  (S.  514)  hingewiesen  haben. 
Solche  Verhältnisse  finden  wir  bei  der  Rhöne-Saöne,  bei  der  Elbe 
und  Moldau,  der  unteren  Weser  und  Aller,  dem  Amur  und  Sungari, 
dem  Hoangho-Hweiho  u.  s.  w. 

Außerordentlich  mannigfaltig  ist  der  Bau  der  Flußsysteme, 
von  denen  jedes  seine  individuellen  Züge  hat,  die  sich  nicht  in  ein 
allgemeines  Schema  einzwängen  lassen;  ja,  die  meisten  größeren 
Systeme  zeigen  in  verschiedenen  Teilen  verschiedene  Anordnung. 
Nur  einige  Grundformen  sollen  hier  besprochen  werden. 

Die  einfachsten  Systeme  bestehen  aus  einem  Hauptstrange,  an 
den  sich  rechts  und  links  Nebenflüsse  rechtwinkelig  oder  mit  ab- 
wärts gekrümmter  Mündung  wie  Aste  ansetzen.  Der  Po,  der  Ama- 
zonas, die  Moldau,  der  Oberrhein  und  die  untere  Donau  sind  so 
gebaut.  Meist  sind  auch  in  diesem  Falle  die  Nebenflüsse  auf  beiden 
Seiten  nicht  gleichwertig,  und  zwischen  dem  symmetrischen  und 
einseitigen  Bau  lassen  sich  alle  möglichen  Übergänge  beobachten. 
Dem  Jenissei,  Tigris,  der  Theiß,  der  unteren  Garonne  u.  a.  sendet 
die  Gebirgsseite  begreiflicherweise  zahlreichere  und  größere  Neben- 
flüsse zu,  als  die  ebene  Seite.  Die  Rhone  empfängt  ihre  wichtigsten 
Nebenflüsse  von  den  Alpen,  wo  nicht  nur  der  Wasserreichtum  größer, 
sondern  auch  die  Wasserscheide  viel  weiter  vom  Thalwege  des  Haupt- 
stromes entfernt  ist,  wie  auf  der  westlichen  Seite,  wo  das  franzö- 


x Wisotzki*  suchte  ein  Prinzip  aufzustelicn,  nach  dem  sich  die  Frage  nach 
dom  Hauptthmse  in  jedem  Falle  entscheiden  ließe;  ich  habe  bereits  im  Litteratur- 
berichte  zu  Petehmanns  Mitteilungen  (1890,  Nr.  1450)  die  Schwierigkeiten,  die 
sich  daraus  ergeben,  dargelegt.  Die  Frage  läßt  sich  auch  so  stellen,  wo  ist 
die  Hauptquelle  eines  Flusses?  und  wir  halten  es  noch  immer  für  das  ein- 
fachste und  sicherste  Verfahren,  diejenige  Quelle  dafür  zu  erklären,  die  in  der 
Luftlinie  am  weitesten  von  der  Mündung  entfernt  ist.  In  diesem  Sinne  ist  es  zu 
verstehen,  wenn  Haumann  für  sich  das  Verdienst  in  Anspruch  nimmt,  die 
eigentliche  Nilquelle  (Kagera)  entdeckt  zu  haben. 


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526 


Morphologie  des  Landes. 


sische  Massiv  mit  einem  Steilabfalle  abstürzt.  Der  Lauf  der  Aare 
und  oberen  Donau  bezeichnet  die  tiefste  Rinne  am  Fuße  des  Jura, 
wo  sich  die  den  Alpen  entstammenden  und  auf  der  vorgelagerten 
schiefen  Ebene  sich  bewegenden  Flüsse  sammeln  müssen,  um  in 
veränderter  Richtung  einen  Ausweg  zu  finden. 

Häufig  ist  der  Fall,  daß  zwei  oder  mehrere  nahezu  gleich  große 
Flüsse  radial  einander  Zuströmen  und  erst  nach  ihrer  Vereinigung 
einen  deutlich  erkennbaren  Hauptstrang  bilden.  Dieser  Typus  tritt 
in  zahlreichen  Variationen  auf.  Am  einfachsten  ist  der  Bau  der 
Loire  und  des  Allier,  des  Cauca-  und  Magdalenenstromes,  des  Parana- 
Paraguay,  Ganges-Gagra,  Murray-Darling,  die  selbst  wieder  nach 
demselben  Gesetze  gebaut  sind,  u.  a.  m.  Aus  der  Vereinigung  mehrerer 
Hauptarme  entstehen  der  Dnjepr,  die  untere  Seine  und  der  untere 
Ob;  auch  im  Mississippisystem  läßt  sich  außer  dem  Mississippi  und 
Missouri  auch  der  Ohio  als  Hauptarm  auffassen.  In  kleinem  Maß- 
stabe, aber  mit  seltener  Schärfe  ist  diese  Bauart  in  der  Thaya  aus- 
gebildet, besonders  da  jeder  der  drei  Hauptarme  dieselbe  Bildungs- 
weise, wie  der  vereinigte  Fluß  zeigt.  Einen  etwas  komplizierteren 
Fall  bietet  das  Indussystem,  dessen  beide  Hauptarme  (Indus  und 
Sutlej)  mit  einem  dritten,  kleineren  sich  vereinigen.  Aus  zwei 
LängsHiissen,  die  einander  Zuströmen,  entsteht  der  Querfluß  Dwina, 
und  in  ähnlicher  Weise  verbinden  sich  Trent  und  Ouse  zum  Humber. 

Die  großen  Veränderungen  der  Laufrichtung  lassen  sich  als  eine 
Vereinigung  verschiedener  Systeme  auffassen.  Der  Kongo  und  die 
Loire  sind  Beispiele  der  Verwandlung  eines  Längssystems  in  ein 
Quersystem  durch  einfache  Umbiegung.  Die  Loire  zeigt  anfänglich 
die  Tendenz,  dem  Pariser  Becken  zuzufließen,  wie  ja  auch  die 
übrigen  Flüsse,  die  dem  Rande  desselben  entspringen.  Die  Ablen- 
kung nach  Westen,  der  auch  die  Bäche  der  Sologne,  wie  die  größeren 
Flüsse  Cher.  Indre  und  Creuse-Vienne  folgen,  ist  schon  miocänen 
Alters;  hier  war  der  Abzugskanal  der  Gewässer  des  Seinebeckens. 
Das  Quersystem  der  Wolga  setzt  sich  nach  Norden  in  dem  der  Kama 
fort.  In  der  Petschora  vereinigen  sich  zwei  Quersysteme  (obere 
Petschora  und  Ischma  mit  der  unteren  Petschora)  mit  einem  Längs- 
systeme (Ussa  und  mittlere  Petschora),  in  der  Donau  zwei  Längs- 
systeme (obere  Donau  bis  Waitzen  und  Drau -Save -untere  Donau) 
mit  einem  Quersysteme.  Diese  Beispiele  erschöpfen  nicht  im  ent- 
ferntesten die  Zahl  der  verschiedenen  Fälle,  aber  sie  geben  uns  doch 
eine  Vorstellung  von  der  außerordentlichen  Mannigfaltigkeit  in  der 
Anordnung  der  Flußläufe  innerhalb  eines  hydrographischen  Gebietes. 

Gröfse  der  Flüsse.  Starke  Niederschläge  und  lange  Abdachungen 
sind  die  Bedingungen  für  die  Entwicklung  großer  Ströme.  Nicht  die 


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Die  Flüsse. 


527 


Länge  des  Flusses  ist  maßgebend  für  seine  Bedeutung,  sondern  die 
Größe  seines  Gebietes.  Der  Amazonas  ist  zwar  der  mächtigste  Strom 
der  Erde,  aber  an  Länge  wird  er  vom  Missouri-Mississippi  um  800, 
vom  Nil  um  1500,  ja  sogar  vom  Jangtsekiang  um  150  km  über- 
troffen. Die  Donau  ist  nur  doppelt  so  lang  als  der  Rhein,  aber  sie 
entwässert  ein  viermal  größeres  Areal;  und  die  Dwina  hat  einen 
kürzeren  Lauf,  als  der  Guadalquivir,  aber  trotzdem  ist  ihr  Gebiet 
sechsmal  größer. 

Zu  einer  Vorstellung  von  der  hydrographischen  Verschiedenheit 
der  Erdteile  gelangt  man,  wenn  man  berechnet,  wie  viele  Prozente 
des  Gesamtareals  auf  die  Gebiete  der  großen  Ströme  (als  Grenze 
haben  wir  1/ä  Mill.  qkm  angenommen)  entfallen: 


Südamerika  (41*  ....  67 

Asien  (13) 44 

Afrika  (5) ca.  43 

Nordamerika  (6)  . ...  36 

Europa  (3) 30 

Australien  (I) 3 


Südamerika  ist  also  vor  allem  das  Land  der  großen  Ströme,  wie  es 
der  Kontinent  der  Tiefebenen  ist.  Die  beiden  kleinsten  Erdteile  nehmen 
in  obiger  Tabelle  begreiflicherweise  den  letzten  Platz  ein;  bei  Australien 
wirkt  noch  die  Trockenheit  des  inneren  Landes  mit.  Asien  besitzt 
zwar  die  größte  Anzahl  von  Strömen,  aber  nur  der  Ob  steht  den 
amerikanischen  würdig  zur  Seite;  hier  wirkt  die  große  Ausdehnung 
und  zentrale  Stellung  des  Hochlandes  der  Entwicklung  eines  Ama- 
zonas entgegen,  während  in  Südamerika  die  peripherische  Lage  der 
Andes  mit  der  Regenverteilung  zusammenwirkt,  um  den  mächtigsten 
unter  den  Riesenströmen  der  Erde  zu  erzeugen. 

Veränderungen  der  Flüsse.  Flüsse  und  Flußsysteme  sind  aber 
veränderlich.  Namentlich  dort,  wo  ein  schwach  geneigtes  und  daher 
beständig  sich  erhöhendes  Bett  in  lockerem  Material  liegt,  also  haupt- 
sächlich im  Unterlaufe  verändern  die  Flüsse  häufig  ihre  Richtung: 
aber  wohl  keiner  ist  so  starken  Oszillationen  unterworfen,  wie  „Chinas 
Kummer1,  der  Hoangho.  Seine  älteste  und  zugleich  nördlichste 
Mündungsstelle  liegt  unter  392/3°  B.,  seine  südlichste,  die  er  vom 
13.  Jahrhundert  bis  1852  benutzte,  unter  34°  B.  In  den  Jahren  1851  — 
53  wandte  er  sich  wieder  nach  Norden,  1887  aber  brach  er  abermals 


* Die  eingeklammerte  Ziffer  giebt  die  Zahl  der  Hauptströme  mit  mehr 
als  */,  Mill.  Q.-Kilometer  Flußgebiet.  Wir  dürfen  aber  nicht  verhehlen,  daß 
die  Zahlen  für  Längen  und  Gebiete  der  Flüsse  sehr  ungenau  sind.  Die  um- 
fangreichste Zusammenstellung  stammt  von  KtönEN,7  aber  auch  sie  ist  wenig 
zuverlässig. 


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528 


Morphologie  des  Landes. 


nach  Süden  durch,  doch  wurde  er  schon  1889  durch  Menschenhand 
gezwungen,  sein  früheres  Bett  wiederaufzusuchen.  In  kleinerem  Maßstabe 
sind  Veränderungen  im  Unterlaufe,  wo  die  Flüsse  nicht  durch  feste  Ufer 
eingedämmt  sind,  außerordentlich  häufig,  wie  z.  B.  Blink8  bezüglich  des 
Rheindeltas  darthat;  aber  obwohl  die  Geschichtsquellen  hier  reichlich 
fließen,  gelang  es  ihm  doch  nicht,  alle  dunkeln  Punkte  aufzuklären.  Um- 
so schwieriger  ist  dies  in  Ländern,  deren  Geschichte  sich  mit  Sagen 
verwebt.  Bis  in  die  neueste  Zeit  war  die  Ansicht  verbreitet,  daß 
sich  der  Amu  noch  im  Mittelalter  in  den  Kaspisee  ergossen  habe,  und 
man  hoffte,  diese  wichtige  Wasserstraße  wieder  herstellen  zu  können. 
Erst  die  geologischen  Untersuchungen  und  Nivellements  der  Russen 
um  die  Mitte  der  achtziger  Jahre  haben  dieses  Märchen  zerstört.9 
Sicher  ist  nur,  daß  die  Mündung  des  Amu  einst  im  Sary-Kamysch 
lag,  und  daß  von  hier  aus  eine  Wasserverbindung  mit  dem  Aralsee 
und  durch  den  Usboi  mit  dem  Kaspisee  stattfand;  doch  war  der 
Usboi  kein  eigentlicher  Flußarm,  sondern  nur  eine  zusammenhängende 
Seenkette  mit  schwacher  Wasserbewegung.  1878  füllte  sich  das 
Bett  zum  Sary-Kamysch  wieder,  aber  dieser  Zustand  war  nur  ein 
vorübergehender.  Auch  gegenüber  den  Nachrichten  von  einer  Ver- 
legung der  Indusmündung  infolge  eines  Erdbebens  im  Jahre  962 
ist  größte  Skepsis  geboten. 

Sicher  sind  die  Flüsse  nicht  bloß  im  Unterlaufe  von  Veränderungen 
betroffen  worden.  Der  Bodensee  endigt  im  Westen  in  drei  Zipfel;  dem 
südlichsten  entströmt  jetzt  der  Rhein,  die  beiden  anderen  sind  alte  Aus- 
mündungstellen. Die  geologische  Untersuchung  ergab  die  Existenz 
eines  alten  Rheinlaufes  von  Radolfszell  über  Singen  und  Ramsen, 
also  im  jetzigen  Biberthale;  und  ebenso  konnte  nachgewiesen  werden, 
daß  der  Rhein  einige  Zeit  von  Schafihausen  direkt  durch  den  Klett- 
gau  nachWaldshut  floß.  DieseTerrainfurche  benutzt  jetzt  dieEisenlmhn. 

Als  eine  allgemein  wirkende  Ursache  von  Laufveränderungen 
bezeiclinete  der  berühmte  russische  Akademiker  v.  Baek  die  Erd- 
rotation, welche  auf  der  nördlichen  Halbkugel  eine  Ablenkung  nach 
rechts  und  auf  der  südlichen  eine  solche  nach  links  zur  Folge  hat 
(vgl.  S.  17).  Soviel  auch  schon  darüber  geschrieben  worden  ist,10 
so  ist  doch  die  Frage  noch  immer  nicht  zum  Abschlüsse  gebracht  und  es 
mag  billig  bezweifelt  werden,  ob  eine  Entscheidung  überhaupt  mög- 
lich ist.  Niemand  leugnet  mehr  den  Einfluß  der  Erdrotation,  der 
sich  auch  nicht,  wie  v.  Bakr  meinte,  auf  meridionale  Flüsse  be- 
schränkt; aber  man  hält  ihn  vielfach  für  zu  geringfügig  im  Vergleiche 
zu  jenen  Momenten,  die  — wie  Unebenheiten  und  Verschiedenheiten 
in  der  Härte  der  Unterlage  — die  Geschwindigkeit  und  Richtung 
der  Bewegung  vorzugsweise  bedingen. 


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Die  Flüsse. 


529 


Die  Rotation  drängt  die  schneller  bewegten  Wasserfäden  nach 
rechts  (auf  unserer  Hemisphäre)  und  erhöht  hier  den  Wasserspiegel. 
Aber  diese  Abweichung  von  der  Horizontalen  erreicht  nur  ganz 
minimale  Werte;  selbst  hei  einer  ansehnlichen  Breite  von  1000  m 
und  einer  Geschwindigkeit  von  3 m würde  sie  am  Pole  nur  44, 
unter  50°  Breite  nur  34,  im  20.  Parallel  sogar  nur  15  mm  betragen. 
Auch  die  Länge  geologischer  Perioden  kann  die  Wirkung  der  Rota- 
tion nicht  steigern,  „denn  ebenso  lange“,  sagt  Zöppbxtz,  „wirken  alle 
Unregelmäßigkeiten  und,  da  sich  das  Flußbett  durch  Erosion  und 
Sedimentführung  beständig  ändert,  fortwährend  in  anderer,  völlig 
unübersehbarer  Weise.“  Als  einen  Faktor  von  regionaler  Bedeutung 
hat  man  auch  den  Wind  erkannt,  und  Koppen  machte  be- 
sonders auf  die  Wichtigkeit  der  Sturmrichtung  zur  Zeit  des  Früh- 
lingshochwassers aufmerksam. 11  Während  sich  der  Einfluß  der 
Rotation  mit  der  Geschwindigkeit  des  sich  bewegenden  Körpers 
steigert,  macht  sich  der  des  Windes  gerade  bei  schwach  fließenden 
Strömen  besonders  geltend,  indem  er  eine  Wasserversetzung  nach 
dem  luvseitig  gelegenen  Ufer  bewirkt,  namentlich  dann,  wenn  der 
Flußlauf  unter  einem  steilen  Winkel  von  der  vorherrschenden  Wind- 
richtung getroffen  wird.  So  vereinigen  sich  also  verschiedene  Fak- 
toren, um  die  Flüsse  nach  der  einen  oder  anderen  Seite  abzulenken ; 
bald  wirken  sie  im  gleichen  Sinne,  bald  arbeiten  sie  einander  ent- 
gegen, und  daraus  erklärt  sich  zur  Genüge  der  Widerstreit  der 
Meinungen. 

Daß  die  sibirischen  Flüsse  nach  Osten  drängen,  hat  noch  in 
neuerer  Zeit  Poliakow  bestätigt;  ob  dieses  Verhalten  den  West- 
winden zuzuschreiben  sei,  kann  noch  bezweifelt  werden,  denn  auch 
in  Südrußland  herrscht  diese  Windrichtung  vor,  ohne  die  Flüsse  an 
ihrem  westlichen  Fortschreiten  hindern  zu  können.  Die  östliche 
Ablenkung  des  Nils  beobachtete  schon  Minutoli  und  erwähnte  Hoff, 
der  das  Vordringen  des  Sandes  aus  der  libyschen  Wüste  dafür  ver- 
antwortlich macht.  Auch  auf  andere  Flüsse  wurde  das  BAEKSche 
„Gesetz“  angewendet.  Dagegen  zeigen  die  norddeutschen  Flüsse  ein 
ganz  anderes  Verhalten,  und  der  Oberrhein  wurde  von  den  An- 
hängern, wie  von  den  Gegnern  Baers  als  Beweis  für  ihre  Ansichten 
angeführt.  Die  Donau  drängt  in  ihrem  meridionalen  Laufe  in  Ungarn 
stark  gegen  das  Westufer,  das  steile  Lößabstürze  bildet,  aber  auch 
in  den  östlich  gerichteten  Teilen  ihres  Laufes  zeigt  sie,  wo  sie  nicht 
durch  felsige  Ufer  eingeschlossen  ist,  das  Bestreben,  nach  rechts 
sich  zu  wenden;  Süss  vergleicht  sie  daher  mit  einer  zwischen  festen 
Punkten  aufgehängten  Kette.  Besonders  im  Unterlaufe  bilden  das 
walachische  Flach-  und  bulgarische  Steilufer  scharfe  Gegensätze, 

SüPiK,  Physische  Erdkunde.  2.  Aull.  34 


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580 


Morphologie  des  Landes. 


und  eine  Reihe  blinder  Arme  zeigt  den  früher  nördlicheren  Lauf 
des  Flusses  an.  Für  die  Strecke  Galatz  — Reni  nimmt  Peters  die 
Stoßkraft  des  Pruth  als  Ursache  dieser  Erscheinung  in  Anspruch, 
und  dieselbe  Wirkung  läßt  sich  wohl  auch  den  von  den  Transsilva- 
nischen Alpen  kommenden  Flüssen  zuschreiben,  da  diese  bedeutend 
wasserreicher  und  kräftiger  sind,  als  die  bulgarischen.  In  ähnlicher 
Weise,  wie  die  Donau,  schreiten  auch  der  Ganges  und  dieDschamuna 
nach  Süden  vor,  und  die  indischen  Geologen  schreiben  dies  den 
größeren  Sedimentmassen  der  HimalajaHüsse  zu,  wodurch  die  nörd- 
liche Ebene  höher  aufgeschüttet  wurde  als  die  südliche. 

Auch  die  Flußsysteme  erleiden  Veränderungen.  Der  einfachste 
Fall  ist  der,  daß  durch  Erweiterung  des  Deltas  mehrere  selbständige 
Flüsse  zu  einem  System  verschmelzen.  So  verbanden  sich  Euphrat 
und  Tigris  zum  Schat  el  Arab,  und  der  Aras,  der  im  Altertume  in 
die  Bai  Kysylagatsch  mündete,  vereinigte  sich  mit  dem  Kur.  Der 
Seihan  und  Dschihan,  die  sich  in  den  Golf  von  Iskenderun  ergießen, 
haben  sich  seit  Xenophons  Zeiten  dreimal  vereinigt  und  dreimal 
getrennt  Durch  das  Fortschreiten  des  Donaudeltas  sank  der  Pruth 
zu  dem  Range  eines  Nebenflusses  herab.  Erst  in  verhältnismäßig 
junger  Vergangenheit  vergrößerte  die  Rhone  ihr  Gebiet  durch  die 
Aufnahme  der  Durance,  die  in  der  Zeit  ihrer  Selbständigkeit  das 
Geröllfeld  La  Crau  schuf  und  bei  Salon  mündete.  Eine  Laufver- 
änderung brachte  den  Sutlej  in  Abhängigkeit  vom  Indus;  die  Reste 
seines  ehemaligen  Laufes  sind  jetzt  unter  dem  Namen  Wahand  und 
Narra  bekannt.  Umgekehrt  wurde  sein  einstiger  Nebenfluß  Saraswati 
selbständig,  indem  ihn  die  nach  rückwärts  fortschreitende  Dschamuna 
eines  Teiles  seines  Quellgebietes  beraubte,  so  daß  er  jetzt  wegen 
Wasserarmut  in  der  Wüste  sich  verliert.  Eine  ebenso  traurige  Selb- 
ständigkeit erlangten  die  einstigen  Nebenflüsse  des  Murray:  Avoea, 
Avon  und  Wimmera.  Wie  die  Sedimentablagerung  die  Gebiete  des 
Po  und  der  Etsch  trennte,  wurde  schon  auf  S.  380  berichtet.  Das 
große  Medianthal  der  norddeutschen  Ebene  weist  auf  eine,  einst 
wesentlich  andere  hydrographische  Anordnung  zurück;  die  Weichsel 
floß  über  das  Netzethal  in  die  Oder,  und  diese  setzte  sich  über  die 
Spree-  und  Havelniederung  in  der  unteren  Elbe  fort.  Dieser  große 
Strom  löste  sich  erst  seit  der  Eröffnung  der  Durcligangsthäler  der 
Weichsel  und  Oder  durch  den  nördlichen  Landrücken  in  drei  Flüsse 
auf.  Im  Osten  löste  sich  der  Pregel  von  der  Memel  los,  die  nach 
Berendt  einst  das  Insterthal  benutzte  und  nur  bei  Hochwasser  auch 
einen  Seitenarm  in  das  Kurische  Haff  sendete. 

Durch  solche  Systemveränderungen  können  selbst  wichtige 
Wasserscheiden  Verschiebungen  erleiden.  Der  Oberrheiu  und 


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Die  Seen. 


531 


Genier  See  gehörten  einst  zum  Donaugebiete;  erst  als  das  Durch- 
gangsthal zwischen  Bingen  und  Bonn  entstand,  wurde  der  Rhein  in 
die  Nordsee  abgelenkt  Die  Breite  und  der  Geröllreichtum  des 
oberen  Minnesotathaies,  die  in  keinem  Verhältnisse  zur  gegenwärtigen 
Wassermenge  stehen,  legen  die  Vermutung  nahe,  daß  einst  der  Red 
River  dasselbe  benutzte  und  somit  der  Winnipegsee  zum  Mississippi- 
gebiete gehörte,  bis  die  negative  Niveauveränderung  der  Hudsonbai 
den  Nelson  zu  erhöhter  Thätigkeit  auregte.  Das  Quellgebiet  des 
Nelson  wurde  immer  weiter  nach  rückwärts  verlegt,  erreichte  end- 
lich den  Winnipegsee  und  zwang  den  Red  River  zur  Umkehr. 
Sichere  Beweise  für  solche  Veränderungen  lassen  sich  allerdings  nur 
dort  erbringen,  wo  blinde  Thalstücke  noch  erhalten  sind,  wie  dies 
besonders  häutig  in  einigen  Kettengebirgen  (s.  S»  518)  der  Fall  ist, 
oder  wo  das  Material  der  Flußablagerungen  über  deren  Herkunft 
bestimmten  Aufschluß  giebt,  oder  wo  historische  Nachrichten  vor- 
liegen; aber  vermuten  können  wir  wenigstens,  daß  besonders  dort, 
wo  die  Wasserscheiden  mannigfach  gekrümmte  Linien  bilden,  die 
hydrographischen  Grenzen  Wandlungen  erlitten  haben. 

Litteraturnach weise.  1 Haase  in  1‘etebmanns  Mitteilungen  1891, 
S.  49.  — 1 v.  Tillo  in  Peterhanns  Mitteilungen  1887,  S.  101.  — * Keilhack 
in  Petermanns  Mitteilungen  1891,  S.  38.  — 4 Murray  im  Scottish  Geographical 
Magazine  1887,  S.  65.  — 8 Haase,  Über  Bifurcationen,  in  Petermanns  Mit- 
teilungen 1889.  — 4 Wisotzki,  Hauptfluß  uud  Nebenfluß,  Stettin  1889.  — 
1 Klüden  in  d.  Zeitschrift  d.  Berliner  Gesellschaft  für  Erdkunde  1885,  S.  397.  — 
* Blink,  Der  Rhein  in  den  Niederlanden,  Stuttgart  1889.  — * Bericht  von 
Konschin  in  Petermanns  Mitteilungen  1887,  S.  225  (bezw.  226).  Eine  Über- 
sicht der  russischen  Forschungen  giebt  v.  Eckert  im  Ausland,  1892,  S.  545. 
Blano  (im  Bulletin  de  la  Soeicte  geographique  de  Paris,  1892,  S.  281)  suchte 
einen  Teil  der  alten  Sagen  noch  zu  retten.  — 10  B.  Neumann,  Studien  über 
den  Bau  der  Strombetten'  und  das  BAERsehe  Gesetz,  Königsberg  in  Pr.  1893 
is.  hier  die  Litteratur).  — 11  Koppen  in  der  Meteorologischen  Zeitschrift  1890, 
S.  34  uud  180. 


Die  Seen. 

Beckenformen.  Alle  Hohlräume,  die  von  Seen  erfüllt  werden, 
lassen  sich  auf  zwei  Grundformen  zurückführen.  Entweder  ist  das 
Becken  in  den  Boden  eingesenkt  (Fig.  186);  oder  die  Vertiefung  ist 
gleichsam  nur  eine  scheinbare,  d.  h.  sie  entstand  durch  Aufschüttung 
eines  Dammes  oder  Walles  aus  fremdem  Material  auf  unveränderter 
Unterlage  (Fig.  187).  Die  erstere  Art  nennen  wir  Eintiefungs-,  die 
andere  Aufschüttungsbecken. 

Indem  wir  von  Damm  und  Wall  sprachen,  haben  wir  bereits 

34* 


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582 


Morphologie  des  Landes. 


die  beiden  Arten  von  Aufschüttung  genannt:  die  einseitige,  die 
einen  Fluß  zum  See  aufstaut  (Fig.  187)  oder  einen  Meeresteil  ab- 
schnürt,  und  die  allseitige,  wobei  durch  ungleichmäßige  An- 
häufung von  Gesteinsmaterial  Becken  entstehen.  Wir  erhalten  also 
zwei  Unterkategorien:  Damm-  und  Wallbecken. 

Außerordentlich  mannigfaltig  sind  die  Vorgänge,  die  zu  Damm- 
seen Veranlassung  geben  können,  und  die  jetzt  so  beliebte  systema- 
tische Richtung  kann  sich  nicht  genug  daran  thun,  immer  wieder 
neue  Klassen  aufzustellen.  Hier  sollen  nur  einige  Beispiele  an- 
geführt werden,  die  uns  zugleich  zeigen,  daß  die  Seenbildung  auch 
in  der  Gegenwart  noch  fortschreitet  Nur  ephemere  Bildungen  sind 


Fig.  186.  Profil  eines  Eintiefungs-  Fig.  187.  Profil  eines  Aufscbüt- 

beckens.  tungsbeckens. 


die  Eisseen.  Der  Gurgier  Eissee  entstand  1717 — 18,  indem  der 
rasch  vorwärts  schreitende  Gurgier  Gletscher  den  Abfluß  des  Lang- 
thaler  Gletschers  abdämmte.  1846  durchbrach  er  die  Barriere  und 
war  1865  ganz  ausgetrocknet,  sammelte  sich  aber  später  wieder. 
Seine  Breite  betrug  nach  v.  Sonklar  632  m,  und  seine  Tiefe  bei 
vollem  Wasserstand  im  Frühjahre  am  unteren  Ende  95  — 126  m.  Noch 
kürzer  ist  die  Existenz  jener  Seen,  die  durch  Schnee-  und  Eis- 
lawinen gestaut  werden;  ein  solcher  See  von  210m  Breite  und  ca. 
60  m Tiefe  bildete  sich  nach  Lyells  Bericht  im  Jahre  1818  im  Val 
Bagne  (Drance).  Von  größerer  Dauerhaftigkeit  sind  jene  Dämme,  welche 
durch  Berg-  und  Felsstürze,  durch  die  Schuttkegel  der  Seitenbäche, 
durch  Endmoränen,  oder  durch  gewaltige  Schotterablagerungen  flu- 
viatilen  oder  glazialen  Ursprungs  gebildet  werden.  Der  Absturz 
von  zwei  Felshörnern  der  Diablerets  im  Berner  Oberhände  (1714  und 
1749)  erzeugte  die  drei  Seen  von  Derborence,  die  noch  heute  be- 
stehen. Einem  Bergstürze  verdankt  auch  der  Dorfersee  im  Kalser- 
thale  (Tauern)  seine  Entstehung.  Zwei  mächtige  Schuttkegel,  die 
sich  in  der  Mitte  des  Antholzer  Thaies  (Tauern)  vereinigen,  dämmen 
einen  See  ab,  der  ca.  1km  lang  und  1/2km  breit  ist  Einseitige 
Schuttkegel  lagern  dem  unteren  Ende  des  Heider-  und  Reschensees 
im  Etschthale  vor.  Irn  Tauferer  Thale  in  Tirol  ergoß  der  Schwarzenbach 
infolge  heftiger  Regengüsse  und  rascher  Schneeschmelze  im  August 
1878  gewaltige  Schottermassen,  die  die  Thalsohle  bei  St.  Martin  auf 
große  Strecken  unter  Wasser  setzten.  In  allen  diesen  Fällen  — 


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Die  Seen. 


533 


und  dies  ist  in  der  Gegenwart  der  gewöhnliche  Vorgang  — führten 
mächtige  Ablagerungen  von  Seitenbächen,  die  von  dem  Hauptflusse 
nicht  sogleich  fortgeschafft  werden  konnten,  zur  Seebildung  im  Haupt- 
thale.  Der  umgekehrte  Vorgang  erzeugte  den  berühmten  Achensee 
in  NordtiroL  Nach  Pencks  eingehenden  Untersuchungen  gehörte 
das  Achenthal  einst  zum  System  des  Innthales  und  wurde  durch 
die  diluviale  Schotterterrasse  des  Hauptflusses  abgedämmt.  Hinter 
ihr  bildete  sich  der  See,  der  nun  durch  die  veränderten  hypso- 
metrischen Verhältnisse  gezwungen  wurde,  nach  der  entgegen- 
gesetzten Seite,  nämlich  nach  Norden,  abzufließen.  Einen  analogen 
Fall  aus  der  Gegenwart,  freilich  nur  in  kleinem  Maßstabe,  lernte 
Penck  im  Saalachthaie  (Salzburger  Alpen)  kennen. 

Schon  die  Geschichte  des  Achensees  führte  uns  über  die  geo- 
logische Gegenwart  hinaus  in  die  Diluvialperiode.  Dieser  gehören 
auch  jene  zahlreichen  Seen  an,  welche  Ch.  Maktins  als  Moränenseen 
bezeichnet  hat.  Die  Seiten-  und  Endmoränen  der  einstigen  Gletscher 
erweisen  sich  als  außerordentlich  dauerhafte  Dämme,  die  schon  Jahr- 
tausende lang  dem  Drucke  des  Wassers,  wie  der  Erosion  Trotz  bieten. 
Von  diesen  Moränendammseen  sind  die  Moränenwallseen  zu 
unterscheiden,  die  in  unregelmäßig  angehäuften  Endmoränen  verteilt, 
also  allseitig  von  glazialem  Material  umgeben  sind.  Von  sonstigen 
Wallseen  nennen  wir  noch  besonders  die  häufigen  Kraterseen 
ruhender  oder  erloschener  Vulkane. 

An  den  Küsten  erzeugt  der  Aufschüttungsprozeß  die  Strand- 
seen, Mitteldinge  zwischen  Meeresbuchten  und  Binnenseen;  sie  sind 
je  nach  der  Breite  und  Anzahl  der  Kanäle,  die  in  das  Meer  führen, 
bald  den  einen,  bald  den  anderen  zuzuzählen  (vergl.  S.  425).  Doch 
sind  nicht  alle  Strandseen  abgetrennte  Meeresteile;  sie  entstehen 
auch  (wie  zum  Teil  in  den  Landes  oder  nach  Hehl  an  der  brasi- 
lianischen Küste  zwischen  21  und  23°  S.)  durch  Ansammlung  von 
Flußwasser  hinter  den  Dünen,  und  ihr  Salzgehalt  rührt  dann  davon 
her,  daß  die  Düne  zeitweise  durchbrochen  wird  und  die  Flut  in  die 
Seen  eindringt.  Ein  ungleichmäßiges  Fortschreiten  der  Deltabildung 
kann  ebenfalls  bewirken,  daß  Meeresreste  -als  Seen  Zurückbleiben, 
wie  beispielsweise  in  der  Umgebung  von  New  Orleans.  Mehrfach 
wurde  in  geschichtlicher  Zeit  die  Umwandlung  einer  Meeresbucht  in 
einen  Binnensee  durch  das  Delta  eines  seitlich  einmündenden  Flusses 
beobachtet.  So  entstand  das  Loch  Ewe  in  Schottland,  der  See  Akiz 
an  der  kleinasiatischen  Küste  (der  latmische  Meerbusen  der  alten 
Geographie);  der  Hafen  von  Smyrna  scheint  demselben  Schicksal 
entgegenzugehen. 

Die  Gruppe  der  Eintiefungsbecken,  die  meist  im  festen  Fels 


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584 


Morphologie  des  Landes. 


liegen,  umfaßt  genetisch  sehr  verschiedene  Gebilde.  Die  Eintiefung 
kann  von  oben  oder  unten  bewirkt  worden  sein,  aber  die  Schwierig- 
keit einer  befriedigenden  Erklärung  liegt  darin,  daß  solche  Vorgänge 
nur  selten  und  in  unzureichender  Weise  zur  Beobachtung  gelangen. 
Daß  strudelndes  Wasser  selbst  im  harten  Gestein  tiefe  Becken  aus- 
höhlen kann  — Geinitz  nannte  diesen  Vorgang  Evorsion  — ist 
nicht  zu  bezweifeln,  aber  nach  ihren  horizontalen  Dimensionen  sind 
sie  geringfügig  gegenüber  den  mächtigen  Seen.  Man  schreibt  den 
Gletschern  die  Fähigkeit  zu,  Wannen  auszuhobeln;  Penck  beob- 
achtete auch  solche  auf  dem  verlassenen  Boden  des  unteren  Grindel- 
waldgletschers, aber  auch  das  waren  zwerghafte  Gebilde,  die  man 
nicht  ohne  weiteres  mit  den  Seen  in  Vergleich  setzen  darf.  Pum- 
peelv  sah  in  Zentralasien,  wo  keine  Spuren  einer  Eiszeit  vorhanden 
sind,  echte  mit  eckigen  Gesteinsfragmenten  erfüllte  Felsenbecken 
und  gründete  darauf  seine  Verwitterungstheorie,  zufolge  der  die 
Becken  durch  die  Zersetzung  weicherer  Schichten  und  spätere  Ent- 
fernung des  Verwitterungsschuttes  durch  den  Wind  oder  in  Glazial- 
gebieten durch  Gletscher  entstanden  (vergl.  S.  353).  Alle  diese  Er- 
klärungsversuche, welche  die  Felsbecken  auf  oberirdische  Kräfte, 
d.  h.  auf  Ausräumung  zurückführen,  erheben  sich  nicht  über  das 
Niveau  der  Möglichkeiten,  aber  als  solche  muß  man  sie  gelten  lassen. 

Von  unterirdischen  Vorgängen,  die  Eintiefungsbecken  zu  Schäften 
vermögen,  sind  Einstürze  über  Hohlräumen  und  vulkanische  Ex- 
plosionen zwar  auch  aus  der  Gegenwart  vielfach  bekannt,  aber  sie 
scheinen  verhältnismäßig  selten  zur  Seebildung  Veranlassung  zu 
geben.  Auf  Java  soll  nach  Jünghühns  Bericht  ein  See  durch  plötz- 
lichen Einsturz  entstanden  sein;  und  daß  die  Maarseen  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  in  Explosionsbecken  liegen,  wurde  schon  auf 
S.  299  (u.  309)  erwähnt.  Als  eine  besonders  wichtige  Ursache  von  Ein- 
tiefungen betrachtet  man  die  Bodenbewegungen,  die  wir  aus 
tektonischen  Veränderungen  herzuleiten  gewohnt  sind.  Erdbeben 
sind  bekanntlich  häufig  von  merklichen  Niveauveränderungen  begleitet 
So  sank  westlich  von  New  Madrid  am  Mississippi  1811/12  ein  aus- 
gedehntes Stück  Land,  das  jetzt  mit  zahlreichen  Seen  und  Sümpfen 
bedeckt  ist;  an  der  Stelle  von  Gotaehi  in  Ecuador  befindet  sich  seit 
dem  furchtbaren  Beben  von  1868  ebenfalls  ein  See.  In  Tennessee 
entstand  bei  dem  Beben  von  1811  der  Beelfoot  Lake,  indem  durch 
eine  Niveauveränderung  der  Abfluß  eines  Baches  gestaut  wurde. 
Solche  Stauungserscheinungen  bringt  man  auch  mit  dem  Fal- 
tungsprozesse in  Verbindung,  aber  da  bisher  nur  fertige  Faltungen 
der  Beobachtung  zugänglich  sind,  so  lassen  sich  für  jene  Annahme 
nur  indirekte  Beweise  beibringen. 


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Die  Seen. 


535 


Viele  Seen  enthalten  eine  marine  Fauna,  andere  sogenannte 
pelagische  Tierformen,  über  deren  Zugehörigkeit  zu  der  echten 
Meeresfauna  die  Ansichten  noch  geteilt  sind.  Man  schloß  daraus, 
daß  alle  diese  Seen,  die  man  Relikte nseen  nannte,  einst  mit  dem 
Meere  im  Zusammenhänge  gestanden  haben.  Die  Bedeutung  dieses 
Beweismittels  hat  R.  C'redneh1  gründlich  zerstört,  indem  er  zeigte, 
daß  häufige  Einwanderungen  aus  dem  Meere  in  das  Süßwasser 
stattfanden,  und  daß  viele  Wassertiere  sehr  wohl  imstande  sind, 
sich  veränderten  Lebensbedingungen  anzupassen.  Trotzdem  läßt 
Okednek  den  Begriff  der  Reliktenseen  nicht  fallen,  ja  er  setzt  sie 
in  direkten  Gegensatz  zu  den  „Festlands-  oder  echten  Binnenseen“,  d.  h. 
solchen,  die  „nachträglich  auf  bereits  festländischem  Boden  entstanden“, 
nur  verlegt  er  die  Beweisführung  von  dem  biologischen  auf  das  geo- 
logische Gebiet.  Aber  damit  ist  die  ganze  Frage  verschoben.  Für  eine 
genetische  Einteilung  der  Seen  ist  es  gleichgiltig,  wo  die  Vertiefungen 
entstanden;  die  Hauptsache  ist,  wie  sie  entstanden.  In  der  Ge- 
schichte mancher  Seebecken  war  die  Senkung  unter  den  Meeres- 
spiegel nur  eine  Episode,  wie  Penck  mit  Recht  in  Bezug  auf  die 
südschwedischen  Seen  hervorhob.  Selbst  wenn  von  einer  Eintiefung 
dargethan  würde,  daß  sie  ursprünglich  eine  Senke  des  Meeresbodens 
war  und  als  solche  bei  der  Hebung  ihre  Wasserfüllung  behielt,  wäh- 
rend die  Umgebung  trockenes  Land  wurde,  wäre  damit  über  die 
Natur  jener  Senke  noch  nichts  ausgesagt.  In  einem  genetischen 
Seensystem  können  wir  daher  die  Reliktenseen  völlig  entbehren. 

Die  wichtigsten  Kategorien  dieses  Systems  fassen  wir  nochmals 
übersichtlich  zusammen : 

I.  Aufschüttungsbecken : 

1.  Dammbeckeu, 

2.  Wallbecken; 

II.  Eintiefungsbecken : 

1 . Ausräumungsbecken : 

a)  Evorsionsbecken, 

b)  Glaziale  Erosionsbecken, 

c)  Becken  der  äolischen  Ausräumung; 

2.  durch  unterirdische  Vorgänge  entstanden: 

a)  Einsturzbecken, 

b)  Explosionsbecken, 

c)  Tektonische  Becken: 

«)  Senkungsbecken, 
ß)  Faltungsbecken. 


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536 


Morphologie  des  Landes. 


Dimensionen  der  Seebecken.  Depressionen.  Die  Fläche  sämt- 
licher Seen  schätzt  Penck  auf  2'/2  MilL  qkm,  also  nur  auf  l,s  Proz. 
des  gesamten  Landareals.  Eine  völlig  isolierte  Stellung  nimmt  der 
Kaspisee  mit  438  690  qkm  ein ; er  würde  in  Europa  nahezu  ganz 
Schweden  bedecken.  In  weitem  Abstande  folgt  dann  der  Obere  See 
in  Nordamerika  mit  81  380  qkm,  dann  folgen  4 Seen  mit  60  000  qkm 
(Victoria -Njansa,  Aral-,  Michigan-  und  Huronsee),  dann  nach  einer 
weiteren  Lücke  folgt  der  Tanganika  mit  35  130  qkm  und  erst  von 
da  an  läßt  sich  eine  ziemlich  zusammenhängende  Reihe  bis  hinunter 
zu  dem  kleinsten  Weiher  verfolgen.  Seen  mit  beträchtlichen  Wasser- 
standsschwankungen und  flachen  Ufern  sind  natürlich  großen  Areal- 
veränderuugen  unterworfen;  so  erklären  sich  z.  B.  die  abweichenden 
Angaben  über  den  Tsadsee.  Eine  unendliche  Mannigfaltigkeit  herrscht 
in  Bezug  auf  die  Umrissformen;  zwischen  runden  und  lang- 
gestreckten, geschlossenen  und  zerlappten  Seeflächen  giebt  es  alle 
möglichen  Übergänge. 

Viele  Seen  galten  als  unergründlich,  solange  man  sie  noch  nicht 
ergründet  hatte.  Soweit  die  Lotungen  reichen,  haben  nur  zwei  Seen 
Tiefen  von  1000  m:  der  Baikalsee  1373  m und  der  Kaspisee  1098  m, 
von  unseren  Alpenseen  senkt  sich  der  tiefste,  der  Comosee,  nur  bis 
409  m in  den  Boden  ein.  Nur  einige  flachen  Rand-  und  Binnen- 
meere können  den  Seen  an  die  Seite  gestellt  werden. 

Trotzdem  reicht  der  Boden  zahlreicher  Seen  unter  den  Meeres- 
spiegel hinab.  Liegt  die  Oberfläche  über  dem  Meeresniveau,  so 
nennen  wir  solche  Einsenkungen  Kryptodepressionen.  Ihre 
Zahl  vermehrt  sich  fast  von  Tag  zu  Tag,  je  weiter  die  jetzt  in  er- 
freulichem Aufschwünge  begriffene  Seenforschung  fortschreitet.  Der 
Baikal-,  Aral-,  Ladoga-  und  Onegasee,  viele  skandinavische  und 
britische  Seen,  einige  der  italienischen  Alpenseen,  die  canadischen 
Seen,  der  Lake  Champlain,  der  Große  Bärensee,  mehrere  Seen  in 
Chile  und  Neuseeland  mögen  hier  genannt  werden,  um  eine  Vor- 
stellung von  der  weiten  Verbreitung  dieses  Phänomens  zu  geben. 

Echte  Depressionen  sind  dagegen  jene,  in  denen  auch  die 
zu  Tage  liegende  Fläche  unter  dem  Meeresspiegel  liegt.  Wir  haben 
hier  aber  streng  zwischen  Küsten-  und  Binnendepressionen  zu 
unterscheiden.  Die  ersteren  finden  sich  an  vielen  Flachküsten  hinter 
Dünen  und  Dämmen  und  sind  meist  vom  Menschen  erobertes  Land. 
Au  der  Ost-  und  Nordsee  sind  sie  häufig;  fast  die  Hälfte  des  König- 
reiches der  Niederlande  (14757  qkm)  würde  von  der  See  dauernd 
überflutet  werden,  wenn  es  nicht  durch  Dämme  geschützt  wäre. 
Teile  der  toskanischen  Maremmen  und  hessarabischen  Küste  und  die 
Umgegend  von  Georgetown  in  Guayana  gehören  noch  zu  diesen 


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Die  Seen. 


537 


Depressionen,  die  wohl  selten  mehr  als  2 m eingesenkt  sind.  Ja,  manche 
würden,  wie  Penck  bemerkt,  überhaupt  nicht  als  Depressionen  er- 
scheinen, wenn  man  den  Nullpunkt  der  Höhenmessung  in  das  Niedrig- 
wasser verlegen  würde.  In  viel  größere  Tiefen  reichen  die  Binnen- 
depressionen. In  Afrika  liegen  solche  im  Süden  des  Atlassystems  und 
des  miocänen  libyschen  Plateaus.  Eine  Bodenschwelle  von  52m  Höhe 
trennt  das  Schott  el  Dscherid,  das  noch  17m  über  der  See  liegt,  von  dem 
Golfe  vonGabes;  dann  folgen  gegen  Westen  die  Depressionen  der  Schotts 
Gharsa  ( — 20  m)  und  Melrir  ( — 31  m).  Soweit  könnte  das  Meer 
in  die  tunesisch-algerische  Wüste  hineingeleitet  werden:  ein  Projekt, 
das  die  französischen  Geographen  und  Techniker  einige  Zeit  leb- 
haft beschäftigt  hat  Auch  das  zweite  saliarisehe  Depressionsgebiet 
besteht  nur  aus  vereinzelten  Senkungen,  von  denen  die  Aradsch- 
Oase  ( — 75  m)  die  tiefste  ist  Das  ägyptische  Fayum  hat  40,  die 
Salzebene  von  Asale  60  m Tiefe.  Beträchtlich  tiefer  ( — 174  m)  liegt 
die  Oberfläche  des  Assalsees,  eines  abgetrennten  Golfes  des  Roten 
Meeres.  In  der  nordamerikanischen  Mohavewüste  senkt  sich  das  Tote 
Thal  (Death  Valley)  bis  33  und  das  Coahuillathal  sogar  bis  90  m 
unter  den  Seespiegel.  Erst  vor  wenigen  Jahren  entdeckte  man 
mitten  im  zentralasiatischen  Hochlande,  südlich  von  Turfan  (43°  N., 
90°  0.)  eine  Depression  von  ca.  90  m. 2 Asien  besitzt  übrigens  das 
ausgedehnteste  und  das  tiefste  Senkungsfeld.  Das  ausgedehnteste 
ist  der  Kaspisee  und  seine  nördliche  Umgebung  bis  zum  50.  Parallel 
(736000  qkm),  das  tiefste  ist  das  Ghör,  jenes  lange  und  breite 
Verwerfungsthal,  das  der  Jordan  durchfließt.  Der  Meromsee  liegt 
noch  2 m über  dem  Spiegel  des  Mittelländischen  Meeres,  der  Tiberias- 
see  aber  bereits  208  und  das  Tote  Meer  394m  unter  demselben.  Dann 
steigt  der  Boden  im  Wadi  el  Araba  wieder  über  das  MeeresDiveau. 

Zwischen  den  Binnen-  und  Kryptodepressionen  besteht,  wie 
R.  Credner  treffend  bemerkte,  lediglich  ein  klimatischer  Unter- 
schied. Die  ersteren  sind  an  trockene  Gebiete  gebunden;  viele  der- 
selben waren  einst,  wie  man  noch  aus  alten  Wasserstandsmarken 
erkennt,  bis  zu  größeren  Höhen  mit  Wasser  gefüllt,  das  in  manchen 
fast  ganz  verschwunden  ist.  Das  Birket  el  Kerun  im  Fayum  hat  sich 
sogar  in  der  kurzen  Zeit  von  1871  bis  85  aus  einer  versteckten  in 
eine  echte  Depression  verwandelt,  und  dasselbe  Schicksal  würde 
auch  andere  Kryptodepressionen  betreffen,  wenn  einmal  die  Ver- 
dunstung über  den  Zufluß  die  Oberhand  gewänne. 

Die  tiefsten  Einsenkungen  des  Festlandes  sind  der  Boden  des 
Kaspisees  1124  m,  der  Boden  des  Baikalsees  896  m.  der  des  Toten 
Meeres  793  m,  und  der  des  Gardasees  281  m unter  dem  Meeres- 
spiegel. 


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538 


Morphologie  des  Landes. 


Die  vertikalen  und  horizontalen  Dimensionen  der  Seebecken 
stehen  in  keinem  genau  gesetzmäßigen  Verhältnisse  zu  einander.  Wohl 
sind  die  tiefen  Seen  auch  groß,  aber  nicht  alle  großen  sind  tief. 
Einen  ziffermäßigen  Ausdruck  gewinnen  wir,  wenn  wir  berechnen, 
um  wie  viel  Mal  die  Quadratwurzel  der  Fläche  größer  ist  als  die 
Maximaltiefe;  und  wenn  wir  die  nachstehende  Tabelle,  die  nur 
einige  Beispiele  enthält,  mustern,  so  finden  wir,  daß  gerade  viele 
kleine  Seen  einen  kleinen  Quotienten  aufweisen,  d.  h.  verhältnis- 
mäßig sehr  tief  sind. 


F 

t 

yr-.t 

Oberer  See  . . . 

81  3S0  qkm 

307 

m 

929 

Kaspisee  .... 

438  690  „ 

1 098 

n 

603 

Ladogasee  . . . 

18 129  „ 

256 

ff 

526 

Müritzsee  .... 

133  „ 

22 

525 

Wettersee  .... 

1 964  „ 

126 

ff 

352 

Baikalsee  .... 

34  932  „ 

1 373 

ff 

136 

Großer  Plönersee  . 



60 

ff 

113 

Genfer  See  . . . 

582  „ 

309 

ff 

78 

Totes  Meer  . . . 

914  „ 

394 

ff 

77 

Ilöftsee 

19 

ff 

30 

Hallstätter  See  . . 

8,6  „ 

125 

ff 

23 

Karsee 

0,oi  „ 

21 

ft 

9 

Wir  werden 

die  Bedeutung  dieser  relat 

iven 

Tiefen 

sogleich 

kennen  lernen. 

Seengebiete.  Das  wichtigste  Moment  für  die  Beurteilung  der 
Entstehung  der  Seebecken  ist  derzeit  unstreitig  noch  ihre  geogra- 
phische Verbreitung.  Denn  wenn  Seen  auch  überall  Vorkommen, 
so  treten  sie  doch  gesellig  nur  in  ganz  bestimmten  Gegenden  auf 
und  stellenweise  häufen  sie  sich  so  sehr,  daß  wir  geradezu  von  Seen- 
landschaften sprechen  können.  Nur  flüchtig  erwähnen  wir  gewisse 
Strandgebiete,  da  hier  die  Erklärung  der  Seen  keine  Schwierig- 
keiten verursacht.  Im  Binnenlande  fällt  uns  zunächst  der  außer- 
ordentliche Seenreichtum  der  eiszeitlichen  Gletschergebiete 
auf.  Tm  nordeuropäischen  nimmt  die  SeenHäclie  161000  qkm  oder 
nahezu  4 Proz.  des  Landes  ein,  am  meisten  in  Finland,  wo  sich 
der  Anteil  des  stehenden  Wassers  auf  fast  13  Proz.  des  Areals 
steigert.  Die  Zahl  der  Seen  ist  überraschend,  schätzte  sie  doch 
Geinitz  nur  in  Mecklenburg  auf  650!  In  Nordamerika  diesseits  des 
Felsengebirges  rückt  die  nordische  Seenzone  mit  den  Grenzen  des  alten 
Inlandeises  weiter  nach  Süden,  als  sonst  irgendwo.  Über  die  Seenfülle 
Canadas  ist  noch  zu  wenig  bekannt,  von  den  Vereinigten  Staaten  scheint 
Minnesota  mit  seinen  10000  Seen  ähnliche  Verhältnisse  aufzuweisen 


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Die  Seen. 


539 


wie  Finland.  Daß  die  Seenbildung  mit  der  Eisbedeckung  in  ursäch- 
lichem Zusammenhänge  stehen  muß,  kann  niemand  mehr  leugnen, 
aber  in  betreff  des  Wie  sind  die  Ansichten  noch  nicht  im  entfern- 
testen geklärt.  Penck  machte  auf  den  Gegensatz  der  Zentral-  und 
Randbezirke  der  alten  Gletschergebiete  aufmerksam;  die  ersteren 
sind  die  „Rundhöckerlandschaften“,  wo  die  Erosion  vorherrschte,  wo 
abgeschliffener  Fels  häutig  zu  Tage  tritt,  und  viele  echte  Felsenbecken, 
manchmal  parallel  angeordnet,  wie  in  Finland,  Vorkommen;  die 
letzteren  sind  die  an  Seen  verhältnismäßig  ärmeren  Moränengebiete 
mit  ihren  Wall-  und  Dammbecken.  Allein  gerade  die  Felsenbecken 
sind  noch  immer  ein  Gegenstand  des  wissenschaftlichen  Streites,  be- 
sonders die  großen  südschwedischen  Seen,  die  in  die  von  Gneiß 
umgebenen  weicheren  silurischen  Schichten  eingetieft  sind.  Die  Frage, 
ob  sie  durch  Gletschererosion  entstanden  sind,  muß  jedenfalls  noch 
als  eine  offene  bezeichnet  werden.  Anderseits  kam  Geinitz3  bei 
seinen  eingehenden  Untersuchungen  des  mecklenburgischen  Randge- 
bietes des  alten  Inlandeises  zu  der  Überzeugung,  daß  hier  nicht  alle 
Seen  in  Moränenbecken  liegen,  sondern  daß  ganz  verschiedene  Ursachen, 
sogar  tektonische  hier  mitgespielt  haben,  wenn  er  auch  die  Evorsion 
durch  die  Schmelzwässer  des  Eises  für  die  wichtigste  erklärte.  Aus 
der  Tabelle  auf  S.  538  ersehen  wir,  daß  die  größeren  Seen  der 
Glazialgebiete  verhältnismäßig  flach  sind;  daneben  giebt  es  aber  kleine 
Becken,  wie  den  Höftsee,  die  sich  in  Bezug  auf  relative  Tiefe  mit 
den  Gebirgsseen  messen  können,  und  auf  diese  könnte  die  Evorsions- 
theorie  wohl  Anwendung  findeu.  Einen  Beweis  dafür,  daß  die  See- 
becken Ostholsteins  mit  der  Diluvialablagerung  gleichzeitig  entstan- 
den sind,  sieht  Ule4  mit  Recht  darin,  daß  ihre  Gestaltung  immer  im 
Einklänge  steht  mit  der  Oberflächenbeschaffeuheit  der  nächsten  Um- 
gebung; und  es  wird  dies  noch  durch  die  Wahrnehmung  bestätigt, 
daß  der  glaziale  Geschiebelehm  gleichmäßig  Höhen  und  Tiefen 
überkleidet  und  an  den  Ufern  der  Seen  bis  zum  Wasserspiegel 
herabsinkt. 

Für  den  großen  Anteil,  den  die  Eiszeit  an  der  Seenbildung 
genommen-  hat,  sprechen  übrigens  auch  die  Gebirgsseen.  Es 
sind  teils  Moränenseen,  teils  echte  Felsbecken,  die  hier  in  Betracht 
kommen,  und  die  wir  in  allen  Gebirgen  finden,  die  einst  ver- 
gletschert waren.  Wir  haben  hier  zwischen  Hoch-  und  Thal- 
seen  zu  unterscheiden;  nur  die  ersteren,  meist  kleine  Becken 
auf  den  Berghängen,  Pässen  und  in  den  Karen,  sind  ein  all- 
gemein verbreitetes  Phänomen.  An  relativer  Tiefe  übertreffen  sie, 
wie  uns  der  Karsee  in  unserer  Tabelle  auf  S.  538  zeigt,  viel- 
fach die  großen  Seen.  Besonders  bedeutsam  ist  aber  die  Tliat- 


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540 


Morphologie  des  Landes. 


sache,  daß  sie  an  gewisse  Höhenzonen  gebunden  sind.  In  den  Ost- 
alpen zählte  Böhm5  2460  solcher  Hochseen;  abgesehen  von  den  224, 
deren  Seehöhe  nicht  zu  ermitteln  war,  hegen  in 

3000—2500  m Höhe  389 

2500—2000  „ „ 953 

2000—1500  „ „ 494 

unter  1500  „ „ 400. 

Die  Höhenzone  mit  reichlicherer  Entfaltung  des  Seenphänomens 
findet  sich  auch  in  anderen  Gebirgen,  und  es  ist  besonders  beachtens- 
wert, daß  sie  vom  Äquator  gegen  die  Pole,  wenn  auch  nicht  regel- 
mäßig, sich  senkt.  Sie  liegt  im  mittleren  Norwegen  in  1000 — 1600, 
in  der  spanischen  Sierra  Nevada  in  2900 — 3200,  im  Himalaja  in 
4 — 5000,  in  den  peruanischen  Anden  in  4300 — 4600m  Höhe;  dagegen 
in  den  höheren  südlichen  Breiten,  entsprechend  der  Senkung  der 
Schneelinie,  viel  tiefer:  in  Patagonien  unter  1000,  auf  Neuseeland 
in  600 — 1200  m Seehöhe.  Daß  auch  hier  eine  ursächliche  Ver- 
knüpfung mit  der  Vergletscherung  vorliegt,  ist  schwer  abzuweisen. 
Die  Anhänger  der  Lehre  von  der  Gletschererosion  führen  die 


Meeresspiegel 

Fig.  188.  Profil  durch  den  Urner  See  nach  HEIM  (in  gleichem 
Verhältnisse  von  Lange  und  Höhe). 


untere  Grenze  des  häufigen  Vorkommens  der  Hochseen  auf  die  letzte 
Phase  der  diluvialen  Vereisung  zurück,  während  die  obere  zum  Teil 
durch  die  gegenwärtige  Gletscherbedeckung,  zum  Teil  durch  die  Steil- 
heit der  Gehänge  bedingt  sein  soll. 

ln  den  Alpen  folgt  auf  die  Hochseenzone  eine  seenarme,  dann 
die  Zone  der  großen  Thal-  und  Randseen,  die  sich  im  Norden 
vom  Lac  du  Bourget  bis  zum  Traunsee,  im  Süden  vom  Lago  d’Orta 
bis  zum  Gardasee  erstreckt.  Die  inneren  Thalseen  zeichnen  sich  vor 
den  Randseen  durch  eine  3 — 4 mal  größere  relative  Tiefe  aus 
(vgl.  Hallstätter  und  Genfer  See  auf  S.  538),  doch  ist  sie  auch  bei 
den  Randseen  noch  immer  bedeutender,  als  bei  den  Seen  des  Flach- 
landes. Daß  jene  Seen  diluvialen  Alters  sind,  wird  jetzt  auch  von  den 
Gegnern  der  Glazialtheorie  zugestanden;  im  übrigen  stehen  sich 
aber  die  Meinungen  noch  schroff  gegenüber.  Die  bedeutendsten 


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Die  Seen. 


541 


Schweizer  Geologen  erklären  sie  für  tektonische  Becken  und 
Heim  schreibt  sie  neuerdings8  einem  Rücksinken  des  ganzen  Alpen- 
gebirges nach  der  ersten  Eiszeit  zu,  wodurch  die  nach  den  Ebenen 
sich  öffnenden  Thäler  ein  widersinniges  Gefälle  erhielten.  Die  so 
entstandenen  Seen  wurden  in  ihren  oberen  Teilen  mit  Glazialschotter 
ausgefüllt,  überdauerten  aber  wenigstens  in  ihren  unteren  Teilen 
die  folgenden  Eiszeiten,  die  sie  durch  Gletscherausfüllung  vor  Zu- 
schlittung  schützten.  Man  beruft  sich  auf  die  Thatsache,  daß  diese 
Seen  mit  den  Thälern  auf  das  innigste  verknüpft  sind,  und  ferner, 
daß  ihr  Grund  nicht,  wie  man  früher  glaubte,  in  bedeutende  Tiefen 
hinabreicht,  sondern  eine  fast  ebene  Thalsohle  darstellt.  Besonders 
interessant  sind  in  dieser  Beziehung  die  Messungen  Heims  im  oberen 
Teile  des  Vierwaldstätter  Sees  (Urner  See,  Fig.  188),  wobei  sich 
folgende  Zahlen  ergaben: 


Entfernung 

Mitte 

Entfernung 

vom  westlichen  Ufer 

vom  östlicheu  Ufer 

m 65 

125 

255 

160 

125  m 

Tiefe:  in  203 

204 

i 205 

204 

197 

102  m 

Zu  ähnlichen  Ergebnissen  gelangte  Simony  in  Bezug  auf  die  Seen 
des  Salzkammergutes;  auch  er  betont  die  außerordentliche  Gleich- 
förmigkeit des  Bodens  selbst  kleiner  Seen.  Im  Gmimdener  See 
fand  er  auf  eine  Länge  von  2000  m und  in  400 — 900  m Breite  nur 
Niveaudifferenzen  von  1 — 1 */a  m.  Solch  ein  ebener  Boden  mit 
steilen  Seitenwänden  wird  nach  unseren  Erfahrungen  nur  von  fließendem 
Wasser  geschaffen;  er  muß  also  geneigter  Thalgrund  gewesen  sein, 
ehe  sich  ruhende  Wasserschichten  über  ihn  ausbreiteten. 

In  Bezug  auf  die  Seen,  die  an  ihrem  Ausgange  nicht  von  jungen 
Bodenbewegungen  getroffen  wurden,  oder  die  — wie  die  bayrischen 
Vorlandseen  — in  ungestörte  Schichten  sich  einsenken,  stößt  die 
tektonische  Theorie  auf  Schwierigkeiten.  Rämsay  erblickte  auch  in 
den  großen  Alpenseen  Erzeugnisse  der  Gletschererosion,  aber  schwer 
vereinbar  ist  damit  ihre  geographische  Verteilung,  sowohl  in  den 
Alpen,  wro  sie  manchen  Betten  großer  Eisströme  fehlen,  wie  in  an- 
deren Gebirgen.  Wohl  sind  Schottland,  Norwegen,  die  Alpen  Neu- 
seelands reich  an  Thalseen,  aber  andere  Gebirge  mit  mächtiger  dilu- 
vialer Eisdecke,  wie  die  Pyrenäen,  der  Kaukasus,  der  Himalaja,  ent- 
behren dieses  Reizes.  Die  tektonische  Theorie  findet  dagegen  eine 
Erklärung  für  dieses  Verhalten  darin,  daß  seenhildende  Boden- 
bewegungen und  Vergletscherung  räumlich  und  zeitlich  nicht  zusammen- 
fielen. Sie  benötigt  also  der  diluvialen  Thalgletscher  lediglich  zur 
Konservierung  der  Seebecken.  Indes  bemerkt  Penck  mit  Recht, 


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542 


Morphologie  des  Landes. 


daß  eine  einzige  Theorie  nicht  für  alle  Thal-  und  Randseen  passe. 
Man  sieht,  auch  in  dieser  Frage  ist  nur  ein  mäßiger  Fortschritt 
zu  verzeichnen. 

Mit  einem  höheren  Grade  von  Wahrscheinlichkeit  können  wir 
im  syrisch-ostafrikanischen  Grabengebiete  von  tektonischen 
Seen  sprechen.  Dies  gilt  wenigstens  von  den  Seen  des  Jordanthaies, 
dem  Rudolfsee,  Tanganika,  Njassa  und  einigen  anderen,  während 
der  in  seinen  Umrissen  ganz  davon  abweichende  und,  wie  es  scheint, 
Hache  Victoria-See  nicht  in  einer  Grabenversenkung  liegt.  Messungen 
liegen  nur  vom  Toten  Meere  vor,  es  ähnelt  nach  unserer  Angabe 
auf  Seite  538  in  seiner  relativen  Tiefe  den  alpinen  Randseen,  würde 
sie  aber  bei  weitem  übertreffen,  wenn  wir  die  ehemalige  Höhe  des 
Wasserspiegels  der  Berechnung  zu  Grunde  legen  würden. 

Ein  anderes  großes  Seengebiet,  das  mit  der  Eiszeit  in  keinerlei 
Verbindung  steht,  ist  das  aral-kaspische,  der  letzte  Überrest  eines 
ausgedehnten  Meeres,  das  sich  in  der  jüngeren  Tertiärzeit  bis  in 
das  Wiener  Becken  erstreckte  und  seitdem  stetig  zusammenschmolz 
und  noch  weiter  zusammenschmilzt.  Aber  noch  in  der  Quartärzeit  hingen 
Kaspisee  und  Schwarzes  Meer  zusammen,  erst  später  trat  letzteres 
mit  dem  Mittelmeere  in  Verbindung.  Die  tiefe  Südhälfte  des  Kaspi- 
sees  erklärt  Andbubsow 7 für  ein  Senkungsbecken,  die  Nordhälfte 
und  die  übrigen  Becken  sind  ganz  flache  tellerförmige  Vertiefungen, 
wie  sie  in  Trockengebieten,  z.  B.  in  Zentralasien  oder  im  Innern 
Australiens,  so  häufig  sind.  Viele  davon  nehmen  keine  selbstän- 
digen Vertiefungen  ein,  sondern  bilden  sich  einfach  an  der  tiefsten 
Stelle  eines  weiten  Hohlraumes,  wie  solche  aus  der  Ablagerung  von 
Steppengebilden  hervorgehen,  durch  die  Ansammlung  des  fließenden 
Wassers.  Solch  ein  Mündungssee  ist  der  Lob-nor  Zentralasiens, 
das  erweiterte  Ende  des  Tarimlaufes. 

Süll-  und  Salzwasserseen.  Meeresteile,  die  sich  in  Binnenseen 
verwandeln,  haben  selbstverständlich  ursprünglich  salziges  Wasser; 
Seen,  die  nur  durch  meteorisches,  Grund-  und  Flußwasser  gefüllt 
wurden,  haben  ursprünglich  süßes  Wasser,  vorausgesetzt,  daß  sie 
nicht  starke  Soolquellen  aufnehmen,  wie  die  ehemaligen  Seen  bei  Eis- 
leben. Ob  der  ursprüngliche  Zustand  gewahrt  bleibt  oder  sich  ver- 
ändert, hängt  aber  ganz  davon  ab,  ob  der  See  Abfluß  hat  oder 
nicht.  Der  Abfluß  kann  ober-  oder  unterirdisch  sein  oder  beides 
zugleich,  wie  wahrscheinlich  beim  Königsee;  er  kann  permanent  sein 
oder  periodisch,  wie  beim  Tanganika.  Hört  er  auf,  oder  war  ursprüng- 
lich, wie  bei  den  Mündungsseen,  keiner  vorhanden,  so  häufen  sich 
die  von  den  Flüssen  herbeigeführten  Salze  im  See  an,  da  die  Ver- 
dunstung, die  den  Zufluß  paralysiert,  nur  Wasser  entfernt,  und  der 


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Die  Seen. 


543 


Süßwassersee  verwandelt  sich  in  einen  salzigen.  Umgekehrt  werden 
Salzwasserseen  ausgesüßt,  wenn  Abfluß  vorhanden  ist.  Doch  giebt 
es  einige  Ausnahmen  von  dieser  Regel.  Der  Tsadsee  und  (nach 
Blanford)  ein  kleiner  See  bei  Dastarjan,  westlich  von  Schiras,  ent- 
halten trotz  ihrer  Abflußlosigkeit  Süßwasser.  Ersterer  hatte  zwar 
früher  und  hat  periodisch  vielleicht  jetzt  noch  einen  Abfluß  im  Bahr 
el  Ghasal,  der  sich  in  der  Wüste  verliert;  aber  immerhin  ist  seine 
Salzarmut  auffallend,  besonders,  da  in  der  Umgebung  salzführende  Ge- 
steine anstehen. 

Der  Salzgehalt  ist  nicht  nur  bei  verschiedenen  Seen  sehr  ver- 
schieden,x sondern  wechselt  auch  innerhalb  eines  und  desselben 
Sees.  Er  beträgt  im  Kaspisee  bei  der  Wolgamündung  0,ie,  bei  Baku 
1,32,  am  Südende  der  Kaidakbai  5,63  und  im  flachen  Golfe  Karabugas, 
der  nur  durch  eine  schmale  Öffnung  mit  dem  übrigen  See  in  Ver- 
bindung steht,  28,6  Proz.  v.  Baeb  hat  diese  enormen  Unterschiede 
darauf  zurückgeführt,  daß  der  See  noch  jetzt  ausgesüßt  werde,  und 
daß  sich  alles  Salz  im  Karabugas  anhäufe,  während  Peschel  den, 
im  allgemeinen  geringen,  Salzgehalt  des  Kaspi-  und  Aralsees  aus 
ihrer  einstigen  Verbindung  mit  dem  Ozean  zu  erklären  suchte  und 
auf  die  Ostsee  hinwies,  die  unter  gleichen  Verhältnissen  nahezu  aus- 
gesiißt  wird. 

.Nicht  bloß  der  Reichtum  an  Salzen,  sondern  auch  diese  selbst 
sind  in  verschiedenen  Seen  verschieden,  und  wechseln  in  ihren  Ver- 
hältniszahlen auch  in  einem  und  demselben  See,  wie  Abich  vom 
Kaspisee  nachwies.  Man  unterscheidet  in  dieser  Beziehung  Salz- 
seen im  engeren  Sinne,  Natron-  und  Boraxseen.  Bei  den  ersteren, 
die  auch  die  zahlreichsten  sind,  herrscht  meist  Kochsalz  vor;  da- 
neben findet  man  Chlormagnesium,  schwefelsaure  Magnesia  und 
schwefelsaures  Natron.  Im  Eltonsee  und  im  Toten  Meere  übertrifft 
das  Chlormagnesium  alle  anderen  Salze.  Zu  den  Natronseen  ge- 
hören z.  B.  der  Wansee,  der  Güsgundag,  der  See  bei  Ägyptisch- 
Theben  und  kleine  Seen  bei  Szegedin  und  Debreczin.  Hauptbestand- 
teile sind  hier  Kochsalz,  kohlensaures  und  schwefelsaures  Natron, 
von  denen  meist  die  erste,  manchmal  aber  auch  die  zweite  Verbin- 


x Nach  Roth  beträgt  der  Salzgehalt  in  Prozenten  (d.  h.  unter  100  Teilen 
Wasser): 

Natronsce  Palics  (zwischen  Szege-  Großer  Salzsee,  Utah  (2  Mess.)  18, #o 

din  und  Theresiopel)  ....  0,ai  Urmiasec  (3  Messungen)  . . . 2t,os 

Kuku  Nor 1,ot  ' Totes  Meer  (4  Messungen)  . . 23, 75 

Aralsee  . ■ l,o»  I Eltonsee  (3  Messungen)  . . . 27, 0« 

Wansee l,*i  J Roter  See  bei  Perekop  (2  Mess.)  32, st 

Bitterseen  des  Sueskauals  (2  Mess.)  5,37  Güsgundag  am  kl.  Ararat(2  Mess.)  36, so 


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544  Morphologie  des  Landes. 

düng  vorherrscht  In  Ungarn  kommt  nach  Peteks  der  Salzgehalt 
von  den  trachytischen  Gemengteilen  der  Tieflandsablagerungen.  Sehr 
selten  sind  die  Boraxseen,  die  neben  Borax  stets  auch  Kochsalz 
enthalten.  Man  kennt  solche  nur  in  Zentralasien,  Persien,  Californien 
und  Nevada. 

Erlöschen  der  Seen.  Die  Seen  gehören  zu  den  vergänglichsten 
Beizen  einer  Landschaft  Indem  sich  der  Abfluß  immer  tiefer  ein- 
schneidet. droht  ihnen  allmähliche  Entleerung;  und  wenn  dieser 

Prozeß  auch  ein  langsamer  ist,  so  sind 
ihm  doch  sicher  schon  viele  Bergseen 
zum  Opfer  gefallen.  Mit  unheimlicher 
Schnelligkeit,  die  so  manchen  zu  dem 
falschen  Schlüsse  einer  sichtlichen  Ver- 
schlechterung des  Klimas  verleitet  hat, 
gehen  die  Seen  der  Trockengebiete, 
wo  die  Verdunstung  beträchtlich  die 
Niederschlagsmenge  übersteigt, x an 
Abzehrung  zu  Grunde,  ln  Turkestan 
und  im  angrenzenden  Westsibirien 
lassen  sich  diese  Veränderungen  in 
der  geschichtlichen  Zeit  gut  ver- 
folgen. Das  Kärtchen  in  Fig.  189 
überhebt  uns  weiterer  Auseinander- 
setzungen, nur  darauf  möge  auf- 
merksam gemacht  werden,  wie  mit 
der  Abnahme  der  Seenfläche  die  Zahl 
der  Seen  zunimmt.  Der  Balkaschsee 
stand  noch  in  geschichtlischer  Zeit  mit 
ist  seit  1813— 24,  die  schraffierte  seit  dem  Alakulin  Verbindung; jetztistdiese 
is-so-eo  ausgetrocknet;  schwarz  be-  ße  Wa88erfläche  in  fünf  Seen  aufge- 
deutet  die  Seenreste  i.  J,  1880.  ° ° 

löst,  von  denen  einer  schon  ausge- 

trocknet  ist  Nach  Nikolskis  Beobachtung  sinkt  der  Spiegel  des 
Balkasehsees  in  15  .Jahren  um  1 m.  was  einer  jährlichen  Ver- 

x Folgende  Heobachtungen  stammen  aus  den  Jahren  1875 — 79: 


Stationen 

Durchschnittliche  jährliche 

Verdunstungs- 

Regenmenge 

im  aral-kaspischen  Tiefland 

menge 

mm 

mm 

Astrachan 

744 

156 

Akmolinsk . . 

1035 

233 

Nukus 

1931 

71 

Petro-Alexandrowsk 

2321 

65 

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Fig.  189.  Veränderungen  des  Abysch- 
kansees  in  Westsibirien,  nach  Jad- 
Rinzew.8  Die  punktierte  Seenfläche 


Die  Seen. 


545 


dunstung  von  1,3  Mi  11.  cbm  entspricht,  die  Südhälfte  bildet  sich 
bereits  in  einen  Salzsumpf  um.®  Auch  die  großen  russischen  Seen 
haben  an  Umfang  verloren;  am  Onegasee  ist  ein  altes  Ufer  noch 
20  m über  dem  gegenwärtigen  Spiegel  sichtbar.  Die  australischen 
Binnenseen  verdienen  nur  mehr  die  Bezeichnung  Moräste;  der  Lake 
Eyre  hat  nur  mehr  eine  Tiefe  von  0,3  bis  0,9  m.  Gewaltige  Ver- 
änderungen hat  auch  Nordamerika  seit  der  Eiszeit  erlebt.  Von  seinen 
beiden  Riesenseen  auf  dem  westlichen  Hochlande,  dem  Lahontan- 
und  dem  Bonneville-See  (vergl.  S.  1 84),  sind  nur  noch  spärliche  Reste 
vorhanden,  unten  denen  der  Salzsee  von  Utah  der  bedeutendste  ist; 
der  Winnipeg-  und  eine  Anzahl  kleinerer  Seen  traten  an  die  Stelle 
des  Agassiz-Sees,  und  auch  die  canadische  Gruppe  bildete  einst 
eine  einzige  Wasserfläche:  den  See  Algonquin. 

In  regenreichen  Gegenden  wird  die  Existenz  der  Seen  durch 
die  Zuflüsse  bedroht,  die  ihre  Geschiebelasten  im  stehenden  Wasser 
ablagern,  und  es  ist  leicht  erklärlich,  daß  in  Gebirgen  dieser 
Prozeß  sich  rascher  abspielt,  als  im  Flachlande.  Breite  alluviale 
Thalebenen  schließen  sich  an  das  obere  Ende  der  meisten  Alpen- 
seeu  an,  deren  einstige  Ausdehnung  verratend.  So  reichte  der 
Genfer  See  bis  Bex,  der  Brienzer  bis  Meiringen,  der  Bodensee  bis 
Bendern,  der  Urnersee  bis  Erstfeld,  der  Lago  maggiore  bis  Bellin- 
zona u.  s.  w.  Seitwärts  mündende  Bäche  schneiden  durch  Deltas 
die  Seen  entzwei;  die  Lütschine  trennte  beispielsweise  den  Thuner 
vom  Brienzer  See,  die  Adda  den  Como-  vom  Mezzolasee,  die  Linth 
vielleicht  den  Züricher  vom  Wallensee.  Am  St.  Wolfgangsee  bei 
Ischl  oder  an  den  Eugadiner  Seen  läßt  sich  dieser  Vorgang  gut 
beobachten. 

Wenn  man  aber,  wie  dies  häufig  geschehen  ist,  alle  größeren 
Thalebenen  für  zugeschüttete  Seebecken  erklärt,  so  geht  man  zu 
weit.  Auch  die  seitliche  Erosion  schafft  Thalweitungen  und  damit 
geht  Hand  in  Hand  die  Auftragung  von  Alluvionen.  Doch  ist  in 
zahlreichen  Fällen  jene  Annahme  richtig.  Manche  Gebirgsseen  ver- 
schwanden erst  in  geschichtlicher  Zeit  völlig,  wie  1817  der  Novaledo- 
see  und  1818  der  Lago  morto  im  Valsugana,  oder  der  Kankersee 
in  Kraiu  seit  dem  18.  Jahrhundert.  Von  anderen  kennt  man  zwar 
nicht  das  Todesjahr,  aber  Sagen  des  Volkes  oder  Ortsnamen  haben 
ihr  Andenken  erhalten.  Ans  einem  Vergleiche  der  ANiCHsehen  und 
HcEBEKschen  Karte  von  Tirol  und  der  neiden  Spezialkarte  ergiebt 
sich,  daß  in  diesem  Lande  innerhalb  eines  Jahrhunderts  118  Seen 
verschwunden  sind.  Kleine  Wasseransammlungen,  sumpfige  und 
moorige  Stellen,  saure  Wiesen  u.  s.  w.  sind  ziemlich  sichere  An- 
zeichen eines  erloschenen  Sees;  und  nicht  minder  zuverlässig  ist 

Supan,  Phj>ische  Erdkunde.  2.  Aull.  35 


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546 


Morphologie  des  Landes. 


ein  orographisches  Merkmal,  nämlich  die  rundliche  Gestalt  eines 
Thalbeckens.  Die  größte  Thalfläche  innerhalb  der  Alpen,  die  nord- 
krainische  Ebene  (633  qkm),  war  in  vordiluvialer  Zeit  ein  See,  den 
die  Save  und  die  übrigen  alpinen  Zuflüsse  successive  von  Nordwesten 
nach  Südosten  mit  mächtigen  Kiesmassen  zuschütteten,  während  die 
Karstflüsse  mit  einer  einzigen  Ausnahme  nur  Sand  und  Schlamm 
herbeiführten.  Der  südliche  Teil  blieb  daher  noch  lange  See,  als 
der  nördliche  schon  ausgefüllt  war;  Pfahlbauten  wurden  in  dem- 
selben gefunden,  und  noch  jetzt  ist  er  eine  144  qkm  große  Moor- 
fläche (s.  Fig.  96  S.  358). 

Sumpf  und  Moor.  Bei  der  Umwandlung  der  Seen  in  Land 
spielen  neben  den  Flußsedimenten  und  den  atmosphärischen  Ab- 
lagerungen auch  die  Pflanzen  eine  hervorragende  Rolle.  Ihre 
Thätigkeit  beschränkt  sich  aber  hauptsächlich  auf  jene  Seen,  bei 
denen  nur  die  oberste  Wasserschicht  durch  Zu-  und  Abfluß  bewegt 
wird,  und  deren  windgeschützte  Lage  eine  starke  Wellenbewegung 
verhindert.  Nach  Senfts  Beobachtungen  schreitet  der  Ver- 
moorungsprozeß  entweder  von  oben  nach  unten,  oder  von  unten 
nach  oben  fort,  je  nachdem  der  Boden  reich  an  im  Wasser  löslicher 
Kieselsäure  und  kieselsaurem  Kali,  aber  arm  an  kohlensaurem  Kalk 
ist;  oder  neben  etwas  Kieselsäure  eine  große  Menge  gelöster  Kalk- 
salze liefert.  Der  erste  Vorgang  wird  also  in  kalkarmen  Gegenden, 
der  zweite  hauptsächlich  im  Kalkgebirge  stattfinden. 

Im  ersteren  Falle  beginnt  die  Vennoorung  stets  am  Ufer,  und 
zwar  in  feuchten  Vertiefungen  oder  Löchern,  die  z.  B.  durch  das 
Ausroden  von  Baumwurzeln  entstehen.  Hier  siedeln  sich  zunächst 
gemeines  Borstengras  und  das  Sumpf-  und  Wassermoos  (Sphagnum) 
an:  Gewächse,  welche  nicht  nur  die  Bodenfeuchtigkeit  festhalten, 
sondern  auch  den  atmosphärischen  Dampfgehalt  an  sich  ziehen,  und 
auf  diese  Weise  ihre  Unterlage,  wie  auch  deren  nächste  Umgebung 
immer  mehr  versumpfen  und  so  sich  selbst  die  Bedingungen  zu 
immer  ausgebreiteterem  Wachstum  schaffen.  Namentlich  die  Wasser- 
moose, die  in  dichten  Filzlagem  beisammen  wachsen  und  in  ihren 
oberen  Teilen  noch  fortvegetieren  und  sich  vermehren,  wenn 
auch  die  unteren  schon  abgestorben  sind,  verbreiten  sich  außer- 
ordentlich rasch,  und  zwar  im  vorhegenden  Falle  nicht  bloß  land- 
einwärts, sondern  auch  seewärts,  indem  sie  den  Wasserspiegel  mit 
einer  immer  dicker  werdenden  Decke  zum  Teil  oder  ganz  über- 
ziehen. Konferven  und  andere  Algen,  Ried-  und  Wollgräser  oder 
che  Torfheide  siedeln  sich  hier  an  und  vergrößern  das  Gewicht  der 
Decke,  die  immer  tiefer  unter  den  Wasserspiegel  sinkt;  und  da 
immer  neue  Pflanzen  die  Oberfläche  einnehmen,  so  kann  endlich 


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Die  Seen. 


547 


die  aus  vielen  Generationen  aufgebaute  Pflanzensehicht  den  Grund 
des  Sees  erreichen,  womit  der  Prozeß  der  Landbildung  abge- 
schlossen ist. 

Im  zweiten  Fall  wird  zunächst  die,  an  das  Ufer  grenzende 
seichte  und  schlammige  Zone  des  Seebodens  von  Algen  und  schwim- 
menden Wasserpflanzen,  dann  von  Schilfrohr,  Binsen,  Scliein- 
und  Wassergräsem;  und  zuletzt,  wenn  sich  der  Boden  bereits  so- 
weit erhöht  hat,  daß  er  nur  mehr  periodisch  überschwemmt  wird, 
von  Ried-  und  Wollgräsern  eingenommen.  Da  diese  Ablagerungen 
wegen  ihrer  schlammigen  Beschaffenheit  über  ihren  seewärts  ge- 
legenen Rand  hinausgepreßt  werden,  so  rückt  die  Landbildung  kon- 
zentrisch gegen  die  Mitte  des  Sees  vor  und  kann  ihn  endlich,  vor- 
ausgesetzt, daß  er  nicht  zu  tief  ist  oder  daß  Schotterablagerungen 
genügend  vorgearbeitet  haben,  völlig  in  eine  sumpfige  Grasflur  (Ried 
oder  Moos)  verwandeln. 

Unter  dem  Wasser,  das  den  Zutritt  der  Luft  verhindert,  ver- 
fällt die  vegetabilische  Masse  einem  langsamen  Verkohlungsprozesse, 
der  den  Torf  liefert  Da  bei  hoher  Temperatur  die  Zersetzung 
der  abgestorbenen  Organismen  sehr  rasch  vor  sich  geht,  so  sind  im 
allgemeinen  die  Torfmoore  nur  auf  die  gemäßigte  und  kalte  Zone 
beschränkt,  und  kommen  im  tropischen  Erdgürtel  nur  dort  vor,  wo 
ähnliche  Bedingungen,  wie  in  unseren  Gegenden,  vorhanden  sind. 

Sümpfe  und  Moore  sind  aber  nicht  immer  das  letzte  Ent- 
wicklungsstadium eines  Sees.  Sümpfe  können  sich  überall  auf 
wasserundurchlässigem  Boden  mit  geringem  Gefälle  bilden;  sie  be- 
gleiten viele  Flachküsten  und  die  Ufer  großer  Flüsse,  besonders 
dann,  wenn  deren  Niveau  höher  liegt,  als  das  umliegende  Land; 
oder  sie  verdanken  ihre  Entstehung  dem  austretenden  Grund- 
wasser in  einer  Bodendepression,  wie  die  Moose  des  Münchener 
Beckens.  In  der  Regenzeit  verwandeln  sich  viele  Gebiete  der  tro- 
pischen Ebenen  in  Sumpflandschaften,  die  aber  bald  wieder  aus- 
trocknen, während  in  den  Gegenden  mit  gleichmäßigen  Niederschlägen 
viele  Sümpfe  permanent  sind. 

Moore  bilden  sich  auch  auf  trockenem  Grunde,  von  dem  das 
Wasser  abfließen  kann,  wie  beispielsweise  im  nordwestlichen  Deutsch- 
land. Man  nennt  sie  Hochmoore  im  Gegensätze  zum  Tiefmoor, 
das  häufig  au  die  Stelle  der  Seen  tritt  Haben  in  nassen  Jahren 
oder  bei  hohem  Grund wasserstan de  die  Sphagnumarten  allein  oder 
im  Vereine  mit  anderen  torfbildenden  Pflanzen  an  irgend  einer  Stelle 
festen  Fuß  gefaßt,  so  setzt  sich  der  Vermoorungsprozeß  in  der  schon 
oben  geschilderten  Weise  unaufhaltsam  fort,  und  einem  gewölbten 
Riesenschwamme  ähnlich  überzieht  das  Hochmoor  bald  Berg  und 

35* 


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548 


Morphologie  des  Landes. 


Thal  (Fig.  190).  Manchmal  zerreißt  seine,  durch  Gase  und  Wasser 
straff  gespannte  verfilzte  Decke  plötzlich,  und  gewaltige  Schlamm- 
ströme stürzen  dann  hervor,  weithin  das  Land  verwüstend.  Nament- 
lich in  Irland  ist  dieses  Phänomen  nicht  selten;  der  Schlammstrom 
von  Kinalady  am  25.  Juni  1821  riß  Häuser  und  Wälder  mit  sich 
fort  und  bedeckte  eine  Fläche  von  mehr  als  1 3 qkm. 


Q ID  -0  La 


Fig.  190.  Profil  der  östlichen  Linie  des  Hunte-Ems-Kanals  (Oldenburg) 
nach  Schacht.10 

(Die  Zahlen  geben  die  Mächtigkeit  des  Untergrundes  und  des  Hochmoores.) 


Das  Wachstum  des  Torfes  hört  auf,  wenn  er  infolge  der  Ver- 
legung eines  Flußlaufes,  Eröffnung  eines  genügenden  Abflusses  oder 
infolge  anderer  Veränderungen  völlig  austrocknet;  oder  wenn  um- 
gekehrt der  Wassergehalt  so  sehr  zunimmt,  daß  der  Boden  in  einen 
Morast  verwandelt  wird,  der  die  Fortexistenz  der  torfbildenden  Ge- 
wächse nicht  mehr  gestattet 

Li tteraturnach weise.  1 R.  Cbedner,  Die  Relikteuseen,  Gotha  1887 — 88 
(Ergänzungshefte  86  u.  89  zu  Petebmanns  Mitteilungen).  — 9 Petermanns  Mit- 
teilungen 1894,  S.  200.  — * Geinitz,  Über  die  Entstehung  der  mecklenburgischen 
Seen,  im  Archiv  des  Vereins  d.  Freunde  d.  Naturgeschichte  in  Mecklenburg 
1885;  Die  Seen,  Moore  und  Flußläufe  Mecklenburgs,  Güstrow  1886.  — 4 Ule, 
Die  Tiefenverhältnisse  der  ostholsteinschen  Seen,  im  Jahrbuehe  d.  preußischen 
geologischen  Landcsanstalt  für  1890.  — 6 Böhm,  Die  Hochseeu  der  Ostalpen, 
in  den  Mitteilungen  der  AViener  Geographischen  Gesellschaft  1886.  — 4 Heim, 
Die  Entstehung  der  alpinen  Randseen,  in  der  Vierteljahrsschrift  der  natur- 
forschenden Gesellschaft  in  Zürich,  1894.  — 7 Andrissow,  in  den  Iswestija  der 
Russischen  Geographischen  Gesellschaft,  1888,  S.  91.  — 9 Jadrinzew  in  den 
Iswestija  der  Russischen  Geographischen  Gesellschaft  1886,  S.  53.  — * Mit- 
teilung Venjükows  in  d.  Comptes  rendus  d.  französ.  Akad.  d.  VViss.  1886, 
S.  1045.  — 10  Schacht,  Moore  des  Herzogtums  Oldenburg,  in  Petebmanns  Mit- 
teilungen 1883. 


Die  horizontale  Gliederung  des  Festlandes. 

Die  Halbinseln.  Wie  der  vertikale  Aufbau,  so  sind  auch  die  Umrisse 
der  Festländer  in  ihren  Hauptzügen  das  Produkt  einer  langen  Ent- 
wicklungsgeschichte. Strandverschiebungen  spielen  dabei  die  Haupt- 
rolle. In  zutreffender  Weise  hat  man  die  Kontinente  mit  Organismen 
verglichen,  und  Halbinseln  und  küstennahe  Inseln  als  Glieder  be- 


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Die  horizontale  Gliederung  des  Festlandes. 


549 


zeichnet,  die  in  der  That  auch  wie  Arme  nach  benachbarten  Erd- 
räumen hinübergreifen. 

Die  Halbinseln,  zu  deren  Betrachtung  wir  nun  übergehen,  sind 
sehr  ungleichmäßig  verteilt  Ihr  Areal  beträgt  in  Prozenten  der 
Gesamtfläche  des  Kontinentes  (ohne  die  Inseln): 

Nordkontinente  Südkontinente 

Europa 29,:  Australien  1 ,< 

Asien 20, s Südamerika 0,t 

Nord-  und  Zentralamerika  . . 10,9  Afrika 0,o 

Die  Halbinselbildung  ist  also  vorwiegend  ein  den  nördlichen 
Festländern  eigentümliches  Phänomen,  und  von  diesen  ist  wieder 
Europa  am  meisten  gegliedert.  Es  besitzt  überdies  alle  Haupt- 
formen  der  Halbinseln.  Die  mit  dem  Festlande  innig  verwachsene 
Bretagne,  eigentlich  nur  ein  scharf  markierter  Vorsprung  desselben,, 
stellt  uns  das  kontinentale  Extrem;  die  Krim  dagegen,  die  nur  durch 
den  1 1 km  breiten,  sandigen  Isthmus  von  Perekop  mit  dem  Festlande 
zusammenhängt,  das  insulare  Extrem  dar.  Übergänge  finden  wir  in 
der  Balkanhalbinsel,  die  sich  zwar  schon  deutlich  vom  Kontinent 
abgliedert,  aber  doch  nur  ganz  allmählich  aus  demselben  hervor- 
wächst; in  der  italienischen,  die  nur  mehr  mit  einem  schmalen  Ge- 
hirgsstiicke  an  das  Festland  gekettet  ist;  endlich  in  der  orographiseh 
selbständigen  pvrenäischen  Halbinsel,  die  als  ein  fremdes  Anhängsel 
am  europäischen  Körper  erscheint.  Nur  ist  hier,  im  Gegensätze  zur 
Krim,  das  Verbindungsglied  eine  breite  Ebene. 

Schon  aus  dieser  kurzen  Betrachtung  ergiebt  sich,  daß  Halb- 
inseln auf  zweierlei  Weise  sich  bilden  können:  durch  Ab-  und  durch 
Angliederung;  die  erstere  geschieht  durch  eine  positive,  die  letz- 
tere durch  eine  negative  Niveauveränderung.  In  den  abgegliederten 
Halbinseln  setzt  sich  stets  die  Geländeform  des  benach- 
barten Festlandsteiles  fort.  Die  beiden  unteren  Stufen  des 
Karstes  bilden  die  Halbinsel  Istrien,  und  dasselbe  Gebirgssystem 
zieht  durch  die  ganze  Westhälfte  der  Balkanhalbinsel  bis  in  den 
Peloponnes  fort.  Ebenso  gehören  das  serbische  und  das  Banater- 
gebirge  geognostisch  und  orographiseh  zusammen.  Zwei  Gebirgszüge 
aus  krystallinischem  Gestein  ziehen  aus  Armenien  in  die  kleinasi- 
atische Halbinsel  hinein,  endigen  am  Kysyl  Irmak  und  tauchen  im 
Westen  wieder  aus  der  tertiären  Ebene  auf.  Die  Gebirge,  die 
Hinterindien  in  südsüdöstlicher  Richtung  durchziehen,  beginnen  nach 
v.  Richthofens  Ansicht  auf  dem  Kontinent  schon  unter  32°  B. 
Das  granitisch- vulkanische  Gebirge  des  nördlichen  Teiles  der  cali- 
fomischen  Halbinsel  endigt  auf  dem  Festlandsrumpfe  erst  bei  Los 


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550 


Morphologie  des  Landes. 


Angeles.  Zu  gleichen  Ergebnissen  dürfte  wohl  auch  eine  genaue 
geologische  Untersuchung  der  Gebirge  von  Korea  und  Kamtschatka 
führen.  Auch  die  Apenninen  Italiens  sind  nur  ein  Ausläufer  des 
alpinen  Systems,  während  die  Poehene  erst  in  der  Quartärzeit  dem 
Meere  abgerungen  wurde.  Italien  gehört  also  nur  scheinbar  zu  den 
abgegliederten  Halbinseln  mit  breiter  Basis.  Noch  schmäler  als  der 
Apenninen-Jsthmus  ist  das  Verbindungsglied  zwischen  Neuschottland 
und  Neubraunschweig.  Es  besteht  aus  Karbonschichten,  die  vom 
Festlande  auf  die  Halbinsel  hinüberstreichen ; und  es  unterliegt 
keinem  Zweifel,  daß  die  Gezeitenströmungen  wesentlich  zur  Zer- 
störung der  Landenge  beigetragen  haben  (vgl.  S.  423).  Wo  das 
Hinterland  flach  oder  hügelig  ist,  finden  wir  dieselbe  Geländeform 
auch  auf  den  abgegliederten  Halbinseln,  so  auf  der  jütischen  und 
wahrscheinlich  auch  in  Labrador  und  Arabien. 

Die  angegliederten  Halbinseln  sind  dagegen  geologisch 
und  orographisch  selbständige  Individuen,  und  dieser  Cha- 
rakterzug drückt  sich  auch  meist  in  den  geschichtlichen  Schicksalen 
ihrer  Bewohner  aus.  Eine  Tiefebene  von  jugendlichem  Alter  stellt 
die  Verbindung  mit  dem  kontinentalen  Rumpfe  her.  Der  Anschluß  der 
iberischen  Halbinsel  an  Frankreich  vollzog  sich  zugleich  mit  der  letzten 
Aufrichtung  der  Pyrenäen ; die  miocänen  Schichten,  die  die  südfran- 
zösische Tiefebene  bedecken  und  an  der  Gebirgsfaltung  nicht  mehr 
teilgenommen  haben,  sind  Süßwasserablagerungen.  In  gleicher  Weise 
gewann  Asien  das  altkrystallinische  Massiv  von  Dekan  bei  der  Auf- 
richtung des  Himalaja,  also  ebenfalls  in  der  Tertiärzeit,  und  seit- 
dem wurde  die  Verbindung  durch  die  Aufschüttung  von  Flußsedi- 
menten in  der  hindustanischen  Tiefebene  eine  immer  festere.  Erst 
in  der  Quartärzeit  schloß  sich  die  Krim  mit  ihrem  isolierten  Jaila- 
gebirge,  und  das  aus  altkrystallinischen  Gesteinen  bestehende  finnisch- 
skandinavische Plateau  an  das  Festland  an.  Der  Ladoga-  und 
Onegasee  sind  vielleicht  noch  Überreste  der  einst  die  Ostsee  mit 
dem  Weißen  Meere  verbindenden  Wasserstraße. 

Eine  Kombination  beider  Arten  ist  Florida.  Soweit  es  aus 
tertiärem  Kalk  besteht  (d.  h.  der  größte  Teil  der  Halbinsel),  ist  es 
eine  kontinentale  Fortsetzung.  Nach  allen  Seiten  hat  es  sich  aber 
durch  Ansatz  junger  Muschel-  und  Korallenkalke  vergrößert,  nament- 
lich im  Süden,  jenem  eigentümlichen  Mitteldinge  von  Sumpf  und 
See,  das  nur  l'/g — 2 m über  dem  Meeresspiegel  liegt  Bei  anderen 
abgegliederten  Halbinseln  sind  die  angegliederten  Stücke  orographisch 
noch  viel  schärfer  markiert.  Die  Stiefelgestalt  Italiens  ist  das  Pro- 
dukt einer  solchen  Kombination.  An  zwei  Stellen  (im  Cratithal  und 
zwischen  den  Buchten  von  S.  Eufemia  und  Squillace)  wird  das  kry- 


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Die  horizontale  Gliederung  de«  Festlandes.  551 

stallinische  Gebirge  der  Halbinsel  Calabrien  von  horizontal  gelagerten 
Meeresbildungen  tertiären  Alters,  die  von  Küste  zu  Küste  reichen, 
durchschnitten,  und  diesen  geologischen  Unterbrechungen  entsprechen 
auch  orographische  Depressionen.  Hier  wurden  also  zwei  Inseln 
angegliedert,  die  aber  mit  dem  Apenninensystem  in  einem  inneren 
Zusammenhänge  stehen  (vgl.  S.  480).  Dagegen  ist  der  Sporn  von 
Italien,  der  Mte.  Gargano,  ein  den  Apenninen  ganz  fremdes  Gebirgs- 
stück  und  von  jenen  auch  durch  eine  weite  Ebene  getrennt  Seine 
Landschneckenfauna  zeigt  nach  Kobelts  Untersuchungen  auch  jetzt 
noch  nicht  den  italienischen  Charakter.  Noch  schärfer  ausgeprägt 
sind  die  sekundären  Halbinselbildungen  der  Balkanhalbinsel.  Die 
mittlere  und  östliche  Landzunge  von  Chalkidike  sind  erst  in 
der  jungtertiären  Zeit  angewachseu,  während  die  westliche  eine  ab- 
gegliederte Halbinsel  ist.  In  die  spätere  tertiäre  Periode  fällt  auch 
die  Angliederung  des  Peloponnes,  denn  zwischen  den  aus  Kreide- 
kalk bestehenden  Bergen,  der  Geraneia  in  Megara  (1370  m) 
und  dem  Oneion  in  Morea  (582  m),  bilden  horizontal  gelagerte,  wenn 
auch  von  zahlreichen  Verwerfungen  durchsetzte  Tertiärschichten, 
die  mit  marinem  Pliocän  abschließen,  den  5900  m breiten  Isthmus 
von  Korinth,  dessen  Maximalhöhe  nur  79  m beträgt.  Malakka  war 
ebenfalls  eine  Insel,  wie  jetzt  noch  Sumatra,  dem  es  auch  in  seiner 
Gestalt  sehr  ähnlich  ist;  und  seine  Verwandlung  in  eine  Halbinsel 
hat  noch  nicht  seinen  faunistischen  Charakter  verwischen  können,  denn 
noch  jetzt  gleicht  seine  Tierwelt  der  der  Sundainseln,  nicht  der 
Hinterindiens. 

Inseln.  Im  Gegensätze  zu  den  großen  Landmassen  oder  Konti- 
nenten nennt  man  die  kleinen  von  Meer  umgebenen  Landstücke 
Inseln.  * Diese  Definition  scheint  auf  den  ersten  Blick  allerdings 
der  nötigen  Schärfe  zu  entbehren,  in  der  Tliat  reicht  sie  aber  aus, 
denn  zwischen  dem  kleinsten  Kontinent  mit  7,8  Mill.  qkm  (Austra- 
lien) und  der  größten  unzweifelhaften  Insel  mit  0,s  Mill.  qkm  (Neu- 
Guinea)  ist  doch  ein  gewaltiger  Unterschied.  Ein  Mittelglied  bildet 
allerdings  Grönland  mit  ca.  2,i  Mill.  qkm,  und  manche  mögen  es 
vorziehen,  dieses  Landstück  einen  kleinen  Kontinent  zu  nennen,  wie 
man  ja  auch  den  Kaspisee,  der  eine  ähnlich  isolierte  Stellung 
unter  den  Seen  einnimmt,  häufig  als  Meer  bezeichnet.  Das  Areal 
aller  bekannten  Inseln  (Grönland  ausgenommen)  beträgt  ungefähr 
8,s  Mill.  qkm,  davon  kommen  57  Prozent  auf  die  23  Inseln  mit 
mehr  als  50000  qkm  und  nur  43  Prozent  auf  die  übrigen  ungezählten 


x Hier  werden  nur  die  Meeresinseln  berücksichtigt,  da  nur  diese  einen 
Gegensatz  zu  den  Kontinenten  bilden. 


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552 


Morphologie  des  Landes. 


Tausende  von  Eilanden,  die  zusammengenommen  nur  2/3  des  europäi- 
schen Rußlands  bedecken  würden. 

Verhältnismäßig  selten  sind  vereinzelte  Inseln,  wie  St.  Helena 
(123  qkm),  Ascension  (88  qkm)  oder  Sala  y Gomez  (4  qkm);  meist 
treten  sie  gesellig  auf.  Entweder  wird  eine  Hauptinsel  nur  von 
einigen  Klippen  umgeben,  wie  Island,  oder  von  größeren  Eilanden 
wie  Madagaskar.  Zwei  Hauptinseln  enthalten  die  britische  und  die 
Spitzbergen -Gruppe.  Doppelinseln  sind  Neuseeland  und  Nowaja- 
Semlja.  Eine  reihenweise  Anordnung  zeigen  die  Antillen,  die 

Aleuten  u.  a.  Eine  anscheinend  unregelmäßige  Anhäufung  größerer 
und  kleinerer  Inseln,  die  aber  meist  nur  aus  mehreren  Reihen 
bestehen,  nennt  man  einen  Archipel.  Auch  hier  finden  wir  be- 
züglich der  Größe  wieder  dieselben  Unterschiede,  wie  bei  den 
einzelnen  Inseln.  Der  malaische  Archipel  hat  2,8  und  der  arktisch- 
amerikanische  1,3  Mül.  qkm;  auf  beide  zusammen  entfallen  also 
ca.  50  Prozent  des  gesamten  Inselareals.  Dagegen  sind  die 
180  Bermudainseln  (50  qkm)  nicht  einmal  so  groß,  wie  die  Republik 
San  Marino. 

Genetische  Einteilung.1  Wenn  wir  die  Erfahrungen  aus  der 
Gegenwart  zu  Grunde  legen,  so  können  wir  sagen,  daß  Inseln  auf 
zweierlei  Weise  entstehen  können:  durch  oberflächliche  Abtrennung 
von  der  Küste  oder  durch  Wachstum  vom  Meeresgründe  aus.  Die 
weiteren  Untersuchungen  werden  ergeben,  daß  diese  beiden  Kate- 
gorien der  festländischen  oder  Kontinentalinseln  einerseits  und 
der  ursprünglichen  Inseln  anderseits  für  die  meisten  bisher  ge- 
nauer studierten  Vorkommnisse  ausreichen.  Daß  die  Kontinental- 
inseln zu  den  Gliedern  des  Festlandes  zu  zählen  sind,  bedarf  keiner 
weitläufigen  Erörterung,  dagegen  muß  nachdrücklich  betont  werden, 
daß  ursprüngliche  und  ozeanische  Inseln  nicht  identisch  sind,  wie 
ältere  Einteilungen  annahmen.  Es  giebt  ozeanische  Kontinental- 
inseln, wie  Neuseeland  oder  die  Fidschi-Inseln,  und  es  giebt  ur- 
sprüngliche Inseln  in  solcher  Festlandsnähe,  daß  man  sie  ebenso 
gut  als  parasitische  Zuthaten  zu  den  Kontinenten  auffassen  muß, 
wie  z.  B.  Yulkankegel,  die  auf  dem  Lande  selbst  entstehen. 

Kontinentalinseln,  geologischer  Beweis.  Einen  direkten  Beweis 
für  die  kontinentale  Herkunft  einer  Insel  haben  wir  nur  dann,  wenn 
ihre  Bildung  in  geschichtlicher  Zeit  sich  vollzog,  oder  bei  jenen 
amphibischen  Landstücken,  die,  wie  die  friesischen  Inseln  oder  der 
Mount  St.  Michael  in  der  Mounts-Bai  (Cornwallis),  zur  Flutzeit 
Inseln  und  zur  Ebbezeit  Halbinseln  sind.  Solche  direkte  Beweise 
können  aber  natürlich  nur  selten  erbracht  werden;  docli  haben  wir 
einen  Ersatz  dafür  in  indirekten  Beweisen  zuverlässigster  Art.  Die 


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Die  horizontale  Gliederung  des  Festlandes.  553 

zahlreichen  größeren  und  kleineren  Felseneilande,  die  viele  Steil- 
küsten umschwärmen,  verraten  sofort  ihre  kontinentale  Abkunft,  ehe 
man  sich  noch  davon  überzeugt  hat,  daß  auch  ihre  geologische  Be- 
schaffenheit genau  mit  der  der  Küste  übereinstimmt.  Ein  Beispiel 
dafür  sind  die  dalmatinischen  Inseln,  die  aus  demselben  Kreide- 
kalk (mit  untergeordneten  Tertiärbildungen)  bestehen,  wie  das  dalma- 
tinische Gebirge.  Von  Veglia  bis  Zuri  streichen  sie  nach  Nordwesten, 
d.  h.  parallel  mit  der  Küste  und  dem  Streichen  der  Schichten. 
Südlich  von  Sebenico  liegt  noch  ein  Stück  vollständig  erhaltenes 
Küstenland,  und  genau  in  der  Richtung  desselben  liegt  weiter  nach 
Süden  die  Insel  Solta.  Dagegen  sind  die  süddalmatinischen  Inseln 
in  äquatorialer  Richtung  gestreckt,  was  durch  eine  Wendung  im 
Streichen  der  Schichten  bedingt  ist,  wie  man  auf  der  Halbinsel 
Sabbioucello  gut  beobachten  kann.  Die  Cykladenreihen  bis  Sikinos, 
Nios  und  Naxos  sind  geologisch  die  Fortsetzungen  von  Attika  und 
Euböa,  die  Spitzen  eines  untergesunkenen  Gebirges.  Nach  den 
Forschungsergebnissen  der  österreichischen  Geologen2  haben  wir  es 
nämlich  hier  mit  einer  bedeutenden  nachplioeänen  Niveau  Veränderung 
des  Landes  zu  tluin,  der  das  Agäisehe  Meer  seine  Existenz  verdankt. 
Durch  denselben  Prozeß,  durch  den  Abgliederungshalbinseln  ent- 
stehen, werden  also  auch  an  den  Rändern  derselben  die  flachen 
Teile  unter  Wasser  gesetzt  oder  Einseukungen  durch  die  Erosion 
des  Meeres  erweitert  und  vertieft  und  dadurch  die  Erhebungen  in 
Inseln  verwandelt.  Die  jütische  und  die  Balkan-Halbinsel,  Italien, 
Hinterindien  und  das  polare  Amerika  mit  Labrador  werden  von 
solchen  festländischen  Inseln  begleitet. 

Senkung  und  Meereserosion  sind  die  beiden  Vorgänge,  die 
bei  der  Entstehung  der  Kontinentalinseln  in  Betracht  kommen;  die 
letztere  wirkt  stets  mit,  aber  mit  Ausnahme  der  kleinen  Küsteninseln 
wohl  meist  nur  als  sekundärer  Faktor.  In  Meeren  mit  stärkerer 
Brandung  muß  die  Senkung  so  rasch  erfolgt  sein,  daß  die  Abrasion 
nicht  gleichen  Schritt  halten  konnte,  oder  es  müssen  die  ehemaligen 
Bindeglieder  tiefer  eingebrochen  sein,  als  die  Inselschollen.  Natürlich 
können  wir  auch  hier  Tafel-,  Rumpf-  und  Faltenschollen  unter- 
scheiden; die  letzteren  zeichnen  sich  durch  ihre  bogenförmige  An- 
ordnung aus,  wie  die  Antillen  und  die  großen  Inselbogen  an  der 
pazifischen  Westseite.  Manchmal  sind  von  dem  alten  Faltengebirge 
nur  mehr  einige  spärliche  Lappen  übrig  geblieben,  aber  Vulkane, 
die  sich  darauf  erheben,  verraten  noch  die  alte  Gestalt,  wie  in  den 
Aleuten,  Kurilen  und  Riukiu-Inseln.  Der  Unterschied  zwischen 
kontinentalen  und  ursprünglichen  Vulkaninseln  muß  strenge  aufrecht 
erhalten  werden. 


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554 


Morphologie  des  Landes. 


Biologischer  Beweis.3  Neben  dem  geologischen  dürfen  wir  aber 
auch  den  biologischen  Beweis  nicht  außer  acht  lassen,  wie  es 
leider  in  den  letzten  Jahren  in  Deutschland  Mode  geworden  ist. 
Läßt  doch  die  Pflanzen-  und  Tierwelt  einer  Insel  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  der  Sicherheit  auch  auf  die  Zeit  der  Abtrennung 
vom  Festlande  schließen.  Die  britischen  Inseln  haben  z.  B.  die 
Flora  und  Fauna  mit  Westeuropa  gemein,  und  wir  schließen  daraus, 
daß  sie  noch  in  der  geologischen  Gegenwart  mit  dem  Kontinent 
verbunden  waren.  Denn  wenn  auch  die  Samen  mancher  Pflanzen 
und  manche  Vögel  über  die  zwar  schmale,  aber  unruhige  Meeres- 
straße von  Frankreich  nach  Britannien  gelangen  konnten,  so  hätte 
diese  doch  für  die  überwiegende  Mehrzahl  der  Organismen,  nament- 
lich für  die  Säugetiere  ein  unüberschreitbares  Hindernis  ge- 
bildet Die  Annahme,  daß  der  Mensch  alle  Pflanzen  und  Tiere  ein- 
geführt habe,  die  nützlichen  wie  die  schädlichen,  ist  — ganz  ab- 
gesehen von  ihrer  Unwahrscheinlichkeit  — schon  deshalb  nicht 
stichhaltig,  weil  der  Reichtum  der  britischen  Fauna  in  der  historischen 
Zeit  abgenommen  hat;  ja  manche  Tierformen,  wie  der  Löwe,  das 
Rhinozeros,  das  Mammut  u.  s.  w.,  die  in  der  vorgeschichtlichen 
Periode  Britannien  bevölkerten,  sind  gänzlich  ausgestorben.  Bestätigt 
wird  das  — geologisch  gesprochen  — jugendliche  Alter  der  Los- 
trennung durch  die  geringe  Tiefe  des  Meeres  und  durch  die  geo- 
gnostische  Identität  der  beiden  Ufer  der  Doverstraße;  vielleicht  fielen 
die  letzten  Reste  der  Landbrücke  der  Meereserosion  zum  Opfer, 
wie  ja  auch  jetzt  noch  die  Straße  immer  mehr  erweitert  wird. 

Der  Landzusammenhang  wurde  aber  früher  aufgehoben,  ehe 
die  ganze  kontinentale  Lebewelt  in  Britannien  einwandern  konnte, 
und  Irland  war  schon  eine  Insel,  als  die  Brücke  von  Dover  noch 
bestand. x Auch  deutet  das  Vorhandensein  einiger  eigentümlichen 
Arten  auf  längere  Isolierung  hin.  Der  insulare  Endemismus  läßt 
sich  auf  verschiedene  Weise  erklären.  In  den  seltensten  Fällen  ist 
er  ursprünglich,  d.  h.  die  betreffenden  Organismen  (wohl  nur  Pflanzen 


x Anzahl  der  Arten  nach  Wallace: 


Festland 

England 

Irland 

Säugetiere 

ca.  90 

(Deutschland) 

40 

22 

Reptilien  und  Amphibien  . . 

22 

(Belgien) 

13 

4 

Landvögel 

130 

110 

Phanerogamen  und  Farne  . . 

— 

1425 

970 

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Die  horizontale  Gliederung  des  Festlandes.  555 

und  niedere  Tiere)  waren  nur  auf  einen  kleinen  Verbreitungsbezirk 
beschränkt,  und  dieser  wurde  vom  Festland  abgetrennt.  Wahr- 
scheinlich ist  der  Reichtum  der  deutschen  Insel  Borkum  an  eigen- 
tümlichen Pflanzen  darauf  zurückzuführen.  Häufiger  ist  der  Fall, 
daß  organische  Formen  unter  günstigen  Bedingungen  auf  einer 
Insel  sich  erhielten,  während  sie  auf  dem  Festlande  überhaupt  oder 
wenigstens  in  dem  Mutterlande  im  Kampfe  ums  Dasein  zu  Grunde 
gingen.  In  den  meisten  Fällen  haben  sich  aber  die  eingewanderten 
Tiere  und  Pflanzen  den  neuen  Lebensbedingungen  allmählich  an- 
gepaßt. Veränderte  Artenmerkmale  konnten  sich  befestigen,  weil 
eine  Vermischung  mit  der  Stammart  nicht  mehr  möglich  war.  Wie 
rasch  die  insulare  Abgeschlossenheit  unter  besonders  günstigen  Um- 
ständen solche  Veränderungen  erzeugen  kann,  lehrt  uns  folgende 
Tliatsache.  Auf  den  Reelingsinseln  wurden  durch  ein  gescheitertes 
britisches  Schiff  Ratten  eingefiihrt,  und  ihre  Nachkommen  unter- 
scheiden sich  von  den  englischen  Verwandten  bereits  dadurch,  daß 
sie  kleiner  und  heller  gefärbt  sind. 

Der  größere  oder  geringere  Reichtum  einer  Insel  an  eigentüm- 
lichen Arten  ist  also  bis  zu  einem  gewissen  Grade  ein  Zeugnis  für 
ihr  relatives  Alter.  Berücksichtigen  wir  nur  den  Endemismus  in 
den  höheren  Tierklassen,  so  erhalten  wir  beispielsweise  nachstehende 
Reihenfolge:  Die  britischen  Inseln  mit  3 Vogelarten,  Hainan  mit 
einer  Säugetierart  und  20  Vogelarten,  Formosa  mit  14  Säugetier- 
arten, 43  Vogelarten  und  sogar  einem  Vogelgeschlechte,  endlich  Ja- 
pan mit  25  Landsäugetieren  (von  30),  aber  nur  11  Vögeln  (von 
165  dort  lebenden).  Alle  übrigen  Arten  stimmen  mit  denen  des 
benachbarten  Festlandes  überein,  und  auch  die  endemischen  sind 
mit  letzteren  verwandt.  Auf  derselben  relativen  Altersstufe,  wie 
Hainan,  stehen  die  Falklandinseln,  deren  eigentümliche  Arten: 
der  Fuchs,  einige  Singvögel  und  ca.  30  Gefäßpflanzen,  mit  den 
patagonischen  Arten  sehr  nahe  verwandt  sind.  Trotzdem  bezeichnet 
sie  Süss  als  „ein  dem  nahen  Festlande  völlig  fremdes,  gefaltetes 
Bruchstück  paläozoischer  Sedimente“.  Wir  sehen,  es  kann  zwischen 
einer  Insel  und  einem  Kontinente  eine  zeitweise  Landverbindung 
bestehen,  ohne  daß  die  erstere  ein  Abkömmling  des  letzteren  zu 
sein  braucht. 

Einen  Fall  anderer  Art  lernen  wir  im  Gebiete  des  ostindischen 
Ozeans  kennen.  Ceylons  Säugetierfauna  ist  entschieden  vorder- 
indisch, und  weder  durch  eine  größere  Zahl  endemischer  Formen 
noch  durch  den  Mangel  hervorragender  Geschlechter  ausgezeichnet, 
aber  für  ihre  lange  Isolierung  spricht  die  Erhaltung  altertümlicher 
Typen,  deren  Verwandte  in  Hindustan  nicht  gefunden  werden,  wohl 


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556  Morphologie  des  Landes. 

aber  in  den  benachbarten  Teilen  von  Dekan,  das  ja  erst  in  der 
Tertiärzeit  an  das  Festland  angegliedert  wurde.  Gegenüber  Dekan 
ist  Ceylon  also  eine  junge  Insel,  worauf  schon  die  Küstennähe  und 
noch  mehr  die  geringe  Tiefe  der  Palkstraße  hindeutet,  gegenüber 
dem  Festlande  aber  eine  alte  Insel.  Zu  jenen  altertümlichen  Typen 
gehört  das  Fischgeschlecht  Eutroplus,  dessen  Verwandte  nur  noch 
in  Syrien,  Afrika  und  Südamerika  Vorkommen,  und  besonders  die 
Lemurengattung  Loris.  Wesentlich  anders  verhält  sich  Madagaskar 
mit  seinen  Inseltrabanten  zu  Afrika,  von  dem  es  ca.  400  km  ent- 
fernt und  durch  eine  Tiefsee  getrennt  ist.  Außer  sechs  Lemuren- 
geschlechtern  und  der  ihnen  verwandten  Familie  der  Aye-Aye  er- 
hielten sich  hier  noch  andere  seltsame  Tiergestalten,  wie  die  ende- 
mische Familie  der  Crvptoproctidae,  ein  Kollektivtypus  von  Katze 
und  Zibethkatze,  oder  die  flugunfähigen  Riesenvögel  oder  die 
Riesenschildkröte  auf  der  Insel  Aldabra.  Die  Erhaltung  dieser 
interessanten  Faunareste  erklärt  sich  aus  der  Abwesenheit  der 
mächtigen  Feinde,  die  erst  nach  der  Abtrennung  Madagaskars 
Afrika  bevölkerten,  wie  der  echten  Affen,  der  meisten  Insekten- 
fresser und  Raubtiere,  aller  Huftiere  mit  Ausnahme  des  kosmo- 
politischen Schweines,  und  aller  Zahnarmen  und  Nager  mit  Aus- 
nahme der  ebenfalls  kosmopolitischen  Ratten  und  Mäuse.  Auch  die 
übrigen  madagassischen  Tierklassen  zeigen  bedeutende  Lücken,  und 
ebenso  bürgt  der  Reichtum  an  endemischen  PHanzen  für  das  hohe 
Alter  der  ganzen  Inselgruppe. 

Aus  der  Verbreitung  der  Lemuren,  die  sich  außer  auf  Ceylon  und 
Madagaskar  noch  in  einigen  Teilen  Südasiens  und  in  Süd-  und 
Westafrika  finden,  schloß  man  einst  auf  die  Existenz  eines  Fest- 
landes, das  von  Afrika  bis  Indien  reichte,  und  das  man  Lemuria 
taufte.  Mit  Recht  wies  Wallace  von  seinem  tiergeographischen  Stand- 
punkte aus  diese  Hypothese  als  überflüssig  zurück,  da  sich  die  Lemuren 
ja  auch  als  Überreste  einer  weit  verbreiteten  Familie,  die  auch  im 
Eocän  Europas  und  Nordamerikas  nachgewiesen  wurde,  an  weit 
auseinander  liegenden  Punkten  erhalten  haben  konnten,  ohne  daß 
diese  jemals  unmittelbar  zusammenhingen.  Dagegen  haben  die 
geologischen  Untersuchungen  der  letzten  Jahrzehnte  den  einstigen 
Landzusammenhang  zwischen  Dekan  und  Südafrika,  der  sich  erst 
in  der  Tertiärzeit  völlig  löste,  so  wahrscheinlich  als  möglich  gemacht. 
Während  diese  beiden  Schollen  mit  der  alten  Welt  in  Verbindung 
traten,  blieb  das  madagassische  Zwischenstück  isoliert  und  auf 
einem  veralteten  faunistisehen  Standpunkte  stehen. 

Einen  weiteren  Beleg  dafür,  daß  der  biologische  Beweis  der 
steten  Unterstützung  und  Berichtigung  durch  den  geologischen  be- 


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Die  horizontale  Gliederung  des  Festlandes.  557 

darf,  liefert  der  ostindisehe  Archipel.  Die  berühmte  Wallaoe- 
Linie,  die  zwischen  Hali  und  Lombok,  durch  die  Makassarstraße 
und  Celebessee  verläuft,  trennt  zwei  verschiedene  Tierwelten;  hierher 
verlegte  Wallace  die  Grenze  zwischen  Asien  und  Australien.  Un- 
zweifelhaft ist  die  Fauna  der  drei  großen  Sundainseln  Sumatra, 
Borneo  und  Java,  die  durch  ein  unterseeisches  Plateau  von  nur 
50  m mittlerer  Tiefe  an  Hinterindien  gekettet  sind,  ganz  asiatisch; 
und  wenn  auf  Java  mehrere  Säugetiere  fehlen,  die  auf  den  beiden 
anderen  Inseln  vorhanden  sind,  so  dürfen  wir  mit  Recht  schließen, 
daß  Java  sich  zuerst  losgelöst  hat.  Noch  früher  wurden  die  Philippinen, 
die  auch  außerhalb  der  200  Meter-Linie  liegen,  in  Inseln  verwandelt. 
Auch  hier  ist  nicht  etwa  ein  besonderer  Reichtum  an  endemischen 
Formen,  sondern  das  Fehlen  großer  Affen-,  Raubtier-  und  Huftier- 
geschlechter ein  Beweis  dafür.  Kleinere  Inseln  führen  nach  Formosa 
und  Celebes  hinüber,  und  auf  diesen  Straßen  fanden  spätere  Ein- 
wanderungen chinesischer  und  australischer  Vogeltypen  statt. 

Auf  den  östlichen  Inseln  mischen  sich  schon  indische  mit  austra- 
lischen Elementen,  und  die  letzteren  gewinnen  immer  mehr  Ober- 
hand, je  weiter  wir  uns  nach  Osten  wenden.  Besonders  merkwürdig 
ist  das  abenteuerlich  gestaltete  Celebes,  das  an  drei  Seiten  von 
tiefen  Meeresbecken  umgeben  ist,  und  noch  Überreste  einer  uralten 
Fauna  beherbergt  (eine  Affenart,  Cynopithecus  nigrescens,  den  wilden 
Stier  Anoa  depressicornis  und  die  Scliweineart  Babirusa  alfurus, 
nebst  fünf  Vogelgeschlechtern),  deren  Verwandte  — wrie  wir  an- 
nehmen müssen  — sonst  überall  ausgestorben  sind. 

Trotzdem  ist  kein  geologischer  Grund  vorhanden,  alle  Inseln 
östlich  von  der  WALLACE-Linie  Australien  zuzuweisen.  Ohne  Unter- 
brechung setzt  sich  der  sumatrisch-javanische  Bogen  über  die  Lom- 
bok-Straße  nach  den  kleinen  Sunda-Inseln  fort;  von  den  Südwest- 
Inseln  läßt  sich  ein  Vulkanbogen  bis  zu  den  Banda-Eilanden,  von 
den  Südostinseln  ein  zweiter  nach  den  südlichen  Molukken,  von 
West-Hai mahera  und  Nord-Celebes  ein  dritter  und  vierter  nach 
Mindanao  verfolgen.  Dagegen  zeigen  Timor  und  Groß-Kei  schon 
eine  andere  Streichrichtung,  auch  ihr  geognostischer  Aufbau  weicht 
von  dem  der  Sundainseln  ab  und  stimmt  in  einigen  wesentlichen 
Punkten  mit  dem  Australiens  überein.  Man  wird  daher  Martin4 
zustimmen  dürfen,  wenn  er  erklärt,  daß  „im  Westen  von  Groß-Kei 
und  im  Nordwesten  von  Timor  eine  natürliche,  geognostisch  wohl- 
begründete  Trennungslinie  zwischen  den  vom  asiatischen  und  austra- 
lischen Kontinent  abgegliederten  Inseln“  liege. 

Auch  in  anderer  Beziehung  ist  bei  der  biologischen  Beweisführung 
Vorsicht  geboten.  Neuguinea  und  Tasmanien  sind  unzweifelhaft 


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Morphologie  des  Landes. 


australische  Kontinentalinseln  und  mit  diesem  Festlande  auch  durch 
eine  Flachsee  verbunden.  Als  die  jüngere  Insel  erscheint  Tasmanien, 
aber  auch  hier  fehlen  einige  Beuteltiergeschlechter  und  zwei  sind 
endemisch.  Ähnliche  Verhältnisse  finden  wir  auf  Neuguinea,  wo 
aber  auch  das  australische  Schnabeltier  fehlt.  Dagegen  giebt  es  in 
seiner  Vogelwelt  zahlreiche  indische  Elemente,  ebenso  wie  unter 
seinen  Reptilien  und  Insekten,  aber  das  weist  noch  nicht  auf  eine 
Landverbindung  mit  dem  westlichen  Archipel  hin.  Die  Vögel 
und  Insekten  konnten  sich  in  diesem  inselreichen  Meer,  wo  sich  so  viele 
Ruhepunkte  ihnen  boten,  leicht  verbreiten;  und  von  den  Schlangen, 
die  auf  Neuguinea  hauptsächlich  indischen  Ursprungs  sind,  wissen 
wir,  daß  sie  auf  schwimmenden  Baumstämmen  und  auf  Schiffen  längere 
Seereisen  ausführen  können.  Dagegen  sind  die  Amphibien,  die 
mit  seltenen  Ausnahmen  allein  auf  den  Landweg  angewiesen  sind, 
insgesamt  australisch.  Im  arktischen  Meere  läßt  die  Tiergeogra- 
phie fast  ganz  im  Stiche.  Der  Eisbär  kommt  mit  dem  Treib- 
eise überall  hin,  die  Rentiere  unternehmen  weite  Wanderungen  über 
gefrorene  Meeresstraßen,  und  auch  der  Polarfuchs,  obwohl  nicht  so 
kühn,  kann  doch  gelegentlich  mit  Treibeis  auf  eine  fern  abliegende 
Insel  gelangen.  Ob  auch  der  gemeine  Fuchs,  der  in  Spitzbergen 
gefunden  wird,  und  die  überall  verbreiteten  Lemminge  ähnliche 
Reisen  ausführen,  ist  uns  nicht  bekannt.  Dagegen  ist  das  fossile 
Vorkommen  von  Mammut  und  Rhinozeros  auf  den  Neusibirischen 
Inseln  und  der  Fund  eines  großen  Mammutzahnes  im  Innern  des 
Wrangellandes  ein  stichhaltiges  Zeugnis  für  den  einstigen  Land- 
zusammenhang. Um  die  Abstammung  des  nordamerikanischen 
Archipels  zu  erkennen,  bedarf  es  allerdings  keiner  weitläufigen  Be- 
weisführung; Nowaja-Semlja  ist  eine  Fortsetzung  des  Paechoi-Gebirges; 5 
dagegen  bleibt  die  Entwicklungsgeschichte  der  anderen  Inseln,  die  durch 
tiefe  Meere  vom  Festlande  geschieden  sind:  Spitzbergens,  König  Karl- 
Landes,  Franz  Josef-Landes,  selbst  Grönlands,  noch  in  Dunkel  gehüllt 
Nur  daß  sie  kontinentale  Inseln  sind,  erkennen  wir  daraus,  daß  sie 
alle  sedimentäre  Gesteine,  meist  von  hohem  Alter,  besitzen.  Die 
silurischen  Schichten  sind  noch  gefaltet,  die  devonischen  liegen  Bach. 
Süss  hält  diese  Inseln  für  Reste  eines  alten  atlantischen  Festlandes. 
Sie  würden  somit  einer  Kategorie  angehören,  auf  die  wir  sogleich 
zu  sprechen  kommen. 

Restinseln.  Ein  doppelter  Inselbogen  begrenzt  die  ostaustralische 
Tiefsee:  Neu-Mecklenburg,  die  Salomon-Inseln  und  Neuen  Hebriden 
bilden  den  äußeren,  das  Hochgebirge  Neuguineas,  Neucaledonien 
und  Neuseeland  den  inneren  Bogen,  der  mit  dem  ostaustralischen 
Gebirge  nahezu  parallel  verläuft,  aber  im  Gegensätze  zu  diesem  aus 


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Die  horizontale  Gliederung  des  Festlandes.  559 

jungen  Falten  bestellt.  Die  Lücken  zwischen  diesen  drei  Insel- 
schollen sind  ungewöhnlich  groß  (1400  km),  von  dem  nächsten  Punkte 
der  australisch-tasmanischen  Masse  ist  Neucaledonien  1300,  Neu- 
seeland 1500  m entfernt;  Meerestiefen  von  4000  m liegen  zwischen 
ihnen  und  Australien.  Von  allen  Kontinentalinseln  der  Erde  ist 
Neuseeland  die  einsamste,  ihrer  Lage  nach  echt  ozeanisch.  Die 
Tier-  und  Pfianzengeographie  lehrt  uns  aber  auch,  daß  sie  die  älteste 
Insel  ist.  Während  australische  Beuteltiere  noch  nach  Neucale- 
donien gelangten,  erreichten  sie  Neuseeland  nicht  mehr.  Bis  zur 
Ankunft  der  Europäer  besaß  diese  Doppelinsel  nur  einige  fliegende 
Säugetiere  und  ein  einziges  Amphibium  (die  Froschart  Liopelma), 
das  mit  Arten  in  Südamerika  und  Europa  verwandt  ist.  Die  Ab- 
wesenheit aller  mächtigen  Tiergeschlechter  gestattete  hier,  wie  auf 
den  madagassischen  Inseln,  die  Erhaltung  großer  flügelloser  Vögel, 
die  außerdem  noch  auf  der  Chatam-,  Auckland-,  Lord  Howe-  und 
Norfolkinsel  Vorkommen.  Das  sind  die  äußersten  nachweisbaren  Grenzen 
des  einstigen  neuseeländischen  Festlandes,  ob  es  nach  Süden  bis  zur 
Campbellinsel  reichte,  bleibt  nach  Filhols  Untersuchungen  zweifel- 
haft. Bestand  jemals  eine  Verbindung  mit  Australien,  so  muß  sie 
sich  schon  in  der  Sekundärzeit  gelöst  haben.  Allerdings  ent- 
hält die  neuseeländische  Vogel-  und  Pflanzenwelt  eine  beträchtliche 
Anzahl  australischer  Elemente,  aber  bezüglich  jener  erklärt  Wallace 
und  bezüglich  dieser  Engleb,  daß  sie  nicht  notwendig  auf  einen 
ehemaligen  Landzusammenhang  hinweisen.  Vielleicht  repräsentiert 
uns  also  Neuseeland  mit  seinen  Trabanten  eine  eigene  Art  fest- 
ländischer Inseln,  die  Kirchhofe8  im  Gegensätze  zu  den  Abgliede- 
rungsinseln verschiedenen  Alters  als  Re  st  insein  bezeichnet  hat.  Die 
Namen  sind  deutlich  genug:  Abgliederungsinseln  sind  selbständig  ge- 
wordene Randgebiete  bestehender  Festlandsmassen,  Restinseln  sind 
Reste  untergegangener  Festländer. 

Seit  A.  Wichmanns  Untersuchung  der  Gesteine  der  Fidschi- 
inseln7 ist  die  Frage  aufgetaucht,  ob  nicht  auch'  einige  von  den 
hohen  polynesischen  Inseln,  denen  man  gewöhnlich  vulkanischen  Ur- 
sprung zuschreibt,  zu  den  Restinseln  zu  zählen  seien.  Sicher 
ist,  daß  Viti-Levu  neben  tertiären  Eruptivgesteinen  und  Tuffen 
alte  massige  Gesteine  und  krystallinisehe  Schiefer  besitzt.  Paläozoische 
und  mesozoische  Schichten  fehlen  ganz,  und  dies  deutet  auf  eine 
Festlandsperiode.  Auf  den  Palauinseln  werden  sowohl  am  Meeres- 
strande wie  in  Höhen  von  400  m Blöcke  aus  Granit  und  Diabas 
angetroffen;  und  es  ist  wahrscheinlich,  daß  sie  auch  anstehend  ge- 
funden werden.  Endlich  wird  von  den  weit  im  Osten  liegenden 
Marquesas  gemeldet,  daß  sie  aus  Granit  und  Gneiß  bestehen. 


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560 


Morphologie  des  Landes. 


Diese  letzteren  Angaben  sind  allerdings  noch  nicht  zuverlässig  genug, 
um  als  Grundlage  einer  neuen  Theorie  über  den  Ursprung  der  hohen 
Inseln  in  der  Südsee  zu  dienen,  aber  jedenfalls  muß  die  Frage,  ob 
diese  Inseln  oder  wenigstens  ein  Teil  derselben  nicht  als  Reststücke 
eines  untergetauchten  Kontinents  zu  betrachten  seien,  offen  gelassen 
werden.  Es  ist  jedenfalls  bemerkenswert,  daß  die  paläontologischen 
Untersuchungen  Zittels  die  Wahrscheinlichkeit  einer  alten  Land- 
verbindung zwischen  Australien  und  Südamerika  sehr  nahe  legen. 

Litteraturnachweise.  1 Haus,  Inselstudien,  Leipzig  1883.  Außerordent- 
lich reich  an  Beobachtungsmaterial,  die  Ergebnisse  in  Bezug  auf  die  Einteilung 
können  wir  jedoch  nicht  annehmen.  — * cit.  S.  496,  n.  6.  — * Wallace,  Island  Life, 
London  1880.  — 4 Martin,  Die  Kei-Inseln,  in  der  Tijdschrift  van  der  Neder- 
landsch  Aardrijskundig  Genootschap,  1890.  — 5 A.  Wichmann,  Zur  Geologie  von 
Nowaja-Semlja,  in  d.  Zeitschrift  d.  Deutschen  Geologischen  Gesellschaft  1886.  — 
• Kirchhoff,  Das  genetische  Inselsystem,  in  der  Zeitschrift  für  wissenschaftliche 
Geographie,  Bd.  III,  1882.  — 7 A.  Wichmann,  Petrographie  des  Viti-Arehipels, 
in  Tsciiermaks  mineralogischen  Mitteilungen,  Bd.  V,  1883. 


Ursprüngliche  Inseln. 

Alle  ursprünglichen  Inseln  sind  auf  dem  Meeresgründe  ent- 
standen und  entweder  durch  eine  negative  Niveauveränderung  oder 
lediglich  durch  Anhäufung  an  die  Oberfläche  gelangt 

Hebungsinseln.  Wenn  wir  hören,  daß  in  unseren  Tagen  an  der 
esthnischen  Küste  zwischen  Dagö  und  Worms  die  Klippeninsel  Harri- 
laid  auftauchte,  oder  daß  man  die  Golfstrominseln  an  der  Nordseite 
von  Nowaja-Semlja  1871  genau  an  der  Stelle  entdeckte,  wo  1594 
eine  Sandbank  von  33  m Tiefe  gelotet  worden  war,  so  liegt  die  Annahme 
nahe,  daß  hier  eine  Hebung  stattgefunden  hat.  In  anderen  Fällen 
muß  es  unentschieden  bleiben,  ob  Hebung  oder  Aufschüttung  der 
inselbildende  Vorgang  war,  wie  bei  der  Insel  Edmondstone  zwischen 
der  Mündung  des  Hugli  und  dem  Kanal  de  la  Baye  (Gangesdelta), 
die  nach  einem  Berichte  von  1819  innerhalb  von  fünf  Jahren  aus 
einer  Sandbank  zu  einem  Eilande  von  3 km  Länge  und  ca.  */5  km 
Breite  heranwuchs  und  eine  solche  Höhe  erreichte,  daß  sie  nur  noch 
von  den  höchsten  Sturmfluten  überspült  wurde.  Im  allgemeinen 
scheinen  reine  Hebungsinseln  außerhalb  des  Korallengürtels  selten 
zu  sein. 

Vulkaninseln.  Daß  vulkanische  Ausbrüche  auf  dem  Boden  des 
Meeres  häufig  sind  und  manchmal  auch  zur  Bildung  von  Inseln 
führen,  ist  schon  auf  S.  316  erwähnt  worden.  Aber  es  muß  in  jedem 
einzelnen  Falle  erst  entschieden  werden,  ob  eine  Vulkaninsel  wirklich 
als  eine  ursprüngliche  zu  betrachten  ist.  So  besteht  auf  Santorin 


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Ursprüngliche  Inseln. 


561 


(s.  Fig.  78  S.  305)  der  Kern  von  Thera,  der  große  St.  Eliasberg,  aus 
kristallinischen  Schiefern  und  Kalkstein,  und  erweist  sich  somit  als 
ein  echtes  Glied  der  kontinentalen  Inselgruppe  der  Cykladen.  Ebenso 
ist  Z anno  ne,  eine  der  Pontinischen  Inseln,  nach  Dölter1  nur  ein 
durch  vulkanische  Neubildung  vergrößertes  Reststiick  der  inneren 
apenninischen  Gebirgskette;  und  derselbe  Forscher  berichtet,  daß 
die  Vulkangruppe  der  Capverden  einst  den  Westrand  von  Afrika 
gebildet  habe,  da  sieh,  mit  Ausnahme  der  westlichsten  Insel,  auch 
krystallinische  Schiefer  und  andere  Sedimentgesteine  an  ihrem  Baue 
beteiligen.2  Aber  selbst  dann,  wenn  eine  küstennahe  Insel  nur  aus 
vulkanischen  Massen  zusammengesetzt  ist,  kann  man  sich  über  ihre 
Vorgeschichte  täuschen,  wenn  man  nicht  alle  maßgebenden  Momente 
berücksichtigt.  Die  drei  Inseln  im  Guineagolfe  besteben  aus  Eruptiv- 
gesteinen, wie  das  Kamerungebirge  an  der  Küste;  aber  im  Gegen- 
sätze zu  S.  Thome  und  der  Prinzeninsel  beherbergt  Fernando  Po 
zahlreiche  Säugetiere,  und  von  diesen,  wie  von  der  übrigen  Fauna 
ist  wahrscheinlich  keine  Art  endemisch.  Fernando  Po  ist  also  eine 
festländische  Insel  von  sehr  jugendlichem  Alter,  während  die  beiden 
anderen  ursprüngliche  Inseln  sind.  Schwierig  ist  die  Entscheidung 
bezüglich  der  Comoren,  wo  zwei  endemische  und  zwei  madagassische 
Landsäugetiere  gefunden  werden;  aber  Wallace  läßt  die  Frage 
offen,  ob  sie  nicht  auf  schwimmenden  Bäumen  hierher  gebracht 
wurden.  Dagegen  sind  die  Maskarenen,  die  weder  einheimische 
Landsäuger,  noch  Amphibien  besitzen,  sicherlich  Meeresgeburten. 
Die  größte  aller  ursprünglichen  Inseln  ist  Island.  Sie  besteht  aus- 
schließlich aus  Laven  und  Tuffen,  die  bis  in  die  Mioeänzeit  zurück- 
reichen.3 Um  so  mehr  überrascht  ihre  Fauna,  die  auf  den  ersten 
Blick  an  die  Verhältnisse  von  Kontinentahnsein  gemahnt.  Aber  von  den 
drei  Säugetieren  können  der  Polarbär  und  der  arktische  F uchs,  die  eine 
circumpolare  Verbreitung  besitzen,  auf  Treibeis  hierher  gelangt  sein, 
und  die  angeblich  endemische  Mausart  gehört  einer  kosmopolitischen 
Familie  an  und  wurde  vielleicht  durch  die  ersten  Kolonisten  ein- 
geführt. Von  den  Vögeln  sind  3 endemisch,  20  europäisch  und  2 
amerikanisch;  aber  auch  sie  deuten  nicht  mit  Notwendigkeit  auf 
einen  einstigen  Landzusammeuhang  hin,  denn  noch  jetzt  besuchen 
alljährlich  45  europäische  und  1 grönländische  Vogelart  die  Insel. 
Auch  daraus  ersehen  wir  wieder,  wie  der  biologische  und  der  geo- 
logische Beweis  immer  Zusammenwirken  müssen,  um  uns  zu  einiger- 
maßen sicheren  Schlüssen  zu  führen. 

Koralleninseln.4  Zu  den  interessantesten  Erscheinungen  der  Erd- 
oberfläche gehören  die  Koralleninseln.  Die  riffbildeuden  Korallen, 
diese  unermüdlichen  „Arbeiter  des  Meeres“,  sind  gallertartige  Zellen, 

SrPAN,  Physische  Erdkunde.  2,  Auf!.  36 


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562 


Morphologie  des  Landes. 


die  eine  kalkige  Substanz  ausscheiden.  Die  Vermehrung  geschieht 
durch  Knospung,  wobei  keine  vollständige  Trennung  der  Individuen 
eintritt,  so  daß  jede  Familie  mit  ihren  lebenden,  wie  mit  ihren 
abgestorbenen  Gliedern  einen  gemeinsamen  Stock  bildet.  Fester 
Meeresgrund,  ungetrübtes  Salzwasser,  genügende  Nahrungszufuhr 
durch  Wellenschlag  oder  Strömungen,  und  eine  Temperatur,  die 
selbst  im  Mittel  des  kältesten  Monats  nicht  unter  20°  sinkt,  sind 
die  unerläßlichen  Bedingungen  ihrer  Existenz.  Aus  dem  letzteren 
Grunde  sind  sie  einerseits  an  die  Tropenmeere  gebunden,  und  bleiben 
auch  hier  den  Gebieten  der  kalten  Meeresströme  fern  (s.  Karte  XVII), 
und  sind  anderseits  nur  auf  die  oberen  Schichten  des  Meeres  be- 
schränkt. Leider  ist  ihre  Tiefengrenze  nicht  genau  festgestellt,  man 
hat  bis  zu  80  m Tiefe  lebende  Korallen  gefunden,  aber  im  all- 
gemeinen dürfte  die  eigentliche  Riffzone  mit  üppigem  Wachstume 
nicht  tiefer  reichen,  als  30 — 40  m. 

Meistens  vereinigen  sich  in  einer  Kolonie  mehrere  Korallen- 
arten, von  denen  sich  die  einen,  entsprechend  ihren  besonderen 
Lebensbedürfnissen,  vorzugsweise  auf  die  unteren,  die  anderen  vor- 
zugsweise 'auf  die  oberen  Wasserschichten  beschränken.  In  dem 
Maße,  in  welchem  die  Ansiedler  sich  vermehren  und  die  Individuen 
an  der  Basis  oder  im  Innern  des  Baues  absterben,  wächst  dieser  in 
die  Höhe  und  Breite.  Eine  Grenze  bildet  nur  das  Niveau  des 
Niedrig wassers;  aber  einige  Korallen,  die  sich  einer  zeitweisen  Be- 
sonnung ohne  ernste  Folgen  aussetzen  können,  wachsen  sogar 
darüber  hinaus,  etwa  bis  zu  einem  Drittel  der  Fluthöhe.  Zu  diesen 
gehören  besonders  die  Poriten,  das  widerstandsfähigste  aller  Polypen- 
geschlechter, das  sogar  im  getrübten  Wasser  noch  leben  kann. 
Die  Korallenstöcke  bilden  aber  nur  das  Skelett  des  Riffes;  auch 
andere  Meerestiere  nisten  sich  in  den  Zwischenräumen  desselben 
ein,  vor  allem  aber  ist  es  das  Meer,  das  dem  Baue  Festigkeit 
verleiht.  Unablässig  zerbröckelt  es  die  Außenseiten  des  Riffes  und 
zerreibt  die  abgerissenen  Stücke  zu  Sand,  den  es  einerseits  in  den 
Fugen  des  Bauwerkes  ablagert,  anderseits  bei  heftigen  Stürmen  auf 
der  Oberfläche  desselben  aufwirft,  so  daß  der  Korallenfels  allmählich 
über  das  Niveau  des  Hochwassers  sich  erhöht.  Wir  haben  dann 
zwei  Teile  zu  unterscheiden,  den  unterseeischen  oder  das  Riff,  und 
den  oberseeischen,  aufgeschütteten,  insularen  Teil.* 


x Die  Terminologie  ist  übrigens  schwankend.  Manche  verstehen  unter 
Korallenriffen  die  die  Küsten  der  Kontinente  und  Inseln  umsSumendeu 
Korallenbildungen,  und  unter  Koralleninseln  die  isolierten  Korallenbildungen 
auf  hoher  See. 


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Ursprüngliche  Inseln. 


563 


Über  das  Wachstum  der  Korallen  lauten  die  Angaben  ver- 
schieden. Eine  sehr  interessante  Thatsache  hat  v.  Lehnebt  mitge- 
teilt.5 Das  große  Bum-Bum-Riff  an  der  Nordostküste  von  Borneo,  das 
1875  ganz  nahe  der  Meeresfläche  lag,  erscheint  auf  den  Plänen  der 
Bum-Bum-lnseln,  die  Sir  Edward  Belcher 
im  Jahre  1843  aufnahm,  nicht  einmal  an- 
gedeutet; und  da  die  Möglichkeit  des  Über- 
sehens wohl  ganz  ausgeschlossen  ist,  so  muß 
das  Riff  damals  mindestens  6 m tiefer  ge- 
wesen sein.  Das  ergiebt  eine  jährliche  Höhen- 
zunahme von  wenigstens  20  cm,  oder,  wenn 
man  die  Ausdehnung  des  ganzen  Korallen- 
feldes (193  qkm)  berücksichtigt,  eine  jährliche 
Vermehrung  der  Kalkmasse  um  ca.  39  Mill.  oamb\«-'lnlhiln(PaUUmote 
Kubikmeter.  Gruppe).  Höhen  und  Tiefen 

In  Bezug  auf  die  geographische  Ver-  in  Metern- 

breituug  unterscheiden  wir  Saumriffe  und 

selbständige  Riffe.  Die  einfachste  Form  der  Saumriffe  — 
so  genannt,  weil  sie  Festländer  oder  Inseln  umsäumen  — sind 
die  Küstenriffe,  die  sich  unmittelbar  an  das  Gestade  anschließen, 
mit  Ausnahme  jener  Stellen,  wo  die  Küste  zu  größeren  Tiefen 
abstürzt,  oder  wo  einmündende  Flüsse  oder  Strömungen  das 


Qä 

I.  T '«■!»»»  >■ . 


Fig.  192.  Bolabola-lnsel  (Gesellschafts-Gruppe)  mit  einem  Teile  ihres  Wallriffes 

nach  Darwin. 


Meerwasser  trüben.  Der  Außenrand  des  Riffes  ist  meist  etwas  er- 
höht, weil  hier,  wo  die  Nahrungszufuhr  am  reichlichsten  ist,  die 
Korallen  kräftiger  gedeihen  und  rascher  wachsen.  Von  dem  Außen- 
rande gegen  das  Land  hin  vertieft  sich  das  Riff  etwas  und  bildet 
einen  schmalen,  seichten  Kanal,  der  durch  das  von  den  Wogen 
hineingeschleuderte  Material  bald  ausgefüllt  werden  würde,  wenn 
nicht  eine  rückläufige  Strömung  aus  dem  Kanal  heraus  für 

36* 


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564 


Morphologie  des  Landes. 


seine  Reinhaltung  sorgte.  Die  Breite  der  Riffe  schwankt  zwischen 
ca.  45  und  90  m;  ihre  bei  Ebbe  kaum  bedeckte  Oberfläche  ist  hart 
und  glatt;  Inselbildungen  sind  selten.  Sehr  beträchtlich  ist  die  Ent- 
fernung zwischen  der  Küste  und  den  Wallriffen, x die  die  zweite 
Art  der  Saumriffe  bilden.  Besonders  bekannt  ist  das  Riff,  das  die 
Nordostküste  Australiens  in  einer  Entfernung  von  30 — 50,  stellen- 
weise von  80 — 140  km  und  in  einer  Länge  von  ca,  1770  km  be- 
gleitet; die  Tiefe  des  Kanals  zwischen  Riff  und  Küste  beträgt 
20 — 80  m,  und  steigert  sich  im  Süden  sogar  bis  110m.  Meist  sind 
es  aber  einzelne  Inseln  oder  Inselgruppen  aus  sedimentären  oder  vulka- 
nischen Gesteinen,  die  von  Wallriffen  umgeben  werden  (Fig.  191). 
Die  Tiefe  des  Kanals  variiert  hier  von  ein  paar  bis  über  hundert 
Meter.  Sein  Boden  ist  mit  Korallensand  und  -Schlamm  oder  mit  Riffen 
bedeckt.  Öffnungen  in  verschiedener  Anzahl,  oft  tief  genug,  um 
größeren  Schiffen  den  Eingang  zu  gestatten,  führen  aus  dem  Meere 
in  die  ruhige  Lagune,  die  dann  einen  natürlichen  Hafen  bildet. 
Der  Durchmesser  des  Riffes  schwankt  zwischen  5 und  47  km. 
Größere  und  kleinere  Inseln  bedecken  es,  aber  nur  selten  ist 
(wie  in  Fig.  192)  ein  beträchtlicher  Teil  des  Korallenbaues  in  Land 
verwandelt. 


Fig.  193.  Atoll  Otdia  (Marshall-Insel).  Tiefen  in  Metern. 


Ungefähr  dasselbe  gilt  auch  von  den  langgestreckten  Atollen 
oder  den  selbständigen  Korallenbildungen  der  Tiefsee,  aus  der  sie 
sich  steil  erheben  (Fig.  193).  In  der  Regel  umschließen  sie  eine  Lagune, 
die  nur  Lei  wenigen  kleinen  Atollen  fehlt,  d.  h.  wahrscheinlich  ausgefüllt 
ist.  Das  meist  von  mehreren  Öffnungen  unterbrochene  Riff  trägt  Inseln, 
die  an  der  Windseite  am  höchsten  sind;  nur  in  wenigen  Fällen 
(Fig.  194)  finden  wir  es  in  eine  vollständige  Ringinsel  verwandelt. 


x Andere  Benennungen  sind:  Barriere-,  Damm-  und  Kanalriffe. 


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Ursprüngliche  Inseln. 


565 


Auch  aus  der  bald  seichten,  bald  bis  zu  90  m tiefen  Lagune  steigen 
Inselchen  empor,  die  beispielsweise  in  den  nördlichen  Malediven  selbst 
wieder  kleine  Seen  klaren  Salzwassers  enthalten.  Fig.  195  stellt 
einen  Durchschnitt  durch  eine  Insel  dar.  ab  ist  eine  Terrasse  aus 
Korallenfels,  ungefähr  90  m breit  und  nur  bei  Ebbe  trocken.  Darüber 
erbebt  sich  2 — 2*/g  m hoch  und  gewöhnlich  250 — 360  m breit  die 
aus  Korallensand  aufgeschüttete  Insel,  die  die  tropische  Lebensfülle 
mit  einer  dichten  Pflanzendecke  bekleidet  hat  „Die  Unendlichkeit 


Fig.  194.  Pfingstinsel  (Paumotu-Gruppel  nach  Darwin. 

des  Ozeans,“  sagt  Dabwin,  „die  Wut  der  Wellen  im  scharfen  Gegen- 
sätze zur  niedrigen  Erhebung  des  Landes  und  zur  Glätte  des  hell- 
grünen Wassers  innerhalb  der  Lagune  kann  man  sich  kaum  vorstelleu, 
ohne  dies  alles  gesehen  zu  haben.“  Aber  nicht  alle  Koralleninseln 
sind  flach,  manche  haben  durch  eine  negative  Niveauveränderung 
eine  beträchtliche  Höhe  erlangt.  Daß  die  Existenz  der  niederen 


Fig.  195.  Querschnitt  durch  ein  Atoll  nach  Dana. 


Inseln  beständig  gefährdet  ist,  und  daß  wohl  kein  Jahr  vergeht, 
ohne  daß  eine  oder  die  andere  verschwindet,  ist  verständlich; 
und  anderseits  leuchtet  es  ein,  daß  Sturmfluten  hierzu  völlig  aus- 
reichen und  daß  die  Annahme  einer  positiven  Bewegung  ganz  über- 
flüssig ist. 

Theorie  der  Koralleninseln.  Wenn  man  aber  an  dieser  An- 
nahme hartnäckig  festhielt,  so  hat  dies  seinen  Grund  darin,  daß  sie 
eine  mächtige  Stütze  der  DABwraschen  Theorie  von  der  Entstehung 


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566 


Morphologie  des  Landes. 


der  Koralleninseln  bildete.  Dabwin  ging  von  der,  zu  seiner  Zeit 
auch  begründeten  Voraussetzung  aus,  daß  der  ozeanische  Steilabfall 
der  Atolle  und  Wallriffe  nur  von  Korallenmauern  gebildet  werden 
könne.  Man  gelangte  infolgedessen  zu  der  Vorstellung  von  einer 
bedeutenden  Mächtigkeit  der  Wallriffe  und  Atolle.  Für  die  ersteren 
suchte  man  in  einigen  Fällen  die  Mächtigkeit  zu  berechnen, x und 
fand  Beträge  bis  zu  600,  ja  bis  zu  1000  m und  darüber.  Bringt 
man  dieses  Resultat  in  Verbindung  mit  der  Thatsache,  daß  die 
Polypen  nur  bis  zu  einer  gewissen  Tiefe  leben  können,  so  kommen 
wir  notwendigerweise  zu  dem  Schlüsse,  daß  hier  eine  positive  Niveau- 
veränderung stattgefunden  hat,  daß  dieselbe  aber  so  langsam  war, 
daß  die  Fortführung  des  Korallenbaues  bis  an  den  Meeresspiegel 
damit  gleichen  Schritt  halten  konnte.  Jedes  Atoll  begann  nach 
dieser  Theorie  seine  Laufbahn  als  Küstenriff  um  eine  Insel,  wie 
es  Fig.  197  im  Durchschnitte  darstellt.  Steigt  das  Meeresniveau  von 
mm  auf  ni'rn"  oder  sinkt  der  Boden  um  denselben  Betrag,  so  er- 
höht sich  die  äußere  Korallenmauer  und  es  entsteht  zwischen  ihr 
und  dem  Gestade  ein  breiter  und  tiefer  Kanal.  Dauern  diese  Vor- 
gänge fort,  so  verschwindet  endlich  die  zentrale  Insel  und  wird  von 
Korallen  überwuchert;  aber  das  Atoll  behält  die  ursprüngliche  Form 
des  Wallriffes  bei,  und  der  Kanal  schließt  sich  zu  einer  Lagune 
zusammen.  Jedes  Atoll  ist  also  der  Leichensteiu  einer  begrabenen 
Insel. 

Was  bei  dieser  Theorie  zunächst  besticht,  ist  die  genetische 
Verknüpfung  der  verschiedenen  Riffbildungen,  die  ja  in  der  That 
alle  möglichen  Übergänge  selbst  in  verhältnismäßig  kleinem  Raume 
aufweisen.  Im  Fidschi- Archipel 8 repräsentiert  uns  Koro  das  erste 
Stadium,  das  eng  sich  anschmiegende  Küstenriff.  Ngau  ist  im 
Osten  von  einem  Küsten-,  im  Westen  von  einem  Wallriffe  begleitet 


* Da  es  wichtig  ist,  die  Rechuungsmethode  kennen  zu  lernen,  in  deren 
Resultaten  die  DARWiNSche  Theorie  eigentlich  ihre  Begründung  sucht,  so  möge 

hier  ein  Beispiel  von  Dana  folgen; 
ve~~. A Fig.  196 , in  der  die  ausge- 

zogenen Linien  dem  der  Be- 
obachtungen Zugänglichen , die 
punktierten  Linien  aber  dem  Hy- 
pothetischen entsprechen,  dient 
zur  Erläuterung.  Bekannt  ist 
nur  der  Böschungswinkel  tf,  und  die  Entfernung  (l)  der  Küste  von  dem  Außen- 
rand des  Riffes;  angenommen  wird  1)  daß  <p  — q 1 ; und  2)  daß  die  Inselböschung 
sich  als  eine  schiefe  Ebene  mit  gleichmäßigem  Gefälle  unter  dem  Meeres- 
spiegel tbrtsetzc.  m (Mächtigkeit  des  Riffes)  ist  dann  = ltg  qr.  Ist  Z = 1 engl. 
Meile  (1609,3  m)  und  </  = 8°,  so  ist  m = 226  m. 


Fig.  196.  Mächtigkeit  der  Korallenriffe. 


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Ursprüngliche  Inseln. 


567 


Im  benachbarten  Nairai  tritt  das  Riff  schon  allseitig  von  der  Küste 
zurück.  In  den  Exploring  Isles  ist  der  nichtkorallinische  Kern 
schon  stark  zusammengeschmolzen,  in  Yangasa  Cluster  sehen  aus 
der  Lagune  nur  noch  ein  paar  Spitzen  heraus;  Bukatatanoa,  die 
Ringgolds  Isles  u.  a.  sind  endlich  reine  Atolle.  Auch  das  Neben- 
einander verschiedener  Entwicklungsstadien  ist  mit  der  DARwmscheu 
Theorie  sehr  wohl  verträglich,  man  hat  nur  eine  ungleichmäßige 
Senkung,  eine  Verbiegung  des  Meeresbodens,  oder  eine  gleichförmige 
Niveau  Veränderung  eines  in  seinen  Erhebungen  rasch  wechselnden 
Geländes  anzunehmen.  Indes  giebt  es  auch  ungeheuere  Flächen, 
wo  die  Atollform  fast  ausschließlich  herrscht.  Im  Indischen  Ozean 


1.  Stadium.  C.Stadimn.  3.  Stadium. 


Küxrmnfr  (OP  W'allritT  t in»7  Atoll  uiAJ 

MÜÜfl  Jnsrt  ans  alnulktmisduni  Gestein  . 

SUM®  Korallfnbildnngm  . 

m nt  J/fw'jrjp/ij/rf  . 

I Lagune  . 

Fig.  197.  PARWlNsche  Riff-Theorie. 

bilden  die  Lakkadiveu,  Malediven  und  Tschagos  eine  meridionale 
Kette;  abseits  liegt  die  Saya  de  Malha-Bank.  In  der  Südsee  er- 
streckt sich  die  Atollzone  über  35  Breitengrade,  von  den  Carolinen 
über  die  Marshall-,  Gilbert-,  Ellice-,  Phönix-,  Tokelau-  und  Manihiki- 
gruppe  zur  Inselwolke  des  Paumotu.  Im  Süden  wie  im  Norden  be- 
grenzen sie  Gebiete  mit  vorherrschenden  Küstenriffen.  Auch  diese 
regionale  Anordnung  ist  der  I>ARWiNSchen  Theorie  im  hohen  Grade 
günstig. 

Aber  gerade  im  pazifischen  Atollgürtel  begegnen  wir  auch  ge- 
hobenen Korallenfelsen,  also  sicheren  Beweisen  einer  negativen  neben 
angeblichen  Zeichen  einer  positiven  Niveauveränderung.  Mit  Aus- 
fiüchten,  wie  daß  diese  Hebungen  „lokal“  oder  daß  sie  „vulkanisch“ 
seien,  ist  das  Problem  nicht  aus  der  Welt  geschafft.  Gerland  7 
sah  sich  jüngst  veranlaßt,  der  I)ARwiNschen  Hypothese  eine  neue 
hinzuzufügen,  um  die  erstere  zu  stützen,  indem  er  den  unterseeischen 
Vulkanen,  auf  deren  Gipfeln  die  Atolle  nach  seiner  Ansicht  auf- 
ruhen, die  sonst  unbekannte  Fähigkeit  zuschreibt,  einzeln  auf-  und 
abzuschwanken. 

Von  den  Schwierigkeiten,  die  die  Hebungen  boten,  ging  die 


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568 


Morphologie  des  Landes. 


Opposition  gegen  Darwin  aus,  die  besonders  Semper,  Rein,  Murray 
und  Guppy  vertreten.  Die  Anhänger  der  DARWiNschen  Theorie  geben 
übrigens  selbst  zu,  daß  diese  auf  die  Riffbildungen  der  Flachsee 
keine  Anwendung  findet.  Auf  Bänken,  die  sich  in  tropischen  Meeren 
bis  zur  Riffzone  erheben,  siedeln  sich  Korallen  an,  überziehen  krusten- 
artig den  Boden,  wachsen  in  die  Höhe,  aber  an  den  Rändern  kräf- 
tiger, als  in  der  Mitte,  und  so  entstehen  atollartige  Bildungen,  ohne 
jemals  Wallriffe,  und  Wallriffe,  ohne  jemals  Küstenriffe  gewesen  zu 
sein.  Die  westindischen  Gewässer,  die  Umgebung  der  Philippinen, 
die  Javasee,  die  Gegenden  nördlich  von  Madagaskar  und  an  der 
Nordwestküste  Australiens  sind  Heimstätten  solcher  Krustenriffe, 
wie  sie  jüngst  Pence:  getauft  hat. 

Warum  sollte  in  der  Tiefsee  nicht  ein  gleicher  Prozeß  sieb 
vollziehen?  Am  15.  Oktober  1885  entstieg  der  Südsee  unter  20°29'S.. 
175°211/2' W.,  wo  18  Jahre  vorher  eine  Untiefe  gelotet  worden  war. 
die  vulkanische  Falkeninsel.8  Als  das  britische  Kriegsschiff  „Egeria" 
sie  1889  untersuchte,  hatte  sie  durch  die  Meereswogen  schon  be- 
trächtlich gelitten,  an  der  Windseite  war  eine  Abrasionsplatte  ent- 
standen, und  man  darf  vermuten,  daß  die  Zerstörung  immer  weiter 
fortschreitet.  Die  Insel  verwandelt  sich  in  eine  seichte  Bank,  und 
ist  einmal  die  vulkanische  Kraft  erloschen,  so  ist  ein  Nährboden  für 
Korallen  geschaffen.  Hat  doch  auf  Krakatau  schon  6 Jahre  nach 
dem  verheerenden  Ausbruche  eine  Korallenkolonie  wieder  Fuß  ge- 
faßt!9 Auch  nichtvulkanische  Bänke,  örtliche  Sedimentanhäufungen, 
wie  man  meint,  hat  uns  die  Tiefseeforschung  der  letzten  Zeit  kennen 
gelehrt,  und  wir  haben  Beispiele  davon  schon  auf  S.  196  genannt. 
Auch  hier  wäre  in  einer  nicht  zu  fernen  Zukunft  die  Möglichkeit 
zur  Ansiedelung  von  Korallen  geboten. 

Was  hier  als  Möglichkeit  ins  Auge  gefaßt  wurde,  hat  sich  in 
der  That  schon  ereignet.  Die  364  m hohe  Weihnachtsinsel  (Christ- 
mas Island)  südlich  von  Java  ist  ganz  mit  Korallenkalk  überkleidet, 
der  Körper  der  Insel  besteht  wahrscheinlich  aus  vulkanischem  Ge- 
stein, von  dem  allerdings  nur  ein  Rollstück  gefunden  wurde. 10  Im 
Salomons- Archipel,  dessen  Untersuchung  wir  Guppy  verdanken,11 
ruht  Korallenkalk  entweder  auf  Foraminiferen-Kalkstein  oder  direkt 
auf  dem  vulkanischen  Kern.  Die  westindische  Insel  Barbadoes 
baut  sich  nach  Jukes-  Brown18  aus  drei  Etagen  auf:  die  unterste 
sind  Sandsteine  und  Thone,  ähnlich  dem  älteren  Tertiär  von  Trinidad: 
dann  folgt  verfestigter  Radolarien- und  Foraminiferenschlamm  (pliocän 
oder  nachpliocän)  und  endlich  Korallenriffe.  Wir  müssen  uns  daran 
erinnern,  daß  Foraminiferenablagerungen  nur  in  der  Tiefsee  ent- 
stehen; die  Salomonen  und  Barbadoes  stiegen  also  aus  der  Tiefsee 


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Ursprüngliche  Inseln. 


569 


in  die  Höhe,  gelangten  endlich  in  die  Korallenzone,  schließlich  an 
die  Oberfläche. 

Daran  kann  kein  Zweifel  sein:  Atolle  können  sich  auch  in  Ge- 
bieten ohne  jede  Niveauveränderung,  wie  in  solchen  mit  negativer 
Niveauveränderung  bilden.  Aber  damit  ist  die  ÜAEWiNsche  Theorie 
noch  immer  nicht  aus  ihrer  letzten  und  eigentlichen  Domäne  ver- 
drängt Es  handelt  sich  um  die  Erklärung  der  großen  Atollzonen 
und  der  Wallriffe. 

Der  Beweis  für  die  Senkung,  den  man  aus  der  Mächtigkeit  der 
Riffe  herleitet,  ist  indes  nicht  einwandfrei.  Allerdings  kommen  an 
Riffen  steile  Abstürze  vor  — an  der  Masämarhu-lnsel  (18°  49’  N. 
38 0 45’  0)  bis  zu  77 013  — , aber  gelegentlich  finden  sich  solche 
auch  bei  Vulkaneilanden.  Die  Mittelwerte,  die  Dietrich  14  berechnet 
hat,  zeigen  zwischen  vulkanischen  und  korallinischen  Inseln  keine 
sehr  erheblichen  Unterschiede,  um  so  größere  aber  zwischen  diesen 
beiden  Kategorien  und  den  Kontinentalinseln. x Die  Behauptung,  daß 
alle  steil  abfallenden  unterseeischen  Partien  gewachsener  Korallen- 
fels sind,  ist  bis  auf  weiteres  nur  Behauptung.  Wir  betonen  aus- 
drücklich „gewachsener“  Fels,  denn  wohl  ist  davon  zu  unterscheiden 
der  Kalkfels,  der  aus  einem  Gemische  von  Korallentrümmera  und 
den  Zuthaten  anderer  kalkabsondernder  Meeresorganismen  besteht. 
An  überseeischen  Riffen  ließe  sich  wohl  die  Mächtigkeit  prüfen,  nur 
darf  man  diese  nicht  ausschließlich  nach  der  Seehöhe  beurteilen. 
Das  Santa  Anna- Atoll  im  Salomonsarchipel  ist  bis  1 40  m gehoben, 
aber  die  korallinische  Kruste  kann  nach  der  Schätzung  Guppys 
nicht  viel  mächtiger  sein,  als  45  m.  Anderseits  können  aber,  wie 
Penck  treffend  hervorhob.  die  Beobachtungen  an  gehobenen  Inseln 
nicht  ohne  weiteres  auf  die  angeblich  sich  senkenden  angewendet 
werden.  Nur  Bohrungen  könnten  sicheren  Aufschluß  über  die  Mäch- 
tigkeit der  Korallenbildungen  geben,  aber  noch  immer  entbehrt  die 


x Tiefe 
m 

Kontinental- 

inscln 

Vulkaninseln 

Koralleninseln 

0—  200 

2°  55' 

10°  53' 

17°  22' 

(0—300  m) 

200—  500 

5 22 

13  40 

— 

500—1000 

6 

11  45 

11  3 

(300— 1000  ra) 

1000—1500 

6 

8 40 

11  32 

1500-2000 

6 14 

8 2" 

13  21 

2000—2500 

5 29 

7 24 

10  39 

2500—3000 

5 20 

8 9 

11  36 

3000—3500 

5 

9 7 

10  22 

3500—4000 

2 46 

9 23 

8 2 

4000—4500 

2 19 

8 24 

1 

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570 


Morphologie  des  Landes. 


Wissenschaft  dieses  Beweismittels.  Nur  ein  paar  Fälle  sind  uns 
bekannt  geworden.  In  der  Brandweinsbai  bei  Padang  auf  Sumatra 
wurde  das  Küstenriff  an  15  Stellen  durchbohrt,  als  man  mit  der 
Absicht  umging,  über  dasselbe  einen  Hafendamm  zu  legen.  An  der 
Küste  fällt  Andesit  unter  24°  in  das  Meer;  man  erwartete,  daß  das 
Kiff  auf  diesem  Gestein  aufruhe  und  die  übliche  Berechnungsweise 
(vergl.  S.  566  Anm:)  beß  in  340  m Entfernung  eine  Mächtigkeit 
von  etwa  150  m erwarten.  Dagegen  fand  man,  daß  es  selbst  mit 
seinem,  im  Schlamme  versunkenen  Fundamente  nirgends  über  15  m 
Tiefe  hinabreicht,  und  daß  der  Untergrund  nicht  durch  festes  Ge- 
stein, sondern  durch  weichen  vulkanischen  Schlamm  gebildet  wird.® 
Auf  der  Insel  Oahu  in  der  Hawaii-Gruppe  hat  man  Korallenfels  in 
Tiefen  (251  und  319  m im  James  Campbells  Brunnen)  gefunden. 15 
wo  er  nach  unseren  Erfahrungen  nicht  entstanden  sein  konnte;  hier 
hat  jedenfalls  eine  Senkung  stattgefunden.  Aber  weiter  ist  dadurch 
nichts  dargethan,  als  daß  Korallenbildungen  auch  auf  Böden  mit 
positiver  Niveauveränderung  Vorkommen  können. 

Während  Murray  die  Atolle  sich  selbständig  auf  unterseeischen 
Erhebungen  entwickeln  läßt,  sieht  auch  er  in  den  WaUriffen  Ab- 
kömmlinge von  Küstenriffen,  die  nach  auswärts  in  dem  Maße  fort- 
schreiten, als  sich  der  Meeresboden  durch  die  Anhäufung  zertrümmerten 
Korallenfelses  bis  zur  Riffzone  erhöht.  Die  so  häutig  beträchtliche 
Tiefe  der  Lagune  fährt  er  auf  die  chemische  und  mechanische  Erosion 
der  rückläufigen  Strömungen  zurück  — entschieden  der  schwächste 
Punkt  seiner  Theorie,  da  die  Beobachtung  mehr  auf  allmähliche  Zu- 
schüttung, als  auf  Ausbaggerung  der  Lagunen  schließen  läßt.  Aber 
auch  die  D.\RWiNselie  Theorie  erklärt  es  nicht  in  befriedigender 
Weise,  warum  die  Lagunen  der  Wallriffe  und  Atolle  mit  wenigen 
Ausnahmen  nicht  erheblich  über  die  untere  Grenze  des  Korallen- 
lebens hinabreichen,  während  an  der  Außenseite  das  Riff  oft  viele 
100  m sich  in  die  Meerestiefe  senken  soll.  Penck  nimmt  an,  daß 
zu  der  Zeit,  als  das  Meeresniveau  etwa  90  m tiefer  stand,  als  heute, 
eine  Ruhepause  eintrat,  die  das  vertikale  Wachstum  der  Korallen 
unterbrach,  aber  ihnen  gestattete,  sich  nach  innen  zu  auszubreiten. 

Auffallend  ist  auch  der  Mangel  des  Atlantischen  Ozeans  an 
Korallenbauten,  abgesehen  von  den  westindischen  Gewässern.  Er 
hat  keine  Wallriffe  und  nur  ein  einziges  Atoll:  die  Bermudas.  Er 
ist  aber  überhaupt  arm  an  ursprünglichen  Inseln,  im  Gegensätze  zum 
Reichtum  der  Südsee  zwischen  Asien  und  dem  130.  Meridian  west- 
lich von  Greenwich.  Die  Kartenbilder  dieses  Gebietes  sind  freilich  nicht 
ganz  wahrheitsgetreu.  Mit  Ausschluß  der  kontinentalen  Inseln  und 
der  beiden  größten  ozeanischen  (Hawaii  und  Viti-Levu)  haben  alle 


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Ursprüngliche  Inseln. 


571 


die  unzähligen  pazifischen  Inseln,  sowohl  hohe  als  niedere,  zusammen 
nur  einen  Flächeninhalt  von  28000  qkm,  d.  h.  nur  soviel  wie  Böhmen, 
I)a  sie  sich  auf  eine  Meeresfläche  von  wenigstens  37  Millionen  qkm 
verteilen,  so  kommt  durchschnittlich  auf  ca.  13000  qkm  Meer  1 qkm 
Land,  oder  — um  dies  an  einem  Beispiele  klar  zu  machen  — auf 
ein  Meer  von  der  Größe  Europas  ein  Land  von  der  Ausdehnung 
des  Großherzogtums  Hessen. 

Flora  und  Fauna."1  Entsteigt  eine  Insel  dem  Meere,  oder  wird 
die  Lebewelt  eines  abgegliederten  Festlandsstückes  durch  katastrophen- 
artige Ereignisse  vernichtet  — wie  auf  den  flachen  Halligen  an 
der  schleswigschen  Küste  durch  wiederholte  Sturmfluten  — , so  kann 
eine  Besiedlung  nur  durch  Einwanderung  erfolgen,  und  Flora  und 
Fauna  müssen  daher  viel  dürftiger  ausgestattet  sein,  als  dort,  wo 
ein  Stamm  ansässiger  Organismen  in  das  insulare  Dasein  berüber- 
genommen  wurde.  Auf  St.  Paul  im  Atlantischen  Ozean  fand  Dabwix 
keine  Vegetation,  nur  zwei  Vögel,  wenig  Insekten,  aber  zahlreiche  Spinnen. 
Auf  Ascension  haben  sich  zwar  schon  einige  Pflanzen  angesiedelt, 
aber  die  Flora  ist  doch  noch  recht  ärmlich.  Von  den  Tieren  sind 
die  Säuger,  mit  Ausnahme  der  fliegenden  und  schwimmenden, 
und  die  Lurche  fast  völlig  von  den  ursprünglichen  Inseln  aus- 
geschlossen. Ratten  und  Mäuse  sind  zwar  auf  den  Färöer,  den 
Galapagosinseln  und  den  Andamanen  heimisch;  aber  da  sie  dem 
Menschen  überallhin  folgen,  dürfen  sie  wohl  eingeführt  worden 
sein.  Auf  den  letztgenannten  Inseln  wurde  auch  eine  Schweine- 
art gefunden,  aber  die  Andamanen  sind  wahrscheinlich  vom  Fest- 
lande abgetrennt  worden,  da  die  südlichen  nach  Kunz  geologisch 
und  tioristisch  ganz  mit  der  Küste  von  Arakan  übereinstimmen. 
Aus  ihrer  kontinentalen  Vergangenheit  stammt  wohl  auch  ihre 
Amphibienfauna.  Sonst  bewohnen  einheimische  Lurche  nur  noch 
einige  westpolvnesischen  Inseln,  aber  alle  gehören  der  Baumfrosch- 
familie der  Polypedatidae  an.  Dagegen  sind  Landvögel  allgemein  ver- 
breitet. Einige  sind  mit  großer  Flugkraft  ausgestattet  — so  be- 
suchen alljährlich  17ü  nordamerikanische  Vögel  die  1100  km  ent- 
fernten Bermudas  — ; andere  werden  durch  Stürme  weithin  ver- 
schlagen. Dasselbe  widerfährt  in  noch  höherem  Grade  den  Insekten, 
die  überdies  noch  eine  Zeitlang  den  Wirkungen  des  Salzwassers 
widerstehen  können,  und  deren  Larven  und  Eier  auch  auf  schwimmen- 
den Pflanzen  weithin  transportiert  werden  können.  Eine  genaue 
Analyse  der  Käferfauna  von  Madeira  ergab,  daß  mit  wenigen  und 
gut  zu  erklärenden  Ausnahmen  nur  jene  europäischen  Käfer  fehlen, 
die  flügellos  sind  oder  eine  geringe  Flugkraft  besitzen.  Um  so  auf- 
fallender ist  hier  (wie  auf  den  Kerguelen)  die  ungewöhnlich  große 


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572 


Morphologie  des  Landes. 


Zahl  flügelloser  Insekten.  Darwin  hat  dies  durch  das  Prinzip  der 
natürlichen  Zuchtwahl  erklärt.  Bei  jenen  Insekten,  die  die  Flügel 
nicht  unbedingt  brauchen,  trat  eine  Verkümmerung  dieses  Organs  ein, 
da  sie  für  den  Aufenthalt  auf  einer  stürmereichen  Insel  förderlich 
war.  Bei  den  anderen  mußte  aber  aus  demselben  Grunde  das  Or- 
gan sich  stärker  entwickeln,  und  in  der  That  haben  die  geflügelten  Arten 
auf  Madeira  meist  größere  Flügel,  als  ihre  europäischen  Verwandten. 

Im  Gegensätze  zu  den  Vögeln  und  Insekten  werden  Kriechtiere 
und  Landschnecken  nur  zufälligerweise  über  die  See  verschleppt; 
aber  ihre  weite  Verbreitung  zeigt,  daß  diese  Zufälligkeiten  nicht 
allzu  selten  eintreten.  Reptilien  findet  man  mit  Ausnahme  der 
Azoren,  Madeiras,  der  Canaren,  Färöer  und  der  Revillagigedo-Gruppe 
fast  überall.  Seltener  scheinen  Landschnecken  Seereisen  zu  unter- 
nehmen, weshalb  gerade  in  dieser  Tierklasse  der  insulare  Endemismus 
so  stark  ausgebildet  ist. 

Pflanzen  verfügen  über  verschiedene  Transportmittel.  Winde  und 
Vögel  scheinen  dabei  die  wichtigste  Rolle  zu  spielen.  Manche  Samen, 
die  mit  borstigen  oder  stacheligen  Fortsätzen  versehen  sind,  bleiben 
am  Gefieder,  andere  in  Verbindung  mit  erdigen  Teilchen  an  den  Füßen 
der  Vögel  haften.  Noch  bedeutungsvoller  für  die  Pflanzenverbreitung 
erscheint  die  Eigentümlichkeit  dieser  Tiere,  manche  genossenen 
Früchte  unverdaut  wieder  auszuscheiden,  da  die  Keimkraft  des 
Samens  dadurch  nicht  nur  nicht  zerstört,  sondern  sogar  erhöht  wird. 
Sporen  und  kleine  Samen,  die  oft  nur  Hunderttausendstel  eines 
Grammes  wiegen,  können  durch  die  Winde,  — andere  Samen,  die 
durch  besonders  harte  Schalen  geschützt  sind  und  daher  auch  im 
Salzwasser  ihre  Lebensfähigkeit  bewahren,  durch  Meeresströmungen 
weithin  geführt  werden.  Die  Aquatorialströmung  brachte  die  ur- 
sprünglich amerikanische  Kokospalme  den  Inseln  der  Südsee  und 
verbreitete  sie  von  da  bis  nach  Madagaskar  und  zu  den  Seychellen. 
Im  übrigen  ist  aber  die  Flora  Polynesiens  ostindischer  Abkunft, 
also  wahrscheinlich  durch  die  äquatoriale  Gegenströmung  und  die 
rückläufigen  Passatströmungen  der  Luft  und  des  Meeres  verbreitet 
Madeira,  die  Canaren  und  Azoren  sind  durch  den  Passat  mit  Siid- 
europa  verbunden,  und  von  da  stammt  auch  ihre  Pflanzenwelt.  Die 
meisten  Gewächse  der  Bermudas  sind  mit  dem  Floridastrome  aus 
Westindien  eingewandert.  Eine  lokale  Strömung  von  der  Panama- 
bai zur  Nordostseite  der  Galapagosinseln  brachte  dorthin  zentral- 
amerikanische Pflanzen.  Tristan  d’Acunha  liegt  dem  Kaplande  um 
das  Doppelte  näher  als  dem  südamerikanischen  Kontinent,  mit  dem 
es  aber  westliche  Winde  und  Strömungen  floristisch  auf  das  engste 
verknüpfen. 


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Ursprüngliche  Inseln. 


573 


Im  allgemeinen  sind  aber  Pflanzenwanderungen  über  weite  oze- 
anische Strecken  doch  nur  zufällige  Ereignisse.  Sie  werden  um  so  öfter 
eintreten,  je  stürmischer  ein  Meer  ist,  wie  der  Reichtum  der  Azoren 
oder  der  Bermudas  im  Gegensätze  zu  der  Armut  der  Galapagos 
(an  Pflanzen  wie  an  Vögeln)  lehrt.  Aber  seihst  die  am  besten  aus- 
gestattete Flora  einer  ursprünglichen  Insel  ist  ärmlich  im  Vergleiche 
mit  den  Floren  der  Kontinente  und  selbst  der  festländischen  Bruch- 
stücke. Der  Umstand,  daß  jene  Eilande  nur  auf  spärliche  Almosen  ange- 
wiesen sind,  bewirkt  einerseits,  daß  die  Geschlechter  meist  nur  durch 
wenige  Arten  vertreten  sind,  und  begünstigt  anderseits  den  Eude- 
mismus.  Letzterer  ist  freilich  auch  von  dem  Alter  der  Insel  ab- 
hängig, wie,  unter  übrigens  gleichen  Umständen,  auch  die  Anzahl 
der  Arten;  vorausgesetzt  natürlich,  daß  nicht  Katastrophen  ver- 
nichtend eingriffen,  wie  der  große  Ausbruch  von  1883  auf  Krakatau. 
Die  Azoren  und  Madeira  besitzen  — wie  schon  oben  erwähnt  wurde 
— eine  mediterrane  Flora.  Auf  jenen  kommen  durchschnittlich  20, 
auf  dieser  85  Gefäßpflanzen  auf  je  100 qkm;  auf  jenen  sind  8,s,  auf 
dieser  15, 2 Prozent  endemisch,  und  die  eigentümlichen  Gewächse 
der  Azoren  sind  viel  näher  mit  den  europäischen  verwandt,  als  die 
Madeiras,  trotzdem  daß  die  erstereu  weiter  von  unserem  Erdteile 
entfernt  sind  als  die  letztgenannte  Insel.  Wir  müssen  daraus 
schließen,  daß  Madeira  älter  ist  als  die  Azoren.  Die  Bermudas 
sind  ein  junges  Atoll,  und  ihre  organische  Welt  stimmt  fast  ganz 
mit  der  nordamerikauischen  überein.  St.  Helena,  die  Hawaii- 
Gruppe,  die  Galapagos  sind  Beispiele  alter  Vulkane.  Die  letzteren 
haben  fast  nur  eigentümliche  Tierarten;  noch  größer  ist  der 
Endemismus  der  Hawaii-Inseln,  die  sogar  zwei  eigenthümliche 
Familien  (aus  den  Klassen  der  Vögel  und  Landschnecken)  be- 
sitzen; am  überraschendsten  ist  aber  der  Reichtum  an  eigen- 
tümlichen Formen  auf  St.  Helena,  obwohl  diese  Insel  sogar 
vom  Fürstentum  Liechtenstein  an  Ausdehnung  übertroffen  wird.  Das 
europäische  Element  seiner  merkwürdigen  Käferfauna  weist  darauf 
hin,  daß  die  Einwanderung  zu  einer  Zeit  erfolgte,  als  die  Winde 
und  Meeresströmungen  wesentlich  anders  vertheilt  waren  als  jetzt; 
und  ein  ähnliches  Resultat  liefert  die  Analyse  der  Flora  in  Bezug 
auf  die  südamerikanischen  Bestandteile.  Man  muß  noch  hinzu- 
fügen, daß  man  die  ursprüngliche  Flora  und  Fauna  nicht  einmal 
ganz  kennt.  Die  eingeführten  Ziegen  haben  den  Urwald  zerstört, 
und  infolgedessen  sind  auch  seine  einheimischen  Bewohner,  Vögel 
und  Insekten,  zum  großen  Teil  ausgestorben.  Dasselbe  Schicksal 
trifft  übrigens  jede  ozeanische  Insel,  sobald  der  Mensch  von  ihr 
Besitz  nimmt.  Er  führt  Nutztiere  und  Nutzpflanzen  ein,  ihnen 


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574 


Morphologie  des  Landes. 


folgen  auch  andere  Tiere  und  Unkräuter,  und  beide  verdrängen  die 
durch  den  langen  Inselfrieden  geschwächten  einheimischen  Organismen. 
So  haben  auf  den  Maskarenen  die  Zuckerpflanzungen  die  frühere 
Vegetation  fast  völlig  vernichtet,  so  beschränken  auf  Neuseeland  die 
siegreichen  englischen  Gräser  die  so  merkwürdige  alte  Flora  auf 
immer  kleinere  Flächen,  so  wurde  sie  auf  Madeira  durch  den  Wein, 
das  Zuckerrohr  und  den  Pisang  bis  auf  650  m Höhe,  und  auf  den 
Canaren  durch  den  Wein  und  die  Opuntien  bis  auf  1000  m Höhe 
zurückgedrän  gt. 

Litteraturnach weise.  1 Dölteh,  Die  Vulkangruppe  der  Pontinischen 
Inseln,  im  XXXVI.  Bde.  d.  Denkschriften  der  Wiener  Akad.  d.  Wiss.  fMatli.- 
naturwiss.  Klasse)  1875.  — * Dölteb,  Die  Vulkane  der  Capverden,  Graz 
1888.  — * Keilhack,  Beiträge  zur  Geologie  der  Insel  Island,  in  der  Zeitschrift 
der  Deutschen  geologischen  Gesellschaft,  1886.  — * Darwin,  Structure  and 
Distribution  of  Coral  Reefs,  London  1842  (neueste  Ausgabe  in  the  Camelot 
Series,  London  1890).  Dana,  Corals  and  Coral  Islands,  London  1875. 
Mdrbay,  On  the  Structure  and  Origin  of  the  Coral  Reefs;  im  X.  Bde.  der 
Proceedings  of  the  Royal  Society  of  Edinburgh  1879—80.  Über  die  weitere 
Litteratur  s.  Lanoenbeck,  Die  Theorien  über  die  Entstehung  der  Koralleninseln, 
Leipzig  1890.  — 5 v.  Lehnert,  Über  Landbildungen  im  Sundagebiet;  Deutsche 
Rundschau  für  Geographie,  1883,  Bd.  V.  — 6 S.  die  Karte  der  Fidschigruppe 
in  Petermanns  Mitteilungen  1882,  Taf.  8.  — 7 Gerland  cit.  S.  322.  — * S. 
Petermanns  Mitteilungen  1890,  S.  107.  — • Sluiter  in  der  Natuurkundig 
Tijdschrift  voor  Nederlandsch-Indiö,  1889,  Bd.  XLIX,  S.  360.  iDas  wichtige 
Profil  reproduzierte  ich  in  Petermanns  Mitteilungen  1891,  Litteraturbericht 
S.  46.)  — 70  Wharton,  Account  of  Christmas  Island;  in  den  Proceedings  of 
the  R.  Geographical  Society  of  London,  1888.  — 11  Guppy,  The  Salomon  Islands, 
London  1887.  — 18  Jukes-Brown  in  Nature.  1889,  Bd.  XLI.  S.  55.  — 77  S. 
Nature  1887,  Bd.  XXXVI,  S.  413.  — 74  Dietrich,  cit.  S.  207.  — 75  Vgl.  meinen 
Bericht  in  Petermanns  Mitteilungen  1889,  S.  200.  — 7S  Wallace  cit.  S.  560. 


Küstenformen. 

Haupttypen.  Die  Küstenformen  hängen  in  erster  Linie  von  dem 
Baue  des  Hinterlandes  ab:  erst  in  zweiter  Linie  kommen  jene  Vor- 
gänge in  Betracht,  die  wir  in  Kürze  als  Kampf  zwischen  Land  und 
Meer  um  die  Herrschaft  bezeichnen  können.  Es  sind  dies  An- 
schwemmungen der  Flüsse,  Anschwemmung  und  Zerstörung  durch 
das  Meer,  endlich  Niveauveränderungen,  die  sich  den  Obertiächen- 
gewalten  bald  hemmend,  bald  fördernd  zur  Seite  stellen. 

Verfolgen  wir  die  Umrisse  des  Landes  in  ihren  Hauptzügen,  und 
beginnen  wir  mit  den  pazifischen  Gestaden. 

Die  Westküste  Amerikas  begleitet  ein  großes  Faltengebirge,  das 
mit  allen  seinen  Biegungen  den  Verlauf  der  Küstenlinie  bestimmt 
Solch  eine  Küste  nennen  wir  eine  konkordante.  Auf  der  asiatisch- 


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Küistcnformen. 


575 


australischen  Seite  haben  wir  zunächst  zwischen  einer  Außen-  und 
einer  Innen küste  zu  unterscheiden.  Die  erstere  bilden  die  Insel- 
bogen von  den  Alöuten  bis  Neuseeland.  Auch  sie  ist  konkordant, 
und  insofern  hat  Süss  Recht,  wenn  er  die  Konkordanz  kurzweg 
als  pazifischen  Typus  bezeichnet.  Aber  die  kontinentale  Innenküste 
läßt  verwinkeltere  Verhältnisse  erkennen.  Am  Ochotskischen  und 
Japanischen  Meere  ist  sie  vorwiegend  konkordant,  dann  aber  tritt 
die  chinesische  Tiefebene  an  die  See  heran.  Wo  die  Umrisse  durch 
fiachgelagerte  Schichten  gebildet  werden,  kann  natürlich  von  einer 
bestimmten  Streichrichtung  nicht  die  Rede  sein;  es  entsteht  eine 
neutrale  Küste.  Südlich  vom  Jangtse-Kiang  herrscht  wieder  Ge- 
birgsküste,  aber  die  Küstenlinie  läuft  nicht  mehr  parallel  dem  Ge- 
birge, sondern  schneidet  es  unter  einem  spitzen  Winkel,  so  daß  das 
Meer  abwechselnd  die  Ausläufer  der  Ketten  und  die  Längsthäler 
bespült.  Das  ist  der  Charakter  des  dritten  Haupttypus:  der  dis- 
kordanten Küste. 

Im  Bereiche  des  Indisch-Atlantischen  Ozeans  ist  die  Diskordanz 
vorherrschend;  Süss  bezeichnete  dies  als  atlantischen  Küstentypus. 
Die  große  Gebirgszone  der  alten  Welt  erreicht  das  indische  Gestade 
nur  in  Hinterindien  und  Iran,  gegen  den  Atlantischen  Ozean  streicht 
sie  senkrecht  aus.  Senkrecht  dazu  gestellt  sind  auch  die  alten 
Faltenzüge  der  europäischen  Westhälfte,  nur  im  nördlichen  Skandi- 
navien verläuft  die  Küste  nahezu  parallel  mit  dem  Streichen  der 
Schichten,  und  ebenso  im  nördlichen  Spanien,  soweit  das  Cantabrische 
Gebirge  reicht.  Vielleicht  kann  auch  die  Küste  Niederguineas  als 
konkordante  aufgefaßt  werden.  Denselben  Charakter  trägt  auch 
die  Küste  Brasiliens  zwischen  Rio  Janeiro  und  Pernambuc.o  und 
die  Neuschottlands.  In  Westindien  wiederholt  sich  die  Doppelküste 
Ostasiens  mit  einem  äußeren  konkordanten  Faltenrande.  Im  großen 
und  ganzen  werden  aber  die  Grenzen  des  Atlantischen  und  Indischen 
Ozeans  mehr  durch  Bruchlinien,  als  durch  Falten  bestimmt;  daher 
tritt  die  Bogenform  zurück  und  geradlinige  und  geknickte  Umrisse 
herrschen  vor.  Die  verschiedenen  Typen  lösen  sich  im  bunten 
Wechsel  ab,  im  schroffen  Gegensätze  zu  der  Einförmigkeit  der 
amerikanischen  Westküste.  Im  Mittelmeere  finden  wir  konkordante 
Küsten  in  größerer  Ausdehnung,  wie  die  zu  beiden  Seiten  der  Adria, 
das  pontische  Südgestade,  die  Atlasküste.  Die  phönizische  Küste 
liefert  uns,  wie  die  Westküste  Vorderindiens,  ein  anderes  Beispiel 
von  Konkordanz;  auch  hier  zieht  sich  entlang  der  Küste  ein  Ge- 
birge, aber  kein  Falten-,  sondern  im  ersteren  Falle  eine  Art  Flexur-, 
im  letzteren  entschieden  ein  Bruchgebirge. 

Im  arktischen  Gebiete  scheint  der  neutrale  Typus  vorzuherrschen. 


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576 


Morphologie  des  Landes. 


Detailformen.  Wir  haben  auf  S.  416  nach  dem  Vertikalprofile 
Steil-,  Flach-  und  Strandküsten  unterschieden.  Die  neutrale  Küste 
kann  in  allen  drei  Formen  auftreten,  und  damit  kombiniert  sich 
eine  große  Mannigfaltigkeit  in  den  horizontalen  Umrissen.  Sie  in 
ein  System  zu  bringen,  wäre  jetzt,  wo  noch  so  wenige  darauf  be- 
zügliche Vorarbeiten  vorhanden  sind,  ein  müßiges  Beginnen.  Wir 
können  allenfalls  zwei  Hauptkategorien  aufstellen:  die  glatten  und 
die  gebuchteten  Küsten.  Die  einfachste  Form  der  glatten  Küste 
ist  die  geradlinige,  wie  sie  uns  in  der  Flachküste  der  Landes 
und  in  der  Steil-  und  Strandküste  der  Normandie  entgegentritt.  In 
flachen  Bogen,  guirlandenfbrmig,  umsäumt  dagegen  das  deutsche 
Flachland  die  Ostsee.  Glatte  Formen  deuten  immer  auf  An- 
schwemmung hin,  gebuchtete  wenigstens  häufig  auf  eine  marine 
Strandverschiebung.  Die  unregelmäßige  kleinbuchtige  Gestalt,  die 
die  französische  Küste  nördlich  der  Gironde  annimmt,  ist  sicher 
darauf  zurückzuführen;  dafür  zeugen  schon  die  abgegliederten  Inseln 
Olöron  und  R6.  Welche  Bewandtnis  es  dagegen  mit  der  Entstehung 
der  großbuehtigen  Neutralküsten  Patagoniens  und  Sibiriens  hat, 
ist  noch  unbekannt.  Einen  Übergang  zwischen  glatten  und  gebuch- 
teten Formen  zeigt  uns  die  Boddenküste  Vorpommerns  und 
Mecklenburgs.  Die  Bodden  fallen  schon  auf  Karten  kleineren  Maß- 
stabes durch  ihre  abenteuerlich  zerlappten  Formen  auf;  sie  sind 
ohne  Zweifel  Eroberungen  des  Meeres,  aber  zum  Teil  noch  recht 
unvollständige,  und  in  diesem  Falle  entstehen  Doppelküsten.  So 
bilden  die  Halbinsel  Darß  und  die  kaum  davon  getrennte  Insel  Zingst 
die  geradlinige  Außenküste,  hinter  der,  nur  durch  schmale  Zugänge 
erreichbar,  die  zerfetzte  Boddenküste  von  Barth  und  Ribnitz  liegt. 
Den  umgekehrten  Entwicklungsgang  nahm  die  Haffküste  Preußens. 
Die  Haffe  sind  alte  Buchten,  die  durch  Nehrungen  abgeschlossen 
wurden.  Aus  der  gebuchteten  Küste  entsteht  eine  geradlinige 
Doppelküste,  wenn,  wie  in  Preußen,  das  Haff  vom  Meere  aus  noch 
zu  erreichen  ist,  oder  eine  geradlinig  geschlossene  Küste,  wenn,  wie 
in  Hinterpommern,  die  Haffe  völlig  in  Strandseen  vorwandelt  sind. 
Doppelküsten  dieser  Art  gehören  zu  den  häufigsten  Erscheinungen. 
In  Oberitalien  heißen  die  abgesperrten  Buchten  Lagunen,  in  Siid- 
rußland  Limane,  und  man  hat  den  Vorschlag  gemacht,  den  letzteren 
Namen  auf  alle  jene  Buchten  zu  übertragen,  die  im  Gegensätze  zu 
den  langgestreckten  Haffen  und  Lagunen  senkrecht  in  die  Küste 
einschneiden. 

Eine  andere  Form  der  neutralen  Doppelküste,  die  an  ein  be- 
wegtes Meer  mit  kräftigen  Gezeiten  gebunden  ist,  ist  die  Watten- 
küste. An  der  Westseite  der  jütischen  Halbinsel  können  wir  den 


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Küstenformen. 


577 


Übergang  aus  der  gebuchteten  Doppelküste  verfolgen.  Dünen  be- 
gleiten sie  von  der  Nordspitze  bis  Blaavands  Huk,  einige  bodden- 
oder  limanartige  Buchten  werden  abgesperrt.  Von  Fanö  an  ist  die 
Dünenkette  zu  Inseln  zersplittert,  die  dahinter  liegenden  Buchten 
sind  geöffnet;  das  niedrige  Marschland,  das  einst  durch  die  Dünen- 
kette geschützt  war,  wird  zur  Flutzeit  überschwemmt.  Zwischen 
Heverstrom  und  Wangeroog  fehlt  die  insulare  Außenküste,  und  die 
geschlitzten  Konturen  der  Festlandsküste  zeugen  von  der  Macht  der 
Nordseebrandung.  Dann  folgt  die  friesische  Doppelküste  bis  Texel, 
glatt  bogenförmig  an  der  Außen-,  mehrfach  gebuchtet  an  der 
Innenseite. 

Geradlinig  oder  bogenförmig  ist  auch  die  konkordante  Küste, 
zwar  wenig  gegliedert,  wie  die  cantabrische  Küste  oder  die 
Ostküste  Italiens  von  Pesaro  bis  Punta  della  Penna,  aber  doch 
nicht  so  glatt,  wie  neutrale  Küsten.  Kleine,  rundliche  Buchten  hat 
uns  Theobald  Fischeb  an  der  algerischen  Küste  kennen  gelehrt, 
kleine,  zackige  Einschnitte  finden  sich  häufig  an  der  japanischen. 
Ab  und  zu  dringt  das  Meer  tiefer  ein,  wo  ein  Einsturzbecken  den 
Verlauf  des  Litoralgebirges  unterbricht,  oder  schafft  ein  sediment- 
reicher Fluß  ein  vorspringendes  Deltaland.  Die  ursprüngliche  Ge- 
stalt kann  aber  erheblich  verändert  werden.  Die  Vorsprünge  werden 
durch  die  Brandung  zerstört,  die  Buchten  mit  Hilfe  der  Küstenver- 
setzung oder  durch  anwachsende  Deltas  ausgefüllt,  Flach-  und  Steil- 
küsten wechseln,  die  Küstenlinie  wird  geglättet,  oder  es  werden 
durch  landfest  gewordene  Felseninseln  neue  Buchten  gebildet,  wie 
die  herrliche  Bai  von  Kadzusa,  in  deren  Nähe  Japans  Hauptstadt 
liegt.  Das  ist  die  Form  der  Ausgleichs-,  oder  besser  gesagt,  der 
ausgeglichenen  Küste.  An  der  toskanischen  Küste  hat  sich  diese 
Umwandlung  zum  Teil  erst  im  Laufe  der  geschichtlichen  Zeit  voll- 
zogen. An  die  Stelle  der  großen  Buchten  von  Pisa  und  Grosseto 
trat  sumpfiges  Schwemmland,  und  der  Mte.  Argentario,  das  Gebirge 
von  Piombino  und  die  Monti  dell’  Uecellina  führen  uns  die  verschiede- 
nen Stadien  im  Verlandungsprozesse  von  Inseln  vor  Augen.  Dieser 
Buchtenreichtum  könnte  an  einer  konkordanten  Küste  auffallen,  aber 
man  muß  beachten,  daß  die  italienische  Küste  an  der  Innenseite 
eines  Faltengebirges  liegt,  wo  große,  kesselförmige  Einbrüche  nicht 
selten  sind.  Die  Golfe  von  Gaeta,  Neapel,  Salerno  und  Policastro 
sind  noch  erhalten,  obwohl  an  der  Ausgleichung  gearbeitet  wird. 
Auch  die  Westküste  Koreas  ist  viel  gegliederter,  als  die  Ostküste. 

Am  gegliedertsten  ist  aber  die  diskordante  Kiiste.  Berge, 
Thäler,  selbst  größere  Ebenen  treten  im  bunten  Wechsel  an  das 
Meer  heran,  und  in  demselben  Maße  wechselt  auch  das  Spiel  von 

Supah,  Physische  Erdkunde.  2.  Aud.  37 


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578 


Morphologie  des  Landes. 


Zerstörung  und  Landbildung.  Im  allgemeinen  entsprechen  die 
Buchten  den  Hohlformen  des  Geländes  und  die  Vorsprünge  den 
abgeschnittenen  Gebirgen;  doch  werden  auch  durch  Einbrüche  große 
Buchten  gebildet  Den  höchsten  Grad  der  Gliederung  erreicht  die 
Küste  im  Umkreise  des  jugendlichen  Agäischen  Meeres,  wo  ostwest- 
lich streichende  Faltenzüge  stückweise  in  die  Tiefe  sanken.  Aber 
auch  im  Bereiche  der  diskordanten  Küste  kann  Ausgleichung 
ointreten,  und  dann  können  glatte  Küsten  entstehen,  wie  es  die 
portugiesische  ist,  oder  die  Ostküste  Vorderindiens  oder  die  süd- 
amerikanische Küste  vom  Kap  S.  Roque  bis  zum  Orinoco,  wo  die 
Flußsedimente  mit  Hilfe  der  Küstenversetzung  in  merkwürdig  gleich- 
mäßiger Weise  angeschwemmt  werden. 

Thalbuchten.  Unter  dieser  Bezeichnung  fassen  wir  vorläufig 
alle  thalartigen  Buchten  zusammen,  die  unter  einem  rechten  oder 
steilen  Winkel  in  das  Land  einschneiden,  sich  meist  auch  oberseeisch 
in  einem  Thale  fortsetzen,  und  in  der  Regel  gesellig  auftreten.  Sie 
sind  nicht  an  eine  von  den  drei  genannten  Hauptkategorien  ge- 
bunden, aber  ihre  kräftigste  Entwicklung  finden  sie  an  Gebirgs- 
küsten. 

Die  bekanntesten  Thalbuchten  sind  die  Fjorde.2  In  Verbindung 
mit  dichten  Schwärmen  von  Felseneilanden  bestimmen  sie  den 

Küstencharakter  auf  weite 
Strecken.  Die  Küstenent- 
wicklung erreichthierihren 
Höhepunkt,  ist  doch  z.  B. 
die  wirkliche  Länge  der 
norwegischen  Küste  7 mal 
und  die  der  Küste  von 
Maine  sogar  13  mal  größer 
als  die  in  gerader  Linie  ge- 
messene. Ein  mehr  oder 
minder  scharf  ausgesprochener  Parallelismus  in  der  Anordnung  der 
Einschnitte  und  Inseln  verleiht  zwar  der  Fjordküste  eine  gewisse 
Eintönigkeit,  im  einzelnen  aber  herrscht  große  Mannigfaltigkeit. 
Den  extremsten  Typus  stellt  der  norwegische  Lysefjord  dar.  Er 
ist  bei  einer  Länge  von  41  km  nur  600 — 1900  m breit,  und  seine 
Felswände  erheben  sich  senkrecht  oder  stellenweise  sogar  über- 
hängend bis  ca.  950  m Höhe.  Dagegen  begrenzen  den  größten  Teil 
des  Kristiania-  und  den  südlichen  und  östlichen  Teil  des  Trondhjem- 
fjordes  sanft  ansteigende  Böschungen.  Die  Thalform  zeigt  in  drastischer 
Weise  der  187  km  lange  Sognefjord  (Fig.  198),  ein  aus  einem  Haupt- 
und  mehreren  Nebenlj  orden  bestehendes  System.  Die  Vereinigung 


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Küsteuformen. 


579 


melirerer  Fjorde  zeigt  auch  Fig.  199.  Iin  Trondhjemfjord  (Fig.  200) 
tritt  der  Parallelismus  der  Wände  schon  etwas  zurück,  und  noch 
mehr  im  Laxefjord  (Fig.  201).  Aber  dasselbe  ist  ja  auch  bei  Thälern 
der  Fall,  die  sich  bald  verengen,  bald  erweitern.  Würde  das  Meer 


Fig.  199.  Fjorde  bei  Kristiansund 
(Norwegen). 


Fig.  200.  Trondhjeui- Fjord 
(Norwegen). 


Fig.  201.  Laxe- Fjord  (nördl. 
Norwegen). 


Fig.  202.  Fiske-  und  Aniggok-Fjord 
(West-Grönland). 


bis  zu  einer  Höhe  von  500  m die  Nordalpen  überfluten,  so  würde 
die  keilförmige  Thalhucht  von  Salzburg  eine  ähnliche  Fjordgestalt 
annehmen,  wie  der  Laxefjord.  Es  kann  kein  Zweifel  sein,  daß  die 
Fjorde  untergetauchte  Thäler  sind.  Zwar  scheint  dagegen  zu 
sprechen,  daß  viele  Fjorde  sich  an  ihrem  Ausgange  in  mehrere  Arme 
teilen  (s.  Fig.  199  und  202),  allein  schon  Hartung  hat  diese  Eigen- 
tümlichkeit befriedigend  erklärt.  Zwischen  den  1000  m und  darüber 
hohen  Bergen  Norwegens  führen  tiefeingesenkte  flache  Pässe  (Eide) 
aus  einem  Thale  in  das  in  entgegengesetzter  Richtung  verlaufende. 

37* 


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580 


Morphologie  (leg  Landes. 


Überstieg  (1er  Betrag  der  positiven  Niveauveräuderung  die  Seehöhe 
der  Eide,  die  in  manchen  Fällen  nicht  einmal  100  m beträgt,  so 
mußten  mehrere  Thäler  zu  einem  einzigen  Fjordensystem  ver- 
schmelzen, dessen  Arme  Gebirgsinseln  einschließen.  Ein  ähnlicher 
Vorgang  ist  übrigens  schon  beobachtet  worden.  Auf  der  Insel 
Caviana  im  Mündungsgebiete  des  Amazonas  gab  es  zwei  entgegen- 
gesetzt laufende  Flüsse.  1850  drang  die  Flut  zum  erstenmal  in 
den  östlichen  Fluß  ein  und  überschritt  die  Wasserscheide.  Dieser 
Vorgang  wiederholte  sich  öfter,  bis  endlich  die  Insel  durch  einen 
Meeresarni  in  zwei  Teile  getrennt  war.  Auf  gebirgigem  Terrain 

entstehen  so  Fjordstraßen  mit  parallelen  Wänden,  wie  bei- 
spielsweise der  Matotschkin  Scharr  zwischen  der  Nord-  und  Süd- 

insel von  Nowaja-Semlja.  Fjorde,  Fjordstraßen,  Fjordinseln  sind  zu- 
sammengehörige Phänomene. 

Besonders  charakteristisch  sind  für  die  Fjorde  ihre  unterseeischen 
Formen.  Im  Querprofil  haben  sie  eine  trogförmige,  im  Längsprofil 
eine  beckenförmige  Gestalt.  Der  Boden  des  Sognefjordes  senkt 
sich  von  seinem  obern  Ende  unter  einem  Winkel  von  0°39'  bis  zu 
einer  Tiefe  von  1242  m und  hebt  sich  dann  wieder  uuter  einem 
Winkel  1°2'  bis  158  m Tiefe.  Diese  Schwelle  fällt  bald  mit  dem 
unteren  Ende  des  Fjordes  zusammen,  bald  liegt  sie  oberhalb  im 
Fjorde  selbst,  bald  unterhalb  im  vorliegenden  Meere.  In  den 

meisten  Fällen  sind  aber  mehrere  Becken  vorhanden  und  in  ihrem 
gegenseitigen  Verhältnisse  zeigt  sich  eine  große  Mannigfaltigkeit.  Der 
Howe-Sund  in  Britisch  Columbia  zerfällt  in  zwei  nahezu  gleich  große 
und  gleich  tiefe  Becken,  der  Hardanger  Fjord  in  Norwegen  in  5,  die 
ebenso  wie  die  Schwollen  nach  außen  zu  immer  seichter  werden, 
der  Loch  Hourn  in  Schottland  beginnt  mit  einer  Reihe  kleiner 
Becken  und  endet  mit  einem  großen. x Die  Tiefenunterschiede  sind 
manchmal  nicht  bedeutend,  aber  stets  ist  das  Vormeer  seichter  als 
die  Fjorde  (vgl.  Fig.  58,  S.  265).  Wenn  wir  oben  die  Fjorde  nach 
ihrer  überseeischen  Gestalt  als  untergetauchte  Thäler  bezeichnen 
konnten,  so  können  wir  sie  jetzt  auf  Grund  ihrer  unterseeischen  Formen 
als  untergetauchte  Thalseen  betrachten.  In  dieser  Schluß- 
folgerung werden  wir  unterstützt,  wenn  wir  wahrnehmen,  daß  das 
Thal,  welches  den  Fjord  überseeisch  fortsetzt,  noch  Seen  beherbergt, 
die  mit  ihrer  langgestreckten  Gestalt  und  ihren  steilen  Gehängen 
völlig  den  Fjorden  gleichen.  Manche  solcher  Fjordseen  sind  in 
Schottland,  Norwegen  u.  s.  w.  vorhanden,  viele  freilich  sind  auch 
schon  verschüttet.  Auch  ins  offene  Meer  hinaus  können  wir  manch- 

x Anm.  x auf  S.  581. 


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Küstenformen. 


58  t 


mal  den  Fjord  als  Kinne  verfolgen  und  selbst  diese  läßt  noch  eine 
Trennung  im  Becken  erkennen.  * x 

In  ihrer  strengsten  Form  ist  die  Fjordküste  auf  höhere  Breiten 
beschränkt  Die  atlantische  Seite  des  skandinavischen  Massivs,  West- 
Schottland  und  das  nordwestliche  Irland,  die  arktischen  Inseln, 
Grönland,  Neufundland  und  Labrador,  endlich  die  Westküste  Nord- 
amerikas von  Alaska  bis  zur  Juan  de  Fucastraße  sind  die  wichtig- 
sten Fjordbezirke  unserer  Halbkugel.  Auf  der  Südhemisphäre  sind 
die  Westküsten  Patagoniens  und  der  neuseeländischen  Südinsel  uud 
die  in  höheren  Breiten  gelegenen  Inseln  zu  nennen.  Der  Zusammenhang 
mit  der  diluvialen  Eisverbreitung,  den  zuerst  Dana  erkannte,  liegt  auf 
der  Hand  und  bietet  auch  nichts  auffälliges,  wenn  wir  uns  ins 
Gedächtnis  zurückrufen,  daß  gerade  die  alten  Gletschergebiete  außer- 
ordentlich reich  an  Seen  sind.  Nur  muß  man  dabei  zwei  Fragen 
auseinandorhalten : 1)  die  Entstehung  der  Beckenform;  in  dieser 
Beziehung  haben  die  verschiedenen  Theorien  über  die  Genesis  der 
Seebecken  auch  auf  die  Fjorde  Anwendung  gefunden;  2)  das  Unter- 
tauchen. Diese  letztere  Erscheinung  steht  zur  Eiszeit  in  keiner 
Beziehung,  sondern  ist  ein  Phänomen  von  allgemeiner  Verbreitung. 

Auch  die  Fjorde  sind  nicht  ein  völlig  abgeschlossener  Gestaltungs- 
kreis. Man  spricht  von  Fjorden  an  der  Küste  von  Maine  und  Neu- 
schottland und  sogar  an  den  Ufern  der  canadischen  Seen,  aber  die 
Beckenform  ist  hier  nur  schwach  ausgeprägt.  Das  mag  zum  Teil 
wohl  auf  spätere  Zuschüttung,  wofür  hier  auch  geschichtliche  Zeug- 


x Howe-Sund  H arda  uger- Fjord  Loch  Hourn 


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203 

Ende 

— 

— 

x * 7..  ft.  die  Fortsetzung  des  Stör-  und  Stilefjords  in  Norwegen  02'/**  B 

(h.  die  schöne  Karte  von  Sasulkr  in  Pbtermanns  Mitteilungen  1890,  Taf.  16). 


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582 


Morphologie  des  Landes. 


nisse  vorliegen,  zurückzuführen  sein,  denn  nur  jene  Fjorde  erhalten 
sich  rein,  deren  Zuflüsse  sich  ihrer  Sedimente  in  einem  oberhalb 
gelegenen  See  entledigt  haben.  Aber  selbst  in  jenen  Teilen,  wo  das 
Lot  auf  felsigen  Grund  stieß,  sind  die  Mainefjorde  meist  Hach;  auch 
ist  zum  Unterschiede  von  anderen  Fjordgebieten  die  Umgebung 
niederes  Hügelland,  dagegen  ist  der  Parallelismus  deutlich  entwickelt. 
Die  Ostseeküste  der  skandinavisch-finnischen  Rumpfscholle  zeigt  eine 
Art  der  Gliederung,  die  sich  wieder  einen  Schritt  weiter  von  den 
echten  Fjorden  entfernt  Sie  erscheint  wie  zerschlitzt;  zahllose  kleine, 
schmale  Einschnitte,  die  sogenannten  Fjärde,  dringen  mehr  oder 
weniger  tief  in  das  niedrig  gelegene  Küstenland  ein,  zum  Teil  mit 
beckenartigem,  zum  Teil  mit  einfach  abfallendem  Thalboden.  An  vielen 
Stellen  ist  der  äußere  Kiistenrand  in  hunderte  von  kleinen  Felseninseln 
(Schären)  zersplittert,  aber  meist  in  regelloser  Weise,  nicht  in  paral- 
leler Anordnung,  wie  die  Fjordinseln.  An  den  Neutralküsten  Ost- 
jiitlands  und  der  dänischen  Inseln  begegnen  wir  den  vielgestaltigen  För- 
den,x bald  breiten,  bald  schmalen  Thalbuchten,  von  denen  die  ersteren 
sich  dadurch  auszeichnen,  daß  das  tiefe  Fahrwasser  bis  an  die  Spitze 
der  Bucht  reicht  Haas  erklärt  die  schleswig-holsteinischen  Förden 
für  Erosionsthäler  der  Interglazialzeit,  die  das  vordringende  Eis  der 
zweiten  Glazialzeit  erweitert  und  vertieft  hat.3 

Bis  jetzt  haben  wir  uns  innerhalb  der  diluvialen  Binneneisgrenzen 
gehalten.  Außerhalb  derselben  liegen  die  teils  gewundenen,  teils 
keilförmigen  Thalbuchten  der  diskordanten  Küsten  des  südwestlichen 
Irlands,  Cornwallis,  der  Bretagne.  Galiciens  und  Südchinas,  die  v. 
Richthofen  unter  dem  galizischen  Namen  Rias  zusammenfaßte. 
Ihr  hauptsächlichster  Unterschied  von  den  Fjorden  besteht  darin, 
daß  ihr  Boden  in  der  Regel  allmählich,  ohne  Unterbrechung 
durch  beckenartige  Einsenkungen  in  das  Meer  verläuft.  Auch  sie 
sind  Fortsetzungen  oberseeischer  Thäler,  aber  ihre  eigentliche  Aus- 
gestaltung und  Vertiefung  erklärte  Rütimeyeb4  auf  Grund  seiner 
Studien  in  der  Bretagne  für  ein  Werk  der  Meereserosion.  Man  hat 
auch  auf  die  sechs  Keilbuchten  im  südwestlichen  Irland  (Kerry  und 
Cork)  hingewiesen,  die  genau  den  Karbonkalkmulden  entsprechen, 
während  der  widerstandsfähigere  devonische  Sandstein  die  dazwischen 
befindlichen  Halbinseln  bildet.  Eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  Fluß- 
ästuarien läßt  allerdings  vermuten,  daß  bei  der  keilförmigen  Erwei- 
terung die  Flutwelle  mit  im  Spiele  ist,  aber  für  die  engen,  gewun- 
denen Rias,  wie  das  Odet  in  der  Bretagne,  reicht  diese  Erklärung 

x In  Dänemark  Fjorde  genannt.  Manche  derselben  sind  aber  unzweifel- 
haft nichts  anderes  als  Bodden,  wie  z.  B.  der  Albuenfjonl  auf  I.aaland. 


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Küstenformen. 


583 


sicher  nicht  aus,  abgesehen  davon,  daß  an  der  diskordanten  Küste 
Istriens,  wie  an  der  konkordanten  Küste  Dalmatiens,  also  in  einem  fast 
gezeitenlosen  Meere,  der  Riastypus  in  der  schönsten  Weise  entwickelt 
ist  So  ist  z.  B.  der  Canale  di  Lerne  1 2 km  lang  und  nur  1/i  km  breit, 
und  die  berühmte  Bocche  di  Cattaro  ähnelt  in  ihrer  Gestalt  dem 
Eisfjorde  auf  Spitzbergen  und  ist  am  Eingänge  auch  unterseeisch 
durch  eine  kleine  Schwelle  abgeschlossen. 

Indem  wir  die  Thalbuchten  als  untergetauchte  Thalenden  auf- 
fassen, erblicken  wir  in  ihnen  ein  ebenso  wichtiges  Dokument  für 
positive  Niveauveränderungen,  wie  in  den  abgegliederten  Halb- 
inseln, in  den  Kontinentalinseln,  vielleicht  auch  in  den  Wallriften 
und  Atollanhäufungen.  Allerdings  finden  wir  gerade  in  dem  Bereiche 
der  Fjordküsten  auch  Anzeichen  einer  negativen  Niveauveränderung, 
aber  diese  hat  noch  nicht  einen  so  hohen  Betrag  erreicht,  um  den 
Effekt  der  älteren,  entgegengesetzten  Bewegung  auszulöschen. 

Natürliche  Seehäfen  und  Meeresstrassen.  Vom  verkehrsgeo- 
graphischen Standpunkte  aus  hat  v.  Richthofen  die  konkordanten 
Küsten  treffend  als  Abschließungs-,  die  die  diskordanten  als  wahre 
Aufschließungsküsten  bezeichnet  Das  ist  ohne  weiteres  ver- 
ständlich, wenn  man  die  Verbindung  zwischen  der  Küste  und  dem 
Binnenlande  in  den  Vordergrund  stellt  Aber  es  gilt  auch,  wenigstens 
im  Großen  und  Ganzen,  in  betreff  des  natürlichen  Hafenreichtums 
der  Küsten,  wenn  auch  gerade  konkordante  Küsten  manchen  ausge- 
zeichneten Hafen  besitzen. 

Von  natürlichen  Häfen  fordert  man  einen  guten  Ankergrund 
von  etwa  10  bis  100  m Tiefe  und  Schutz  vor  Wellenbewegung. 
Ihre  Zahl  ist  verhältnismäßig  nicht  sehr  groß,  so  daß  der  ausge- 
dehnte Verkehr  unserer  Tage  genötigt  ist,  auch  offene  Rheden  zu  be- 
nutzen oder  sie  in  künstliche  Häfen  umzugestalten.  Diese  letzteren 
fallen  natürlich  außerhalb  des  Bereiches  unserer  Betrachtung. 

Krümmel6  unterscheidet  genetisch  drei  Hauptarten  von  Seehäfen, 
betont  aber,  daß  die  meisten  Häfen  mehrere  Typen  in  sich  vereinigen. 

Groß  ist  der  Formenkreis  der  Aufschüttungshäfen,  bei  denen 
die  Natur  dürcli  Anhäufung  von  Sedimenten,  vulkanischen  Auswürf- 
lingen oder  durch  korallinische  Riffbildung  einen  Wellenbrecher 
geschaffen  hat.  Haffe  und  verwandte  Erscheinungen  der  Neutral- 
küsten bieten  gute  Hafenplätze,  wenn  der  Eingang  frei  gehalten  wird; 
an  ausgeglichenen  Küsten  giebt  das  Landfestwerden  vonluseln  manchmal 
Veranlassung  zur  Buchtenbildung ; durchbrochene  Kraterwälle  einsamer 
Vulkaninseln  (Fig.  203)  und  die  Lagunen  der  Wallriffe  und  Atolle  ge- 
währen Schutz  auch  mitten  im  Ozean.  Häutiger  und  vielgestaltiger  sind 
die  Einbruchshäfen,  die  dadurch  entstehen,  daß  das  Meer  infolge 


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584 


Morphologie  des  Landes. 


einer  positiven  Niveauveränderung  in  das  Land  einbricht.  Alle  Rias- 
und  Fjordhäfen  gehören  in  diese  Kategorie;  nur  muß  hinzugefügt 
werden,  daß  viele  Fjorde  wegen  zu  großer  Tiefe  keinen  Ankergrund 


Fig.  203  a. 


bieten,  so  daß  z.  B.  in  Norwegen  manche  Hafenplätze  auf  die  vor- 
gelagerten Fjordinseln  verlegt  sind.  Küsteneilande  schützten  die  alten 
phönizischen  Häfen;  an  konkordanten  Küsten  öffnen  sich  tief  einge- 
schnittene Buchten,  von  denen  manche  wohl  durch  Kesseleinbrüche 


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Küstenformen. 


585 


entstanden  sind.  S.  Francisco,  Rio  de  Janeiro,  Sydney  verdanken  ihren 
Aufschwung  solch  natürlichen  Öffnungen  an  sonst  wenig  zugänglichen 
Küstenstrecken.  Einen  Einschnitt  in  der  Küste  verursacht  ferner 
jede  Flußmündung,  und  jeder  größere  Fluß  ist  zugleich  eine  bequeme 
Verbindungsstrasse  nach  dem  Innern.  An  den  meisten  neutralen,  be- 
sonders an  Schwemmlandküsten  herrschen  in  der  That  die  Mün- 
dungshäfen vor.  Aber  trotzdem  besteht  oft  ein  seltsamer  Gegensatz 
zwischen  der  Größe  eines  Flusses  und  der  Bedeutung  seines  Mün- 
dungshafens, auch  dort,  wo  die  kulturellen  Verhältnisse  der  Hinter- 
länder nicht  sehr  verschieden  sind.  Das  erklärt  sich  daraus,  daß 
die  Barre,  die  die  Flußsedimente  vor  der  Mündung  aufschütten,  der 
Schiffahrt  oft  ernstliche  Hindernisse  bereitet.  So  ist  z.  B.  der  ge- 
waltige Amazonenstrom  für  Dampfer  nur  auf  dem  Umwege  über  die 
gewundene  Wasserstrasse  des  Rio  Para  erreichbar.  Besonders  tro- 
pische und  suptropische  Flüsse,  deren  Wasserstand  großen  Schwan- 
kungen unterliegt,  sind  in  der  Trockenzeit  nicht  fähig,  ihre  Barre  zu 
beseitigen;  und  solch  ein  Übelstand  zwang  dazu,  den  Mündungshafen 
des  Ganges,  Calcutta,  an  einen  Nebenarm  zu  verlegen,  der  hauptsäch- 
lich nur  vom  Gezeitenstrome  beherrscht  wird.  Weitaus  am  günstigsten 
liegen  die  Verhältnisse  bei  jenen  Flüssen,  deren  weite  Trichtermün- 
dungen durch  Ebbe  und  Flut  immer  offen  gehalten  werden.  Hamburg, 
London,  Amsterdam  sind  berühmte  Beispiele  solcher  Ästuariumhäfen. 

Küstenentwicklung  und  mittlerer  Küstenabstand.  Schon  seit 
langem  beschäftigen  sich  die  Geographen  mit  der  Frage:  auf  welche 
Weise  sich  ein  einfacher  mathematischer  Ausdruck  für  die  horizon- 
tale Gliederung  von  Länderräumen  finden  ließe. 

Die  älteste  Methode,  die  von  Heinrich  Berghaus  (1830),  geht 
von  dem  Gedanken  aus,  daß  bei  gleicher  Fläche  diejenige  Figur  ge- 
gliederter ist,  die  den  großem  Umfang  (Kiistenlänge)  hat,  hei  gleichem 
Umfange  aber  diejenige,  die  die  kleinere  Fläche  hat;  und  Begghaus 
setzt  daher  die  horizontale  Gliederung,  die  er  Kostenentwicklung 

nennt,  = ^an  ^ia*'  ^*eser  Methode  vorgeworfen,  daß  sie  zwei 

unvergleichbare  Werte,  Fläche  und  Länge,  miteinander  vergleiche, 
aber  schon  Reuscbee  hat  das  Unberechtigte  dieses  Vorwurfes  dar- 
gethan,  der  nur  dann  am  Platze  wäre,  wenn  man  z.  B.  sagte:  der  Um- 
fang von  Europa  verhalte  sich  zur  Fläche  wie  1:288,  aber  durchaus 
nichts  Unlogisches  enthalte,  wenn  man  sich  so  ausdrücke:  auf  1 km 
Küste  kommen  288  qkm  Fläche.  Schwerer  wiegt  der  Übelstand, 
daß  die  Zahlen  sich  nach  dem  zugrunde  gelegten  Maße  ändern, 
aber  er  kann  beseitigt  werden,  wenn  man  irgend  eine  Küsten- 
entwicklung, z.  B.  die  mittlere  aller  5 Kontinente,  gleich  1 setzt 


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586 


Morphologie  des  Landes. 


und  alle  anderen  Zahlen  in  Teilen  dieser  Einheit  giebt.x  Die 
späteren  Verbesserungsvorschläge  fußen  auf  dem  Grundsätze,  daß 
Längen  nur  mit  Längen,  Flächen  nur  mit  Flächen  verglichen  werden 
dürfen.  Um  auf  diese  Weise  einen  passenden  Ausdruck  für  die 
Küstenentwicklung  zu  finden,  benutzte  man  die  Erfahrung,  daß 
unter  allen  Figuren  gleicher  Fläche  der  Kreis  hezw.  — da  wir  uns 
auf  einer  Kugel  befinden  — die  Kugelkalotte  die  denkbar  regel- 
mäßigste ist  und  daher  den  kleinsten  Umfang  besitzt.  Je  mehr  der 
Umfang  eines  Erdteiles  oder  einer  Insel  den  einer  inhaltgleichen 
Kalotte  übertrifft,  desto  größer  ist  die  Küstenentwicklung.  Man 
übersieht  aber  bei  dieser  Methode  die  für  unsere  Zwecke  sehr 
fatale  Eigenschaft  aller  Figuren,  daß  ihr  Umfang  viel  langsamer 
wächst  als  ihre  Fläche.  Nicht  nur,  daß  infolgedessen  die  Methode 
kleinen  Erdräumen  günstiger  ist  als  großen,  sie  fördert  auch  den 
offenbaren  Widersinn  zutage,  daß  die  Küstenentwicklung  Europa- 
Asiens  größer  ist  als  die  Europas  und  Asiens  für  sich  genommen, 
die  Amerikas  größer  als  die  Nord-  und  Südamerikas,  die  aller 
Kontinente  zusammen  größer,  als  die  jedes  einzelnen!  Noch  ein 
paar  andere  Methoden  kranken  an  diesem  Übelstande  und  werden 
dadurch  unfähig,  wirklich  vergleichbare  absolute  Werte  für  die 
Küstenentwicklung  oder  für  die  Zugänglichkeit  eines  Landes  zu 
liefern. 

Einen  anderen  Weg  schlug  Rohkbach8  ein.  Er  zeichnet  in  die 
Erdteile  Linien  gleichen  Küstenabstandes  ein  und  berechnet  daraus 
mit  Hilfe  der  graphischen  Methode xx  den  mittleren  Küsten- 
abstand. In  nachstehender  Tabelle  sind  die  wichtigsten  Ergebnisse 
zusammengefaßt;  sie  bieten  uns  einen  bequemen,  zum  Teil  sogar  über- 
raschenden Kommentar  zur  Karte.  Namentlich  der  Prozentsatz  der 
küstennahen  Zone  (bis  600  km)  ist  ein  guter  Maßstab  für  den  Um- 
fang des  legitimen  Einflusses  des  Meeres  auf  das  Klima  der  Erdteile 
und  für  die  Bedeutung  mancher  orographischen  Hindernisse,  die 
diesen  Einfluß  abschwächen  oder  vernichten.  Aber  weder  die  Aus- 
dehnung der  küstennahen  Zone,  noch  der  mittlere  Küstenabstand 
sind  ohne  Karte  ohne  weiteres  verständlich.  Wenn  einerseits  Asien 
und  Afrika , anderseits  Europa  und  Australien  nahezu  gleichviel 
Prozent  küstennahes  Land  haben,  so  wird  das  in  dem  ersteren  Falle 


x So  ist  z.  B.  die  Küstcneutwicklung  Europas  (<■)  im  metrischen  Maß  288 
im  Meilenmaß  39;  stellen  wir  diese  Zahlen  aber  in  Vergleich  mit  der  mittleren 
Küstenentwicklung  des  gesamten  Festlandes  (f  — 612  nach  metrischem,  82  nach 
Meilenmaß),  so  erhalten  wir  in  beiden  Füllen  e : f = 0,is. 

x x Die  chorigraphische  Kurve  KniiRnAOHS  entspricht  die  hypsographischen 
Kurve  Pencks  (vgl.  S.  86). 


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Küstenformen. 


587 


nur  durch  die  Differenz  der  horizontalen  Gliederung,  im  zweiten 
aber  trotz  dieser  Differenz  bewirkt;  im  ersten  Falle  ist  die  Küsten- 
entwicklung, im  zweiten  die  Fläche  ausschlaggehend,  ln  dem  größeren 
mittleren  Küstenabstande  Asiens  gegenüber  dem  Afrikas  kommt  aber 
doch  die  beträchtlich  größere  Ausdehnung  Asiens  zur  Geltung;  da- 
gegen haben  Kuropa  und  Australien  nahezu  gleichen  mittleren 
Küstenabstand,  obwohl  es  kaum  zwei  größere  Länderräume  giebt, 
die  in  ihrer  Umrißgestaltung  so  grundverschieden  wären,  wie  diese. 
Für  die  Gliederung  allein  gewinnt  man  einen  exakten  Ausdruck, 


Kftaten&bat&nd  in  km 


1 Mittlerer 


0— 600  | 

600  1200  1200  1800  1800  2100 

über  2400 

IVllBlUIl* 

abstand 

Prozente 

in  km 

Europa  . . . 

»I.» 

15.« 

HK  ! 

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Asien  . . . 

49,. 

24,« 

16,» 

8,f 

i 0,a  jj 

i 0,i  ; 

780 

Europa- Asien  . 

Ö-M 

23, i 

14.. 

7,i 

700 

Afrika  . . . 

48,« 

85,3 

1 15,» 

— 

— 

670 

Australien  . . 

82,s 

17,i 

— 

— ! 

— 

350 

Nord-Amerika 

ßS,t 

26,4 

! 5,« 

i 

470 

SüG  Amerika  . 

59,1 

81, t 

1 8,* 

550 

Alte  Welt  . . 

52,« 

27,« 

14,8 

4,5 

1 0,1 

— 

Nene  Welt  . 

64, i 

2S,i 

7,1  j 

1 — 1 



- 

wenn  man  die  Flächen  der  Halbinseln  mit  der  des  Rumpfes  in  Ver- 
gleich setzt;  es  ist  dabei  nur  schwierig  zu  bestimmen,  was  alles  als 
Halbinsel  zu  betrachten  sei,  und  an  welchen  Stellen  sie  abzutrennen 
seien.  Die  Anzahl  und  Größe  der  Glieder  ist  übrigens  für  die 
Kostenentwicklung  nicht  allein  maßgebend,  Afrika  und  Südamerika 
sind  beide  Rümpfe  ohne  Glieder;  da  aber  Südamerika  sich  sehr  stark 
verschmälert,  so  kommen  hier  auf  1 km  Küste  nur  098  qkm,  in 
Afrika  dagegen  1128.  Die  EhrenburgscIiü  Methode  führt  aber  zu 
einem  ganz  entgegengesetzten  Resultate.  Ehrenhurg7  unterscheidet 
drei  sphärische  Kreise:  1)  den  Außenkreis  (A)  oder  den  größten  Kreis, 
der  noch  alle  Glieder  des  betreffenden  Landraumes  umfaßt:  2)  den 
lunenkreis  (/)  oder  den  kleinsten  Kreis,  der  dem  Rumpfe  eingeschrieben 
werden  kann,  und  3)  den  inhaltgleichen  Kreis  (F\  und  setzt  die  Flächen 

dieser  Kreise  in  Beziehung  zueinander.  Der  Quotient  ~ ist  unter 

allen  möglichen  Kombinationen  offenbar  der  reinste  Ausdruck  der 
horizontalen  Gestaltung,  und  doch  ist  er  für  Afrika  größer  (5,«)  als 
für  Südamerika  (5,i).  Der  Grund  liegt  in  der  großen  Ausdehnung 
des  Golfs  von  Guinea,  den  Afrika  lialbmondähnlich  umzieht;  dadurch 


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588 


Morphologie  des  Landes. 


wird  der  Außenkreis  sehr  groß  und  der  Innenkreis  sehr  klein.  An- 
gesichts solcher  entgegengesetzten  Ergebnisse  kann  mit  Recht  die 
Frage  aufgeworfen  werden,  ob  alle  diese  künstlichen  Methoden  der 
Geographie  wesentliche  Dienste  leisten.  Nur  Rohkbachs  Ausmessung 
der  Küstenentfernungszonen  und  bis  zu  einem  gewissen  Grade  auch 
der  mittlere  Küstenabstand  bieten  uns  reale  Werte,  die  aber  auch 
nur  einseitige  Verhältnisse  zum  Ausdrucke  bringen.  Das  Kartenbild 
in  eine  Formel  zu  pressen,  ist  vergebliche  Mühe. 

Litteraturnachweise.  1 Philippson  cit.  S.  42fi.  Weule,  Beitrag  zur 
Morphologie  der  Flachküsten,  in  der  Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Geographie 
1891,  Bd.  VIII.  — * Diese,  Die  Fjordbildungen,  in  der  Zeitschrift  der  Berliner 
Gesellschaft  für  Erdkunde  1894.  — 3 Haas,  Studien  über  die  Entstehung  der 
Fjorden,  in  den  Mitteilungen  aus  d.  mineralogischen  Institut  d.  Universität  Kiel, 
1888.  — 4 Rütimeyeb,  Die  Bretagne,  Basel  1883.  — 8 Krümmel,  Die  Haupttypen 
der  natürlichen  Seehäfen,  im  Globus,  1891,  Bd.  LX.  — 8 Rohrbach,  Über  mittlere 
Grenzabstände,  in  Petermanns  Mitteilungen  1890  (mit  vollständiger  Litteratur- 
angabe  über  das  Thema  der  Küstenentwicklung  auf  S.  92).  — 7 Ehrenbbro, 
Studien  zur  Messung  der  horizontalen  Gliederung  von  Erdräumen,  Würzburg 
1891  (mit  übersichtlicher  Angabe  sämtlicher  bisher  angewendeten  Formeln). 


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Fünfter  Abschnitt. 


Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen 

und  Tiere. 


Allgemeine  Bemerkungen  über  die  Verbreitung 
der  Pflanzen.1 

Glücklicherweise  ist  der  Teil  des  Festlandes,  wo  das  Felsgerüste 
unverhüllt  zu  Tage  tritt  oder  eine  Eisdecke  trägt,  klein  im  Ver- 
gleiche zu  jenem,  der  mit  einem  Pflanzenkleide  geschmückt  ist.  Hier 
bedingen  nicht  bloß  die  Terrainverhältnisse  und  Gewässer  die 
Physiognomie  der  Landschaft,  sondern  auch  die  Vegetation,  die  schon 
aus  diesem  Gesichtspunkte  das  geographische  Interesse  in  An- 
spruch nimmt,  in  noch  höherem  Grade  aber  deshalb,  weil  nicht 
nur  die  Existenz  der  Tiere,  sondern  auch  die  unsere  darauf  ge- 
gründet ist. 

Vegetation  und  Flora  sind  verschiedene  Begriffe.  Der  Reich- 
tum der  Vegetation  hängt  von  der  Anzahl  der  Individuen,  der  der 
Flora  von  der  Anzahl  der  Arten  ab.  Es  giebt  Gegenden,  wie  die 
Ebene  des  Amazonas,  wo  die  Dichtigkeit  der  Pflanzendecke  mit  der 
Fülle  der  Pflanzenformen  weiteifert;  aber  es  giebt  auch  Gegenden, 
wo  trotz  der  Ärmlichkeit  der  Vegetation  der  sammelnde  Botaniker 
eine  reiche  Ausbeute  findet.  So  ist  es  in  den  vorderasiatischen 
Steppen,  wo  das  Doppelgeschlecht  Astragalus  und  Oxytropis  in  mehr 
als  tausend  Arten  auftritt.  Dagegen  ist  in  Neuseeland  die  Vege- 
tation üppiger  als  in  den  Mittelmeerländern,  aber  die  Flora  ist  hier 
ungleich  reicher. 

Abhängigkeit  vom  Boden.  Die  PHanze  ist  zunächst  abhängig 
vom  Boden,  dem  sie  ihre  Nahrung  entnimmt,  und  der  auch  ver- 
möge seiner  physikalischen  Eigenschaften,  wie  Dichtigkeit,  Wasser- 
durchlässigkeit und  Wärmekapazität,  einen  mächtigen,  wenn  auch 
manchmal  überschätzten  Einfluß  auf  die  Flora  ausübt,  die  man  in 
dieser  Beziehung  in  Kiesel-,  Kalk-  und  Salzpflanzen  zu  scheiden 


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590 


Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 


pflegt.  Dieselben,  durch  eine  matte,  ins  Graue  spielende  Färbung 
ihrer  Vegetationsorgane  ausgezeichneten  Formen,  welche  die  Küsten 
der  Meere  bewohnen,  treten  auch  im  Innern  des  Landes  auf  dem 
salzgeschwängerten  Boden  der  Steppen  auf.  Die  immergrünen 
Bäume  und  Sträuclier,  welche  den  hervorstechendsten  Charakterzug 
der  Mittelmeer-Flora  bilden,  kommen  nach  den  Beobachtungen  yon 
Fuchs  in  Südfrankreich,  Italien,  Griechenland,  Südrußland  und  im 
nördlichen  Kleinasien  ausschließlich  auf  dem  trockenen  und  warmen 
Kalkboden  vor,  während  weiter  südlich  die  Gesteinsheschafl'enheit 
der  LTnterlage  ohne  Einfluß  bleibt.  Auf  der  pyrenäischen  Halbinsel 
ist  die  Steppe  streng  an  die  gipsführende  Formation  gebunden,  und 
die  Grasfluren  der  argentinischen  Pampas  scheinen  durch  den  mit 
Sand,  salzigen  und  kalkigen  Bestandteilen  gemischten  Lehmboden 
bedingt  zu  sein.  Der  Einfluß  des  Bodens  zeigt  sich  namentlich  in 
Gebirgen,  wo  die  Felsarten  rasch  wechseln.  In  der  Schweiz  findet 
man  einige  Pflanzen  (z.  B.  Androsace  lactea)  nur  auf  Kalk,  andere 
nur  auf  Sandstein,  wieder  andere,  wie  gewisse  Moose  und  Farne 
des  Hochgebirges,  nur  auf  krystallinischem  Gestein.  Als  Beispiel 
absoluter  Anpassung  führt  Christ2  das  Alpen- Windröschen  (Ane- 
mone alpina)  an,  dessen  weiße  Form  nur  auf  Kalk  und  dessen  gelbe 
Form  nur  im  Thon-  und  Quarzgebirge  auftritt.  Wo  das  eine  Ge- 
stein allmählich  in  das  andere  übergeht,  da  finden  sich  auch  Farben- 
übergänge in  zahlreichen  Abstufungen.  Aber  schon  in  den  Vogesen 
hört  diese  strenge  Scheidung  auf,  und  ein  ähnliches  Verhalten  läßt 
sich  auch  bei  anderen  Pflanzen  beobachten.  Die  Lärche,  die  in  der 
westlichen  Schweiz  nur  das  krystallinische  Gebirge  bewohnt  und  auf 
Kalk  auch  bei  künstlicher  Anpflanzung  nicht  gut  gedeiht,  zeigt  sich  in 
Oberbayern  und  Salzburg,  noch  mehr  aber  in  den  Karpaten,  völlig  gleich- 
gültig gegen  die  Gesteiusbeschaffenheit  ihres  Standortes.  Desgleichen 
kommt  die  Legföhre,  die  in  den  Alpen  ein  entschiedenes  Kalk- 
gewächs ist,  in  den  Karpaten  auf  jeder  Unterlage  vor.  Im  großen 
und  ganzen  tritt  also  die  Abhängigkeit  der  Vegetation  vom  Boden 
nur  in  klimatisch  gleichförmigen  Gebieten  scharf  hervor,  und  außer 
den  Salzpflanzen  dürfte  es  verhältnißmäßig  wenig  Gewächse  geben  die 
überall  an  eine  bestimmte  Gesteinsart  gebunden  sind.  Ob  aber  die  che- 
mischen oder  die  physikalischen  Eigenschaften  des  Bodens  vor  allein 
maßgebend  sind,  ist  eine  Streitfrage,  die,  wie  wir  sehen  werden,  bei  der 
Behandlung  des  Steppenproblems  eine  weittragende  Bedeutung  gewinnt. 

Abhängigkeit  vom  Klima.  Licht,  Wärme  und  Feuchtigkeit 
bilden  die  Grundbedingungen  des  Pflanzenlebens.  Wir  werden  bei 
unsern  Betrachtungen  immer  weder  darauf  zurückkommen,  hier  be- 
schränken wir  uns  nur  auf  einige  allgemeine  Bemerkungen. 


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Allgemeine  Bemerkungen  über  die  Verbreitung  der  Pflanzen. 


591 


Das  Wärmebedürfnis  verschiedener  PHanzen  ist  verschieden, 
nicht  nur  in  Bezug  auf  die  Mitteltemperatur,  sondern  auch  in  bezug 
auf  die  Dauer  der  Zeit,  in  der  ein  gewisser,  die  Entwicklung 
des  PHanzenlebeus  ermöglichender  Wärmegrad  erreicht  werden  muß. 
Die  Birke  und  Lärche  können  z.  B.  weiter  gegen  den  Pol  und  in 
höhere  Regionen  Vordringen,  als  die  Buche  und  Eiche,  denn  bei 
jenen  kann  die  Vegetationsperiode  nicht  unter  drei,  bei  diesen  nicht 
unter  fünf  Monate  herabsinken.  Aber  trotzdem  bilden  die  Iso- 
thermen keine  unübereteiglichen  Schranken,  insofern  Pflanzen  kälterer 
Gegenden  einen  gewissen  Wärmeüberschuß  sehr  wohl  ertragen 
können.  Empfindlicher  sind  die  Pflanzen  in  ihrem  Feuchtigkeits- 
hedürfnis,  daher  innerhalb  eines  Breitengrades  Gebiete  mit  Trocken- 
heit liebenden  Gewächsen  oft  sehr  scharf  gegen  solche  abgegrenzt 
sind,  die  von  Feuchtigkeit  liebenden  Pflanzen  bewohnt  werden.  Auf 
die  verschiedenste  Weise  suchen-  sich  die  PHanzen  gegen  trockenes 
Klima  zu  schützen  und  die  Verdunstung  der  Blattorgane  zu  ver- 
ringern. Entweder  sind  die  Blätter,  wie  bei  den  Eukalyptusbäumen 
Australiens,  in  senkrechter  Stellung  eingesetzt  und  kehren  daher 
nicht  ihre  ganze  Fläche  der  Sonne  zu,  oder  sie  sind  verkleinert, 
oder  mit  Haaren  oder  Schuppen  bekleidet,  oder  fleischig  ausgebildet, 
oder  in  Dornen  verwandelt;  ja  bei  einigen  Bäumen  und  Sträuchern, 
wie  bei  den  Casuarinen  und  dem  Besenstrauche  (Spartium),  ist  die 
Blattbildung  völlig  unterdrückt.  Den  gleichen  Zweck  verfolgt  die 
Ausscheidung  von  Harz  oder  ätherischen  Oien.  Aber  wenn  auch 
derartig  organisierte  Gewächse  in  trockenen  Gegenden  ihre  eigent- 
liche Heimat  gefunden  haben,  so  fehlen  sie  doch  auch  in  feuchten  Ge- 
bieten nicht  ganz.  Die  dornigen  Astragalusarten  bilden  allerdings  den 
wesentlichsten  Bestandteil  der  Steppenflora  der  alten  Welt,  aber 
eine  Art  findet  sich  sogar  in  der  Nähe  von  Gletschern.  Die  Kakteen, 
die  in  den  regenarmen  Landstrichen  der  neuen  Welt  die  hervor- 
ragendste Rolle  spielen,  kommen  auch  in  den  feuchten  Urwäldern 
Südamerikas  vor,  und  ebensowenig  sind  die  kaktusähnlichen  Euphor- 
bien auf  die  trockenen  Teile  von  Asien  und  Afrika  beschränkt.  Der 
Baumfarn  und  die  Aloe,  die  beiden  größten  Gegensätze  in  Bezug 
auf  das  Feuchtigkeitsbedürfnis,  bewohnen  gemeinsam  den  indischen 
Teraiwald.  Nicht  immer  haben  also  äußere,  klimatische  Verhältnisse 
eine  eigenartige  Organisation  hervorgerufen,  sondern  diese  ist  zu- 
nächst durch  innere  Ursachen,  die  sich  allerdings  unserer  Beobachtung 
entziehen,  bedingt,  und  klimatische  Einflüsse  haben  nur  ihre  Aus- 
bildung gefordert. 

Hildebrand  3 stellte  eingehende  Untersuchungen  über  den  Zu- 
sammenhang zwischen  dem  Klima  und  der  Lebensdauer  der  Pflanzen 


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592  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

an.  Er  wies  nach,  daß  ein  gleichmäßiges  Klima  nicht  nur  langlebige 
Gewächse,  sondern  auch  die  Andauer  der  Vegetationsorgane  begünstigt. 
Die  einjährigen  Pflanzen  treten  zurück  und  die  Zahl  der  Holz- 
gewächse nimmt  außerordentlich  zu;  ja  auf  den  Hawaiischen  Inseln 
und  auf  St.  Helena  sind  Familien,  die  sonst  nur  Kräuter  und  Stauden 
enthalten,  durch  Holzgewächse  vertreten.  Der  Äquatorialzone  fehlen 
einjährige  Pflanzen  ganz;  wenn  sie  aber  auch  in  tropischen  Gegen- 
den mit  langer  Trockenheit  verhältnismäßig  selten  sind,  so  er- 
klärt sich  dies  daraus,  daß  hier  der  Boden  von  Gewächsen  längerer 
Lebensdauer  zu  sehr  besetzt  ist,  um  eine  reichlichere  Entfaltung 
ephemerer  Existenzen  zu  gestatten.  In  unserem  Klima  ist  ihre  Zahl 
schon  beträchtlich  gewachsen,  dagegen  ist  sie  begreiflicherweise  gering 
in  Gegenden  mit  kurzer  Vegetationszeit,  also  in  Wüsten,  in  den 
alpinen  Regionen  und  im  polaren  Gürtel, x wo  aber  im  Gegensätze 
zu  den  Tropen  die  langlebigen  Pflanzen  durch  Dauerorgane  unter 
der  Erde  oder  durch  kräftig  geschützte  oberirdische  Organe  aus- 
gezeichnet sind. 

Überall,  wo  die  klimatischen  Elemente  eine  ausgesprochene  jähr- 
liche Periode  zeigen,  verändert  sich  auch  das  Pflanzenkleid  mit  den 
Jahreszeiten.  Die  Winterkälte  der  mittleren  und  höheren  Breiten 
und  die  Trockenzeit  in  den  Gegenden  mit  streng  subtropischem  und 
tropischem  Regen  versenken  die  Vegetation  in  längeren  oder  kürzeren 
Schlaf.  Aus  den  Beobachtungen  über  ihr  allmähliches  Erwachen 
hat  sich  sogar  ein  eigener  Wissenszweig,  die  Phänologie,  entwickelt, 
die  besonders  H.  Hoffmann  große  Förderung  verdankt;  und  phäno- 
logische  Karten  bilden  eine  umso  erwünschtere  Ergänzung  unserer 
Klimakarten,  als  sie  manche  Unterschiede  enthüllen,  die  die  meteoro- 
logischen Mittelwerte  nicht  mit  gleicher  Schärfe  erkennen  lassen.1 
Manches  bleibt  freilich  noch  rätselhaft,  wie  das  Verhalten  des  Öl- 
baums, der  im  Mittelmeergebiete  seine  Knospen  schon  entfaltet,  wenn 
der  Winter  die  Blätter  am  meisten  bedroht,  oder  die  Erscheinung,  daß 
manche  Bäume  in  Venezuela  und  Brasilien  schon  vor  Beginn  der 
Regenzeit  ausschlagen. 

Pflanzenwanderungen  und  Pflanzenverbreitung.  Noch  ein  drittes 
Moment  muß  in  Betracht  gezogen  werden,  das  historische.  Die  Ver- 
breitung einer  Art  aus  der  Pflanzen-  wie  aus  der  Tierwelt  ist 
durch  Wanderung  von  einem  Entwicklungszentrum  aus  zu  erklären; 

x Die  Zahl  der  einjährigen  Pflanzen  beträgt  in  der  Dauphine  in 
200 — 600  m 600 — 1800  m über  1800  m Höhe 

60  33  6 Proz., 

ferner  in  Paris  (49°  B.)  45,  in  Kristiania  (59, B.)  30,  in  Listad  (61, »°  B.)  26  Proz. 
der  Gesamtflora. 


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Allgemeine  Bemerkungen  über  die  Verbreitung  der  Pflanzen.  593 

die  Verbreitungsmittel,  über  die  die  PHanzen  verfügen,  wurden  schon 
auf  S.  572  angeführt.  Es  muß  liier  aber  auch  darauf  aufmerksam 
gemacht  werden,  daß  ebenso,  wie  jedes  Individuum,  auch  jede  Art 
zeitlich  beschränkt  ist,  wenn  auch  die  Lebensdauer  in  dem  einen 
wie  in  dem  anderen  Falle  innerhalb  weiter  Grenzen  variiert.  Am 
Simplon  bewohnt  eine  Glockenblume,  Campanula  excisa,  einen  wohl- 
abgerundeten Bezirk,  über  den  hinaus  sie  noch  nicht  vorgedrungen 
ist;  sie  befindet  sich  gleichsam  noch  im  Kindesalter,  das  an  die 
Wiege  gebunden  ist.  Mit  jugendlicher  Vollkraft  erobert  dagegen  das 
canadische  Berufkraut  weite  Bezirke.  1 655  wird  es  zuerst  als  Garten- 
pflanze im  botanischen  Garten  zu  Blois  erwähnt  1674  war  es  schon 
in  Südeuropa  heimisch,  aber  noch  1763  giebt  Linn£  als  Verbrei- 
tungsgebiet nur  Amerika  und  Südeuropa  an.  Seitdem  ist  es,  unter- 
stützt durch  die  Flugfähigkeit  seines  mit  einem  Fallschirm  ver- 
sehenen Samens,  nach  Norden  wie  nach  Osten  vorgedrungen,  und 
hat  sich  von  England  bis  zum  Altai  und  von  Sizilien  bis  Schweden 
ansässig  gemacht  Unzählig  sind  die  Beispiele  von  Gewächsen,  die 
sich  auf  dem  Höhepunkt  ihrer  Entwicklung  befinden,  deren  Wande- 
rungen aber  der  grauen  Vorzeit  angehöreu.  Einen  greisenhaften 
Zug  besitzen  jene  Pflanzen,  die  jetzt  nur  an  wenigen,  weit  vonein- 
ander entfernten  Standorten  gefunden  werden;  so  die  Monotropa 
uniflora  und  Phryma  Leptostachya,  die  das  östliche  Nordamerika, 
Japan  und  den  Himalaja,  letztere  auch  die  Gegenden  am  Amur 
und  westlich  von  Peking  bewohnen.  Diese  Verbreitungsart  läßt  sich 
nur  durch  die  Annahme  erklären,  daß  die  betreffenden  Pflanzen  an 
den  Zwischenstationen  ausgestorben  sind,  und  Engleb  faßt  sie  daher 
als  die  kümmerlichen  Reste  einer  einst  weit  verbreiteten  Tertiärflora 
auf.  Zu  demselben  Schlüsse  gelangen  wir  in  bezug  auf  das  Vor- 
kommen nahe  verwandter,  aber  vikariierender  Arten  an  weit  ent- 
legenen Punkten.  Das  Geschlecht  Liquidambar  ist  jetzt  durch  je 
eine  Art  in  Kleinasien,  in  Japan  und  in  den  atlantischen  Staaten 
von  Nordamerika  vertreten,  aber  in  der  Miocänzeit  lebte  es  auch 
im  übrigen  Nordamerika,  in  Grönland,  in  Mitteleuropa  und  in  Ita- 
lien. Zwei  andere  Geschlechter  liefern  uns  Beispiele  eines  noch  fort- 
geschritteneren Verfalles.  Das  Genus  Sequoia  gliedert  sich  in  26  Arten, 
von  denen  aber  nur  noch  zwei,  S.  gigantea  (Wellingtonia  oder  Mam- 
mutbaum, die  größte  Conifere  der  Jetztzeit)  und  S.  sempervirens,  im 
pazifischen  Nordamerika  von  Californien  bis  Oregon  leben,  während 
die  fossilen  Arten  im  ganzen  nördlichen  Waldgürtel  und  in  der 
arktischen  Zone  gefunden  werden.  Die  Blüteperiode  des  Gingko 
fällt  in  den  mittleren  Jura;  schon  im  Tertiär  zeigen  sich  deutliche 
Spuren  des  Niedergangs,  wenn  sich  auch  der  Verbreitungsbezirk 

Supan,  Physische  Erdkunde.  2.  Attfi.  38 


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594 


Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 


noch  über  den  ganzen  Norden  ausdehnte,  und  in  der  Gegenwart  ist 
er  nur  auf  des  östliche  Asien  beschränkt 

Die  angeführten  Beispiele  belehren  uns  zugleich  über  die  ver- 
schiedenen Arten  des  Endemismus.  Endemische  Gewächse  sind 
sowohl  die  Glockenblume  am  Simplon,  wie  die  Sequoia  Califomiens; 
aber  im  ersteren  Falle  ist  die  Heimat  zugleich  das  Entwicklungs- 
zentrum, in  dem  letzteren  aber  nur  die  Zufluchtsstätte  der  letzten 
Vertreter  einer  untergehenden  Form. 

Schon  die  bisherigen  Erörterungen  konnten  uns  von  der  Richtig- 
keit zweier  wichtigen  Tliatsachen  überzeugen:  erstens,  daß  die  Ent- 
wicklung der  jetzigen  Pflanzenwelt  noch  nicht  abgeschlossen  ist 
und  zweitens,  daß  diese  aufs  innigste  mit  den  Floren  der  früheren 
geologischen  Perioden  verknüpft  ist  Gerade  die  hervorstechendsten 
Eigentümlichkeiten  der  Florengebiete  lassen  sich  nicht  durch  das 
Klima  und  noch  weniger  durch  die  Bodenbeschaffenheit  erklären. 
Wir  können  den  gegenwärtig  bestehenden  Verhältnissen  keinen  stich- 
haltigen Grund  für  die  Thatsache  entnehmen,  daß  die  chinesischen 
und  japanischen  Eichen  und  Nadelhölzer  von  den  nordasiatischen 
verschieden  sind,  daß  in  den  Mittelmeerländern  die  Lippenblumen 
und  Cistrosengewächse,  oder  unter  den  alpinen  Kräutern  die  Primeln 
uud  Gentianen  vorherrschen,  daß  an  der  Südspitze  Afrikas  plötzlich 
und  auf  einen  engen  Raum  beschränkt  eine  ganz  eigenartige,  reiche 
und  trotzdem  fast  nur  aus  endemischen  Arten  bestehende  Flora 
auftritt,  oder  daß  die  Floren  von  Ost-  und  Westaustralien  so  sehr 
differieren,  und  daß  der  Endemismus  des  letzteren  sogar  den  der 
festlandfernsten  Inselgruppe,  der  Hawaiischen,  übertrifft 

Wie  jetzt,  so  setzten  auch  in  der  Vorzeit  klimatische  Verschie- 
denheiten, Gebirge  und  Hochländer  und  endlich  das  Meer  den 
Pflanzenwanderungen  Schranken.  Aber  diese  Faktoren,  die  bei  der 
Verbreitung  der  Gewächse  die  wichtigste  Rolle  spielen,  haben  sich 
mehrfach  geändert  Namentlich  erlitten  in  den  mittleren  und  höheren 
Breiten  die  klimatischen  Verhältnisse  bei  dem  Obergange  aus  der 
Tertiär-  in  die  Eiszeit  und  aus  dieser  in  die  Gegenwart  tiefein- 
schneidende Umgestaltungen;  und  nur  jene  Organismen,  die  Lebens- 
kraft genug  besaßen,  den  veränderten  Verhältnissen  sich  anzu- 
passen, konnten  ihren  Platz  behaupten.  Die  Variationsfähigkeit 
ist  also  eine  Grundbedingung  für  die  größere  Verbreitung  einer 
Pflanzenform. 

Die  Aufgabe  des  Botanikers  ist  es,  an  der  Hand  systematischer 
und  paläontologischer  Untersuchungen  dem  Entwicklungsgänge  der 
Pflanzenwelt  nachzuspüren.  Unser  Ziel  ist  nicht  so  weit  gesteckt. 
Einzelne  Formen  haben  für  uns  nur  dann  Bedeutung,  wenn  sie  die 


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Die  Hauptzonen  und  Hauptregionen  der  Vegetation. 


595 


Physiognomie  der  Landschaft  in  charakteristischerWeise  mitbestimmen, 
oder  wenn  sie  als  Nutzpflanzen  in  nähere  Beziehungen  zum  Menschen 
treten.  Unser  Hauptaugenmerk  richten  wir  vielmehr  auf  jene  großen 
Pflanzengemeinschaften,  die  Gbisebach  Vegetationsformationen 
genannt  hat,  und  deren  Ausbildung  und  Verbreitung  zum  größten 
Teil  durch  das  gegenwärtige  Klima  bedingt  ist.  Nach  ihrer  syste- 
matischen Verwandtschaft  zerlegt  oder  vereinigt  der  Botaniker  diese 
Gemeinschaften  zu  Florenprovinzen  und  bildet  aus  den  Provinzen 
Florenreiche,  aus  den  Reichen  Florengruppen,  aus  den  Gruppen 
Zonen. x Die  Resultate  dieser  Arbeit,  in  Verbindung  und  verglichen 
mit  der  zoologischen  Einteilung  des  Festlandes,  bieten  aber  das 
höchste  geographische  Interesse,  indem  sie  das  Gemälde  von  der 
Erdoberfläche  als  einer  allmählich  gewordenen  und  in  beständiger 
Umbildung  begriffenen  vervollständigen. 

Litteraturnachweise.  1 Hauptwerke  sind:  Gbisebach,  Die  Vegetation 
der  Erde,  Leipzig  1872  (für  den  Geographen  noch  immer  unentbehrlich);  Engleb, 
Versuch  einer  Entwicklungsgeschichte  der  Pflanzenwelt,  Leipzig,  1879;  Dbode, 
Die  Florenreiche  der  Erde  (Gotha  1884)  und  Handbuch  der  Pflanzengeographie 
(Stuttgart  1890),  Atlas  der  Pflanzenverbreitung,  Gotha  1887  (in  Bebohacs’  Physi- 
kalischem Atlas).  — * Chbist,  Pflanzenleben  der  Schweiz,  Zürich  1879.  — s Hilde- 
bband,  Lebensdauer  u.  Vegetationswcisc  der  Pflanzen,  in  Englebs  Botanischen 
Jahrbüchern,  Bd.  II.  — 4 Als  Beispiel  diene  Hoffhanns  phänologische  Karte 
von  Mitteleuropa,  in  Petebmanns  Mitteilungen  1881. 


Die  Hauptzonen  und  Hauptregionen  der  Vegetation. 

(Siehe  Karte  XVIII.) 


Den  drei  Temperaturzonen  entsprechen  die  drei  Vegetations- 
zonen, die  tropische,  gemäßigte  und  polare. 

Tropische  Pflanzenzone.  Monokotyle  Laubbäume,  deren  einfaches 
Holzgerüst  eine  ausgebreitete,  riesige  Blattrosette  krönt,  und  unter 
diesen  wieder  die  Palmen,  sind  der  hervorstechendste  Charaktorzug  der 
tropischen  Vegetation.  Als  die  äußersten  Grenzen  derselben  können 
wir  daher  die  Polargrenzen  der  Palmen  betrachten,  umsomehr  als 
diese  zum  Teil  wenigstens  mit  den  Jahresisothermen  von  20°  zusammen- 
fallen. Die  höchsten  nördlichen  Breiten,  die  die  Palmen  in  ihrer 
natürlichen  Verbreitung  erreichen,  sind  35°  in  Amerika  und  43,7° 
in  der  alten  Welt  (Nizza);  in  Südamerika  liegt  ihre  äußerste  Grenze 
in  38°,  in  Afrika  in  34°,  in  Australien  in  36°  B.  Weiter  vom 
Äquator  entfernen  sie  sich  auf  Neuseeland;  östlich  von  Neuseeland, 
auf  der  Pittinsel,  erreichen  sie  ihre  größte  Polhöhe  in  fast  45°  S. 


X Dbude,  dem  wir  sonst  folgen,  nennt  die  Zonen  Gruppen  und  die  Gruppen 
Untergruppen. 


38* 


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596  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

Dagegen  bleiben  sie  den  Galapagosinseln  und  den  Eilanden  Ascen- 
sion und  St.  Helena  fern,  aber  wohl  nicht  aus  klimatischen  Gründen, 
während  die  schmale  und  lange  äquatoriale  Ausbuchtung  ihrer 
Polargrenze  in  Südamerika  durch  die  gewaltige  Erhebung  der 
Andes  bedingt  ist. 

Während  an  der  antarktischen  Grenze  verschiedene  Palmen, 
zum  Teil  von  hochstämmigem  Wüchse,  auftreten  und  der  tropische 
Vegetationscharakter  ziemlich  rasch  abbricht,  gehören  die  nördlich- 
sten Palmen  ausschließlich  zur  Gruppe  der  Sabaleae,  und  zwar  in 
der  neuen  Welt  zum  Sabal-,  in  der  alten  Welt  zum  Chamaerops- 
Geschlechte.  Die  Giltigkeit  des  Hauptgesetzes,  daß  unter  sonst 
gleichen  Umständen  der  Florenreichtum  mit  wachsender  Breite  ab- 
nimmt, erwies  Dkude,  dem  wir  überhaupt  die  eingehendsten  Unter- 
suchungen über  die  Verbreitung  der  Palmen  verdanken,  auch  in 
Bezug  auf  diese  Pflanzenfamilie.  * Nur  das  höchste,  in  äquatorialer 
Richtung  verlaufende  Kettengebirge,  der  Himalaja,  bildet  eine  scbrofle 
Grenze,  indem  südlich  davon  die  Palmen  sogleich  in  großer  Arten- 
zahl auftreten.  Am  üppigsten  entfaltet  sich  die  tropische  Vegetation 
in  der  Ebene  des  Amazonas  und  im  malaischen  Archipel,  also  unter 
dem  Äquator.  Wenn  Afrika  nicht  durch  eine  gleiche  Palmenfülle 
ausgezeichnet  ist,  so  hat  man  dies  zum  Teil  wenigstens  der  bedeu- 
tenden Erhebung  über  dem  Meeresspiegel  zuzuschreiben,  denn  die 
Palmen  lieben  vor  allem  warmfeuchtes  Tiefland  und  steigen  nur 
ausnahmsweise  iu  größere  Seehöhen  empor  (die  Wachspalme  in  den 
Andes  bis  3000  m).  Daraus  erklärt  es  sich  auch,  daß  in  Afrika 
die  Palmen  nur  in  der  Guinea-Niederung  einen  hervorragenden  An- 
teil an  der  Vegetation  nehmen. 

Die  einzige  einheimische  Palme  von  Südeuropa,  Chamaerops 
humilis,  ist  eine  Zwergform.  Der  Stamm  ist  meist  im  Boden  ver- 
steckt, und  nur  in  den  günstigsten  Fällen  erreicht  er  eine  Höhe  von 


s Die  Artenzahl  beträgt: 
a)  in  Amerika: 

Prärien  3.  Südöstliche  Vereinsstaaten  6.  Mexicaniscbes  Gebiet  80. 
Westindien  40.  Südamerika  diesseit  vom  Äquator  90.  Amazonas- 
ebene 180.  Tropische  Andes  70.  Brasilianisches  Gebiet  90.  Chile  2. 
Nördliche  Pampas  6. 

bj  im  westlichen  Teil  der  Ostbemisphäre: 

Mittelmeerländer  1.  Sahara  und  Vbrdcrasien  3.  Tropisches  At'rikaj 
Westküste  17,  Ostküste  11.  Madagaskar  10.  Südafrika  2. 
e)  im  östlichen  Teil  der  Osthemisphäre: 

Südchina  11.  Vorderindien  50,  Hinterindien  70.  Malaischer  Archipel 
2ÜÜ.  Australische  Nordküste  bis  zum  Wendekreise  19.  Australische 
Ostküste  G. 


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Din  Hauptzonen  und  liauptregionen  der  Vegetation.  597 

4 — 6 in.  Solche  Zwerge  finden  wir  aber  auch  gelegentlich  in  der 
Nähe  des  Äquators,  besonders  in  höheren  Regionen.  Die  meisten 
Palmen  sind  hier  aber  hochwüchsige  Bäume,  deren  schlanker  Stamm 
sich  bei  einigen  südamerikanischen  Arten  bis  zu  60m  über  den  Boden 
erbebt,  oder  sie  sind  Schlinggewächse  (Rotangs).  Eine  Ausnahme  von 
der  gewöhnlichen  Palmform  bilden  die  afrikanischen  Dumpalmen, 
deren  Stamm  ein-  oder  mehrfach  gabelförmig  geteilt  ist.  Die 
Blätter  sind  oft  von  erstaunlicher  Größe;  es  giebt  Fächer  von  3 1/2  m 
Durchmesser  und  Fieder  von  15  m Länge.  Das  ganzrandige,  steife 
Blatt  der  Maniearia  saccifera  besitzt  eine  Länge  von  9 und  eine 
Breite  von  1 '/2  m.  Noch  deutlicher  zeigt  sich  die  tropische  Lebens- 
fülle in  den  Kletterpalmen,  die  besonders  in  Ostindien  heimisch  sind 
(die  Geschlechter  Calamus  und  Daemonorops),  und  deren  Holzstamm 
eine  Länge  von  370 — 550  m erreicht.  Wäre  ihr  Stamm  entsprechend 
dick,  um  aufrecht  stehen  zu  können,  so  würde  er  viele  Berge  an 
Höhe  übertreffen. 

Aber  nicht  bloß  ein  unvergleichlicher  Schmuck  der  Landschaft 
sind'  die  Palmen,  sie  sind  auch  von  unberechenbarem  Nutzen.  Ganze 
Länder  ernähren  sich  von  den  Früchten  der  Dattel-  und  Kokos- 
palme. Der  Stamm  der  Sagopalme  enthält  reichliches  Stärkemehl,  das 
unter  dem  Namen  Sago  in  den  Handel  kommt.  Die  Blattknospen  einiger 
Arten  werden  als  Gemüse  genossen,  oder  man  bereitet  aus  ihrem 
Safte  den  Palmenwein  und  durch  Zusatz  bitterer  Kräuter  und  Wur- 
zeln, die  die  Gärung  zurückhalten,  ein  bierartiges  Getränk.  Gekocht 
und  zur  Verdunstung  gebracht,  liefert  dieser  Saft  guten  Zucker. 
Den  Assai,  ein  dem  Kaffee  oder  der  Schokolade  ähnliches  Getränk, 
liefert  die  Frucht  der  südamerikanischen  Euterpe  oleracca.  Die 
Betelnuß,  die  Frucht  der  Arecapalme,  ist  im  ganzen  südöstlichen 
Asien  ein  beliebtes  Genußmittel.  Das  Palmöl,  dessen  Bedeutung  für 
den  Welthandel  von  Jahr  zu  Jahr  steigt,  gewinnt  man  aus  dem 
Sameneiweiß  einiger  Palmen,  besonders  der  westafrikanischen  01- 
palmen.  . Unendlich  mannigfaltig  ist  endlich  die  Verwendung  der 
Blätter  und  des  Holzes  zu  Flechtwerk,  Hüten,  Matten,  Gefäßen, 
Kästen  u.  s.  w.;  und  wohl  keine  Pflanze  ist  mit  den  Sitten  und  Ge- 
wohnheiten der  Tropenbewohner  so  innig  verwachsen,  als  die  Palme; 
ja  in  bezug  auf  die  Vielseitigkeit  des  Nutzens  kommt  ihr  keine 
andere  Pflanzenfamilie  der  Erde  gleich. 

Als  Nahrungspflanzen  sind  auch  die  Musaceen  von  außer- 
ordentlicher Bedeutung.  Ihre  saftreichen,  nicht  sehr  hohen  Stämme 
tragen  Blätter  von  außerordentlicher  Grüße , schöne  Blüten  und 
Fruchtbündel  von  1 — 1 1/a  m Länge.  Die  Früchte  der  Bananen 
werden  als  frisches  Obst,  die  des  Pisangs  (Paradiesfeige)  meist  ge- 


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598  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

kocht  genossen.  Eine  beschränktere  Verbreitung  besitzt  der  Brot- 
baum, ursprünglich  nur  vom  Sundaarchipel  bis  zu  den  fernsten 
polynesischen  Inseln;  aber  gerade  für  diese  pffanzenarmen  Eilande 
ist  er  das  wertvollste  Geschenk,  um  so  mehr,  als  er  keiner  Kultur 
bedarf,  und  drei  Bäume  ausreichen,  einen  Menschen  das  ganze  Jahr 
hindurch  zu  ernähren.  East  unabsehbar  ist  die  Zahl  der  übrigen 
Bäume  mit  eßbaren  Früchten.  Hier  sei  nur  noch  der  Banyanen  ge- 
dacht, die  der  Hindu  als  das  Symbol  unerschöpflicher  Naturkraft  ver- 
ehrt. Aus  den  Zweigen  senken  sich  Luftwurzeln  herab,  die  wieder  zu 
neuen  Stämmen  heranwachsen,  so  (laß  „Krone  an  Krone  wie  über 
einer  gemeinsamen  Säulenhalle  sich  ausbreitet“,  und  ein  einziges 
Individuum  einen  ganzen  Wald  erzeugen  kann.  Seltsam  erscheinen 
auch  dem  an  nordische  Formen  gewöhnten  Auge  die  Gestalten  des 
Pandanus  und  die  Mangrovebäume,  die  alle  tropischen  Flach- 
küsten, welche  nicht  zu  sehr  der  Brandung  ausgesetzt  sind,  um- 
säumen. Die  Luftwurzeln  der  letzteren  entspringen  aus  den  Früchten, 
und  die  neuen  Stämme  lösen  sich  dann  von  dem  Mutterkörper  los. 

Am  meisten  fällt  uns  die  Wachstumskraft  der  Tropen  auf,  wenn 
wir  innerhalb  einer  und  derselben  Familie  tropische  Vertreter  mit 
denen  höherer  Breiten  vergleichen.  Zur  B'amilie  unserer  Gräser 
gehört  das  Bambusrohr,  das  am  Fuss  etwa  15  cm  dick  ist  und 
nach  oben  sich  zu  einer  Spitze  verjüngt.  Die  glänzend  - glatten 
Stämme  vereinigen  sich  zu  dichten  Gruppen  von  20 — 30,  ja  sogar 
40  m Höhe,  und  treten  somit  in  der  Physiognomie  der  südasiatischen 
Landschaft  bedeutsam  hervor.  Seltener  ist  der  Bambus  in  Süd- 
amerika, und  in  Afrika  scheint  er  fast  ganz  zu  fehlen.  Unerschöpf- 
lich ist  seine  Verwendbarkeit  zu  Waffen,  Leitern,  Masten,  Kähnen, 
Brücken,  Matten,  Schränken,  Gefäßen,  Möbeln;  ja  ganze  Häuser 
werden  aus  diesem  ebenso  eleganten  als  leicht  zu  verarbeitenden 
Material  erbaut.  Die  Familie  der  Liliengewächse  hat  einige  baum- 
artige Repräsentanten,  wie  Yucca,  Aloe  und  den  berühmten 
Drachenbaum,  einen  der  Riesen  der  Pflanzenwelt.  Aus  der  Klasse 
der  Farne,  die  in  außerordentlichem  Formreichtum  und  enormer 
Artenzahl  die  feuchten  Urwälder  bewohnen,  ragt  besonders  der 
schöne,  6 — 10,  manchmal  15 — 18  m hohe  Baumfarn  hervor.  Auch 
der  Ricinus  erlangt  baumartigen  Wuchs  und  eine  Höhe  von 
6 — 10  m.  Die  Familie  der  Arongewächse,  die  bei  uns  nur  in 
kleinen  Formen  vorkommt,  verliert  zwar  auch  in  den  Tropen  ihren 
krautartigen  Charakter  nicht,  aber  Stamm  und  Blätter  erlangen 
kolossale  Dimensionen.  Viele  Schling-  und  Schmarotzergewächse 
des  Urwaldes  gehören  ihr  an.  Ein  noch  größeres  Kontingent  zu 
den  epiphy tischen  Pllanzen  stellen  die  Orchideen,  die  an  Manuig- 


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Die  liauptzouen  und  Hauptregionen  der  Vegetation.  599 

faltigkeit  und  Blütenschönheit  alle  anderen  Familien  übertreffen. 
Aber  die  prachtvollsten  Blumen  verschwinden  im  Dickicht  des  Ur- 
waldes oder  bilden  nur  einen  rasch  vergänglichen  Schmuck.  Die 
Üppigkeit  der  tropischen  Vegetation  äußert  sich  überhaupt  nicht 
in  der  Hervorbringung  von  entsprechend  großen  Blüten,  ja  gerade 
bei  den  gewaltigsten  Pflanzen  sind  die  Blüten  verhältnismäßig  un- 
scheinbar. Auch  die  größten  Bäume  von  mehr  als  120  m Höhe 
(Sequoia  gigantea  und  Eukalypten)  findet  man  nicht  in  der  Tropen- 
zone; nur  in  Bezug  auf  den  Umfang  des  Stammes  kann  sich  der 
afrikanische  Affenbrotbaum  und  der  westindische  Wollbaum, 
dessen  Krone  tausend  Personen  Schatten  gewährt,  und  aus  dessen 
Stamm  Kanus  für  180  Personen  hergestellt  werden,  mit  den  Kiesen 
Californiens  und  Australiens  messen.  Dagegen  entwickeln  sich  ein- 
zelne PHanzenteile  in  großartigster  Weise.  Die  Kigelia  trägt  60  cm 
lange,  dicke  Früchte,  und  der  ebenfalls  afrikanische  Ensete-Pisang 
6 m lange  Blätter.  Beiläufig  ebensolang  und  3 — 4 m im  Durchmesser 
sind  die  Fächer  der  Palme  Corypha  umbraculifera  auf  Ceylon 
und  in  Malabar,  die  am  Schlüsse  ihres  Lebens  eine  Blütenrispe  von 
10  m Höhe  treibt.  Das  abgerundete  Blatt  derGunnera  gigantea, 
einer  Steinbrechart  in  Columbien,  hat  6 — 8 m im  Umfang.  Die 
kreisförmigen,  oben  hellgrünen,  unten  karminroten  Blätter  der 
Victoria  regia,  die  im  Durchmesser  V/2 — 2 m groß  sind,  schwim- 
men ausgebreitet  auf  dem  Spiegel  des  Amazonas  und  seiner  Neben- 
flüsse, und  rechtfertigen  den  königlichen  Namen  dieser  herrlichsten 
aller  Wasserpflanzen.  Die  Kafflesia  Arnoldi  auf  Sumatra  genießt 
den  Kulim,  die  größte  aller  bekannten  Blüten  zu  besitzen,  denn 
diese  hat  einen  Durchmesser  von  nicht  weniger  als  1 m.  Die  Nüsse 
der  Palme  Lodoicea  Sec h eil a rum  erreichen  einen  Durchmesser 
von  45  — 60  cm,  und  es  dauert  ein  volles  Jahrzehnt,  bis  sie  zur 
völligen  Keife  gelangen. 

Gemäfsigte  Zone.  Wie  die  Palmen  stellenweise  über  die  Grenzen 
der  warmen  Zone  hinausdringen,  so  auch  andere  Tropengewächse, 
wenn  auch  zum  Teil  in  verkümmerter  Form.  Die  Bambusen  kommen 
in  ganz  China  vor,  aber  es  ist  fraglich,  ob  sie  nördlich  vom  Tsinling 
einheimisch  sind.  Arundarien,  die  sich  zum  Bambus  in  ähnlicher 
Weise  verhalten,  wie  die  Zwergpalmen  zur  Baumpalme,  bewohnen 
die  Kurilen  und  sind  in  den  Vereinigten  Staaten  bis  Illinois  ver- 
breitet. Zwergartige  Lilienbäume  reichen  im  westlichen  Nordamerika 
bis  49°  B.  und  im  östlichen  bis  zur  Chesapeakebai  (27°B.).  Tropisches 
Gepräge  tragen  der  Tulpenbaum  und  Sassafraslorber,  die  sich  bis 
Canada,  der  Persimanbaum  und  eine  Magnolie,  die  sich  bis  New 
York,  und  der  Trompeteubaum,  der  sich  angeblich  bi«  Illinois  findet. 


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600  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

In  den  trockenen  Gebieten  Nordamerikas  dringen  die  Agaven  zwar 
nur  bis  35°  B.  vor,  desto  weiter  aber  die  Kakteen,  die  man  noch 
jenseits  des  Missouri  in  49°  B.  antrifft.  Aber  auch  sie  nehmen  nach 
Norden  rasch  an  Höhe  ab,  gerade  so  wie  die  Mimosensträucher  der 
südlichen  Prärien. 

Viel  wichtiger,  als  vereinzelte  Vorposten  der  Tropenwelt,  sind 
die  immergrünen  dikotylen  Laubbäume,  die  den  südlichsten 
Gebieten  unserer  gemäßigten  Zone,  soweit  milde  Winter  herrschen, 
also  mit  Ausschluß  der  grossen  Bodenerhebungen,  ein  charakteristisches 
Gepräge  verleihen.  Im  Westen  der  alten  Welt  erreichen  sie  ihre 
höchste  Breite  bei  Görz  (46°),  im  Osten  dringen  die  immergrünen 
Eichen  nur  bis  36°  vor,  werden  aber  in  Nippon  noch  bis  38°  B. 
augepffanzt.  In  Nordamerika  liegt  ihre  Polargrenze  im  Westen 
in  ca.  47°  B.  (Oregon),  in  Kentucky  in  36*/2  und  au  der  Ostküste 
in  37°  B. ; hier,  wie  in  der  östlichen  Hemisphäre  folgt  sie  also 
den  Winterisothermen.  Weiter  nach  Norden  reichen  die  immer- 
grünen Sträucher,  am  weitesten  an  der,  vom  Golfstrome  bespülten 
atlantischen  Küste  Europas,  wo  z.  B.  die  Erica  cinerea  von  Portugal 
bis  zu  den  Färöer  und  bis  Bergen  in  Norwegen,  also  bis  zum  62. 
Parallel  sich  verbreitet  hat  Nur  der  Buchsbaum,  der  in  West-  und 
Südeuropa,  in  China  und  Japan  ebenso,  wie  in  den  Steppen  und 
auf  den  Gebirgen  Hochasiens  vorkommt,  schlingt  ein  ununterbrochenes 
immergrünes  Band  um  die  alte  Welt. 

Auf  der  Südhemisphäre  umfaßt  die  immergrüne  Zone,  begünstigt 
durch  die  große  Gleichmäßigkeit  des  Klimas,  das  ganze  aussertro- 
pische  Festland.  Auf  unserer  Halbkugel  folgt  aber  darauf  der 
Gürtel  der  sommergrünen  Laubbäume,  der  im  westlichen  Eu- 
ropa bis  60°,  im  östlichen  bis  ca.  56°,  im  mittleren  Sibirien  bis 
48 — 50°  und  in  Kamtschatka  wieder  bis  60°  B.  reicht.  Für  den 
atlantischen  Teil  von  Nordamerika  wird  54°,  für  das  Binnenland 
ca.  47°  B.  als  Polargrenze  angegeben;  darüber  hinaus  dehnt  sich 
in  der  alten,  wie  in  der  neuen  Welt  die  Koniferenzone  bis  zur 
Waldgrenze  aus. 

Auf  ein  Moment  muß  besonders  aufmerksam  gemacht  werden. 
Schroffe  Gegensätze  hat  die  Natur  auch  in  der  Anordnung  der 
Vegetation  insofern  vermieden,  als  gewisse  Hauptelemente  bei 
dem  Übergange  aus  der  einen  in  die  andere  Zone  allmählich 
teils  zu-,  teils  abnehmeu.  Im  Tropengürtel  herrschen  monokotyle 
und  immergrüne  dikotyle  Laubbäume.  Periodisch  belaubte  Bäume, 
wie  die  Sykomore,  und  Nadelhölzer,  wie  die  brasilianische  Araukarie, 
kommen  zwar  vor,  doch  im  allgemeinen  selten,  wenn  wir  von  den 
höheren  Gebirgen  absehen.  In  der  daran  sich  schliessenden  Sub- 


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Diu  liaiiptzouen  und  Hauptregionuu  der  Vegetation.  601 

tropenzone  linden  wir  nur  noch  einige  Ausläufer  monokotyler  Bäume; 
neben  den  immergrünen  Laubbäumen  aus  der  Klasse  der  Dikotyle- 
donen  spielen  die  sommergrünen  eine  ebenbürtige  Rolle;  und  auch 
die  Koniferen,  unter  denen  einige  dem  Norden  fremde  Formen,  wie 
Cypressen  und  Pinien,  sich  befinden,  treten  schon  bedeutsam  hervor. 
Dann  verschwinden  die  immergrünen  dikotylen  Bäume  und  nur 
solche  mit  periodischer  Belaubung,  gemischt  mit  Nadelhölzern,  bilden 
die  Wälder  der  mittleren  nördlichen  Breiten,  bis  endlich  in  den 
höheren  Breiten  die  Konifere  die  Oberherrschaft  erlangt.  Endlich 
endigt  auch  der  Nadelwald  und  die  polare  Vegetation  beginnt. 

Polare  Waldgrenzen.  Die  arktische  Waldgrenze  folgt  im 
allgemeinen  der  10°-  Isotherme  des  wärmsten  Monats;  jenseits  der- 
selben ist  die  Vegetationszeit  zu  kurz,  um  Baumleben  zu  gestatten, 
und  nur  in  geschützten  Flußthälern  dringt  der  Wald  noch  erheblich 
weiter  gegen  Norden  vor.  Im  Janathale  erreicht  er  z.  B.  70°  55', 
und  im  Thale  der  Chatanga  im  Taimyrlande  seine  höchste  arktische 
Breite:  72 V, °.  In  Alaska  fanden  Dall  und  Whympek  am  Fort 
Jukon  (67°  10’  N.)  noch  einen  stattlichen  Wald,  und  bei  Nulato 
64°40’-N.)  noch  Bäume  von  00  cm  Durchmesser  und  30  m Höhe. 
Die  kalten  Seewinde  tüeht  der  Baum,  daher  die  Küstengegenden 
des  Beringmeeres  waldlos  sind,  und  an  der  sibirischen  Waldgrenze 
nach  den  Beobachtungen  Miüdendorffs  die  Bäume  in  regelmäßiger 
Stufenfolge  kleiner  werden,  um  endlich  in  verkrüppelten  Zwergformen 
zu  enden.  Die  Eisströmungen,  die  von  Norden  und  Westen  durch  die 
Davis-  und  Hudsonstrasse  zum  Atlantischen  Ozean  abfließen,  drücken 
mit  der  Sommerwärme  auch  die  Waldgrenze  auf  Labrador  bis  gegen 
52°  B,  herab;  die  höchste  und  die  tiefste  Grenze  des  Baumlebens 
auf  unserer  Halbkugel  differieren  also  um  ca.  20  Breitengrade. 

Daß  die  Baumgrenze,  wenigstens  in  Sibirien,  einst  weiter  nach 
Norden  reichte,  bezeugen  die  Waldinseln  und  die  stehenden  Wurzeln 
großer  Bäume,  die  man  noch  in  der  Tundra  findet.  Es  wäre  aber 
verkehrt,  wollte  mau  daraus  auf  eine  dauernde  Verschlechterung  des 
Klimas  schließen.  Ohne  daß  die  mittlere  Jahres-Temperatur  sich  ändert, 
können  mehrere  aufeinander  folgende  ungünstige  Winter  mit  trockenen 
Nordwinden  die  Waldgrenze  rasch  zurückdrängen,  weil  hier  die  Be- 
dingungen der  Existenz  grösserer  Holzgewächse  eben  noch  knapp 
erfüllt  sind,  und  daher  auch  vorübergehende  Änderungen  sich 
fühlbar  machen.  Ein  noch  gefährlicherer  Feind  ist  der  Mensch,  der 
z.  B.  in  den  Thälem  Islands  die  einstigen  Birkenwaldungen  bis  auf 
eine  einzige  (bei  Hallormstradur)  vernichtet  hat  Nirgends  ist, 
wie  Middendorf  treffend  bemerkt  hat,  der  Wald  so  sehr  sich  selbst 
Schutz,  als  an  seinen  äussersten  Grenzen;  jede  Blöße,  die  das  Beil 


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602  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

oder  der  Sturm  geschaffen  hat,  gefährdet  hier  die  Umgehung.  Das 
Kärtchen  XVIII  zeigt  deutlich,  wie  die  polare  Tundra  zungenartig 
oder  in  vereinzelten  Flecken  schon  weit  in  das  Waldland  eingreift. 

Die  südlichen  Kontinente  liegen  innerhalb  der  Waldgrenze.  Auf 
einigen  Inseln,  wie  auf  der  Falklandgruppe,  gestatten  die  häufigen 
Stürme  keinen  Baumwuchs  oder,  wie  auf  Tristan  da  Cunha,  nur  das  Auf- 
kommen von  Krummholz.  Die  Amsterdam-Insel  besitzt  einen  Wald 
von  Phylica  arborea,  völlig  übereinstimmend  mit  Tristan  d’Acunha, 
aber  schon  auf  St.  Paul  sucht  man  vergebens  nach  einem  Holzgewächse, 
und  ebenso  auf  den  Kerguelen  und  der  Marioninsel.  Aber  hier  lassen 
sich  nicht  die  Stürme  allein  dafür  verantwortlich  machen,  denn  die 
Flora  dieser  Inseln  trägt  einen  entschieden  polaren  Charakter,  in- 
sofern die  Zahl  der  Moose  die  der  Phanerogamen  entschieden  Uber- 
trifft. Es  stimmt  dies  ganz  mit  der  abnorm  tiefen  Sommertemperatur 
dieser  Gegend  überein.  Ebenso  wie  in  Labrador,  greift  auch  hier 
die  polare  Flora  zungenartig  in  die  gemäßigte  Zone  ein,  nur  er- 
reicht sie  hier  den  38.  Parallel,  d.  h.  die  Breite  von  Calabrien!  Er- 
innern wir  uns  daran,  daß  in  Südamerika  bis  zu  ca.  55  0 B.  immer- 
grüne Lanbbäume  an  der  Zusammensetzung  der  Wälder  in  hervor- 
ragender Weise  sich  beteiligen,  und  daß  im  Osten  von  Neuseeland 
hochwüchsige  Palmen  noch  in  44 0 B.  Vorkommen,  so  werden  wir  zu 
unserem  Erstaunen  gewahr,  welche  Gegensätze  innerhalb  gleicher 
Breiten  die  anscheinend  so  einförmige,  fast  nur  von  Wasser  bedeckte 
Südhemisphäre  in  sich  birgt. 

Polare  Pflanzenzone.  Außerhalb  des  sudamerikanischen  Festlandes 
fand  man  die  letzte  Staude  (aus  der  Familie  der  Doldenträger)  auf 
Süd-Georgien  (54°  B.),  das  letzte  Gras  auf  den  Südshetland-Inseln 
(60 — 63“  B.),  weiter  im  Süden  aber  nur  Kryptogamen,  so  auf  der 
Insel  Cockburn  unter  64“  B.,  d.  li.  im  Parallel  von  Trondhjem,  und 
neuerdings  (1895)  auch  in  der  Eiswüste  des  Victorialandes  unter  72°  B. 

Wie  ganz  anders  gestalten  sich  die  Verhältnisse  im  arktischen 
Gürtel!  Am  ärmlichsten  ist  die  Flora  auf  den  nahezu  wagerechten 
Ebenen,  wo  das  sommerliche  Schmelzwasser  weder  abfließen  noch 
eindringen  kann,  und  die  Bodentemperatur  wegen  der  Nähe  des 
unterirdischen  Eises  sich  nicht  über  den  Gefrierpunkt  erhebt  Das 
sind  die  Moostuudren,  die  das  Festland  der  alten  Welt  jenseits  der 
Waldgrenze  umsäumen.  Wo  festes  Gestein  der  Oberfläche  nahe  liegt 
und  der  Boden  einigermaßen  trocken  ist,  wie  im  größten  Teil  des  polaren 
Nordamerikas,  entwickelt  sich  die  Flechtentundra,  die  mit  ihren 
Flechten,  Heidel-  und  Krähenbeeren  ein  reicheres  Tierleben  er- 
nährt. Die  Flußniederungen  schmücken  Wiesen  mit  Kräutern,  Weide- 
gestrüpp und  Gruppen  kleinerer  Holzgewächse;  und  auf  geneigtem 


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Die  Hauptzonen  und  Hauptregioneil  der  Vegetation.  603 

Boden  zaubert  der  monatelange  Sommertag  anmutige  Matten  mit 
frischem  Grün  und  prächtigen  Blumen  hervor,  denn  nur  auf- 
fällig gefärbte  Blüten  können  die  wenigen  Insekten,  die  die  Be- 
fruchtung vermitteln,  herbeilocken.  Im  östlichen  Grönland  wurden 
die  Mitglieder  der  deutschen  Expedition  durch  große,  gleich- 
mäßig grüne  Flächen,  die  bis  zu  einer  Höhe  von  300  m an- 
steigen,  überrascht.  Herden  von  Renntieren  und  Bisamstieren  be- 
lebten dieselben,  und  an  manchen  Stellen  labte  sich  das  Auge  an 
dem  schönsten  Rasen  mit  Stauden  und  Erikensträuchem  oder  nie- 
derem Birkengestrüpp.  In  den  höheren  Regionen  des  eisfreien 
Küstenlandes,  wo  kein  ozeanischer  Nebel  die  Sonne  verhüllt,  steigt 
Papaver  nudicaule  bis  1500  m,  viele  Blutenpflanzen  bis  1250  m Höhe 
an,  und  ein  Vaccinium  trägt  noch  in  660  m Höhe  reife  Beeren. 
Selbst  auf  den  Nunatakken  des  Binneneises  (s.  S.  170)  fand  Jensen 
grüne,  wenn  auch  spärlich  bewachsene  Stellen;  in  beträchtlicher 
Entfernung  von  der  Küste  und  in  1250  in  Höhe  sammelte  er 
27  Phanerogamen , und  am  Rande  des  Inlandeises  hei  Julianehaab 
empfing  ihn  eine  üppige  Vegetation  von  Gräsern  und  3 — 4 m hohen 
Birken.  Von  den  386  Gefäßpflanzen,  die  Grönland  besitzt,  erreichen 
noch  88  den  83.  Parallel.  Auf  Grinnellland  (82 u B.)  liefert  eine  mit 
Stauden  gemischte  Moossteppe  noch  genügendes  Futter  für  die  Tiere, 
und  unter  82°  50'  wurden  sogar  noch  fl  Blutenpflanzen  gesammelt. 
Am  ärmlichsten  dürfte  die  Vegetation  auf  Franz- Josef-Land  sein, 
denn  vergebens  sucht  man  hier  nach  einer  geschlossenen  Rasendecke, 
aber  dichte  Moospolster  sind  nicht  selten  und  Flechten  in  Menge 
vorhanden.  Solche  Kontraste  schafft  der  kontinentale  Sommer  der 
nördlichen  und  der  ozeanische  Sommer  der  südlichen  Polarzone. 

Pflanzenregionen.  Die  vertikale  Temperaturabnahme  bewirkt 
eine  ähnliche  Pflanzenanordnung  mit  wachsender  Höhe,  wie  mit 
wachsender  geographischer  Breite.  Es  ist  auf  das  Beiwort  „ähn- 
liche“ besonders  Gewicht  zu  legen,  denn  nur  iu  bezug  auf  den 
allgemeinen  Vegetationscharakter  entsprechen  die  einzelnen  Pflau- 
zenregionen  den  Pflauzenzonen;  und  wenn  auch  in  vielen  alpinen 
Gebirgen  arktische  Formen  wiederkehren,  so  läßt  sich  das  — wie 
später  gezeigt  werden  soll  — nicht  durch  die  heutigen  Temperatur- 
verhältnisse erklären. 

Im  westlichen  Himalaja  reicht  der  echte  Tropenwald  nur  bis 
900  m Höhe.  Daun  nimmt  er  den  Charakter  der  gemäßigten  Zone 
au,  wenn  auch  viele  tropische  Pflanzen  iu  derselben  eingesprengt 
erscheinen,  denn  erst  in  2400  m Höhe  verschwindet  die  mit  Chamae- 
rops  verwandte  Palme  Trachycarpus  Martiana,  also  nur  1260  m 
unter  der  Waldgrenze,  ln  den  Andes  von  Columbia  liegt  die 


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604  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

Tropengrenze  in  1400  und  die  Grenze  der  gemäßigten  Region  in 
3400  m Höhe.  In  den  Pyrenäen  steigt  die  immergrüne  Vegetation 
nur  bis  400  m an,  darauf  folgt  bis  1600  m der  sommergrüne  Laub- 
wald und  von  1600 — 2400  m Höhe  der  Nadelwald,  in  einen  Knie- 
holzgürtel auslaufend,  endlich  bis  zur  Schneegrenze  in  2750  m Höhe 
die  alpine  Vegetation.  In  den  Schweizer  Alpen,  die  in  der  sommer- 
grünen Laubbaumzone  liegen,  unterscheidet  Christ  vier  Regionen. 
In  der  unteren,  die  auf  der  Nordseite  in  550,  im  Süden  und  Westen 
aber  in  700  m Höhe  endet,  gedeihen  noch  Wein,  Obst  und  einige 
Gewächse  von  mediterranem  Typus.  Die  zweite  Region,  die  des 
Laubwaldes,  in  der  die  Buche  vorherrscht  und  die  Kastanie  auf  der 
Südseite  bis  900  m ansteigt,  reicht  in  der  Nordschweiz  bis  1350  m 
Höhe.  Dann  folgt  der  Gürtel  des  Nadelwaldes,  der  in  den  nörd- 
lichen und  Tessiner  Alpen  in  1 800  m,  in  den  zentralen  aber  erst  in 
2100  m Höhe  der  alpinen  Vegetation  den  Platz  räumt. 


Breite 

Tiefs!  e Waldgrenze 

Höchste  Waldgrenze 

Örtlichkeit 

m 

111 

Örtlichkeit 

74— 70»N. 

Norwegen,  Westseite,  70l/j°  j 

260  1 

i — 1 

— 

69—85 

ß7° 

» 0 1 

360 

700 

Norwegen,  Ostseite,  67° 

64—60 

j Ural  64° 

555 

1140 

Stanowoigebirge  60° 

59—55 

Schottland  57° 

810 

1220 

Felsengebirge  56° 

»• 

1 

cn 

o 

Harz  52° 

1040 

2200 

Sajanisches  Geb.  50" 

49—45 

Vogesen  48° 

1300 

2600 

Alatau  45° 

44—40 

(Dalmatien  44”) 
White  Mts.  44° 

(970* 

1330 

, 3600 

Pamir  40" 

39—35 

Hindus  39° 

1800 

! 3700 

Neu-Mexico  35° 

34—30 

Libanon,  Westseite,  34° 

1950 

4600 

Tibet  ea.  30° 

29-25 

Himalaja-Bhutan  28° 

3250 

4040 

Geb.  am  Mekong  29° 

24—20 

— 

— 

— 

19—15 

Guatemala,  niederste  Grenze 

3500 

3850 

Pic  v.  Orizaba 

14—10 

Küstengeb.  v.  Venezuela  10° 

1500 

3800 

Abessinien 

9—  5 

S.  Nevada  de  S.  Marta 

1900 

3400 

Cordillere  v.  Bogota 

4—  0 

— 

— 

— 

— 

0-  4°S. 

Pic  v.  Korintji,  Sumatra 

2500 

3500 

Ecuador,  Ostseite 

5—  9 



— 

— 

— 

10—14 

— 

— 

— 

15—19 

— 

— 

2800 

Pic  de  Sorata  16" 

20—24 

— 

— ! 

— 

— 

25—29 

— 

— 

1 

— 

30—34 

— 

— 

! 

— 

35—39 

Mt.  Egmont,  Neuseeland  H91/,0 

1070 

— 

— 

40—44 

Südalpen,  „ 42° 

1220 

1 1460 

Vulkan  Osorno  41° 

45—49 

— 

— ! 

— 

50—54 

| Feuerland  54° 

450 

— 

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Die  Hauptzonen  und  Hauptregionen  der  Vegetation.  605 

Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  die  alpine  Waldgrenze,  Uber 
deren  Höhe  in  den  Gebirgen  der  Erde  wir  die  vorstehende  Tabelle 
zusammengestellt  haben.  Es  braucht  wohl  nicht  betont  zu  werden, 
daß  in  denjenigen  Zonen,  wo  nur  eine  Messung  vorliegt,  die  Verteilung 
auf  eine  der  beiden  Kolumnen  im  Grunde  willkürlich  ist 

Im  allgemeinen  ist  die  Höhe  der  Waldgrenze  von  denselben 
Bedingungen  abhängig,  wie  die  der  Schneelinie.  Sie  sinkt  vom 
Äquator  gegen  die  Pole  in  immer  tieferes  Niveau,  aber  nur  unter 
sonst  gleichen  Verhältnissen,  denn  im  Bereiche  des  Seeklimas  liegt 
sie  überall  tiefer,  als  in  Gebieten  des  sommerwarmen  Landklimas. 
Daher  endigt  das  Baumleben  auf  der  südlichen  Halbkugel  in  ge- 
ringerer Höhe  als  auf  der  nördlichen  in  gleicher  Breite;  daher  steigt 
es  an  der  Ostseite  des  norwegischen  Gebirges  höher  an  als  an  der 
Westseite;  daher  erhebt  sich  die  Waldlinie  in  der  alten  Welt  von 
Westen  nach  Osten,  erreicht  in  Zentralasien  die  größte  Höhe,  um 
dann  wieder  an  der  pazifischen  Seite  herabzusinken,  und  beschreibt 
in  Nordamerika  eine  ähnliche  Kurve.  Über  4600  m Höhe  (Tibet) 
findet  man  nirgends  Bäume,  ebensowenig  wie  jenseits  von  72’/2°  B. 
In  den  tropischen  Gebirgen  beschränkt  nicht  so  sehr  die  Tempe- 
ratur, als  die  abnehmende  Feuchtigkeit  das  Baumleben;  daraus 
erklärt  es  sich,  daß  es  in  den  gletscherlosen  Bergen  von  Sumatra 
und  Borneo  schon  in  einer  Höhe  erlischt,  in  der  es  im  wasser- 
reichen Himalaja  noch  fröhlich  gedeiht.  Auf  Java  fällt  die  Wald- 
grenze mit  der  Grenze  des  PHanzenlebens  überhaupt  zusammen, 
und  auch  in  den  chilenischen  Andes  nähert  sich  die  erstere  sehr  der 
Schneelinie;  doch  ist  hier  — gleichsam  zum  Ersätze  für  die  Ein- 
schränkung der  baumlosen  Pllanzenregion  — die  alpine  Strauch- 
vegetation stark  entwickelt.  Wenn  im  Feuerlande  Baum-  und  Schnee- 
linie sich  wieder  weiter  von  einander  entfernen,  so  liegt  der  Grund 
nur  darin,  daß  hier  der  Wald  in  den  stürmischen  Höhen  nicht  ge- 
deihen kann. 

Wie  die  Schneelinie,  ist  auch  die  Waldgrenze  zum  großen  Teil 
von  lokalen  Verhältnissen,  von  der  Besonnung  und  dem  orographi- 
schen  Charakter  des  Gebirges  abhängig.  Je  massenhafter  dieses 
gebaut  ist,  desto  mehr  wird  es  erwärmt,  und  desto  höher  dringt  die 
Baumvegetation  vor,  ohne  jedoch  immer  ihre  klimatische  Grenze  zu 
erreichen.  Ihre  geringe  Seehöhe  im  dalmatinischen  Gebirge  erzählt 
uns  von  der  unsinnigen  Zerstörungswut  des  Menschen.  Am  Groß- 
glockner endet  sie  jetzt  in  1900  m Höhe,  aber  noch  in  2152  m 
Höhe  entdeckte  Seeland  einen  Holzstrunk.  Im  18.  Jahrhundert 
waren  am  Südrande  des  Bernina  in  2334  m Höhe  noch  Bäume  zu 
sehen,  wo  jetzt  echte  Alpenpflanzen  wachsen;  und  einzelne  WTurzel- 


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606 


Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 


stocke  oder  alleinstehende  Tannen,  Lärchen  und  Arven  von  hohem 
Wüchse  jenseits  der  Waldgrenze  beweisen  uns,  daß  sich  der  Wald 
einst  bis  hierher  ausgedehnt  hat.  Auch  von  dem  Zurückweichen  der 
alpinen  Waldgrenze  gilt,  was  oben  (S.  601)  von  der  polaren  Baum- 
linie gesagt  wurde.  In  anderen  Fällen  schließt  die  Bodenbeschaffen- 
heit den  Wald  aus.  Am  Mauna  Loa  auf  Hawaii,  dessen  oberer  Teil 
ganz  von  Lavaströmen  bedeckt  ist,  verschwindet  schon  in  2140  m 
Höhe  alle  Vegetation;  dagegen  kommt  auf  dem  Mauna  Kea,  der 
aus  lockeren  Eruptionsprodukten  besteht,  der  Manatibaum  vereinzelt 
bis  3350  m Höhe  vor. 

Wie  an  der  polaren  Waldgrenze  häufig  zwerghafte  Baumformen 
die  äußersten  Vorposten  bilden,  so  auch  in  vielen  Hochgebirgen.  In 
den  Karpaten  und  Sudeten  tritt  das  Krummholz  als  selbständige 
Formation  hervor.  Meist  vollzieht  sich  der  Übergang  zur  alpinen  Begion 
allmählich,  nur  in  den  nordamerikanischen  Hochgebirgen  trennt  ein 
scharfer  Strich,  die  sogenannte  „Timber  line“,  den  Hochwald  vom 
Knieholzgürtel.  Im  Colorado-Gebirge  z.  B.  endigt  der  Hochwald  in 
3350  m Höhe,  und  dann  folgt  ein  aus  gleichen  Arten  bestellender 
Zwergwald  bis  3800  m Höhe. 

Ausdauernde  Arten  mit  verkürzten  Stengelgebilden,  vorläufigen 
großen  Blüten  und  kleinen  Blättern  sind  für  die  alpine  Region 
charakteriseh.  Kryptogamen  herrschen  vor,  wie  in  der  polaren 
Flora;  die  Phanerogamen  werden  durch  Sträuclier,  Stauden  und 
Gräser  vertreten.  In  vielen  Punkten  ist  aber  die  alpine  Region 
mehr  begünstigt  als  (Re  arktische  Zone;  denn  wenn  auch  hier  die 
Sommersonne  nie  untergeht,  so  erwärmen  doch  ihre  schiefen  Strahlen 
den  Boden  nicht  so  intensiv,  wie  im  Hochgebirge,  trotzdem  daß  die 
mittlere  Lufttemperatur  der  höheren  Regionen  im  Sommer  geringer 
ist,  als  in  den  entsprechenden  höheren  Breiten.  Dafür  ist  aber  im  Ge- 
birge die  Vegetationszeit  (Monate  über  0°)  länger;  und  während 
derselben  taut  der  Boden  bis  zur  Tiefe  auf  und  gestattet  den 
Wurzeln  tiefer  einzudringen.  Der  Unterschied  in  der  Stärke  der  In- 
solation erklärt  es  nach  Christs  Ansicht,  daß  die  alpinen  Pflanzen 
in  bezug  auf  Masse  des  Stoßes,  Dicke  des  Stammes,  Zahl  und 
Stärke  der  Zweige  und  Laubteile  den  arktischen  so  sehr  über- 
legen sind. 

An  der  Schneegrenze  hört  zwar  die  zusammenhängende  Vege- 
tation auf,  aber  es  erlischt  nicht  alles  Pfianzenleben.  Etwa  500  m 
darüber  sammelte  Ball  am  Aletschgletscher  noch  40  Arten, 
und  am  Montblanc  fand  man  zwischen  3200  und  3400  m noch  24 
Phanerogamen.  Die  höchsten  Blutenpflanzen  fand  v.  Schlagint- 
weit  auf  dem  Ibi-Gamin-Paß  in  6038  m Höhe.  Auf  schneefreien 


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Die  wichtigsten  Vegetationsformationen  innerhalb  tl.  Waldgrenzen.  607 

Felsen  siedeln  sich  Flechten  an,  und  aut'  dem  Schnee  selbst  finden 
noch  Algen  ihre  bescheidenen  Lebensansprüche  erfüllt.  Eine  Art 
derselben,  von  mikroskopischer  Größe,  ruft  die  bekannte  Erscheinung 
des  roten  Schnees  hervor. 


Die  wichtigsten  Vegetationsformationen  innerhalb 
der  Waldgrenzen. 

(Siehe  Karte  XVIII.) 

Der  Wald  bedarf  während  der  Vegetationszeit  nicht  nur  eines 
gewissen  Wärmemaßes,  das  ihm  weder  die  polare  Zone,  noch  die 
alpine  Region  gewährt,  sondern  auch  der  Feuchtigkeit.  Das  Baum- 
leben bleibt  also  auch  den  regenarmen  Gebieten  innerhalb  der  Wald- 
grenzen fern  oder  zieht  sich  hier  auf  die  wohlbewässerten  Abhänge 
der  Gebirge  zurück. 

Nicht  überall  ist  aber  das  Feuchtigkeitsbedürfnis  des  Waldes 
das  gleiche,  und  nicht  überall  wird  es  in  gleicher  Weise  befriedigt, 
ln  der  warmen  Zone  geht  der  Verdunstungsprozeß  der  Blätter  viel 
rascher  vor  sich,  als  in  unseren  Breiten;  so  ist  zu  erklären,  daß 
z.  B.  — wie  Brandts  gezeigt  hat  — in  Ostindien  kräftige  Wälder  nur 
dort  gedeihen,  wo  der  Regen  eine  jährliche  Durchschnittshöhe  von 
mehr  als  100  cm,  und  Tropenwälder  nur  dort,  wo  er  eine  solche 
von  mehr  als  190  cm  erreicht,  während  die  nördliche  gemäßigte 
Zone  ein  einziges  Waldgebiet  ist,  obwohl  hier  die  mittlere  jährliche 
Niederschlagshöhe  meist  nur  25 — 50,  ja  in  Ostsibirien  und  im  nörd- 
lichsten Teile  von  Amerika  weniger  als  25  cm  beträgt.  Noch  ein 
anderes  Moment  kommt  dazu,  das  uns  Uber  den  scheinbaren 
Widerspruch  in  der  Verbreitung  der  Wälder  diesseits  und  jenseits 
der  Wendekreise  aufzuklären  vermag,  und  auf  das  Wueikow 
schon  einmal  aufmerksam  gemacht  hat.  Es  ist  die  winterliche  Schnee- 
decke, welche  eine  bedeutende  Niederschlagshöhe  ersetzen  kann. 
Denn  das  Schneewasser  sickert  langsam  in  den  Boden  ein  und  er- 
nährt die  Vegetation  gerade  hei  ihrem  Erwachen  im  Frühling, 
während  die  stärksten  sommerlichen  Regengüsse  zum  größten  Teil 
oberflächlich  abHießen. 

Waldland  und  waldlose  Gebiete  sind  also  die  beiden  Haupt- 
typen der  Vegetation,  wobei  wir  jene  Gegenden,  wo  der  Mensch  den 
Wald  ausgerodet  bat,  natürlich  dem  ersteren  zurechnen.  Innerhalb 
dieser  beiden  Hauptformationen  giebt  es  eine  unerschöpfliche  Mannig- 
faltigkeit, und  beide  sind  auch  durch  langsame  Übergänge  mit  ein- 
ander verbunden.  Tropischer  Urwald  und  Wüste  sind  die  Endglieder 


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608  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

der  Formatiousreihe,  die  in  manchen  Gegenden  nahe  bei  einander 
liegen,  während  in  den  höheren  Breiten  der  Reichtum  und  die 
Armut  der  Vegetation  niemals  in  so  schroffen,  räumlich  benachbarten 
Gegensätzen  zum  Ausdrucke  gelangen. 

Tropenwald.  Der  tropische  Urwald  unterscheidet  sich  von 
den  Wäldern  der  gemäßigten  Zone  vor  allem  durch  den  gemischten 
Baumschlag.  Selten  gehören  zwei  benachbarte  Bäume  derselben 
Art  an.  Dikotyle  Bäume  mit  starrem,  immergrünem,  ungeteiltem 
Laub  oder  mit  einmal  gefiederteu  Blättern  herrschen  vor;  dazu 
gesellen  sich  Monokotyledonen,  besonders  Palmen,  und  in  Mexico 
und  Zentralamerika  auch  Koniferen,  die  hier  ausnahmsweise  bis  an 
das  Meer  hinabsteigen.  Die  durchschnittliche  Höhe  der  gemischten 
Bestände  beträgt  nur  20 — 30  m,  aber  einzelne  Bäme  ragen  darüber 
hinaus,  „einen  Wald  über  dem  Walde“  bildend.  Dieser  etagen- 
förmige  Aufbau  ist  charakteristisch  für  den  tropischen  Urwald. 
Am  Amazonas  mischen  sich  stammlose  Zwergpalmen,  3 — 4 m und 
20  — 30  m hohe  Palmen,  sowie  riesige  Laubbäume,  deren  Kronen 
bis  80  und  100  m sich  erheben.  Das  Unterholz  ist  übrigens  in  ver- 
schiedenen Gegenden  verschieden;  im  ostindischen  Dschungel  besteht 
es  z.  B.  aus  Bambusen  und  Dorngesträuchen.  Ebenso  bezeichnend 
für  den  tropischen  Urwald  sind  die  Lianen  und  Epiphyten,  die 
schon  in  den  subtropischen  Breiten  entschieden  zurücktreten  und 
weiter  gegen  Norden  hin  ganz  verschwinden.  Die  Lianen,  die  von 
Baum  zu  Baum  sich  schwingen  und  frei  von  den  Kronen  herab- 
hängen, sind  zum  Teil  Holzgewächse,  wie  die  Rotangpalmen  (S.  579); 
ihnen  verdankt  der  Urwald  hauptsächlich  seine  Unwegsamkeit.  Die 
Epiphyten  setzen  sich  auf  den  Bäumen  fest,  ohne  sie  zu  umranken. 
Farne,  Orchideen  und  Arongewächse,  in  Amerika  auch  die  Ananas- 
gewächse, gehören  vorwiegend  zu  diesen  Pflanzen,  die  aber  nicht  in 
allen  Fällen  ein  Sehmaro tzerleben  fuhren,  sondern  häufig  durch 
Luftwurzeln  ihre  Nahrung  aus  dem  Boden  ziehen.  Der  unendliche 
Reichtum  an  Schattengewächsen  erklärt  sich  daraus,  daß  im  tro- 
pischen Urwalde,  trotz  der  Überfülle  des  Laubwerkes  und  trotzdem 
daß  die  Blätter  vorherrschend  undurchscheinend  sind,  doch  ein  mildes 
gedämpftes  Lipht  herrscht.  Auch  dadurch  unterscheidet  er  sich 
wesentlich  nicht  nur  von  unseren  finsteren  Nadelwäldern,  sondern 
auch  von  unseren  Laubwäldern.  Denn  im  Gegensätze  zu  diesen, 
deren  Laubdach  zwar  durchscheinend  und  weniger  dicht,  aber  wegen 
der  großen  Anzahl  kleiner  Zweige  zusammenhängender  ist,  sind  die 
Bestandteile  des  Tropenwaldes  so  gebaut,  daß  überall  Zwischenräume 
den  Lichtwellen  in  den  Wald  einzudringen  gestatten. 

Sind  auch  gewisse  Charakterzüge  allen  tropischen  Urwäldern 


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Die  wichtigsten  Vegetationsformationen  innerhalb  d.  Waldgrenzen.  609 

gemeinsam,  so  finden  sich  doch  auch  sehr  bemerkbare  individuelle 
Eigenschaften,  die  sich  nicht  nur  aus  den  Eigentümlichkeiten  der 
verschiedenen  Florengehiete  erklären,  sondern  auch  innerhalb  eines 
solchen  durch  lokale  Verhältnisse  bedingt  sind.  Der  Igapowald  im 
Überschwemmungsgebiete  des  Amazonas  zeichnet  sich  z.  B.  durch 
eine  Überfülle  von  Palmen,  durch  verhältnismäßig  niedrigen  Wuchs 
der  Laubbäume  und  geringe  Entwicklung  der  Lianen  und  Epiphyten 
aus.  Im  Etewald,  der  auch  auf  Thonhoden  steht,  aber  nicht 
mehr  überschwemmt  wird,  herrschen  die  dikotylen  Bäume  mit 
lorbeerartigem  Blatt  entschieden  vor,  und  ihnen  gehören  auch  die 
höchsten  Individuen  an.  Im  Sandsteingebiete  des  Rio  Negro  endlich 
werden  die  Laubhölzer  kleiner,  Palmen  und  Lianen  seltener,  aber 
die  epiphy tischen  Farren  und  Arongewächse  wuchern  in  üppigster 
Fülle.  Der  Teraiwald,  der  den  Südfuß  des  Himalaja  begleitet,  ist 
im  Osten  echter  Tropen wald,  aber  gegen  Westen,  also  in  derselben 
Richtung,  in  der  die  Regenmenge  abnimmt  und  das  Klima 
kontinentaler  wird,  verlieren  sich  die  tropischen  Charakterzüge  und 
die  Bestände  werden  einförmiger.  Am  reinsten  ist  der  tropische 
Typus  in  jenen  Gegenden  ausgeprägt,  wo  sich  gleichmäßige  Wärme 
mit  großer  Feuchtigkeit  paart,  also  besonders  im  Aquatorialgürtel, 
wie  im  malaischen  Archipel  und  in  der  Amazonasniederung,  wo 
sich  der  Urwald  von  Paranahiba  bis  Zamora  in  einer  Länge  von 
mehr  als  4000  km  (gleich  der  Entfernung  von  der  Westspitze  der 
Bretagne  bis  zum  Aralsee!)  erstreckt.  In  Afrika  haben  uns  erst 
die  Forschungsreisen  des  letzten  Jahrzehnts  über  die  große  Aus- 
dehnung des  Urwaldes  durch  das  Kongobecken  bis  an  das  östliche 
Seengebiet  unterrichtet,  wobei  es  freilich  noch  fraglich  erscheint,  ob 
er  eine  völlig  zusammenhängende  Formation  bildet.  Nächst  der 
Aquatorialzone  sind  die  Windseiten  aller  tropischen  Gebirge  von 
Urwäldern  bedeckt,  so  die  Westghats,  die  Westseite  von  Hinterindien 
vom  Himalaja  bis  Malakka,  die  madagassische  Ostseite,  die  brasi- 
lianische Ostküste  bis  zur  Wasserscheide  gegen  den  St.  Francisco 
und  Parana;  die  östliche  Abdachung  von  Zentralamerika  und  Mexico, 
jedoch  hier  mit  Ausnahme  von  Tabasko  nur  auf  die  Region  von 
1000—2000  m beschränkt,  während  auf  der  pazifischen  Seite  gerade 
nur  der  untere  Küstensaum  bis  650m  Höhe  Urwälder  trägt;  ferner  die 
Windseiten  der  hohen  polynesischen  Inseln  u.  s.  w.  Wo  eine  aus- 
gesprochene Trockenzeit  eintritt,  nimmt  der  Tropenwald,  ohne  in 
seinen  Bestandteilen  sich  völlig  zu  ändern,  einen  anderen  Gesamt- 
charakter an;  die  unendliche  Fülle  der  Formen  macht  einer  größeren 
Einförmigkeit  Platz,  die  immergrünen  Gewächse  versehen  sich  mit 
Schutzvorrichtungen  gegen  den  Einfluß  der  Trockenheit,  periodisch 

S dp  Alf,  Physische  Erdkunde.  2.  Aull.  39 


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610  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

belaubte  Dikoty ledernen  gewinnen  die  Herrschaft.  Diese  regen- 
grtinen  Wälder,  wie  sie  Dkude  im  Gegensätze  zu  den  Regen- 
wäldern (Urwäldern)  genannt  hat,  Ubertreffen  die  letzteren  wahr- 
scheinlich an  Ausdehnung,  vielleicht  auch  im  Reichtum  an  Nutz- 
hölzern. Aber  auch  in  periodisch  trockenen  Gebieten  vermag  die 
Bodenfeuchtigkeit  entlang  den  Ufern  der  Flüsse  echte  Urwälder 
hervorzuzaubern.  Das  sind  die  Galeriewälder,  „ln  ihrem  Innern“ 
— schreibt  Schweinfukth  — „gewahrt  man  Säulengänge,  ägyptischen 
Tempelhallen  ebenbürtig,  in  ewig  tiefen  Schatten  gehüllt  und  von 
aufeinander  gelegten  Laubdecken  oft  dreimal  überwölbt.  Von  außen 
betrachtet,  erscheinen  sie  wie  eine  undurchdringliche  Wand  des 
dichtesten  Blattwerkes,  im  Innern  eröffnen  sich  überall  Laubgänge 
unter  den  Säulenhallen,  voll  murmelnder  Quellen  und  Wasseradern.“ 

Wir  sagten  eben,  die  Mannigfaltigkeit  sei  das  Merkmal  des 
Tropen waldes,  aber  stellenweise  findet  man  auch  in  der  warmen 
Zone  ausgedehnte  Bestände  von  geselligen  Bäumen  derselben 
Art.  Selbst  die  Palme  tritt  häufig  waldbildend  auf,  wie  die  Dum- 
und  Delebpalme  in  Afrika,  die  Olpalmen  in  Verbindung  mit  Phoenix 
spinosa  an  der  westafrikanischen  Küste,  ein  paar  Mauritiaarten  im 
Gebiete  des  Orinoco  und  Amazonas,  die  Wachspalme  in  Gran  Chaco, 
die  Caranda-Palme  in  Paraguay,  die  Yatay- Palme  in  Uruguay  und 
verschiedene  Arten  im  malaischen  Archipel.  Andere  bekanntere 
Beispiele  sind  die  schon  mehrmals  genannten  Mangrovewälder,  die 
seltsamen  Tjemorowälder  in  den  Gebirgen  der  Sunda-Inseln,  die  aus 
Casuariuen  mit  blattlosen  Zweigen  bestehen,  die  Pisangwälder  an 
der  Gambiamündung,  die  Tamariskenwälder  am  Blauen  Nil,  die 
schattenlosen  und  doch  oft  undurchdringlichen  Akazienwälder  in 
Siidarabien  und  Afrika,  die  Araukarienwälder  von  Brasilien  u.  s.  w. 

Der  Wald  mittlerer  und  höherer  Breiten.  Nach  Süden  zu  ver- 
liert sich  der  tropische  Waldcharakter  allmählich.  Die  Küstenw-älder 
vom  brasilianischen  Staate  Sa.  Catharina  bis  zur  Grenze  von  Uruguay 
unterscheiden  sich  von  den  tropischen  nur  durch  niedrigeren  Wuchs 
und  geringere  Mannigfaltigkeit;  und  ebenso  macht  sich  im  chilenischen 
Waldlande  zwischen  34  und  44°  B.  gegen  Süden  zu  nur  eine  zu- 
nehmende Einförmigkeit  bemerkbar,  ohne  daß  das  dichte  Unterholz 
aus  bambusartigen  Gräsern  und  das  Gewirr  von  Lianen  und  Epi- 
phyten  zurücktreten  und  den  Wald  zugänglicher  machen  würden. 
Dagegen  ist  die  Baummischung  auf  Neuseeland  kaum  minder  groß, 
als  zwischen  den  Wendekreisen,  und  der  Nordinsel  fehlen  auch  die 
Lianen  und  Epiphyten  nicht.  In  Australien  tragen  noch  die  ge- 
mischten Wälder  in  den  Creekthälern  von Neu-Süd- Wales  ein  tropen- 
ähnliches Gepräge. 


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Die  wichtigsten  Vegetfttionsformationen  innerhalb  d.  Waldgrenzen.  61 1 

Dem  echten  subtropischen  Walde  fehlen  zwar  die  Lianen  und 
Epiphyten,und  an  die  Stelle  derMoucotyledonen  treten  die  in  den  Tropen 
seltenen  Nadelhölzer,  aber  immergrüne  Laubbäume  geben  ihm  doch 
einen  von  den  Wäldern  höherer  Breiten  abweichenden  Charakter.  Indes 
sind  diese  Bäume  selten  zu  ganzen  Waldungen  vereinigt  In  den 
Mittelmeerländern  tritt  nur  die  immergrüne  Eiche  waldbildend  auf; 
in  Chile  jenseits  des  44.  Parallels  herrscht  die  periodisch  belaubte 
Buche  vor,  wird  aber  von  der  immergrünen  Buche  und  von  Koniferen 
begleitet;  auch  in  den  südlichen  atlantischen  Staaten  der  Union 
sind  nicht  die  immergrünen  Bäume  die  vorwiegenden  Waldbestand- 
teile, sondern  überlassen  die  Herrschaft  der  laugnadeligen  Kiefer. 
Im  chinesisch-japanischen  Subtropengebiete  giebt,  soweit  die  Kultur 
den  Wald  noch  nicht  verdrängt  hat,  der  Ahornbaum  der  Landschaft 
das  eigentümliche  Gepräge.  Einen  sonderbaren  Anblick  gewähren 
die  offenen,  schattenlosen  Eukalyptenwälder  Australiens,  deren  Boden 
ein  zusammenhängender  Wiesenteppich  mit  schönen  Blumen  bedeckt. 
Zur  Zeit  der  Dürre  erhält  sich  freilich  nur  in  den  Creekthälern 
eine  üppigere  Vegetation.  Auf  trockenem  Untergründe  haben  sich 
Akazien  und  Casuarinen  angesiedelt;  im  Norden  gesellen  sich  zu 
den  Eukalypten  indische  Holzgewächse,  und  hier  bietet  auch  der 
Grasboden  stellenweise  das  Bild  einer  echt  tropischen  Savane. 

Der  sommergrüne  Laub-  und  der  Nadelholz wald  ist  nur 
auf  die  nördliche  Halbkugel  beschränkt.  In  den  Laubwäldern  Ost- 
asiens  und  der  östlichen  Vereinsstaaten  Nordamerikas  zeigt  die  größere 
Artenmischung  noch  einen  Anklang  an  tropische  Verhältnisse,  in 
Europa  herrschen  dagegen  reine  Bestände,  vorwiegend  von  Buchen, 
Eichen  und  Birken.  Die  Buchenwähler,  die  einer  milden  Winter- 
temperatur bedürfen,  charakterisieren  das  westliche  und  mittlere,  die 
Eichenwälder  das  östliche  Europa. 

Die  statistischen  Untersuchungen  von  Asa  Gray  bestätigen  den 
großen  Gegensatz  der  Ost-  und  Westseiten  der  Kontinente,  * dessen 
Verständnis  sich  uns  später,  bei  der  Betrachtung  der  geschichtlichen 
Entwicklung  der  heutigen  Pflanzenwelt,  erschließen  wird.  Die  Zahl 
der  Laubbaumarten  ist  an  den  Ostseiten  fast  um  das  Doppelte 
größer  als  in  Europa,  und  nahezu  viermal  größer  als  im  westlichen 


X 

Anzahl 

der  Arten  von 

Wälder 

Laubholz 

Nadelholz 

des  östlichen  Nord-Amerika  . . . 

130 

25 

des  pazifischen  „ ... 

34 

44 

von  Japan  und  der  Mandschurei 

123 

45 

von  ganz  Europa 

68 

17 

39* 

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612  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

Nordamerika.  Ein  anderer  Gegensatz  besteht  zwischen  der  atlan- 
tischen und  pazifischen  Seite  der  beiden  Festländer.  An  der  letzteren 
erreichen  die  Nadelhölzer  ihre  höchste  Entwicklung,  und  im  west- 
lichen Nordamerika  bilden  sie  sogar  56,4 °/0  aller  Waldbäume.  Tannen 
sind  am  häufigsten  und  meist  von  hohem  Wüchse;  die  Douglastanne 
erreicht  60 — 80  m,  doch  übertrifft  sie  noch  der  Rotholzbaum,  die 
Zuckerkiefer,  und  vor  allem  die  bis  150  m hohe  Sequoia  gigantea. 
Mit  Laubhölzern  gemischt,  bilden  die  Tannen  und  die  Oregonceder 
die  ausgedehntesten  Urwälder,  die  wenigstens  zum  Theil  noch  ihre 
Jungfräulichkeit  bewahrt  haben.  Sie  schließen  sich  unmittelbar  an 
den  nördlichen  Koniferengürtel  an,  an  dessen  Zusammensetzung 
in  Amerika  vorzüglich  die  Weißtanne,  in  der  alten  Welt  aber  die 
Fichte  und  Kiefer  und  in  Ostsibirien  die  Lärche  Anteil  nehmen. 
Eine  untergeordnete  Rolle  spielen  die  Laubbäume  (Pappeln,  Erlen, 
Weiden ),  die  meist  nur  die  Ufer  der  Flüsse  begleiten;  nur  die  Birke 
kann  sich  in  der  alten  Welt  den  Nadelbäumen  ziemlich  ebenbürtig 
an  die  Seite  stellen,  und  dringt  auch  überall  bis  zur  Waldgrenze 
vor.  Ein  anderer  Unterschied  zwischen  den  Wäldern  der  alten  und 
neuen  Welt,  und  zwar  im  Koniferen-  wie  im  Laubholzgürtel,  besteht 
darin,  daß  in  Amerika  das  Unterholz  und  Strauchwerk  einen 
höheren  Wuchs  und  eine  üppigere  Entwicklung  erreicht. 

Savane.  Unser  Kärtchen  zeigt  innerhalb  des  Tropengürtels 
neben  dem  Urwalde  die  Savane.  Die  letztere  ist  aber  nur  als  ein 
Kollektivbegriff  wechselnder  Formationen  aufzufassen,  und  es  er- 
scheint fraglich,  in  welcher  Ausdehnung  sie  als  ein  Erzeugnis  frei 
wirkender  Naturkräfte  zu  betrachten  oder  der  wüsten  Raubwirtschaft, 
die  die  Bodenkultur  niedrig  stehender  Völker  kennzeichnet,  zuzu- 
schreihen  ist.  Vielfach  verbreitet  ist  die  Sitte,  die  behauten  Felder 
nach  kurzer  Zeit  wieder  aufzugeben  und  durch  Vemichtuug  von 
Waldstrecken  neuen  Boden  zu  gewinnen,  während  die  verlassene 
Pflanzung  sich  mit  Gras  und  Buschwerk  bedeckt  Nur  auf  diese 
Weise  erklärte  es  sich  Pechuel-Loesche,  daß  in  Nieder-Guinea 
auf  einem  und  demselben  Boden,  unter  gleichartigen  klimatischen 
Verhältnissen  verschiedenartige  Pflanzenformationen  auftreten. 

In  Kürze  kann  man  die  Savane  als  Grasland  mit  eingestreuten 
Holzgewächsen  definieren. 

Das  Grasland  oder  die  Kamp  ine  unterscheidet  sich  von  unseren 
Wiesen  dadurch,  daß  die  harten  und  steifen  Halmgräser  keinen  ge- 
schlossenen Rasen  bilden.  Aber  trotzdem  ist  das  Wachstum  häutig 
so  dicht,  daß  man  sich  künstlich  einen  Weg  bahnen  muß,  und  auf 
solche  Vorkommnisse  beschränken  einige  Forschungsreisende  den 
Ausdruck  Savane.  In  diesem  Falle  erreichen  die  Gräser  oft  die  an- 


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Die  wichtigsten  Vegetstionsfonnationen  innerhalb  d.  Waldgrenzen.  613 

sehnliche  Höhe  von  ein  par  bis  zu  5 oder  6 m und  gleichen  dann 
in  der  Regenzeit,  von  weitem  gesehen,  einem  wogenden  Getreidefelde. 
Mit  den  hohen  mischen  sich  aber  auch  niedere  Formen,  und  gerade 
dort,  wo  die  letzteren  vorherrschen,  ist  die  Vegetation  eine  mannig- 
faltigere, indem  Gesträuche  und  blühende  Stauden  sich  heimischen. 
So  ist  in  den  brasilianischen  Campos  die  Höhe  des  Grases  keines- 
wegs eine  beträchtliche,  aber  Kakteen,  Agaven  und  hohe  und  niedrige 
Sträucher  bringen  Abwechslung  in  die  offene  Landschaft,  die  in 
ihrem  Blütenschmucke  einem  Garten  gleicht.  Tn  der  Trockenzeit 
freilich  bieten  die  Savanen  in  ihrer  gelblich-braunen  Färbung  nirgends 
ein  freundliches  Bild. 

Neben  solchen  üppigeren  Kampinen,  die  zum  Teil  wohl  an 
die  Stelle  von  Waldland  getreten  sein  mögen,  giebt  es  aber  auch 
echte  Steppen  mit  niedrigem,  büschelförmigem  Graswuchs,  der 
überall  die  nackte  Erde  hervortreten  läßt  Sie  sind  immer  ein 
Merkmal  minderwertigen  Bodens  oder  dürftiger  Bewässerung,  aber 
mannigfache  Übergänge  verknüpfen  sie  mit  den  Kampinen  der  ersten 
Kategorie,  so  daß  eine  Ausscheidung  auf  den  Karten  doch  häufig 
auf  Schwierigkeiten  stößt  Geht  man  auf  der  bekannten  Karawanen- 
straße von  Bagamojo  auf  die  ostafrikanische  Seenplatte,  so  kann 
man  alle  Abstufungen  tropischer  Vegetation  kennen  lernen,  von  dem 
Waldlande  der  feuchten  Küste  bis  zur  wüstenartigen  Landschaft  von 
Ugogo,  die  auf  weite  Strecken  nur  mit  Pori,  einem  dem  australischen 
Skruh  ähnlichen  Dorngebüsche  bewachsen  ist.  Die  Schilderungen 
der  Reisenden  werden  übrigens  häufig  durch  die  Unbestimmtheit 
der  botanischen  Formationsbezeichnungen  beeinträchtigt.  Die  erste 
Bedingung  wäre,  sich  über  einige  scharf  umgrenzte  Begriffe  zu 
verständigen,  sollen  die  Vegetationsbilder  an  Klarheit  gewinnen. 

Nicht  immer  gesellt  sich  zur  tropischen  Kampine  der  Baum- 
wuchs; entbehren  ihn  doch  die  Alangfluren  der  Sunda- Inseln,  und 
der  Campo  vero  von  Brasilien,  ohne  den  Savaneneharakter  einzu- 
büßen. Aber  das  sind  Ausnahmen.  Bald  erheben  sich  vereinzelte 
Holzgewächse  aus  der  Grasfläche,  bald  schließen  sie  sich  zu  Busch- 
werk, Buschwald  oder  sogar  regengrünem  Hochwald  zusammen. 
Schon  daß  ihr  Vorkommen  an  kein  allgemeines  Gesetz  gebunden 
ist,  läßt  erkennen,  daß  menschliche  Eingriffe  mitbestimmend  gewirkt 
haben.  Während  z.  B.  die  Loangoküste  größtenteils  Savane  ist  und 
die  Wälder  erst  da  beginnen,  wo  das  Land  ansteigt,  ist  umgekehrt 
an  der  Kongomttndung  die  Niederung  Wald  und  das  hügelige  Ge- 
lände Savane.  Die  flachen  Llanos  von  Venezuela  sind  auf  große 
Strecken  baumlos  oder  werden  nur  von  vereinzelten  Proteaceen- 
oder  Malpighiaceenbäumen  oder  von  Gruppen  von  Fächerpalmen 


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614  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

unterbrochen;  aber  dieser  Charakter  scheint  nicht  ursprünglich  zu 
sein,  denn  zwei  der  jüngsten  Reisenden,  Sachs  und  Jonas,  berichten, 
daß  seit  der  Verringerung  des  Viehstandes  die  Zahl  der  Bäume 
beträchtlich  zugenommen  habe.  Waldreicher  sind  die  Savanen  von 
Guayana,  und  das  hängt  offenbar  mit  der  bergigen  Beschaffenheit 
des  Geländes,  mit  dem  Wechsel  der  Bodenarten  und  der  Be- 
wässerung zusammen.  Die  südlichen  Campos  von  Brasilien  in  600  bis 
1300  m Höhe  werden  durch  kleine,  aber  gesellige  Lilienbäume  be- 
lebt, an  deren  Stelle  in  den  tiefer  gelegenen  nördlichen  Campos 
eine  ähnliche  Zwergform  aus  der  Familie  der  Ananasgewächse  tritt. 
Daneben  kommen  auch  echte  Wälder  vor;  inselartig  zerstreut  sind 
die  Capoes,  in  denen  die  höchsten  Bäume  die  Mitte  einnehmen  und 
immer  kleinere  Bäume  in  regelmäßiger  Abstufung  nach  der  Peri- 
pherie zu  folgen;  und  an  den  Ufern  der  Flüsse  dehnen  sich  die 
periodisch  belaubten  Catingas  aus. 

In  außertropischen  Breiten  sind  natürlich  die  fforistischen  Ele- 
mente andere,  aber  rein  pbysiognomisch  betrachtet,  findet  sich  die 
Savanenformation  wieder  im  califomischen  Parklande,  wo  Waldungen 
mit  offenen  Flächen  wechseln,  und  in  manchen  Gegenden  am  Amur 
und  auf  Kamtschatka,  wo  der  Rasenteppich  eine  außerordentliche 
Höhe  erreicht  und  Gebüsche  und  Bäume  die  Einförmigkeit  der  aus- 
gedehnten Grasfluren  mildern. 

Grassteppen.  Steigen  wir  abwärts  in  der  Reihenfolge  der 
Pflanzenformationen,  so  haben  wir  nach  der  Savane  die  Steppe  und 
endlich  die  Wüste  zu  nennen. 

Wenn  man  alle  baumannen  Grasländer  als  Steppen  bezeichnet, 
so  muß  man  sich  stets  bewußt  bleiben,  daß  man  damit  sowohl 
physiognomisch,  wie  wirtschaftlich,  wahrscheinlich  auch  genetisch 
sehr  verschiedene  Formationen  in  Einem  Begriffe  vereinigt.  Zum 
mindesten  müssen  stets  Gras-  und  Wüstensteppen  strenge  ausein- 
andergehalten werden.* 

Auch  in  der  Grassteppe  bedeckt  der  Rasen  niemals  völlig 
den  Boden;  die  Zwischenräume  nehmen  aromatische  oder  stachelige 
oder  wollige  Stauden  und  Kräuter  ein.  Die  Vegetation  in  der 
niederungarischen  Pußta  und  in  den  südrussischen  Steppen 
ist  üppig  und  kann  im  Blütenschmucke  des  Frühlings  sogar  reizend 
genannt  werden,  aber  schnell  ermüdet  der  Anblick  des  eintönigen 
Bildes  das  Auge,  das  nirgends  einen  Ruhepunkt  findet.  Wohl  die 
größte  ununterbrochene  Grasebene  der  Erde  sind  die  Pampas  von 


x Wir  haben  dieser  Forderung  auch  auf  dem  Kärtchen  XVIII  durch 
dichtere  Strichelung  der  Grassteppenflächen  Rechnung  zu  tragen  versucht. 


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Die  wichtigsten  Vegetationsformationen  innerhalb  d.  Waldgrenze.  615 

Argentinien.  Das  harte  Pfriemengras  mischt  sieh  liier  mit  zarteren 
und  nahrhaften  Gramineen;  in  den  Vertiefungen  wachsen  sie  ge- 
drängter, auf  den  Erhebungen  aber  in  zerstreuten,  dichten  Büscheln. 
Gebüsche  fehlen  und  Stauden  sind  selten.  Mannigfaltiger  sind  die 
nordamerikanischen  Prärien,  wo  das  Gramma-,  Büffel- und  Büschel- 
gras, das  eine  treffliche  Weide  bietet,  von  Kakteen,  Lilienbäumen 
und  geselligen  Stauden  begleitet  wird. 

Mit  Ausnahme  der  Pampas  entbehren  oder  entbehrten  die 
Grassteppen  auch  nicht  des  Baumwuchses.  Die  sogenannte  Baraba- 
steppe, eine  große  Ebene  im  westlichen  Sibirien  zwischen  dem 
Irtisch  und  Oh,  besteht  aus  Mooren  mit  mannshohen  Stauden,  aber 
steppenartigem  Graswuchs  und  einzelnen  Waldinseln.  Die  neue 
Karte  von  Tanfiljew  1 zeigt  uns  zahllose  kleine  und  größere  Wald- 
flecke in  die  südrussische  Steppe  eingesprengt.  Daß  die  nieder- 
ungarische Ebene  einst  reicher  bewaldet  war,  ist  eine  gut  beglaubigte 
Thatsache.  Die  östlichen  Prärien  haben  allerdings  weniger  als 
20  Proz.  Wald,  aber  der  Übergang  vom  Waldlande  der  östlichen 
Staaten  zum  baumlosen  Lande  am  Fuße  des  Felsengebirges  vollzieht 
sich  allmählich.3  Sicher  ist  es,  daß  hier  überall  die  Steppengewächse 
im  Kampfe  ums  Dasein  günstigere  Chancen  haben,  als  die  Bäume, 
aber  betreffs  der  Ursache  dieser  Erscheinung  sind  die  Ansichten 
geteilt.  Die  einen  schreiben  sie  dem  trockenen  Klima,  die  anderen 
dem  Boden  zu.  Die  Klimahypothese,  deren  Hauptvertreter  einst 
Grisebach  war,  zählt  in  Rußland  und  Amerika  kaum  noch  An- 
hänger.8 Daß  die  siidrussische  Grassteppe  auf  das  Gebiet  der  Schwarzen 
Erde  beschränkt  ist,  erklärt  Tanfil.iew  durch  den  Salzgehalt  des 
Bodens;  wo  dieser  durch  das  fließende  Wasser  ausgelaugt  ist,  wie 
in  den  Flußniederungen  und  auf  den  Wasserscheiden,  da  gedeiht 
auch  der  Wald.  In  den  forstlichen  Anpflanzungsversuchen  erblickt 
er  einen  experimentellen  Beweis  für  die  Richtigkeit  dieser  Ansicht, 
denn  wo  solche  Waldungen  abstarben,  erwies  sich  das  Grundwasser 
schon  in  geringer  Tiefe  als  salzhaltig.  Andere  russische  Forscher 
führen  die  Baumarmut  auf  die  Feinerdigkeit  des  Bodens  zurück, 
die  das  atmosphärische  Wasser  nicht  tief  genug  eindringen  läßt, 
und  dieselbe  Hypothese  wandte  Whitney  auf  die  uordamerikanischen 
Prärien  an.  Die  östliche  Hälfte  derselben  ist  fruchtbar,  genügend 
benetzt,  warum  sollte  hier  kein  Wald  gedeihen  können?  Diese 
Frage  beantwortet  Miller  Christy4  mit  dem  Hinweise  auf  die  großen 
Brände,  die  meist  von  Menschenhand  herrühren  und  im  Frühjahre 
und  Herbste  oft  ungeheure  Flächen  heimsuchen.  Verbreitete  sich 
doch  ein  solcher  einst  von  49 — 53°  B.  und  von  98 — 108°  L.,  d.  h. 
über  ein  Areal,  nahezu  so  groß,  wie  das  Königreich  Preußen!  Wo 


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616  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

der  Baumwuchs  vor  solchen  verheerenden  Einflüssen  geschützt  ist, 
wie  auf  den  Farmen,  findet  er  alle  Existenzbedingungen  erfüllt. 

Wüstensteppen  und  Wüsten.  In  den  regenärmeren,  zum  größten 
Teil  abflußlosen  Gegenden  kommen  Grassteppen  nur  dort  vor,  wo 
der  Boden  ohne  Salzgehalt  und  mit  etwas  Humus  bedeckt  ist.  Aber 
sie  sind  hier  ungleich  dürftiger  und  gestatten  abseits  von  den 
Flüssen  nur  nomadische  Lebensweise.  Wo  der  nackte  Fels  zu  Tage 
tritt  oder  Sandmeere  sich  ausdehnen,  in  welchen  auch  die  geringe 
Feuchtigkeit,  die  ihnen  zu  teil  wird,  ungenützt  einsickert,  oder  wo 
der  Boden  von  Salzen  geschwängert  ist,  da  entfaltet  sich  der  Gras- 
wuchs noch  kümmerlicher  oder  fehlt  ganz,  und  blattlose  Dorn- 
sträucher,  Saft-  und  Zwiebelgewächse  sind  die  einzigen  Repräsen- 
tanten der  Pflanzenwelt.  Diese  Sand-  und  Salzsteppen  gehen 
ganz  allmählich  in  Wüsten  über,  die  zwar  auch  nicht  völlig  vege- 
tationslos, aber  doch  im  allgemeinen  unbewohnbar  sind.  Die  Be- 
griffe Wüste  und  Wüstensteppe  auseinander  zu  halten,  ist  schwierig, 
und  auch  der  Sprachgebrauch  trifft  nicht  immer  das  Richtige.  Auch 
die  Wüste  enthält  stellenweise  Weidegründe,  die  von  den  Viehherden 
der  Nomaden  besucht  werden,  und  Oasen,  in  denen  selbst  eine  seß- 
hafte Bevölkerung  sich  ansiedeln  konnte.  Es  sind  dies  Stellen,  die 
entweder  von  Flüssen  oder  von  Grundwasser  benetzt  werden,  und  wo 
eine  thonige  Erdkrume  sich  bilden  konnte.  In  der  algerischen  Sahara 
haben  die  Franzosen  durch  Anlage  artesischer  Brunnen  manche 
Strecken  in  fruchtbare  Gefilde  verwandelt 

Auch  aus  der  Wüstensteppe  ist  das  Baumleben  nicht  völlig  ver- 
bannt, wenn  auch  meist  nur  an  die  Flußufer  gebunden;  ja  selbst  in 
den  Thälern  des  ödesten  Teiles  der  Gobi  fand  man  Gruppen  von 
Ulmen  und  Pfirsichgebüsch;  in  den  Wadis  der  Sahara  wohnen  neben 
Gräsern,  Stauden  und  Sträuchern  auch  Bäume,  und  vereinzelt  er- 
heben sich  solche  auch  aus  der  trostlosen  westaustralischen  Sandsteppe, 
die  Giles  durchwand.ert  hat  Aber  ausgedehntere  Waldungen  kommen 
in  der  Steppe  nicht  vor,  mit  Ausnahme  der  großen  Kondensatoren 
der  atmosphärischen  Feuchtigkeit,  der  Gebirge;  und  auch  diese 
entbehren  zum  Teil  des  Waldschmuckes,  wie  z.  B.  die  peruanischen 
Andes  an  ihrer  Westabdachung  und  die  nordchilenischen  zwischen 
30  und  34°  S.  sogar  an  beiden  Seiten.  Am  Südabhange  des  Eiburs 
grenzt  in  ca.  2200  m Höhe  die  alpine  Region  unmittelbar  an  die 
Steppe,  während  die  feuchtere  Nordseite  bis  2400  m Höhe  mit  Wald 
bekleidet  ist.  Einen  ähnlichen  Gegensatz  bilden  die  tibetanischen 
und  indischen  Gehänge  des  Himalaja.  An  der  Nordseite  des  Kau- 
kasus schiebt  sich  zwischen  Steppe  und  Wald  ein  Wiesengürtel  als 
vermittelndes  Zwischenglied  ein,  während  auf  der  den  Südwestwinden 


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Die  wichtigsten  Vegetatiousforinationen  innerhalb  d.  Waldgrenze.  617 

zugekehrten  Seite  die  Wälder  bft  zum  Fuße  hinubreichen.  Der  Tian- 
schan  trägt  Wälder  nur  in  der  Region  der  winterlichen  Schnee- 
wolken zwischen  1500  und  3000  in  Höhe;  auf  dem  Inschan  beginnt 
die  Bewaldung  ebenfalls  erst  in  1500  m Höhe,  auf  dem  Alaschan 
sogar  erst  in  2400  m,  und  — um  ein  Beispiel  aus  der  neuen  Welt 
hinzuzufügen  — in  Colorado  in  2130  m Höhe. 

Ein  zusammenhängender  Steppen-  und  Wilstengürtel  durchzieht 
die  alte  Welt  vom  atlantischen  Gestade  bis  nahe  an  das  pazifische 
Weltmeer.  Die  gebirgsumschlossenen  Hochebenen  Asiens,  die  aral- 
kaspische  Niederung,  und  die  von  beständigen  Nordwinden  bestrichene 
Wüstentafel  sind  die  einzelnen  Glieder  dieser  Zone:  ungleich  zwar 
in  bezug  auf  die  einzelnen  Bestandteile  ihrer  Flora,  ungleich  auch  in 
bezug  auf  die  Bedingungen  ihrer  Wasserarmut,  aber  durch  diese 
und  durch  ihren  allgemeinen  Vegetationscharakter  zu  einer  geogra- 
phischen Einheit  verbunden.  Die  Sahara  gilt  als  das  Prototyp  der 
Wüste,  aber  völlig  pftanzcnleer  ist  nur  der  bewegliche  Dünensand 
und  stellenweise  die  Serir,  wie  z.  B.  zwischen  Tuat  und  Talilet. 
Dagegen  trägt  selbst  die  Hammada  einige  Holzgewächse,  und  die  Dünen- 
thäler  werden  von  Sträuchern  und  hochwüchsigen  Pfriemengräsern 
bewohnt.  Die  sogenannte  Syrische  Wüste  ist  vorwiegend  Salzsteppe 
mit  Halophyten,  kümmerlichen  Tamarisken  und  etwas  Graswuchs.  Noch 
mehr  verdient  die  Arabische  Wüste,  vielleicht  mit  Ausnahme  der 
südöstlichen  Sandwüste  Dehna,  die  Bezeichnung  Steppe,  denn  selbst 
in  Nefud  trägt  der  Sandboden  nach  Blunts  Bericht  eine  verhältnis- 
mäßig reiche  Vegetation,  die  einen  großen  Teil  des  Jahres  die 
Herden  der  Beduinen  ernähren  kann.  Vielleicht  noch  trostlosere 
Einöden,  als  manche  Teile  der  Sahara,  sind  die  persischen  Wüsten. 
Die  große  Salzwüste  ist  im  strengsten  Sinn  des  Wortes  pflanzenlos, 
nur  in  der  Nähe  des  Nordrandes  erblickte  Buhse  einmal  einen 
einsamen  Halophyten;  und  eine  ähnliche  Schilderung  giebt  Bunge 
von  der  Wüste  von  Kirman.  Viel  besser  sind  die  zentralasiatischen 
Hochebenen  ausgestattet,  obwohl  hier  die  Geographen  von  aus- 
gedehnten Wüsten  sprechen.  In  Nordamerika  entspricht  ihnen 
das  ebenfalls  von  hohen  Gebirgen  umrahmte  westliche  Hochland, 
dessen  Salzwüsten  gerade  so,  wie  in  der  alten  Welt,  von  zerstreuten 
Gänsefuß-  und  geselligen  Beifußgewächsen  bewohnt  werden,  stellen- 
weise aber  auch  völlig  vegetationslos  sind.  Die  bizarren  Formen 
der  Kakteen  und  die  als  Nahrungsmittel  wertvollen  Agaven,  deren 
große,  saftige  Blattrosette  auch  dem  dürrsten  Felsboden  entsprießt, 
geben  aber  den  trockenen  Gebieten  der  neuen  Welt  ein  eigenartiges 
Gepräge. 

Auf  den  südlichen  Festländern  greift  im  Windschatten  des 


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618  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

Passates  die  Steppen-  und  Wüstenvegetation  weit  in  die  Tropenzone 
hinein.  Am  weitesten  in  der  peruanisch-chilenischen  Küsten- 
landschaft, die  vom  34.  bis  zum  4.°  S.  waldlos  ist  In  der 
Regenzeit  bekleidet  sie  sich  wohl  mit  blühenden  Stauden,  aber  die 
sommerliche  Dürre  überdauern  nur  vereinzelte  Gruppen  von  Saft- 
gewächsen und  niedrigem  Dorngesträuch.  Das  hochgelegene  Ata- 
camaplateau ist  auf  weite  Strecken  hin  völlig  vegetationslose  Salz- 
wüste. Aber  in  einem  Punkte  unterscheidet  sich  die  peruanische 
Steppe  wesentlich  von  den  Steppen  der  gemäßigten  Zone:  durch  das 
allerdings  nur  zerstreute  Vorkommen  immergrüner  Bäume.  Jenseits 
des  30.  Parallels  bessert  sich  die  Vegetation  zusehends,  und  reich- 
licher Graswuchs  schafft  ein  gutes  Weideland.  Auch  die  Hochflächen 
der  Cordilleren,  die  sogenannte  Punaregion,  nehmen  an  der  Steppen- 
natur Teil.  Die  südwestliche  Küste  von  Afrika  ist  ebenfalls  bis 
über  den  Wendekreis  hinaus  eine  traurige  Sand-  und  Steinwüste 
mit  niedrigem  graugrünem  Gebüsche  und  ärmlichem  Graswuchse,  und 
diese  Vegetationsformation  erstreckt  sich  mit  einigen  von  der  Boden- 
beschaflenheit  abhängigen  günstigen  Variationen,  die  Viehzucht  ge- 
statten, über  das  hochgelegene  Damara-  und  Namaland  bis  zur  aus- 
gedehnten Sandsteppe  der  Kalahari.  Den  im  Verhältnisse  zum  Areal 
des  Festlandes  größten  Raum  nehmen  die  Steppen  und  Wüsten 
Australiens  ein,  denn  die  östliche  Randstellung  des  Hochlandes 
beraubt  die  inneren  und  westlichen  Landschaften  der  Wohlthat 
regelmäßiger  Befeuchtung.  Aber  so  öde  auch  diese  Gegenden  in  der 
Regel  sind,  so  rasch  belebt  sich  die  Vegetation,  wenn  einmal,  frei- 
lich oft  nach  jahrelanger  Dürre,  ein  wolkenbruchartiger  Regen  nieder- 
füllt. Doch  unausgenützt  fließen  die  Wassermassen  ab,  und  die 
blumenreichen  Gras-  und  Kräuter  Auren  verschwinden  wieder,  wie  ein 
Trugbild  der  Fata  Morgana.  Die  Eigentümlichkeit  Australiens  be- 
steht darin,  daß  der  periodische  Wechsel  des  Landschaftsbildes,  dem 
alle  Steppen  unterworfen  sind,  in  völlig  regellosen  Sprüngen  sich 
vollzieht.  Daher  auch  die  scheinbaren  Widersprüche  in  den  Be- 
richten der  Forschungsreisenden : ein  Moment,  das  übrigens  auch 
hei  der  Beurteilung  der  übrigen  Steppen  und  Wüsten  in  Betracht 
gezogen  werden  muß  und  die  Unbestimmtheit  dieser  Begriffe  wesent- 
lich mit  verschuldet  hat.  Streng  genommen,  läßt  sich  die  Vegetation 
der  einzelnen  waldlosen  Gegenden  der  Erde  nur  während  der  Regen- 
zeit mit  einander  vergleichen;  aber  freilich  ist  diese  Periode  nur 
kurz  und  den  größten  Teil  des  Jahres  lastet  selbst  auf  den  begünstig- 
teren  Steppen  der  Fluch  der  Unfruchtbarkeit. 

Buschland.  Auf  der  südlichen  Hemisphäre  tritt  manchmal  an 
die  Stelle  der  Steppe  das  Buschland,  ohne  daß  sich  in  allen 


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Die  wichtigsten  Vegetationsformationen  innerhalb  d.  Waldgrenze.  619 

Fällen  bestimmt  nacliweisen  ließe,  au  welche  Bedingungen  es  im 
Gegensätze  znm  Graslande  geknüpft  ist.  Es  stehen  sich  übrigens 
diese  Yegetationsforinationen  auch  nicht  unvermittelt  gegenüber. 
Schon  oben  wurde  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  Domsträucher 
einen  vorherrschenden  Bestandteil  mancher  Steppenfloren  bilden, 
und  im  östlichen  Südamerika  können  wir  beobachten,  wie  streng 
die  beiden  Formen  nach  der  Bodenbeschaffenheit  sich  scheiden.  So- 
weit Lehmboden  ist,  dehnen  sich  die  Pampas  aus;  dort  aber,  wo 
der  patagonische  Kiesboden  beginnt,  also  am  Bio  negro,  ändert 
sich  mit  einemmal  das  Pflanzenkleid,  das  nun  aus  niedrigem  Dorn- 
gebüsch mit  vereinzelten  Mimosen  und  magerem  Graswuchse  besteht; 
und  „nur  diejenigen  Stellen*-,  sagt  Lore  nt/,,  „die  durch  ihre  niedere 
Lage  besonders  fruchtbar  sind,  vielfache  Thäler  und  Vertiefungen 
zeigen  einen  eigentlichen  Basen  und  eine  Vegetation,  die  an  die 
Pampas  erinnert".  Ähnlich  ist  die  Vegetation  westlich  von  den 
Pampas,  zwischen  dem  Meridian  von  Cordoba  und  den  Andes.  Dor- 
nige Sträucher,  besonders  der  Chanar  und  eine  Akazie,  bedecken 
weite  Flächen,  aber  der  Graswuehs  ist  nicht  ganz  ausgescldossen, 
und  reiche  Fluren  wechseln  mit  ödem  Buschlande.  Auf  der  großen 
Karru  des  Kaplandes  beherrscht  zwar  der  mattgefärbte  Bhinozeros- 
busch  die  Vegetation,  aber  im  August  kleidet  sich  die  Hochfläche 
auf  einige  Wochen  in  üppigstes,  blumenreiches  Grün  und  ist  dann 
ein  ausgezeichneter  Weideplatz.  Auf  der  oberen  Terrasse,  die  sich 
von  den  Boggeveld-  und  Nieuweveld-Bergen  bis  gegen  den  Oranje 
ausdehnt,  fehlt  aber  aller  Graswuchs,  und  der  Boden  ist  nur  mit 
niederem  Gestrüpp  von  Korbblütern,  dem  sich  einige  Saftgewächse 
zugesellen,  bedeckt.  Weiter  gegen  Norden  bilden  Domsträucher  aus 
dem  Akaziengeschlechte  undurchdringliche  Dickichte.  Am  reinsten  ist 
aber  die  Form  des  Buschlandes  im  australischen  Skrub  ausge- 
prägt Verschlungene  Sträucher  mit  starrem,  immergrünem  Laube 
bedecken  in  dichten  Gemeinschaften,  nur  gelegentlich  von  Bäumen 
unterbrochen,  aber  mit  völligem  Ausschlüsse  von  Gräsern  und  Kräutern, 
ausgedehnte  Flächen  des  inneren  Australiens.  Kein  Monat  vergeht 
hier  ohne  Blüten,  aber  „jeder  Monat  sieht“,  wie  Behr  sich  ausdrückt, 
„dasselbe  wüste  Gedränge  starrer,  saftloser  und  untereinander  größten- 
teils übereinstimmender  Formen“.  Trotz  seiner  l ppigkeit  ist  der 
Skrub  die  eigentliche  australische  Wüste,  die  ebenso  die  Fortschritte 
der  Forschungsreisenden,  wie  der  Kultur  hemmt,  denn  mit  un- 
besiegbarer Zähigkeit  halten  diese  einförmigen  Dickichte  sogar  dem 
Feuer  Stand. 

Seltener  ist  die  Buschformation  auf  unserer  Halbkugel.  In  Texas 
und  im  nördlichen  Mexico  wird  sie  von  Mimosen,  zum  Teil  im  Ver- 


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620  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

eine  mit  Hornsträuchern  gebildet.  Ein  großer  Teil  von  Vorderindien 
wird  von  dichtem,  oft  undurchdringlichem  Dschungelgebüsck  be- 
deckt, in  dem  Bambusen  und  Domsträucher  vorherrschen.  Aber 
schon  hier  ist  es  fraglich,  ob  diese  Vegetationsform  klimatisch  be- 
dingt ist  oder  ob  sie  an  die  Stelle  früherer  Wälder  trat.  Das 
letztere  ist  der  Fall  bei  der  Maquis,  der  pflanzenreichen,  immer- 
grünen Strauchformation  des  Mittelmeergebietes,  die  besonders  auf 
Corsica,  im  dalmatinischen  Archipel  und  an  der  Nordküste  des 
Agäischen  Meeres  große  Flächen  einnimmt.  Unter  ähnlichen  klima- 
tischen Verhältnissen,  die  die  Regenerierung  des  Waldes  erschweren, 
erscheint  sie  an  der  californischen  Küste  bei  S.  Diego  und  in  den 
Berg-  und  Hügellandschaften  des  südlichen  Chinas  wieder,  während 
auf  Neuseeland  eigentümliche  Famfluren  die  Stelle  zerstörter  Wälder 
einnehmen.  Ebensowenig,  wie  die  Maquis,  sind  die  Heideland- 
schaften Europas  und  die  am  Kap  der  guten  Hoffnung  durch 
Trockenheit  bedingt. 

Ausdehnung  der  Formationen.  Um  einen  Anhaltspunkt  in  der 
Frage,  wie  viele  Menschen  auf  der  Erde  wohnen  könnten,  zu  ge- 
winnen, hat  E.  G.  Ravenstein5  den  Flächeninhalt  von  drei  Vege- 
tationskategorien ermittelt.  Obwohl  sich  diese  Kategorien  nur  z.  T. 
mit  unseren  Formationen  decken,  können  wir  uns  doch  nicht  ver- 
sagen, seine  Ergebnisse  mitzuteilen,  weil  bisher  noch  niemals  für  die 
ganze  Erde  eine  derartige  Arbeit  unternommen  worden  ist.  Sein 
„fruchtbares“  Land  umfaßt  das  ganze  Waldland,  die  Savanen  mit 
Ausnahme  der  brasilianischen  Campos  und  den  größten  Teil  der 
Grassteppen  — merkwürdiger  Weise  die  südrussische  ausgenommen. 
Die  Polargebiete  sind  nicht  berücksichtigt. 


Fruchtbar 

Steppen 

Wüsten 

Fruchtbar 

Steppen 

Wüsten 

In  1000  qkm 

In  Prozenten 

Europa  . . . 

7 480 

1 727 

— 

81, j 

18,8 

— 

Asien  . . . 

24  034 

10  955 

3 108 

63,i 

28,7 

8,3 

Afrika  . . . 

14  918 

9 137 

5 765 

50,  s 

30,6 

19,3 

Australasien  . 

3 022 

3 903 

1 590 

35, « 

45,8 

18,8 

Nordamerika  . 

12  810 

3 639 

246 

76,7 

21,8 

1,8 

Südamerika  . 

10  950 

6 640 

117 

61,8 

37,8 

0,1 

Alte  Welt 

49  454 

25  722 

10  463 

57,i 

30,i 

12,3 

Neue  Welt 

23  760 

10  279 

363 

69,0 

30,0 

1,0 

Land  . . . 

73  214 

36  001 

10  826 

61,o 

30,o 

9,0 

Man  entnimmt  daraus,  daß  in  der  relativen  Verteilung  der 
Steppen  die  Kontinente  am  wenigsten  voneinander  abweichen.  Der 


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Die  Entwicklungsgeschichte  der  Florenreiche. 


621 


Hauptunterschied  beruht  auf  der  Wüstenverteilung,  und  der  gewaltigen 
Ausdehnung  dieser  Formation  in  Afrika  und  Australien  ist  es  zu- 
zuschreiben, wenn  die  alte  Welt  relativ  viel  unfruchtbarer  erscheint, 
als  die  neue. 

Litteraturnachweise.  ' Tanfiuew,  Die  Waldgrenzen  in  Südrußland 
(russisch  mit  deutschem  RcsumÄ),  St  Petersburg  1894.  — 1 Vgl.  die  Karte  von 
Sargent  in  Petermanns  Mitteilungen  1886,  Taf.  12.  — 3 Krasnow,  Die  Gras- 
steppen der  nördlichen  Halbkugel  (russ.),  Moskau  1894.  (Einen  ausführlichen 
Bericht  von  Woeikow  s.  Petermanns  Mitteilungen  1895,  Litteraturbericht  Nr.36). — 
4 Cheisty  in  den  Proceediugs  of  the  R.  Geographical  Society  of  London  1892, 
S.  78.  — 3 Ravenstein,  ebendaselbst  1891,  S.  27. 


Die  Entwicklungsgeschichte  der  Florenreiche. 

(Siehe  Karte  XIX.) 

Die  tropische  Florenzone.  Aus  Englebs  Tabelle  der  dikotylen 
Angiospermen  geht  hervor,  daß  von  den  3617  Gattungen,  die  in  der 
warmen  Zone  Vorkommen,  93  ljt  Prozent  rein  oder  doch  vorherrschend 
tropisch  und  nur  6 1/2  Prozent  in  höheren  Breiten  heimisch  sind. 
Von  den  ersteren  überschreiten  nur  ca.  20  Prozent  die  Tropenzone 
und  ca.  73  Prozent  sind  nur  innerhalb  derselben  verbreitet.  Die 
Statistik  bestätigt  also  die  Eigenart  und  den  Keichtum  der  tropi- 
schen Flora;  sie  liefert  aber  auch  den  Beweis,  daß  die  warmen 
Gegenden  der  alten  und  neuen  Welt,  trotz  der  Übereinstimmung 
der  klimatischen  Verhältnisse,  in  bezug  auf  die  Flora  bedeutend 
von  einander  abweiclieu.  Nur  12l/s  Prozent  der  dikotylen  Angio- 
spermen haben  beide  Hemisphären  gemeinsam,  während  40  auf  die 
westliche  und  über  47  Prozent  auf  die  östliche  Halbkugel  beschränkt 
sind.  Von  den  458  gemeinsamen  Gattungen  sind  nach  Eng leb  180 
überall  verbreitet,  204  kommen  aber  nur  auf  den  Festländern  und 
abgetrennten  Inseln  vor,  und  wunderten  wahrscheinlich  zu  Lande, 
als  die  gemäßigte  Zone  noch  wärmer  war  und  Europa  tropische 
Formen  beherbergte.  17  Gattungen  finden  sich  auch  auf  den 
ozeanischen  Inseln,  und  es  ist  wahrscheinlich,  daß  sie  den  Seeweg 
benutzten,  während  bei  57  die  Verbreitungsart  sich  nicht  feststellen 
läßt  Wie  in  der  genannten  Pflanzengruppe,  so  tritt  auch  in  anderen 
der  Gegensatz  der  alten  und  neuen  Welt  unverkennbar  zu  Tage. 
So  hat  Amerika  keine  Palmengattung  mit  Afrika  und  Asien  gemein, 
und  auch  die  Unterfamilien  sind  meist  nur  auf  das  westliche  oder 
das  östliche  Festland  beschränkt. 

Es  bestehen  also  zwei  getrennte  tropische  Florengruppen. 
Innerhalb  der  südamerikanischen  war  die  Entwicklung  in  den 


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622 


Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 


feuchten  östlichen  Hoch  - und  Tiefländern  eine  andere , als  im 
trockenen  andinen  Westen.  Ungleich  mannigfaltiger  ist  aber,  wie 
nicht  anders  zu  erwarten,  die  Gliederung  der  östlichen  Gruppe. 
Afrika,  das  durch  ein  Meer  und  eine  Wüste  von  Asien  getrennt  ist, 
wird  durch  eine  verhältnismäßig  geringe  Zahl  von  Gattungen  und 
Arten  charakterisiert,  und  alle  Forscher  bestätigten  die  Armut  seiner 
Flora,  in  der  eine  Reihe  indischer  Pflanzenfamilien  fehlen.  Der 
Westen  und  Osten  treten  hier  in  einen  ähnlichen  Gegensatz  zu- 
einander, wie  der  Osten  und  Westen  in  Südamerika.  Demselben 
Kontraste  begegnen  wir  in  Asien,  wo  die  vorderindische  Flora  eine 
Mittelstellung  zwischen  der  afrikanischen  und  der  hinterindisch- 
malaischen  einnimmt.  Die  späte  Angliederung  Dekans  an  das 
Festland  hatte  zur  Folge,  daß  mehrere  Formen,  die  vom  Himalaja 
nach  Hinterindien  sich  verbreiteten,  in  Vorderindien  fehlen,  seihst 
an  der  feuchten  Westküste,  wo  doch  alle  natürlichen  Bedingungen 
ihrer  Existenz  erfüllt  wären. 

Von  Vorderindien  bis  zum  Paumotu-Archipel,  Uber  170  Längen- 
grade, stellt  der  Tropengürtel  in  bezug  auf  den  allgemeinen  Cha- 
rakter der  Flora  eine  Einheit  dar;  und  wenn  ihn  die  Pflanzengeo- 
graphen  trotzdem  in  mehrere  Provinzen  zerlegen,  so  leitet  sie  dabei 
nur  die  Rücksicht  auf  den  Endemismus  der  einzelnen  Teile,  die 
durch  die  vorherrschende  lnsularität  genügend  gerechtfertigt  ist 
Von  besonderer  Wichtigkeit  für  den  Geographen  ist  nur  die  That- 
saclie,  daß  die  scharfe  tiergeographische  Grenze  zwischen  der  indi- 
schen und  australischen  Welt,  die  den  malaischen  Archipel  in  nahezu 
gleiche  Hälften  teilt  (S.  557),  floristisch  nicht  existiert.*  Es  erinnern 
daran  nur  einzelne  australische  Anklänge  auf  Neuguinea,  Timor 
und  den  Molukken,  aber  spätere  Pflanzenwanderungen  verwischten 
nicht  nur  den  ursprünglichen  Charakter  bis  zur  Torresstraße,  sondern 
verbreiteten  indische  Formen  auch  über  die  angrenzende  australische 
Küste  bis  nach  Neuealedonien  und  die  Fidschi-Inseln,  sogar  bis  auf 
die  Nordinsel  von  Neuseeland. 

Boreale  Zone.  Wenn  die  warme  Zone  vor  der  gemäßigten 
durch  einen  ungleich  größeren  Pflanzenreichtum  ausgezeichnet  ist, 
so  läßt  sich  dies  daraus  erklären,  daß  dort  seit  der  Zeit,  als  überall 
tropisches  Klima  herrschte,  die  Entwicklung  einen  ungestörten  Fortgang 
genommen  hat.  „Die  Araukarienwälder  Sudbrasiliens“,  sagt  Palacky, 

s Drude  hat  in  seiner  neuesten  Einteilung  allerdings  auch  hierher  eine 
Reichsgrenze  verlegt,  aber  unter  ausdrücklicher  Anerkennung  der  Thatsache, 
daß  die  Bedeutung  der  floristischen  Grenze  nicht  an  die  der  faunistischen 
heranreiche.  Gerade  aus  diesem  Grunde  vermögen  wir  aber  auch  ein  melune- 
sisches  Florenreich  nicht  anzuerkennen. 


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Die  Entwicklungsgeschichte  der  Florenreiche.  623 

„sind  vielleicht  seit  der  paläozoischen  Zeit  an  derselben  Stelle.“  In 
den  höheren  Breiten  hat  sich  aber  nicht  nur  das  Klima  seit  der  Tertiär- 
zeit wesentlich  geändert,  indem  sich  die  Zonen  allmählich  in  der 
Richtung  gegen  den  Äquator  verschoben,  sondern  das  große  Inter- 
mezzo der  Eiszeit  hat  die  tertiäre  Pflanzenwelt  auch  stellenweise 
vernichtet,  so  daß  die  davon  betroffenen  Länder  in  ihrer  Entwicklung 
wieder  von  vorn  beginnen  mußten. 

Im  scliroff'sten  Gegensätze  zu  der  tropischen  Flora  hat  die  ark- 
tische einen  circumpolaren  Charakter.  Allerdings  finden  wir,  wenn 
wir  von  Europa  über  Asien  nach  Amerika  fortschreiten,  Unterschiede, 
aber  diese  sind  nicht  groß  genug,  um  darauf  eine  Einteilung  des 
arktischen  Gürtels  in  mehrere  Provinzen  zu  gründen.  Dazu  ist  vor 
allem  die  sporadische  Verbreitung  vieler  charakteristischer  Arten 
eine  zu  unregelmäßige.  Wanderungen  konnten  hier  entlang  den 
Küsten  aus  der  alten  in  die  neue  Welt  und  umgekehrt  ausgeführt 
werden,  und  mit  Hilfe  der  Meeresströmungen  konnten  sich  die 
Pflanzen  auch  leicht  über  die  Inseln  des  Eismeeres  verbreiten.  In 
dem  nordischen  Waldgürtel  machen  sich  zwar  schon  provinzielle 
Unterschiede  geltend,  aber  noch  umspannt  Ein  Reich  die  alte  und 
neue  Welt.  Weiter  im  Süden  löst  sich  auch  der  Reichsverband,  an 
die  Stelle  eines  Reiches  treten  vier. 

Wir  haben  zu  beachten,  welche  wechselnden  Schicksale  diese 
Länder  in  junger  geologischer  Vergangenheit  betroffen  haben.  So 
war  Mitteleuropa  nach  dem  Schwinden  der  Eisdecke  und  nachdem 
das  Klima  wieder  ein  gemäßigtes  geworden  war,  ein  pflanzenarmes 
Land,  das  den  einwandernden  Gewächsen  Raum  genug  zur  Ansied- 
lung bot.  Seine  Flora  ist  daher  eine  entlehnte,  und  es  ist  bezeich- 
nend, daß  das  deutsche  Tiefland  keine  endemische  Form  besitzt, 
während  die  atlantischen  Küstenländer,  wo  die  Eiszeit  nicht  so  ver- 
heerend gewirkt  hat,  29  eigentümliche  Pflanzen  aufweisen.  Andere  tief- 
greifende Veränderungen  haben  die  Steppengebiete  Asiens  erlitten. 
Die  ural-kaspische  Niederung  und  das  Hanhai  Zentralasiens  wurden 
von  der  einstigen  Wasserbedeckung  befreit,  und  auch  hier  ward 
Platz  für  neue  Ansiedlungen  geschaffen.  Aber  das  trockene  Klima 
gewährte  nur  einer  beschränkten  Anzahl  von  Pflanzen  die  nötigen 
Existenzbedingungen,  und  die  Einwanderer  mußten  sich  zum  Teil 
den  veränderten  Verhältnissen  anpassen,  um  sich  vor  dem  Unter- 
gänge zu  bewahren.  Daher  einerseits  die  Armut  der  Steppenflora, 
anderseits  ihr  Reichtum  an  endemischen  Formen  trotz  ihrer  Jugend- 
lichkeit. 

Es  giebt  aber  auch  Gebiete,  wo  die  floristische  Entwicklung 
seit  der  Tertiärzeit  nicht  so  ungehemmt  vor  sich  ging,  wie  in  der 


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624  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

Tropenzone,  aber  auch  keine  völlige  Unterbrechung  erlitt,  wie  in  den 
von  glazialer  Eisbedeckung  heimgesuchten  Gegenden.  Solche  Gebiete 
sind  die  Mittelmeerländer,  China  und  Japan.  Hier  begegnen  wir 
einem  ausgeprägten  Endemismus.  Im  Mittelmeergebiete  zählt  Gkise- 
bach  2700  eigentümliche  Pflanzenarten,  von  denen  816  auf  Klein- 
asien  und  Syrien  und  782  auf  die  iberische  Halbinsel  kommen.  Im 
Vergleiche  zum  Areal  sind  aber  Kreta,  Corsica,  Sicilien  und  Griechen- 
land am  reichsten  ausgestattet.  Japan,  dessen  Flora  man  genauer 
kennt,  besitzt  sogar  44  endemische  Gattungen,  was  allerdings  zum 
Teil  auf  Rechnung  der  Insularität  kommt.  Ein  zweiter  Charakter- 
zug dieser  Gebiete  besteht  in  der  Erhaltung  tropischer  Formen,  die 
aus  einer  Zeit  stammen,  als  das  Klima  noch  wärmer  war.  Im 
mediterranen  Bezirke  haben  nicht  nur  kräftige  Holzgewächse,  wie 
die  Zwergpalme,  der  Lorbeer,  die  Myrte,  der  01-  und  Granatbaum, 
der  Feigen-  und  Storaxbaum  u.  a.  den  Klimawechsel  überdauert, 
sondern  auch  zartere  Gewächse,  wie  der  Jasmin  oder  der  Akanthus. 
Noch  zahlreicher  finden  sich  die  Reste  der  Tropenzeit  auf  den 
Azoren,  Madeira  und  den  Canaren  (z.  B.  der  bekannte  Drachen- 
baum, der  einer  auf  Südarabien,  Sokotra  und  Abessinien  beschränkten 
Species  am  nächsten  verwandt  ist),  denn  diese  Inseln  waren  dem 
Einflüsse  der  kontinentalen  Klimaänderungen  völlig  entrückt. 

In  Nordamerika  macht  sich  ein  starker  Gegensatz  zwischen  den 
atlantischen  und  pazifischen  Ländern  bemerkbar.  Die  größere  Hälfte 
der  californischen  Arten  ist  endemisch;  auf  die  ausserordentliche 
Entwicklung  der  pazifischen  Koniferen  wurde  schon  an  einer  früheren 
Stelle  (S.  611)  aufmerksam  gemacht.  Auch  von  den  Laubhölzem 
gehören  27  Arten  nur  dem  Osten,  13  nur  dem  Westen  an,  und  nur 
30  sind  beiden  Teilen  gemeinsam.  Schon  frühzeitige  klimatische 
Unterschiede  scheinen  auf  den  Entwicklungsgang  beider  Floren 
eingewirkt  zu  haben,  und  dazu  kommt  noch,  daß  die  einstige  Wasser- 
bedeckung der  westlichen  Steppen  und  später  ihr  trockenes  Klima 
einen  Austausch  der  Pflanzen  verhindert  hat. 

Dagegen  steht  die  Flora  der  Vereinigten  Staaten  in  innigen 
Beziehungen  zu  der  Ostasiens.  Wir  sehen  hier  ab  von  den  iden- 
tischen Arten  in  beiden  Gegenden,  die  außerdem  auch  im  arktischen 
Gebiete  leben  und  also  auch  unter  den  gegenwärtigen  Verhältnissen 
über  die  enge  Beringstraße  gewandert  sein  konnten.  Anders  ver- 
hält es  sich  mit  jenen  140  Species,  die  einerseits  im  östlichen  Asien 
oder  auch  auf  dem  Himalaja  und  anderseits  in  Nordamerika  und 
zum  Teil  sogar  nur  in  der  östlichen  Hälfte  dieses  Kontinents  gefunden 
werden,  und  deren  Wärmebedürfnis  zu  groß  ist,  als  daß  sie  in  der 
Gegenwart  eine  Wanderung  über  die  Beringstraße  hätten  unter- 


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Die  Entwicklungsgeschichte  4er  Florenreiche.  625 

nehmen  können.  Ihre  Verbreitung  mußte  daher  vor  der  Glazial- 
periode erfolgt  sein,  und  zu  einem  ähnlichen  Schlüsse  gelangen  wir 
in  bezug  auf  jene  (ca.  140)  ostasiatischen  Pflanzen,  deren  nächste 
Verwandten  Nordamerika  bewohnen,  und  zwar  ca.  110  Arten  nur 
das  östliche  und  7 nur  das  westliche  Gebiet.  Enqi<ek  nimmt  an, 
daß  ihre  Urformen  einst  weiter  im  Norden  lebten,  daß  ein  Aus- 
tausch über  die  Beringstraße  stattfand,  und  daß  sie  dann  in  der 
Urheimat  ausstarben,  während  in  den  jetzigen  Verbreitungsbezirken 
vikariierende  Arten  sich  ausbildeten. 

Die  neue  und  die  alte  Welt  berühren  sich  an  der  Beringenge 
und  gehen  nach  Süden  immer  weiter  auseinander.  Diese  geogra- 
phische Anordnung  spiegelt  sich  in  den  Floren  beider  Landfesten 
wieder.  Im  äussersten  Norden  eine  circumpolare  Provinz;  dann  ver- 
schiedene Provinzen,  aber  noch  ein  circumpolares  Reich;  dann  ver- 
schiedene Reiche,  die  aber  doch  unter  einander  und  mit  dem  nor- 
dischen Reiche  soviele  Beziehungen  zeigen,  daß  man  sie  zu  einer 
Einheit  höherer  Ordnung,  der  borealen  Gruppe,  zusammenfassen  darf. 
Innerhalb  der  tropischen  Zone  ist  der  Zug  gemeinsamer  Ent- 
wicklung schon  schwächer  ausgeprägt,  die  Gruppen  der  alten  und 
neuen  Welt  treten  in  schärferen  Gegensatz  zu  einander,  und  noch 
beträchtlich  schärfer  ist  dieser  Gegensatz  in  der  nun  folgenden 
australen  Zone  entwickelt,  wo  ein  ausgeprägter  Endemismus  auf 
hohes  Alter  und  lange  Isolierung  der  einzelnen  Florengebiete  hin- 
weist Man  beachte  sehr,  daß  die  Florenzonen  durchaus  nicht 
gleichwertige  Einheiten  sind;  das  Band,  das  sie  umschlingt, 
lockert  sich  nach  Süden  zu  immer  mehr.  Nur  in  der  borealen  Welt 
fallen  die  Begriffe  Zone  und  Gruppe  zusammen. 

Australe  Zone.  Australien  besitzt  eine  eigentümliche  Flora, 
zu  deren  bekanntesten  Formen  die  Eukalypten,  Casuarinen  oder 
Keulenbäume,  Grasbäume  u.  s.  w.  gehören.  Im  allgemeinen  kommen 
hier  425  endemische  Gattungen  von  Gefäßpflanzen  vor;  anderseits 
fehlen  24  Familien,  die  sich  Uber  beide  Hemisphären,  und  7,  die 
sich  nur  über  die  südliche  Hemisphäre  verbreiten.  Alle  diese  Um- 
stände weisen  darauf  liin,  daß  Australien  schon  sehr  frühzeitig  von 
dem  übrigen  Festlande  getrennt  war.  Der  Gesamtcharakter  der  Flora 
ist  auf  dem  ganzen  Kontinent  derselbe,  aber  in  den  Details  weichen 
die  einzelnen  geographischen  Provinzen  wesentlich  von  einander  ab. 
In  Nord-  und  Ostaustralien  beträgt  die  Gesamtzahl  der  endemischen 
Arten  über  40  Prozent;  unter  den  anderen  Arten  herrschen  die 
tropischen,  besonders  die  indischen  Gewächse  vor.  In  Victoria, 
Tasmanien  und  Südaustralien  ist  der  Endemismus  am  wenigsten 
ausgebildet,  und  die  Flora  steht  in  inniger  Beziehung  zu  der 

Supan,  Physische  Erdkunde.  2.  Aufl.  40 


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626 


Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 


Neuseelands  und  der  südlichen  gemäßigten  Zone  überhaupt,  ln  West- 
australien  endlich  sind  4/6  aller  Pflanzen  eigentümlich.  Kein  kon- 
tinentales Land  von  gleicher  Ausdehnung  kann  sich  in  Bezug  auf 
endemische  Erzeugnisse  mit  diesem  Gebiete  messen,  ja  nicht  einmal 
eine  ozeanische  Insel  mit  Ausnahme  von  St.  Helena.  Es  muß  aber 
hervorgehoben  werden,  daß  in  Westaustralien  keine  Familie  vor- 
kommt, die  nicht  auch  im  übrigen  Australien  zu  finden  wäre;  da- 
gegen fehlen  zahlreiche  ostaustralische  Familien,  besonders  solche, 
die  auf  größere  Feuchtigkeit  Anspruch  machen,  während  die  übrigen 
z.  T.  reichlicher  entwickelt  sind.  Westaustralien  verhält  sich  also 
zum  übrigen  Kontinent  wie  eine  Insel,  und  eine  solche  war  es  auch 
in  der  Kreide-  und  vielleicht  auch  noch  in  der  Tertiärperiode,  also 
zu  einer  Zeit,  als  Australien  mit  den  übrigen  Ländern  der  südlichen 
Halbkugel  und  mit  der  Tropenzone  Pflanzen  austauschte. 

Am  Kap  der  guten  Hoffnung  finden  wir  auf  beschränktem 
Areale  eine  merkwürdige  Pflanzenwelt,  die  ebenfalls  Zeichen  eines 
hohen  Alters  an  sich  trägt.  Sträucher  aus  den  Familien  der  Eri- 
caceen,  Proteaceen,  Diosmeen,  Bruniaceen  u.  s.  w.  herrschen  vor, 
und  eine  Menge  von  Lilien-,  Orchideen-  und  Irisgewächsen  mit 
herrlichen  Blüten  lassen  dies  Ländchen  fast  als  einen  Ziergarten 
erscheinen.  Von  548  Gattungen  kommen  nur  256  auch  im  übrigen 
tropischen  Afrika  vor;  alle  anderen  sind  endemisch.  In  Südamerika 
wurde  das  junge  Gebiet  der  Pampas  und  Patagoniens  hauptsäch- 
lich von  Pflanzen  der  tropischen  Andes  und  Brasiliens  besiedelt, 
dagegen  zeigt  das  chilenische  Waldgebiet  neben  stark  entwickeltem 
Endemismus  auch  Beziehungen  zu  den  Floren  von  Australien  und 
Neuseeland.  Nach  Engler  ist  die  Zahl  der  identischen  Arten: 


in  Neuseeland  und  Australien 92 

in  Neuseeland,  Australien,  auf  den  südlichen  Inseln  oder 

in  Südamerika 84 

nur  in  Neuseeland  und  auf  den  südlichen  Inseln  oder  in 
Südamerika  . . . .• 84 


Dazu  kommen  noch  27  verwandte  Arten  in  Australien,  Neuseeland 
und  Südamerika,  und  14,  die  nur  auf  die  beiden  letzteren  Gebiete 
beschränkt  sind.  Neuseeland  mit  seinen  kleinen  Inseltrabanten 
beherbergt  also  neben  seinen  eigentümlichen  Formen,  die  61,4  Prozent 
seiner  Flora  bilden,  noch  Formen  von  großer  Verbreitung  in  der 
antarktischen  Welt.  Schon  früher  wurde  darauf  hingewiesen,  daß 
der  Wald  der  Amsterdam-Insel  vollständig  übereinstimmt  mit 
dem  Krummholze  von  Tristan  da  Cunha,  und  die  Flora  dieser 
Insel  zeigt  wieder  Verwandtschaft  zu  der  australischen,  neuseelän- 
dischen und  südchildnisehen,  ebenso  wie  die  der  Kerguelen  zu  den 


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Die  Entwicklungsgeschichte  der  Florenreiche. 


627 


beiden  letztgenannten.  Nur  im  äußersten  Süden  kehren  also  Ver- 
hältnisse wieder,  die  wenigstens  einigermaßen  an  die  arktischen  er- 
innern. Ob  wir  von  einem  circumpolaren  antarktischen  Florenreiche 
sprechen  dürfen,  erscheint  uns  freilich  noch  fraglich;  zum  mindesten 
sind  die  provinziellen  Unterschiede  stärker,  als  im  nordischen  Reiche. 
Und  es  kann  auch  gar  nicht  anders  sein;  ein  Florenreich,  das  aus  weit 
von  einander  entlegenen  Inseln  besteht,  ist  anderen  Gesetzen  unter- 
worfen, als  ein  kontinentales. 

Floristische  Einteilung  des  Landes.  Wir  haben  bereits  ver- 
schiedene Einteilungen,  die  in  ihren  wesentlichen  Grundzügen  zwar 
übereinstimmen,  in  Einzelheiten  aber  sehr  von  einander  abweichen. 
Was  der  eine  als  Provinz  bezeichnet,  erhebt  der  andere  zu  dem 
Range  eines  Reiches,  und  muß  dann  wieder  eine  höhere  Einheit 
schafl'en,  um  verwandtschaftliche  Beziehungen  zum  Ausdrucke  zu 
bringen.  Noch  mehr  Schwierigkeiten  verursachen  die  Grenzen. 
Scharfe  Florengrenzen  giebt  es  in  der  Natur  nur  dort,  wo  sie  mit 
einem  Hochgebirge  Zusammentreffen,  sonst  tritt  überall  an  den 
Grenzen  Mischung  ein,  und  die  Linien  unserer  Karten  tragen  not- 
wendiger Weise  den  Stempel  der  Willkür  und  Unnatur.  Auf 
Karte  XIX  sind  einige  solcher  Mischgürtel  hervorgehoben.  Der 
Hauptsache  nach  folgen  wir  der  letzten  Einteilung  von  Drude  (1890) 
unsere  Bedenken  gegen  sein  Melanesisch -Neuseeländisches  Reich 
haben  wir  schon  oben  ausgesprochen: 

A.  Boreulc  Zone  und  Gruppe. 

I.  Nordisches  Reich: 

1.  Arktische  Provinz, 

2.  Mitteleuropäische  Provinz, 

3.  Russische  Steppenprovinz, 

4.  Sibirische  Provinz, 

5.  Amurprovinz, 

6.  Columbische  Provinz, 

7.  Canadischo  Provinz. 

II.  Mittelmeer-  und  Orient-Reich, 

III.  Innerasiatisches  Reich, 

IV.  Ostasiatisches  Reich, 

V.  Mittel-Nordamcrikanisches  Reich. 

Wichtig  die  pazifische  Provinz. 

B.  Tropische  Zone. 

a.  Palaeotropische  Gruppe: 

VI.  Afrikanisches  Reich, 

VII.  Madagassisches  Reich, 

VIII.  Indisches  Reich. 

Wichtig  die  Provinzgrenze  an  der  Wallacc-Linic. 

b.  Neotropische  Gruppe: 

IX.  Neotropisches  Reich. 

40* 


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628  Die  geographische  Verbreitung  der  l’flanzen  und  Tiere. 

C.  Australe  Zone. 

a.  Gruppe: 

X.  Australisches  Reich, 

Westaustralische  Provinz! 

XI.  Kap-Reich. 

b.  Gruppe: 

XII.  Andines  Reich, 

XIII.  Antarktisches  Reich. 

In  bezug  auf  das  Alter  und  die  Entwicklung  der  Floren  lassen 
sich  unterscheiden: 

1)  Die  alten  Floren: 

a)  die  tropischen  Eontinentalfloren,  die  seit  der  Tertiärzeit 
sich  ungestört  entwickeln  konnten; 

b)  alte  Inselfloren,  zu  denen  wir  die  australische  und  Kap- 
flora  zählen. 

2)  Mischfloren  in  Ländern,  deren  Klima  sich  seit  der  Tertär- 
zeit  allmählich  geändert  hat,  wo  aber  die  Entwicklung 
nicht  ganz  unterbrochen  wurde  (Mittelmeergebiet,  Ostasien, 
atlantische  Staaten  von  Nordamerika). 

3)  Junge  Floren  der  Länder,  welche  nach  der  Tertiärzeit 
mit  Eis  oder  Wasser  bedeckt  waren: 

a)  Floren,  welche  ganz  entlehnt  sind  (z.  B.  die  des  nord- 
deutschen Tieflandes); 

b)  Floren  mit  eigentümlicher  Entwicklung  (Steppenfloren). 

Hochgebirgsflora.  Einer  kurzen  Auseinandersetzung  bedürfen 
noch  die  Floren  der  alpinen  Region.  Erhebt  sich  ein  Gebirge, 
so  wird  es  zunächst  von  Pflanzen  der  umgebenden  Niederung  be- 
siedelt; es  entstehen,  den  veränderten  klimatischen  Verhältnissen 
entsprechend,  Varietäten,  oder  ältere  Varietäten  finden  im  Gebirge 
besonders  günstige  Existenzbedingungen  und  können  sich,  wie  die 
ersteren,  im  Laufe  der  Zeit  zu  Arten  befestigen.  Jede  Hochgebirgs- 
flora — dies  ergiebt  die  theoretische  Betrachtung  — muß  also  aus 
zahlreichen  endemischen  Elementen  bestehen,  die  aber  mit  der 
Flora  des  benachbarten  Tieflandes  eng  verwandt  sind.  So  verhält 
es  sich  in  der  That  auch  mit  der  Flora  Abessiniens,  des  Kamerun- 
gebirges, des  Kilimandscharo,  und  der  Gebirge  von  Australien,  Tas- 
manien und  Neuseeland. 

Eine  wesentlich  andere  Zusammensetzung  zeigt  die  aus  693 
Species  bestehende  alpine  Flora  unserer  Alpen.  Es  lassen  sich  in 
ihr  folgende  Elemente  unterscheiden:  1)  Pflanzen,  die  aus  den 

niederen  Gebirgsregionen  und  Ebenen  in  die  alpine,  ja  sogar  in  die 


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Die  Entwicklungsgeschichte  der  Florenreiche.  629 

Schneeregion  (2600 — 4200  m Höhe)  hineinreichen;  2)  endemische 
Species,  im  Ganzen  130  oder  19  Prozent;  3)  Pflanzen,  die  erst  in 
den  alpinen  Regionen  anderer  Gebirge  und  im  hohen  Norden  wieder- 
kehren. */8  der  alpinen  Pflanzen  finden  wir  in  den  Karpaten,  über 
die  Hälfte  in  den  Pyrenäen , '/*  im  fernen  Altaigebirge,  1/a  im 
Kaukasus,  einige  sogar  in  Nordamerika.  92  Alpenpflanzen  haben 
in  der  arktischen  Zone  eine  circumpolare  Verbreitung,  138  kommen 
nur  in  einzelnen  arktischen  Gebieten  mit  Einschluß  des  skandina- 
vischen Hochlandes  vor. 

Das  erste  Element  bedarf  keiner  weiteren  Erklärung.  Das  zweite 
muß  als  Überrest  der  alten  Hochgebirgsflora  aus  der  Tertiärzeit 
aufgefaßt  werden,  das  dritte  endlich  deutet  auf  Wanderungen  hin, 
die  zu  einer  Zeit  ausgeführt  wurden,  als  die  dazwischenliegenden 
Landstriche  eine  ähnliche  Flora  beherbergten  und  ein  ähnliches 
Klima  besaßen,  wie  jetzt  die  Hochgebirgsregionen.  Wir  begegnen 
also  auch  hier  wieder  den  Spuren  der  Eiszeit.  Damals  drang  die 
arktische  Flora  von  Norden,  die  tertiäre  Hochgebirgsflora  der  Alpen 
von  Süden  nach  Mitteleuropa  vor  und  mischten  sich  hier  im  eis- 
freien Gürtel,  ja  konnten  sogar  mitten  im  Eise  auf  Moränen  sich 
ansiedeln,  wie  auch  jetzt  noch  die  Moränen  der  Mt.  Elias-Gletscher 
in  Alaska  Sträucher  und  sogar  Bäume  tragen.1  Als  das  Klima 
wieder  wärmer  wurde,  drangen  von  allen  Seiten  andere  Pflanzen- 
elemente in  die  nordeuropäischen  Niederungen  vor,  und  die  Glazial- 
flora verschwand  endlich  aus  der  Ebene,  denn  sie  scheut  nichts  so 
sehr,  als  die  Konkurrenz  mit  Bäumen,  gesellig  wachsenden  Sträuchern 
und  rasenbildenden  Gräsern.  Daher  reicht  sie  noch  jetzt  in  Hoch- 
gebirgen an  jenen  Stellen,  wo  ihre  Feinde  nicht  fortkommen,  z.  B. 
in  den  Kiesbetten  der  Flüsse,  in  tiefere  Regionen  herab;  so  sogar 
in  den  Mooren  und  Heiden  der  deutschen  Ebenen  hinterließ  sie 
noch  einige  Spuren.  Auch  im  deutschen  Mittelgebirge,  im  Jura, 
Schwarzwald  und  in  den  Vogesen,  im  Bayrischen  Wald,  in  den 
Sudeten  und  im  Harz  ist  sie  von  Wald  und  Wiese  noch  nicht  völlig 
verdrängt  worden;  aber  überall,  wo  die  Viehzucht  durch  Düngung 
des  Bodens  den  Graswuchs  befördert,  ist  sie  ebenso  im  Verschwinden 
begriffen,  wie  in  den  Mooren,  wo  künstliche  Entwässerung  den  Boden 
für  neue  Pflanzenansiedelungen  vorbereitet.  Nur  im  arktischen  Ge- 
biete einerseits,  in  den  Hochgebirgsregionen  anderseits  hat  sie  auf  dem 
vom  Eise  verlassenen  Boden  günstige  Lebensbedingungen  gefunden; 
aber  es  ist  nun  nicht  mehr  eine  rein  alpine  und  eine  rein  arktische, 
sondern  hüben  wie  drüben  eine  aus  beiden  Elementen  gemischte 
Flora.2 

Glazialpflanzen,  d.  h.  solche,  deren  Austausch  in  der  Eiszeit 


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630  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

erfolgte,  bewohnen  alle  europäischen  Hochgebirge,  aber  je  weiter  wir 
nach  Süden  fortschreiten,  desto  seltener  werden  sie.  In  Griechen- 
land ist  die  Hälfte  der  alpinen  Flora  endemisch,  46  Prozent  hat 
es  mit  den  benachbarten  Gebirgen  oder  mit  den  Alpen  gemeinsam, 
und  4 Prozent  sind  glazial.  Im  marokkanischen  Atlas  finden  sich 
nur  noch  sehr  wenige  für  die  Alpen  und  Pyrenäen  charakteristische 
Pflanzen  und  nur  noch  eine  Glazialpflanze.  Die  Gebirge  des  tro- 
pischen Afrika  haben,  wie  bereits  bemerkt  wurde,  ihre  eigene  Flora. 

Glazialpflanzen  bewohnen  auch  die  zentralasiatischen  Gebirge. 
75  finden  sich  noch  auf  dem  Himalaja,  wovon  45  auch  in  den  sibi- 
rischen Gebirgen  und  im  arktischen  Gebiete,  und  27  auch  in  den 
mittleren  europäischen  Hochgebirgen  vom  Kaukasus  bis  zu  den 
Pyrenäen  Vorkommen.  Es  ist  aber  nicht  in  allen  diesen  Fällen  an- 
zunehmen, daß  das  dazwischen  liegende  Land  (und  dasselbe  gilt  auch 
von  Südeuropa)  mit  einer  arktischen  Flora  bedeckt  war.  Alpine 
Pflanzen  können  einerseits  auch  im  wärmeren  Klima  gedeihen,  wenn 
sie  nur  vor  starker  Konkurrenz  geschützt  sind,  und  anderseits 
konnten  sie  auch  über  nicht  allzu  weite  Zwischenräume  von  Gebirge 
zu  Gebirge  transportiert  werden,  ohne  die  Ebene  zu  berühren.  Da- 
raus erklärt  sich  das  zerstreute  Vorkommen  europäischer  Pflanzen- 
arten und  -Gattungen  auf  den  Höhen  von  Ceylon  und  auf  den  Vul- 
kankegeln von  Java;  und  noch  leichter  konnten  solche  Wanderungen 
auf  dem  fast  ununterbrochenen  meridionalen  Hochgebirgswalle  Ame- 
rikas ausgeführt  werden.  Auf  den  Rocky  Mountains  finden  sich 
Glazialpflanzen  in  größerer  Anzahl  nur  bis  37  0 N.,  aber  es  kommen 
solche  auch  in  Mexico  vor,  und  auf  den  südamerikanischen  Andes 
gehören  einige  Gewächse  arktisch -alpinen  Gattungen,  wenn  auch 
anderen  Arten  an.  Eine  bemerkenswerte  Ausnahme  machen 
Gentiana  prostrata  an  der  Magellanstraße  und  Trisetum  subspicatum, 
das  sich  bis  zu  den  arktischen  Inseln  verbreitet  hat.  Das  sind  die 
einzigen  Fälle  von  Wanderungen  von  Glazialpflanzen  über  den  Äquator 
hinaus.  Im  östlichen  Nordamerika  sind  sie  nur  bis  zu  den  Weißen 
Bergen  in  New'  Hampshire,  also  nur  bis  zum  44.  Parallel  vorgedrungen, 
aber  hier  machen  sie  noch  77  Prozent  der  alpinen  Flora  aus. 

Moderne  Veränderungen.  Wir  haben  gesehen,  daß  die  gegen- 
wärtige Verteilung  der  Pflanzen  in  deren  Entwicklungsgeschichte 
begründet  ist.  Diese  ist  aber  noch  nicht  abgeschlossen,  und  auch 
die  Verbreitungsgrenzen  der  Arten  verschieben  sich  noch  fortwährend. 
Eine  der  merkwürdigsten  Veränderungen  ist  der  säkulare  Wald- 
wechsel, der  für  viele  Gegenden  Europas  und  Asiens  außer  allem 
Zweifel  gesetzt  ist.  Tn  Graubünden  dringt  die  Fichte  siegreich  gegen 
die  Lärche  vor,  und  hier,  wie  im  Jura,  ist  sie  auch  mit  Erfolg  be- 


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Die  Entwicklungsgeschichte  der  Florenreiche. 


631 


strebt,  der  Buche  den  Platz  streitig  zu  machen.  Man  ist  der  An- 
sicht, daß  die  Buche  früher  in  gleicher  Weise  an  die  Stelle  von 
Eichen,  Föhren  und  Birken  getreten  ist,  denn  diese  Bäume  kommen 
jetzt  nur  mehr  vereinzelt  und  in  verkümmerten  Exemplaren  in  den 
Schweizer  G-ebirgen  vor.  Für  die  dänischen  Inseln  ist  übrigens 
dieser  Vorgang  sichergestellt;  dort,  wo  jetzt  Buchenwälder  sich  aus- 
dehnen, war  der  Boden  einst  mit  Birken  in  Gemeinschaft  mit  Eichen 
und  Kiefern  bestanden.  In  Westpreußen  verdrängt  die  Kiefer  die 
Eiche  und  Birke,  im  russischen  und  sibirischen  Nadelholz walde  er- 
obert die  Birke  (in  Rußland  im  Vereine  mit  der  Esche)  immer 
größere  Areale.  Die  Ursachen  dieser  Erscheinung  sind  noch  keines- 
wegs genügend  aufgeklärt,  doch  ist  jedenfalls  nicht  immer  ein  Klima- 
wechsel dabei  im  Spiele.  Manchen  dieser  Vorgänge  kann  man  mit 
Christ  als  eine  natürliche  Brachwirtschaft  bezeichnen,  indem  der 
Boden,  jahrhundertelang  durch  gewisse  Pflanzengattungen  ausgesogen, 
diesen  endlich  nicht  mehr  die  nötigen  Existenzmittel  gewähren  kann, 
wohl  aber  anderen  Gewächsen,  die  andere  Ansprüche  an  ihren  Stand- 
ort stellen. 

Die  auffallendsten  Veränderungen,  die  im  Laufe  der  historischen 
Zeit  in  der  Verbreitung  der  Pflanzen  stattgefunden  haben,  sind  aber 
direkt  oder  indirekt  ein  Werk  des  Menschen.  Die  Physiognomie 
alter  Kulturländer,  wie  Chinas,  der  hindustanischen  Ebene  und  des 
Mittelmeergebietes  hat  sich  gründlich  geändert,  aber  kaum  minder 
die  jüngerer  Kulturländer,  wie  des  übrigen  Europas,  Westindiens, 
der  östlichen  Staaten  Nordamerikas  u.  a»,  wo  die  kürzere  Dauer  des 
menschlichen  Einflusses  durch  die  Energie  der  Arbeit  aufgewogen 
wird.  Auch  viele  ozeanische  Inseln,  wie  Madeira,  die  Canaren,  St 
Helena,  die  Comoren,  Maskarenen  u.  a.  haben  seit  ihrer  Koloni- 
sation ein  völlig  neues  Pflanzenkleid  angezogen.  Fast  überall  be- 
gann die  Thätigkeit  des  Kulturmenschen  mit  der  Ausroduug  der 
Wälder,  an  deren  Stelle  aber  nicht  immer  Kulturland,  sondern  nur 
zu  häufig  auch  Einöden  traten.  In  Europa  * ist  nur  der  nord- 
russische  Wald  noch  zum  größten  Teil  unberührt.  Im  Gouverne- 
ment Olonez  bedeckt  er  noch  80  und  im  Gouvernement  Wologda 
noch  92  Prozent  der  Gesamtfläche,  und  diese  Verhältniszahlen  dürften 
wahrscheinlich  auch  auf  das  sibirische  Waldgebiet  anwendbar  sein. 


x Nach  Donnek  (für  Griechenland  nach  Chioros)  beträgt  die  Waldfläche 
in  Prozenten  des  Gesamtareals: 


Großbritannien  3,2 
Dänemark  . . 4,o 

Niederlande  . 5,» 

Spanien  . . 9,o 


Belgien  . . ll,i 
Griechenland  12,  s 
Frankreich  . 15,a 

Rumänien  . 17, o 


Schweiz  . . 19,« 
Italien  . . 22,« 
Deutschland  25,  j 
Ungarn  . . 26, i 


1 Schweden  . 29, s 

I Österreich  . 80,5 

Norwegen  . 31, i 
{ Rußland  . 39,2 


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032  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

Eine  Vermischung  der  Floren  ist  die  unausbleibliche  Folge 
der  Allgegenwart  des  Menschen.  In  den  Mittelmeerländem  gedeihen 
jetzt  trefflich  die  amerikanischen  Kakteen  und  Agaven,  die  afri- 
kanische Aloe  und  die  australischen  Eukalypten;  namentlich  die 
letzteren,  die  erst  1854  eingeführt  wurden  und  schon  jetzt  über  die 
meisten  Küstenstriche,  bei  deren  Entsumpfung  sie  ausgezeichnete 
Dienste  leisten,  sich  verbreiten.  Die  Savanen  von  Westindien  sind 
nicht  mehr  im  ursprünglichen  Zustande  erhalten,  seit  das  Guinea- 
und  Paragras  zur  Verbesserung  der  Weide  eingeführt  wurde.  Süd- 
europäische Gewächse  haben  sich  zwischen  die  Gräser  der  Pampas 
eingedrängt,  und  die  Artischokendistel,  deren  Samen  zuerst  um 
das  Jahr  1769  in  den  Haaren  eines  Esels  aus  Spanien  hierher  ge- 
langte, bildet  bereits  auf  Flächen  von  mehreren  hundert  Quadrat- 
kilometern zusammenhängende,  undurchdringliche  Dickichte  von  mehr 
als  Manneshöhe.  Zahllose  fremde  Unkräuter  sind  mit  den  Kultur- 
gewächsen nach  Nordamerika,  besonders  in  die  atlantischen  Staaten 
eingewandert:  der  gemeine  Natterkopf  hat  z.  B.  in  manchen  Gegen- 
den von  Virginien  die  einheimische  Vegetation  völlig  verdrängt. 
Ähnliches  ist  in  Australien  der  Fall,  wo  in  der  Umgebung  von  Sydney 
schon  über  100  europäische  Pflanzenarten,  darunter  viele  schädliche 
Unkräuter,  sich  ansässig  gemacht  haben.3  Wie  die  Kolonisation, 
haben  auch  die  Kriege  stets  zur  Florenvermischung  beigetragen, 
und  der  rasch  pulsierende  Verkehr  der  Jetztzeit  beschleunigt  diesen 
Prozeß  außerordentlich.  Besonders  bemerkenswert  ist  die  Thatsache, 
daß  entlang  den  Eisenbahnlinien  neue  Gewächse  auftauchen,  und 
zwar  nicht  bloß  an  den  Ausladestationen,  sondern  merkwürdigerweise 
auch  da,  wo  die  Bahn  Kurven  beschreibt.  Welche  Dimensionen 
diese  Pflanzenverschleppung  annimmt,  geht  schon  daraus  hervor, 
daß  auf  der  Strecke  Augsburg-Haspelmoor  gelegentlich  der  Getreide- 
transporte 1 868 — 80  44  neue  Phanerogamen  in  die  Flora  eingeführt 
wurden.4 

1 Litteraturnachweisc.  1 Drude,  Die  hypothetischen  vegetationslosen 
Einöden  im  temperierten  Klima  zur  Eiszeit;  in  Petermanns  Mitteilungen  1889.  — 
4 Peter,  Ursprung  u.  Geschichte  der  Alpenflora;  in  der  Zeitschrift  d.  Deutschen 
und  Östcrr.  Alpeuvoreines  1885.  — s Ausführlich  haben  die  Veränderungen,  die 
der  Mensch  in  der  Flora  Chiles  und  Califomiens  bewirkte,  Philippi  u.  Semi.kk 
geschildert  (Petermanns  Mitteilungen  1886  u.  1888).  — 4 Diese  Angaben  ver- 
dankt der  Verfasser  der  gütigen  Mitteilung  des  Hru.  Prof.  A.  Kirchhofe. 


Die  Nutzpflanzen.1 

Ungleich  wichtiger  sind  die  Veränderungen,  die  der  Mensch 
durch  Züchtung  und  Veredlung  von  Pflanzen  bewirkt  hat,  die  ihm 


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Di«  Nutzpflanzen. 


633 


zur  Nahrung  und  Bekleidung,  als  Genuß-  oder  Heilmittel  dienen. 
„Es  ist,“  sagt  Unger,*  „eine  auf  keine  Weise  in  Abrede  zu  stellende 
Thatsache,  daß  fast  keine  einzige  jener  Pflanzen,  deren  Teile  als 
Nahrung  verwendet-  werden,  in  ihrem  ursprünglichen  Zustande  an- 
genehm und  wohlschmeckend  war.  Ihr  vielfältiger  Anbau,  die  Ver- 
breitung auf  Teile  der  Erde,  die  ihrer  Ursprungsstätte  ferne  lagen, 
ihre  sorgsame  Pflege  und  die  der  Natur  abgelauschten  Operationen, 
wodurch  sie  selbst  Veränderungen  in  Größe  und  Beschaffenheit,  in 
Gewebe  und  chemischer  Konstitution  hervorbrachte,  haben  nach  und 
nach  eine  Anzucht  herbeigeführt,  die  von  der  ursprünglichen  Be- 
schaffenheit in  dem  Grade  abweichen  mußte,  als  die  Hand  des 
Menschen  über  sie  wachte.  Ihr  danken  wir  es,  daß  das  Getreide, 
die  Knollengewächse  nahrhafter,  die  Gemüsearten  und  das  Obst 
wohlschmeckender  geworden  sind.“ 

Allerdings  ist  es  zunächst  Aufgabe  der  Anthropogeographie,  sich 
mit  den  Kulturgewächsen  zu  beschäftigen,  aber  wir  können  uns  nicht 
versagen,  auf  einige  wichtige  Punkte  hinzuweisen,  welche  unsere  bis- 
herigen Auseinandersetzungen  ergänzen  sollen.  Zwei  bedeutungsvolle 
Gegensätze  treten  uns  da  vor  Augen:  der  Kontrast  zwischen 
den  Tropen  und  Polarländern,  der  aber  durch  allmähliche  Über- 
gänge ausgeglichen  wird,  und  der  Gegensatz  zwischen  der  alten 
und  neuen  Welt,  den  erst  die  neuzeitliche  Kulturentwicklung  der 
europäischen  Menschheit  verwischt  hat 

Cerealien.  Weitaus  die  wichtigsten  NahrungspHanzen  sind  die 
Getreidearten,  deren  Anbau  die  Grundlage  jeder  höheren  Gesittung 
ist;  unter  diesen  sind  wieder  der  Reis  und  Mais,  der  Weizen,  der 
Roggen  und  die  Gerste  am  verbreitetsten  und  die  eigentlichen  Er- 
nährer der  ansässigen  Menschheit. 

Der  Reis,  dessen  Heimat  wahrscheinlich  Indien  ist,  der  sich 
aber  schon  im  hohen  Altertum  über  die  Kulturländer  Süd-  und  Ost- 
asiens verbreitet  hat,  ist  nach  Rein  für  wenigstens  ein  Drittel  des 
Menschengeschlechtes  die  vorwiegende  tägliche  Speise.  Die  Araber 
brachten  ihn  nach  Vorderasien,  Europa  und  Afrika,  und  die  Eng- 
länder und  Portugiesen  nach  Amerika,  wo  er  namentlich  in  Süd- 
carolina und  in  Brasilien  große  Bedeutung  erlangte.  Sein  großes 
Wärmebedürfnis  beschränkt  ihn  auf  jene  Gegenden,  die  ihm  während 
seiner  halbjährigen  Entwicklungszeit  eine  Mitteltemperatur  von  wenig- 
stens 20°  C.  gewähren  können,  ln  der  alten  Welt  erreicht  er  daher 
nur  stellenweise  den  45.  Nordparallel,  in  Amerika  aber  nur  den  38., 
und  auf  der  südlichen  Hemisphäre  überschreitet  er  nur  selten  den 
Wendekreis.  Sein  außerordentliches  Feuchtigkeitshedürfnis,  das  nur 
eine  schlechtere  Abart,  der  Bergreis,  nicht  teilt,  macht  überdies 


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684  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

seine  Kultnr  nur  in  den  Niederungen  möglich,  wo  die  Felder  leicht 
bewässert  werden  können.  Weniger  empfindlich  ist  sein  ameri- 
kanischer Vertreter,  der  Mais,  die  einzige  Getreideart  der  neuen 
Welt,  die  sich  in  bezug  auf  Verbreitung  mit  den  Cereahen  der  Ost- 
feste messen  kann.  Bald  nach  der  Entdeckung  Amerikas  gelangte 
er  in  die  Mittelmeerländer,  nach  Ostasien  und  nach  Afrika,  wo  er 
das  einheimische  Sorghum  (Durrha  oder  Mohrenhirse)  fast  zu 
verdrängen  droht.  In  Europa  gedeiht  er  nur  südlich  von  50°  B. 
und  nur  am  Rhein  noch  unter  dem  52.  Parallel,  während  er 
in  seiner  Heimat  sogar  noch  am  Red  River,  also  unter  55°  B. 
trotz  des  rauheren  Klimas  mit  bestem  Erfolge  angebaut  wird.  Dieser 
Vorzug  kann  Amerika  auch  nicht  durch  die  Kultur  geraubt  werden, 
denn  jener  nordische  Mais  besteht  aus  Abarten  mit  kürzerer  Vege- 
tationsdauer, die  eine  Verpflanzung  in  fremde  Erdteile  nicht  dulden. 
Neben  Reis  und  Mais  ist  noch  der  Weizen,  die  edelste  aller  Cere- 
ahen, auf  die  wärmeren  Gegenden  beschränkt,  flieht  aber  anderseits 
auch  große  Hitze,  daher  er  in  den  Tropen  nur  im  Bereiche  des  See- 
khmas  oder  in  größerer  Höhe  angebaut  wird.  Aus  Vorderasien 
stammend,  hat  er  sich  schon  in  vorgeschichtlicher  Zeit  über  die 
benachbarten  Länder  verbreitet,  und  in  der  Neuzeit  seinen  sieg- 
reichen Einzug  in  Amerika  gehalten,  wo  er  in  den  Vereinigten 
Staaten  von  1849 — 80  um  mehr  als  9 Längengrade  nach  Westen 
vorgerückt  ist.  Im  Mackenziegebiete  reicht  sein  Anbau  bis  62°  B. 
(Fort  Simpson),  aber  im  Westen  nur  bis  50°  B.;  in  der  alten  Welt 
betritt  die  Polargrenze  des  Winterweizens  die  norwegische  West- 
küste unter  65°  B.  und  sinkt  in  Schweden  und  im  westlichen  Ruß- 
land auf  60,  und  am  Ural  auf  58 0 B.  herab.  Auch  in  den  mittleren 
Breiten  der  Südhemisphäre  begegnen  wir  seiner  Kultur  überall,  in 
Victoria  und  Südaustralien,  im  Kaplande,  bei  Buenos  Aires,  besonders 
aber  in  Chile.  Weniger  Wärme  als  der  Weizen  beansprucht  der 
Roggen,  der  für  das  nördliche  Europa  und  Asien  der  wichtigste 
Brotlieferant  ist;  und  am  weitesten  gegen  die  Pole  dringt  die  Gerste 
vor.  Nur  an  der  skandinavischen  Westküste  fällt  unter  dem  Ein- 
flüsse des  Golfstromes  die  Getreidegrenze  mit  der  Baumgrenze 
(70°  B.)x  zusammen,  dann  aber  entfernen  sich  beide  Linien  beträcht- 
lich von  einander,  indem  die  erstere  am  bottnisehen  Meerbusen  auf 
65°  sinkt,  von  da  bis  zum  Ural  zwischen  65  und  66°,  und  in  Sibi- 
rien zwischen  61  und  62°  liegt,  dann  entlang  dem  pazifischen  Grenz- 


x Neuere  Anbauversuche  von  Gerste  und  Roggen  ain  lappländischen 
Knaresce  unter  fi9°  IS.  haben  gute  Resultate  erzielt  (Petejuunns  Mitteilungen 
1888,  8.  188),  man  muß  aber  doch  noch  weitere  Erfahrungen  abwarteu. 


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Die  Nutzpflanzen. 


635 


gebirge  cach  Süden  zieht,  um  die  östliche  Küste,  deren  Sommer- 
temperatur durch  das  Auftauen  des  ochotskischen  Meereises  stark 
erniedrigt  wird,  erst  unter  50°  B.  zu  berühren  und  in  Kamtschatka 
wieder  bis  57°  anzusteigen.  Im  Gebiete  des  nordamerikanischen 
Kontinentalklimas  reicht  die  Getreidegrenze  bis  65°  B.,  denn  bei 
Fort  Norman  am  Mackenzie  gedeiht  die  Gerste  noch  iu  guten  .Jahren. 
Der  Sommer  ist  hier  kühler  als  an  der  sibirischen  Getreidegrenze, 
aber  der  Boden,  dessen  felsige  Unterlage  bald  erreicht  wird,  taut 
bis  zu  größeren  Tiefen  auf  und  ist  daher  wärmer.  Von  Labrador 


Höhengrenze  des  Getreidebaues. 


Europa: 

Norwegen 

64»  N. 

W.  340,  0.  540  m 

Schottland 

67 

370 

Sudeten 

50 

950—1270 

Vogesen 

48 

910 

Schwarzwald 

48 

1140 

Jura 

46 

1200 

W estalpen 

44—47 

1100—2050 

Ostalpen 

46—48 

950—1880 

Pyrenäen 

42  V, 

N.  1625,  S.  1690 

Apennin 

42  >/, 

1580 

Ätna 

87»/« 

N.  1170,  S.  1790 

Sierra  Nevada 

87 

N.  1830,  S.  2470 

Zentralasien: 

Östliches  Sajangebirge  . . 

51,7»  N. 

1520—1620  m 

Altai' 

49,7 

1040 

Kuenlun 

86 

2960 

Karakorum 

35  V. 

4100 

Himalaja 

28 

3600 

Amerikanisches  Hochgebirge: 

Pelsengebirge  

52*/,— 49»  N. 

1520  m 

Mexico 

19 

3050 

Costa  Rica 

10 

2600 

Columbia 

5 

3000 

Quito  

0 

>» 

3480  (östliche  Kette) 

Rolivia 

16 

s. 

3900 

Peru 

19,8 

i) 

4270 

Nördliches  Chile  .... 

24 

» 

W.  3480,  0.  2600 

Mittleres  Chile 

33 

» 

1700 

schließt  dieselbe  Ursache,  welche  die  Baumgrenze  so  weit  herab- 
drückt, auch  den  Getreidebau  südlich  von  51 0 B.  aus.  Aber  während 
sonst  überall  die  Kartoffel  sich  nicht  mehr  dem  Pole  nähert,  als  die 


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636  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

Gerste,  kommt  sie  nach  Missionsberichten  noch  in  Hebron'  an  der 
Ostküste  von  Labrador  (58°  B.)  vor.  Grönland  liegt  jenseits  der 
Getreidegrenze,  die  Färöer  aber  noch  innerhalb  derselben,  und  wahr- 
scheinlich auch  Island,  wo  Gerste  im  ganzen  Mittelalter  gebaut 
wurde  und  auch  neue  Versuche  wieder  geglückt  sind. 8 In  Südamerika 
werden  noch  bei  Punta  Arenas  Roggen  und  Gerste  gebaut;  und  docli 
ist  hier  der  Sommer  beständig  trüb  und  der  wärmste  Monat  hat 
nur  eine  Durchschnittstemperatur  von  10,7°.  Die  Magellanstraße 
gleicht  hierin  den  Färöer,  steht  aber  weit  hinter  dem  getreidelosen 
Nordsibirien*  zurück.  Aber  hier  ist  der  Boden  nur  oberflächlich 
aufgetaut  und  die  frühzeitig  eintretenden  Nachtfröste  gefährden  die 
Existenz  der  Cerealien. 

Daß  aber  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen  doch  die  Sommer- 
wärme für  den  Getreidebau  entscheidend  ist,  beweisen  dessen  Höhen- 
grenzen, über  die  uns  vorstehender  Auszug  aus  der  Tabelle  von 
Berghaus4  Aufschluß  giebt  (S.  635). 

Norwegen  und  Schottland  zeigen  uns,  wie  das  trübe  Seeklima 
die  Getreidegrenze  in  derselben  Weise,  wie  die  Baum-  und  Schnee- 
grenze, herabdrückt.  Daher  steigt  auch  der  Cerealienbau  nirgends 
soweit  im  Gebirge  hinan,  als  im  kontinentalen  Klima  von  Asien 
und  in  der  regenlosen  Zone  der  Andes,  wo  er  4000  m über- 
schreitet. Aus  demselben  Grunde  liegt  seine  Grenze  in  Armenien 
am  Wansee  und  Bingöl-Dagh  in  2100  m,  im  umwölkten  Kessel  des 
Goktscha  aber  nur  in  1800m  Höhe.  In  den  Alpen  senkt  sich  die 
Grenzlinie  im  allgemeinen  in  östlicher  Richtung,  weil  die  von  Nacht- 
frösten freie  Zeit  im  Osten  kürzer  ist,  als  im  Westen.  Auch  die 
Bauart  des  Gebirges  ist  von  einschneidendem  Einflüsse,  denn  davon 
hängt  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen  die  Erwärmung  des  Bodens 
ab.  Die  klimatische  Begünstigung  der  rhätischen  Massenerhebung 
drückt  sich  deutlich  in  der  abnormen  Höhenlage  der  Getreidegrenze 
aus,  die  im  Oberengadin  290,  im  Oberhalbsteiner  Thale  200,  im 
Rheinwälder  180  und  im  Davoser  110  m über  die  Getreidegrenze 
im  unteren  Rheinthale  ansteigt 

Andere  Kulturpflanzen.  Außer  den  Körnerfrüchten  geben  auch 
einige  Knollengewächse  Mehl,  aber  ihre  kulturgeschichtliche 
Bedeutung  ist  viel  geringer,  weil  sie  weniger  Pflege  bedürfen 
und  daher  nicht  im  gleichen  Maße,  wie  das  Getreide,  erziehend 
auf  den  Menschen  einwirken.  Nur  die  Kartoffel,  neben  dem  Mais 

x Temperatur  des  wärmsten  Monats  in  Beresow  (Westsibirien  04°  B.)  16, 7°, 
in  Turuchansk  (Mittelsibirien  66°  B.),  wo  die  Gerste  nicht  mehr  reift,  1 5,1°,  und 
in  Werchojausk  (üstsibirien  67*/a°  B.)  14,4°. 


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Die  Nutzpflanzen. 


637 


das  wichtigste  Geschenk  Amerikas,  hat  eine  Weltverbreitung,  wenn 
sie  auch  nur  in  den  gemäßigten  und  kälteren  Zonen  als  das  „Brot 
der  Annen“  eine  große  Bedeutung  erlangt  hat.  Wichtiger  sind 
noch  die  amerikanische  Maniokpflanze  und  Batate  und  die  in 
der  alten  Welt  heimischen  Arons-  und  Yamswurzeln,  die  sich 
zwar  über  beide  Hemisphären  verbreitet  haben,  aber  im  allgemeinen 
doch  nur  auf  die  Tropenzone  beschränkt  bleiben.  Ziemlich  mühelos 
ernähren  sie  hier  eine  träge  Bevölkerung,  der  die  Natur  überdies 
noch  eine  Menge  der  köstlichsten  Baumfrüchte  bietet  Schon  auf 
S.  597  f.  wurden  die  allerwichtigsten  genannt,  und  ein  längeres  Ver- 
zeichnis würde  den  Leser  nur  ermüden.  An  die  Zone  der  tropischen 
Kulturbäumo  schließt  sich  jene  der  sogenannten  Südfrüchte  an  (im 
allgemeinen  zwischen  34  und  44°  Br.).  Etwas  weiter  polwärts  rückt 
der  Weingürtel,  dessen  äußerste  Grenzen  im  nördlichen  Teile  der 
alten  Welt  in  53  und  28 H B.  liegen,  denn  zwischen  den  Wende- 
kreisen gedeiht  die  Rebe  nur  in  größeren  Höhen.  Noch  weiter  gegen 
Norden  gehen  die  Obstsorten  der  gemäßigten  Zone;  nach  .Jessen 
reichen  Kirschen  und  Apfel  in  Westeuropa  bis  65",  in  Rußland  und 
Sibirien  aber  nur  bis  45°  und  im  nordwestlichen  Amerika  nur  bis 
50"  B.  Dann  folgt  der  Gürtel  der  Beerensträucher. 

Die  meisten  der  weit  verbreiteten  Fruchtbäume  sind  asiatischen 
Ursprungs.  Aber  auch  Amerika  besitzt  deren  eine  große  Zahl,  wie 
es  auch  seine  eigene  wilde  Rebe  hat;  einige  tropische  Gewächse, 
wie  die  Guayava  und  der  Zuckerapfel,  haben  sich  rasch  in  Asien 
heimisch  gemacht.  Doch  gab  auch  in  dieser  Beziehung  die  alte 
Welt  weit  mehr,  als  sie  empfing. 

Von  den  wichtigsten  Genußmitteln  lieferte  Afrika  den  Kaffee, 
Ostasien  den  Thee,  Amerika  den  Cacao  und  Tabak.  Kaffee  und 
Cacao  sind  auf  die  warme  Zone  beschränkt;  der  immergrüne  Thee- 
strauch  ist  zwar  keine  tropische  PHanze,  überschreitet  aber  den 
40.  Parallel  nicht,  und  nur  der  Tabak  ist  größerer  Verbreitung  fällig. 
Das  Zuckerrohr,  dessen  drei  Arten  aus  dem  tropischen  Asien  stammen, 
gedeiht  in  Südeuropa  zwar  bis  zum  38."  B.,  ist  aber  doch  als  ein 
echtes  Kind  der  warmen  Zone  zu  betrachten,  wofür  der  gemäßigte 
Erdgürtel  allerdings  einen,  aber  nicht  ebenbürtigen  Ersatz  in  der 
Runkelrübe  besitzt.  Fügen  wir  noch  hinzu,  daß  die  Gewürze,  die 
einst  die  Menschheit  zu  ebenso  kühnen  Unternehmungen  an- 
spornten, wie  Gold  und  Silber  oder  die  Pelztiere  des  Nordens,  nur 
den  Tropen  angehören;  daß  die  Baumwolle,  der  wichtigste  aller 
Pflanzenfaserstoffe,  ursprünglich  auch  tropisch  ist,  wenn  ihre  Kultur 
auch  nach  amtlichen  Erhebungen  in  den  Vereinigten  Staaten  bis 
zum  43.  Parallel  mit  Erfolg  ausgedehnt  werden  könnte ; — so 


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638  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

wird  unsere  Vorstellung  von  der  überquellenden  Produktionskraft 
der  Tropenwelt  einigermaßen  ergänzt.  Allerdings  giebt  es  auch  hier 
traurige  Einöden,  aber  mitten  in  den  Sand-  und  Steinwüsten  der 
Sahara  liegen  inselgleich  die  Oasen,  wo  das  Wasser  in  großen,  der 
Verdunstung  entzogenen  Vorräten  sich  sammelt,  und  im  Schatten 
der  Dattelwälder  dichtgedrängt  tropische  und  subtropische  Kultur- 
gewächse gedeihen.  Diese,  durcli  Trockenheit  erzeugten  Einöden 
sind  von  ganz  anderer  Art,  als  jene  der  Polarzone,  wo  nur  Treib- 
holz einen  unzuverlässigen  Ersatz  für  den  Baumwuchs  gewährt,  wo 
einige  Beeren,  Flechten,  Algen  und  Pilze  die  einzigen  Nahrungs- 
mittel sind,  die  das  Pflanzenreich  bietet,  und  der  streifende  Mensch 
nur  auf  die  Tierwelt  angewiesen  ist,  die  ihm  Kleidung,  Nahrung 
und  Tliran  für  seine  Lampe  liefert,  welche  die  lange  Wintemacht 
kümmerlich  erhellt. 

Die  ursprüngliche  Armut  der  neuen  Welt  an  Nutzpflanzen,  die 
um  so  mehr  auffällt,  als  Amerika  in  Bezug  auf  die  Gesamtzahl 
seiner  Pflanzen  im  Verhältnisse  zu  seiner  Größe  die  alte  Welt  viel- 
leicht übertrifft,  ist  in  unserer  Darstellung  schon  zur  Genüge  hervor- 
getreten, trotzdem  daß  diese  nur  auf  das  allerwichtigste  Rücksicht 
nahm.  Noch  prägnanter  kommt  sie  in  folgender,  von  Hock6  zu- 
sammengestellten Tabelle  zum  Ausdrucke: 


Davon  heimisch 

Mit  Berück- 

Gesamt- 

in  der 

sichtigung  des 
Areals  x verhält 

zahl 

Alten 

Neuen 

sich  die  neue 

Welt 

Welt 

Welt  zur  alten  = 

Obstarten 

95 

71 

24 

1 : l,ii 

Getreidearten 

28 

26 

2 

5, TS 

Knollen- u.  Wurzelgewächse 

29 

21 

8 

1.« 

Hülseufrüchte 

19 

18 

1 

8,o» 

Gemüse 

28 

28 

— 

— 

Pflanzen,  die  erregende  Ge- 

tränkeod.Nareotica  liefern 

16 

10 

6 

0,74 

Gewürzpflanzen  .... 

33 

29 

4 • 

3,m 

Arzneipflanzen  .... 

32 

24 

8 

1,33 

Technisch  verwertbare 

Pflanzen  

38 

35 

3 

5,18 

Öle  und  Fette  liefernde 

Pflanzen  

9 

7 

2 

1,56 

Summe 

327 

269 

58 

2,o. 

x Da  die  alte  Welt  der  Fläche  nach  sich  zur  neuen  Welt  wie  9 : 4 verhält, 
so  muß  man,  um  ganz  gerecht  zu  sein,  die  Beiträge  beider  Welten  auf  das  gleiche 


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Die  Lebensbedingungen  der  Tierwelt. 


639 


Auf  der  östlichen  Halbkugel  ist  der  australische  Kontinent  sehr 
arm  an  einheimischen  Nutzpflanzen,  und  auch  Afrika  kann  den  Ver- 
gleich mit  Asien  nicht  aushalten.  Zieht  man  auf  einer  Karte  in 
Mercators  Projektion  eine  gerade  Linie  von  Irland  bis  zu  den  Mo- 
lukken, so  häufen  sich  um  dieselbe,  wie  Unoer  gezeigt  hat,  die 
meisten  und  wichtigsten  Nahrungspflanzen  an:  die  des  malaischen 
Archipels,  von  Vorder-  und  Hinterindien,  von  Persien  und  Armenien, 
des  Kaukasusgebietes  und  der  Krim,  von  Griechenland,  Italien  und 
Mitteleuropa.  Eine  ebensolche,  nach  Nordwesten  gerichtete  bro- 
matorischex  Linie  wies  Ungek  auch  in  Amerika  nach.  Um 
sie  gruppieren  sich  Brasilien,  Guayana,  Peru,  Ecuador,  Columbia, 
Zentralamerika,  Mexico  und  Westindien;  und  nur  die  atlantischen 
Vereinsstaaten,  die  ebenfalls  ein  ursprüngliches  Zentrum  von  Nahrungs- 
gewächsen sind,  liegen  abseits  von  jener  Linie. 

Litteraturnach weise.  1 Candolle,  Der  Ursprung  der  Kulturpflanzen. 
Leipzig  1884.  — * Unoer,  Botanische  Streifzüge  auf  dem  Gebiete  der  Kultur- 
geschichte; in  d.  Sitzungsberichten  d.  Wiener  Akademie  d.  Wissenschaften, 
Math.-naturwiss.  Klasse  1857.  Bd.  XXIII.  — 3 Vgl.  Nature  1885,  Bd.  XXXII. 
S.  116.  — * Berouacs,  Höllentafel  von  100  bekannteren  Gebirgen,  in  Behms 
Geographischem  Jahrbuch,  Bd.  I.  1866.  — 5 Hock,  Die  nutzbaren  Pflanzen  und 
Tiere  Amerikas  und  der  alten  Welt,  Leipzig  1884. 


Die  Lebensbedingungen  der  Tierwelt. 

Ebenso  intim,  wie  die  Beziehungen  des  Menschen  zur  Pflanzen- 
welt, ist  sein  Verhältnis  zu  den  Tieren,  von  denen  er  sich  einige 
zu  Hausgenossen  erzogen  hat,  während  er  andere  der  Nahrung  oder 
des  Pelzes  oder  einer  anderen  Beute  wegen  verfolgt  oder  als  gefähr- 
liche Feinde  bekämpft.  Im  übrigen  erregt  aber  die  Fauna  in 
geringerem  Grade,  als  die  Flora,  das  Interesse  des  Geographen,  denn 
selten  tritt  sie  im  Landsehaftsbilde  bedeutungsvoll  hervor,  und  sie 
drängt  sich  nicht  unmittelbar,  wie  die  Vegetationsformen,  dem  Auge 
des  Beobachters  auf,  sondern  will  erst  gesucht  werden.  Dagegen  ist 
ein  anderes  Moment,  auf  das  wir  bei  unseren  Betrachtungen  über  den 
Ursprung  der  Inseln  schon  wiederholt  aufmerksam  gemacht  haben,  von 
hervorragender  geographischer  Wichtigkeit.  Die  Veränderungen  der 
Erdoberfläche  spiegeln  sich  in  der  Verbreitung  einiger  Tierklassen, 


Areal  reduzieren.  Höck  thut  dies  in  der  Weise,  daß  er  die  altweltlichen  Arten 
mit  4,  die  neuweltlichen  mit  9 multipliziert.  Dann  findet  man  z.  B.,  daß  die 
alte  Welt  zwar  absolut  mehr  Pflanzen,  die  erregende  Getränke  liefern,  erzeugte, 
als  Amerika,  relativ  aber  weniger  (6  x 9 : 10  x 4 = 1 : 0,u). 
s ßtiHifia  = Nahrung,  öfjos  = Grenze. 


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640  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

vor  allem  der  Landsäuger,  getreuer  wieder,  als  in  der  Verteilung 
der  Pflanzen,  denen  sogar  die  meisten  flugfähigen  Tiere  in  Bezug 
auf  die  Verbreitungsmittel  nachstehen.  Es  wird  die  Aufgabe  des 
nächsten  Abschnittes  sein,  auf  diesen  Punkt  näher  einzugehen,  wäh- 
rend wir  uns  in  diesem  nur  auf  eine  kurze  Besprechung  jener  geo- 
graphischen Momente  einlassen  wollen,  die  das  Tierleben  bedingen. 
Es  sind  dies  vor  allem  die  Nabrung  und  die  Wärme. 

Beziehungen  zwischen  der  Tier-  und  Pflanzenwelt  Im  Gegen- 
sätze zu  den  Pflanzen  sind  die  Tiere  hauptsächlich  auf  organische 
Nahrung  angewiesen  und  daher  durch  die  Pflanzenwelt  bedingt,  ent- 
weder direkt,  wie  die  Pflanzenfresser,  oder  indirekt,  wie  die  Fleisch- 
fresser. Es  gilt  dies  ebensowohl  für  die  Landtiere,  wie  für  die  Tiere 
der  hohen  See,  denn  auch  die  Oberfläche  des  Meeres  entbehrt  nicht 
des  Pflanzenlebens,  wenn  sich  dieses  auch  nur  auf  die  niedrigsten 
Formen,  auf  mikroskopische  Algen  beschränkt  Wenn  sich  in  den 
polaren  Breiten  die  Sonne  senkt,  so  tauchen  unzählige  Diatomeen- 
schwärme an  der  Oberfläche  des  Meeres  auf,  das  sie  in  einen  dicken 
Schleim,  das  „Schwarzwasser“  der  Nordpolfahrer,  verwandeln. 
Ihnen  folgen,  wie  Th.  Fuchs1  gezeigt  hat,  die  Ruderschnecken  und 
kleine  Krebse,  diesen  wieder  zahlreiche  Fische,  und  diesen  endlich 
die  Räuber  der  hohen  See,  die  Delphine  und  Walfische.  In  wärmeren 
Meeren  kommen  Diatomeen  hauptsächlich  nur  in  der  Nähe  von  Fluß- 
mündungen vor,  meist  werden  sie  aber  durch  Fadenalgen  und 
Schwingfäden  ersetzt,  die  im  Indischen  Ozean  in  so  großen  Mengen 
auftreten,  daß  das  Wasser  stellenweise  einen  sumpfigen  Geruch  annimmt. 
Ja  manche  dieser  Algen  scheinen  sogar  des  Lichtes  entbehren  zu 
können,  denn  die  Plankton-Expedition  i.  J.  1889  fischte  solche  noch 
in  Tiefen  von  1000 — 2000  m auf.2 

Es  ist  auch  klar,  daß  zwischen  den  Pflanzen  einerseits  und  den 
monophagen  Tieren  andererseits  ein  bestimmtes  Zahlenverhältnis  be- 
stehen muß,  denn  die  Nahrung  wird  nicht  völlig  in  Fleisch  ver- 
wandelt, sondern  zum  Teil  unverdaut  ausgeschieden,  zum  Teil  zur 
Erzeugung  von  tierischer  Wärme,  sowie  zur  Ausübung  der  tierischen 
Funktionen  verbraucht.  „Nehmen  wir  einmal  — sagt  Semper3  — 
ganz  willkürlich  an,  es  sei  das  Verhältnis  zwischen  der  vom  Boden 
erzeugten  Pflanzenmenge  und  der  durch  Umsetzung  dieser  ermög- 
lichten Masse  von  Pflanzenfressern  wie  10:1,  so  würden  in  dem  vor- 
hin angenommenen  Areal  von  1000  Einheiten  Pflanzen  nur  100  Ein- 
heiten (Individuen)  pflanzenfressender  Tiere  leben  können.  Das 
Maximum  von  Nahrung,  welche  damit  den  monophagen  Fleischfressern 
geboten  wäre,  würde  nur  noch  100  Einheiten  betragen.  Aber  bei 
der  Umsetzung  dieser  100  Einheiten  tierischer  Nahrung  in  die  Organe 


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Die  Lcbenebedinguugen  der  Tierwelt.  641 

der  Fleischfresser  würde  abermals  ein  sehr  bedeutender  Verlust  ent- 
stehen; organische  Substanz  würde  verbrannt,  das  Unverdauliche 
(Haare.  Hufe,  Hörner)  würde  ausgestoßeu  werden;  und  wenn  das 
Verhältnis  wieder  so  wäre,  daß  10  Eiuheiten  tierischer  Nahrung 
nur  eine  Einheit  tierischen  Körpers  bilden  könnten,  so  würden  von 
dem  Maximum  von  Nahrung,  wie  es  durch  Pflanzenfresser  darge- 
boten wäre,  höchstens  10  Fleischfresser  wirklich  existieren  können.“ 
In  dem  angenommenen  Falle  ist  also  das  Verhältnis  der  Pflanzen 
zu  den  Pflanzen-  und  Fleischfressern  gleich  1000:100:10.  Da- 
mit stimmt  die  Thatsache  überein , daß  unter  den  Wirbeltieren 
nur  die  Pflanzenfresser  in  großen  Herden  leben,  während  die  Kaub- 
tiere seltener  sind  und  sich  meist  in  kleine  Familien  absondern. 
Es  hängt  ferner  damit  zusammen,  daß  die  Zahl  der  Pflanzenfresser 
mit  der  Üppigkeit  der  Vegetation  gegen  den  Äquator  zunimmt,  wenn 
auch  die  Entwicklung  der  tropischen  Fauna  mit  der  der  Pflanzen- 
welt nicht  gleichen  Schritt  hielt. 

Es  leuchtet  auch  ein,  daß  streng  monophage  Tiere  von  ihrer 
Umgebung  abhängiger,  als  die  Vielfresser,  sind  und  daher  auch  eine 
beschränktere  Verbreitungsfähigkeit  besitzen.  Einschneidende  Ver- 
änderungen in  der  Pflanzenwelt,  wie  solche  sich  in  der  geschichtlichen 
Zeit  auf  ozeanischen  Inseln  (s.  S.  573)  und  in  Kulturländern  voll- 
zogen, haben  stets  auch  täunistische  Änderungen  im  Gefolge,  wobei 
freilich  nicht  immer  der  Wechsel  der  Nahrung  das  entscheidende 
Moment  ist.  Denn  abgesehen  davon  sind  auch  die  Lebensgewohnheiten 
vieler  Tiere  an  bestimmte  Vegetationsformationen  gebunden.  Die 
Arten,  viele  Fledermäuse,  die  Hirsche,  die  Eichhörnchen,  die  meisten 
Raubvögel,  alle  Klettervögel,  die  meisten  Tauben  und  Hühner  u.  s.  w. 
leben  z.  B.  nur  im  Walde;  und  die  Vierfüßer  unter  denselben  können 
weite  baumlose  Landstriche  nicht  überschreiten.  Daß  das  russische 
Eichhörnchen  in  der  Krim  fehlt,  hat  daher  v.  Baeb  mit  Recht  als 
einen  Beweis  für  das  hohe  Alter  der  südrussischen  Steppen  ange- 
sehen. Für  andere  Tiere,  wie  für  das  Zebra,  das  Kamel,  die 
Giraffe,  viele  Antilopenarten  u.  s.  w.  bilden  dagegen  die  Wälder  feste 
Schranken,  während  wieder  andere  Tiere  — es  sei  hier  z.  B.  an 
den  Wolf  erinnert  — den  Wald  ebenso,  wie  die  Steppe  durch- 
streifen. 

Färbung.  Noch  eine  andere  Beziehung  besteht  zwischen  vielen 
Tieren  und  ihrem  Wohnort.  Es  gereicht  den  Tieren  zum  Schutz, 
wenn  sie  sich  durch  die  Färbung  möglichst  wenig  von  ihrer  Um- 
gebung abheben,  denn  dadurch  können  sie  sich  am  sichersten  der 
Aufmerksamkeit  ihrer  Feinde  entziehen.  Die  Tierfarbe  der  Polar- 
gegenden ist  daher  weiß,  die  der  Wüsten  isabellgelb,  die  der  Steppen 

Süpan,  Physische  Erdkunde.  2.  Aufl.  41 


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642  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

dunkelgelb;  auf  Felsen  lebende  Tiere  sind  grau  gefärbt;  in  gleicher 
Weise  sind  die  grünen  Vögel  und  Insekten  der  Tropenwälder  ge- 
schützt. Selbst  die  gewaltigen  Raubtiere,  die  außer  dem  Menschen 
keinen  Gegner  zu  fürchten  haben,  tragen  die  Farbe  ihres  Wohnortes, 
denn  diese  macht  es  ihnen  möglich,  sich  unerkannt  dem  arglosen 
Opfer  zu  nahen.  Der  Löwe,  der  König  der  Steppe,  ist  gelb,  und 
der  Tiger  zeigt  sogar  die  Rohrstängel  der  Bambusdickichte  in 
den  schwarzen  Streifen  seines  Felles.  Diese  Erscheinungen  hat  man 
unter  dem  Namen  der  Anpassung  an  den  Wohnort  zusammen- 
gefaßt. 

Die  Schutzfarben  sind  also  geographisch  bedingt.  Das  gilt 
aber  nicht  von  den  anderen  Farben  der  Tiere.  Die  auffallende 
Menge  schön  gefärbter  Tiere  in  den  Tropen,  besonders  aus  den 
Klassen  der  Vögel  und  Insekten,  verleitete  zwar  ältere  Forscher  zu 
der  Ansicht,  daß  die  Farbe  hauptsächlich  vom  Licht  abhänge,  aber 
die  DARwmsche  Theorie  hat  auch  in  diesem  Punkte,  wie  in  so  vielen 
anderen,  zu  richtigeren  Anschauungen  geführt  Besonders  Wallace4 
machte  auf  eine  Reihe  von  Thatsachen  aufmerksam,  die  sich  mit  der 
älteren  Erklärung  nicht  vereinbaren  lassen,  und  seine  Autorität  wird 
durch  zwölfjährige  Beobachtungen  in  den  Äquatorialgegenden  ge- 
stützt. Er  giebt  zu,  daß  die  heiße  Zone  an  prächtig  gefärbten 
Tieren  absolut  reicher  ist  als  die  gemäßigte,  ob  aber  auch  relativ, 
wagt  er  nicht  zu  entscheiden.  Denn  neben  jenen,  die  dem  Nord- 
länder am  meisten  auffallen,  giebt  es  dort  nicht  minder  zahlreiche 
einfarbige  und  mattgefärbte  Tiere;  manche  Vögel,  wie  z.  B.  die 
Drosseln,  die  Zaunkönige  oder  die  Falken,  erscheinen  unter  den 
senkrechten  Strahlen  der  Tropensonne  nicht  in  einem  bunteren 
Kleide , als  in  unseren  Gegenden ; ja  die  arktischen  Enten 
und  Taucher  sind  schöner  geschmückt,  als  ihre  tropischen  Ver- 
wandten. Zu  den  prächtigsten  Tieren  gehören  unstreitig  die  Gold- 
und  Silberfasanen,  obwohl  ihre  Heimat  außerhalb  der  Wendekreise, 
im  nördlichen  China  und  in  der  Mongolei  liegt.  Anderseits  findet 
sich  dort,  wo  das  Licht  am  intensivsten  wirkt,  in  der  Sahara, 
eine  Fauna  mit  der  einfachen  Farbe  des  Wüstensandes,  und  die  bun- 
testen Tiere  leben  im  Halbdunkel  des  tropischen  Urwaldes.  Damit 
entfällt  aber  auch  jeder  Zusammenhang  zwischen  physikalischen 
Verhältnissen  und  jenen  Farben,  die  Wallace  als  Trutzfarben,  ge- 
schlechtliche und  typische  Farben  bezeichnet;  ihre  Erklärung  gehört 
ausschließlich  in  den  Kreis  der  zoologischen  Aufgaben. 

Abhängigkeit  der  Tiere  von  der  Temperatur.  Die  Abhängig- 
keit des  Tierlebens  von  der  Wärme  zeigt  sich  wie  bei  den  Pflanzen, 
in  einer  allmählichen  Abnahme  gegen  die  Pole.  Die  untenstehende 


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Die  Lebensbedingungen  der  Tierwelt. 


643 


Tabelle, x die  sich  auf  die  Kataloge  von  Wallace  stützt,  giebt  uns 
von  dem  faunistisclien  Gegensätze  der  Tropen  und  höheren  Breiten 
eine  bessere  Vorstellung,  als  lange  Schilderungen  es  zu  thun  ver- 
möchten. Auch  auf  gleiche  Flächen  bezogen,  ist  der  Artenreich- 
tum der  Tropen  ungleich  größer,  als  in  der  gemäßigten  und  kalten 
Zone,  und  tritt  auch  in  einigen  Ordnungen,  die  in  unseren  Breiten 
gut  bekannt  sind  (wie  z.  B.  in  denen  der  Singvögel,  Spechte  und 
Tauben),  mit  überraschender  Schärfe  zu  tage.  Aber  auch  hier  ist 
das  Problem  nicht  einfach  mit  dem  Hinweise  auf  die  gegenwärtigen 
Temperaturverhältnisse  zu  lösen.  Wir  wissen  nämlich,  daß  sich  in 
der  Tertiärzeit  die  jetzige  tropische  Fauna  zugleich  mit  tropischen 
Ptianzenformeu  in  höhere  Breiten  erstreckte,  daß  Europa  damals 
von  Elefanten,  Nashörnern,  Flußpferden,  Affen  und  Halbaffen,  Beutel- 
tieren und  Zahnarmen  Säugetieren  (Edentaten)  bewohnt  war.  Die 
Eiszeit  unterbrach  hier  die  normale  Entwicklung,  die  in  der  warmen 
Zone,  wo  das  Klima  seit  den  früheren  geologischen  Perioden  sich 
nicht  wesentlich  geändert  hat,  ungestört  vor  sich  gehen  konnte. 
„Der  Kampf  ums  Dasein,“  sagt  Wallace,  „sofern  er  sich  gegen 
die  Naturkräfte  richtete,  war  hier  stets  leicht;  Nahrung  gab  es  in 
Unmasse  und  in  ununterbrochener  Zufuhr;  Schutz  und  Obdach  waren 
stets  leicht  zu  haben;  die  Änderungen  der  physischen  Bedingungen, 
welche  nur  durch  kosmische  Gesetze  oder  geologische  Ereignisse 
veranlaßt  wurden,  waren  notwendigerweise  so  langsam,  daß  Variation 
und  Zuchtwahl  sich  ihnen  anbequemen  und  die  üppige  Fülle  von 
Organismen  in  einem  schönen,  harmonischen  Gleichgewicht  mit  jenen 
Bedingungen  erhalten  konnten.“ 

Noch  auf  einen  anderen  wichtigen  Punkt  muß  aufmerksam  ge- 
macht werden.  Die  Tiere  sind  in  viel  geringerem  Grade,  als  die 
Pflanzen,  von  der  mittleren  Wärme  abhängig;  und  dazu  kommt 
noch,  daß. viele  von  ihnen  in  der  ungünstigen  Jahreszeit  in  wärmere 
Distrikte  sich  zurückziehen  können.  Die  amerikanischen  Kolibris, 
echte  Tropenbewohner,  verbreiten  sich  in  einigen  Arten  an  der 
Westküste  bis  zum  61.°  N.,  in  Canada  bis  zum  57.°,  auf  der  süd- 
lichen Hemisphäre  bis  zum  Feuerlande,  wo  sie  selbst  im  Schnee- 


* Klassen 

Kein  tropische 

Rein  außer- 
tropische 
Familien 

Gemeinsame 

der  Laudwirbeltiere 

Familien 

Familien 

Landsäugetiere  . . . 

37 

5 

32 

Vögel 

61 

11 

61 

Reptilien 

28 

4 

27 

Amphibien  .... 

8 

5 

9 

Summa:  134 

25 

129 

41* 

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044  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

sturme  beobachtet  wurden,  und  steigen  auf  dem  Chimborazo  bis  zur 
Schneelinie  (4900  m)  empor.  Die  Purpurschwalbe  verbreitet  sich 
nach  Torkll  von  9°  S.  bis  67°  N.  Der  Tiger  und  Panther,  die 
wir  in  unserer  Vorstellung  stets  mit  einem  heißen  Klima  verbinden, 
streifen  bis  in  das  südliche  Sibirien;  ob  sie  sich  auch  dauernd  in 
Zentralasien  aufhalten,  ist  nicht  bekannt.  Die  Papageien  reichen 
im  neuseeländischen  Distrikte,  wo  auch  die  Palmen  ihre  größte  Pol- 
höhe erreichen  (s.  S.  595),  bis  zum  54.  Breitengrade  (Insel  Macquarie); 
und  ein  Experiment  von  Bcxton  belehrt  uns,  daß  sie  auch  in  den  eng- 
lischen Wäldern  im  Freien  überwintern  und  sich  fortptlanzen  können, 
denn  selbst  bei  einer  Temperatur  von  — 7°  ging  kein  einziges  Exemplar 
zu  Grunde.  Es  unterliegt  also  keinem  Zweifel,  daß  einige  tropische 
Tiere  auch  kältere  Klimate  ertragen  können,  aber  in  der  Kegel  nur 
dann,  wenn  sie  keinen  großen  Temperaturschwanklingen 
ausgesetzt  sind.  Das  ist  eben  der  Charakterzug,  den  das  Seeklima  der 
höheren  Breiten  mit  dem  Aquatorialklima  gemein  hat  (vgl.  Karte  VIII). 
Wir  verstehen  jetzt,  warum  tropische  Tiere  auf  der  südlichen  Halb- 
kugel sich  mehr  dem  Pole  nähern,  als  auf  der  nördlichen;  ander- 
seits kommen  wir  zur  Erkenntnis,  daß  z.  B.  die  Thatsache,  daß 
Westeuropa  keine  Papageien  beherbergt,  nicht  durch  die  Isothermen 
bedingt  ist,  sondern  offenbar  nur  mit  der  Entwicklungs-  und  Ver- 
breitungsgeschiclite  dieser  Ordnung  zusammenhängt. 

Tropische  Tierwelt.  Trotz  des  faunistischen  Reichtums  des 
heißen  Erdgiirtels  wird  hier  die  Tierwelt  von  der  üppigen  Vegetatious- 
fülle  doch  völlig  erdrückt.  „Der  erste  Eindruck,  den  man  in  den 
Tropenwaldungen  empfängt,“  sagt  Wallace,  „ist  der,  daß  fast  kein 
tierisches  Leben  zu  finden  ist  Man  will  das  Wild,  das  Geflügel, 
die  Insekten  sehen  und  späht  gar  oft  vergebens  nach  ihnen  aus.“ 
Am  meisten  fallen  nicht  die  großen  Säugetiere,  sondern  die  Tag- 
schmetterlinge auf,  die  sich  durch  Arten-  und  Individuenzahl,  durch 
Größe  und  Farbenpracht  von  denen  der  gemäßigten  Zone  wesentlich 
unterscheiden.  Bei  Para  (an  der  Amazonasmündung)  allein  hat  mau 
über  700  Arten  gesammelt,  während  England  nur  54  und  Deutsch- 
land nur  ca.  150  besitzt.  Ebenso  setzt  die  Größe  mancher  Artende  n 
Reisenden  in  Erstaunen,  denn  einige  Papilioniden  und  Morpliiden 
messen  mit  ausgespannten  Flügeln  15 — 20  cm.  Von  den  übrigen 
Insekten  machen  sich  besonders  die  Ameisen  durch  ihre  Allgegen- 
wart und  Zerstörungswut  unangenehm  bemerkbar;  manche  dringen 
in  die  Häuser  ein  und  fressen  alles  Genießbare,  so  daß  man  die 
Möbel  auf  Klötze  oder  Steine  stellen  und  diese  in  wassergefüllte 
Behälter  setzen  muß,  um  sie  vor  der  Invasion  der  Ameisen  zu 
schützen.  Zahlreich,  groß  und  teilweise  brillant  gefärbt  sind  auch 


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Die  Lebensbedingungen  der  Tierwelt. 


645 


die  übrigen  Insekten,  wie  die  Bienen,  Wespen,  Kiifer,  und  von  den 
ungezügelten  Gliedertieren  hauptsächlich  die  Spinnen,  Skorpione 
und  Tausendfüßer.  Namentlich  von  den  letzteren  sieht  man  oft 
riesige  Exemplare;  aber  es  giebt  auch  Spinnen,  deren  Leib  5 cm 
lang  ist,  und  die  mit  ausgestreckten  Beinen  15  cm  messen.  Ihre 
Gespinste  sind  manchmal  so  stark  wie  Seide  und  können  selbst 
größeren  Tieren  gefährlich  werden;  hat  doch  Bates  beobachtet,  wie 
eine  Spinne  aus  dem  südamerikanischen  Geschlecht«  Mygale  einen 
Vogel  tötete.  Die  Größe  der  Insekten  ist  unstreitig  geographisch 
bedingt,  nämlich  durch  die  reichliche  Nahrung  und  die  geringe 
Wärmeschwankung,  die  das  Wachstum  der  Larven  niemals  unter- 
bricht 

Nach  den  Insekten  sind  die  Vögel  am  zahlreichsten  und,  wie 
jene,  durch  glänzende  Färbung  ausgezeichnet.  Außerordentlich  häutig 
begegnet  man  auch  den  Eidechsen,  die  sogar  in  die  Häuser  dringen, 
während  die  Schlangen  glücklicherweise  nicht  in  so  großen  Mengen 
auftreten  und  nur  in  trockenen  Distrikten  sehr  lästig  werden.  Da- 
für zeugt  aber  die  Größe  mancher  Arten  aus  dieser  Klasse  von  der 
unerschöpflichen  Lebensfülle  der  Tropenwelt.  Ein  Schlinger  der 
alten  Welt  erreicht  eine  Länge  von  8 m,  aber  er  wird  weit  über- 
troffen von  der  südamerikanischen  Anakonda,  die  12  m mißt  und 
selbst  ausgewachsene  Binder  bewältigt  und  verzehrt  Zu  den  her- 
vorstechenden Charaktertypen  «1er  Tropenfauna  können  auch  die  all- 
gemein verbreiteten  Krokodile x und  ihre  beiden  Verwandten,  der 
ostindische  Gavial  und  der  amerikanische  Alligator,  gerechnet  wer- 
den, obwohl  letzterer  auch  im  unteren  Mississippi  und  in  Texas 
heimisch  ist.  Von  den  Amphibien  sind  nur  die  Kröten  und  Frösche 
häutiger,  und  von  den  Landsäugern  sind  die  Affen  und  die  Flatter- 
tiere, die  zwischen  den  Wendekreisen  den  Höhepunkt  ihrer  Ent- 
wicklung erreichen,  als  tropische  Repräsentanten  zu  nennen,  denn 
die  zahlreichen  anderen  Familien  fallen  entweder  nicht  auf  oder 
sind  nur  auf  kleine  Bezirke  beschränkt  Hinzuzuftigen  wären  viel- 
leicht nur  noch  die  Edentaten,  insofern  diese  seltsamen  Überreste 
einer  alten  Fauna,  die  sich  nur  in  den  warmen  Ländern  noch  er- 
halten haben,  den  Zusammenhang  der  jetzigen  tropischen  Tierwelt 
mit  der  tertiären  uns  besonders  klar  vor  Augen  führen. 

Arktische  Tierwelt.  Betrachten  wir  nun  das  Gegenstück  zu 
diesem  Tropenhilde,  die  arktische  Fauna.  Die  Familienznhl  der 
Landsäugetiere,  die  in  den  südlichen  Reichen  69  beträgt,  ist  hier 
auf  8 zusammengeschmolzen,  und  auch  «liese  sind  nur  durch  ca. 

x Im  Sinne  der  Systematik  von  A.  Günther. 


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646 


Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 


16  Arten  vertreten.  Der  König  der  Eiszone  ist  der  Polarbär,  der 
sich  an  Größe  und  Kraft  mit  den  tropischen  Katzen  mohl  messen 
kann;  der  Polarfuchs  und  Fjällfras  (irrtümlich  Vielfraß  genannt)  be- 
gleiten ihn  durch  das  ganze  Gebiet.  Wölfe  werden  noch  stellen- 
weise in  arktischen  Gegenden  angetroffen,  wenn  sie  auch  nicht  zu 
den  eigentlichen  Polartieren  gehören,  wie  ein  anderer  Vertreter  der 
Familie  der  Canidae,  ein  wolfähnlicher  Hund,  von  dem  der  Eskimo 
im  nordwestlichen  Grönland  völlig  abhängig  ist  Die  arktischen 
Ausläufer  der  Wiederkäuer  sind  das  Rentier  und  der  Bisamochs, 
der  jetzt  nur  noch  in  Amerika  und  Grönland  vorkommt,  und  die 
Nagetierordnung  ist  durch  die  Polarhasen,  die  niedlichen  Lemminge  und 
die  kosmopolitischen  Mäuse  vertreten.  Aber  so  dürftig  auch  die  polare 
Säugetierfauna  ist,  so  entbehrt  doch,  soweit  man  die  Zone  kennt, 
keine  Gegend  derselben  völlig.  Rentiere  trafen  Kane  und  Hayes  im 
nordwestlichsten  Teil  von  Grönland,  Fährten  dieses  Wiederkäuers 
fand  man  in  Franz-Josef-Land ; der  nördlichste  Eisbär  wurde  von 
der  österreichisch -ungarischen  Expedition  unter  81  ll2°  B.  erlegt. 
Von  Landvögeln  verzeichnet  Tobell 5 nur  45  Arten,  während  die 
Wat-  und  Schwimmvögel  durch  114  Arten  vertreten  sind.  Gegen 
den  Pol  hin  nimmt  die  Artenzahl  rasch  ab,  denn  während  z.  B.  die 
Sperlinge  südlich  vom  68.  Parallel  noch  in  20  Arten  Vorkommen, 
werden  sie  nördlich  davon  auf  4 und  jenseits  des  74.°  B.  auf  2 Arten 
reduziert.  Die  meisten  Vögel  wandern  im  Winter  und  kehren  im 
Frühjahre  wieder  nach  dem  Norden  zurück,  um  hier  in  großen 
Gesellschaften  (sog.  „Vogelberge“)  zu  brüten.  Selten  finden  sich 
Reptilien;  die  Insektenfauna  ist  besonders  nördlich  vom  73.  Pa- 
rallel sehr  ärmlich.  In  der  letzteren  herrschen  die  Zweiflügler, 
die  für  ihre  ersten  Entwicklungsstadien  nur  eine  kurze  Zeit  bedürfen, 
entschieden  vor;  Mückenschwärme  hinderten  John  Ross’  Mannschaft 
unter  70°  B.  an  der  Arbeit;  sie  sind  in  vielen  polaren  Gegenden 
eine  wahre  Landplage.  Das  Tierleben  tritt  also  auch  hier  zurück, 
wie  in  den  Tropen,  freilich  aus  einem  ganz  anderen  Grunde  und 
in  ganz  anderer  Weise.  Kein  Laut  stört  die  feierliche  Stille  der 
nordischen  Einöde,  aber  das  muntere  Tierleben  des  Meeres  zeigt 
uns,  daß  wir  auch  hier  noch  nicht  an  den  Grenzen  der  organischen 
Welt  angelangt  sind. 

Vertikale  Verteilung.  Die  Abnahme  der  Landtiere  gegen  die 
Pole  kehrt  selbstverständlich  auch  in  vertikaler  Richtung  im  Ge- 
birge wieder.  Nur  sind  die  Höhengrenzen  der  beweglichen  Tiere 
selten  so  genau  zu  fixieren,  wie  diejenigen  der  Pflanzen,  die  an  den 
Hoden  gefesselt  sind;  und  es  ist  erklärlich,  daß  zeitraubende  syste- 
matische Untersuchungen  in  dieser  Richtung  nur  selten  angestellt 


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Die  Lebensbedingungen  der  Tierwelt.  647 

werden.  Doch  lassen  sich  aus  den  vorhandenen  Beobachtungen  in 
verschiedenen  Teilen  der  Alpen  einige  Sätze  von  allgemeinerer  Be- 
deutung ableiten.  Heek“  zeigte,  daß  im  Kanton  Glarus  die  verti- 
kale Abnahme  der  Arten  in  der  Tierwelt  viel  rascher  erfolgt,  als  in 
der  Flora.  In  der  unteren  Region  (bis  800  m)  ist  die  Zahl  der  Tier- 
arten 2 3/4  mal  größer  als  die  der  Pflanzenarteu,  aber  in  bedeuten- 
deren Höhen  ist  das  Verhältnis  ein  umgekehrtes.  In  der  Region 
der  Alpensträucher  kommt  nur  1 Tierart  auf  l4/_  PHanzcnarten ; 
dort,  wo  der  Schnee  schon  sporadisch  liegen  bleibt,  stellt  sich  das 
Verhältnis  wie  1 : 6 und  an  der  Grenze  des  organischen  Lebens  sogar 
wie  1:25.  Die  Baumlinie  übt  auf  die  Verbreitung  der  Tiere  im 
Tiroler  Hochgebirge  einen  viel  geringeren  Einfluß  aus,  als  die  Grenze 
zwischen  der  Region  der  alpinen  Wiesen  (1700 — 2300  m)  und  der 
subnivalen  Region  (2300 — 2700  m):  der  faunistische  Gegensatz  dieser 
beiden  Höhengürtel  ist  eines  der  auffallendsten  Resultate  der 
Untersuchungen  von  Heller7.  Eine  Zusammenstellung  aus  dessen 
Verzeichnissen  ergiebt  nämlich,  daß  von  den  90  Hochgebirgsarten 
(und  Varietäten)  der  Weichtiere  in  der  alpinen  Region  noch  76, 
in  der  subnivalen  aber  nur  8 Vorkommen;  ferner  daß  von  den 
785  Schmetterlingen  680  in  der  alpinen  und  nur  98  in  der  subni- 
valen Region  leben;  endlich  daß  von  den  738  Käfern  730  in  der 
Wiesen-  und  nur  106  in  der  subnivalen  Region  gefunden  werden. 
Der  Zusammenhang  mit  der  Pflanzenwelt  tritt  hier  sehr  scharf  zu 
Tage,  wie  er  sich  auch  darin  zeigt,  daß  die  südlichen  Gehänge  von 
einer  reicheren  und  mannigfaltigeren  Fauna  bevölkert  werden,  als 
die  nördlichen,  und  daß  dort  die  Hühengrenzen  weiter  hinaufrücken. 
Die  obere  Schneeregion  (über  2700  m)  beherbergt  nur  wenige 
flügellose  Gliedertiere,  die  wohl  den  größten  Teil  des  Jahres  im 
Winterschlafe  zubringen.  Vielleicht  am  höchsten  steigt  der  Weber- 
knecht (Opilio  glacialis),  der  selbst  auf  der  obersten  Spitze  des  Piz 
Linard  (3480  m)  gefunden  wurde.  Wohl  dringen  auch  geflügelte  Tiere, 
wie  Schmetterlinge,  Käfer,  Fliegen  u.  a.,  entweder  freiwillig  bei  ihrem 
Ausschwärmen  oder  vom  Winde  erfaßt,  in  die  Firnwelt  vor,  aber  sie 
gehen  hier  in  der  Regel  bald  zu  Grunde.  Der  Sommer  sieht  hier 
auch  Gestalten  aus  der  höheren  Tierwelt,  aber  der  Winter  scheucht 
die  meisten  bis  in  den  Waldgürtel  hinab. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  sind  die  den  Hochgebirgen  eigen- 
tümlichen Tiere,  die  wir  kurzweg  als  alpine  Tiere  bezeichnen 
wollen.  Sie  bewohnen  in  den  Ostalpen  die  Region  von  ca.  1200  bis 
2700  m Höhe.  Ihre  verwandtschaftlichen  Beziehungen  zu  den  Tieren 
des  hohen  Nordens  oder  zu  denen  anderer  Hochgebirge  führen  uns 
wieder  in  die  Eiszeit  zurück,  die  in  gleicher  Weise  in  der  Fauna 


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648  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

wie  in  der  Flora  einen  Austausch  zwischen  den  Organismen  des 
arktischen  Gebietes  und  der  südlicheren  Gebirge,  sowie  zwischen 
einzelnen  Gebirgen  selbst  möglich  machte.  Die  alpine  Fauna  ist 
ein  Überrest  einer  einst  auch  iu  der  Ebene  verbreiteten  Tierwelt, 
und  die  Betrachtungen,  die  wir  den  Glazialptlanzen  gewidmet  haben 
(S.  628),  gelten  im  allgemeinen  auch  liier. 

Nur  einige  wenige  Beispiele  aus  der  Säugetierwelt  der  Alpen 
mögen  hier  angeführt  werden.  Der  veränderliche  oder  Schneehase 
unseres  Hochgebirges  kehrt  im  Norden  der  alten  Welt  wieder;  seine 
Heimat  erstreckt  sich  liier  von  Irland  und  Schottland  über  Skandi- 
navien, Rußland  und  Sibirien  bis  Kamtschatka.  Das  alpine  Murmel- 
tier, das  in  den  Diluvialablagerungen  von  Mitteleuropa  fossil  ge- 
funden wird,  hat  nahe  Verwandte  in  Sibirien,  und  ebenso  findet 
die  Schueemaus  ihren  Vertreter  in  der  nordasiatischen  Wurzelmaus. 
Der  Steinbock,  der  freilich  jetzt  nur  noch  in  wenigen  Teilen  der 
Alpen  erhalten  ist,  ist  sehr  nahe  dem  pyrenäischen,  kaukasischen 
und  sibirischen  Steinbocke  verwandt,  mit  denen  er  in  Bezug  auf 
Lebensweise  vollkommen  übereinstimmt;  andere  Arten  dieser  l’nter- 
gattung  bewohnen  auch  die  Sierra  Nevada,  die  höchsten  Felsregionen 
von  Abessinien  und  die  Gebirgsgegenden  von  Mittelägypten , Syrien 
und  der  Sinaihalbinsel.  Nicht  vergessen  dürfen  wir  endlich  des 
elegantesten  unter  den  alpinen  Tieren,  der  Gemse,  die  in  allen 
höheren  Gebirgen  von  den  Pyrenäen  bis  zum  Kaukasus  vorkommt, 
und  uns  den  Lehrsatz  von  der  Vermischung  verschiedener  Gebirgs- 
fäunen  in  der  Eiszeit  noch  besser  illustriert,  als  der  Steinbock,  da 
genau  dieselbe  Art  in  all  den  genannten  Gebirgen  wiederkehrt. 

Periodizität  im  Tierleben.  Die  Abhängigkeit  des  Tierlebens  vom 
Klima  zeigt  sich  auch,  ähnlich  wie  hei  den  Bilanzen,  iu  seiner  jähr- 
lichen Periode.  In  den  höheren  Breiten,  wo  der  Gegensatz  zwischen 
der  kalten  und  warmen  Jahreszeit  schärfer  hervortritt,  ist  der  Winter 
auch  in  der  Tierwelt  die  tote  Saison.  Die  Mehrzahl  der  Vögel  ist 
in  wärmere  Gegenden  abgezogen,  viele  Säugetiere,  Insekten,  Mol- 
lusken u.  s.  w.  fallen  in  den  Winterschlaf,  zahlreiche  niedere  Tiere 
sterben  ab,  nachdem  sie  ihre  Eier,  die  im  nächsten  Frühjahre  sich 
entwickeln,  gelegt  haben.  Die  Ursache  der  winterlichen  Erstarrung 
und  des  Wanderns  mag  wohl  in  zahlreichen  Fällen  ebenso  der 
Mangel  an  Nahrung,  wie  die  Kälte  sein;  und  Nahrungssorgen  dürften 
wohl  hauptsächlich  die  nordischen  Tiere,  wie  den  Bisamochsen  und 
den  Lemming,  zwingen,  scharenweise  ihre  Heimat  zu  verlassen,  in 
die  sie  beim  Eintritte  der  milderen  Jahreszeit  wieder  zurückkehren. 
Dagegen  ist  der  zeitweilige  Kälteschlaf  einiger  tropischen  Tiere,  wie 
mancher  Schlangen  und  Eidechsen,  jedenfalls  nur  klimatisch  bedingt. 


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Die  Lebensbedingungen  der  Tierwelt.  649 

ebenso  wie  die  Wanderungen  einiger  bengalischen  Aden  oder  der 
Elefanten  in  Tenasserim  oder  der  Rentiere,  die  in  der  heißen  Zeit 
in  die  höheren  Gebirgsregionen  sich  zurückziehen.  In  der  wannen 
Zone  beschränkt  die  gleichmäßigere  Temperatur  (mit  Ausnahme 
der  wenigen  oben  aufgezählter  Fälle)  das  Tierleben  ebensowenig 
wie  das  Pflanzenleben,  wohl  aber  äußert  sich  der  Einfluß  der  Trocken- 
zeit in  ähnlicher  Weise,  wie  der  des  Winters  in  unseren  Gegenden. 
Daß  die  Einwirkung  auf  den  tierischen  Organismus  in  beiden  Fällen 
die  gleiche  ist,  beweist  schon  der  Umstand,  daß  der  aus  fremden 
Ländern  zu  uns  gehrachte  Siebenschläfer,  der  in  seiner  Heimat  zur 
Zeit  der  trockenen  Hitze  sein  aktives  Leben  unterbricht,  in  der 
nordischen  Fremde  in  den  Winterschlaf  verfällt.  Aber  die  Beispiele 
einer  Einschränkung  der  Lebensthätigkeit  durch  die  jährliche  Regen- 
periode der  Tropen  sind  in  den  höheren  Tierklassen  doch  nur  selten, 
und  selbst  von  niederen  Tieren  findet  man  das  ganze  Jahr  hindurch 
Eier,  Larven  und  geschlechtsreife  Individuen  zu  gleicher  Zeit. 
Anderseits  hat  man  aber  auch  häufig  die  Beobachtung  gemacht, 
daß  die  Zahl  der  Larven  beim  Beginne  der  Regenzeit  sich  erheblich 
steigert,  und  man  weiß  auch,  daß  viele  tropische  Insekten  in  der 
trockenen  Periode  sterben.  In  den  Mittelmeerländern  verfallen  die 
Landschnecken  während  der  regenlosen  Sommerzeit  in  einen  Ruhe- 
zustand und  unterbrechen  auch  ihr  Wachstum;  ja  in  der  Sahara 
führen  sie  ein  aktives  Leben  überhaupt  nur  in  der  Nacht  oder  am 
frühen  Morgen,  wenn  Tau  den  Boden  befeuchtet. 

Beziehungen  der  Tiere  zu  einander.  Neben  der  Einwirkung  der 
toten  Natur  und  der  Pflanzenwelt  auf  das  Tierleben  ist  allerdings 
noch  ein  anderes  Moment  zu  beachten:  die  Beziehungen  der  einzelnen 
Tiere  zu  einander.  Hier  stehen  wir  aber  schon  knapp  an  der  Grenze 
des  rein  zoologischen  Forschungsgebietes,  die  wir  im  Interesse 
unserer  Wissenschaft  nicht  überschreiten  w'erden.  Zudem  sind  diese 
Beziehungen  so  komplizierter  Natur,  daß  es  schwer  fällt,  bei  ihrer 
Beurteilung  jeden  Irrtum  auszuschließen.  Wir  können  uns  an  einem 
geographisch  wichtigen  Beispiele  davon  überzeugen.  Der  Stich  der 
von  Südafrika  bis  Senaar  verbreiteten  Tsetsefliege  ist  nach  den 
Berichten  zahlreicher  Reisender  für  Ochsen,  Pferde,  Kamele  und 
Hunde  absolut  tätlich,  während  er  für  den  Menschen  und  alle  wilden 
Tiere  und  ebenso  für  die  Kälber,  solange  sie  saugen,  unschädlich  ist. 
Dieser  unscheinbare  Zweiflügler  schließt  demnach  aus  seinem  Ver- 
breitungsbezirke die  Viehzucht  aus.  Er  erschwert  auch  in  hohem 
Grade  die  Fortschritte  der  Forschungsreisenden , die  durch  ihn 
genötigt  sind,  die  unzuverlässigen  Eingebornen  als  Träger  zu  ver- 
wenden; und  da  dies  außerdem  sehr  kostspielig  ist,  so  hat  man 


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650  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

mehrfach  den  Versuch  gemacht,  indische  Elefanten  einzuführen 
und  als  Lasttiere  zu  verwenden.  Aber  der  Einfluß  der  Tsetse- 
fliege auf  unsere  Haustiere  ist  noch  keineswegs  sichergestellt;  schon 
Erskine  zog  ihn  in  Zweifel,  und  Marno  faßt,  gestützt  auf  eine 
mehrjährige  Erfahrung,  seine  Ansicht  in  folgenden  Worten  zu- 
sammen: „Gewisse  Gegenden  Afrikas  bieten,  manche  das  ganze 

Jahr  hindurch,  andere  im  Charif  (Regenzeit),  den  nicht  einheimischen 
Haustieren  nicht  die  zum  Gedeihen  nötigen  klimatischen  Bedingungen. 
Sie  erliegen  dann  massenweise  seuchenähnlichen  Erscheinungen,  wäh- 
rend ihr  Untergang  von  den  Eingeborenen  der  Tsetse  oder  Surreta, 
unter  welchen  Namen  sie  aber  eine  größere  Artenzahl  Fliegen  ver- 
einen, zugeschrieben  wird,  welche  in  der  That  jedoch  nur  als  ein, 
vielleicht  sogar  untergeordneter  Faktor  der  Erscheinung  angesehen 
werden  muß.“8 

Litteraturnacb weise.  1 Th.  Fdohs,  Die  pelagische  Flora  uuil  Fauna, 
in  den  Verhandlungen  der  Wiener  Geologischen  Reichsanstalt  1882.  — * Bericht 
von  K.  Brandt  in  den  Verhandlungen  der  Berliner  Gesellschaft  f.  Erdkunde.  1889. 
S 515.  — 8 Semper,  Die  natürlichen  Existenzbedingungen  der  Tiere,  Leipzig 
1880.  — 8 Wallace,  Die  Tropenwelt,  Braunschweig  1879.  — 5 Toreli.,  Über 
die  physikalische  Geographie  der  arktischen  Region,  in  Petermanns  Mitteilungen 
1861.  — * Historisch-geographisch-statistisches  Gemälde  der  Schweiz,  Bd.  VII, 
1846.  — 7 Heller,  Die  Verbreitung  der  Tierwelt  im  Tiroler  Hochgebirge,  in 
den  Sitzungsberichten  d.  Wiener  Akademie  d.  Wissenschaften,  Math.-naturwiss. 
Klasse,  Bd.  LXXXIII,  1.  Abteil.  (1881)  und  Bd.  LXXXVI,  1.  Abteil.  (1882).  — 
8 Petermanns  Mitteilungen  1873,  S.  249. 


Die  Entwicklung-  der  Faunenreiche.1 

(Vgl.  Tafel  XX.) 

Bei  allen  Versuchen,  die  Oberfläche  des  Landes  nach  fauuistischen 
Eigentümlichkeiten  in  Reiche  und  Provinzen,  oder  wie  Wallace  sie 
nennt,  in  Regionen  und  Unterregionen  zu  zerlegen,  haben  die  Säuge- 
tiere und  Vögel  in  erster  Linie  Berücksichtigung  gefunden.  Diese 
Tierklassen  drängen  sich  zuerst  dem  Beobachter  auf  und  sind  daher 
auch  am  besten  gekannt.  Der  tiergeographische  Wert  der  Säuger 
beruht  aber  auch  darauf,  daß  sie  in  ihrer  Verbreitung  vielmehr  durch 
orographische  als  durch  klimatische  Schranken  gehindert  werden, 
sich  also  gerade  umgekehrt  verhalten  wie  die  Pflanzen.  Verände- 
rungen in  der  Verteilung  von  Wasser  und  Land  kommen  — man 
mag  sagen,  was  man  will  — in  der  Säugerfauna  am  besten  zum  Aus- 
drucke. Aber  nur  bis  zum  Anfänge  der  Tertiärzeit  zurück,  d.  h.  bis  zu 
jener  Epoche,  deren  Schichten  die  ersten  unzweifelhaften  Überreste 
von  placentalen  Säugetieren  enthalten.  Will  man  früheren  Ver- 
änderungen nachspüren,  so  muß  man  sich  an  andere  Tierklassen  halten, 


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Die  Entwicklung  der  Faunenreiche. 


651 


und  nach  v.  Ihebing2  sind  die  Süßwasserbewohner  dazu  am  taug- 
lichsten. Es  ist  zu  erwarten,  daß  fortgesetzte  Studien  auf  dem 
Gebiete  der  Mikrofauna  wichtige  Beiträge  zur  Geschichte  der  Erd- 
oberfläche liefern  werden,  aber  zur  Stunde  ist  die  Verarbeitung  des 
massenhaften  Materials  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  noch  nicht 
so  weit  gediehen,  als  daß  wir  mehr  als  nur  gelegentlich  darauf 
zurückgreifen  könnten. 

Die  australische  Gruppe.  Das  Säugetier  erscheint  in  reichlicher 
Fülle  zum  ersten  Male  in  der  unteren  Triasformation;  das  wenige, 
was  die  mesozoischen  Systeme  uns  liefern,  besteht  nur  aus  Zähnen 
und  Knochenresten  von  Beuteltieren.  Mit  Beginn  der  Tertiärzeit 
treten  in  Europa  und  Nordamerika  schon  die  placentalen  Säuger 
auf,  die  Vorfahren  unserer  Raub-  und  Huftiere,  die  Insektenfresser 
und  Halbaffen.  Die  Beutlerfauna  tritt  dieser  Schöpfung  gegenüber 
immer  mehr  zurück,  und  verschwindet  seit  dem  mittleren  Miocän 
völlig  von  dem  Boden  Europas  und  Nordamerikas. 

Wir  mußten  diese  Erinnerungen  wachrufen,  um  die  ganze  Eigen- 
art der  australischen  Säugetierfauna  klar  zu  machen.  Bis 
zur  Ankunft  des  Europäers,  also  bis  vor  100  Jahren,  hat  sie  ihr 
mesozoisches  Gepräge  fast  unverändert  bewahrt.  Das  Beuteltier  ist 
der  echt  australische  Typus;  von  den  sieben  Familien  desselben 
kommen  sechs  nur  in  Australien  und  eine  nur  in  Amerika  vor; 
24  Gattungen  der  ersteren  sind  nur  auf  das  australische  Festland 
beschränkt  und  nur  neun  verbreiten  sich  über  die  nördlichen  Inseln. 
2/„  aller  australischen  Säugetiere  sind  Beutler,  und  da  unter  ihnen 
sowohl  Kaubtiere  als  Insektenfresser  und  Nagetiere  Vorkommen,  so 
erfüllen  sie  alle  jene  Aufgaben  im  Haushalte  der  Natur,  die  sonst 
überall  verschiedenen  Säugetierordnungen  zufallen.  Fast  noch  merk- 
würdiger ist  das  Schnabeltier,  das  nur  in  Australien  vorkommt. 
Obwohl  es  noch  nirgends  im  fossilen  Zustande  gefunden  wurde,  ist 
es  jedenfalls  ein  Typus  von  sehr  hohem  Alter,  denn  es  nimmt  eine 
eigentümliche  Mittelstellung  zwischen  der  Vogel-  und  Säugetierklasse 
ein.  Wir  müssen  daraus  schließen,  daß  Australien  schon  im  frühesten 
Tertiär  den  Zusammenhang  mit  der  alten  Welt  verlor.  Von  den 
Placentalien,  die  hier  im  Laufe  der  Zeit  zur  alleinigen  Herrschaft 
gelangten,  verirrten  sich  außer  Fledermäusen,  die  an  Verbreitungs- 
fähigkeit nahezu  mit  den  Vögeln  wetteifern,  und  Hatten  und  Mäusen, 
die  sehr  wohl  mit  dem  Menschen  eingewandert  sein  können,  nur 
noch  zwei  nach  dem  abgeschiedenen  Australien.  Der  Dingo  ist 
nicht  ein  verwilderter  Haushund,  wie  man  früher  meinte,  sondern 
kommt  schon  in  den  diluvialen  Ablagerungen  mit  ausgestorbenen 
Beutlern  vor,  und  ebendaselbst  entdeckte  de  Vis  vor  wenigen  Jahren 


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652  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

auch  Zähne  einer  dem  südamerikanischen  Pekari  verwandten  Schweins- 
art, die  sich  aber  nicht  bis  in  die  Gegenwart  erhalten  hat.3 

In  der  australischen  Vogelwelt  fehlen  auch  einige,  sonst  allge- 
mein verbreitete  Familien,  wie  die  Finken,  Spechte,  Geier  und 
Fasanen,  und  andere,  die  in  Ostindien  besonders  reich  entwickelt 
sind.  Dafür  sind  manche  Familien  nur  auf  das  australische  Reich 
beschränkt  oder  überschreiten  nur  in  wenigen  Arten  seine  Grenzen, 
wie  die  Paradiesvögel,  Honigsauger,  Leierschwänze,  Strauchvögel, 
Kakadus,  Grassittiche,  pinselzüngigen  Papageien,  Großfußhühner  und 
Casuare.  Besonders  charakteristisch  sind  die  Honigsauger,  die  durch 
das  ganze  Reich  verbreitet  sind.  Die  Papageien  und  Tauben  erreichen 
hier  den  Höhepunkt  ihrer  Entwicklung,  sowohl  in  Bezug  auf  Arten- 
zahl, wie  auch  auf  Schönheit  der  Formen  und  Farbenpracht.  Nament- 
lich ist  die  große  Menge  von  Tauben  ebenso  lehrreich,  wie  die  der 
Beuteltiere,  denn  beide  verdanken  ihre  ungestörte  Entwicklung  nur 
der  Abwesenheit  der  gefährlichen  Feinde  und  der  jüngeren  Lebewelt 
des  benachbarten  Festlandes. 

Im  malaischen  Archipel  verbreitet  sich  die  australische  Fauna 
bis  zu  der  schon  wiederholt  genannten  WALEACE-Linie,  aber  in  die 
Grenzbezirke  sind  schon  einige  indische  Säugetierfamilien  einge- 
drungen. Neuguinea  hat  nach  Pascoe  eine  Käferfauna  von  ent- 
schieden indischem  Ursprünge,  die  von  der  australischen  wesentlich 
verschieden  ist.  Jene  Organismen  also,  die  sich  leichter,  namentlich 
mit  Hilfe  der  Luftströmungen  verbreiten  können,  stammen  vom 
Westen,  und  diese  neuen  Einwanderungen  haben  die  ursprüngliche 
Lebewelt  zum  Teil  verdrängt.  In  der  Vogelfauna,  die  sich  auf  Neu- 
guinea durch  eine  größere  Anzahl  von  prächtig  gefärbten  Arten,  als 
irgendwo  anders,  auszeichnet,  überwiegt  das  australische,  d.  h.  das 
alte  Element  schon  bedeutend,  und  in  der  Säugetierfauna  herrscht 
es  ausschießlich.  Diese  Abstufung  ist  außerordentlich  lehrreich; 
wir  sind  hier  Zeugen  eines  Prozesses,  der,  wie  wir  sehen  werden, 
in  Südamerika  schon  weiter  gediehen  ist  und  in  Afrika  zu  einer 
völligen  Umgestaltung  der  Tierwelt  geführt  hat. 

In  Neuseeland  wie  im  übrigen  Polynesien  fehlen  Säugetiere 
gänzlich;  die  Vogelfauna  besitzt  mehr  australische  als  indische  Ele- 
mente, und  aus  diesem  Grunde  wies  Wallace  die  Südseeinseln  seinem 
australischen  Reiche  zu.  Die  niedere  Tierwelt  bewahrt  aber  Er- 
innerungen an  eine  längstvergangene  Zeit.  Schon  lange  ist  es  auf- 
gefallen, daß  die  Amphibien,  Süßwasserfische  und  Insekten  Austra- 
liens in  so  innigen  Beziehungen  zu  denen  Südamerikas  stehen,  und 
in  jüngster  Zeit  hat  das  Studium  der  geographischen  Verbreitung 
der  Flußmuscheln  zu  überraschenden  Ergebnissen  geführt,  die,  wenn 


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Die  Entwicklung  der  Faunenreiche.  653 

sie  auch  noch  keineswegs  gesichert  sind,  doch  eine  weite  Perspektive 
eröffnen.  Die  Ansicht  v.  1 Herings-  ist  in  Kürze  folgende.  Süd- 
amerika, von  Nordamerika  völlig  getrennt,  bestand  bis  zur  Oligocän- 
zeit  aus  zwei  von  einander  unabhängigen  Teilen,  von  denen  der  eine, 
Archiplata,  Chile,  Argentinien,  Uruguay  und  Südbrasilien,  der 
andere,  Archiguayana,  Venezuela  und  Guyana  umfaßte.  Archiplata 
war  aber  selbst  nur  ein  Teil  eines  großen  Festlandes,  das  über  Neu- 
seeland uud  Polynesien  nach  Australien  reichte.  Dieser  Zusammen- 
hang muß  sich  aber  schon  in  der  mesozoischen  Periode  aufgelöst 
haben.  Von  allen  Landgebieten  der  Erde  gewann  Polynesien  am 
frühesten  insulare  Selbständigkeit,  zu  einer  Zeit,  als  noch  nicht 
einmal  Beutler  die  Erde  bevölkerten:  und  dieser  Thatsaclie  geben 
wir  Ausdruck,  indem  wir  es  als  ein  eigenes  Faunenreich  in  die  austra- 
lische Gruppe  stellen.  Der  Charakterzug  dieses  Reiches  ist  freilich 
mehr  negativer  als  positiver  Art,  aber  das  ist  im  Grunde  genommen 
ja  auch  der  Charakter  der  australischen  Festlandsfauna. 

Südamerika.  Die  Trennung  Südamerikas  vom  nördlichen  Fest- 
lande wird  uns  durch  die  merkwürdige  Säugetierfauna  der  altter- 
tiären Santa  Cruz-Schichten  von  Argentien  vollauf  bestätigt.  Sie 
besteht  aus  Beutlern  und  Zahnarmen ; von  den  noch  lebenden  placen- 
talen  Ordnungen  sind  nur  die  Nager,  die  unparzehigen  Huftiere  und 
die  breitnasigen  Affen  vertreten.  Gerade  das,  was  damals  den 
Faunen  der  nördlichen  Festländer  ihr  charakteristisches  Gepräge 
verlieh:  die  Halbaffen,  Fledermäuse,  Raubtiere,  Insektenfresser,  par- 
zehigcn  Huftiere,  fehlt  in  den  Santa  Cruz-Schicliten  völlig.  Genau 
dieselbe  Zusammensetzung  zeigt  die  Säugetierfauna  der  obermio- 
cänen  Patagonischen  Formation;  erst  im  Pliocän  vollzieht  sich  der 
Zusammenschluß  von  Nord-  und  Südamerika,  und  nun  beginnt  sofort 
die  faunistische  Vermischung.  Schon  in  der  Araukanischen  Forma- 
tion Südamerikas  erscheinen  nordische  Typen  und  in  den  vielleicht 
etwas  jüngeren  Equus-  und  Megalonyx-Scliichten  Zentral-  und  Nord- 
amerikas treten  zum  ersten  Male  südliche  Einwanderer  auf.  In 
Zentralamerika  und  den  mexieanischen  Küstenländern  haben  sie 
den  Sieg  davongetragen,  so  daß  Wallach  diese  Länder  zum  süd- 
amerikanischen  Reiche  rechnen  durfte. 

Anders  in  Südamerika  selbst.  Wie  durch  die  spanisch-portu- 
giesische Eroberung  dem  alten  Volkstum  nur  einige  neue  Elemente 
hinzugefügt  wurden,  ohne  es  vernichten  zu  können,  so  verhält 
es  sich  auch  im  Bereiche  der  Säugetierwelt  Noch  lebt  hier  die 
Beutelratte ; und  wenn  die  Zahnarmen  auch  schon  im  Diluvium  den 
Höhepunkt  ihrer  Entwicklung  überschritten  haben,  so  sind  sie  doch 
immer  noch  in  ansehnlicher  Weise  durch  die  Familien  der  Ameisen- 


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654 


Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 


baren,  Faul-  und  Gürteltiere  vertreten.  Die  Affen  der  neuen  und 
der  alten  Welt  sind  noch  immer  streng  voneinander  geschieden, 
keine  einzige  Familie  ist  ihnen  gemeinsam.  Die  Nager  nehmen  zwar 
überall  mit  Ausnahme  von  Australien  in  Bezug  auf  Artenzahl  den 
ersten  Rang  unter  den  Landsäugern  ein,  aber  Südamerika  ist 
hierin  doch  allen  anderen  Kontinenten  voraus.  Das  trifft  sogar  in 
der  kosmopolitischen  Familie  der  Ratten  und  Mäuse  zu.  Die  Huf- 
plotler,  die  größte  Form  dieser  Ordnung,  die  Baumstachelschweine 
und  Chinchillas  sind  ausschließlich  amerikanisch,  und  die  Strauch- 
ratten und  Borstenferkel  kommen  sonst  nur  sporadisch  vor.  Dagegen 
sind  die  fremden  Typen  zu  keiner  hervorragenden  Bedeutung  gelangt, 
ausgenommen  die  Fledermäuse,  von  denen  die  Blattnasen  — wozu 
der  berühmte  blutsaugende  Vampyr  gehört  — sogar  nur  auf  Amerika 
beschränkt  sind.  Am  auffallendsten  ist  das  Fehlen  der  großen  Ord- 
nung der  Insektenfresser,  denn  die  Familie  der  Borstenigel  kommt 
nur  in  Westindien  vor,  und  die  Spitzmaus  betritt  eben  erst  das 
Reich  im  Norden.  Von  den  Dickhäutern  fehlen  die  Elefanten,  da- 
gegen hat  sich  der  Tapir,  ein  uralter  Typus,  der  nur  noch  im 
malaischen  Archipel  wiederkehrt,  hier  erhalten,  und  das  kosmo- 
politische Schwein  wird  durch  die  schwanzlose  Unterfamilie  der 
Pekari  ersetzt.  Von  den  Wiederkäuern  ist  nur  noch  die  Hirsch- 
gattung allgemein  verbreitet,  da  die  Antilopen  ebenso,  wie  die  Ein- 
hufer ausgestorben  sind;  und  die  Raubtiere  stehen  denen  der  alten 
Welt  nicht  nur  an  Artenreichtum,  sondern  auch  an  Größe  und 
Kraft  nach.  Der  Jaguar  und  Puma  sind  nur  schwächliche  Vertreter 
des  asiatischen  Tigers  und  afrikanischen  Löwen. 

Unendlich  reich  ist  die  südamerikanische  Vogelwelt;  in  jeder 
Ordnung  der  Landvögel  mit  Ausnahme  der  Kurzflügler  übertrifft  der 
westliche  Südkontinent  an  absoluter  Artenzahl  Afrika  und  Ostindien, 
und  nur  in  Bezug  auf  die  Papageien  und  Tauben  steht  er  Australien 
nach.  Im  brasilianischen  Schopfhuhn  besitzt  er  wahrscheinlich  den 
letzten  lebenden  Repräsentanten  einer  ausgestorbenen  Ordnung.  Noch 
mannigfaltiger  ist  die  Insektenfauna  mit  einem  unerschöpflichen 
Reichtum  an  schönen  Formen;  und  es  ist  bezeichnend,  daß  selbst 
in  dieser  Tierklasse,  die  doch  über  so  viele  Verbreitungsmittel  ver- 
fügt, der  Endemismus  stark  ausgeprägt  ist. 

Wie  in  der  Flora  Südamerikas,  so  finden  wir  auch  in  der  Fauna 
den  Gegensatz  zwischen  dem  trockenen  andinen  Westen  und  dem 
feuchten  Osten  wieder,  und  das  andine  Faunengebiet  erstreckt  sich 
ebenfalls  über  die  außertropischen  Niederungen  des  Ostens.  Hier 
fehlen  die  Affen,  dagegen  besitzt  dieses  Gebiet  die  Chinchillas  und 
die  wichtigen  Auchenien,  die  Vertreter  des  osthemisphärischen 


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Die  Entwicklung  der  Faunenreiche.  655 

Kamels,  zu  denen  die  einzigen  Haustiere  von  Südamerika  (Lama 
und  Alpaka)  gehören.  Die  Insektenfauna  enthält  Elemente  der 
nördlichen  gemäßigten  Zone,  die  wahrscheinlich  längs  der  Andes  ein- 
gewandert sind.  Im  großen  und  ganzen  ist  aber  die  Tierwelt  in  Süd- 
amerika sehr  gleichförmig,  trotz  der  verschiedenen  Klimate  und  der 
großen  meridionalen  Ausdehnung.  Waren  also  wirklich  einmal,  wie 
wir  oben  als  Ansicht  v.  Iherings  mitteilten,  Archiguayana  und  Archi- 
plata  einst  getrennt,  so  ist  jedenfalls  eine  weitgehende  Faunenver- 
mischung  eingetreten.  Nur  in  Westindien  hat  sich  möglicher- 
weise der  Charakter  der  arckiguayanischen  Fauna  noch  erhalten. 
Das  ist  allerdings  nicht  zu  beweisen,  da  wir  von  der  letzteren  keine 
fossilen  Überreste  besitzen.  Aber  merkwürdig  genug  ist  die  Fauna 
der  Großen  und  Kleinen  Antillen,  namentlich  die  Säugetierfauna.  So 
charakteristische  Typen  der  archiplatischen  Welt,  wie  die  Beutler, 
Zahnarmen  und  Breitnasen  fehlen  hier  völlig,  desgleichen  auch  die 
nordischen  Einwanderer,  die  Raub-  und  Huftiere.  Das  erklärt  sich 
vielleicht  daraus,  daß  die  Abtrennung  der  Antillen  früher  erfolgte,  als 
die  Vereinigung  der  beiden  hypothetischen  Hauptstücke  Südamerikas 
untereinander  und  mit  Nordamerika.  Ist  dies  richtig,  dann  ist  viel- 
leicht auch  der  Borstenigel,  der  außer  in  Westindien  nur  noch  in 
Madagaskar  vorkommt,  als  ein  Überbleibsel  der  archiguayanisehen 
Fauna  aufzufassen,  denn  auch  andere  Momente  weisen  auf  eine  alte 
Landverbindung  zwischen  Archiguayana  und  Afrika  hin.  v.  Ihering 
betrachtet  St  Helena  als  den  letzten  Pfeiler  der  atlantischen  Brücke. 

Afrika.  Daß  auf  der  südlichen  Halbkugel  die  Verteilung  von 
Wasser  und  Land  einst  eine  andere  war,  ist  geologisch  nur  für 
den  afrikanisch-indischen  Kontinent  erwiesen.  Wir  könnten  hoffen, 
hier  ähnlichen  faunistischen  Verhältnissen  zu  begegnen,  wie  in  Süd- 
amerika, und  doch  sind  sie  gänzlich  verschiedener  Art.  Zudem 
wissen  wir  über  die  ältere  Säugetierfauna  Afrikas  so  gut  wTie  nichts. 
Nur  die  Karruschichten  bergen  Reste  der  ältesten  Beutlerformen 
(Allotherien),  die  in  der  älteren  mesozoischen  Zeit  über  die  ganze 
Erde  verbreitet  gewesen  zu  sein  scheinen;  tertiäre  Sänger  sind  gänz- 
lich unbekannt.  Es  bleibt  also  nichts  übrig,  als  aus  der  heutigen 
Fauna  die  Vorgeschichte  Afrikas  zu  rekonstruieren. 

Wir  haben  dabei  zu  beachten,  daß  der  Landzusammenhang  mit 
Dekan  sich  spätestens  in  der  Tertiärperiode  gelöst  hat,  daß  aber  Afrika 
durch  die  Wüstentafel,  die  ja  — wie  wir  schon  auf  S.  432  betont 
haben  — einst  ein  günstiges  Klima  besaß,  mit  der  alten  Welt  in 
bequeme  Verbindung  trat.  Wir  legen  weniger  Gewicht  auf  die  Land- 
brücken von  Gibraltar  und  zwischen  Sicilien  und  Tunis,  als  auf  den 
Zusammenschluß  im  Osten,  der  wahrscheinlich  erst  in  der  jüngsten 


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656 


Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  .und  Tiere. 


Tertiärzeit  durch  den  Einbruch  des  Roten  Meeres  gestört  wurde. 
Für  die  Zuwanderung  nordischer  und  orientalischer  Organismen 
lagen  also  hier  die  Verhältnisse  viel  günstiger,  als  in  Südamerika, 
und  in  der  That:  Flora  und  Fauna  Afrikas  zeigen  in  gleicher  Weise 
ein  durchaus  altweltliches  Gepräge.  Wir  wissen  nicht  einmal,  ob 
jene  eigenartigen  afrikanischen  Familien,  wie  der  insektenfressende 
Goldmull  und  der  hyänenähnliche  Erdwolf,  die  nur  in  Südafrika 
leben,  oder  der  Klippschliefer,  eine  Art  Mittelglied  zwischen  Nagern 
und  Dickhäutern,  oder  das  Erdferkel,  eine  Familie  der  Zahnarmen, 
das  nur  noch  das  südliche  und  östliche  Afrika  bewohnt,  — ob  diese 
Tierformen,  sage  ich,  Reste  einer  altafrikanischen  Fauna  oder  Ab- 
kömmlinge von  Einwanderern  sind,  die  sich  nur  hier  erhalten  haben. 
Ist  doch  das  Erdferkel  auch  in  den  oberiniocänen  Pikermischichten 
Griechenlands  gefunden  worden.  Die  einst  weite  Verbreitung  der 
Giraffen  und  Flußpferde  über  die  alte  Welt  ist  sichergestellt ; auch 
diese  Familien,  die  sich  in  der  heutigen  Säugetierschöpfung  recht 
altmodisch  ausnehmen,  sind  jetzt  nur  auf  Afrika  beschränkt. 

Die  Einwanderung  erfolgte  etappenweise.  Als  Madagaskar 
(vgl.  S.  556)  sich  von  Afrika  trennte,  war  die  Säugetierwelt  noch  eine 
recht  ärmliche.  Halbaffen,  die  im  nordischen  Eocän  Vorkommen,  bilden 
den  hervorragendsten  Bestandteil  der  ma  dagassischen  Fauna ; die  anderen 
Ordnungen,  die  fast  ausschließlich  auf  den  Landweg  angewiesen  sind, 
sind  nur  durch  wenige  Familien  vertreten.  Erst  spätere  Einwande- 
rungen brachten  die  großen  Typen,  die  jetzt  in  Afrika  vorherrschen, 
aber  auf  Madagaskar  felden,  die  Affen,  die  Löwen,  Leoparden  und 
Hyänen,  die  Einhufer  (Zebra  und  Verwandte),  die  Elefanten.  Nas- 
hörner und  Flußpferde,  die  Giraffen,  Gazellen  und  Büffel.  Dagegen 
vermissen  wir  die  Bären  und  Maulwürfe,  das  Kamel  (das  in  der 
Sahara  erst  vom  Menschen  eingeführt  wurde),  die  Hirsche,  Ziegen 
und  Schafe,  den  wilden  Ochsen  (Bos)  und  das  wilde  Schwein  (Sus): 
Tiergruppen,  die  in  der  alten  Welt  sonst  überall  verbreitet  sind, 
fehlen  hier  also  vollständig.  Die  Artenarmut,  die  die  afrikanische 
Flora  charakterisiert,  zeigt  sich  auch  in  der  im  Vergleiche  zum 
Areal  geringen  Artenzahl  der  Säugetiere  sowohl,  wie  der  Vögel. 

Die  Florenprovinzen  kann  man  in  der  Tierverbreitung  recht 
gut  wiedererkennen.  Vier  Säugetier-,  eine  Vogel-,  acht  Reptilien- 
und  drei  Amphibienfamilien,  die  im  äquatorialen  Westen  Vorkommen, 
fehlen  im  übrigen  tropischen  Afrika,  und  dieses  hat  wieder  sechs 
Säugetier-  und  drei  Vogelfamilien  vor  dem  Westen  voraus.  Den 
Urwald  Guineas  bewohnen  die  großen  menschenähnlichen  Affen,  der 
Gorilla  und  Schimpanse,  und  diese,  sowie  das  Zwergmoschustier 
Hyoraoschus  und  einige  Schlangen  weisen  auf  Ostindien  hin.  Zwei 


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Die  Entwicklung  der  Faunenreiehe.  657 

Sehlangeugattungen  zeigen  Beziehungen  zu  Südamerika,  wie  solche 
auch  im  Pflanzenreiche  unverkennbar  zu  Tage  treten. 

Der  tropische  Osten  und  Süden  zeichnet  sich  dagegen  durch 
eine  auffallende  Gleichförmigkeit  in  Vegetation  und  Tierwelt  aus; 
nur  das  abessinische  Hochland  und  die  Urwälder  von  Mozambique 
machen  davon  eine  Ausnahme.  Die  Savanen  sind  die  wahre 
Heimat  der  großen  Huftiere  und  das  ergiebigste  Jagdgebiet  des 
Löwen. 

Den  außertropischen  Süden  kennzeichnet  auch  faunistisch  ein 
stark  ausgeprägter  Endemismus,  sowohl  unter  den  Säugetieren,  wie 
auch  in  der  lnsekteuwelt.  Es  ist  ein  Anklang  an  die  so  merk- 
würdige Kaptlora. 

Indisches  Reich.  Wenn  wir  die  Abkömmlinge  der  höheren 
Tierklassen  der  europäischen  Tertiärzeit  am  vollständigsten  beisammen 
linden  wollen,  so  müssen  wir  nach  Ostindien  gehen.  Dieses  Tropen- 
reich besitzt  relativ  die  meisten  Säugetiere  und  Landvögel,  und  es 
unterliegt  keinem  Zweifel,  daß  es  diesen  Reichtum  seiner  dauernden 
Verbindung  mit  der  großen  asiatisch-europäischen  Festlandsmasse,  der 
Geburtsstätte  der  meisten  modernen  Tierformen,  verdankt.  In  seiner 
Säugetierfauna  dürfte  als  der  eigentümlichste  Charakterzug  die  be- 
deutende Menge  von  Raubtieren  anzusehen  sein;  denn  wenn  auch 
in  Afrika  nahezu  gleichviel  Arten  Vorkommen,  wie  in  Ostindien,  so 
beträgt  doch  die  mittlere  Artendichtigkeit  (auf  die  Mill.  qkm  berechnet) 
hier  10  und  dort  nicht  ganz  4.  Seine  Vogelwelt  ist  in  allen  Ord- 
nungen mit  Ausnahme  der  hier  fehlenden  Kurzflügler  mannigfaltiger, 
als  die  afrikanische,  und  mit  Ausnahme  der  Spechte  und  Papageien 
übertrift't  sie  auch  die  südamerikanische.  Aber  nicht  alle  Teile 
Ostindiens  sind  in  gleicher  Weise  ausgezeichnet  Allen  voran  steht 
das  hinterindische  Gebiet,  das  sich  bis  nach  Sttdchina  hinein  erstreckt; 
und  dies  kann  uns  nicht  überraschen,  wenn  wir  bedenken,  daß 
Südchina  ein  Teil  des  Festlandsrumpfes  und  Hinterindien  eine  abge- 
gliederte Halbinsel  ist  Die  Fauna  des  Südabhanges  des  Himalaja 
bis  ca.  3000  m Höhe,  wo  das  aussertropische  Reich  beginnt,  ge- 
hört ebenso,  wie  seine  Flora,  zum  hinterindischen  Gebiete,  während 
die  Tierwelt  der  hindustanischen  Ebene  und  der  angrenzenden  Pla- 
teaulandschaften von  Dekan,  ebenso  wie  die  Flora,  noch  vielfach  an 
Afrika  erinnert  Manche  altertümliche  Züge  weist  die  Fauna  des 
südlichen  Dekan  und  Ceylons  auf;  Formen  kehren  hier  wieder, 
die  nur  noch  im  Himalaja  und  auf  den  malaischen  Inseln  gefunden 
werden,  und  besonders  die  Insekten  zeigen  verwandtschaftliche  Be- 
ziehungen zum  östlichen  Archipel.  Auf  diesem  letzteren  hat  endlich 
die  Isolierung  vom  Festlande  und  die  Auflösung  in  Inseln  der  Fauna 

Supan,  Physische  Erdkunde.  2.  Aufl . 42 


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658 


Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 


ein  eigentümliches  Gepräge  verliehen,  wovon  wir  bereits  zu  sprechen 
Gelegenheit  hatten. 

Die  mittleren  und  höheren  Breiten  der  Nordhalbkugel.  In  Ost- 
asien und  im  Mittelmeergebiete  einschließlich  Vorderasiens  hat  sich 
zwar  das  Klima  seit  dem  Tertiär  beträchtlich  verändert,  aber  keine 
Eiszeit  in  unserem  nordischen  Sinne  hat  die  Entwicklung  der  orga- 
nischen Welt  völlig  unterbrochen.  Einige  tropische  Formen  konnten 
sich  daher  in  der  Tier-  wie  in  der  Pflanzenwelt  erhalten.  Zu  den 
mediterranen  Ausläufern  der  warmen  Zone  gehören  eine  kleine 
Aftengattung,  Macacus,  welche  Nordafrika  und  den  Felsen  von  Gib- 
raltar bewohnt,  mehrere  Fledermausgeschlechter,  einige  Antilopen- 
gattungen, darunter  die  Gazelle,  die  sich  von  Nordafrika  bis  Iran 
verbreitet,  das  Stachelschwein  in  Südeuropa  und  Palästina,  die  Zibeth- 
katze  (Genette),  die  in  Südeuropa,  Nordafrika  und  Palästina  gefunden 
wird,  und  mehrere  Raubtiere,  wie  die  Hyäne,  der  Löwe,  Leopard, 
Serval  und  Gepard,  die  Nordafrika  und  zum  Teil  auch  das 
mediterrane  Asien  durchstreifen.  Weniger  bekannt  sind  che  Vögel, 
doch  weiß  man,  daß  sie  in  Palästina  und  Persien  einen  entschieden 
außertropischen  Charakter  tragen.  Im  ostasiatischen  Übergangs- 
gebiete treffen  wir  neben  einer  osttibetanischen  Affenart,  die  ein 
dicker  Pelz  gegen  die  Kälte  ihrer  Heimat  schützt,  wieder  den  Macacus, 
der  bis  Japan  hinauf  geht,  die  Zibethkatze  und  das  Stachelschwein 
an,  ferner  die  ostindische  Wiederkäuergattung  Nemorliedus  und  das 
ebenfalls  ostindische  Flughörnchen.  Die  chinesisch-japanische  Vogel- 
fauna, für  die  die  Fasanen  charakteristisch  sind,  unterscheidet  sich 
von  der  mediterranen  durch  ihr  vorwiegend  tropisches  (ostindisches) 
Gepräge,  und  ebenso  sind  die  japanischen  Reptilien  und  Käfer  stark 
mit  Elementen  der  warmen  Zone  gemischt.  In  der  neuen  Welt  ist 
die  californische  Fauna  durch  einige  tropische  Elemente  ausge- 
zeichnet, wie  durch  die  Blattnasen  und  Hundskopf- Fledermäuse, 
durch  mehrere  südamerikanische  Vogelgattungen  und  eine  Python- 
schlange. 

Im  mittleren  und  westlichen  Europa  können  wir  an  der  Hand 
der  paläontologisehen  Zeugnisse  die  allmähliche  Umgestaltung  des 
Klimas  genau  verfolgen.  In  der  jungmioeänen  Zeit  war  es  noch 
tropisch,  in  der  plioeänen  glich  es  schon  dem  gegenwärtigen,  und 
doch  war  die  Tierwelt  viel  reicher,  als  heutzutage.  Viele  Gattungen 
haben  sich  seitdem  nach  Indien  und  Afrika  zurückgezogen.  Selbst 
die  vorglazialen  Schichten  enthalten  noch  Überreste  von  Elefanten, 
Gazellen  und  Antilopen.  Die  Eiszeit  hat  einen  großen  Teil  dieser 
Fauna  vernichtet  und  der  Einwanderung  nordischer  Arten,  vielleicht 
vom  nordöstlichen  Asien  her,  freies  Feld  geschaffen.  In  der  Aus- 


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659 


Die  Entwicklung  der  Faunenreiche. 

bildung  verschiedener  Vegetationsformationen  innerhalb  der  borealen 
Gebiete  war  ebenfalls  ein  Anlaß  zur  Entwicklung  faunistischer  Pro- 
vinzen geboten.  So  werden  die  Steppen  und  Wilsten  des  mittleren 
Asiens  durch  zahlreiche  Huftiere  charakterisiert,  von  denen  mehrere, 
wie  das  Pferd,  das  zweibuckelige  Kamel,  der  J:ik,  das  Moschustier 
und  ein  paar  Antilopengattungen  hier  ihre  Heimat  haben,  während 
die  Nadelwaldzone  durch  Pelztiere,  Rentiere  und  andere  nordische 
Formen  ausgezeichnet  ist.  Gewaltig  sind  endlich  die  Veränderungen, 
die  der  Mensch  durch  Ausrottung,  Züchtung  und  durch  die  Um- 
gestaltung der  Vegetation  hervorgerufen  hat.  Daß  er  mit  den  großen 
Dickhäutern,  dem  Mammut  und  dem  wollhaarigen  Rhinozeros,  sowie 
mit  mehreren  ausgestorbenen  Raubtieren,  wie  dem  Höhlenbären,  Höhlen- 
tiger (fälschlich  Höhlenlöwe  genannt),  Höhlenwolf  und  der  Höhlen- 
hyäne, in  Europa  zusammenlebte,  ist  durch  mehrfache  Funde  sicher- 
gestellt; aber  ihr  völliger  Untergang  erfolgte  schon  zu  einer  Zeit,  von 
der  uns  keine  schriftliche  Nachricht  Kunde  giebt.  Viel  später  erlagen 
die  großen  Wiederkäuer,  die  noch  im  Nibelungenliede  genannt  werden: 
der  Wisent  (Bison),  der  llr  oder  Aueroclis,  der  Stammvater  unseres 
zahmen  Rindes,  und  der  Scheich  oder  Riesenhirsch.  Der  Bisonstier 
kommt  nur  noch  in  einem  Distrikte  des  Kaukasus  und  im  Bialo- 
witzer  Walde  (russisches  Gouvernement  Grodno),  liier  aber  nur  im 
gehegten  Zustand  vor.  Der  Ur  lebte  in  Frankreich  noch  im 
5.  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung,  im  Harz  noch  im  7.,  in  Böhmen 
noch  im  14.  und  in  Polen  noch  im  16.  Jahrhundert;  die  Aus- 
rottung schritt  also  mit  der  Kultur  von  Westen  nach  Osten  fort. 
Das  Rentier  bewohnte  einst  ganz  Mittel-  und  Westeuropa,  wurde 
aber  aus  Frankreich  schon  in  vorgeschichtlicher  Zeit  verdrängt, 
während  es  in  Deutschland  «och  zur  Zeit  Cäsars  lebte  und  in  Nord- 
schottland noch  im  12.  Jahrhundert  gejagt  wurde.  Jetzt  ist  es  in 
Skandinavien  über  den  60.  Parallel  zurückgedrängt,  in  Asien  geht 
aber  seine  Aquatorialgrenze  viel  tiefer  herab  und  erreicht  an  der 
Ostseite  der  alten  und  im  Westen  der  neuen  Welt  46°  B.  Das 
Elen,  das  noch  zur  Zeit  der  sächsischen  Kaiser  die  deutschen  Wälder 
bewohnte,  ist  daraus  verschwunden  und  kommt  mit  Ausnahme  einiger 
preußischen  Forste,  wo  es  gehegt  wird,  nur  noch  in  Skandinavien 
vor.  Die  Hasen,  Hirsche,  Rehe,  Wildschweine  und  Gemsen  ver- 
mindern sich  zusehends;  der  Steinbock,  früher  im  ganzen  Alpen- 
gebirgc  zu  Hause,  findet  sich  jetzt  nur  noch  am  Monterosa.  Not- 
wendig war  der  Vertilgungskrieg  gegen  die  Raubtiere,  von  denen 
der  Wolf,  Luchs  und  Bär  aus  Mittel-  und  Westeuropa  zum  größten 
Teil  verschwunden  sind.  Der  Löwe,  der  noch  zur  Zeit  der  Perser- 
kriege über  ganz  Griechenland  bis  nach  Thracien  sich  verbreitete, 

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660  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

ist  jetzt  aus  Europa  gänzlich  verwiesen.  Im  dicht  bevölkerten  China 
finden  die  Raubtiere  selbstverständlich  auch  keinen  Platz  mehr.  In 
Nordasien  und  in  Nordamerika  vermindern  sich  die  Pelztiere  stetig, 
und  auch  der  nordamerikanische  Bison,  der  manchmal  in  Herden 
von  20000  Individuen  die  Prärien  durchstreifte,  hat  sich  schon  aus 
vielen  Gegenden  zurückgezogen. 

Von  größter  Wichtigkeit  ist  die  Thatsache,  daß  die  höheren 
Faunen  Nordamerikas  und  Eurasiens*  viel  weiter  von- 
einander abweichen,  als  ihre  Floren.  Ein  einheitliches  nor- 
disches Faunenreich  selbst  nur  in  der  Ausdehnung  des  Drude- 
schen  Florenreiches,  ist  von  keinem  Tiergeographen  mit  Aus- 
nahme Heilprins  anerkannt  worden.  In  ihren  Typen  sind  allerdings 
beide  Faunen  gemeinsamer  Abstammung,  ja  in  der  untereocänen 
Säugetierfauna  ist  überhaupt  kein  Gegensatz  bemerkbar.  Nord- 
amerika und  Eurasien  müssen  damals  in  enger  Landverbindung  mit- 
einander gestanden  haben.  Aber  schon  im  obem  Eocän  beginnt 
die  Differenzierung,  wenn  auch  in  der  Miocänzeit  gelegentliche 
Einwanderungen  aus  der  alten  in  die  neue  Welt  stattgefunden  haben 
mögen. 

In  beiden  nördlichen  Reichen  werden  die  einzelnen  Ordnungen 
der  Landsäugetiere  durch  folgende  allgemein  verbreitete  Familien 
vertreten:  die  Flattertiere  durch  die  echten  Fledermäuse,  die  In- 
sektenfresser durch  die  Maulwürfe  und  Spitzmäuse,  die  Raubtiere 
durch  die  Katzen  (deren  hervorragendster  Repräsentant  der  Luchs 
mit  verschiedenen  Arten  in  beiden  Hemisphären  ist),  die  Wölfe  und 
Füchse,  die  Wiesel  und  ihre  Verwandten  und  die  Bären;  die  Huf- 
tiere durch  die  Schweine,  Hirsche  und  hohlhörnigen  Wiederkäuer, 
die  Nagetiere  endlich  durch  die  Ratten  und  Mäuse,  Springmäuse, 
Biber,  Eichhörnchen  und  Hasen. 

Innerhalb  dieser  Familien  besteht  ein  auffallender  Gegensatz 
zwischen  Nordamerika  und  der  alten  Welt  in  Bezug  auf  die  holil- 
hömigen  Wiederkäuer.  Nordamerika  besitzt  davon  nur  5,  die  alte 
Welt  aber  52  Arten,  also  mehr  als  irgend  ein  anderes  Reich  mit 
Ausnahme  des  tropischen  Afrikas.  32  Arten  entfallen  auf  das  Ga- 
zellen- und  Ziegengeschlecht,  von  denen  das  erstere  in  Nordamerika 
ganz  fehlt,  und  das  letztere  nur  durch  eine  einzige  Art  vertreten 
ist.  Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  daß  die  größere  Ausdehnung  der 
Steppen  Eurasiens  die  Entwicklung  dieser  Familien  hauptsächlich 


s Europa  und  Asien  werden  jetzt  häufig  als  Eurasien  zusammengefaBt:  ein 
Ausdruck,  den  Viele  abgeschmackt  finden,  der  aber,  weil  die  Gegner  nichts 
besseres  vorschlagen,  alle  Aussicht  hat,  sich  cinzubürgern. 


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Dip  Entwicklung  der  Faunenreiche. 


661 


forderte.  Sonst  ist  Eurasien  noch  durch  eine  bedeutend  größere 
Anzahl  von  Fledermäusen,  Maulwürfen,  Katzen,  Hirschen  und  Spring- 
mäusen ausgezeichet;  dafür  besitzt  Nordamerika  beträchtlich  mehr 
Spitzmäuse,  Canidae  und  Eichhörnchen. 

Dazu  kommen  noch  einige  charakteristische  Familien,  die  nur 
in  je  einem  der  beiden  Reiche  allgemeiner  verbreitet  sind.  So  in 
Nordamerika  die  Taschenratten  und  die  auch  in  Südamerika  vor- 
kommenden Waschbären  und  Raumstachelschweine.  Dagegen  fehlen 
hier  die  Hufeisennasen,  der  Igel,  die  Maulwurfsratten  und  der 
Siebenschläfer,  endlich  auch  die  Pferde  und  Kamele,  die  aber  noch 
in  den  jüngsten  Tertiärablagerungen  gefunden  werden.  Ja  es  ist 
sogar  wahrscheinlich,  daß  der  Kameltypus  in  der  neuen  Welt  seinen 
Ursprung  nahm. 

Es  sei  hier  nur  noch  erwähnt,  daß  wir  in  der  Klasse  der 
Landvögel  ähnlichen  Gegensätzen  begegnen.  Die  in  beiden  Reichen 
allgemeiner  verbreiteten  Familien  zählen  mit  Ausnahme  der  Schlüpfer 
und  Kukuke  in  der  alten  Welt  mehr  Arten,  als  in  der  neuen;  be- 
sonders auffallend  ist  dieser  Unterschied  in  der  Gruppe  der  Sänger, 
von  denen  Eurasien  126,  Nordamerika  aber  nur  10  Arten  besitzt, 
und  in  der  der  Lerchen,  wo  sich  das  Verhältnis  wie  23:1  stellt. 

Überblickt  man  den  Faunenbestand  in  den  zwei  höchsten  Klassen 
(mit  Ausschluß  der  Wat-  und  Schwimmvögel), * so  erhält  man  als 
Resultat,  daß  in  beiden  Reichen  die  gemeinsamen  Familien 
überwiegen,  während  die  gemeinsamen  Gattungen  erheb- 
lich zurücktreten,  und  dieß  ist  um  so  überraschender,  als  in  der 
Pflanzenwelt  Nordamerikas  und  Europas  die  gleichen  Gattungen  in  der 
Regel  nur  durch  verschiedene  Arten  vertreten  sind. 

Der  Widerspruch  zwischen  den  Ergebnissen  der  Pflanzen-  und 
Tiergeographie  löst  sich  zwar  nicht  ganz,  wird  aber  gemildert  durch 


x Nach  den  Tabellen  von  Wallace: 

Familien  Gattungen 


Land- 

Land- 

Land- 

Land- 

sfiuger 

vögel 

Säuger 

vögel 

1.  Gemeinsame  Fauna  . . . 

17 

26 

27 

54 

2.  Nur  in  Eurasien 

13 

13 

62 

123 

davon  a)  endemisch  .... 

— 

— 

34 

52 

b)  auch  in  den  Tropen 

der  alten  Welt  . . 

13 

13 

28 

71 

3.  Nur  in  Nordamerika  . . . 

6 

8 

34 

114 

davon  a)  endemisch  .... 

2 

1 

22 

46 

b)  auch  in  den  Tropen 

der  neuen  Welt  . « 

4 

7 

12 

68 

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662  Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 

die  Beobachtung,  daß  in  beiden  Reichen  das  gemeinsame  Element 
gegenüber  dem  endemischen  und  tropischen  immer  mehr  in  den 
Vordergrund  tritt,  je  mehr  wir  uns  dem  Pole  nähern.  Es  ist  aller- 
dings richtig,  daß  in  Canada  noch  einige  echt  amerikanische  Säuge- 
tiere bis  an  die  Ufer  der  Hudsonbai  und  bis  in  das  nördliche 
Labrador  Vordringen,  und  daß  auch  südamerikanische  Vögel,  wie 
die  Stelzen,  der  Königswürger  und  der  Kolibri  diese  Gegenden  be- 
suchen; aber  man  darf  auf  diese  Thatsaehe  kein  allzugroßes  Ge- 
wicht legen,  denn  sie  hängt  mit  der  Beweglichkeit  der  Tiere  im 
Gegensätze  zu  den  an  den  Boden  gefesselten  Pflanzen  zusammen, 
weshalb  die  Flora  unter  allen  Umständen  einen  gleichförmigeren 
Charakter  besitzt,  als  die  Fauna.  Um  so  beachtenswerter  ist  es 
aber,  daß  von  den  streng  arktischen  Tieren  3 Säugetiergeschlechter 
(Fjällfras,  Lemming  und  Rentier)  und  2 Säugetierarten  (Eisbär  und 
Polarfuchs),  3 Gattungen  Landvögel  und  6 Gattungen  Wasservögel 
eine  circumpolare  Verbreitung  haben.  In  Torells  Katalog  der 
arktischen  Vögel  finden  sich  unter  159  Arten  69  (also  43  Prozent), 
die  in  Amerika  und  in  Europa  Vorkommen.  Die  mitgeteilten  Zahlen 
imponieren  allerdings  nicht  durch  ihre  Größe,  aber  man  muß  sie  in 
Vergleich  setzen  mit  der  Dürftigkeit  der  arktischen  Tierwelt,  um 
ihre  Bedeutung  würdigen  zu  lernen.  Für  die  Abtrennung  eines 
arktischen  Faunengebietes,  die  wir  schon  in  der  ersten  Auflage 
dieses  Werkes  lebhaft  empfohlen  hatten,  sind  in  der  Folge  auch 
Zoologen,  wie  Brauer4,  Reichenow6  und  Möbius8  eingetreten.  Die 
Südgrenze  ist  durch  die  Baumgrenze  gegehen;  hier  erfahren  die 
Lebensbedingungen  der  Tiere  eine  völlige  Veränderung,  und  in  der 
That  reichen  auch  nur  bis  hierher  die  Lemminge,  während  sich  das 
Verbreitungsgebiet  des  Rens  noch  weit  in  die  Waldzone  hinein- 
erstreckt. Aber  nicht  allein  in  der  Circumpolarität  der  meisten 
Tiere  liegt  die  Berechtigung  zur  Aufstellung  eines  arktischen  Reiches, 
sondern  auch  — wie  Brauer  treffend  bemerkte  — darin,  daß 
einerseits  die  Polartiere  zum  Charakter  des  Landes  gehören, 
anderseits  ihr  Charakter  sich  ans  dem  des  Landes  erklären  läßt. 

Faunengruppen  und  -reiche.  Die  Einteilung  der  Erde  in  5 
„Faunenregionen“,  welche  Sclater  im  Jahre  1857  auf  Grund  der 
Vögelverbreitung  Vorschlägen  hat,  wurde  von  W ABLAGE  auch  für  die 
Verteilung  der  Säugetiere  als  durchaus  zutreffend  befunden  und  gelangte 
dadurch  zu  hohem  Ansehen.  Wallage  teilte  seine  „Regionen“  weiter 
in  „Subregionen“,  anderseits  faßte  auch  er  schon  die  Regionen  nach 
ihren  verwandtschaftlichen  Beziehungen  in  Einheiten  höherer  Ord- 
nung zusammen.  Zettel  hat  diesen  Gedanken  noch  schärfer  aus- 
gesprochen und  kennt  nur  drei  Säugetierreiche.  Wir  nennen  sie,  um 


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Die  Entwicklung  der  Faunenreiche. 


663 


wenigstens  eine  gewisse  äußere  Gleichartigkeit  mit  der  von  uns  adop- 
tierten Floreneinteilung  zu  erzielen,  Gruppen,  und  teilen  sie  in 
Reiche;  die  letzteren  können  wieder  in  Provinzen  aufgelöst  werden, 
wofür  sich  Anhaltspunkte  in  unsern  bisherigen  Ausführungen  ergehen. 

Die  heutige  Siiugetierwelt  — und  im  Großen  und  Ganzen  gilt 
dies  auch  von  den  übrigen  höheren  Tierklassen  — geht  von  drei 
Zentren  aus:  der  Arktogäa,  der  nördlichen  Halbkugel,  Süd- 
amerika und  Australien.  Die  arktogäische  Fauna  verbreitet  sich 
nicht  nur  über  alle  Nordkontinente,  sondern  auch  über  Afrika. 
Diese  Wanderung  und  die  Unterbrechung  der  nordischen  Entwick- 
lung durch  die  Eiszeit  sind  die  beiden  großen  Ereignisse,  die  die 
tiergeographischen  Verhältnisse  der  Gegenwart,  wenigstens  soweit  es 
die  höheren  Formen  betrifft,  bedingen.  Wir  können  darnach  eine 
förmliche  Altersreihe  der  Faunenreiche  entwerfen: 


Gruppe  Arktogäa. 

1.  Das  arktische  Reich  1 , . 

o D*«  Rpic.h  Jugendliche 


I 


Faunen 


2.  Das  altboreale  Reich 

3.  Das  neuboreale  Reich 

4.  Das  indische  Reich  mit  den  Abkömmlingen  der  Tertiär- 
fauna  ohne  starke  Beimischung  nordischer  Formen; 

5.  Das  afrikanische  Reich  südlich  der  Wüste,  mit  mangel- 
hafter arktogäischer  Tertiärfauna  und  einigen  sonst  aus- 
gestorbenen Formen ; 

6.  Das  madagassische  Reich  mit  ärmlicher  arktogäischer  Zu- 
wanderung und  alten  Typen. 

Süd  amerikanische  Gruppe. 

7.  Südamerikanisches  Reich,  eine  alte  Fauna  mit  spärlicher 
arktogäischer  Beimischung. 


Australische  Gruppe. 

8.  Australien  mit  einer  Säugetierfauna  von  wesentlich  meso- 
zoischem Charakter. 

9.  Polynesien  ohne  Säugetiere. 

Die  Differenzierung  von  Norden  nach  Süden,  die  die  Floren- 
verbreitung beherrscht,  linden  wir  auch  in  den  tiergeographischen 
Erscheinungen  wieder:  erst  ein  circumpolares  Reich,  dann  ver- 
schiedene Reiche,  aber  zu  derselben  Gruppe  gehörig;  endlich  ver- 
schiedene Gruppen.  Der  Endemismus  der  südhemisphärischen  Länder 
ist  doppelt  so  groß,  als  der  der  nordhemisphärischen;  altertümliche 
Tierformen,  die  als  Zeugen  einer  längstentschwundenen  Vergangen- 


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664 


Die  geographische  Verbreitung  der  Pflanzen  und  Tiere. 


heit  in  unsere  Zeit  hineinragen,  linden  wir  mit  wenigen  Ausnahmen 
nur  jenseits  des  Äquators.  So  die  Ordnungen  der  Schnabeltiere, 
Beutler  und  Zahnarmen,  die  breitnasigen  Affen  und  die  meisten 
Halbaffen,  den  Borstenigel,  den  Goldmull,  den  Erdwolf,  das  Borsten- 
ferkel, das  Schopfhuhn,  die  merkwürdige  Hatteria  punctata  Neusee- 
lands, die  Eigentümlichkeiten  der  Eidechsen,  Krokodile  und  Vögel 
in  sich  vereinigt,  u.  s.  w.  Nur  auf  die  Südkontinente  beschränkt  sind  auch 
die  großen  Laufvögel,  die  im  Eocän  auch  Europa  und  in  der 
Miocänzeit  noch  Vorderindien  bewohnten,  und  deren  Vorkommen  auf 
eine  lange  Abwesenheit  großer  Raubtiere  deutet  In  Afrika  be- 
wohnt der  Strauß  nur  die  nördliche  Wüste,  wo  er  von  Feinden 
weniger  gefährdet  ist;  sein  nächster  Verwandter  ist  der  südumerika- 
uische  Nandu.  Australien  hat  den  Emu  und  gemeinsam  mit  den 
papuanischen  Inseln  die  Casuare,  und  Neuseeland  den  Kiwi.  Auf 
der  letzteren  Insel  wohnten  noch  zwei  andere  Familien  gigantischer 
Laufvögel,  von  denen  die  letzten  wohl  erst  vom  Menschen  ausge- 
rottet wurden.  Auch  die  Riesenvögel  Madagaskars  dürften  erst  in 
der  geologischen  Gegenwart  ausgestorben  sein. 

So  spiegeln  sich  in  der  organischen  Welt  die  beiden  großen 
geographischen  Gegensätze  wieder:  die  alte  und  neue  Welt,  die 
Nord-  und  Südkontinente.  Und  überall  begegnen  wir  auch  hier 
im  positiven,  aber  mehr  noch  im  negativen  Sinne  den  Spuren  der 
Eiszeit,  uud  nur  in  den  beglückteren  südlicheren  Ländern  finden 
wir  noch  Reste  einstiger  Tropenfülle. 

L i ttera t u r n ac li  weise.  1 Wallach,  Die  geographische  Verbreitung  der 
Tiere,  Dresden  187«.  Hf.ii.pkin,  The  gcographical  and  genlogical  Distribution 
of  Auimal8,  New  York  1887.  Zittel,  Rückblick  über  die  geologische  Ent- 
wicklung, Herkunft  und  Verbreitung  der  Säugetiere;  in  den  Sitzungsberichten 
der  bayerischen  Akademie  der  Wissenschaften  1893.  Marshall,  Atlas  der 
Tierverbreitung,  Gotha  1887,  in  Bergbaus’  Physikalischem  Atlas.  — f s Iuebino. 
Die  alten  Beziehungen  zwischen  Neuseeland  und  Südamerika,  im  „Ausland" 
1891;  Die  Paläo-Geographie  Südamerikas,  ebendaselbst  1893.  — ’ Jack  und 
Ethekidoe,  eit.  S.  298.  — 4 Brauer,  Die  arktische  Subregion,  in  den  Geo- 
logischen Jahrbüchern  1887.  — 5 Reich enow,  Die  Begrenzung  geographischer 
Regionen  vom  omithologischen  Standpunkt,  ebendas.  1887.  — * Möbius,  Die 
Tiergebiete  der  Erde,  Berlin  1891. 


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Register. 

Die  Autorennamen  sind  gesperrt  gedruckt.  * bei  der  Seitenzahl  bedeutet,  daß  auf  der 
betreuenden  Seite  eine  Litteraturnotiz  sich  findet. 


Aachener  Quelle  368. 

Aachquelle  524. 

Aare  520. 

Abaco,  Gezeiten  234. 
Abdachungsthäler  400. 
Abdämmungsstufen  395. 

Abessinien,  Gewitter  139,  Morphologie 
314,  457,  Ambas  454,  Waldgrenze 
604,  Flora  628,  Fauna  057. 

Abfluß  der  Seen  512. 

Abflußlose  Gebiete  522,  523. 
Abgegliederte  Halbinseln  349. 
Abgliederungsinseln  559. 

Abich  UL,  543. 

Ablation  341. 

Ablenkung  horizontal  sich  bewegender 
Körper  11. 

Abplattung  der  Erde  5. 

Abrasion  341,  418,  486. 
Abrasiousterminante  420. 
Abschließungsküsten  583. 
Abschmelzung  der  Gletscher  162. 
Absolute  Feuchtigkeit  116. 

Absolutes  spezif.  Gewicht  des  Meer- 
wassers 217. 

Absteigende  Quellen  364, 

Abukir,  See  v.,  426. 

Abweichung  der  Temperatur  86. 
Abyschkansee  544. 

Abyssische  Kegion  35, 

Achensee  533. 

Ackerberge  424. 

Adamello,  Schneegrenze  149. 

Adda  515,  545. 

Aden,  Golf  v.,  314. 

„Adlergrund“  (Schiff)  248. 

Adobe  414. 

Adriatisches  Meer  191,  193,  200,  238. 
Aerophile,  Ballon  55. 


Afar  314. 

Affen  645,  649,  654,  664. 

Affenbrotbaum  599. 

Afrika,  höchste  Breite  25,  Grenzen  28, 
Areal  30,  Oberfläche  32,  Höhe  36, 
39,  Temperatur  66,  67,  68,  70,  71, 
81 , Luftdruck  u.  Winde  106,  Regen 
128,  129,  135,  Kegenwahrscheinlich- 
keit  131.  Klimaprovinzen  174.  Graben- 
gebiet 314 ff.,  Vulkane  310,  311. 
314,  Erdbeben334,  Laterit352,  Deltas 
406 , Bodenarten  428,  429 , Mor- 
phologie 443,  491 , Flüsse  521 , 

527,  Wasserscheiden  522,  AbfluB- 
lose  Gebiete  522,  523,  Abdach- 

ungen 523,  Depressionen  537,  Seen 
542,  Halbinseln  549,  Küsten  575,  Küs- 
tenabstand 587.  Küstenentwickelung 
587,  Palmen  595,  596,  Urwald  609, 
Palmenwäldcr  610,  Savanen  612,  613, 
Steppen  u.  Wüsten  617,  618,  Busch- 
land 620,  V egetationsformationen620, 
Flora  622,  Nahrungsgewächse  639, 
Verbindung  mit  Südamerika  655, 
Fauna  655  f.,  663. 

Agäisches  Meer  193,  200,  313,  553, 
Küsten  558. 

Agassizsee  545. 

Agaven  600,  617,  632. 

Agh  Sibyr  320. 

Ägina  313. 

Agramer  Erdbeben  325,  328. 

Agulhasströmung  246. 

Ägypten  31,  Wüstenwinde  115. 

Ahorn  611. 

Ainthal,  Veränd.  d.  Aussiehtsweite  296. 

Airy  235,  Formel  224. 

Akaba,  Golf  v.,  314. 

Akantbus  624. 


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Register 


()6(S 


Akazien  610,  611,  620. 

Akiz-See  533. 

Akraolinsk,  Verdunstung  u.  Regen  344. 
Aktische  Region  Hü. 

Alakul  544. 

Alaschan,  Regen  124,  Waldgrenze  617. 
Alaska,  Vulkane  311 , Waldgrenze 
BOI. 

Alatau,  Waldgrenze  604. 

Albaner  Gebirge  313. 

Albanien,  Bora  113. 

Albano  367. 

Albert  Edward-See  313. 

Albert-See  315. 

Albuenfjord  582. 

Aldabra  356. 

Aletschgletscher  153, 167,  Pflanzen  606. 
Alöuten  553. 

Alexandrien,  Regen  127. 

Algen  546,  547. 

Algier,  Föhn  115,  Regen  136,  Küste 
377. 


Algonquinsee  545. 

Alibertberg,  Temperatur  älL 
Alleghanies  83,  Föhn  115,  Beziehung 
zum  Vorland  478,  Alter  u.  Höhe  484, 
Bau  485,  Geschichte  487,  Durch- 
gangsthfiler  51 2. 

Aller  525. 

Allier  526. 

Alligator  645. 

Allothorien  655. 

Alluvium  20,  182,  183,  342,  428,  430, 


439 

Aloe  591,  598,  632. 

Alpaka  655. 

Alpcinerfemer  164. 

Alpen,  Schweremessnngen  13,  Unter- 
schied zwischen  Sonnen-  und  Schat- 
tentemperatur 58,  Föhn  114,  Regen 
123,  124,  125, 138,  Hagel  141,  Schnee- 
grenze 149,  Gletscher  152 ff.,  156, 
166,  angebliche  Klimaänderung  188, 
Vulkane  313,  Erdbeben  334,  höchste 
kalte  Quelle  367,  Klammen  387, 
Thalbildung  392,  Moränenlandschaf- 
teu  430.  Betrag  des  Zusainmenschu- 
bes  466,  Bau  465,  468,  470  f.,  Fal- 
tnngsperioden  473,  Richtung  474,  Ab- 
grenzung 475,  476,  Einteilung  476, 
Beziehung  zum  Vorland  477,  Gipfel- 
höhe 483,  Längsthäler  507,  Gliede- 
rung 311 , Durehgangsthäler  hilf., 
Thal  Wasserscheiden  516  f.,  Verhältnis 
zur  curop.  Hauptwasserscheide  523, 
Seen  536,  540,  Flora  590,  628,  Vege- 
tationsgrenzen  604,  Getreidegrenze 
635,  Fauna  647,  (s.  weiter  Ostalpen, 
Schweiz). 


Alpensystem  32,  475. 


j Alpen-Windröschen  590. 

' Alpine  Flora  628. 

„ Gletscher  151,  166. 

„ Pflanzenregion  606. 

„ Tiere  647. 

„ Waldgrenze  605. 

Altai  635, 

I Altdorf,  Temperatur  1 14. 
i Alte  Floren  628. 

Altenfjord,  Strandlinien  284. 

Altertum  der  Erde  1 9. 

Alte  Welt  s.  Ostfeste. 

Altstätten,  tfigl.  Wärmeschwankung  EIL 

Alttertiär  20. 
j Alvordthal  460. 

I Altwasser  376. 

Aluta  (Alt)  508,  512,  515. 

I Amazonas,  Gezeitengrenze  238,  Wasser- 
menge 373,  Mündungsform  403.  407, 
System  525,  Größe  527,  Barre  585. 

Amazonasebene,  Regen  128, 135,  Strand- 
verschiebung 293,  Bodenarten  430, 
Bau  448,  Vegetation  596,  608,  609. 

Ambas  4M. 

Ameisen  644,  Humusbildung  346. 

Ameisenbär  653. 

Amerika,  höchste  Breite  25,  Zweiteilung 
27,  Oberflächenformen  32,  Tempera- 
tur 66,  67,  73,  87,  Temperaturab- 
weiehung  87,  Regenwahrscheinlich- 
keit 131,  Schneegrenze  148,  Tropen- 
gletscher 166,  Klimaprovinzen  175, 
Vulkane  311 , Erdbeben  335,  Deltas 
406,  Wasserscheiden  522,  Küste  574, 
575,  Küstenabstand  587,  Vegetations- 
formationen 620,  Flora  621 , 625, 
Nahrungspflanzen  638,  639. 

Amerikanische  Cyklone  108. 

Amerikanisches  Mittelmeer  192,  Areal 
und  Tiefe  193,  Bodeurelief  200,  Ge- 
schichte 206  Strömungen  243,  Fluß- 
gebiet  523. 

Amiens,  Schwelle  499. 

1 Ammoniakgehalt  der  Luft  42. 

! Amphibien  643,  645,  Verbreitungsmittcl 

558. 

Amsterdam-Insel,  Flora  602,  626. 

Amu  528. 

Amur  374,  408,  525. 

Amnri,  Erdbeben  337. 

Amurland,  Savanen  614. 

Amur-Liman- Strömung  247. 

Anakonda  645. 

Ananasgewächse  608. 

Ancylus  fluviatilis,  Schichten  d.  286. 

Andalusien,  Erdbeben  337. 

Andalusisches  Gebirge,  Vulkane  313. 
Bau  474,  477,  4M, 

Andamanen  571. 

Andamanisches  Meer  192,  193. 


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Andes,  Wärmeabnahmc  Mi,  Schnce- 

frenze  148.  Gletscher  169.  höchste 
alte  Quelle  367,  Hochflächen  445, 
Gipfel  483,  Wasserscheide  523,  See- 
zone 540,  Pflanzenregionen  603, 
Waldgrenze  604,  605,  waldloser  Teil 
616,  alpineFlora  630,  Getreidegren- 
zen 635,  636. 

Audesit  299. 

Androsace  lactea  590, 

Andrussow  542,  548*. 

Anemone  alpina  590. 

Aneroid  440. 

Angara  374. 

Angefügte  Ebenen  448,  449. 
Angegliederte  Halbinseln  549,  550, 
Angot  62*. 

Angra  Pequena,  Gezeiten  234. 

Anio  515, 

Ankogel,  schneefreies  Gebiet  145, 

S.  Anna-Atoll  569. 

Anoa  depressicomis  557. 

Anomale  Wasserscheide  511,  512. 
Anschwemmung  des  Meeres  423 ff. 
Antarktische  Provinz  34. 

Antarktisches  Hochdruckgebiet  91,  93. 
„ Meer  s.  süul.  Eismeer. 

„ Plateau  197. 

„ Windgebiet  106,  107. 
Antarktische  Waldgrenze  602. 
Antecedenztheorie  513. 

Antholzer  See  532. 

Anticyklonen  94. 

Antiklinale  463. 

Antikliualkamm  464. 

Antiklinalthal  464,  507,  508. 
Antilibanon,  Karstphänomen  363. 
Antillen  32,  552,  553.  Vulkane  314, 
Fauna  655. 

Antillenströmung  243,  244. 

Antilopen  658,  659. 

S.  Autioeo  426. 

Antipassat  10.1. 

Antipodenirisei  25, 

Antisana,  Temperatur  57.  tel.  Feuchtig- 
keit Hfl. 

S.  Anton,  Regen  125. 

Anziehungskraft  von  Sonne  u.  Mond  13. 
Äolische  Ablagerungen  410  ff.,  428,  430. 
„ 432,  433. 

Äolische  Ausräumungsbecken  534.  535. 
Äolischer  Felsboden  427.  428,  432. 
Apenninen  30,  475,  476,  Vulkane  313. 
Erdbeben  334.  Bau  478,  480,  Ge- 
treidegrenzc  635. 

Aphel  45. 

Aphroessa  305,  505. 

Appalachen  33. 

Apsidenlinie  46. 

Apuanische  Alpen  480. 


I Äquatoriale  Gegenströme  246,  251. 
Äquatoriale  Pflanzenwelt  592. 
Äquatorialer  Regengürtel  128, 
Äquatoriales  Barometerminimum  91, 
_ 102,  1112. 

Äquatorialhalbmesser  5. 
Äquatorialklima  81.  82,  83. 
Äquatorialseite  der  Cyklonen  96. 
Äquatorialströmungen  242,  246,  251, 
257. 

Arabien  31 , 550,  Winde  105.  116. 
Regen  127,  Vulkane  314,  Bau  443, 
Tafelberge  454,  Wüste  und  Steppe 
410,  612. 

Arabischer  Meerbusen  191. 
Aradsch-Oase  537. 

Arago  139. 

Aral-kaspisches  Tiefland,  tägl.  Wärme- 
schwankung 79,  Regen  126,  136, 
Klimaprovinz  174.  Bodenbewegungen 
297,  Dünen  412,  Bau  448,  Seen  542. 
544.  Pflanzenwelt  617,  623. 

Aralsee  448,  536,  543. 

Aräometer  213. 

Arapahoe  Peak  497. 

Aras  530. 

Araukanische  Formation,  Fauna  653. 
Araukarien  600,  610,  622. 

Arbroath,  Riffreihe  420. 

Archäisches  Zeitalter  (Formations- 
gruppe) 11L 
Archiguayaua  653. 

Archipel  552. 

Archiplata  653. 

Arcona  416. 

Ardennen  494. 

I Arecapalme  597. 

Aretin  351  ■ 

Argastoli,  Quelle  358. 

Argäus  313. 

S.  Ärgentario  426. 

Argentinische  Ebene  s.  Pampas. 
Argonnenwald  455. 

Arica,  Bucht  v.  29,  Erdbeben  197,  225. 
Arkansas,  Canon  388. 

Arktische  Inseln  558,  58.1. 

| Arktische  Pflanzenzone  602,  623. 
Arktische  Provinz  34,  Niederschläge 
123,  Klima  175,  Küste  525. 

I Arktischer  Archipel  von  Nordamerika 
552,  558. 

Arktisches  Hochdruckgebiet  91,  93. 
Arktisches  Meer  s.  nördl.  Eismeer. 
Arktische  Tierwelt  645,  662,  663. 
Arktische  Waldgrenze  601. 

Arktogäa  663. 

! Arlberg,  Regenverteilung  125. 
Armenien  30,  Vulkane  313,  Getreide- 
grenzen 636. 

I Armorikanisches  Gebirge  490. 


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668 


Register. 


Arongewächse  598,  tl()9. 

Aronswurzel  637 
Artesische  Brunnen  365. 
Artischokcndistel  632. 

Arundarien  599. 

Asa  Gray  (11 1. 

tsale  537. 
sar  430. 

Ascension  552,  tägl.  Wärmcsehwan- 
kung  Slj  Regen  132,  Flora  571,  .')!>(■■ 
Aschenkegel  309. 

Asien,  höchste  Breite  25,  Areal  30,  Ober- 
flächenform 30,  Höhe  36, 39, Tempera- 
tur 68, 69, 70,  tägl.  Wärmeseh  wankung 
79,  Luftdruck  und  Winde  103f., 
107 ff.,  Regen  125,  131,  180,  Glet- 
scher 167 1.,  Klimaprovinzen  174, 
Vulkane  310,  Erdbeben  334,  Boden- 
arten 428,  Abdachungsgehiete  523, 
Abflußlose  Gebiete  522,  523,  Wasser- 
scheiden 522,  Flüsse  527,  Halbinseln 
549,  Küste  574  f.,  Küstenabstand  587, 
Palmen  596,  Grenze  der  immer- 
grünen Bäume  600,  sommergrüne 
Laubbäume  600,  Vegetationsforma- 
tionen 620,  Flora  622,  Getreidegrenze 
634,  Zentren  von  Nabrungspflanzen 
639,  Fauna  657,  659,  600  f.,  663. 
Asowsches  Meer,  Eisbildung  263. 
Aspirationspsychrometer  3 4 . 

Assai  597. 

Assalsee  537. 

Assmann  54. 

Astrachan,  Verdunstung  u.  Regen  126, 
544. 

Astragalus  591. 

Astuarien  407. 

Astuariumshäfen  585. 

Asymmetrische  Faltengebirge  470,  494. 
Asymmetrische  Thäler  386. 

Atacama,  Regen  128,  Vegetation  618. 
Atliabaskasee  485. 

Atlantischer  Küstentypus  375. 
Atlantischer  Ozean  25,  26,  Areal  27, 
193,  Tiefe  39,  193,  197,  Lufttem- 
peratur 65,  Windgeschwindigkeit  89, 
Luftdruck  und  Wind  102 ff.,  108, 
Regen  125,  127,  128,  130,  133, 
Bodenrelief  1 95,  198,  Bodenbedeck- 
ung 202 ff.,  Alter  206,  Salzgehalt 
214,  Farbe  218,  Wellen  221,  222, 
Gezeiten  233  ff. , 239,  Strömungen 
242  ff , 251,  Oberflächentemperatur 
252,  256,  257,  Tiefeutemperatur  255, 
262ffT267TZu  gangsdimeusionen  264, 
Vulkane  310,  Flußgebiet  523,  Inseln 
570 

Atlantischer  Torf  182. 

Atlantische  Welt  34. 

Atlas  30,  Regen  127 , Vulkane  313, 


Erdbeben  334 . Richtung  476,  Be- 
ziehung zum  V orland  477 , Flora  630. 

Atmosphäre  s.  Luft. 

Ätna  304,  307,  334.  502,  Erdbeben 
334,  Kraterweite  501,  Getreidegrenze 
635. 

Atoll  564. 

Aubry  457,  463*. 

Auchenien  654. 

Auckland,  Vulkane  502. 

Aucklandinsel  559. 

Auerberg  493. 

Auerochs  659. 

Aufgelöste  Flexurgebirge  498  f. 

Aufgesetzte  Ebenen  443,  449,  491. 

Aufschließungsküsten  583. 

Aufschüttungsbecken  531,  532  f.,  535. 

Aufschüttungsboden  428,  429,  432. 

Aufschüttungshäfen  583. 

Aufsteigende  Luftströme  52. 

Aufsteigeude  Quellen  365. 

Auftriebwasser  253  ff. 

Ausfüllungsdelta  404. 

Ausfüllungsterrassen  390. 

Ausgeglichene  Küste  577,  578,  583. 

Ausräumungsbecken  534,  535. 

Außenküste  575. 

Äußere  Zone  64,  im  Januar  68,  im 
Juli  10. 

Aussichtsweite,  Veränderungen  296. 

Australalpen  491,  492. 

Austral-asiatisches  Mittelmcer  192,  193, 
Areal  und  Tiefe  193,  Bodenrelief  200, 
Salzgehalt  216,  Strömungen  241. 
Tiefentemperatur  267. 

Australe  Florenzoue  625  f.,  628. 

Australgolf  29. 

Australien,  höchste  Breite  25,  Grenzen 
27,  Oberflächenform  32,  Höhe  36, 
39,  Temperatur  66,  68,  70,  Wärme- 
schwankung 79,  Luftdruck  u.  Winde 
105  f.,  Wüstenwinde  116,  Regen  128, 
129,  135,  Hagel  141,  Klimaprovinzeu 
174,  175,  Niveauveränderungen  290, 
291,  Flüsse  373,  527,  Bodenarten  428, 
429.  431,  Bau  443,  453,  495,  Ab- 
flußloses Gebiet  522,  523,  Wasser- 
scheiden u.  Abdachungen  523.  Binnen- 
seen 542,  545,  Halbinseln  549,  Küste 
575,  Küstenabstand  587 , Flora  594. 
622,  625,  626.  632,  Palmen  595,  596, 
Eukalyptenwälder  611 , Steppen  u. 
Wüsten  616,  618,  Skrub  619,  Vege- 
tationsformationen 620,  Fauna  651, 
663. 

Australische  Flachsee  199. 

Australisches  Riff  564. 

Australmonsun  109. 

Auvergne  504. 

Avoca  530. 


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Register. 


6t»9 


Avon  530. 

Aye-Aye  55S, 

Azoren  572,  573,  624. 

ßabirusa  alfurus  557. 

Backerinsel,  Regen  132. 

Baden-Baden  368. 

Bad  land  erosion  454. 
v.  Baer  528,  529,  543,  641. 

Baersehea  Gesetz  529. 

Baffinbai  191. 

Bagdad,  Regen  121. 

B agneres -de- Luchon  3fi3. 
Bagneres-di-Bigorre  368. 

Bahia,  Gezeiten  234. 

Bahr  el  Ghasal  543. 

Baikalsee  536,  537,  538. 

Baku,  Schlammsprudel  320,  321. 
Balkan  30,  Vulkane  313,  Bau  475. 
Einteihuig  477,  Durcligangstlial  512, 
Völkerscheide  519 
Balkanhalbinsel  549,  551,  553. 
Balkaschsee  544. 

Ball  6Ü5. 

Ballah.  Seen  28. 

Ballonfahrten  54.  f. 

Baltische  Länder,  Temperaturabwei- 
chung ai 

Baltische  Seenplatte  447,  522. 

Bambus  598,  599. 

Bananen  597. 

Banatergcbirge  512. 

Bandainseln  557. 

Bandaisan  304,  308. 

Bandlicht  4iL 

Bandstruktur  der  Gletscher  158,  der 
Bergabhänge  349. 

Banyanen  598. 

Barabastcppe  615. 

Barbadoes  5B8. 

Barcliane  412. 

Bären  656,  659,  SM. 

Bärensee  485. 

Barentsee,  Tiefentemperatur  266. 
Barnaul,  Regenschwaukungen  160. 
Barometerschwankungen  109. 
Barometrische  Höhenmessung  440. 
Barometrisches  Maximum  24, 
Barometrisches  Minimum  94. 
Barral-Bixio  55. 

Barranco  502. 

Barren  200,  403,  585, 

Barren  Valley  460. 

Barriereriff  564. 

Barth  79. 

Barysphäre  I« 

Basalt  299,  312, 

Basel,  jährl.  Wärmeschwankung  82, 
Basische  Eruptivgesteine  299. 

Batate  637. 


Batavia,  tägl.  Wärmeschwankung  fLL 
Bates  645. 

Batliolitheu  506. 

Bätisches  Gebirge  s.  audalusisch.  Geb. 
Bauerngraben  359. 

Baumann  315,  822*,  525. 

Baumfarn  591,  596. 

Baumgrenze  s.  Waldgrenze. 
Banmstachelschwein  654,  661 . 
Baumwolle  637. 

Bayrische  Hochebene  Klima  1 12. 
Bayrischer  Wald  629. 
de  Bcaumont  484. 
v.  Bebber  42*,  77*. 

Becker,  G.  IL,  13*. 

Beelfoot  Lake  534. 

Beerensträucher,  Zone  der,  637. 

Behr  512, 

Beifußgewächse  61 7. 

Bekaä  314. 

Beicher  563. 

Beleuchtungszonen  46. 

Belgien,  Wald  631. 

Belize,  tägl.  Wärmeseliwankung  81L 
Bell  496*. 

Beil-Rock  417. 

Belutschistan,  Erdbeben  332. 

Beneä  6,  E, 

Bengalen,  vertikale  Wärmeabnahme 
56,  57,  60,  Regen  126,  Erdbeben  337. 
Bengalen,  Meerbusen  v.  191. 

Bcnguela,  Gezeiten  234. 

Benguelastrom  246,  253. 

Ben  Nevis,  Temperaturabnahme  56. 
Benthos  203. 

Berendt  160,  530. 

Beresow,  Sommertemperatur  636. 

Berg  436. 

Bergfeuchtigkeit  354. 

Berghaus,  Heinrich  585. 

Berghaus,  Herrn.,  206*,  276*,  500, 
524,  636,  639*. 

Bergklima  51  f.,  32, 

Bergkrankheit  42. 

Bergland  437. 

Berglauf  520. 

Bergreis  633. 

Bergschrund  160. 

Bergsturz  351. 

Bergunthal,  Erdpyramiden  351. 
Bergwind  111. 

Beringmeer  192 , Areal  u.  Tiefe  193, 
Bodenrelief  199.  Eisbildung  266. 
Beringstraße  25,  26j  196. 

Berlin,  Zahl  der  heiteren  Tage  121. 
Grundwasser  355,  Mächtigkeit  des 
Diluviums  447,  Seehöhe  447. 
Berliner  Verein  f.  Luftschiffahrt  54. 
Bermudas  552,  570,  Flora  und  Fauna 
571,  572,  512. 


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670 


Register. 


Bern,  tägl.  Wärmeschwankung  30. 

St.  Bemhard  59,  SIL 
Bernina  483,  603. 

Berson  42,  55,  121. 

Besenstrauch  391. 

Beßarabische  Depressionen  536. 
Bessel  5,  £. 

Besteck  241. 

Bestrahlungsstärke  43. 

Betelnuß  537. 

Beutelratten  653. 

Beuteltiere  651,  653,  664. 

Bevers  59,  80,  83. 

Bewölkung  121. 
v.  Bezold,  101*,  141*. 

Biafogletselier  168. 

Bialowitzer  Wald  639. 

Biber  fififl. 

Biermann  184,  190*. 

Bifurcation  524. 

Billwiller  112. 

Bimsstein  304. 

Biunendelta  403. 

Binnendepressionen  536. 
Binnenlanddünen  410,  412. 
Binnenmeere  191,  Salzgehalt  216,  Ge- 
zeiten 238. 

Biuodale  Wellen  227. 

Binsen  547. 

Birke  591,  612. 

Birkeutuff  182. 

Birket  el  Koriin  531. 

Bisamochs  646.  648. 

Bischof  9. 

Biskra  121,  127. 

Bismarck-Archipel  311. 

Bison  ,659,  660. 

Bitterseen  28,  343. 

Bl  aas  40 1 *. 

Black  Hills  4119. 

Blanc  415*,  531  *. 

Blanckenhorn  499 *. 

Blanford  111,  1 16*.  190,  543. 

Blatt  (geologisch)  272,  215. 

Blattnaseu  654,  638. 

Blaueis  1 55. 

Blauer  Schlick  201.  203. 

Blink  528,  331*. 

Block-Insel,  Gezeiten  234. 

Blocklava  303. 

Bludenz,  Regen  123. 

Blue  Mountains  487. 

B 1 ü mek e 397,  toi  *. 

Blunt  61 7. 

Blytt  181,  182.  186. 187,  190*,  281,286. 
Blyttsche  Klimaperioden  183. 

Bocche  di  Cattaro  383. 

Boehorno  1 12. 

Bodden  516. 

Bodenarten  345,  4.2.7  ff. 


Bodeneis  14, 

Bodensee  528,  545. 

Bodmer  392,  401  *. 

Bogendünen  412. 

Bogenförmige  Abrasionsküsten  420. 

I Bogenförmige  Faltengebirge  473. 

! Bogoslowa  317. 

Bogota  139,  604. 
v.  Boguslawski  206*,  244. 

V.  Böhm  479*,  540,  348 *■ 

Böhmen,  Regen  125. 

Böhmer  Wald  347,  490. 
j Böhmisches  Massiv  474,  490,  491. 

| Böhmisches  Mittelgebirge  313,  304. 

Boiumgletseher  1 70. 

| Bokkeveld-Berge  484. 

I Böigen,  Strandterrasse  419. 

' Bolivia  33,  633. 

Bolseua,  Kratersee  313. 

, Bomben  299. 

Boninströmung  247. 

Bonn,  Länge  des  Sekundenpendels  3. 
j Bonneville-See  184,  296,  343. 
j Bonvalot  310. 

Boothia  Felix,  Niederschläge  142. 
Bora  113. 

Boraxseen  543,  344. 

| Bore  938. 

' Borcale  Flora  622.  625,  627. 

) Borcale  Wurzelschicht  1 82. 

J Borgen  234,  235*,  271. 

Borkum  117,  421,  555. 

Bornemann  322A 
! Bournemouth,  Erdpyramiden  351. 
Borneo  557.  605. 

Börscli  211. 

Borstenferkel  654,  664. 

Borstengras  346. 

Borstenigel  654,  655,  664. 

Böschungen  auf  dem  Meeresboden  und 
Festland  194,  im  Gebirge  348  ft’. 
Bosnien  394. 
j Bourbon -Vulkan  303. 
j ltourdaloue  296. 

Boussinesq  375,  381  *. 

Bozen,  Erdpyramiden  351. 

Bracciano,  Kratersee  v.,  313. 
Brackebusch  155,  163*. 

Brackwasser  402. 

( Brahmaputra  405,  Thal  508. 
j Brauco  299*  313*  322*.  454,  455. 
lirandis  607. 

Brandt,  K.  6501. 

[ Brandung  223,  41.7. 

I Srand weinsbai,  Korallenriffe  530. 
Brasilianisches  Sandsteinriff  421. 
Brasilien,  Gebirge  33,  443,  491,  Late- 
nt 352,  Strandseen  533 , Küste  3*3. 
578,  W ald  609.  622,  Campus  613,  614. 
Brasilstrom  246. 


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Register. 


(»71 


Brauer  062,  004 *, 

Brauner  Jura  20. 

Brauns  295. 

Bravais  284,  285. 

Breitenloliner  hkii. 

Brenner  517,  519. 

Breslau  77*  117. 

Brenta -Alpen,  Schneegrenze  149. 
Bretagne  490,  549,  582. 

St.  Bridesbai  420. 

Brienzer  See  545. 

Bristenstock  349. 

Bristolkanal,  Flutgröße  238. 

Britische  Inseln,  Bewölkung  121, 
Niveauvcräuderungen  288,  Küsten 
417 , 420,  422,  Seen  536,  Alter  und 
Fauna  554,  555,  Wald  631 . 

Brito,  Hafen  v.,  28. 

Brocken  493. 

Bromatorische  Linien  639. 

Bromberg,  Seehöhe  447. 

Broms,  Strandlinie  285. 
Bronzitchondrite  UL. 

Brotbaum  598. 

Brown  463*. 

Bruchberge  494. 

Bruchnetze  273. 

Bruchstufen  457,  462. 

Bruchzone  27,  206. 

Brückner  145,  146,  149',  177,  181, 
190*,  211,  287,  297*  298*. 
Brückncrschc  Klimaperioden  186,  21 1. 
Bryson  369. 
v.  Buch  281,  314. 

Buehan  77^  101,  HO*.  219*,  271 
Buche  591,  61 1. 

Buchsbaum  600. 

Buchtenländcr  446,  449. 

Budsak  376. 

Büffel  656. 

Büftelgras  615. 

Bugmündung  406. 

Buh  sc  617. 

Bukatatanoa  567. 

Bum-Bum-Riff  563. 

Bunge  617. 

Bunscn  318,  369,  370. 

Buntsandstein  211. 

Burträsk,  Strandliuie  285. 

Burtscheid  367. 

Busch  613,  filü. 

Büschelgras  615. 

Büßerschnee  155. 

Buxton  644. 

Buy s-Ballot  72,  77*. 
Buys-Ballotsches  Gesetz  SS. 

Cacao  637. 

Calabrien  480,  551,  Erdbeben  325,  333, 
334,  337. 


Calamus  597. 

Calcutta-Hafen  585. 

Caldera  306,  v.  Palma  502. 
Calcdonisches  Gebirge  491. 
Caledonischcr  Kanal  483,  518. 
Californien,  Klima  175,  Erdbeben  330, 
Geysire  370,  Thal  508,  Seen  540, 
Halbinsel  549,  Vegetation  614,  620, 
Flora  624,  Fauna  658. 

Californien,  Golf  v.,  193. 

Californisch  - mexicanische  Strömung 
246,  253. 

Caltabianco  387. 

Cambrisclie  Formation  11L 
Campanula  excisa  593. 

Campbellinsel  559. 

Campos  613,  614,  Regen  128. 
Canadische  Hestruktionsfläche  485. 
Canadisches  Berufkraut  593. 
Canadische  Seen  485,  536,  545.  581. 
Canale  di  Lerne  583. 

Canaren,  Wüstenwinde  116,  Vulkane 
312,  Flora  u.  Fauna  572,  574,  624, 631. 
Candolle  639*. 

Canidae  661. 

Cannes,  unterseeische  Quelle  358. 
Cafions  388,  451  f. 

Capoes  614. 

Caprotinenkalk  363. 

Capverdcsche  Inseln  561 , Passatstaub 
202. 

Caracas,  Erdbeben  325. 

Carandapalme  610. 

Carolinen  567. 

Carpantaria-Golf,  Strömungen  241. 
Casa  inglese,  Wärmeschwankung  82. 
Casio  uiare  524. 

Castilicn,  Plateaus  v.  445. 

Casuar  664. 

Casuarinen  591,  611,  625. 
Catalonisches  Gebirge  5 1 2. 

Catena  metallifcra  480. 

S.  Catharina,  Gezeiten  234. 

S.  Catharina  (Prov.)  Wald  610. 
Catiugas  614. 

Cauca  526. 

Causses  363.  364,  401. 

Caviana  5so. 

Cayenne,  Gezeiten  234. 

Celebes,  320.  557. 

Celebes-See,  Tiefeutemperatur  267. 
Celsius  281L 
Cenoman  21L 
Cerealien  s.  Getreide. 

Cerro  Gordo,  Niveau  Veränderung  291. 
Ceylon,  vertikale  Wärmeabnahme  56, 
Regenzeit  135,  Fauna  555,  657,  Ge- 
birgsflora  630. 

Cbalkidike  551 . 

Challenger-Expedition  194,  207  ' ■ 


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672 


Register. 


Chamacrops  596. 

Champagne  455. 

Champlain-Hudsonthal,  Winde  1 12. 
Champlainperiode  390. 

Champlainsce  .r)36. 

Chanar  020. 

Chargeh-Oase  184. 

Charlestou,  Erdbeben  326, 329,  330,  337. 
Chataminsel  9.79. 

Chatangathal,  Waldgrenze  001. 
Cbaudesaigues  307. 

Chavauue  40*. 

Chemische  Erosion  341. 

Chemische  Verwitterung  343. 

Cher  520. 

Chester  293,  298*. 

Chile,  scheinbare  vertikale  Wärmezu- 
nahme 60,  Regen  129,  Schneegrenze 
143,  Niveauveriinderungeu  291,  Vul- 
kane 311,  Erdbeben  335,  Seen  536. 
Waldland  610,  611,  Steppen  616, 
Flora  626,  Getreidegrenze  635. 
Chiltemhügel  496. 

China,  Gebirge  32,  Luftdruck  108,  Re- 
gen 126,  Klimaprovinz  174,  Löß 
414,  431,  445 f.,  452.  Bodenarten  429, 
Tiefland  446,  Küste  575,  582,  Wald 
61 1,  Maquis  620,  Flora  624,  631, 
Fauna  658,  660. 

Chinchillas  654. 

Chistoni  122*. 

Chloros  631. 

Choffat  468. 

Choisy  415*. 

Chorigraphische  Kurve  586. 

Christ  590,  595*,  604,  606,  CiL 
Christmas  Island  568. 

St.  Christof,  Regen  125. 

St.  Christoph-Insel  314. 

Christy  615,  621  *. 

Churfirsten  349. 

Cibinfluß  515. 

Cierzo  112. 

Circckap  480. 

Cireumterraner  Ozean  21L 

Cirkus  309 

Cirque  de  neve  509. 

„Cirrus“,  Ballon  äh, 

Cirruswolken  121. 

Cissa  293. 

Cistrosengewüehsc  594. 

Clarke  5,  ß. 

Coahuillathal  537. 

Cockburninsel  602. 

Colorado,  Tafelland  33,  451,  454,  458, 
498.  504,  Regen  128,  Canon  388, 
Fluß  520,  Vegetation  C06,  617. 
Coloradokette  497,  493, 

Columbia  (Fluß)  407,  Lavafeld  am  C. 
311,  ALL 


Columbia  (Staat),  Cordillere  v.32,  wärm- 
ster Monat  81,  Getreidegrenze  635. 
Comoren  561,  631. 

Comosce  536,  545. 

Conception,  Regen  129. 

Coneyinsel,  Laud-  und  Seewinde  111. 
Connecticut  (Delta)  4115. 

Conway  167,  168,  173*. 

Cook  293,  298*. 

Cooper  Creek  403. 

Copernikanisches  Weltsystem  L 
Copiapo,  Regen  129. 

Cordilleren,  Schneegrenze  148,  Vulkane 
312. 

Cornwallis  490,  582. 

Coromandel,  Regenzeit  1 35. 
Corralgletscher  166. 

Corrasion  341. 

Corsica,  Flora  624. 

Corypha  umbraculifera  599. 

Coseguina  302. 

Costa  Rica,  Getreidegrenze  635. 
Cotidal  lines  233,  236. 

Cotopaxi  302,  303,  304,  500. 

Cotswold  Hills  456. 

Cottonsoil  415. 

Courbis  412,  415*. 

Cratithal  550. 

Credner,  H,  22*. 

Credner,  R.  227,  228*,  403,  407, 
408*,  535,  537,  548«. 

Creeks  373. 

Creuse-Vienne  526. 

Crkviec,  Regen  125. 

Croll  2,  6Z,  186,  187,  190*. 
Cryptoproctidae  556. 
Cuddapahformation  22. 

Cuneo,  Aussichtsweite  296. 

Custozza,  Hügel  430. 

Cviji  6 370*. 

Cykladen  553,  Vulkane  313. 

Cyklische  Periode  der  Polarlichter  5L 
des  Klimas  78,  185. 

Cykloide  21iL 
Cykloncn  94,  91. 

Cynopithccus  nigrescens  557. 

Cypressen  601. 

Dachsteingebirge  473. 

Daciabauk  196. 

Daemouorops  597. 

Dali  198,  247,  601. 

Dalmatien,  Bora  113,  Regen  125,  Ni- 
veauveränderungen 293,  unterseeische 
Quellen  358,  Küsten  417,  583,  Inseln 
553,  Waldgrenze  604,  605. 
Damaraland  618. 

Dammbecken  532,  535. 

Dämmerung,  47,  202. 

Dammriff  564. 


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Register. 


H73 


L>ampf(|uelleu  367. 

Dana  23^,  306,  322*,  503,  500*,  566, 
574  * 5ftl . 

v.  Danckelman  131,  133 *,  139,  141  *. 
441  *■ 

Dänemark,  Wald  63 1 . 

Danziger  lluelit  425. 

Dänen,  Isthmus  v.  23, 

Darling  373,  526. 

Darß  576. 

Darwin,  Chr.  3,  6^,  294,  345,  353*, 
565,  566,  567,  568,  569,  570,  571, 
572,  574*,  642. 

Darwin,  G.  H,  13*. 

Dastarjan,  See- Bei  543. 

Dattelpalme  597. 

Daubrec  315,  322,  355,  3£L  370*. 
390. 

Dauphine,  Flora  592. 

Davis,  W.  M.  487,  496*. 

Davison  346,  353 *■ 

Davos,  Klima  58. 

Dawson  496*. 

Death  Valley  537. 

Debreczin,  Seen  bei,  543. 

Deflation  341,  409. 

Dehna  617. 

Dekan  32,  Regen  126,  Trappplateau 
307,  443,  491,  Massiv  491,  Halbinsel 
550,  Flora  622,  Fauna  657. 
Delaware,  Niveauveränderung  293. 
Delebpalme  610. 

Delta  403ff. 

Deltaküsten  406. 

Deinawend  303,  309,  312. 

Deniquil,  tägl.  W ärmeschwankung  19. 
Denudation  341,  346. 

Denudationsberge  462. 
Denudationsgebiete  346. 
Deuudationsniveau  342,  483,  484. 
Denudationsstufen  454,  462, 
Depressionen  536  f. 

Derborence,  Seen  v.,  532. 

Derby  496*. 

Dersch  116*. 

Destruktion  340. 

Destruktionsfläche  487,  495. 

Detrition  341. 

Deutschland , Temperaturabweichung 
87,  Weinbau  188.  Tiefebene  195, 
447,  innere  Niveauveränderungen 
296,  Flüsse  529,  Küsten  576  f.,  582, 
Flora  623,  629,  WTald  631,  Schmetter- 
lingsfauna 644. 

Devon  20,  22. 

Dewdarokgletscher  157. 

Diagonale  Stromzerlegung  384. 
Diathermanität  der  Luft  43, 
Diatomeen  640. 

Diatomeenschlamm  204. 

Supan,  Physische  Erdkunde.  2.  Aufl. 


Dichte  der  Erde  2, 

Dichte  des  Meerwassers  213,  260,  als 
Erzeugerin  von  Strömungen  241,  248. 
Dichtigkeitsfläche  210. 

Didica  317. 

S.  Diego,  Temperatur  70,  Regen  127. 
Diener  479*. 

Dietrich  196,  207*,  569. 

Dikotyle  Angiospermen  621. 

Diller  322,  481,  496*. 
Diluvialterrassen  390. 

Diluvium  20,  182,  1 83,  1 85. 
Dimensionen  der  Erde  5. 

Dingo  651. 

Dinklage  202,  207*,  254,  255*. 
Dinse  588*. 

Diskordante  Küste  575,  577,  583. 
Dislokationen  44,  272. 
Dislokationsbeben  331,  332,  336. 
Djursten,  Niveauveränderung  287. 
Dujepr  526. 

Dnjestr-Delta  404. 

Dobrudscha-Küstc  425. 

Doering  291 . 

Dofane  315. 

Dogger  20. 

DoKutschajew  415*. 

Dolinen  äfiOf.,  362,  363. 

Dollart  421. 

Dölter  292,  561,  574*. 

Domeyko  335. 

Dommesten,  Regen  125. 

Donau  520,  521 , Eisbedeckuug  374, 
Abtragung  381 , Delta  406,  Durch- 
bruchsthäler  512,  Verbindung  mit 
dem  Rhein  524,  System  525,  526, 
Größe  527,  Ablenkung  529 , Ver- 
änderung des  Gebietes  531. 
Donaubecken  444,  445. 

Donez,  Kohlengebiet  am,  442. 
Donner  631. 

Doppeliuseln  552. 

Doppelküsten  576. 

Doppellauf  521. 

Doppelte  Randfaltung  478. 
Doppelthäler  517. 

Dorfersee  523. 

Hornsträucher  608,  616,  619,  620. 
Douehty  462*. 

Douglastanne  612. 

Dove  71,  72,  86,  88*,  101,  H9,  234, 
Windtheorie  9J_,  Drehungsgesetz  98. 
Downs  499. 

Drachenbaum  598,  624. 

Drakenberge  457. 

Drakensteenberge  4M. 

Drammengranit  506. 

Ilrance  514. 

Draperien  (Tropfstein)  357. 
v.  Dräsche  480. 

43 


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674 


Register. 


Drauthal,  vertikale  Wärmezunahme  ML 
Drei  Herren-Spitze  511. 

Dribbles-cones  306. 

Drude  595*,  596,  610,  622,  627,  632 *. 
Dryastuff  182. 

v.  Drygalski  156,  219*,  286,  289, 
297*,  298*,  401  *. 

Dschamuna  530. 

Dschihan  530. 

Dschungel  608. 

Dschungclgebüsch  620. 

Dubois  184,  190*. 

Dumpalme  597,  610. 

Düna,  Eisbedecknng  374. 

Dünen  410,  41 1 ff. 

Dünenwüste  410. 

Dunkelmeer  255. 

Dunstdruck  116,  Linien  gleichen  D.  117. 
Dünung  223. 

Duppauer  Gebirge  313. 

Durance  530. 

Durchbruchsthäler  511. 
Durchgangsmeere  192. 
Durchgangsthäler  514  ff. 
Durchgreifende  Gebirge  479. 
Durchgreifende  Wasserscheide  511. 
Durchlässiger  Boden  354. 
Durchschnittstemperaturen  der  Breiten- 
grade Tf,  72,  der  Zonen  etc.  72. 
Durrha  634. 

Dutton  278*,  306,  322*,  337,  338, 
340*,  388,  401*,  463*,  467,  499*; 
Dwina  374,  526,  527. 

Dyas  20. 

Earthquakes  322. 

Ebbe  229,  233. 

Ebene  (Ebenheit)  436,  438,  44.11. 
Ebenmaß  von  Zerstörung  und  Fort- 
sehaffung  428. 

Ebermayer  190*. 

Ebrodelta  403,  404. 

Ebrothal  512,  Winde  112. 

Echo  Cliffs  439. 
v.  Eckert  53 1 *. 

Ecuador,  Strandterrasse  419,  Wald- 
grenze 604. 

Edentaten  645,  653,  664. 

Edmondstone  560. 

Egerthal  512. 

Eginitis  337. 

Ehrenberg  202. 

Ehrenburg  587,  388*. 

Eiche  591,  534. 

Eide  579. 

Eichhörnchen  641,  660,  661. 

Eidechsen  645. 

Eiderdelta  405. 

Eifel,  Maare  299,  Vulkane  310,  315, 
Bau  494. 


| Eiffelturm,  Temperatur  53,  Wind  2Ü. 
Einbruchshäfen  583. 

Einfache  Faltengebirge  467,  494. 
Einfache  Verwitterung  343. 

Einseitige  Randfaltung  413. 
Einsturzbeben  331,  336. 

Einsturzbecken  534,  535. 

Eintagstiden  232, 

Eintiefungsbecken  531,  533  ff.,  535, 

Eis  15. 

Eisack  515. 

Eisbär  558,  646,  662, 

Eisbedeckung  der  Flüsse  374. 

Eisberge  171,  269. 

Eisbildung  in  Süßwasserseen  259,  im 
Salz wasser  260,  269. 

Eisboden  427,  428,  432. 

Eisbrocken  269. 

Eisenbahnen,  Einfluß  anf  die  Pflanzen- 
verbreitung 623. 

Eisfelder  269. 

Eisfjord  583. 

Eishöhlen  357. 

Eismeerbecken  198. 

Eismeere  26. 

Eispressung  269. 

Eisschollen  269. 

Eisseen  532. 

Eiszeit  183 ff.,  Einfluß  auf  die  Ober- 
flächenformen 391,  519,  538.  auf  die 
Pflanzenverbreitung  623,  629,  auf 
die  Tierverbreitung  643,  647,  658, 
Eiszunge  150. 

Elbe  525,  Gezcitengrenze  238,  Eisbe- 
deckung 374,  Sedimentführung  380, 
Mündung  405,  406,  Veränderungen 

530. 

Elbsandsteingebirge  s.  Sächs.  Schweiz. 
Elbthal  389. 

Elbure-Gebirgc  312.  398,  616. 
Elefanten  643,  650,  656,  658. 

Elen  652, 

Eifert  122*. 

Elis,  Bau  482. 

Elk  Mountains  498. 

Ellice-Inseln  567. 

Elm,  Bergschlipf  352. 

Else  524. 

Eltonsee  543. 

Eluvialboden  428,  429,  432. 

Eluvium  342. 

Emergenzwinkel  323. 

Emmons,  1L  292,  298 *. 

Emmons,  S.  F.  498,  499*,  516. 

Ems  405. 

Emser  Quelle  368. 

Emu  664. 

Enaresee,  Getreidebau  634. 

! Endemismus  554.  559. 

| Endmoränen  162. 


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Register. 


(575 


Endogene  Phänomene  212. 

Endverwaehsung  von  Faltengebirgen 
476. 

Energiequellen  14. 

Engadin,  vertikale  Wärmezunahme  59, 
Berg-  und  Thalwind  112,  Seen  545, 
Getreidebau  636. 

England , Temperaturveränderlichkeit 
84,  Temperaturabweiehung  87,  Winde 
103,  Kegen  123,  137 , Niveauver- 
änderung  29(4,  Mineralgehalt  der 
Quellen  366,  Abtragung  361,  Küsten 
422,  Trennung  vom  Kontinent  423, 
Tiefland  456,  Schmetterliugsfauua 
644. 

Eugler  559,  593,  595*,  621,  625,  Ü2&, 

Enns  515. 

Ensete-Pisang  599. 

Eocän  20. 

Eogen  2£L 

Epigenetischc  Thäler  400,  514. 

Epiphyten  609. 

Epizentrum  des  Erdbebens  323, 

Epomeo  313. 

Equus-Schicbten,  Fauna  653. 

Erdbalm  43,  45, 

Erdbeben  15,  322  iE,  Bergstürze  351 , 
Temperaturänderung  d.  Quellen  338, 

Erdbebenbrücken  328. 

Erdbebenfluten  225,  Berechnung  der 
Meerestiefe  197. 

Erdbebengebictc  334. 

Erdbebenherd  323,  337. 

Erdbebeninseln  323, 

Erdbebeninstrumente  324. 

Erdbebenperiode  325. 

Erdbebenstatistik  336. 

Erde,  Gestalt  3,  Dimensionen  5,  Teile 
7,  mittlere  Dichte  7,  Geschichte  19, 
Verhältnis  von  Wasser  u.  Land  23, 
24,  25. 

Erdenluft  41. 

Erdferkel  636. 

Erdinneres,  Temperatur  8,  Beschaffen- 
heit lüf.,  Gezeiten  17,  240,  339. 

Erdkrume  343. 

Erdkruste  12,  vertikaler  Aufbau  34, 
mittlere  Höhe  23. 

Erdkunde  s.  Geographie. 

Erdmagnetismus  AL 

Erdpyramiden  390. 

Erdrotation,  Ablenkung  17,  der  Winde 
88,  der  Flutwelle  236,  Erzeugung 
der  Meeresströmungen  247,  Ablen- 
kung der  Meeresströmungen  251, 264, 
Schwankungen  281,  Ablenkung  der 
Flüsse  528. 

Erdwolf  656,  664. 

Erebus  484. 

Erica  cinerea  600. 


Eriekanal,  Eisbedeckung  374. 

EBker  430. 

Erle  612. 

! Erloschene  Vulkane  310,  503. 

Erosion  341,  377.  381. 

Erosionsbasis  384. 

Erosionsgebirge  453,  462,  504. 

Erosionsspuren  339. 

Erosionsterininante  383. 

Erskine  650. 

Eruption  der  Vulkane  3üfiff,  3Q9. 

Eruptionsperiode  303. 

Erythräischer  Graben  314. 

Erzbach  515. 

Erzgebirge,  Wärmeabnahme  56,  Tem- 
peraturveränderlichkeit  85,  Vulkane 
313,  Bau  u.  Geschichte  489,  490, 
492,  Granit  506. 

Escher  5113, 

Essen,  Erdbeben  327. 

Esthland  396. 

Etage  (geologisch)  19. 

Etewald  609. 

Etheridge  298 *. 

Etmal  241. 

Etsch  380,  520. 

Etschthal  509. 

S.  Eufemia-Golf  550. 

Eukalypten  591.  599,  611,  625,  622, 

Euphorbien  591. 

Euphrat  405,  530. 

Eurasien  660,  Fauna  661. 

Eurekagebirge  432. 

Euripus-Strömungen  227. 

Europa,  höchste  Breite  25,  Grenzen  29, 
Areal  30,  Oberflächenform  30,  Höhen- 
stufen 36,  Mittlere  Höhe  39,  Tem- 
peratur 69,  Windgeschwindigkeit  89, 
Gradient  96,  Barometrische  Minima 
97,  98.  Luftdruck  u.  Winde  103, 
108f,  Bewölkung  121.  Regen  Wahr- 
scheinlichkeit 131,  Gewitter  139,  Ha- 
gel 141,  Gletscher  166,  169,  Regen- 
Schwankungen  180,  Eiszeit  183,  Vul- 
kane 310,  312,  Erdbeben  334,  Dünen 
412,  Löß  414,  Bodenarten  428,  429, 
Wasserscheide  522,  Abflußloses  Ge- 
biet 522,523,  Abdachungsgebiete 523, 
Flüsse  597,  Halbinseln  549.  Küste 
575,  Küstenentwicklung  585,  586, 
Küstenabstand  587,  Palmen  595,  596, 
Grenze,  der  immergrünen  Gewächse 
u.  sommergrünen  Laubbäume  600, 
Wälder  61_L  Heide  620,  Vegctations- 
fonnatiouen  620.  Fora  623.  631,  Ge- 
treidegrenzen 634,  Obst  637,  Zentren 
von  Nahrungpflanzen  639,  Tertiäre 
Fauna  643,  651 , Umgestaltung  der 
Fauna  658,  Jetzige  Fauna  660  f. 

| Europäische  Gradmessung  5. 

43* 


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676 


Register. 


Kustatische  Niveauveränderungen  280, 
281. 

Euterpe  oleracea  597. 

Eutroplus  556. 

Evorsionsbecken  534,  335. 

Ewiger  Schnee  150 
Ewiger  Schneeberg  Ififl. 

Exaration  341. 

Excessives  Landklima  82. 

Exogene  Wirkungen  340. 
Expansionsthorie  27«. 

Exploring  Isles  5R7. 

Explosionsbecken  534,  538. 
Explosionstiuten  22«. 

Exzentrizität  der  Erde  18«. 

Fächerstruktur  485. 

Falb  338. 

Falkeninsel  317,  5«8. 

Falklandinseln  555,  «02. 

Falklandstrom  246,  253,  235. 

Falten  463. 

Faltengebirge  463  ff.,  434,  433. 
Faltenland  275,  463,  434. 
Faltenschollengebirge  482,  494,  498. 
Faltenscbollenland  482,  553. 

Faltung  der  Schichten  14,  272,  275. 
Faltungsbecken  538. 

Faltungsepochen  22, 

Faltungsintensität  468. 

Faradayhügel  19«. 

Farben  der  Tiere  641. 

Farne  598,  608. 

Färöer  571,  572,  636 
Färöer-Shetlands-Rinne  266. 

Fasanen  658. 

Fastebeue  486. 

Faulhorn  344,  347. 

Faultier  634. 

Faunenreiche  650 ff.,  662,  663. 

Faye  5. 

Fayum  538. 

Faziesgebiete  431  ff. 

Feigenbaum  624. 

Feinerdige  äolische  Ablagerungen  428, 
430,  433. 

Feldermethode  36, 

Fellacli,  Temperatur  59. 

Felsboden  427.  428. 

Felsdolinen  360,  362,  363. 
Felsengebirge,  vcrtik.  Wärmeabnahme 
56,  Föhn  115,  Gletscher  168,  Bau 
196  f.,  498,  Waldgrenze  604,  alpine 
Flora  630,  Getreidegrenze  635. 
Felsenmeere  347. 

Felssturz  331 . 

Felsterrassen  390,  392. 

Ferdinanden  316. 

Fennanschacht  SL 
Fernando  Po  561. 


Fernpaß  519. 

| Ferrel  91,  92,  93,  101*,  234,  235. 
Ferro,  Gezeiten  234. 

Festland  s.  Kontinente. 

Festländische  Inseln  552  ff. 
Feuchtigkeit  der  Luft  116. 

Feuerland,  Waldgrenze  604. 

Fjällfras  646,  662. 

Fjärde  582. 

Fichte  612. 

Fidschi-Inseln  552,  559,  566,  «22. 
Fiederförmige  Gliederung  510. 

Filhol  559. 

Finnland  550,  Niveauveränderungen 
286  ff.,  Moränenlandschaft  430,  Seen 
538.  539,  Fjärde  582. 

Fiuschhafen,  Regen  135. 
Finsteraarhorn,  Schneegrenze  144,  1 46. 
Finsterwalder  62*,  164,  165*,  397, 
401». 

Fjorde  578,  584. 

Fjordinseln  580. 

Fjordseen  580. 

Fjordstraßen  580. 

Firn  143. 

Fimeis  154. 

Firngletscher  150,  1 66. 

Fimnnie  144. 

Firnsee  (Karakorum)  168. 

Fischer,  Hans  1 49 *. 

Fischer,  Theobald  188,  420,  426*. 
Ul,  495*,  5XL 

Fisher,  0.  11,  12,  13^,  277,  466. 
Fitzroy  234. 

Fiumaren  372. 

Flachbogen-Küste  576. 

Flächenbeben  330,  332,  33«. 
Flächenberechnung  5. 

Flachküste  416,  421. 

Flachland  426,  442,  495. 

Flachlauf  520. 

Flachschichtung  442. 

Flachsec  196. 

Fladenlava  303. 

Fläming  447. 

Flammarion  1 18. 

Flarden  269. 

Flaschenreisen  241. 

Flattertiere  s.  Fledermäuse. 
Flechtentundra  602. 

Fledermäuse  645,  651,  654,  660,  661. 
Flevosee  421 . 

Flexur  274,  275. 

F'lexurgebirge  496  ff 
j Flexurstufe  457,  462. 

Floeberg  Beach,  Temperatur  69- 
F'Iora  589,  Einteilung  595,  627,  Alter 
und  Entwicklung  628. 

Florenz,  Regendichtigkeit  133 
I Florida  550. 


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Register. 


677 


Floridastrom  243  f. 

Flughörnchen  658. 

Flugsand  428,  432. 

Flugsandwüste  410. 

Flußdünen  412. 

Flüsse  371,  520  ff.,  jährliche  Periode 
und  Schwankungen  371,  Anschwem- 
mung 429,  Veränderungen  327. 
Flußeis  im  Eismeer  269. 

Flußpferd  636. 

Flußsedimente  378,  380. 

Flußspiegel  375. 

Flußsysteme  525,  Veränderungen  5311 
Flußufer,  Veränderungen  37(i. 
Flußvermischung  524. 

Flut  229,  238. 

Flutbraudung  238. 

Flutgröße  (Höhe)  229,  232,  238. 
Flutlinien  (Flutstundenlinien)  233. 
Föhn  114. 

Fol  217,  219». 

Forbes  157,  153. 

Forchhaminer  212. 

Förde  5x2. 

Forel  164,  165*,  218,  227,  228*.  259, 
271*,  326. 

Forelsche  Farbenskala  219,  Erdbeben- 
skala 320,  331L 
Formation  (geologisch)  19. 

Förmerich  310, 

Formosa  555,  Vulkane  31 1. 

Förster  42*. 

Förstle  514,  520*. 

Forstlich -meteorologische  Beobach- 
tungen 189. 

Fort  .lukon,  Wald  601. 

Fort  Mohave,  Regen  128. 
Fortpflanzung  der  Erdbeben  329. 
Fortschreitende  Wellen  219. 

Fort  Yuma,  Temperatur  71.  Regen  128. 
Fouque  329,  223. 

Fourier  9. 

Fraas  188. 

S.  Francisco,  Hafen  585. 

Franco  302. 

Frankenwald  489. 

Frankreich,  Länge  eines  Meridiangrades 
4,  Fläche  6.  Regen  123,  Niveauver- 
änderungen 290,  296.  Maare  299, 
Vulkane  310,  315,  Tiefland  455, 
Zcntralmassiv  490,  491,  Küste  576, 
Waldfläche  631, 

Franz- Josef-Gletscher  (Neuseeland)  169. 
Franz- Josef-Land  558,  Gletscher  157, 
171 , 172,  Niveauveränderung  288, 
Vegetation  603,  Rentiere  646. 
Franzius  381*. 

Frech  £74,  479 1 

Freie  Strömungen  250,  251. 

Freie  Wellen  235. 


Fresdorf  121 

Fre  shfield  173*. 

Fricker  271  *. 

Friedrich,  M.  149*. 

Friesische  Inseln  421  f.,  552. 

Friesische  Küste  576  f. 

Frische  Nehrung,  Dünen  412. 

Fritsch,  G.  188. 

Fritsch,  K.  v.  278*,  318. 

Fritz  48,  5jPj  141 

Frosinone,  Vulkane  313. 

Fuchs  558,  660. 

Fuchs,  K.  310,  318,  322»,  340*. 

Fuchs,  Th.  28,  40^,  58,  345,  590, 
640,  650*. 

Fumarolen  309. 

Funchal,  Gezeiten  234. 

Fundybai,  Flut  238,  Zerstörung  423, 

Furkagletschcr  1 59. 

Fusijama  500. 

Futterer  514,  520*. 

(»abelung  der  Flüsse  524. 

Gäbris,  tägl.  Wärmeschwankung  SfL 

Gaeta,  Golf  v.  577. 

Gal  apagos- Inseln  571,  572,  573,  596, 

Galeriewälder  610. 

Galicia,  Rias  582. 

Ganges  372,  373,  520,  Gezeitengrenze 
238,  Abtragung  381,  Delta  405,  407, 
Ablenkung  530. 

Gangra  526. 

Gannett  438. 

Gänsbrunnen,  Paß  519. 

Gänsefußgewächse  617. 

Gardasee  537. 

Garoune-System  525. 

Ganias  128. 

Gastein  368,  388,  892,  325, 

Gasteiner  Ache  515. 

Gault  20. 

Gaurisankar  35. 

Gaussah  Lout,  Länge  d.  Sekunden- 
pendels 3. 

Gavial  645. 

Gazelle  658,  660. 

Gazelle-Expedition  201*. 

Geant,  Glacier  de,  1 56. 

Gebirge  436,  vertikale  Wärmcabnahme 
55,  58,  tägl.  Temperaturschwankung 
90,  jährl.  Temperaturschwankung  82, 
Temperatuneränderlichkeit85,  Wind- 
stärke 90,  Regen  125,  Wetter-  und 
Klimascheiden  126,  jahreszeitliche 
Kegeuverteilung  138,  Gewitter  140, 
Hagel  141,  Schneedecke  142,  Ver- 
witteruug  u.  Denudation  346  ff..  Ver- 
änderungen der  Höhe  468,  483  f., 
Einteilung  476,  Alter  494. 

Gebirgsfuß  436. 


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678 


Register. 


Gebirgsknoten  47(1. 

Gebirgsland  436. 

Gebirgsscbutt  428,  429,  432. 
Gebirgsseen  339. 

Gebirgssysteme  475. 

Gebrochene  Faltengebirge  481,  494,495. 
Gebuchtete  Küsten  57fi. 
de  Geer  285,  286,  287,  289,  296,  297*. 
Gefalle  374. 

Gefrierpunkt  v.  Süß-  u.  Salzwasser  260. 
Gegenständige  Thiiler  385. 

Gegißter  Standort  241. 

Gehängeformen  348. 

Geikie,  Arch.,  496*. 

Geikie,  J.,  183,  190*. 

Geinitz  197,  207*,  534,  538,  539,  5A8L 
Gekröslava  303. 

Gelbes  Meer,  Farbe  218,  Strömung  247. 
Gemäßigter  Typus  d.  Süßwasserseen 

259. 

Gemäßigter  Wärmegürtel  76. 
Gemäßigte  Zone  74,  75,  Gletscher  167, 
Pflanzen  599,  Wälder  610. 
Gemischte  Niederschläge  142. 

Gemse  648,  659. 

Geueseefall  396. 

Genetisches  System  d.  Morphologie  441. 
Genette  658. 

Genfer-See  531,  538.  545. 

Gentiana  prostrata  630. 

Gentianen  594. 

Geographie,  Entwicklung  2,  435,  Zwei- 
teilung 435. 

Geoid  5,  207,  208,  209. 

Geoisothermen  9,  Veränderungen  290, 
296. 

Geologie  19. 

Geologische  Gegenwart  19. 
Geologische  Klimaperioden  182,  1 85. 
Geologische  Orgeln  361,  363. 
Georgetown , Temperaturveränderlich- 
keit  84,  Depression  536. 
Georgins-Vulkan  305,  505. 
Geosynklinale  466. 

Geothermische  Tiefenstufe  8. 

Gepard  658. 

Gepatsehfemer  164. 

Geradlinige  Faltengebirge  473. 
Geradlinige  Küsten  576. 

Geraueia  55 1 . 

Gerke  298*. 

Gerland  317,  322*.  567. 

Germesir  416. 

Geröllboden  345. 

Gerste  634. 

Geschichtete  Gesteine  12. 

Geschichtete  Vulkane  500,  506. 
Geschlossene  F'lexurgebirge  496. 
Gestalt  der  Erde  3. 

Gesteinshülle  L 


Getreide  S33  ff. 

Gewitter  139. 

Gewürze  637. 

Geysir  368  ff. 

Gezeiten  FT,  228,  Einfluß  auf  d.  Grund- 
wasser 356,  auf  die  Deltas  407. 
Gezeitenströme  237,  240,  mechanische 
Wirkungen  417.  423,  424. 
Gezwungene  Strömungen  249,  2JU . 
Gezwungene  Wellen  235. 

Ghör  314,  508,  537,  Winde  112, 
Gibraltar  474,  480. 

Giens  426. 

Gießen,  Temperatur  58. 

Gilbert  190*,  285,  384,  426*. 
Gilbert-Inseln  567. 

Giles  616. 

Gingko  593. 

Gipfelformen  346. 

Giraffe  656. 

Girard  290. 

Girardot  298*. 

Gironde  406,  425, 

Glaisher  54,  55. 

Glärniscli  464. 

Glarus,  vertikale  Verbreitung  der  Tiere 
647. 

Glatte  Küsten  576. 

Glaukonitkömer  201 . 

Glaziale  Erosionsbecken  534,  535. 
Glazialer  Felsboden  427,  428,  431. 
Glaziale  Übergangsgebiete  431 . 
Glazialpflanzen  629. 

Glazialzeit  s.  Eiszeit 
Gleichartige  Flüsse  521. 

Gleichförmige  Faltengebirge  469,  494. 
Gleichmäßige  Niederschläge  137. 
Gleichmäßige  Vulkane  300. 

Gien  More  493. 

Glenquoich,  Regen  125. 

Gletscher  149  ff.,  Verschiedene  Begriffe 
151,  Verteilung  165,  Erosion  397. 
Seebildung  534. 

Glctscherbewegung  154,  1 62. 
Gletschereis  1 54. 

Gletschergarten  von  Luzern  1 60. 
Gletscherkorn  154. 

Gletscherlawine  1 55. 

Gletsehermilek  1 62. 

Gletscherroiihlen  160. 

Gletscherschutt  428,  430,  431. 
Gletscherspalten  160. 

Gletscherstriiktur  158. 

Gletschertheorie  157. 

Gletschert.lior  1 54 
Glctschertisch  163. 

Gletschcrvor-  und  -rückgaug  163,  178. 
Gletscherzunge  1 52. 

Gliederfcmer  1 64. 

Gliedertiere  645,  647. 


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Register. 


ß79 


Globigeriuenschlamm  203,  204. 
Gmundener  See  .r)41 . 

Gneiß  1 2. 

Gobi  446,  Vegetation  616. 
Goldgebirge,  Gletscher  169. 

Goldmull  656,  664. 

Golfstrom  68,  243,  245,  251,  Salzgehalt 
215,  Temperatur  256,  257,  265. 
Golfstrom-Inseln  560. 

Gondwana  21. 

Gorce,  Gezeiten  234. 

Gorilla  Bäfi. 

Gornergletscher  1 1 6. 

Gotachi,  See  534. 

St.  Gotthard-Tunnel  8,  -Straße  519. 
Graben  (geologisch)  273. 

Grabenthäler  508. 

Gradient  SSL 
Gradmessungen  4. 

Grammagras  615. 

Granatbaum  624. 

Grand  Wasli  456. 

Grauer  Gebirge  313. 

Granulitgebirge  490. 

Grasbäume  625. 

Grassittiche  652. 

Grassteppe  614. 

Graubünden,  Waldweehsel  630. 
Graupen  140. 

Green  River-Plateau  497. 

Green  River-Thal  496,  512,  516. 
Grenada-Insel  314. 

Griechcidand,  Tbäler  394,  Angebliche 
Klimaänderung  187,  Erdbeben  334, 
Bau  des  Gebirges  482,  Flora  624, 
630.  Waldfläche  631. 
Grindelwaldgletschcr  167,  534. 
Grinnellland,  Niveauveränderungen  289, 
Vegetation  603, 

Griesbach  297,  298*,  340%  446,  462*. 
472,  478,  479*. 

Grisebach  74,  595*,  615,  624. 
Grissinger  258,  271*. 

Grönland,  Nordlichter  5K  Temperatur 
65,  70,  71,  Föhn  H5,  Gletscher  154, 
156,  157,  170,  172,  Tertiäre  Flora 
185,  Angebliche  Klimaänderung  188, 
Niveau  Veränderungen  289,  290,  295. 
Eisboden  427.  Areal  551.  Bau  558, 
Fjorde  581,  Vegetation  603,  Flora 
636,  Fauna  646. 

Grönskär,  Niveauveränderung  28". 
Groß  &ä. 

Groß-Arlbach  515. 

Großbuchtige  Küsten  576. 

Großer  Bärensee  536. 

Großes  Becken  von  Nordamerika  33. 
460,  481. 

Großer  Geysir  auf  Island  368, 

Großer  Ozean  s.  Pazifischer  Ozean. 


Großer  Plönersee  538. 

Großer  Salzsee  184,  543,  545. 
Großfußhühner  652. 

Großgerauer  Erdbeben  325,  331. 
Großglockner,  Schneegrenze  149,  Wald- 
grenze 605. 

Grosseto,  Alte  Bucht  v.,  577. 
Groß-Key  557. 

Grotten  s.  Höhlen. 

I Grundmoräne  161,  353. 

Grundwasser  354  f. 

Grüner  Sand  205. 

Grüner  Schlick  201,  205. 

Guadalquivir  372,  527. 

Guatemala,  Gebirge  32,  tügl.  Tem- 
peratursehwankuug  80,  Hagel  141, 
Vulkane  312,  Waldgrenze  604.  - 
Guayana  Massiv  33,  4SI , Küste  578, 
Savanen  614. 

Guayava  637. 

Gudbrandsdalen  182. 

Guineagolf  29,  191. 

Guineagras  632. 

Guineaströmung  242. 

Guldal  509. 

' Gümbel  202,  320,  322*. 

Gunncra  gigautea  599. 

Gunung  Sumbing  503. 

Günther  Siegm.  (U,  11,  13*.  42*, 
228*,  317,  322*. 

Guppy  381,  568,  569,  574*. 

Gurgitello  367. 

Gurgier  Eissee  532. 

Gürteltier  654. 

Güsgundag  543. 

Güßfeld  153. 

Guyana  s.  Guayana. 

Haacke  353. 

II  aas  370»,  582,  388*. 

II  aase  520,  531*. 

Häckel  203. 

Iladramaut  314. 

Hafen  583. 

Hafenzeit  229,  232. 

Haff  425,  576,  5H3. 

Hagel  140. 

Hagen  371,  381*. 
Hagenbaeh-Bischoff  154,  165*. 
Haguo,  A.  496*. 

Hague,  J.  D.  132,  496*. 

Hahn  190*,  199,  290,  298*,  560*. 
Hainau,  Fauna  395. 

Hainbach  515. 

Haken  425. 

Halavüts  462  *. 

Halbaffen  656,  664. 

Halbiuselu  54811'. 

Halbmonatliche  Ungleichheit  der  Ge- 
zeiten 231. 


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680 


Register. 


Halligen,  Fauna  57  1 . 

Hallo,  Niveauverändenmg  287. 
Hallstätter  See  538. 

Halmahera  557. 

Hamburg,  Seehöhe  447. 

Hammada  409,  429,  617. 

Hammer  156. 

Hammerfest,  Pendellänge  3, 
Hängegletscher  151,  153,  155,  150. 
Hauliai  30,  Bau  446,  Flora  623. 

Hann  42^  52,  59,  62^  71,  83,  85. 
87*,  96,  101*,  108,  110*,  114,  116*, 
mi,  37o*. 

Hansen,  A.  M.  284,  285,  289,  297*. 
Hansen,  R.  426 *■ 

Harada  496*. 

Hardangar-Fjord  580,  581. 

Hargita  307,  313,  505. 

Harmattan  115. 

Harrilaid  560. 

Hartmann  426*. 

Hartung  579. 

Harz  317,  Wärmeabnahme  56,  Bau  490, 
492,  493,  494,  Waldgrenze  604, 
GlazialHöra  629. 

Hasen  659,  660. 

Hatteria  punctata  664. 

Hatzfeldhafen,  Regen  135. 

Hauptflüsse  520,  525. 
Hauptwasserscheide  522. 
Hauptwindgebietc  109. 
Hauptwindscheide  d.  nördl.  Hemisphäre 
im  Winter  103,  im  Sommer  107. 
Havel  530. 

Hawaii  306,  Klima  175,  Fluthöhe  238, 
Erdbeben325,  Canons 389,  Fauna 573. 
Hayden  497. 

Hayes  498,  646. 

Hebert  115. 

Hebungen  280. 

Hcbungsinseln  560. 

Hebungsintensitiit  468. 

Heer  647. 

Hegau  312. 

Hegyalja  313. 

Hehl  533. 

Heide  620. 

Heide  rieb  24,  36,  38,  39,  4ü!> 
Heidersce  532. 

Heilprin  660,  664*. 

Heim  149*,  156,  158,  162,  165*,  172, 
278*,  347,  349,  353*,  381,  390,  401*, 
466,  467,  479*,  509,  518,  541,  548*. 
Hekla  318. 

St.  Helena  552 , 655 , vertik.  Wärme- 
abnahme 56,  Regen  132,  Fluthöhe 
238.  Organische  Welt  573,  596,  631 , 
Helgoland  422,  447. 

Helikon  482. 

Heliopolis,  Wasserscheide  518. 


Heiland  156. 

Heller  647,  650*. 

Hellespont,  Niveauveränderung  291. 

Hellmann  202. 

Helmert  3,  5,  (P,  13,  VU,  20g,  209, 

| 212,  219*.  286. 

j Henkel  381*. 
j Hennesy  12,  14*. 

Henry  Mountains  506. 

Hergesell  271*.  286,  297*. 

Hermsburg,  Regen  125. 

Hemikcrland,  Vulkane  313. 

Herzogenrather  Erdbeben  337. 

Hessisches  Bergland  461. 

Hettner  253,  255*. 

i Hi  Iber  293,  298*,  386,  401*,  512.  520*. 

Hildebrand  591,  595*. 

. Hildehrandsson  122*. 

| Hill  12L 

J Himalaja  30,  312,  476,  Schweremes- 
sungeu  13,  vertikale  Wärmeab- 
nalune  56,  Antipassat  101 , Schnee- 
grenze 1_48,  Gletscher  156, 167,  höchste 
kalte  Quelle  367,  Erdpfeiler  351 , Ero- 
sionsspuren 389,  Bau  471,  Beziehung 
zum  Vorland  478,  Gliederung  509. 
511 , Verhältnis  zur  Hauptwasser- 
scheide 523,  Seen  540,  541,  Palmen- 
grenze 596,  Pflanzenregionen  603, 
Waldgrenze  604,  Vegetation  616, 
Flora  630,  Getreidegrenze  635,  Fauna 
657. 

Himmel,  Farbe  121. 

J Himmelsluft  4 1 . 

Hindukusch  30,  476. 

Hindustan,  Winde  113,  Maximalregion 
des  Regens  124,  Regenverteilung  126, 
Tiefenbohrung  444,  Flora  631,  Fauna 
657. 

Hinterindien  549,  553,  Gebirgssystem 
32,  549,  Latent  352,  Urwald  609, 
Fauna  657. 

Hirsche  659,  660,  661. 

Hispargletscher  1 67. 

lloangho  525,  527,  Abtragung  381 . 

Hobart,  Deklination  5L 

Iloboken,  Länge  d.  Sekundenpendels  3. 

Hochgebirge  437,  438. 

Hochgebirgsflora  628. 

Hochland  438. 

Hochlandgürtel  der  alten  Welt  30, 
312,  der  neuen  Welt  32,  31 1 . 

Hochland-Klimaprovinzen,  Asien  174. 
Amerika  175. 

Hochmoor  547. 

Hochobir,  Temperatur  59, 

Hochschnee  143. 

Hochseen  539. 

v.  Hochstetter  197,  207*,  226. 

Hoehthäler-Klima  33. 


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Register. 


681 


Hochwasser  des  Meeres  ‘228. 

Hock  638,  839». 
v.  HofFIj  6!,  387,  425,  522. 
Hoffmann,  H.  58,  62*,  592,  595*. 
Höftsee  538.  539. 

Hogbacks  497. 

Höheumessung  211,  439. 

Höhenstufeu  der  Kontinente  31L 
Hohe  Tatra  480. 

Höhlen  356,  362,  364,  419. 

Höhlenbär  659. 

Höhlenhyäne  652. 

Höhlentiger  659. 

Höhlenwolf  659. 
v.  Höhnel  31L,  315,  3221 
Holdemeß,  Küstenzerstörung  419. 
Hohlhörnige  Wiederkäuer  660. 

Hollow,  tägl.  Wärmescliwankung  12. 
Holmes  370*. 

Holmström  297  *. 

Holstein,  Seenplatte  447,  539,  Förde 
582. 

Holzberge  289. 

Homogene  Vulkane  500,  504  f.,  506. 
Homoseisten  329. 

Hongkong,  vertikale  Wärmeabnahme 
56,  Regendichtigkeit  133. 
Honigsauger  652. 

Hopkins  10. 

Horizontaldislokationen  272,  275, 
Horizontalpendel  17,  328. 

Hörnes,  R.  329,  332,  340*. 

Hornkees  164. 

Horst  273,  460, 

Howe-Sund  580,  591. 

Hualalai  306. 

Hudiksvall,  Strandlinie  285. 

Hudson,  Eisbedeckung  374,  Delta  4115. 
Hudsonbai  191 , 192,  Areal  und  Tiefe 
193,  Bodenrelief  122. 

Hudsonprovinz,  Bau  33,  485,  Klima  115. 
Hudsonstraßc,  Strömungen  240. 
Hudsonthal,  Winde  112, 

Hufeisennasen  661. 

Hufpfötler  654. 

Hüll  184. 

H ult  190*. 

Humber  526, 

v.  Humboldt  37,  39,  141,  244j  ML 
„Humboldt“,  Ballon  54. 
Humboldt-Gletscher  171. 

Humusboden  345. 

Humussauere  Alkalien  344. 
Humussäuren  344. 

Hundds-Plateau  446,  479. 
Hundskopf-Fledermäuse  1158. 
Hungerbrunnen  366. 
llungersee  352. 

Huronsee  5 3. 

Hurricanc  28. 


Hutton  337. 

Huyssen  13*. 

Hweiho  525. 

Hyäne  656,  658. 

Hymettos  482. 

Hyomoschns  656. 

Hypsographische  Kurve  35,  36. 

Hypsometrie  439, 

Hypsometrisches  System  431. 

1 Jack  299*. 

Jadebusen  491 

Jädem  416. 

Jadrinzew  544  , 5481. 

Jagowalfall  396. 

Jaguar  654. 

Jahreszeiten  45,  Entstehung  43,  in  den 
Tropen  1 34. 

| Jährliche  Periode  der  Polarlichter  51, 
der  Temperatur  80,  des  Regens  1 33  ff., 
des  Grundwasserstandes  355,  der 
Flüsse  370,  der  Pflanzenwelt  592, 
der  Tierwelt  648. 

Jährliche  Wärineschwanknng  81. 

Jailagebirge  SO,  550. 

Jak  659. 

Jakobsliavn,  Föhntage  1 1 5. 

Jakutsk,  Temperatur  62. 

Jamaica,  Karstphänomen  364. 

Janathal,  Temperatur  67,  Waldgrenze 
601. 

Jangtsekiang,  238.  381,  527. 

Janina-Polje  359. 

Jankö  404,  408*. 

Japan,  Föhn  115,  Regen  126,  135, 
Gletscher  168,  Maare  299,  Vulkane 
311,  Erdbeben  273,  324,  327,  328, 
330,  332,  335,  339,  Geysir  370, 
Gebirge  478,  480.  Fauna  555,  Wald 
611,  Flora  624,  Fauna  698. 

Japanisches  Meer  192,  193. 

Jasmin  624. 

Java,  relative  Feuchtigkeit  119,  Hagel 
141 , Vulkane  303 , Seebildung  534, 
Fauna  557,  Waldgrenze  605,  Ge- 
birgsflora  630. 

Javasec,  Salzgehalt  216. 

Iberische  Halbinsel  549,  550,  Cykloneu 
109,  AVüstenwinde  116,  Regen  125, 
136,  Gewitter  140,  Hochland  490, 
491,  Küsten  575.  577.  Flora  624. 

Ibi-Gamin-Paß,  Pflanzen  606. 

Jeanette-Expedition  23. 

Jefl'  Davis  Peak,  Firn  168. 

Jemen  314. 

| Jena,  Aussiclits weite  296. 

Jenissei  525.  Eisbedeckung  374. 

Jeuscn  60.3. 

j Jerusalem,  Regen  127. 

| Jessen  637. 


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682 


Register. 


Igapowald  609. 

Igel  661. 

v.  Iheriug  651,  653,  655,  664*. 

Tlithal  510. 

Immergrüne  Eiche  611. 

Immergrüne  ilikotyle  Laubbiiume  590, 
600. 

Immergrüne  Sträucher  590,  600. 

Indifferentes  Gleichgewicht  der  Atmo- 
sphäre 120. 

Indisch-afrikanische  Provinz  32. 

Indische  NW. -Provinzen,  vertikale 
Wärmeabnahme  56. 

Indischer  Ozean  25,  26,  Areal  27,  193, 
Tiefe  36,  39,  193,  197.  Lufttempera- 
tur 657~Cy klonen  99.  Luftdruck  und 
Winde  102,  105,  Regen  126,  128, 
130,  131, 133,  llodenrelief  197,  Roden- 
bedeckung 204,  Alter  206,  Salzgehalt 
215,  Wellen  221,  222,  Strömungen 
246,  251  ■ 252,  Auftriebwasser  254, 
Oberflächentemperatur  256,  Tiefem 
temperatur  262,  267,  Vulkane  310, 
Flußgebiet  523,  Korallenriffe  567. 

Indisches  Fauuareich  657,  663. 

Indre  526. 

Indus  526,  Delta  406,  407,  Verände- 
rungen 528. 

Iudusproviuz,  Klima  174. 

Industhal,  oberes,  506. 

Infraborealer  Torf  162. 

Inlandeis  151,  169,  Erosion  398. 

Inn  394. 

Inuenküste  373. 

Innere  Zone  64,  im  Januar  68,  im 
Juli  1 fl» 

Innthal,  Veränderungen  der  Schnee- 
decke 142,  Thalterrassen  518. 

Inschan,  Wald  617. 

Insekten  645,  646,  647,  654,  Verbrei- 
tungsmittel 571. 

' Insektenfresser  654,  660. 

Inselabgeschlossene  Meere  192,  Salz- 
gehalt 217. 

Inseln  25,  420,  425,  551,  Landfest- 
werden 426. 

Instantane  Niveauveränderungen  212. 

Insterthal  330. 

Interglazialzeitcu  183,  164. 

Interkolline  Thäler  399,  400,  506. 

Interkontinentale  Ozeane  21L 

Intermittierende  Flüsse  372. 

Intermittierende  Vulkane  300. 

Inundationsbett  360. 

Inundationsterrassen  390. 

Joanua  llogoslowa  317. 

St.  John  126. 

Johu-Lavis  337. 

Jokely  304. 

Jokohama  s.  Yokohama. 


| Jonas  614. 

Jones  337. 

Jordan  79,  441. 

Jorullo  500. 

Jostedalsbrä,  Inlandeis  169. 

Joyeuse,  Regenmaximum  123. 

Iquique,  Erdbeben  197,  225. 

Iranisches  Hochland  30,  31 , Regen 
126,  136. 

Irische  See  193,  Gezeiten  237,  Strö- 
mungen 240. 

Irkutsk,  Temperatur  69. 

Irland,  Regen  137,  Gebirge  490.  491, 
Durchgangsthäler  514,  Thalbuchten 
581,  362. 

Isanomalen  12, 

Ischia  313,  Erdbeben  329,  331,  337. 

Ischma  526. 

Isker,  Durchgangsthal  512. 

Island  552,  Gletscher  171 , Tertiäre 
Flora  185,  Angebliche  Kliinaände- 
rung  186,  Niveauveränderung  288, 
Vulkane  308,  318,  Schlammsprudel 
320,  Geysir  370,  Bau  und  Fauna 
561,  Wald  601,  Getreide  636. 

Isländisches  Plateau  198. 

Ismaila,  Länge  des  Sekundenpendels  3, 

1 sobaren  88.  ,. 

Isobarenkarten  101. 

Isobasen  285. 

Isobathen  34. 

Isobathenkarten  194. 

Isohypsen  34. 

Isoklinalfalten  464. 

Isoklinalkamm  464. 

Isoklinalthal  464,  507,  306. 

I soseisten  329. 

Isostatische  Theorie  278,  467. 

Isothermen  61,  Meeresisothermen  256. 

Issel  290,  298*. 

Istrien  549,  Niveauveränderungen  293. 
marine  Quellen  338,  Rias  583. 

Italien,  Fläche  6,  Temperaturabwei- 
chung 87,  Regen  138,  Vulkane  313, 
Erdbeben  324,  327,  333,  334,  Halb- 
insel 549,  550,  553,  Küsten  576,  577. 
Wald  631. 

Juba-Mündung  406. 

Judikarienspalte  508. 

.1  ukes  514,  515,  516. 

J u k e s - Bro w n 568,  574 

Junge  Floren  62h. 

Junghuhn  119,  534. 

Jungtertiär  JUL 

Jura  (Schweiz),  Bau  467,  477 , Ab- 
grenzung 475,  Gliederung  31 1,  514, 
Wald  Wechsel  630,  Getreidegrenze 

633. 

Juraformation  20,  22,  Verteilung  von 
Wasser  und  Land  206, 


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Register. 


683 


Jütische  Halbinsel  550,  553,  610,  532. 
Ivrea,  Moränen  430. 

Izalko  301,  fiOO. 

Kaagan,  Gletscher  1 38. 

Kadettenrinne  241. 

Kadzusa-Bai  377. 

Käfer  041. 

Kaffee  637. 

Kagera  523. 

Kahle  298*. 

Kaibab-Plateau  43!). 

Kaidakbai  543. 

Kairo,  tägliche  Wärmeschwaukung  79, 
Regen  127. 

Kaiserstuhl,  Erdbeben  331. 

Kakadu  652. 

Kakteen  59K  600.  017,  632. 

Kalahari  522 , Kegen  129,  Klima  174, 
Vegetation  018. 

Kalauscho-Serir  410. 

Kalema  224. 

Kalkboden  346. 

Kalkowski  14*. 

Kalkpftanzen  389. 

Kalkreiche  Quellen  367. 

Kalksehlamm  203. 

Kalinengiirtel  100. 

Kältepole  61. 

Kalte  Quellen  3117 
Kalter  Wall  243. 

Kalter  Wärmegürtel  76. 

Kalte  Schlammaprudel  320. 
Kältezentren  67. 

Kalte  Zone  74,  73  (s.  auch  arktische 
und  antarktische  Zone). 

Kama  326. 

Kamel  656,  659,  661. 

Kamerun,  Hochgebirgsflora  628. 
Karnes  430. 

Kammgebirge  436,  492,  493,  505,  306. 
Kammpaß  320 
Kamimvasserscheide  516 
Kampine  612. 

Kamtschatka,  Regen  126,  Gletscher 
168,  Klima  174,  Vulkane  311,  Ge- 
birge 550,  Savanen  614,  Getreide- 
grenzo  635. 

Kanab-Plateau  439. 

Kanal,  Gezeiten  237.  Strömungen  240. 
Strandverschiebung  292,  Küstenzer- 
störung 1.13. 

Kanal  der  Korallenriffe  564. 

Kanalriffc  364 
Kanaltheorie  233. 

Kanarische  Inseln  s.  Canaren. 

Kane  646. 

Kankersee  343. 

Känozoisches  Zeitalter  I Formations- 
gruppe) 19,  2£L 


i Kaut  2. 

Kap  Agulhas  23. 

Kapflora  626. 

Kapformation  21. 

Kap  Henry,  Gezeiten  234. 

Kap  Hoom  25. 

Kapillare  Wellen  221. 

Kapland,  Kegen  129,  Klima  174,  Vege- 
tation 619,  620. 

Kap  St.  Martin,  unterseeische  Quelle 

358. 

„ Otway,  Küstenzerstönmg  4 1 9. 

„ Palmas,  Gezeiten  234. 

Kappel,  Temperatur  39. 

Kap  Race,  Gezeiten  234. 

Kar  383. 

Karabugas  343. 

Kara-Dagh  313. 

Karagamgletscher  167. 
Karakaschthaljtägl.  Wärmeschwaukung 
12, 

Karakorum  30,  476,  tägliche  Wärme- 
schwankung  79,  Schneegrenze  148, 
Gletscher  167,  Bau  472,  Getreide- 
grenze 635. 

Karapiti  368. 

Karbon  20,  22. 

Karlsbader  Thermen  313,  367. 
Kamisehe  Alpen,  Durchgangsthäler  314. 
Kärnten,  vertikale  Temperaturabuahme 
56,  Wärmeumkehr  59,  Hagel  L4.1. 
Karpaten  30,  Vulkane  313,  Beziehun- 
gen zu  den  Alpen  474,  475,  zum 
Vorland  477,  Bau  480,  Längsthäler 
508,  Krummholz  606. 

Karpinsky  462*. 

Karreeberge  453. 

Karren  362,  363. 

Kanu  619. 

Karruformation  21,  491 . 

Karsee  538,  339. 

Karst  356,  364,  475,  5Ü1L 
Karstens  27,  36,  39,  40*.  193. 
Karstphänomen  356  ft’. 

' Kartoffel  635,  636. 
j Kasan,  tägl.  Wärmeschwaukung  HL 
| Kaschgarien,  lokale  Winde  111. 
j Kaschmir,  Erdbeben  337. 

; Kaskaden  396. 

Kaskadengebirge  311 , Schneegrenze 
148,  Gletscher  1 68. 

Kaspische  Depression  537. 

Kaspische  Sehlammsprudel  320,  321. 
Kaspisee,  ehemalige  Ausdehnung  184, 
Seehöhe  448,  Dimensionen  536,  537, 
538,  Geschichte  542,  Salzgehalt  343. 
Katarakte  396. 

Katsch,  Erdbeben  327. 

Katzen  660,  661. 

Kaukasus  30,  Schweremessungen  13, 


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G84 


Register. 


vertik.  Wanneabnahme  56,  Hagel 
141,  Gletscher  167,  Vulkane  312, 
Scklanimsprudel  321 , Abgrenzung 
475,  Gipfel  483,  Seen  541,  Vege- 
tation 616. 

Kaymeni  305. 

Kayser  23*.  278*. 

Kea  306,  Waldgrenze  60f>. 
Keeliugsinseln,  Ratten  555. 

Kegelberge  436. 

Keilhaek  522,  531  % 574’. 
Keilscholle  460,  462. 

Keller,  C.  353 *. 

Keller,  Ph.  359,  370*. 

Kelter  424. 

Kenia  315. 

Kentern  237. 

Kerguelen,  Gletscher  169,  Strandter- 
rasse 419,  Flora  602.  6211. 
Kerguelenströmung  252. 
Kerkamündung  4116. 
v.  Kerner  149*. 

Kertsch,  Schlammsprudel  321 . 
Kesselbruch  274. 

Kesselthäler  501. 

Kettengebirge  437,  463,  495,  Alter  4M. 
Keulenbüume  625. 

Keuper  20. 

Khamsin  115. 

Kiefer  612. 

Kiefemtuff  182. 

Kjerulf  288,  297*,  509. 
Kieselpflanzen  589. 

Kieselsäurereiche  Quellen  367,  368. 
Kiessling  207*. 

Kieswüste  409. 

Kigclia  599. 

Kikuchi  322*. 

Kilauea  11,  306,  307,  318,  5QL 
St  KildäjGezeiten  234. 
Kilimandscharo  315,  Gletscher  166. 
Flora  628. 

Kinalady,  Schlammstrom  548. 
Kirchhoff,  A.  559,  660*,  632*. 
Kirgisensteppe  448, 

Kirman  617. 

Kithäron  482. 

Kitzlochklamm  388. 

Kiwi  664. 

Klagenfurt,  Temperatur  59. 

Klamm  383,  387. 

Klein  139,  141*. 

Kleinasien  30,  3t  Regen  126,  136, 
angebliche  Klimaänderung  187,  Vul- 
kane 313,  Halbinsel  549,  Flora  624. 
Kleinbuchtige  Küste  576. 

Kleine  Sunda-Inseln  557. 

Klengel  149*. 

Kletterpalmen  597. 

Klima  173,  Schwankungen  175(1'.,  185, 


Tabelle  d.  35jähr.  Schwankungen  178, 
Änderungen  187. 

Klimaprovinzen  173,  187. 

Klimatische  Schneegrenze  146,  142, 
Klippen  420. 

Klippenbrandung  224. 

Klippschliefer  656. 

Kljutschewskaja  Sopka  318,  503, 
Klocke  155. 

Klöden  527,  531  *. 

Klösterle,  Regen  125. 

Kluftwasser  356. 

Knipping  115. 

Knollengewächse  636. 

Knop  331,  524. 

Knoten  227. 

Kobe lt  551. 

Koch  155. 

Kochthermometer,  Hölienmessnng  440. 
v.  Koenen  296,  293*. 

Kohala-Kette  306. 

Kohlensäuregehalt  der  Luft  42. 
Kokospalme  572.  997. 

Kolibri  643,  662. 

Kombinierte  Halbinseln  550. 
Kompensationsströmungen  254, 
Komplizierte  Verwitterung  344. 
Kondensation,  Ursachen  119. 

Konfcrven  546. 

Kongo  373,  402,  526,  Gezeiten  294, 
Kongobecken  32. 

Koniferen  594,  611,  Zone  600,  61 2. 
König  Karl-Land  558. 

Königsberg,  Feuchtigkeit  111, 

Königsee  542. 

Königswürger  662. 

Konkordante  Küste  574 , 577 , 583, 

584 

Konschin  531  *. 

Konstantinopel,  Erdbeben  337. 
Kontinentalböschung  35,  39, 
Kontinentale  Ablagerungen  200,  205. 
Kontinentale  Flüsse  520,  523. 
Kontinontale  Maxima  u.  Minima  102, 
Kontinentale  Niveauveränderuugen  230. 
Kontinentale  Zerstörung  16. 
Kontinentalinseln  552ff.,  569. 
Kontinentaltafel  35,  36. 

Kontinente  25,  21  ff. 

Kontraktionstheorie  276,  466. 
Konvektionstheorie  96. 

Kopenhagen,  tägl.  Wärmeschwankung 

£9, 

Koppen,  W.  76,  77^,  90,  1 10*.  182*, 
130,  133*  271*,  529,  531*. 

Korallen  561. 

Koralleninseln  591  ff.,  562,  569,  Theorie 
294,  565  ff. 

Korallenriffe  562,  Mächtigkeit  566. 
Korallenschlamm  u.  -Sand  205. 


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Register. 


885 


Korea,  Gletscher  168,  Gebirge  550, 
Küste  575,  577. 

Korinth,  Isthmus  v.,  551. 

Korintji,  Pie  v.,  Waldgrenze  604. 
Koro  506. 

Körperinhalt  der  Erde  5 
Kosmischer  Staub  16,  203. 

Koster,  Niveauveränderung  287. 
Kotlaven  302. 

Koto  278*. 

Krafla  318. 

Krakatau  202,  304.  307,  308,  Explo- 
sionswelle 220,  Korallen  508. 
Krauabetter  Klamm  388. 

Krasnow  621*. 

Krater  301,  309,  501,  505. 

Kraterseen  533. 

Kraus  364,  370. 

Krebse  bei  d.  Ilumusbildung  346. 
Kreideformation  2£L 
Kreidel  235,  236,  240*. 

Kremnitz,  trachytisches  Gebirge  313. 
Kremser  54,  84,  88*. 

Kreta,  Niveauveränderungen  292,  295, 
Flora  62-4. 

KretaccYsche  Formation  20,  22. 
Kriechtiere,  Verbreitungsmittel  572. 
Krim  549,  560,  Niveauveränderungen 
292,  Fauna  641. 

Kristiania,  Flora  592. 

Kristianiafjord  578. 

Kristianiathal  465. 

Kritische  Temperatur  1 1 . 

Krokodil  645. 

Krümmel  26,  39,  40*,  206*,  214,  218, 
219*,  228*.  242,  243,  244,  246,  249, 
250,  252,  255*,  256,  264,  4ÖPJ  423, 
424,  426*.  583,  588*. 
Krummholzregion  606. 

Krustenriffe  568. 

Kryptodepressionen  536,  537. 
Kryptovulkanisehc  Erdbeben  332. 
Kryptovulkanismus  299. 

Krystallinisehe  Schiefer  1 2 
Kuenlun  30,  476,  vertikale  Temperatur- 
abnahme 56,  Höhe  u.  Alter  484,  Ge- 
treidegrenze 635. 

Kükenthal  245,  255 *. 

Kuku  Nor  543. 

Kulm  211. 

Kuntze  244,  370. 

Kuppenberg  437. 

Kuppengebirge  437,  505,  506. 

Kur  530. 

Kurilen  311,  553. 

Kurilenströmung  247. 

Kurisehe  Nehrung,  Dünen  412. 

Kuro  Schio  68,  246,  257. 

Kurowski  145,  146,  149*. 

Kurthal  508,  Föhn  115. 


| Kuruk-tag  478,  479. 

K urz  57 1 . 

Küste  415,  574  ff.,  Länge  196. 

Küstenabstand  586. 

Kü8tendepressioueu  536. 

Kostenentwicklung  585. 

Küstenformen  574  ff. 

| Küstenkette  Amerikas,  Gletscher  168. 

Küstenriffe  563. 

Küstcuströmungen  417 , 424,  Einfhit! 
auf  die  Deltas  407. 

Küstenversetzung  424. 

1 Küstenzone  431 . 

| Küstriu,  Seehöhe  447. 

Kuype r 426*. 

Kverve,  Strandlinien  283. 

Labialeruptionen  307,  308,  309. 

Labiles  Gleichgewicht  der  Atmosphäre 

190 

Labrador  550,  Temperatur  71,  Fjorde 
581,  Waldgrenze  601. 

Labradorstrom  245,  253,  256. 

La  Crau  530, 

Ladogasee  536,  538,  550. 

Lady  Franklin-Bai,  Temperatur  63. 

Lago  maggiore  327,  345. 

Lago  morto  545. 

Lagos,  Gezeiten  234. 

Lagrange,  Formel  197,  224,  235 

Lagunen  576,  in  Obcritalien  425,  der 
Atolle  564,  570, 

Lahnthal  316. 

Lahontansee  184,  545. 

Laibacher  Becken  508. 

Laibachfluß  358. 

Lake  Eyre  545. 

Lake  of  the  Woods  436. 

Lakkadiven  567. 

I.akkolithen  506. 

Lama  655. 

Lamark  3. 

de  Lamblardie  398. 
j Land,  Areal  23,  Verteilung  24,  Höhen- 
stufen  36,  mittlere  Höhe  37,  38,  39, 
Volumen  36,  Thermisches  Verhalten 
63,  73,  tägl.  Temperatursehwankung 
78,  Windstärke  89,  Luftdruckvertei- 
lung 107,  Barometerschwankung  110, 
Regen  124,  Regenwahrscheinlichkeit 
131,  132,  Regendichtigkeit  132,  jah- 
reszeitl.  Regenverteilung  134,  35jähr. 
Regenperiode  179,  Bodenarten  428, 
Abdaehungsgebiete  523,  Vegetations- 
formationen 620,  Floreneinteilung 
627. 

Landeck,  Regen  125. 

Landes,  Dünen  412,  Etangs  533, 
Küste  576. 

Landhalbkugel  25. 


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686 


Register. 


Landklima  63,  gg,  72,  78,  82. 

Landlöß  414. 

Landsäugetiere  643,  Bfil. 
Landschnecken,  Verbreitungsmittel  372. 
Landschwelle  436. 

Landsenke  436,  443  ft'.,  449. 

Landstufe  437,  4.74  ft'.,  462,  498. 
Landwind  111,  litt. 

Langen,  Regen  125. 

Langenbeek  271  *,  574*. 
Langenbriieken,  Jura  433. 

Langeoog  422. 

Längsabdachung  509. 

LSngsbeben  330. 

Läugsfliisse  320. 

Längsgliederung  3 1 0. 

Längskämme  464. 

Längsschollen  482,  492,  494. 
Längsspalten  im  Gletscher  160,  bei 
Erdbeben  327. 

Längsthäler  464,  Bau  307. 

Languedoc , Mistral  113,  Verände- 
rungen 423. 
de  La  Noä  401*,  457. 

Lapilli  299. 

Laplace  2,  233.  41L 
La  Plata,  Abtragung  381 , Delta  404, 
406,  Bai  407. 

de  Lapparent  16,  18*,  23*,  39,  40*, 
276,  278*. 

Lappland,  Meridiangrad  4. 

Lärche  590,  591,  612. 

Lasaulx  331,  337. 

Lascour  412. 

Lassen  Peak  311,  3'2 
Laterit  352,  426,  429,  432. 

Latmiseher  Golf  333. 

La  Touche  479*. 

Laufvögel  664. 

Lava  299,  302. 

Lavablöcke  299. 

Lavadocken  443. 

Lavaeruptionen  305,  306. 

Lavaherd  298,  316. 

Lavakegel  304. 

Lawinen  1 50. 

Lawson  486,  496*. 

Laxei] ord  379. 

Le  Conto  479*. 

Legföhre  590. 

Lehmann,  Rieh.,  263,  297 ' ■ 4 1 9,  426*. 
Lehmboden  343,  428,  429.  432. 
Lehmige  Zersetzung,  Gebiete  352. 
v.  Lehnert  563,  374*. 

Leierschwanz  632. 

Lcipoldt  40*. 

Lemming  646,  648,  662. 

Lemström  49,  51,  32*. 

Lemuren  556. 

Lemuria  äiili. 


Lena,  Eisbedeekuug  374,  Delta  404. 
Lentz,  239,  240*. 
i Lenz  353*. 

Leon,  Vulkan  bei,  500. 
j Leopard  636,  636. 

Lepsius  462*. 

Lerchen  661. 

Les  Dous  324. 
j Lesjeskogen  517,  324. 

[ I .oste  113. 

Lenekerbad  368. 

Leveche  116. 

| Levy  329. 
j Leymerie  347. 
j Lianen  608. 
i Lias  20. 

j Liautuug,  Gebirgsbau  474. 

Libanon,  Regen  127,  Bau  498,  Wald- 
grenze 604 

Libysche  WTüste,  tägl.  Wärmesehwau- 
kung  79,  Quellbildung  366. 
Liechtensteinklamm  387. 

Liegende  Falten  464. 

Ligurien,  Erdbeben  337. 

Lilienbäume  399. 

Lima,  Temperatur  71,  Gewitter  140. 
Li  inan  576. 

Limpopo  407. 

Lincoln-Höhen  456. 

Lincoln-Wolds  436. 

; Lindenbcrggletscher  169. 
f Lineare  Erdbeben  329,  330,  332,  336. 
! Lingg  479*. 

Linhardt  298*. 

| Linne  593. 
j Linth  319,  543. 
j Liopelma  359. 

j Liparische  Inseln  313,  317,  333,  367. 

Lippenblumen  394. 

| Liquidambar  393. 
j Liro  515. 

| Lissaboner  Erdbeben  329,  334,  368. 
j Listad,  Flora  392. 

\ Listow  474,  479*. 
j Lithosphäre  7. 

Liverpool,  Tiefcnteinperatur  8,  Gezei- 
ten 240. 

| Livland,  Karstphänomen  363. 
Livno-Polje  359. 

Llanos  448.  613. 

Loa  306,  318,  Waldgrenze  606 . 
Loanda,  Regen  134. 

Lob-Nor  450,  542. 

: laich  Ewe  533. 

Loch  Houm  580,  581. 

Loch  Lochy,  Temperatur  254. 

Loch  Striven,  Temperatur  254. 
Lockerboden  428,  429. 

I Lockereruptionen  309. 
i Lodoicea  Sechellorum  599. 


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Register. 


«87 


Loew  188. 

I.oire  371.  526 

Lokale  Niveauveränderungen  272. 
Lokale  Winde  1 10. 

Lok-Botan  320, 

Lokris,  Erdbeben  332. 

London  25. 

Londoner  Becken  456. 

Lone  Peak  497. 

Loomis  89,  98,  101*,  123,  133*. 

Lorber  624. 

Lord  Howe-Inseln  559. 

Lorentz  619. 
v.  Lorenz  338. 

St.  Lorenz-Rolf  193,  240. 

St.  Lorenzstrom,  Eisbedeekung  374. 
Loris  556. 

Löß  413  f.,  428,  430,  431,  433. 
Lößmännchen  414. 

Lößmulden  445. 

Lößschluchten  432. 

Lotablenkung  208. 

Low  496*. 

Löwe  642,  656,  657,  658,  039. 

Löwl  14^,  281,  282,  297*,  300,  394, 
395,  401*,  513,  520*. 

Lowlauds  493. 

Loxodromen  21L 
Luchs  659,  660. 

Lückenpaß  320. 

Lueger  Grotte  357. 

Luft  £1,  Abnahme  der  Temperatur 
53,  54 

Luftdruck  41,  90,  Verteilung  im  Winter 
102,  im  Sommer  106,  Schwankungen 
109,  Verteilung  auf  der  Erde  121, 
35jühr.  Periode  179,  Verhältnis  zu 
den  Bodenbewegungen  323,  339. 
Luftschiffahrten,  Ergebnisse  54 
Luftzirkulation  90. 

Lugan,  tägl.  Wärmeschwankung  SL 
Lüneburger  Heide  447. 

Lfitschine  945. 

Luzon,  Schlammsprudel  320. 

Lydekker  471,  479*.  509. 

Lyell,  3,  6!,  386,  387,  532. 

Lyseljord  518. 

Maare  299,  309,  534. 

Macacus  658. 

Macaluba  320. 

Macdui  493. 

Mackenzie  323. 

Mackenziebecken,  Klima  20. 
Macquarie-Inscln  644 
Madagaskar  32,  532,  Bodenarten  429. 
Fauna  556,  656,  663,  664.  Urwald 
609 

Madeira,  Wüstenwinde  115.  Fauna 
571,  572.  Flora  573,  574,  624,  ML  I 


Maelstrom  241. 

Maer-Hall,  Humusbildung  346. 
Magdaleneustrom  526. 

Magma  277,  298,  299,  300,  Herkunft 
317. 

Magnetischer  Nordpol  48, 

Magnolien  599. 

Maine,  Fluß  Vermischung  524,  Küsten- 
länge 578,  Fjorde  581,  582. 

Mais  634. 

Makarow  219*. 

Malabar,  Regenzeit  1 35. 
Maladettagletscher  166. 

Malaischer  Archipel,  jährl.  Wärme- 
schwankung 81,  Regen  128,  Vul- 
kane 311,  Areal  552,  Entwicklungs- 
geschichte und  Fauna  557,  657,  Flora 
596,  Wald  609,  Floren-  und  Faunen- 
grenzen 557,  622,  652. 

Malakka  135,  551. 

Malaspina-Gletscher  151. 

Maldeninsel,  Regen  132. 

Malediven  567,  Erdbeben  321. 
Malfroy  370. 

Mailet  387,  338,  640*. 

Malm  20. 

Malörn,  Niveauveränderung  287. 
Malpighiaceenbäume  613. 

Malta,  Regen  138. 

Mammut  659. 

Mammutbaum  593. 

Mammuthöhle  364. 

Mandschurei  32,  Wälder  611, 
Mangrovebäume  424,  598.  610. 
Maniearia  saceifera  397. 
Manihiki-Inseln  567. 

Manila,  Gezeiten  239. 

Maniokpflanze  633. 

Manytschnicderiing  22, 

Maquis  620. 

Maraunthal  508. 

Marbella,  Serpentinstock  480. 
Marble-Canon-Platte  459. 

Marcano  353*. 

Mareligebiet,  Regen  125. 
de  Margerie  278*.  401*,  457,  479*. 
Marine  Ablagerungen  423,  428,  429,  43L 
Marine  Flüsse  520,  523, 

I Marine  Maxima  und  Minima  102. 
Marine  Niveauveränderungen  280. 
Marioninscl  602. 

Maritzathal  508. 

Markham  23. 

Marlborough-Hiigcl  456. 

Marmarameer  200. 

Marmolata,  Schneegrenze  142. 

Marno  650. 

Marquesas  559. 

Marrobbio  227. 

Marschland  513. 


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688 


Register. 


Mars  hall  664*. 

Marshall-Inseln  567. 

Märtel  359,  364,  370*. 

Martin  298*.  557.  560*. 

St.  Martin  (Tirol),  Seebildung  532. 

Martinique  314,  Gezeiten  234. 

Martins  533. 

Masäinarliu-Insel  5K9. 

Mascaret  238. 

Maskarenen,  Fauna  561 , Floren  Ver- 
änderungen 574,  ti31. 

Massengebirge  437. 

Masseugesteine  L2. 

Massiv  437,  495,  505,  506. 

Mathematische  Zonen  74,  15. 

Matotschkinstraße  580. 

Maui  503. 

Mauwi,  Länge  des  Sekundenpendels  3. 

Maulwürfe  660,  661 . 

Maulwurfsratten  661. 

Mauritiapalmen  610. 

Mäuse  646,  651,  654,  660. 

Maximalbösehung  349. 

Maypures,  Stromschnellen  397. 

McGee  463«. 

Mechanische  Erosion  341. 

Mechanische  Verwitterung  343. 

Mecklenburger  Seenplatte  430,  447,  538, 
33». 

Meer,  Areal  23,  Verteilung  24,  25,  Ein- 
teilung 26,  Tiefenstufen  36,  Mittlere 
Tiefe  37,  38,  39,  Volumen  37,  ther- 
misches Verhalten  63,  73,  tägh  Tem- 
peraturschwankung  78,  79,  Wind- 
stärke 89,  Luftdruckverteilung  107, 
Barometerscliwaukungen  110,  Regen 
IAO,  m,  133,  134,  179,  Gewitter  140, 
Gliederung  191,  Permanenz  d.  ozean. 
Becken  205,  Salzgehalt,  spezifisches 
Gewicht  u.  Dichte  212,  378,  absolutes 
spezif.  Gewicht  217,  Farbe  217,  Ge- 
zeiten 228,  Temperatur  255  ft'..  25911’.. 
Gefrierpunkt  u.Dichtigkeitsmaximum 
260,  Stickstoffgehalt  266,  Vulkane 
315f.,  geologische  Arbeit  415 ff.,  Ab- 
lagerungen 423,  428, 429,  organisches 
Leben  640. 

Mecreis  268,  Küstenzerstörung  417. 

Meeresboden  194,  196,  Bedeckung  200. 

Meeresleuchten  219. 

Meeresniveau  207,  Schwankungen  210. 

Meeresströmungen  240  ff.,  Salzgehalt 
215. 

Meerwasser  201  ff. 

Megaloyx-Sehichten,  Fauna  653. 

Meliadia  368. 

Mekong-Gebiet,  Waldgrenze  604. 

Melbourne,  Sandsteinsäulen  351. 

Memel,  jährl.  Periode  371,  Delta  404, 
407,  Veränderungen  530. 


Mensalehsee  28,  421L 
Mera  515,  518. 

Meran,  Klima  36. 

Mercalli  331. 

Mer  de  Glace  152,  157. 

Mergelboden  345. 

Mergen,  Vulkane  311. 

Meridiangrad,  Länge  1 
Meromsee  537. 

Meru  315. 

Mesas  454. 

Mesopotamien  105,  127. 

Mesozoisches  Zeitalter  (Formations- 
gruppe)  19,  2Ü. 

| Messerschmidt  298*. 

Meteoriten  X. 

Methans,  Vulkan  313,  500. 

Mexico,  vertik.  Wärmeabnalime  56, 
Temperatur  67,  81  84,  Gewitter  139. 
Vulkane  311 , 312,  Bodenarten  429, 
Urwald  608,609,  Mimosengebüsch  619, 
Flora  630,  Getreidegrenze  635,  Fauna 
653. 

Mexico,  Golf  von,  Regengebiet  127, 
Gezeiten  239. 

Meyer,  Hans  166,  1 73*. 

Meyer,  Hugo,  77*,  1221 
Mezzolasee  545. 

Mfumbiro- Vulkane  315. 

St.  Michel,  Bai  v.,  Fluthöhe  238. 
Michigansee,  239,  536. 
v.  M iddendorff  113,  289,  601. 
Middlemiss  337,  479*. 

Midori,  Dislokation  273. 
Mikroseismische  Beben  322. 
Milledgeville,  Thalbildung  386. 

Milne  337. 

Milo  313, 

Mimosensträucher  600,  619. 
Mineralboden  345. 

Mineralquellen  366  f. 

Minnesota,  Seen  524,  538. 

Minutoli  529. 

Miocän,  20,  185. 

Mischfloren  628. 

Mißfärbung  des  Meeres  218, 

Mississippi  523,  Flußspiegel  375,  Fluß- 
bett 380,  Abtragung  381,  Delta  404- 
407,  Flußvermischung  524,  System 
526 , Länge  527. 

Missouri  526,  Canon  388. 

Mistral  113. 

Mittelalter  der  Erde  HL 
Mitteldeutsche  Alpen  490. 
Mitteldeutsches  Erdbeben  329,  337. 
Mitteleuropa,  Temperaturveränderlich- 
keit 84,  Bewölkung  122,  geologische 
Klimawechsel  185,  Thermen  367. 
Diluvialterrassen  390,  Flora  623. 
Mittelgebirge  437,  438. 


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Register. 


689 


Mittellauf  der  Flüsse  378. 

Mittelmeer,  (europäisches)  191,  Gliede- 
rung 192,  Areal  u.  Tiefe  193,  Boden- 
relief 199,  Geschichte  206 , Salzge- 
halt 216,  Strömungen  241 , Tiefen- 
temperatur 260.  Flußgebiet  523. 

Mittelmecrländer,  Temperaturveränder- 
lichkeit 84,  Winde  105,  Klima  174. 
Niveauveränderungen  291  f.,  Deltas 
406,  Küsten  575,  Wälder  611,  Maquis 
620,  Flora  624,  631,  632,  Fauna  658. 

Mittel  moräne  161. 

Mittelwasser  des  Meeres  207,  Schwan- 
kungen 279. 

Mittlere  Beleuchtungszone  42. 

Möbius  662,  664*. 

Modena,  Föhn  115. 

Mofetten  310. 

Mogador.  Regen  127. 

Mohavewiiste,  Winde  116. 

Mohn  70,  72,  TT,  95,  114,  140,  209, 
219*.  248,  264. 

Mohrenhirse  634. 

v.  Mojsisovics  473,  476. 

Mokuawcoweo  306. 

Moldau  515,  525. 


Möller  101 ». 

Molukken  557,  622. 
Mönchsbergkonglomerat  515. 
Mondphasen  230. 

Mondwelle  231,  232. 

Mongolei  353. 

Monokotyle  Laubhäume  595. 
Monotropa  uniflora  593. 

Monsun  105. 

Mousuuregen  135. 

Montaigne  412. 

Montblanc,  relative  Feuchtigkeit  119, 
Gletscher  165,  Höhe  483. 

Monte  Amiata  313. 

.,  Argentario  577. 

„ Cimino  313,  318. 

„ Gargauo  551. 

Montenegro,  Klammen  387. 

Monte  nuovo  313,  300, 
de  Montessus  335,  340 *. 

Monti  dell’  Uecellina  577. 

Montsouris,  Taumessung  119. 

Moore  542  f. 

Moos  547. 

Moostundra  602. 

Moränen  161. 

Moränenlandschaft  430. 

Moränenseen  533. 

Morawathal  511. 

Morphologie  435. 

Morphologische  Provinzen  34. 
Moschustier  659. 

Mosel,  Wasserstand  371,  Thal  516. 
Moskau,  tägl.  Wärmeschwankung  X9, 
Moskitokette  498. 


Supan,  PbyaUcbe  Erdkunde.  2.  Aull. 


Mosselbai,  tägl.  Wärmeschwankung  AL 
Mount  Egmont,  Waldgrenze  604. 

„ Elias,  Gletscher  151,  168,  Vulkane 
311,  Moränenflora  629. 

„ St.  Michael  552. 

„ Owen  Stanley,  Regen  124. 

„ Shasta  812,  Gletscher  168. 

„ Washington,  Wärmeabnahme  5iL 
„ Yasowa  301. 

Mozambiqne,  Fauna  657. 

Mud  201. 

Mudlumps  321,  404. 

Mühry  118. 

Muir-Gletscher  168. 

Mulde  der  Falte  463. 

Muldenthäler  399,  400. 

Mulhacen  348. 

München,  Deklination  51,  Temperatur- 
veränderlichkeit85,  Grundwasser  355. 
Münchener  Luftschiffahrten  54,  120. 
Mündungsfälle  395. 

1 Mündungsformen  der  Flüsse  403. 
Mündungshäfen  585. 

Mündungsseen  542. 

Muntz  344,  353«. 

Mur  515. 

Muren  351. 

Müritzsee  538. 

Murmeltier  648. 

Murray  (Fluß)  373,  401,  526. 

Murray  18»,  36.  39.  40*,  123. 133*,  193, 
196,  204,  207»,  254,  255«,  523,  5312, 
568,  570,  574«. 

Mursuk,  tägl.  Wärmeschwankung  79. 
Musaceen  597. 

Muschelbänke  iu  Norwegen  284. 
Muschelkalk  20. 

Muschketow  337,  340*. 
Mutationsgebiete  431. 

Mygale  645. 

Myrte  624. 

Nachtigal  13, 

Nadelholz  s.  Koniferen. 

Nagetiere  654,  660. 

Nairai  56.7. 

Namaland  618. 

Nandu  664. 

Nanga  Parbat-Gletscher  167. 
Nankou-Gebirge  457. 

Nauschan  484. 

Nansen  70,  77«,  170,  172. 

Naphtha  321. 

Narentadelta  405. 

Narowafall  396. 

Narra  530. 

Narvnthal  510. 

Nashorn  643,  656. 

Nationalpark,  Geysire  370. 
i Natronseen  543. 

| Natterkopf  632. 

44 


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690 


Register. 


Natürliche  Brücken  SS!). 

Naturschacht  360,  361,  362,  363. 
Naumann  495*. 

Naumanngletscher  169. 

Neapel,  Senkungen  294,  Golf  577. 
Nebel  121. 

Nebenflüsse  520. 

Nebenmeere  192,  193,  Bodenrelief  199, 
Bodenbedeckung  203,  Salzgehalt  216. 
Necks  304 . 

Nefud  412,  ßll. 

Negative  Niveauveränderungen  280. 
Neliring  184,  1 90*. 

Nehrung  423. 

Nekton  203. 

Nelson  331 . 

Nemorhedus  638. 

Neocom  20. 

Neogen  20. 

Nerobäder  367. 

Neucaledonien  558,  559,  622. 

Neue  Hebriden  311,  558. 

Neu-England,  Gebirge  487. 

Neue  Welt  s.  Amerika. 

Neuffen,  Tiefentemperatur  8. 
Neufundland  581. 

Neufundlandbank  199,  Nebel  121, 
Fischreichtum  255. 

Neuguinea,  Fauna  557,  558,  652, 
Flora  551,  622. 

Neumann,  B.  531*. 

Neumayer  1 16,  122*. 

Neumayr  22^  206*  207*,  313,  331, 
353*. 

Neu-Meckleuburg  558. 

Neu-Mexico,  Waldgrenze  604. 
Neusehottland  550,  575,  581. 
Neuseeland  552,  558,  Föhn  115,  Regen 
129,  131,  Gletscher  169,  Klima  175, 
Niveauveränderungen  291,  293,  Vul- 
kane 311,  Schlammsprudel  320,  Gey- 
sire 370,  Seen  541,  Flora  und  Fauna 
359,  574,  622,  626,  628,  652,  Fjorde 
581 , Palmen  595,  Waldgrenze  604, 
Waldland  610,  Farnfluren  620. 

N cusibirisclie  Inseln  358. 

Neusiedler  See  363. 

Neu-Süd-Wales,  Wald  610. 

Neutrale  Küste  575,  576. 

Neutrale  Zone  1 2. 

Neuzeit  der  Erde  IS, 

Nevada,  Boraxseeu  544. 

Nevados  L1.2. 

Newa,  Eisbedeckung  374. 

New  Madrid,  Seebildung  534. 

New  Orleans,  Strandseen  533. 

New  Red  Sandstone  21. 

Newton,  J.  233. 

New  York,  Regendichtigkeit  133. 

Ngai  315. 

Ngau  366. 


Niagarafall  396. 

Njassasee  315,  542. 

Niedergebirge  437. 

Niederguinea,  Küste  575,  Savane  612. 
Niederlande,  Depression  536,  Wald  631 . 
Niederlausitz  447. 

Niederungarische  Ebene  444 , 449 f., 615. 
Niederrheinisches  Schiefergebirge  490, 
492,  494,  Durchgangsthäler  516. 
Niederschläge  122  ff. , sanitäre  Bedeu- 
tung 42.  jälirl.  Periode  133,  35 j ähr. 
Periode  178,  179,  Salpetersänregehalt 
352,  Einfluß  auf  die  Thalbildung  398. 
Niedrigwasser  des  Meeres  228. 
Niemeyer  116*. 

Nieuweveld-Berge  437. 

Nieve  penitente  1 55. 

Nigerbecken  32. 

Nigerdelta  407. 

Nikolski  544. 

Nil  372,  391,  527,  Delta  403,  404,  405, 
406,  Ablenkung  ,929. 

Nilthal  389,  450. 


Nipptideu  231. 

Nischen  387,  in  den  Simdeu  419. 

Nischne-Kolymsk,  Föhn  119. 

Nisyros  313. 

Niveaufläche  208. 

Niveauveränderutigen  14,  16,  271, 

litorale  27s  ft'.,  binnenländische  296  f., 
Einfluß  auf  die  Deltabildung  4ii7. 

Nivellement  211,  439. 

Nordafrikanische  Strömung  244,  253. 

Nordamerika,  Grenzen  28,  Areal  30, 
Oberflächengestaltung  32,  33,  Höhe 
36,  39,  Temperatur  70,  Temperatur- 
Schwankung  im  westlichen  Hoch- 
land 79,  Temperaturvcränderlichkeit 
84,  85,  86,  baroinetr.  Minima  97,  98, 
Luftdruckund  Winde  102,  103,  104, 
107,  108,  Regen  127,  131,  137,  Schnee 
142,  Gletscher  168T  Eiszeit  183. 
N i veauveränderungeu  289,  293,  296, 
Vulkane  311 , Dilnvialterrassen  390, 
Löß  414,  Bodenarten  427,  428.  430, 
Tafelländer  443,  westliche  Hoch- 
flächen 446,  abflußlose  Gebiete  522, 
523,  Abdachungen  523,  Flüsse  527, 
Seen  538,  545,  Halbinseln  549,  Fjorde 
581,  Küstenabstand  587,  Palmen  595, 
596,  Grenze  der  immer-  u.  sommer- 
grünen  Bäume  600,  Wälder  611, 
Salzwüste  617,  Vegetationsformatio- 
nen 620,  Flora  624,  631,  632,  Ge- 
treidegrenze 63V  Öbstgrenze  637, 
Fauna  651,  660,  661,  662. 

Nord  atlantische  Cyklone  im  Winter  103. 
im  Sommer  108. 

N ordatlantischer  Ozean,  Windgeschwin- 
digkeit 89,  Geschwindigkeit  der 
barometr.  Minima  98,  Stürme  98. 


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Register. 


691 


Nordchilenische  Klimaprovinz  175. 

Norddeutschland  84,  87,  137. 

Nordenskiöld  16,  IIP,  142,  268,  271. 

Nordfjord.  Strandlinien  284. 

Nordkontinente  27,  30. 

Nordkrainische  Ebene  348. 

Nördliche  Halbkugel,  Wasser  und 
Land  23,  Durchschnittstemperatur 
72,  Dauer  des  Winterhalbjahres  45, 
Tagesläuge  47,  Luftdruck  94,  Anti- 
cyklonen  und  Cyklonen  94,  Luft- 
druck und  Winde  im  Winter  102  ff., 
im  Sommer  107,  Barometerschwan- 
kung 110,  Bewölkung  121 , Regen 
123 , Gletscherareal  1 65 , Flußgebiet 
523,  Flora  625,  Fauna  663. 

Nördliche  Kalkalpen,  Schneegrenze  149. 

Nördliches  Eismeer  25,  Areal  27,  193, 
Tiefe  193,  Bodenrelief  lasfTJ- Strö- 
mungen 245  f.,  Tiefentemperatur 
284  S'.,  Eisbildung  262  ff. 

Nordlicht  48  ff. 

Nordlichtbogen  49, 

Nordmeer  (europäisches),  Niveau  209  f. 

Nordost-  Europa , Temperaturabwei- 
chung 83. 

Nordost-Monsun  108. 

Nordpazifische  Cyklone  im  Winter  104, 
im  Sommer  1 Oft. 

Nordpol,  unbekanntes  Gebiet  23. 

Nordpolares  Hochdruckgebiet  9L 

Nordsee,  Areal  und  Tiefe  103,  Boden- 
relief 199,  Salzgehalt  216,  Gezeiten 
236,  Strandverschiebung  292,  Dünen 
412. 

Nordstrand  422. 

Nordwest-Monsun  103. 

Norfolkinsel  539. 

Normale  4. 

Normale  Wasserscheide  511. 

Normalhöhenpunkt  und  Normalnull  der 
preuß.  Landesaufnahme  21 1. 

Normal-Isothermen  64. 

Normaltemperaturen  der  Breitengrade 

1L  13. 

Nnrmalwerte  (meteorologische)  181. 

Normandie,  Thäler  398,  Küste  576 

Norrköping,  Strandlinie  283. 

North  er  85. 

Norwegen,  vertik.  Temperaturabnahme 
56,  Wintertenipcratur  89,  265,  Regen 
125,  Gletscher  156,  Torfmoore  181, 
Niveauveränderungen  282  ff,  288, 
Küste  419,  Fjorde  492,  578,  581,  584, 
Seen  540,  541 , 580,  Küstenlänge 
378,  alpine  Waldgrenze  601,  605, 
Wald  631,  Getreidegreuze  635,  636. 

Novaledosee  545. 

Nowaja  Semlja  352,  558,  tägl.  Wärme- 
schwanknngsl.  Eisberge  172, Niveau- 
veränderung 288. 


Noworossisk,  Bora  113. 

Nukus,  Verdunstung  und  Regen  344. 
Nulato,  Wald  601, 

Nunatak  170,  Vegetation  603. 
Nutation  111. 

Nutzpflanzen  632  ff. 

Oaliu  504,  570. 

Oasen  616,  638. 

Ob  526,  Eisbedeckung  .374. 

Oberbeck  92,  101*. 

Oberdeutsche  Hochebene  430. 

Oberer  See  536,  538. 

Oberfläche  der  Erde  5. 
Oberflächenformen  435  ff 
Oberflächenmoräne  161. 

Oberguinea,  Wüstenwinde  1 15. 
Oberhalbsteiner  Thal  514,  636. 
Oberitalienische  Ebene  s.  Po-Ebene. 
Oberlauf  der  Flüsse  376. 
Oberrheinische  Ebene  399,  444,  445, 
458,  508,  Erdbeben  334. 
Obersulzbachferner  164. 

Obir,  Temperatur  52. 

Obst  631. 

Ochotskisches  Meer  192,  Areal  und 
Tiefe  193,  Eis  268. 

Ochotskische  Strömung  247,  thermische 
Bedeutung  68. 

Oder,  Veränderungen  530. 

Oderthal  512. 

Odessa,  tägl.  Wärmeschwankung  8L 
Odet  582. 

Oeta  482. 

Ofen  368. 

Offene  Mündungen  403. 

Offener  Ozean  193. 

Ogiven  159. 

Ohip  526. 

Oka,  Eisbedeckung  374. 

Öland,  Niveauveränderung  287. 
Ölbaum  592,  624. 

Oldham  23^  462*. 

Oleron  576. 

Oligocän  20. 

Oloncz,  Wald  631. 

Ölpalme  597,  610. 

Onegasee  536,  545,  550. 

Oneion  551 . 

Ooze  201. 

Opilio  glacialis  647. 

Oporto,  Gezeiten  234. 

Orbitalbewegung  219. 

Orchideen  598,  608. 

Oregonceder  612. 

Organischer  Schlamm  201. 

Orinoco,  Delta  407. 

Orizaba,  Pik  v.,  500,  604. 

Orleans,  Prinz  Heinrich  v.,  311. 
Orlow  340*. 

Orographische  Schneegrenze  147. 

44* 


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692 


Register. 


Orographisclies  System  436. 

Orographische  Thäler  400. 

Orometrie  440  f. 

Ortler  Alpen,  Schneegrenze  14ä. 

Osman  Dagh  320. 

Oaomo,  Waldgrenze  604. 

Ossabaw,  Gezeiten  234. 

Ostafrika,  Gräben  314 , Seen  542. 
Vegetation  613. 

Ostalpeu.  vertik.  Temperaturabnahmc 
56,  Schneegrenze  149,  Gletscherareal 
166,  Stoßlinien  333.  334,  Bau  470, 
Abdachungen  509,  Hochseen  540. 

Ostanglikanische  Höhen  456. 

Ostasien,  morphologische  Provinz  32, 
34,  Temperaturveränderlichkeit  84, 
Winde  104,  109,  Winterklima  115, 
Regen  136,  Schnee  142,  Deltas  406, 
Flora  625,  Fauna  658. 

Ostaustralien,  Niveauveränderung  290. 

Ostaustralische  Strömung  246. 

Ostchinesisches  Meer  192,  Areal  und 
Tiefe  193,  Bodenrelief  199,  Wellen 
222. 

Österreich,  Wald  631. 

Osteuropa  s.  Rußland. 

Osteuropäische  Klimaprovinz  174. 

Ostfeste  27,  Oberflächengestaltung  30, 
Temperatur  69,  73,  87,  Regenwahr- 
scheinlichkeit 131 , Klimaproviuzen 

173,  Küstenabstand  587,  Wüsten- 
gürtel 617,  Vegetationsformationen 
620,  Flora  621, 625,  Nahrungspflanzen 
638,  639. 

Ostgrönländische  Strömung  245 , 253, 
266. 

Ostindien  135,  tägl.  Wärmeschwaukung 
79,  Regen  126,  Maare  299,  Boden- 
arten 429,  Wald  607,  Fauna  657. 

Ostindisch-australische  Monsunprovinz, 
Klima  174. 

Ostindischer  Archipel  s.  malaischer  A. 

OstküstCu,  Temperatur  66,  68.  71. 
thermische  Anomalie  73,  74,  jährl. 
Wärmeschwaukung  82,  Temperatur- 
Veränderlichkeit  85,  Temperatur- 
abweichung 87,  Winde  102,  Regen- 
wahrsclieinlicEkeitl32,  jahreszeitliche 
Regenverteilung  134,  139. 

Östliche  Halbkugel,  Wasser  u.  Land  24. 

Ostsee  191,  192,  Areal  und  Tiefe  193, 
Bodenrelief  199,  Niveauschwankun- 
gen 210,  Salzgehalt  216,  Flutgröße 
239,  Strömungen  241 , Eis  268,  an- 
gebliche Entleerung  236  f-,  Geschichte 
286,  Dünen  412. 

Ostsibirien,  Wärmeumkehr  59,  Tempe- 
ratur 67,  69,  70,  71,  82,  Temperatur- 
Veränderlichkeit  84,  86,  Barometer- 
maxima  102.  104,  Regen  126.  Klima 

174,  Deltas  406. 


Oszillierende  Bodenbewegung  223, 
Othrys  482. 

Ötzthaler  Alpen,  Schneegrenze  149, 
Form  437,  Gliederung  510,  518. 
Ouessant,  Gezeiten  234. 

Ouse  526. 

Oxytropis  589. 

Ozean  s.  Meer. 

Ozeanische  Deltas  403. 

Ozeanische  Inseln  552. 

Pacific  Creek  524. 

Packeis  269,  230. 

Pahde  255». 

Paläarktisches  Flachland  3L 
Palacky  622. 

Paläozoisches  Zeitalter  (Formations- 
gruppe)  12. 

Palau-Archipel  552 

Palermo,  Verunreinigung  der  Luft  42. 
Palics-See  543. 

Palkstraße  556. 

Palmarola,  Niveauveränderung  292. 
Palmen  595  ff. 

Palmenöl  597. 

Palmenwein  597. 

Palmenzucker  597. 

Palmieri  302,  331,  337,  502. 
Pambuk-Kalassi,  Travertin  363. 

Pamir  30,  476,  tägliche  Wärmeschwan- 
kung 79,  Bau  448,  Gliederung  511. 
Waldgrenze  604. 

Pampas , Klima  175,  Löß  414,  431, 
Vegetation  614,  619,  Flora  626,  632. 
Pampasfonnation  448. 

Panama-Isthmus  28. 

Pandanus  598. 

Pandschab,  Regen  135. 

Pantanelli  462*. 

Panther  644. 

Papageien  644,  652,  654,  657. 

Papaver  nudicaule  603. 

Pappel  612. 

Para,  Schmetterlingsfauna  644. 
Paradiesfeige  597. 

Paradiesvögel  652. 

Paragras  632. 

Paraguay,  Fluß  523,  526. 

Parahyba,  Gezeiten  234. 

Parallaktische  Ungleichheit  der  Ge- 
zeiten 232. 

Parallelgliederung  510, 

Parana  523,  526. 

Paris  222,  228*. 

Paris,  Flora  592. 

Parkkette  497,  498. 

Parks  497. 

Pannas  478. 

Parnes  482. 

Paroxysmen  der  Vulkane  302. 

Parrv  23. 


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Register. 


693 


Pascoe  652. 

Paß  520. 

Passat  99,  im  Winter  105,  106,  im 
Sommer  107,  108. 

Paasatschauer  132. 

Passate  taub  202. 

Pässe  (Mississippi)  405. 

Pasterze  157,  1114. 

Patagonien,  Niveauveränderuugeu  291, 
Seen  540,  Küstenform  576,  Vegetation 
619,  Flora  626. 

Patagonische  Flachsee  199. 

Patagonische  Formation,  Fauna  653. 

Pauchata,  Schneegrenze  149. 

St.  Paul-Insel  (Beringmeer),  Regen  1 33. 

„ (Atlantischer  Ozean)  571. 

„ (Indischer  Ozean)  594. 

Paulsen  51,  52*. 

Paumotu-Archipel  567. 

Payer  23.  49,  13L 

Pazifischer  Küstentypus  573. 

Pazifischer  Ozean  25,  26,  Areal  27,  193, 
Tiefe  36,  39, 193,  196,  Lufttemperatur 
66.  67,  Cyklonen  99,  Luftdruck  und 
Winde  H)2,  1)95,  106,  108,  Regen 
126,  127,  128,  129,  Bodenrelief  196, 
200 , Bodenbedeckung  203  f. , Salz- 
gehalt 215,  Wellen  222,  Gezeiten 
239.  Strömungen  246  f.,  231,  Ober- 
flächentemperatur 252,  256,  257, 
Tiefentemperatur  262,  266,  Vulkane 
310,  311,  Flußgebiet  523. 

Pazifische  Welt  34- 

Pazifisch- indisches  Monsungebiet  126. 

Peal  370*,  498,  499*. 

Peary  170. 

Pechuel-Lösche  612. 

Peiho,  Abtragung  381. 

Pekari  652,  654. 

Pelagische  Ablagerungen  200,  204. 

Pelagische  Fauna  535. 

Peloponnes,  Bau  482,  Halbinsel  551. 

Pelvoux  483. 

Pelztiere  659,  660. 


enck 

36, 

39, 

40*. 

165, 

278*, 

286. 

297*, 

342, 

359. 

381* 

, 383, 

389, 

890, 

397*, 

401* 

, 438,  483, 

, 484, 

513, 

523, 

533, 

534, 

535, 

536, 

' 537, 

539, 

541, 

568,  569,  570. 

Pendelbeobachtungen  3,  13. 

Peneplain  486. 

Pentelikon  482. 

Perekop-Isthmus  549. 

Perihel  45,  46. 

Periodische  Quellen  366. 

Periodische  Seen  359. 

Periodische  meteor.  Veränderungen  176. 
Periodische  tägl.  Wärmeschwankung  18, 
Peripherische  Stoßlinien  333. 
Peripherische  Flachländer  44ßff.,  449. 
Permanenzgebiete  431. 


Permische  Formation  20. 

Perndter  122*. 

Perrey  339. 

Persien,  Bodenarten  429,  Boraxseen  344, 
Wüsten  613. 

Persimanbaum  399. 

Persischer  Golf  190,  193,  199. 

Peru,  Länge  des  Meridiangrades  4, 
Klima  71,  175,  Vulkane  311,  Vege- 
tation 616,  Getreidegrenze  635. 
Peruströmung  246,  258. 

Peschei  278«,  512,  943. 

Peter  632*. 

Petermann  245. 

Peters,  530,  544. 

Petersquelle  367. 

Petit  Lake  524. 


Petro-Alexandrowsk,  Verdunstung  und 
Regen  126,  544. 

Petropaulowsk,  Gezeiten  239,  240. 
Petschora  526. 

Peucker  441*. 

Pf  aff  155,  413. 

Pfeiffer  298*. 

Pferd  659,  fi£L 
Pfitscher  Joch  516. 

Pflanzen , Anteil  an  der  Zerstörung 
344.  an  der  Landbildung  424,  546, 
V erbreitungsmittel  572,  Abhängig- 
keit vom  Boden  589,  vom  Klima  590. 
Pflanzenleben  im  Meer  201. 
Pflanzenregionen  603  ff. 

Pfriemengras  615. 

Phänologie  592. 

Phalasaraa,  Strandverschiebung  292. 
Philipp!  632*. 

Philippinen,  Vulkane  311,  Fauna  557. 
Philippson  382,  401«,  420,  424,  425, 
426*,  482,  496«. 

Phlegräische  Felder  313,  318,  502. 
Phönixinseln  565. 

Phönix  Bpinosa  610. 

Phönizische  Häfen  584. 

Phreatische  Wasserschicht  355. 
Phryma  Leptostachya  593. 

Phylica  arborea  396. 

Pic  du  Midi,  vertikale  Temperatur- 
abnahme 56, 

Pico,  Vulkan  von,  501. 

Pierre  du  Niton  21L 
Pikermischichten,  Fauna  656. 

Pikes  Peak,  Temperatur  57,  82. 

Pilar  360. 

Pillsbury  255*. 

Pinchincha  501. 

Pindus,  WTaldgreuze  604. 

Pinien  601. 

Pinselzüngige  Papageien  652. 
Pinzgauer  Ache  515. 

Piombino  577. 

Pisa,  alte  Bucht  v.,  577. 


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694 


Register. 


Pisang  597,  RIO. 

Pisciarelli,  Thermen  387. 

Pittinsel  695. 

Piz  Linard  647. 

Planimeter  5. 

Planimetrische  Methode  36. 
Planina-Polje  359,  360. 

Plankton  203. 

Plateauklima  83. 

Plateaus  437,  vertik.  Wärmeahnalime  59. 
Platten  438. 

Pleistoseistes  Gebiet  328. 

Pliocän  20,  183,  135. 
Pliickensteingranit,  Gipfelform  347. 
Plutonistische  Theorie  278. 
Pluvialperiode  184. 

Po  380,  520,  525,  530,  Abtragung  381, 
Delta  404,  405,  401. 

Po-Ebene  444,  446,  Klima  112,  Regen 
138,  Böschung  195. 

Polarbär  s.  Eisbär. 

Polare  Beleuchtungszonen  41» 

Polare  Pflanzenzonen  602,  639. 
Polarer  Typus  der  Süßwasserseen  259. 
Polarer  Wärmegürtel  HL 
Polarfuchs  558,  646.  662» 
Polarhalbmesser  der  Erde  5. 

Polarhase  646. 

Polarisbai,  tägl.  Wärmeschwaukung  81» 
Polarklima  83,  tägliche  Temperatur- 
schwankung 81,  Veränderlichkeit  81L 
Polarläuder,  Temperaturabweichung  87, 
Regen  137,  Gewitter  140,  Hagel  141, 
Gletscher  169,  Faziesgebiet  431 . 
Polarlicht  48.  • 

Polarseite  der  Cyklonen  96. 
Polarströmungen  im  Atlant.  Ozean  245, 
im  Pazif.  Ozean  247. 

Polder  424. 

Poliakow  529. 

Polieastro,  Golf  von,  577. 

Polje  359,  363. 

Polnischer  Hut  309. 

Polynesien  560,  567,  570,  653,  Klima 
175,  Flora  und  Fauna  572,  652,  663. 
Polynia  271. 

Polypedatidae  571. 

Pommerischer  Landrücken  430,  447. 
Pongauer  Ache  5.1h. 

Ponti lösche  Inseln  313. 

Pontus  s.  Schwarzes  Meer. 

Pori  613. 

Poriteu  582. 

Pororoca  238. 

Portland  426. 

Port  Said,  Feuchtigkeit  124,  Regen  197. 
Positive  Niveau  Veränderungen  280,  292, 

5*3. 

Po  well  497,  498. 

Pozzuoli,  Niveauveränderungen  292,295, 
Praia,  Regen  132. 


Pramberge  453. 

Prärieen  33,  vertik.  Wärmeabnahme 
60,  Löß  414,  Terrain  438,  443,  Vege- 
tation 615. 

| Präzession  10. 
j Precht  77*. 

Pregel  530. 

Prestwich  13*. 

Preußen,  Landrücken  430,  447. 
Primäres  Zeitalter  (Fonnationsgruppe) 
19. 

Primäre  Wellen  235. 

Primäre  'Windströmungen  250. 
Primärformation  Südafrikas  2L 
Primeln  594. 

Prinz  Alfred-Gletscher  169. 
Prinzeninsel  561 . 

Procida  313. 

Produktive  Steinkohlenformation  20. 
Profilmethode  26. 

Propylit  318. 

Pröscholdt  496*. 

Proteaceenbäume  613. 

Provence,  Mistral  113. 

Pruth  405,  530. 

Przewalski  79,  124,  126. 
Pteropodenschlamm  204. 

Ptolemäisches  Weltsystem  L 
Puff  255*. 

Puia-Therme  370. 

Puma  654. 

Pumpelly  352,  353*,  534. 

Punaregion  618. 

Punta  Arcnas,  Klima  u.  Getreidebau  636. 
Purpurschwalbe  644. 

Pußta  614. 

Puy  de  Cöme  310. 

Pyrenäen  30,  vertikale  Temperatur- 
abnahme 56,  Föhne  114,  Gletscher 
166,  Erdbeben  334,  Gipfelformen  347. 
Erdpyramiden  351,  Bau  471,  Gliede- 
ntng  510,  511,  Seen  541,  V egetations- 
regionen  604,  Getreidegrenze  635. 
Pyreuäische  Halbinsel  8.  Iberische  H, 
Pythonschlange  658. 

Quartäres  Zeitalter  (Formation)  19,  20. 
Quellen  364  ff. , Temperatur  36 1 , Mi- 
ncralgehalt  366 
Quelltümpel  365. 

Querabdachung  509. 

Querandinische  Stufe  291. 

Querbeben  330,  334. 

Querflüsse  520. 

Quergliederung  510. 

Querkämme  464, 

Querschollen  482,  492,  495. 

Querspalteu  im  Gletscher  160 
Querthäler  464,  507,  50,8  f. 

Quito,  Gewitter  188.  Vulkane  312,  Ge- 
treidegrenze 635. 


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Register. 


(195 


Radiale  Stoßliuieu  333. 

Kadiaispalten  bei  Erdbeben  327. 
Kadioinrienschlatnm  ‘204. 

Kadmerbach  Mb. 

KafHesia  Arnoldi  399. 

Rainberg  493. 

Ramsay  456,  463*,  499,  .r)4l. 
Kandfaltungeu  478. 

Randseen  .~)40. 

Randspalten  der  Gletscher  1 60. 
Ratschacher  Wasserscheide  317. 
Ratten  fiftl,  654,  660. 

Ratzel  147,  149*,  324. 

Raubtiere  654,  657,  659,  660. 

Rauhe  Alb  s.  Schwäbische  Alb. 
Rauriser  Ache  515. 

Ravenna  426. 

Ravensberg  494. 

Ravenstein  620,  621  *. 

R<5  576. 

Reade,  Mellard  381,  466,  479*. 
v.  Rebeur-Paschwitz  j_7,  18*,  330, 
340* 

Eeclus  524. 

Red  River  331. 

„ (XbH.  d.  Mississippi)  405,  Cafion  388. 
Reduktion  der  Temperatur  61 . 
Reduziertes  spezif.  Gewicht  des  Meer- 
wassers 214. 

Regel  496*. 

Regelation  1 38. 

Regelmäßige  Wärmeschichtung  259. 
Regen  s.  Niederschläge. 
Regendichtigkeit  132,  1 33. 
Regenerierte  Gletscher  1 55. 
Regengebiete  der  Erde  138,  432 
Regengrüne  Wälder  610, 
Regenwahrscheinlichkeit  129,  1 32. 
Regenwälder  610. 

Regeuwiirmcr,  Humusbildung  343. 
Regionale  Niveauveränderungen  272. 
Regressionstheorie  31 3. 
llegur  4 1 3. 

Rehe  1159. 

Reichelt  188,  190*. 

Reichenow  662,  664*. 

Reid  168,  173*. 

Reiderland  421. 

Reif  I1& 

Rein  568,  633. 

Reis  633 

Reiß  166,  305,  322  . 

Relaisbeben  336. 

Relative.  Feuchtigkeit  1 18. 

Reliktenseen  333. 

S.  Remo,  unterseeische  Quelle  338. 
Renard  18%  207*. 

Rentier  332,  646,  645, 

Reptilien  372.  643.  646,  638, 

Resaca  227. 

Reschenscheidcek  316. 


Reschensee  332 
Restinseln  359. 

Reuseh  419,  426*. 

R e u s c h 1 e 585. 

Reuß,  Abtragung  381,  Thal  392. 
Revillagigedo-Inscln  572. 

Reyer  278*,  322*,  335,  467,  479*,  481. 
496*.  5115. 

Rhätischc  Alpen,  Getreidegrenze  636. 
Rhein  521,  525,  Schwankungen  des 
Wasserstandes  371,  372,  Delta  404, 
405,  406,  407,  328,  Verbindung  mit 
der  Donau  524,  Größe  527,  Verän- 
derungen 528,  330  f.,  Ablenkung  329 
Rheinfall  396,  397. 

Rheinisches  Erdbeben  118281328,(1846) 
323.  3ßjL 
Rheinthal  316. 

Rhinozerosbusch  619. 

Rhone  525,  530,  Abtragung  381,  Delta 
404,  4UL 

| Rhönegletscber  163. 

Rhönethal  508. 

Rhyolith  299,  319. 

Rias  582,  384. 

Richter,  Ed.  T15,  146,  149*,  165*. 

166,  173*.  190*.  258,  271*.  370*. 
v.  Richthofen  278%  311,  318,  352, 
384,  400,  408,  413,  415,  427,  428, 
434.  437,  445,  446,  457,  46~2T 463% 

| 467,  476,  486,  509,  511,  520,  541% 

582,  383. 

Ricinus  398 
j Ried  547. 

Ried  (Tirol),  Muren  331. 
j Riedgräser  546,  547. 

Riesenhirseh  639. 

Riesentöpfe  160,  in  Steilküsten  419. 
Rif  474. 

Rigi,  Temperatur  80,  83,  85,  Wasser- 
rinuen  387. 

Ringgolds  Isles  367. 
j Rio  de  Janeiro,  Hafen  585. 

Rio  Grande  del  Norte,  Canon  388. 

Rio  Negro,  Gezeiten  234,  Waldland  609. 
Rionthal  508, 

Ritter,  A.  1_L 
I liiukiu- Inseln  311,  553. 

I Rocea  Montina  313,  504. 

Rocky  Mountains  s.  Felsengebirge. 
Rodinanu  199,  207*. 

Roggen  634. 

Roliboden  343. 

! Rohlfs  79,  411L 

Rohrbach  427,  428,  429,  586,  388*. 
Rokitnosümpfe  524. 

| Rolland  413,  415%  433,  462*. 

Rom,  Feuchtigkeit  und  Regen  124, 
Schnee  142. 

Romieux  298*. 

Romsdalsijord,  Strandlinien  284. 


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696 


Register. 


Rosenlauigletscher  160. 

Rosiwal  322. 

Ross  23,  71,  172,  192. 

Roßberg,  Bergsturz  351. 

Roßbreiten  123. 

Rostformige  Gliederung  510,  511. 
Rotangpalmen  597,  608. 

Rotatorische  Erdbebenbewegung  324. 
Roter  Schlick  201,  205. 

Roter  Schnee  «07. 

Roter  See  543. 

Roter  Thon  201,  204. 

Rotes  Meer  192,  Areal  u.  Tiefe  193, 
Bodenrclief  199,  Salzgehalt  216, 
Farbe  219,  Geologie  314. 

Roth,  J.  343,  344,  353*. 

Roth,  Santiago  448,  463*. 
Rotholzbaum  612. 


Rothpletz  276,  278*,  466,  479*. 
Rotliegendes  20. 

Rückeugebirge  436,  492. 

Rückstau  379. 

Rudistenkalk  363. 

Rudolfsee  315,  542. 

Rudolph  202,  207*,  226.  271*,  316, 
335. 


Rügen  416,  443. 

R ü h 1 m a n u 440. 

Rumänien,  Wald  631. 

Rumpfgebirge  485,  487,  495. 

Rumpfschollengebirge  488,  495,  Vor- 
kommen 4Mf-,  Orograpliie  491  f., 
Inseln  553. 

Rundhöckerlandschaften  539. 

Rung  110*. 

Runkelrübe  637. 

Russell,  J.  C.  151,  165^  173*,  190*, 
414,  415*,  460,  461,  463*. 

Russell,  Scott  197,  221. 

Rußland , Temperaturveränderlichkeit 
84,  86,  Temperaturabweichung  87, 
Regen  126,  137,  Gewitter  140,  Tem- 
peraturschwankungen 179,  Eiszeit 
183,  Niveauveränderungen  289.  292, 
Erdbeben  334,  moderne  Thalbildung 
386,  Deltas  406,  Bodenarten  429, 
Bau  u.  Geschichte  442,  448,  Haupt- 
wasserscheide 523,  Flüsse  529,  Küsten 
576,  Wald  631. 

Ruteuformige  Teilung  d.  Gebirge  475. 

Rütimeyer  387,  401  *,  582,  588 *. 


Saalachthai  515,  Seebildung  533. 
Sabaleae  596. 

Sabal  pal  me  596, 

Sabine-Insel,  tägliche  Wärmeschwan- 
kung 81. 

Sabioneello  553. 

Sacco  296,  298*. 

Sachalinische  Strömung  247. 

Sachs  614. 


Sächsische  Schweiz,  Gipfelformell  347, 
Thalbildung  389,  452,  Tafelberge  454, 
Flexur  457. 

Sagopalme  597. 

Sahama,  Schneegrenze  143. 

Sahara  31,  522,  Temperatur  70,  79, 
Luftdruck  u.  Winde  105,  108,  109, 
Regen  124,  127,  136,  Gewitter  140, 
Klima  174,  früheres  Klima  184,  433, 
Quellen  366.  Ablagerungen  410, 
Dünen  41 1 , 412  f.,  Bodenarten  427. 
431 , 432,  Oberflächenformen  432, 
Bau  442.  Gebirge  495,  Depressionen 
537,  Vegetation  616,  617,  Fauna  642, 
649.  664. 

Sajangebirge , Waldgrenze  604,  Ge- 
treidegrenze 635. 

Säkulare  Klimaperioden  181,  185. 

„ Niveauveränderungen  272. 
Säkularer  Wald  Wechsel  630. 

Säkulare  Verwitterung  352. 

Salamanca,  Regen  125. 

Sala  y Gomez  552. 

Salerno,  Golf  v.,  577. 

Salomoninseln  558,  568. 

Salsen  320. 

Salzachthal  509,  515. 

Salzgehalt  des  Meerwassers  212,  des 
Flußwassers  213. 

Salzkammergut-Seen  541 . 

Salzpflanzen  589. 

Salzseen  542  f. 

Salzsteppe  413,  Vegetation  616. 
Sambesi  407. 

Sambesi-Kalahari-Becken  32, 
Samländische  Küste  416. 

Samum  116. 

Sandbänke  200,  403,  in  Flüssen  379. 
Sandberg  in  Fessan  412. 

Sandboden  345. 

Sandinseln  in  Flüssen  379. 

Sandkegel  auf  Gletschern  163. 
Sandler  284,  297*,  581. 

Sandsteppen  616. 

Sandwüsten  410,  428,  430. 

Sangay  301. 

Sansibar,  tägl.  Wärmeschwankung  81 . 
Santa  Cruz-Schichten,  Fauna  65.3, 
Santiago  (Chile),  Temperatur  HO. 
Santorin  305,  813,  560. 

Saöne  525. 

Saönethal  508. 

Sapper  506*. 

Saraswati  530. 

Sara  urcu,  Gletscher  166. 

Sargans,  Wasserscheide  518. 
Sargassomeer  244,  Farbe  218. 

Sargent  621*. 

Sary-Kamysch-See  528. 

Saskatchewan  523. 

Sasaafraslorber  599. 


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Register. 


697 


Sattel  der  Falten  463. 

Sattelpaß  520. 

Sättigungsdefizit  1 1S. 

Sauerquellen  310. 

Sauerstofl'gehalt  der  Luft  4L 
Saumriffe  563. 

Saure  Eruptivgesteine  299. 

Savane  612. 

Savanenwälder  613. 

Sawatch  498. 

Saya  de  Malha-Bank  567. 

Schacht  548*. 

Schafberg.  Wärmeabnahme  5E, 
Schanghai,  Wintertemperatur  104. 
Schansi,  Karbonplatcau  487. 
Schantung,  Gcbirgsbau  474 
Schären  58‘2. 

Schartenpaß  820. 

Scharung  im  Flusse  379,  der  Gebirge 
476. 

Schat  el  Arab  530,  Delta  406, 
Schaukelbewegung  des  Bodens  '294. 
Scheiugräser  547. 

Scheitelwert  TL 
Scheich  889. 

Sehemnitz,  trachytisches  Gebirge  313. 
Scheuck  21,  23*,  483*. 

Schichtquellen  388. 

Schichtungstafeln  443,  449. 

Schiefe  Falten  484. 

Schimpanse  656. 

Schi welj utsch  316. 

Schlackenkegel  309. 

Schlackenwälle  309. 

Schladebaeher  Bohrloch  7,  8. 
Schlaggendorfer  Spitze,  Einsturz  351. 
V.  Schlagintweit,  H.  367,  606. 
Schlammsprudel  320,  365. 
Sehlammströme  bei  Vulkanen  303,  bei 
Mooren  848. 

Schlammvulkane  320. 

Schlangen  645. 

Schlee  130,  133*. 

Schleppung  (geologisch)  274. 
Schleswig,  Dünen  412, 

Schlick  201 . 

Schmalhausen  297*. 

Schmetterlinge  644. 

Schmick  226. 

Schmidt,  Adolf  8,  13*. 

Schmidt,  A.  337. 

Schmidt,  J.  339. 

Schmutzbänder  der  Gletscher  163. 
Schnabeltiere  651,  664. 

Schnee  15,  Verbreitung  142. 
Sehneeberg  (österr.  Alpen)  483. 
Schneeberge  (Südafrika)  457. 
Schneehase  646. 

Schneelinie  (Schneegrenzei  144,  Me- 
thoden 145,  Verteilung  147,  484,  in 
d.  Eiszeit  184. 


Schneemaus  648. 

Schollen  (geologisch)  273,  458. 
Schollenbcrge  462. 

Schollengebirge  496,  Thalbildung  507. 
Schollenländer  275. 

Schollenlava  303. 

Schopfhuhn  654,  6M. 

Schorfflechteu  344. 


Schott  214,  216,  219*,  220,  221,  222, 
223,  241,  242,  247*  252. 

Schott- el-Dscherid  188,  537. 

„ Gharsa  532. 

Schottland,  Temperaturabnahme  56, 
Regen  125,  Gewitter  140,  Eiszeit  183, 
Niveauveränderung  288,  Hochland 
491,  493,  Seen  541,  580,  Thalbuchten 
581,  Waldgrenze  604,  Getreidegrenze 
635,  636 


Schott  Melnr  537. 

Schräder  479*. 

Schratten  362. 

Schuhmacher  337. 

Schunk  164,  165*. 

Schuppenstruktur  465. 

Schuster  155. 

Schüttboden  345. 

Schütterlinien  332,  333 
Schutthalden  350. 

Schuttkegel  350,  360,  in  Binnenseen 


403. 


Schutzfarben  der  Tiere  642. 

Schwäbische  Alb  (Jura),  vertik.  Wärme- 
abnahme 56,  Maare  299,  Erdbeben 
387,  Bau  454,  Glazialpflanze  629. 

Schwarze  173*. 

Schwarzerde  414. 

Schwarzes  Gebirge  318. 

Schwarzes  Meer  195,  Tiefe  200,  Niveau- 
Bchwankungen  210,  Salzgehalt  216, 
Name  219,  Strömungen  241 , Tiefen- 
temperatur 261,  Niveauveränderung 
291. 

Schwarzwald  474,  490,  Glazialflora 
629,  Getreidegrenze  635. 

Schwarzwasser  640. 

Schweden,  Regen  125,  Niveauverände- 
rungen 285 ff.,  295,  Moränenland- 
schaft  430,  Seen  535,  539,  Fjärde 
582,  Wald  63L 

Schwein  660. 

Schweinfurth  610- 

Schweiz,  vertikale  Wärmeabnahme  56, 
Temperaturabweichung  87,  Föhntage 
115,  Hagel  141,  Gletscherareal  166, 
angebliche  Bodenverschiebungen  297, 
Erdbeben  324,  331 , 339,  Abhängig- 
keit der  Pflanze  vom  Boden  590, 
Pflanzenregionen  604,  säkularer 
Waldwechsel  630,  Waldfläche  63L 

Schwemmland-Dolinen  360,  362. 

Sciroeco  115,  116. 


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698 


Register. 


Selater  662. 

Seottgebirge,  Caüon  388. 

Scrope  292,  302,  322*. 

Scylla  und  Charybdis  241 . 
Sedimentgesteine  12. 

Seeaugen  365. 
v.  Seebach  337,  338. 

Seebär  221. 

Seebeben  335,  336. 

Seefelder  Paß  513. 

Seeland  157,  605. 

Seelöß  414. 

Seeklima  63,  68,  72,  78,  82,  83, 

Seen  531  ff’.,  3öjähr.  Wasserstands- 
perioden 178,  Tiefentemperatur  257, 
Uferzerstörung  417,  Anschwemmung 
429. 

Seengebiete  538. 

Seentheorie  der  Durchgangsthäler  512. 
Seewind  111,  1 19. 

Seiche  227. 

Seifnitzer  Wasserscheide  517. 

Seiban  530. 

Seine  526. 

Seinebecken,  Regen  125. 
Seismographen  324. 

Seismometer  324. 

Seismoskope  324. 

Seitenmoräne  161 . 

Sekiya  322 *,  325. 

Sekundäre  Minima  98. 

Sekundäres  Zeitalter  (Formations- 
gruppei 12. 

Sekundäre  Wellen  235. 

Sekundäre  Windströmungeu  25 1 
Sekundenpendel  3. 

Selkirk-Gebirge,  Gletscher  1 69. 

Sem ler  632*. 

Semper  568,  640,  650 *. 

Senft  353*.  546. 

Senkungen  289,  bei  Erdbeben  327. 
Senkungsbeeken  274.  534,  535. 
Senkungsthäler  399,  400. 

Senon  211 

Sequoia  593,  599,  612. 

Serena,  Regen  1 29, 

Serie  in  der  Geologie  12. 

Serir  409,  617- 
Sermerßuak  170. 

Serpeutinen  376- 

Serra  da  Estrella.  Wärmeabuahme  56, 
Regen  1 25, 

Serre  474. 

Serval  658. 

Seter  282,  284. 

Shaw  12. 

Sheavwits- Plateau  439. 

Sibirien,  Temperaturabweichung  87, 
Anticyklone  104,  Regen  137,  Ge- 
witter 140,  Niveauveränderuug  289. 
Bodenarten  429.  Tiefland  448,  Flüsse 


529,  Küste  576,  Waldgrenze  601, 
säkularer  Waldwechsel  631,  Ge- 
treidegrenze 634,  Obst  637. 

Sicilien,  Wüstenwinde  116,  Regen  138, 
Flora  624,  Verbindung  mitAfrika  055. 
Siebenbürgen  450,  453. 

Siebenschläfer  649,  661. 

Siedepunkt  440. 

Sieger  287,  297*. 
v.  Siemens  U,  13*.  92,  101  *. 

Sierra  de  Gredos,  Gletscher  166 
„ de  los  Filabres  480. 

„ Nevada  (Californien),  Gletscher 
168,  Vulkane  311,  Bau  4SI . 

„ Nevada  (Spanien)  30,  Gletscher 
166,  Erdbeben  334,  Gipfelformen 
348,  Bau  480,  Seenzone  540. 

„ Nevada  de  St.  Marta,  Wald- 
grenze 604. 

Silleiner  Erdbeben  337. 

Sillthal,  mittl.  Böschung  195. 

Sils,  Temperatur  59. 

Silur-Formation  19,  22. 

Silvretta,  Schneegrenze  149. 

Simeto,  Thalbildung  387. 

Simferopol,  Föhn  1 iS. 

Simony  352,  541 . 

Simplon,  Glockenblume  593. 
Simultanbebeu  335. 

Singvögel  661. 

Sinisches  Gebirgssystem,  Richtung  476. 
Sjögren  322 *. 

Sjonghellcr  Grotte  419. 
Siwalikschichten  472,  478. 

Skagerak,  Tiefe  193,  Salzgehalt  21 1; 
Skandinavien  550,  Gebirge  32,  491,  492, 
520,  Winde  103,  Cyklone  109.  Be- 
wölkung 121,  Gletscher  169,  Eiszeit 
183,  Niveau  Veränderungen  282  ff-  293, 
296,  Seen  536,  Küste  .375. 

Skaptar  Jökull  303. 

Skerryvore,  Brandung  417. 

Sklavensee  483. 

Skuphos  340*. 

Sluiter  574*. 

Smith  322» 

Smithsund,  Eismächtigkeit  270 
Smyrna,  Hafen  von,  333. 

Snake-River,  I.avafeld  am,  311,  448. 
Soffioni  367. 

Sognefjord  578,  580,  Strandlinien  284. 
Sohncke  62*. 

Sokolöw  415». 

Solare  Wirkungen  lä, 

Solfatara  309,  313. 

Solfatareuthätigkeit  309. 

Solferiuo,  Moränen  430. 

Sologne  326. 

Solowezky  - Inseln,  Strand  Veränderun- 
gen 288. 

Solta  333. 


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Register. 


699 


Sombrero,  Oszillationen  283. 

Somma  301,  302. 

Sommergewitter  140. 

Sommergrüue  Laubbäume,  Gürtel  der, 
600,  6JLL 

Sommerregen  134. 

Söndfjord,  Strandlinien  2*4. 

Söndmüre,  Strandlinien  2*4. 
v.  Sonklar  143.  441,  332. 

Sonnblick,  Wärmeabnahme  33,  57, 
Temperatur  57,  Niederschläge  143, 
Höhe  483. 

Sonne  381*. 

Sonne  43,  Hypothese  Biermanns  134, 
Hypothese  Dubois  185. 

Sonnenferne  45. 

Sonneufleekeu  43,  Beziehungen  zu  den 
Polarlichtern  5t,  zum  Klima  176. 
Sonnennähe  45. 

Sonnenwelle  231,  232. 

Sorata,  Waldgrenze  004. 

Sorghum  034. 

South  Cape  25. 

Soyka  355,  370*. 

Spanien,  Kegen  125,  Flüsse  372,  Wald 
031. 

Spaltenbilduug  im  Gletscher  160,  bei 
Erdbeben  327,  332. 

Spalteutheorie  d.  L)urckgaugstlxäler512. 
Spaltquellen  303 
Spartium  591. 

Spechte  632,  637. 

SpezifischesGewiehtd.  Meerwassers  213. 
Sphagnum  346. 

Sphäroid  3. 

Spinnen  643. 

Spitaler  TI;  72,  77*. 

Spitzbergen  358,  Pendellänge  3,  Glet- 
scher 159,  169,  171,  Eisberge  172, 
Tertiärflora  185,  Niveauverände- 
rung 288. 

Spitzmaus  654,  660,  661. 

Spratt  292. 

Spreethal  530. 

Springmaus  660,  661. 

Springtiden  231. 

Sprung  4T,  130,  133*. 

Sprunghöhe  d.  Verwerfungen  273. 
Sprungschicht  258. 

Squillace-Golf  550. 

Stabiles  Gleichgewicht  der  Atmosphäre 
120. 

Stachelschwein  638. 

Staffelbruch  273. 

Stalagmiten  357. 

Stalaktiten  357. 

Stanleyhafen,  Regendichtigkeit  133. 
Stanowoigebirge,  Waldgrenze  604. 
Stara  Apneuca  361. 

Staten  Island,  Gezeiten  234. 
Staubablagerungen  413. 


| Steamboot  Geysir  370. 
j Steenstrup  156,  290. 

Stefano vifi  374. 

Stehende  Falten  463. 

Stehende  Wellen  226. 

Steiermark,  Hagel  141 
Steilküste  416,  41 7. 

Steinbock  648,  659. 

Steingebirge  4 60. 

Steinkohlenformation  211. 

Steinschutt  343. 

Stelzen  662. 

Stcnshufud,  Strandlinie  283. 

Steppen  614,  Ablagerungen  433. 
Steppenflora  623,  628. 

Steppentiere  641. 
v.  Sterneck  14*. 

Stevenson'sehes  Gesetz  üIL 
Stickstoflfgehalt  der  Luft  4L 
I Stiller  Ozean  s.  Pazifischer  Ozean. 
Stockholm,  Niveauveränderung  287. 
Storaxbaum  624. 

Storjungfrun,  Niveau  Veränderung  2*7. 
Stoßförmige  Erdbeben  323. 

Stoßlinien  332.  333. 

Stoßwelle  226. 

Strahlenförmige  Gliederung  310. 
Strahlenlicht  49. 

Strand  196.  413. 

Strandbrnndung  224 . 

Strauddünen  410. 

Strandliuieu  282,  Verschiebungen  27b  ff. 
Strandsaum  423. 

Strandseen  425,  333. 

Strandterrasse  418. 

Strandwall  423. 

Stratovulkane  ME!  ft'. 

Strauchratten  634. 

Strauchvögel  632. 

Strauß  664. 

Strelbitzky  6. 

Strokr  370. 

Strom  371. 

Stromboli  313,  50 1 . 

Stromfläehe  210. 

Stromkabelung  253. 

Stromsehnelien  396. 

Stromstrich  315 
| Stromversetzung  241. 
j Stromwechsel  237. 
j Struktur  der  Gletscher  158. 

Strumathal  311. 

| Stubbenkammer  418. 

; Stübel  166,  305,  322*. 

Stuben,  Regen  1 23. 

Studer,  Th.  419,  426*. 

Stufe  (geologisch)  19. 

Stuhlmann  311. 

Stürme  SS, 

Sturmfluten  224. 

Sturt  116. 


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700 


Register. 


Sturzseen  222. 

Stuttgart , Temperaturveränderlichkeit 

85. 

Subantarktische  Depressionszone  1LL 

Subarktische  Depressionszone  Bl. 

Subarktische  Wurzelschicht  182. 

Subatlantischer  Torf  182. 

Subboreale  Wurzelschicht  182. 

Subglazialer  Torf  182. 

Submarine  Deltas  40.'). 

„ Strömungen  288. 

„ vulkanische  Ausbrüche  316. 

Subpolarc  Depressionszonen  91j  im 
Winter  102,  im  Sommer  107,  108. 

Subtropische  Hochdruckzonen  91j  im 
Winter  102, 106,  im  Sommer  106, 107. 

Subtropischer  Regen  133,  136. 

Subtropischer  Wald  611. 

Subtropischer  Wärmegürtel  76. 

Subtropische  Trockengebiete  128,  136. 

Südafrika,  Geologie  21,  Regen  129, 
Winde  107,  Ta  fe  1 borg  c 153,  K auii  a 6 5 7 ■ 

Südamerika,  höchste  Breite  25.  Grenzen 
28,  Areal  30,  Oberflächengestaltung 
32,  Höhe  36,  39,  Temperatur  68,  70, 
71,  Regen  127,  128,  131,  Hagel  140,  1 
Schneegrenze  145,  Gletscher  166, 
Klimaprovinzen  175,  Vulkane  312, 
Erdbeben  327,  335.  339,  Dünen  412, 
Bodenarten  428,  429,  430,  Tiefebenen 
448,  abflußlose  Gebiete  522,  523, 
Abdachungen  523,  Flüsse  527.  Halb- 
inseln 549,  Küstenabstand  und  -ent- 
wicklung  587 , Palmen  595,  596, 
immergrüne  Laubbäume  602 , Flora 

619,  621,  626,  Vegetationsformationen 

620,  Entwicklungsgeschichte  653, 
Fauna  653  f.,  663. 

Sudan,  Hagel  141. 

Südchilenische  Klimaprovinz  1 75. 

Südchinesisches  Gebirge  484. 

Südchinesisches  Meer,  Strömungen  246, 
247 

Süddeutschland , Temperaturabwei- 
chuug  87,  35jähr.  Klimaschwankung 
180. 

Sudeten,  Krummholzregion  606,  Glazial- 
pflanzen  629.  Getreidegrenze  635. 

Südeuropa,  Regen  136,  s.  weiter  Mittel- 
meerländer. 

Südfrüchte,  Zone  der,  637. 

Südgeorgien,  Schneegrenze  148,  Pflan- 
zen 602. 

Südkontinente  27,  Areal  30,  Fauna  664. 

Südliche  Halbkugel,  Wasser  und  Land 
23,  Temperatur  71,  72,  Temperatur- 
veränderlichkeit 84,  Schneegrenze 
142,  Dauer  des  Winterhalbjahres  45, 
Tageslänge  47,  Luftdruck  94,  Anti- 
cyklonen  u.  T3y  klonen  95,  Luftdruck 
u.  Winde  106,  Barometerschwankung 


110,  Bewölkung  121,  Regen  123, 
Gletscherareal  165,  Flora  625,  Fauna 
663. 

Südliches  Eismeer  25,  Areal  27,  193, 
Eisberge  172,  Tiefe  193,  Bodenrelief 
197,  Bodenbedeckung  204,  Strömun- 
gen 252,  Tiefentemperatur  267. 

Südlicht  48,  jährliche  Periode  5L 

Südostinseln  557. 

Südpazifische  Plateaus  197. 

Südpol,  unbekanntes  Gebiet  23. 

Südrussische  Steppen  614.  615. 

Südsee  s.  Pazifischer  Ozean. 

Südseeprovinz  34. 

Südshetland- Inseln,  Pflanzen  602. 

Südtirol,  Maulbeerbaum  188. 

Südwest-Monsun  109. 

Sues,  Regen  127. 

Sues,  Golf  v.,  314. 

Sues-Isthmus  28,  Verwitterung  345. 

Sueskanal  192. 


Süß  7, 

22, 

23«, 

33,  34. 

, 206, 

276, 

278«, 

280, 

281. 

, 284 

. 287, 

289, 

292, 

294. 

295, 

297« 

, 311 

. 313, 

314, 

315, 

322«, 

460, 

474, 

, 480,  486, 

490, 

491, 

497, 

506, 

529, 

555, 

558,  575. 

Sukkusorische  Erdbebenbcweguug  323. 
Suldenerfemer  165. 

Suliman-Gebirge  469. 

Sulusee,  Tiefentemperatur  267. 
Sumatra,  Regen  135,  Erdbeben  333, 
Fauna  557,  Waldgrenze  604,  605. 
Sümpfe  547. 

Sumpfinoos  546. 

Sundasee,  Bodenrelief  199. 

Sungari  525. 

Supan  39,  4<P,  7T,  8T,  110«.  141«, 
340«,  401«. 

Suphellagletscher  170. 

Surreta  650. 

Susquehauna,  Durchgangsthal  512. 
Süßwasserseen  542,  Tyen  259. 

Sutley  530. 

Svartklubben,  Niveauveränderung  2h7. 
Swells  498. 

Sydney,  Flutkurve  (Aug.  1868)  225, 

Hafen  585. 

Sykomoren  600. 

Symmetrische  Faltengebirge  470,  494. 
Symons  207*. 

Synklinale  464. 

Synklinalkamm  464. 

Synklinalthal  399,  464,  507,  506. 
Synoptische  Witterungskarten  88. 
Syrien  31,  Regen  127,  136.  angebliche 
Klimaänderung  187,  Gräben  314,  344. 
Seen  542,  Küsten  579,  Flora  624. 
Syrische  Wüste  617. 

Syrten,  Flutgröße  239. 

System  in  der  Geologie  19. 

Szegedin,  Untergang  374,  Seen  543. 


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Register. 


701 


Tabago  314. 

Tabak  637. 

Tafelbai,  Gezeiten  234. 

Tafelberge  437,  433. 

Tafelbrüche  273. 

Tafelgebirge  437. 

Tafelland  438,  442  f. 

Tafelscholle  460,  333. 
Tafelschollenberge  482. 
Tafelschollengebirge  462. 
Tafelschollenland  461. 

Tägliche  Periode  der  Temperatur  78, 
der  Windstärke  89. 

Tägliche  Kegenmaxima  128. 

„ Ungleichheit  der  Gezeiten  232. 

„ Wftrmeschwankung  18. 
Tagschmetterlinge  644. 

Tahiti,  Flnthöhe  238,  Vulkan  304. 
Taimyrland,  Waldgrenze  601. 

Tait  2118. 

Takufjord,  Gletscher  188. 

Talca,  Regen  129. 

Taman,  Schlammsprudel  321. 
Tamarisken  610. 

Tamiua8chlucht  309. 

Tanfiljew  615,  621  *. 

Tanganikasee  315,  334,  536,  542. 
Tannen  612. 

Tapir  634. 

Taramelli  337,  340*. 

Tarawera  |04,  307,  308,  309,  370. 
Tarimbecken  446.  450. 

Tarnowitzer  Platte  447. 

Taschenratten  66 1 . 

Tasmanien,  Fauna  557,  558,  Flora  628. 
Tateyama-Glctseher  168. 

Tau  119. 

Tauben  652,  654. 

Taube  Tiden  231. 

Taunusquarzit  494. 

Taurisches  Gebirge  414. 

Taurus  30,  Vulkane  313. 

Tausendfüßer  645. 

Taxenbacli  313. 

Tehuantepec,  Landenge  28. 

Teifun  98,  99, 

Teilminima  98. 

Teisserenc  de  Bort  100,  101*.  121, 

122». 

Tekesthal  510. 

Tektonische  Becken  534,  535. 

„ Landstufe  462, 

„ Thäler  400. 

„ Tlialstufen  395. 

Teleki- Vulkan  311,  315. 

Temperatur,  vertikale  Verteilung  52, 
58.  horizontale  Verteilung  62,  tägl. 
Periode  78,  jährliche  Periode  81, 
V eränderlichkeit  83,  Abweichung  88. 
35jähr.  Periode  177,  178. 
Temperatur  des  Erdinnere  8. 


Temperaturzonen  74,  15. 

Teneriffa,  Antipassat  101 , Feuchtig- 
keit 1 17. 

Tengger  501. 

Teplitzer  Thermen  313,  368.  • 
Teraiwald  609. 

Terekdelta  404. 

Tertiäres  Zeitalter  19,  22. 

Tetarata  370. 

Texas,  MimosengebUsch  619. 
Thalbuchten  578. 

Thäler,  Bildung  381  ff.,  Eiuteilung  398, 
im  Flachlande  449  ff.,  Alter  507. 
Thalfälle  395. 

Thalgletscher  151,  153,  155,  156. 
Thalseen  539,  540. 

Thalstufen  390,  392. 

Thalterrasseu  390,  in  Norwegen  283. 
Thalwasserscheiden  516. 

Thalweg  375. 

Thalwind  111. 

Thätige  Vulkane  310. 

Thava  526. 

Theben  (Ägypten),  Seen  343. 

Thee  637. 

Theiß  525. 

Themse,  Abtragung  381 . Münduugs- 
form  406,  Tlialbildung  436. 
Theodolit  432. 

Thennaltheorie  467. 

Thermen  310,  327,  366,  367. 
Thermische  Anomalie  12. 

Thermischer  Äquator,  im  Jahresmittel 
67.  im  Januar  68,  im  Juli  10, 
Thessalisches  Küstengebirge  482. 
Thomas  307.  322*. 

St.  Thomas  (Tliome)-Iusel,  tägl. 'Wärme- 
schwankung 81,  Fauna  361. 
Thomson,  C.  Wyville,  207*,  268. 
Thomson,  William,  2,  10,  11,  13*. 
Thonboden  345. 

Thonerde  344. 

Thorodssen  171.  308,  322 *. 
Thorshavn,  Regen  133. 

Thoulet  206*.  409. 

Thuuer  See  545» 

Thüringer  Wald,  Klammen  387,  Bau 
488  f.,  492. 

Thurr  410. 

Tianschan  30,  476,  Gliederung  510, 
Wald  812. 

Tiber  515. 

Tiberiassee  537. 

Tibet  30,  vertik.  Wärmeabnahme  56, 
tägl.  Wärmeschwankung  79,  lokale 
Winde  111,  Regen  126,  Gletscher 
153,  höchste  kalte  Quelle  367,  Bau 
446.  Waldgrenze  604,  805. 

Tiden  222, 

Tiefland  438. 

Tiefenregion  35,  38. 


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702 


Register. 


Tiefenstufen  des  Meeres  36. 

Tiefmoore  547. 

Tiefsee  196. 

Tiefseethon  204. 

Tjemorowälder  610. 

Tiere,  im  Meere  201,  203,  Verbreitungs- 
mittel der  Landtiere  554,  571  f.,  Be- 
ziehnugen  zur  Pflanzenwelt  640,  Ab- 
hängigkeit von  d.  Temperatur  642, 
Periodizität  648,  Beziehungen  der 
Tiere  zu  einander  649. 

Tietze  312,  859,  513. 

Tiger  642,  644. 

Tigris  405,  525,  580. 
v.  Tillo  24,  38,  39,  40*,  72,  77*,  427, 
428,  429,  434*,  462*,  506,  522,  531*. 
Timangebirge  484. 

Timber  line  606. 

Timor  557,  622. 

Tipaza,  Küste  420. 

Tirol,  vertik.  Temperaturabnahme  56, 
Bergstürze  352,  Seenabnahme  545, 
vertik.  Verbreitung  der  Tiere  647. 
Tissandier  55. 

Tittel  426*. 

Tivoli,  Travertiuablagerung  367. 
Toblacber  Wasserscheide  517. 

Tobolsk,  Seehöhe  448. 

Tokelau-Inseln  567. 

Tokio,  Erdbeben  322,  325,  328,  335. 
v.  Toll  297*. 

Tongking,  Gezeiten  239. 

Torcll,  644,  646,  650*,  662. 

Torf  547. 

Torfbeide  546. 

Torfmoore  mit  Wurzelschichten  182  f. 
Torghat  419. 

Tornados  96. 

Toskana,  Inseln  480,  Maremmen  536, 
Küste  577. 

Totes  Meer,  ehemalige  Ausdehnung 
184,  Höhe  537,  Dimensionen  538, 
Entstehung  542,  Salzgehalt  543. 
Totes  Thal  537. 

Toula  822*,  479*. 

Trabert  57,  62*. 

Trachycarpus  Martiana  603. 

Trachyt  299,  319. 

Tragosbach  515. 

Transgression  22. 

Transsilvanischc  Alpen  474,  512. 
Transversale  Sehütterlinien  333. 
Trapezunt,  Föhn  115. 

Tran  300. 

Trautschold  279,  297*. 

Travertin  367. 

Treibeis  269,  270,  mechanische  Wir- 
kungen 417. 

Treibholz  241,  879. 

Tremometer  323. 

Tremors  323. 


I Trent  526. 

Trias-Formation  20. 

Trichterförmige  Buchten  407. 

Trier,  Feuchtigkeit  117. 

Triest,  Bora  113. 

Triftströmungen  221,  250. 

Trifttheorie  248,  251. 

Trigonometrische  Höhenmessung  439. 
Trinidad,  Pendellänge  3,  Schlamm- 
sprudel 320. 

Trisetum  subspicatum  630. 

Tristan  da  Cunha  572,  Flora  602,  626. 
Trochoi'de  219. 

Trompetenbaum  599. 

Trondhjemfjord  578,  579. 

Tropengürtel  47,  Zusammensetzung  der 
Luft  42,  Temperatur  65,  73,  jiihrl. 
Temperaturperiode  81,  Gewitter  139, 
Hagel  141  , Gletscher  166,  Flüsse 
372,  379,  Dünen  412,  Brandung  417, 
Vegetation  595,  608,  Flora  621, 
Nutzpflanzen  633,  637,  Fauna  642, 
643,  644. 

Tropenregen  133,  134. 

Tropfstein  357. 

Tropische  Beleuchtungszone  47. 

„ Cordilleren,  Klima  175. 

,,  Florenzone  621,  625,  627. 

Tropischer  Typus  d.  Süßwasserseen  259. 

| Tropischer  Urwald  608. 

Tropischer  Wärmegürtel  76. 

Tsadsee  536,  543. 
j Tchagos  567. 

Tscbarapundschi,  Regen  123,  126,  133. 
Tschernosjom  415. 

Tschernyschew  297*. 
Tschinschoscho,  tägl.  Wärmeschwan- 
kung 81. 

Tsehugoku,  Bcrgland  480. 

Tschuthal  510. 

Tsetsefliege  649,  650. 

Tsinlingschan  509. 

Tuff  300. 
i Tuffkegel  309. 

! Tulpeubaum  599. 

J Tundren  602. 

Tunnels  (Karstthäler)  359. 

Turanisches  Tiefland  s.  aral-kasp.  T. 
Turfan,  Depression  bei,  537. 

Turmberg  447. 

Turon  20. 

Turuchansk,  Temperatur  636. 

Two  Ocean  Creek  524. 

Two  Ocean-Paß  524. 

Tyndall  156,  159. 

Uberfallsquellen  365. 

Übergangsklima  82. 

Übergußtafeln  448,  449. 
Überschwemmungen  374. 

Ufermoränc  161. 


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Register. 


703 


Uferwälle  404,  406. 

Ugogo  613. 

Uinkaret-l’lateau  459. 

Uintagebirge  496,  498. 

Ule  218,  219*,  539,  548*. 

Ultenthal  508. 

Umfang  der  Erde  5,  des  Äquators  5. 
Umgekehrte  Wärmeschichtung  259. 
Undulatorische  Erdbeben  323. 
Undurchlässiger  Boden  354. 
Unebenheiten  436. 

Ungarn,  Überschwemmung.  374,  Ebenen 
443,  Natronseen  544,  Wald  681. 
Unger  187,  633,  639*. 

Ungleichartige  Flösse  521. 
Ungleichförmige  Faltengebirge  469, 
494. 

Uninodale  Wellen  227. 

Unperiodische  tägliche  Wärmeschwan- 
kung 78. 

Unperiodische  Veränderungen  176. 
Unst,  Peudelläuge,  3. 
Unteraargletscher.  Abtragung  397. 
Unterirdisches  Wasser  353  ff. 
Unteritalien,  Stoßlinien  333. 

Unterlauf  der  Flüsse  378. 

Unterloitsch,  Doline,  361. 
Uuterschäffler  Alpe,  Temperatur  59. 
Unterseeische  Eruptionen  316. 
Unterseeische  Moore  u.  Wälder  279, 
292,  293. 

Unterseeische  Thäler  294. 

Untiefen  402,  der  Flüsse  379. 
Uperuivik,  Temperatur  57. 

Ur  659. 

Ural  31,  Bau  471,  475,  Beziehungen 
zum  Vorland  478,  Höhe  u.  Alter  484, 
Waldgrenze  604. 

Urmiasee  543. 

Urnersee  540. 

Ursprüngliche  Ebenen  443,  449. 

„ Höhlen  364. 

„ Inseln  552,  560ff. 

„ Thäler  398,  400. 

Urzeit  der  Erde  19. 

Usboj  528. 

Ussa  526. 

Ustjansk,  Temperatur  69. 

Utklippan,  Niveauveränderung  287. 
Ütliberg,Temperaturveränderlichkeit85. 

Vacciuium  603. 

Val  Bagne,  See  532. 

Valbuona  508. 

Val  Meledrio  508. 

Valparaiso,  Temperatur  60,  Regen  129. 
Val  Renduna  608. 

Vampyr  654. 

Vancouver,  Niveauveränderung  289. 
Vardarthal  511. 

V arenius  250. 


Variscisches  Gebirge  490. 

Vegetation  589. 

Vegetationsformationen  595  ff. 
Vegetationszonen  595  ff. 

Veleta  348. 

Venediger,  Schneegrenze  149. 
Venezuela-Gebirge  32,  Waldgrenze  604. 
Venjukow  548*. 

Veränderlicher  Hase  648. 
Veränderlichkeit  der  Temperatur  83. 
Verbeek  322*. 

Verdoletsch,  ehemaliger  See  360. 
Verdunstung  116. 

Vereinigte  Staaten,  Windgeschwindig- 
keit 89,  Niveauveränderungen  293, 
säkulare  Verwitterung  353,  Karst- 
phänomen 364,  Miiudungsformen  an 
d.  atlaut.  Küste  406,  Löß  414,  432; 
Bodenarten  429,  Küstenebene  448; 
Flora  624,  Baumwolle  637. 
Verfärbung  des  Meeres  218. 

Verhältnis  von  Wasser  n.  Land  23,  24. 
Verlaten  Eiland  309. 
Vermoorungsprozcß  546. 
Vemagtgletscher  154,  157. 
Verschiebung  272. 

Verschwindende  Flüsse  358. 
Vcrtikaldislokationen  273,  275. 
Verwerfung  14,  273,  275. 

V' erwerfungsquellcn  365. 

Verwitterung  15,  340,  343  ff. 
Verwitterungserde  343. 
Verwitteruugsterrassen  349. 
Verwitterungsthäler  400. 

Vesuv  301,  313, 318,  502,  503,  Erdbeben 
334. 

Vico.  Kratersee  313. 

Victoria  (Australien)  Niveauverände- 
rung  291,  Gebirge  492. 

Victoria  (Hongkong),  Regen  133. 
Victoriafälle  396. 

Victorialand  602. 

Victoria  Njansa  536,  542. 

Victoria  regia  599. 

Vierwaldstätter  See,  541,  545. 
Vihorlat-Gutin-Gebirge  313. 

Villacher  Alpe,  Einsturz  351. 
Vindhyaformation  21. 

Vinga,  Niveauveränderung  287. 
Vintschgau,  Stufenbau  395. 

Virginieti,  Florenveränderung  632. 
Virungo  311,  315. 

■ de  Vis  651. 

Vispthal,  Erdpyramiden  351,  moderne 
Thalbildung  386. 

Viti  440. 

Viti-Levu  559. 

Vivara  313. 

Vögel  643,  645,  646,  652,  654,  657,  658, 
661,  662,  Verbreitungsmittel  571. 
Vogelberge  646. 


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704 


Register 


Vogesen,  Gipfelformen  347,  Bau  490, 
Granit  506,  Waldgrenze  604,  Glazial- 
pflanzen 629,  Getreidegrenze  635. 
Volger  331. 

Vorderindien,  Geologie  21,  Regen- 
änderung 190,  Laterit352,  Tiefebene 
444,  447,  Küste  575,  578,  Dschungel- 
gebüseh  620,  Flora  622. 
Vorgeschobene  Deltas  404. 
Vorland-Gletscher  151. 

Vrana-Sce  359. 

Vulcanello  317. 

Vuleano  313. 

Vulkan  299,  Einteilung  309,  geograph. 

Verbreitung  310,  480. 

Vulkanische  Ablagerungen  428,  429. 

„ Asche  299. 

„ Ausbrüche  15,  300  ff. 

„ Berge  u.  Gebirge  309,  500  ff. 

„ Erdbeben  331,  336. 

„ Explosionen  304. 

„ Gase  300. 

„ Gewitter  302. 

„ Inseln  316,  560  ff.,  569,  583. 

„ Meeresablagerungen  202,  205. 
Vulkanischer  Sand  299. 

Vulkanische  Tafeln  309,  506. 
Vulkanismus,  Theorie  276,  317. 
Vulkankegel  500,  506. 

Vulkanreihen  307. 

Vultur  313. 

Wachspalme  596,  610. 

Wacken  269. 

Wadi  el  Arba  537. 

Wadis  432,  in  der  Sahara  433. 
Wagner,  H.  6’,  7*,  23,  24,  27,  40*. 
Wahand  530. 

Wähner  515,  516,  520*. 
Wahnschaffe  434*,  447,  463*. 
Wahre  Oberfläche  6. 

Wald  607,  630,  Einflußauf  d.  Klima  189, 
auf  d.  Wasserinenge  d.  Flüsse  371. 
Waldgrenze  auf  d.  nördl.  Hemisphäre 
601,  auf  der  südlichen  602,  im  Ge- 
birge 483,  484,  604. 

Waldtiere  641. 

Wales,  Gebirge  490,  491. 

Wallace  554,  556.  557,  559,  560*, 
561,  642,  643.  644,  650,  652,  653, 
661,  662,  664*. 

Wallace-Linie  557,  622,  627,  652. 
Wallbecken  532,  535 
Wallensee  545. 

Wallpaß  520. 

Wallriffe  564. 

Walther,  Job.,  278*,  341,  352.  409 
410,  415*.  431. 

Wangeroog  422. 

Wansee  543. 

Wärme  s.  Temperatur. 


Wärmedurchlässigkeit  der  Luft  43. 
Wärmegewitter  140. 

Wärmemenge  45. 

Wärmequellen  d.  Erde  42,  d.  oberen 
Luftschichten  52. 

Warme  Quellen  367. 

„ Scblammsprudel  320. 
Wärmeumkehr  58. 

Warme  Zone  74,  75. 

Wärmezonen  Köppens  76. 

Waschbär  661. 

Wasser,  Areal  23,  Verteilung  24. 
Wasserdampf  116,  bei  Vulkanen  300, 
819. 

Wasserfälle  395. 

Wassergräser  547.  * 

Wasserhalbkugel  25. 

Wasserhülle  7. 

Wassermoos  546. 

Wasserscheiden  385,  im  Gebirge  511, 
Veränderungen  530. 

Wasserteilung  524, 

Watt  423,  424,  576. 

Weald,  Bau  499. 

Wealden  20. 

Weber,  Gebr.  223. 

Weberknecht  647. 

Wechselboden  428,  429. 

Wechscllauf  521. 

Wechselpaß  519. 

Wechselständige  Thäler  385. 

Weddell  23. 

Weichsel,  Eisbedeckung  374,  Delta 
406,  Durchgangsthal  512,  Verän- 
derungen 530. 

Weichtiere  im  Tiroler  Hochgebirge  647. 
Weiden  612. 

Weihuachtsinsel  568. 

Weingiirtel  637. 

Weißach  518. 

Weiße  Berge  s.  White  Mountains. 
Weißensee  (Elsaß),  Temperatur  258. 
Weißensec  iKärnten),  Temperatur  258. 
Weißes  Meer,  Name  219. 

Weißtaune  612. 

Weizen  634. 

Wellenberg  220. 

Wellenbewegung  des  Meeres  15,  219  ff. 
Wellenböschung  222. 

Wellenförmige  Erdbebenbewegung  323. 
Wellengeschwindigkeit  220  ff. 
Wellenhöhe  220  ft'. 

Wellenlänge  219  ff. 

Wellenperiode  219  fl’. 

Welleuthal  220. 

Wellentheorie  Airys  235. 

Wellingtonia  593. 

Welsh  54,  55. 

Werchojansk,  Temperatur  55,  69,  71, 
636,  jälirl.  Wärmesehwaukuug  82, 
Schnee  137. 


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Register. 


705 


Wcrnoje,  Erdbeben  327,  337. 

Werrathal  461. 

Weser  525,  Gezeitengrenze  238,  Mün- 
dung 405,  406. 

Westalpen.  Bau  471. 

Westaustralische  Flora  626. 

Westaustralische  Strömung  246. 

Westdeutsches  Erdbeben  337. 

Westeras,  Temperatur  58. 

Westeuropa  31,  Temperatur  73,  Tem- 
peraturabweichung  87,  Klima  173. 

Westfeste  s.  Amerika. 

Westghats,  Urwald  609. 

Westindien,  Regen  128,  Klima  175, 
Küste  575,  Flora  631,  632,  Fauna 
655. 

Westküsten,  Temperatur  66,  68,  71, 
thermische  Anomalien  73,  74,  jährl. 
Wärmeschwankung  82,  Temperatur- 
veränderlichkeit 85,  Temperatur- 
abweichung 87,  Winde  102,  Regen- 
wahrscheinlichkeit 132,  jahreszeitl. 
Regen  Verteilung  134.  139. 

Westliche  Halbkugel,  Wasser  u.  Land  24. 

Westpreußen,  säkul.  Waldwechsel  631. 

Westsibirien , Temperaturveränderlich- 
keit  84.  85,  86,  Luftdruck  u.  Winde 
103,  108,  Regen  126,  Klima  174, 
Erdbeben  334,  Tiefebene  448,  Seen 
544. 

Wetterau  399. 

Wettersee  538. 

AA'etterveräuderlichkeit  98. 

Weule  588. 

AVeyprecht  51,  269,  270,  271*. 

AA'harton  574*. 

AVhewell  233,  237. 

AA’hite  499*. 

AA'hite  Mountains  487,  AATaldgrenze  604, 
Glazialpflanzen  630. 

AA'hite  River  Plateau  497. 

Whitney  615. 

AA'hyniper  166,  601. 

Wich  mann,  A.  559,  560*. 

AA'ickenburg,  tfigl.  AVärmeschwankung 
79. 

Wiener  45.  52*. 

AViener  Becken  458. 

„ Thermenlinie  313. 

AA'ies,  Erdbeben  328. 

AA'iesbadeu,  Therme  368. 

AA'iesel  660. 

AA’ild  61,  74,  118. 

Wildbäche  381. 

Wildschwein  659. 

W i 1 1 i s 479*. 

AA’illkomm  126. 

AA’itnmera  530. 

AA'inde  15,  klimatische  Bedeutung  119, 
Erzeuger  der  Meeresströmungen  248, 
Einfluß  auf  d.  Zitterbewegungen  329, 

SüPAS,  Physische  Erdkunde.  2.  Aufl. 


auf  die  Deltas  407,  geologische 
Arbeit  408  fl'.,  Einfluß  auf  die  Flüsse 
529. 

Winderosion  408. 

Windflächo  209. 

AA'indgeschwindigkeit  89. 

AVindgesetze  88. 

AA'indstärke  89. 

AA'indstau  224,  421. 

AA'indströmungen,  System  250. 
AA'indverteilung  im  AArinter  102,  im 
Sommer  106. 

Windwellen  219  ff. 

Wiuuipegsee  485,  531,  545. 

AA'interge  witter  140. 

AA'interregen  184. 

AVirbelge  witter  1 40. 

Wirkliche  Schneegrenze.  144. 

Wisent  659. 

AAGsotzki  525,  531*. 

Wisperwind  112. 

AA’itungletseher  168. 

Wocikow  42*,  59,  69,  74,  80,  115, 
128,  189,  261,  271*,  371,  606. 

AA'olf  646.  659,  660. 

Wolf,  R.  43. 

Wolf,  Th.  303,  312,  339,  419. 

St.  AA’olfgangsee  545. 

AA'olga  526,  Eisbedeckung  374. 
AA’olken  121. 

AA’ollbaum  599. 

AA'ollgräser  546,  547. 

AA’olllmariges  Rhinozeros  659. 
AVologda,  AVald  631. 

Woodward  286,  297*. 

AA'rangell  115. 

AA'mngcllberg  311. 

Wrnngelland  558. 

AVurzelmaus  648. 

AVüsten,  Gewitter  140,  Hagel  141,  Exo- 
gene Erscheinungen  408,  432  f.,  Dü- 
nen 412,  Pflanzen  616. 
Wüstengürtel  der  alten  AA’elt  31. 
AA’üstentatel  31,  442,  Regen  127. 
Wüstenwinde  115. 

AVyaudott-Hölde  364. 

\ampa  512,  516. 

Yamswurzel  637. 

Yangasa  Cluster  567. 

A'atavpalme  610. 

Yokohama,  Erdbeben  325,  337. 

Yoldia  arctica,  Schichten  d.,  289. 
A'ork-AA’olds  456. 

Yosemitefall  396. 

A’ueca  598. 

Zahnarme  s.  Edentaten. 

Zaunone  480,  561. 

Zebra  656. 

Zechstein  20. 

45 


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706 


Register. 


Zeller  See  515,  Wasserscheide  518. 

Zenker  62,  63,  17*. 

Zentralafrikanischer  Graben  315. 

Zeutralamerika  28,  wärmster  Monat  81, 
Regen  128,  Maare  299,  Vulkane  811, 
312,  Schlammsprudel  320,  Erdbeben 
335,  Bodenarten  429,  Urwald  608, 
609,  Fauna  653. 

Zentralasien  30,  31,  Tägl.  Temperatur 
Schwankung  79,  Winde  105,  108, 
109,  408,  Regen  126,  Gletscher  167, 
Vulkane  310,  Wüsten  410,  617,  Bo- 
denarten 429,  431,  Felsbecken  534, 
Seen  542,  544,  Getreidebau  635, 
636. 

Zentrale  Erdbeben  329,  330,  336. 

Zentraleruptionen  307,  308,  309. 

Zentrales  Mittelmeer  206. 

Zentrales  Tafelland  von  England  456. 

Zerschnittenes  Flachland  453,  461. 

Zeugen  454. 

Zeyegletscher  169. 

Zibethkatze  658. 


Ziegen  656,  660. 

Ziemer  133*. 

Zingst  576. 

Zirknitzer  See  359,  360. 

Zittel  366,  560,  662,  664*. 
Zitterbewegungen  322. 

Zonale  Faltengebirge  471,  494. 
Zöppritz  11,  13*,  248,  249,  255*,  529. 
Zsigmondy  462*. 

Zuckerapfel  637. 

Zuckerkiefer  612. 

Zuckerrohr  637. 

Zuidersee  421. 

Zürich,  Temperaturveränderlichkeit  85, 
Temperatur  114. 

Züricher  See  545,  Tiefeutemperatur 
259,  Erdbeben  327. 

Zusammengesetzte  Faltengebirge  469. 
494. 

Zuurberge  484. 

Zwarteberge  484. 

Zweiflügler  646. 

Zwergpalmen  596  f.,  624. 


Berichtigungen  und  Zusätze. 


S.  3 Z.  14  v.  o.  Zu  Darwin  ist  der  Litteraturvermerk  1 hinzuzufügen. 

S.  3.  Z.  17  v.  o.  Nach  „Gestalt  der  Erde“  ist  der  Litteraturvermerk5  hinzu- 
zufiigen. 

S.  21  Z.  8 v.  u.  Statt  vorindisch  lies  vorderindisch. 

S.  23  Z.  19  v.  o.  Statt  Pehry  lies  Paury. 

S.  35,  193,  196.  Die  hier  genannte  größte  ozeanische  Tiefe  von  8515  in  (bei 
Japan!  bat  erst  durch  eine  Messung  des  englischen  Kriegsschiffes  „Penguin“ 
im  Sommer  1895  ihren  Rang  eingebüßt.  Unter  20°  40'  S.  175°  10'  VV. 
(also  ebenfalls  im  Pazifischen  Ozean,  vergl.  S.  196)  wurde  bei  einer  Tiefe 
von  8960  m der  Boden  noch  nicht  erreicht.  Man  kann  also  rund 
9000  m als  größte  bekannte  Meerestiefe  betrachten.  (Nature  v. 
3.  Okt.  1895  S.  550.  Auf  der  Karte  I konnte  diese  Tiefe  noch  einge- 


tragen werden.) 

S.  84  Z.  9 v.  u.  Statt  Europisches  lies  Europäisches. 

S.  122  Z.  19  v.  u.  Statt  Mayer  lies  Meyer. 

S.  123  Z.  12  v o.  Die  nachfolgenden  Niedcrsclilagswerte  beziehen  sich  nicht 
auf  je  1 qkm,  sondern  auf  eine  Fläche  von  je  10  qm.  Sie  lassen  sich  un- 
mittelbar in  Regenhöhen  verwandeln,  z.  B.  21,2  cbm  = 212  cm. 

Statt  Üöstlich  lies  östlich. 

Zu  Schott  ist  der  Litteraturvermerk  1 hinzuzufügen. 

Zu  Paris  ist  der  Litteraturvermerk  * hiuzuzufügeu. 

Statt  umgehrte  lies  umgekehrte. 

Statt  Gorre  lies  Goree. 

Nach  Flutbraudung  ist  der  Punkt  zu  streichen, 
u.  15  v.  o.  Statt  Kameni  lies  Kaymeni. 

Statt  Middlemis  lies  Middlemiss. 

Statt  wases  lies  was  es. 

Nach  Südamerika  ist  Komma  zu  setzen. 

Statt  unmittebar  lies  unmittelbar. 

Statt  Böschung  lies  Böschungen. 

Statt  bestätigte  lies  bestätigt. 

Statt  Bauatagebirge  lies  Banatergebirge. 

Statt  hönnen  lies  können. 


s. 

183 

z. 

19  V.  u. 

s. 

221 

z. 

20  V.  0. 

s. 

222 

z. 

20  v.  o. 

s. 

231 

z. 

9 V.  0. 

s. 

234 

z. 

7 v.  u. 

s. 

238 

z. 

16  v.  u. 

s. 

305 

z. 

8,  9,  11 

s. 

337 

z. 

7 v.  u. 

s. 

397 

z. 

8 v.  u. 

s. 

429 

z. 

17  v.  u. 

s. 

445 

z. 

5 v.  u. 

s. 

46  t 

z. 

7 v.  o. 

s. 

498 

z. 

21  v.  u. 

s. 

512 

z. 

6 v.  o. 

s. 

542 

z. 

4 v.  o. 

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